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Lago Maggiore

Ich gestehe, dass ich mit einigen Heiligen ein Problem habe. Ihre Heiligsprechung riecht zu sehr nach Politik, und wenn sogar ein Verwandter des Heiligen die Heiligsprechung durchsetzte, stellt sich die Frage, ob diese Person wirklich ihre Heiligkeit verdient hat. Das ist für mich der Fall bei Karl Borromäus, der im Jahr 1610 von Papst Paul V., auf Drängen des Erzbischofs von Mailand und Karls Cousin Federico Borromeo heiliggesprochen wurde. Wenn dann Papst Pius X. das dreihundertste Jubiläum seiner Heiligsprechung mit Worten feierte, in denen er die Reformation als Rebellion und Perversion des Glaubens bezeichnete, bekommt die ganze Geschichte in der heutigen Welt, die nach ökumenischer Einheit strebt, einen etwas bitteren Geschmack.

Karl Borromäus lebte von 1538 bis 1584. Er begann seine Karriere als Administrator des Trienter Konzils in den Jahren 1562–1563, als dieses Konzil Dogmen verabschiedete, die die Spaltung der Kirche endgültig besiegelten. Ab 1560 war er Erzbischof von Mailand und sorgte sorgfältig dafür, dass jeder Hauch von Protestantismus aus seiner Diözese ausgelöscht wurde. Er zögerte nicht, Hilfe zu leisten, als italienische Protestanten in das Misox-Tal in der Schweiz flohen und die einheimischen Katholiken um Hilfe baten. Karl hatte eine Methode, wie man mit Ketzer umgeht – sie wurden einfach der Hexerei beschuldigt. Die Ergebnisse ließen nicht auf sich warten. Elf von ihnen wurden verbrannt, die anderen kehrten nach grausamer Folter in den Schoß der katholischen Kirche zurück.

Es gibt natürlich auch Positives über Karl zu berichten. Er förderte Bildung, gründete in Pavia ein Internat für arme Studenten. Er kümmerte sich um Pestkranken und lebte so asketisch.  dass er im Alter von 46 Jahren starb. Dennoch hege ich ernsthafte Zweifel, ob er seine Heiligsprechung mit seinen Taten wirklich verdient hat.


          Aber gut, er ist ein Heiliger, und wenn man ihn besuchen möchte, muss man  sich zum Lago Maggiore begeben. Dort in der Stadt Arona, wo er geboren wurde, bereits im Jahr 1618, wurde für ihn eine riesige Statue aus Kupfer errichtet (28 Meter hoch – mit Sockel sogar 35 Meter), in die man bis in seinen Kopf hinaufsteigen kann. Ich habe es gemacht, obwohl es ziemlich anstrengend war, aber ich war neugierig, was in seinem Kopf ist. Ich fand, was ich erwartet hatte, da war nichts drin.

Dennoch bereue ich es nicht, es war eine ziemlich interessante Erfahrung. Gleich neben der Statue befindet sich eine Wallfahrtskirche mit einer Nachbildung seines Geburtszimmers (Es wird behauptet, dass er genau an diesem Ort geboren wurde, aber was hätte die edle Medici-Frau kurz vor der Geburt auf diesem Hügel gemacht? Sie hat sicherlich im Schloss in der Stadt entbunden, das Napoleon im Jahr 1800 dem Erdboden gleichgemacht hat). Der ganze Hügel oberhalb der Stadt Arona heißt Sacro Monte, von dort aus hat man einen herrlichen Blick auf den südlichen Teil des Sees sowie auf die Burg Angera, die seit 1449 ebenfalls im Besitz der Borromeo-Familie ist.

Diese Familie spielte in der Geschichte dieser Region eine bedeutende Rolle. Von 1445 bis 1797 hatten sie hier einen eigenen Staat, der keiner Jurisdiktion unterlag. Obwohl die Borromeos “nur Grafen” waren, wurden sie wiederholt zu Markgrafen ernannt oder bekleideten Ämter von Vizekönigen und vor allem – sie waren unglaublich reich.

Ihre Karriere begann wenig glanzvoll. Um das Jahr 1370 mussten sie aus San Miniato in der Toskana fliehen, als einer von ihnen, Filippo Boromei, sogar hingerichtet wurde. Seine Söhne Filippo, Borromeo und Giovanni flohen nach Mailand und gründeten hier eine Bank. Filippo Boromei hatte dann sehr viel Glück bei der Wahl seiner Lebenspartnerin. Er heiratete Taddea di Tenda, die Schwester der Gattin des Herzogs Filippo Maria Visconti, und konnte sich dank seines Geldes sogar mit seinem mächtigen Schwager sehr gut anfreunden. Sein Sohn Filippo heiratete sogar direkt in die Familie Visconti ein, als er 1438 Francesca Visconti zur Frau nahm. Dem rapiden Aufstieg der Familie stand also nichts im Wege, insbesondere, als sie nach dem Aussterben der Visconti auf die richtige Karte setzten. Denn sie finanzierten den Nachfolger der Visconti, Francesco Sforza, als er das unnachgiebige Mailand belagerte, das von einer Wiederherstellung der Republik träumte. Die Borromeos erwarben weitere große Ländereien in der Nähe des Lago Maggiore und machten sich dort unabhängig. Die Sforzas tolerierten diese Tatsache und nach ihnen auch die nachfolgenden Herrscher von Mailand. Sowohl die Franzosen als auch die Habsburger akzeptierten ihre Unabhängigkeit. Die Borromeos hatten sich in der Zwischenzeit mit fast allen bedeutenden Familien Europas verschwägert, sodass niemand das Risiko einging, sich mit ihnen anzulegen. Der Lago Maggiore und das Land um diesen See gehörten einfach ihnen, und niemand stellte das in Frage.

Und genau dort entstand etwas Erstaunliches, für das es sich lohnt, so weit nach Westitalien zu reisen.

Im Jahr 1501 kauften die Borromeos die erste der Inseln im See, die „Isola Madre“, und danach noch zwei weitere Inselchen, die heute „Isola Superiore dei Pescatori“ und „Isola Bella“ heißen. Damals war die letzte allerdings noch nicht schön wie heute und hieß „Isola Inferiore“, sollte aber schön werden. So schön, dass einem der Atem stockt. Der Bau des Palastes und des unglaublichen Gartens begann unter Carlo III. Borromeo. Es gelang ihm, zwei kleine Klöster von dort auf die nahegelegene Insel „Isola Superiore dei Pescatori“ zu verlegen, und die „Isola Inferiore“ benannte er nach seiner Frau in Isabella um. Von da an war es nur noch ein kleiner Schritt zum heutigen Namen, der die Schönheit der Insel viel besser widerspiegelt (obwohl man sagt, auch Isabela sei außergewöhnlich schön gewesen). Aus Isabella wurde „Isola Bella“. Was aus dem Felsbrocken im See entstand, ist nämlich atemberaubend.


          Der Bau des Palastes und des Gartens dauerte bis 1959, also fast dreihundert Jahre, aber die Borromeos waren beharrlich. Obwohl ihnen immer wieder das Geld ausging, gaben sie das Projekt nie auf. Sie waren zwar nur Grafen, aber sie verkehrten in der höchsten Gesellschaft von Päpsten, Kardinälen, Herzögen und Königen und wollten ihre Gäste aus dieser Gesellschaft beeindrucken, daher wurden die Kosten nicht gescheut. Das Erdgeschoss, das sie in Form von einer Höhle bauen ließen (eigentlich sechs Höhlen), wurde neunzig Jahre lang errichtet und kostete unglaubliche Geldsummen. Die gesamte Insel hat die Form eines Schiffes, wobei der Palast den Kapitänsposten darstellt und der Park den Bug des Schiffes. Der Palast wirkt von außen zwar recht schlicht im manieristischen Stil, aber die Innenausstattung ist umso prächtiger. Übrigens verbringt die Familie Borromeo im Palast immer noch den Sommer, sie bewohnt jedoch nur das obere zweite Stockwerk des Palastes und lässt den Rest für Touristen offen. Die Einnahmen aus dem Tourismus spielen wahrscheinlich eine wichtige Rolle bei der kostspieligen Erhaltung der Schönheit der Insel.

Bereits die Eingangstreppe des Palastes ist monumental, und dann geht es von Raum zu Raum, alles blendend. Ob es sich um Gemälden in vergoldeten Rahmen in der nach dem französischen General Barthier benannten Galerie handelt, den Thronsaal mit einem Thron, der nicht nur für einen Grafen, sondern auch für einen König angemessen wäre, das Schlafzimmer mit Himmelbett oder den Musiksalon mit einem vergoldeten Cembalo.

Dieser “Sala della Musica” ist auch historisch bedeutsam. Vom 11. bis 14. April 1935 trafen sich hier Vertreter der “Siegermächte”, um das Problem zu besprechen, nämlich die Entscheidung Hitlers über die Einführung der Wehrpflicht in Deutschland, womit er die Vereinbarungen des Versailler Vertrags nach dem Ersten Weltkrieg verletzt hatte. Der Gastgeber war Mussolini, denn zum einen betrachtete er sich auch als einer der Vertreter der “Siegermächte”, schließlich errichtete er in seinem Land viele Siegesdenkmäler, und zum anderen war er damals noch nicht so eng mit Adolf befreundet. Das änderte sich erst nach dem Münchner Abkommen im September 1938 und vor allem nach 1939, als er mit Hitler einen “Deal” über Südtirol abschloss. 1935 empfing er auf „Isola Bella“ Vertreter Großbritanniens und Frankreichs. Das abgesegnete Dokument hängt an der Wand des Musiksalons. Wie es ausging, wissen wir. Das zahnlose Memorandum schreckte Hitler nicht ab, im nächsten Jahr in das demilitarisierte Rheinland einzumarschieren, und alles steuerte auf einen Weltkonflikt zu. Der größte Saal im Palast ist der “Salone” Er ist der Hauptsaal, der erst 1959 fertiggestellt wurde und sich über alle drei Stockwerke des Palastes erstreckt Es gibt aber auch den großen „Saal der Medaillen“, in dem größere Gesellschaften speisten, und natürlich darf auch der große Ballsaal nicht fehlen. Er ist ganz aus mit Spiegeln bedecktem Marmor gemacht.

Einer der Säle trägt den Namen des französischen Kaisers Napoleon, als Erinnerung an den Besuch dieses prominenten Gastes auf der Insel im Jahr 1797. Es war während seines ersten italienischen Feldzugs, bei dem er die Österreicher aus Italien vertrieb, die Republik Venedig auflöste und seinen Triumph mit dem Frieden von Campoformio im Palast des letzten Dogen von Venedig, Vernier beendete. Napoleon kam mit seiner Frau Josephine auf die Insel. Ihr verdankte er viel, insbesondere das Kommando über die französische Armee in Italien. Premierminister Barras drückte dadurch seine Dankbarkeit dafür aus, dass Napoleon ihn von seiner schwierigen Geliebten befreit hatte. Napoleon und Josephine übernachteten in einem Saal, der heute noch ihren Namen trägt, in einem Himmelbett, das immer noch dort steht. Allerdings waren die Erinnerungen an den Besuch des kleinen Korsen nicht gerade die besten. Der Verwalter des Schlosses ließ verlauten, dass er noch nie eine so schreckliche Gesellschaft erlebt habe, die um Essen und Plätze am Tisch beinahe gekämpft habe (Napoleon kam mit sechzig Begleitern, aber im großen Speisesaal, dem Medaillensaal, gab es nur Platz für dreißig). Napoleon hinterließ das Zimmer, in dem er die Nacht verbracht hatte, voller Müll, Unordnung und Schmutz, sodass der Verwalter froh war, dass der problematische Gast nur zwei Tage geblieben war, da er sonst den Palast in eine Kaserne verwandelt hätte. Die Erinnerungen an den Besuch waren offensichtlich sehr frustrierend, denn als Napoleon im Jahr 1805, kurz nach seiner Krönung zum Kaiser, erneut seinen Besuch ankündigte, schrieb Graf Gibero Borromeo, dass er gehört habe, dass der Kaiser und die Kaiserin Bedenken wegen des feuchten Klimas auf der Insel hätten. In seinen Anweisungen fügte er hinzu: “Obwohl diese Information nicht auf Wahrheit beruht, sollte sie unterstützt werden, und das kaiserliche Paar sollte in seinem Glauben an das ungesunde Klima der Insel belassen werden.”

Selbst diese durchdachte Taktik half jedoch nicht, denn Napoleon und Josephine erschienen im Juni 1805 auf der Insel, und ein Jahr später kam sogar Josephines Sohn Eugenio Bernharnais mit seiner Frau. Nach diesem Besuch verschwanden einige wertvolle Leuchter und flämische Wandteppiche, sodass die Besuche der französischen Kaiserfamilie den Gastgebern eher Sorgen als Freude bereiteten. Immerhin war das ein lebenslanges Problem Napoleons. Da er aus sehr bescheidenen Verhältnissen stammte, hatte er nie gelernt, sich anständig zu benehmen, und echte Aristokraten wie der russische Zar Alexander oder Napoleons Außenminister Talleyrand, verachteten ihn deshalb zutiefst. Dies ist ein Problem, mit dem heutzutage zum Beispiel auch russische Oligarchen zu kämpfen haben.

Obwohl einige wertvolle Wandteppiche mit Eugenio Bernharnais aus dem Palast verschwanden, gibt es immer noch genug von ihnen, die im letzten Saal des Palastes ausgestellt sind. Sie sind sechs mal vier Meter groß und zeigen verschiedene Motive aus dem Tierleben, hauptsächlich werden hier Löwen dargestellt.

Von diesem Saal aus gelangt man in den Garten.

Dieser ist vom Palast durch eine von hohen Bäumen gebildete Wand getrennt, sodass man den Palast vom Garten aus nicht sehen kann. Dadurch stört den Besucher nichts, um die Schönheit dieses Gartens wirklich zu genießen. Der Garten erstreckt sich über fünf Terrassen bis zur Aussichtsplattform auf dem Gipfel. Die Terrassen sind mit duftenden Rosen bedeckt, unten blühen Azaleen und Rhododendren, aber auch Zitronenbäume, Orangenbäume, Lotusblumen und andere duftende Pflanzen. Alles wird durch antike Motive wie das Atrium der Göttin Diana oder Herkules ergänzt. Das alles ist in Form eines französischen Barockgartens gepflegt, also eine künstliche Schönheit, aber dennoch eine atemberaubende.

Man muss es mit allen Sinnen erleben, und egal, ob man fotografiert, filmt oder auf andere Weise versucht, diese Eindrücke für die Ewigkeit festzuhalten, es gelingt einfach nicht. Das Gedächtnis ist das einzige, wo man die Eindrücke speichern kann.

Die zweite Insel, die „Isola Madre“ ist ebenso erstaunlich.

Verschiedene orientalische Bäume wie Eukalyptus, Zypressen, Palmen, die unter dem Palast eine gesamte Kolonnade bilden, Kamelien, Zitronenbäume und sogar Bananen (offensichtlich friert es hier im Winter trotz der Nähe der Alpen nicht, sonst würden es Bananen nicht überstehen). Die größte Kuriosität ist ein ganzes Beet verschiedener Blumenarten aus der Protea-Familie, von denen die berühmteste die wunderschöne Protea cynaroides ist, die 1967 zur Nationalblume der Republik Südafrika erklärt wurde.

Darüber hinaus werden hier viele unbekannte, aber äußerst farbenfrohe und daher schöne Vögel gezüchtet. Die imposanteste Pflanze ist wahrscheinlich ein riesiger Kaschmirzypresse, die ein Sturm im Jahr 2006 mit Wurzeln ausgerissen hat. Der Baum konnte wieder an seinen ursprünglichen Standort gepflanzt und dadurch gerettet werden. Heute wächst er weiter, sicherheitshalber ist er mit Stahlseilen befestigt, aber offensichtlich geht es ihm nicht schlecht.

Der Palast demonstriert erneut die Nähe der Borromeos zu den mächtigsten Familien Europas; es gibt Porträts und Wappen von Familien, mit denen sie durch Heiraten verwandt waren, und so sind Wappen von Papst Pius IV. Medici (der Onkel des heiligen Karls), Papst Innozenz XI. aus dem Odescalchi-Geschlecht und Karl II., König von Spanien, abgebildet. Und natürlich wird man dort von einer Büste des berühmtesten Mitglieds der Borromeo-Familie, des heiligen Karl, begrüßt. Um sicherzustellen, dass man nicht am Wert der Familie zweifelt, findet man zusätzlich Porträts der Päpste, mit denen die Borromeos verwandt waren (Clemens VII. Medici, Paul III. Farnese, Pius IV. Medici und Innozenz XI. Odescalchi) im Konferenzsaal, der aufgrund seiner Dekoration auch als Papstsaal bekannt ist. Die Säle und Schlafzimmer sind mit Barockmöbeln eingerichtet, der runde venezianische Saal ist bereits im Rokoko-Stil gestaltet und mit einem Kronleuchter aus Muranoglas geschmückt. Als Kuriosität gibt es dort auch eine Sammlung von Puppen von Robert und Gisela Pesché, die diese Sammlung den Borromeos geschenkt haben, sowie mehrere Marionettentheater mit Ersatzpuppen in mehreren anderen Räumen. Dieses Marionettentheater wurde in der wunderschönen Kulisse des Gartens auf Isola Madre gespielt, und die erste Aufführung ist im Jahr 1657 dokumentiert. Wenn man also nach Isola Bella gereist ist, um den Palast der Borromeos zu bewundern, dann fährt man nach Isola Madre, um die Natur zu genießen. Gustave Flaubert bezeichnete einmal die Insel als das “sinnlichste” Fleckchen Erde, und daran ist etwas Wahres.

Man kann die Inseln von verschiedenen Orten aus erreichen, da sie sich in einer Bucht im westlichen Ausläufer des Sees befinden. Im Norden ist es Verbania, genauer gesagt ihr Stadtteil Palanza, im Süden ist es entweder Baveno oder vor allem Stresa.

Dieser luxuriöse Kurort bietet riesige Hotels mit Blick auf die Borromäischen Inseln und eine wunderschöne Seepromenade mit Stränden – teilweise privat, teilweise öffentlich. Hier haben auch die Teilnehmer der Mussolini-Konferenz auf Isola Bella gewohnt, weshalb der Vertrag “Fronte di Stresa” (Stresa-Front) genannt wurde.

Wer viel Geld hat, könnte hier wohnen; wir haben auf der preisgünstigeren Nordseite in Verbania gewohnt. Aber auch Verbania hat einiges zu bieten. Es ist nicht nur mit 35.000 Einwohnern die größte Stadt am Seeufer, sondern am Stadtrand gibt es auch einen zauberhaften botanischen Garten – „Villa Taranto“. Die Boote, die Touristen über den See transportieren, legen dort an, zu Fuß ist es eine halbe Stunde vom Hafen in Palanza aus. Am schönsten ist es dort im April, wenn die Tulpen blühen, aber wer nach dem Besuch der Inseln noch ein bisschen Energie für botanische Gärten übrig hat, sollte auf jeden Fall noch dorthin gehen. Ihre Augen und Ihre Nase werden wieder auf ihre Kosten kommen.

Como

Die Stadt Como trat in die europäische Geschichte etwas unfreiwillig und unglücklich ein. Am Ende des 11. und zu Beginn des 12. Jahrhunderts, während der Herrschaft der letzten Herrscher der salischen Dynastie, verringerte sich in Italien die Macht der römischen Kaiser, die in Deutschland jenseits der Alpen residierten und Italien nur sehr sporadisch, wenn überhaupt besuchten. Die einzelnen italienischen Stadtgemeinden wurden unabhängiger und nahmen den entfernten Kaiser zwar zur Kenntnis, sie waren aber nicht gewillt, sich ihm zu unterwerfen. Allerdings begannen sie dann untereinander zu kämpfen. Es ging um die Macht und um das liebe Geld. Das wohlhabende Como wurde schließlich zur Beute des mächtigeren Mailands. Die Mailänder eroberten Como im Jahr 1127, zerstörten seine Mauern und alle Häuser außer den Kirchen.

Die Bürger von Como wollten das nicht einfach hinnehmen und beschwerten sich beim Kaiser. Sie hatten Glück, dass Friedrich Barbarossa seit 1152 Kaiser war. Er war ein ehrgeiziger und fähiger Politiker und die italienischen Angelegenheiten ließen ihn nicht kalt. Er entschied zugunsten der Bürger von Como und schickte eine Botschaft nach Mailand, die den Mailändern befahl, sich aus Como zurückzuziehen und die entstandenen Schäden zu erstatten. Doch Mailand wurde überheblich und demütigte die Boten des Kaisers so sehr, dass dem Kaiser nichts anderes übrigblieb, als – ob er es wollte oder nicht – nach Italien zu ziehen, um mit militärischer Macht seine kaiserliche Reputation wiederherzustellen. Dies sollte ihn den Rest seines Lebens beschäftigen, bis hin zur demütigenden Niederlage bei Legnano im Jahr 1176. Mailand wurde von dem Kaiser jedoch diesmal im Jahr 1158 erobert (auch mit Hilfe tschechischer Soldaten, die angeblich Teigfiguren von Kindern vor den Mauern brieten, um den Stadteinwohner von Mailand die Angst einzujagen und sich damit den Ruf der Kannibalen verdienten). Für diese Hilfe wurde der tschechische Fürst Vladislav zum König, und die Herren von Kunštát erhielten ein halbes Pferd in ihrem Wappen, da das andere angeblich von dem Gitter des Stadttores abgetrennt wurde – wohl bemerkt, es geschah auf der Flucht aus der Stadt, also wurde der Hinterteil des Pferdes abgetrennt). Der Kaiser zerstörte nach dem Sieg die Mauern von Mailand und Como durfte seine Mauern wieder errichten. Seitdem sind sie nahezu vollständig erhalten geblieben und durchziehen die städtische Bebauung. Manchmal überrascht den Besucher einer ihre Türme an Stellen, wo man es nicht erwarten würde, sogar in der unmittelbaren Nähe vom städtischen Bahnhof.

Como liegt am westlichen der beiden südlichen Zipfel des Comer Sees. Übrigens ist es der See, wo George Clooney seinen Wohnsitz hat, er liegt etwas nördlich der Stadt am westlichen Ufer im Dorf Laglio. Da der See nur einen Abfluss hat, und zwar am östlichen Ende in der Stadt Lecco, wurde Como häufig von Frühlingsfluten heimgesucht. Heutzutage gibt es hier Abflusskanäle, die das überschüssige Wasser abführen. Die Stadt war schon in der Römerzeit wichtig und ist stolz darauf. An einem Denkmal an der Wand eines Hauses findet man Auszüge aus dem Werk des Schriftstellers Strabon, der die Stadt in seinem Werk “Geographie” beschrieben hat, und an der Fassade des Doms sind sogar zwei Darstellungen von Plinius Caecilius Secundus zu sehen. Dieser bekannte römische Senator wurde im Jahr 61 nach Christus in “Novum Comum”, wie Como damals genannt wurde, geboren. Er wurde durch seine Beschreibung des verheerenden Ausbruchs des Vesuvs im Jahr 79 berühmt, der die Städte Pompeji und Herculaneum zerstörte und den der damals noch junge Plinius persönlich miterlebte – und überlebte.

Como wurde später vor allem durch seine Seidenproduktion berühmt. Die Maulbeerbäume verschwanden zwar zu Beginn des 20. Jahrhunderts aufgrund von Krankheiten und der industriellen Revolution, aber die Seidenverarbeitung findet hier immer noch statt und man kann hier Seidenprodukte – als Souvenir – immer noch günstig kaufen.

Der wichtigste und von Touristen meistbesuchte Teil der Stadt ist natürlich die Seepromenade. Hier befinden sich auch die luxuriösen Hotels „Metropole Suisse“ und „Barchetta Excelsior“. Hier gibt es einen schönen großen Park, der Mafalda von Savoyen gewidmet ist.

Diese savoyische Prinzessin, die Schwester von König Viktor Emanuel III. von Italien, wurde 1902 geboren. Ihre Schönheit erbte sie von ihrer Mutter, die eine von vielen Töchtern von König Nikola I. von Montenegro war. (Über Nikola, der als den Schwiegervater Europas galt, habe ich in meinem Artikel über Montenegro geschrieben). Mafalda heiratete 1925 den hessischen Prinzen Philipp und hatte mit ihm vier Kinder. Prinz Philipp war ein wichtiger Vermittler zwischen Mussolini und Hitler. Nach dem Sturz Mussolinis im Jahr 1943, als Italien auf die Seite der Alliierten wechselte und Deutschland den Krieg erklärte, schickte Hitler acht Divisionen nach Italien. König Viktor Emanuel III. und seine Familie retteten sich durch die Flucht ins Exil. Hitler wollte sich jedoch rächen. Er verdächtigte Philipp von Hessen, an Mussolinis Sturz beteiligt gewesen zu sein. Deshalb ließ er seine Frau, die sich gerade bei ihrer Schwester Zariza Johanna in Bulgarien, aufhielt, da ihr Ehemann, König Boris III. von Bulgarien, gerade verstorben war, in die deutsche Botschaft in Sofia locken. Dort wurde sie verhaftet und nach München und dann ins Konzentrationslager Buchenwald gebracht. Am 24. August 1944 unternahmen die Alliierten einen Luftangriff auf das Konzentrationslager, bei dem Mafalda verschüttet wurde und schwere Verbrennungen erlitt. Es dauerte drei Tage, bis sie operiert werden konnte, wobei ihr ein Arm amputiert wurde. Dennoch starb sie noch am selben Tag an den Folgen der Verletzungen. In Bezug auf ihr Vermächtnis gibt es im Park ein großes Denkmal für den antifaschistischen Widerstand mit Texten und Namen bedeutender Künstler und Schriftsteller, die dem schrecklichen faschistischen Regime zum Opfer fielen – es gibt hier zum Beispiel auch Auszüge aus dem Tagebuch von Anne Frank. Ein Stück entfernt vom Denkmal befindet sich ein Stein, der an Giovanni Palatucci erinnert. Er sollte als Regent der Republik Fiume über 5000 Juden gerettet haben und wurde deshalb 1990 in Israel als “Gerechter unter den Völkern” anerkannt. Im Jahr 1944 wurde er wie auch viele andere italienische Beamte aus Rijeka und Triest von der deutschen Besatzungsverwaltung wegen Hochverrats verhaftet und zum Tode verurteilt. Er starb im Februar 1945 an Typhus in Dachau. Seit 2000, als Palatucci von Johannes Paul II. als “Märtyrer des 20. Jahrhunderts” erklärt wurde, läuft das Verfahren für seine Heiligsprechung.

Im Kontrast zu Mafaldas Park mit modernen Denkmälern des antifaschistischen Widerstands stehen am Ufer des Sees zwei dominante Gebäude aus der Zeit von Mussolinis faschistischer Diktatur. Das erste von ihnen, „Tempio Voltiano“, wurde von Mussolini in den Jahren 1927-1928 zu Ehren des berühmtesten Sohnes der Stadt, Alessandro Volta, erbaut. Volta war der Erfinder der elektrischen Batterie. Er wurde 1745 in Como geboren und starb dort im Jahr 1827

. Im Jahr 1810 wurde er für seine Verdienste in den Adelsstand erhoben und sogar zum Grafen ernannt. In dem Tempel-förmigen Denkmal gibt es eine Ausstellung über sein Leben. Volta ist übrigens in Como auch begraben, sein Grab befindet sich jedoch an einer anderen Stelle, nämlich in einem kleinen Mausoleum auf dem historischen Friedhof „Cimitero Monumentale“.

Wenn man sich mit dem „Tempio“ noch innerlich arrangieren kann, wird man von dem monumentalen Denkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs umso mehr überrascht sein. Dieses Monument wurde von den Architekten Giuseppe und Attilio Terragnil im Zeitraum von 1930-1933 geschaffen.

Offensichtlich hatte Mussolini eine Schwäche für Como. Er verbrachte hier einen großen Teil seiner Kindheit, weil sein Vater hier Lehrer war und der kleine Benito die Grundschule besuchte. Später als “Duce”, besaß er in der Nähe des Sees eine Villa, in der er gerne den Sommer verbrachte. Auch nach seinem politischen Sturz im Jahr 1943, als er als ein Marionetten-Vorsitzender der Regierung der “Republik von Salò” fungierte, empfing er hier Politiker und spielte politische Verhandlungen vor, obwohl alle wichtigen Entscheidungen längst von der deutschen Besatzungsverwaltung getroffen wurden. Paradoxerweise wurde er gerade in Como nach seiner Gefangennahme von Partisanen im April 1945 festgehalten, bevor er hingerichtet wurde. Seine Leiche wurde jedoch nicht auf dem Platz in Como, sondern in dem bedeutenderen Mailand ausgestellt. Der Kreis der Geschichte schloss sich. Da Mussolini Como so sehr liebte, ließ er die Stadt mit einigen Werken faschistischer Architektur bereichern, die den Werken des sozialistischen Realismus ähnlich waren. Wenn man versteht, warum sie dort stehen, erschreckt man vor ihnen etwas weniger.

Als Ausgleich für diese faschistischen Bauwerke ließ die Stadt Como zu Ehren Alessandro Voltas noch ein weiteres Denkmal errichten, das dem polnisch-jüdischen Künstler Daniel Liebeskind anvertraut wurde. Dieses Denkmal namens “The Life Electric” besteht aus Stahl, ist 13,75 Meter hoch, wiegt 29 Tonnen und steht in der Mitte des Sees vor der Uferpromenade von Como. Es ist über eine lange Brücke erreichbar, die den Namen des Physikers Piero Cardiolo trägt. Sowohl Volta als auch Cardiolo arbeiteten im gleichen Bereich. Das Liebeskind-Denkmal wurde im Jahr 2015 enthüllt.

Nicht nur dieses Denkmal, sondern auch der gesamte Park am Ufer und das Denkmal des europäischen Widerstands gegen den Faschismus sollen offensichtlich zeigen, dass sich die Stadt Como von ihrem berühmt-berüchtigten Sohn Benito distanziert.

Auf dem Hauptplatz “Piazza del Duomo” befinden sich sowohl das Rathaus, das im Jahr 1435 etwas angepasst wurde, um Platz für das schönste Gebäude, den Comer Dom Santa Maria Maggiore, zu schaffen. Schon von außen ist es ein beeindruckendes Gebäude, vor allem die unglaublich hohe Marmorfassade mit zahlreichen Skulpturen von verschiedenen Künstlern, wobei die wichtigsten von Tomasso Rodari stammen, sowie auch die hohe achteckige grüne Kuppel. Aber der Innenraum der Kirche raubt dem Besucher einfach den Atem. Es ist regelrecht gigantomanisch,

es handelt sich um eine riesige dreischiffige Kirche, die auch ohne die zwischen den Schiffen hängenden Gobelins beeindruckend wäre. Aber sie hängen dort und verleihen der Kirche noch mehr Erhabenheit und Schönheit. Der Bau begann im Jahr 1395, als Bischof Luchino da Brossano den Architekten Lorenzo Degli Spazzi mit dem Auftrag für den Baubeginn beauftragte. Die Seitenschiffe sind daher noch im spätgotischen Stil. Das Hauptschiff hingegen ist bereits ein Prachtstück der Hochrenaissance. An der Wand des linken Seitenschiffs befindet sich das Porträt eines weiteren berühmten Sohnes der Stadt, Es ist Benedetto Odescalchi, der im Jahr 1611 in Como geboren wurde und es 1676 bis zur Wahl zum Papst Innozenz XI. brachte. Die Kuppel, die eine Höhe von 75 Metern erreicht, ist wesentlich jünger und wurde in den 1730er Jahren im barocken Stil erbaut. Der Dom wurde im Jahr 1774 fertiggestellt, der Bau dauerte also fast vierhundert Jahre. Aber das Ergebnis ist es wert.

Vom Comer Dom möchte man nicht weggehen und eigentlich auch nicht aus Como. Es gibt hier viele Touristen, und für Bootsfahrten auf dem See stehen lange Schlangen. Vielleicht möchten alle sehen, wo der berühmte Nespresso-Mann George wohnt. Wenn Sie hier vorbeikommen, sollten Sie auf jeden Fall in Como anhalten. So wie wir es getan haben.

Bozen – Bolzano

Kann eine so perverse Ideologie wie der Faschismus auch etwas Positives hervorbringen? Bozen ist der Beweis dafür, dass selbst aus Taten, die von eindeutig bösen Absichten geleitet sind, etwas Positives entstehen kann.

Im Jahr 1919 wurde Südtirol durch den Vertrag von Saint Germain Italien zugesprochen und vom Rest des Landes Tirol abgetrennt. Mit der Grenze am Brennerpass haben sich die Österreicher bis heute nicht abgefunden. Zu dieser Zeit lebten in der Provinz Bozen 7000 Italiener, der Rest der Bevölkerung sprach Deutsch. Mussolini entschied sich, dieses Land zu romanisieren. In Bozen erhielten ab sofort nur Italiener Stellen als Beamte und Polizisten (hauptsächlich aus dem armen Süden, wo es keine Arbeitsmöglichkeiten gab), sondern es flossen auch staatliche Investitionen in den Aufbau von Industrie, um italienische Arbeiter anzuziehen. Da diese Investitionen im Gegensatz zu Kampanien oder Kalabrien nicht veruntreut wurden, profitiert die Stadt davon bis heute. Alle Vororte von Bozen sind industrielle Ballungsgebiete (obwohl traditionelle Tiroler Obstgärten und Weinberge bis unmittelbar zu den ersten Hochhäusern am Rand der Stadt reichen) und die Stadt ist auf 100.000 Einwohner angewachsen. Im Jahr 1939 schloss Mussolini dann einen Deal mit Hitler. Die Südtiroler erhielten die Möglichkeit, ins Deutsche Reich umzuziehen. 75 Prozent von ihnen entschieden sich dafür. Hitler brauchte Soldaten für die Armee und Siedler in den neu eroberten Gebieten. Viele junge Männer starben in einem Krieg, der sie eigentlich nicht interessierte, und viele von ihnen kehrten nach dem Krieg zurück. Der Kampf um die Selbstbestimmung der deutschsprachigen Bevölkerung erhielt 1957 einen neuen Impuls, als sich über dreißigtausend Südtiroler auf der Burg Sigmundskron im Vorort von Bozen trafen und Silvio Magnago, ein Aktivist, den Ruf “Weg vom Trident” (der südliche Teil Südtirols um die Stadt Trient ist im Gegensatz zur Bozner Provinz größtenteils italienisch) ausstieß. Der Kampf um die Autonomie dauerte lange an, forderte Tote und langjährige Haftstrafen für “Terroristen”. Schließlich erhielt die Provinz 1992 ihre Autonomie, lebt also seitdem für sich und lebt sehr gut. Zu den letzten Auseinandersetzungen zwischen italienisch- und deutschsprachigen Bürgern kam es im Jahr 2002, als der Stadtrat von Bozen beschloss, den Platz vor Mussolinis triumphalem Denkmal von “Siegesplatz” in “Feiheitplatz“ umzubenennen, was jedoch von der heute bereits größtenteils italienischsprachigen Bevölkerung von Bozen abgelehnt wurde.

Seitdem herrscht Ruhe. Die gemeinsame Proklamation Italiens und Österreichs, dass sie keine strittigen Fragen haben, war übrigens die Bedingung für Österreichs Beitritt zur EU im Jahr 1995. Auch die Tiroler Deutschen haben sich daran gewöhnt, dass auf den Straßen der Stadt hauptsächlich Italienisch gesprochen wird, obwohl die Straßen nach Tiroler Persönlichkeiten mit vorwiegend deutschen Namen benannt sind. Neben der Stadtkathedrale befindet sich ein Denkmal für den Tiroler Nationalhelden Peter Mayr, der am 19. Februar 1810 hingerichtet wurde. Er war einer der engsten Mitstreiter von Andreas Hofer, der dank der Bitten seiner Frau, mit der er fünf Kinder hatte, die Möglichkeit bekam, sein Leben zu retten, indem er lügen würde. Er lehnte es jedoch ab, zu behaupten, dass er nie von dem Erlass über das Waffenverbot gehört habe, und daher blieb den Franzosen nichts anderes übrig, als ihn hinzurichten. Einfach ein echter stolzer Tiroler. Heutzutage sprechen jedoch fast alle Bewohner der Stadt beide Sprachen und leben in Frieden. Beide Volksgruppen können schätzen, dass Südtirol eine der reichsten Provinzen Italiens ist, direkt nach dem Piemont und vor der Lombardei oder Rom.

Der städtische Fortschritt ist offensichtlich. Der Aufbau der Stadt ist noch nicht abgeschlossen, Man kämpft sich bei der Anfahrt in die Stadt durch Baustellen und Industriekomplexe zum Zentrum und ein Foto einer Sehenswürdigkeit zu machen, ohne einen Baukran darauf zu haben, ist eine echte Herausforderung. Dennoch ist das Stadtzentrum ruhig, malerisch und das Parken in der Tiefgarage unter dem Walterplatz ist zwar nicht gerade billig, aber bequem und die Garage ist problemlos erreichbar.

Interessanterweise liegt Bozen nicht am Fluss Etsch (italienisch: Adige), der das Tal vom Brennerpass bis Verona durchquert und auf dem sich über Jahrhunderte deutsche Kaiser zu ihren italienischen Feldzügen begeben mussten. Eine strategische Rolle bei diesen Reisen spielten die lokalen geistlichen Herrscher, die Bischöfe von Brixen und Trient, mit denen der Kaiser sich gutstellen musste, um nach Italien zu reisen (und ebenso mit dem Stadtrat von Verona). Bozen spielte zu dieser Zeit eine untergeordnete Rolle, was auch seine Lage am Zusammenfluss der Flüsse Talfer (italienisch: Talvaro) und Eisack (Isarco) widerspiegelt, die erst einige Kilometer von der Stadt entfernt in die Etsch münden.

Der Waltherplatz ist nach Walther von der Vogelweide benannt, dem Hofdichter von Kaiser Friedrich II., der angeblich in der Nähe von Bozen geboren wurde.

Dieser erste und wohl berühmteste Minnesänger des Mittelalters verfasste seine Verse in Deutsch – genauer gesagt in einem südtirolerischen Dialekt, der der deutschen Sprache entfernt ähnlich war, was zu Beginn des 13. Jahrhunderts etwas noch nie Dagewesenes war. Der Kaiser, der damals bereits den Heiligen Stuhl und damit auch die von der Kirche kontrollierte lateinische Poesie herausforderte, unterstützte Walther und verhalf ihm zum heutigen Ruhm. Seine große Statue steht in der Mitte des Platzes, der seinen Namen trägt.

Am Rand des Platzes steht der Bozner Dom.

Er ist imposant und es lohnt sich, ihn zu besuchen. Hier ist der österreichische Erzherzog Rainer begraben, einer von vielen Söhnen Kaisers Leopold II., ein Bruder von Erzherzog Johann und Kaiser Franz I. Rainer war von 1818 bis 1848 mehrmals Vizekönig des Königreichs Lombardo-Venetien, das auf dem Wiener Kongress geschaffen wurde. Nachdem er in der revolutionären Zeit 1848 von seinem Amt zurückgetreten war, kaufte er den “Palazzo Capofranco” am Waltherplatz. Rainers Sohn Heinrich wurde hier 1889 von Kaiserin Sissi besucht, die einen Ginkgo-Baum in den Hof pflanzte.

Heute ist daraus ein riesiger Baum geworden und natürlich ein Kult – alles, was mit den Habsburgern und damit mit der österreichischen Geschichte der Stadt zu tun hat, hat ein riesiges Potenzial, zum Kult zu werden – und auf Sissi, wie ich bereits in meinem Artikel über Meran erwähnt habe, werden Sie überall in Südtirol stoßen.

In der Kathedrale gibt es mehrere Selige (keine Heiligen) wie Heinrich von Bozen, der im frühen 14. Jahrhundert lebte, Johann Nepomuk von Tschiderer (geboren in jenem Palazzo Capofranco, aber bereits im Jahr 1777), der von Johannes Paul II. im Jahr 1995 seliggesprochen wurde, und Josef Mayr Nusser, ein ziviler Mitarbeiter des Bozener Dekanats, der Opfer der nationalsozialistischen Ideologie wurde. Nachdem sich Italien auf die Seite der Alliierten geschlagen und Deutschland den Krieg erklärt hatte, besetzte Deutschland Norditalien. Die ethnischen Deutschen in Südtirol waren verpflichtet, in die deutsche Armee einzurücken. Nusser wurde zur SS eingezogen, aber er weigerte sich, dem Führer Treue zu schwören. Dafür wurde er zum Tode verurteilt. Auf dem Weg ins Konzentrationslager Buchenwald blieb der Zug mehrere Tage am Bahnhof in Erlangen stehen, und die Gefangenen starben in überfüllten Viehwaggons an Hunger und Durst. So erging es auch Josef Mayr Nusser. Er wurde 2017 von Papst Franziskus seliggesprochen.

Ein Stück von der Kathedrale entfernt befindet sich die Dominikanerkirche. Für eine Reihe von Kirchen in Bozen kam der schicksalhafte Tag am 29. März 1944. An diesem Tag unternahmen die Alliierten einen massiven Luftangriff auf die Stadt, weil Bozen logischerweise ein wichtiger Knotenpunkt in der Versorgung der deutschen Einheiten an der italienischen Front war. Statt den Bahnhof trafen die Bomben jedoch sowohl die Dominikanerkirche als auch die Franziskanerkirche. Die Kirche St. Nikolaus neben dem Dom verschwand sogar vollständig. Die Narben an den Gebäuden der Bozener Kirchen sind unübersehbar. Doch wie durch ein Wunder blieb die Kapelle des Heiligen Johannes des Täufers erhalten, das Kostbarste nicht nur in der Dominikanerkirche, sondern wohl in ganz Bozen. Diese Kapelle ließ der florentinische Bankier Giovanni de Bartolomeo di Rossi irgendwann um 1330 als Begräbnisstätte für seine Familie errichten. Und er ließ sie mit wunderschönen Fresken schmücken, die von Künstlern der Schule von Giotto geschaffen wurden. Die Bozener Fresken ähneln denjenigen in Padua von Giotto wie ein Ei dem anderen, und der Bankier selbst ist zusammen mit seiner Frau dargestellt, kniend unter dem Kreuz mit Jesus Christus. Das wertvollste Fresko ist jedoch der “Triumph des Todes” als Bild des Jüngsten Gerichts – diese Abbildung des Todes versprüht wirklich Angst.

Wenn Sie den erstaunlichen riesigen Gemüsemarkt durchqueren, der jeden Tag in Bozen stattfindet, gelangen Sie zu den Franziskanern. Von der ursprünglichen Kirche ist wenig übriggeblieben, an der erhaltenen Wand befinden sich Fresken von Brüdern, die es in ihrem Leben weit gebracht haben, Päpsten, Kardinälen, Bischöfen und vor allem Theologie-Doktoren. Die Franziskaner legten immer Wert auf Bildung.

Es gibt noch einige weitere interessante Kirchen in Bozen, die älteste überhaupt ist die romanische Kirche “St. Johann im Dorf”. Dann gibt es die Kirche des Deutschen Ritterordens mit den Wappen und Fahnen bedeutender Mitglieder des Ordens. Auch ihr Turm fiel dem Bombardement von 1944 zum Opfer. Und dann gibt es noch die neoromanische Kirche “Herz Jesu”, die 1909 zum hundertjährigen Jubiläum des Tiroler Aufstands gegen die Franzosen erbaut wurde, sowie die unauffällige Kapuzinerkirche mit einem großen Klostergarten direkt im Stadtzentrum.

In Bozen und seiner Umgebung gibt es noch mehr Burgen als Kirchen. Eine von ihnen, Maretsch, befindet sich direkt in der Stadt und kann besichtigt werden. In ihr befinden sich Renaissance-Fresken. Der Innenhof sieht so aus, als wäre er nach einem erfolgreichen Treffer einer alliierten Bombe aus Beton gegossen worden, aber die Burgwartin versicherte mir, dass dieses Aussehen nichts mit dem Zweiten Weltkrieg zu tun hat. Am nördlichen Stadtrand befindet sich die Burg Firmian. Einst als Burg Sigmundskron bekannt, wo 1957 der Kampf für die Tiroler Autonomie begann. Sie erhielt ihren Namen von einem Tiroler Herrscher, der “Sigmund der Münzreiche” genannt wurde, Allerdings schaffte es Sigmund, den Reichtum des Landes, das große Mengen an Silber abbaute, mit vielen unsinnigeren Aktionen zu verschwenden, wie auch mit dem Kauf dieser Burg. Eine Vielzahl unehelicher Kinder kostete ihn ebenfalls viel Geld. Schließlich wurde er seiner Herrschaft enthoben und in den vorzeitigen Ruhestand geschickt – für damalige Verhältnisse eine recht humane und nicht gerade eine übliche Methode, um einen Herrscher von der Macht zu entfernen. Heutzutage befindet sich in dieser Ruine eines der fünf Museen von Reinhold Messner, dem wohl berühmtesten Südtiroler der heutigen Zeit. Er war der erste Bezwinger des Mount Everest ohne Sauerstoff, er bestieg als erster alle vierzehn Achttausender – einige sogar mehrmals.

Das Museum ist logischerweise den Bergen, dem Bergsteigen und der Kultur Tibets gewidmet und es lohnt sich, dort hinzufahren. Weitere Burgen in der Nähe von Bozen sind Runkelstein, von wo aus eine Seilbahn nach San Genesio fährt, die Burg Flavon Haselburg südlich der Stadt und die Burg Gries am rechten Ufer der Talfer. Und wenn wir schon bei den Seilbahnen sind, gibt es noch eine weitere “Funikulare”, die Seilbahn „Funivia de Renon“, die am nordwestlichen Rand der Altstadt in der Nähe der Kirche Sankt Magdalena startet und über die Stadt nach Oberbozen hinauffährt, von wo aus man den schönsten Blick auf die Stadt aus einer Höhe von 1221 Metern über dem Meeresspiegel hat. Und noch eine weitere Seilbahn, diesmal am linken Ufer der Eisack, führt auf eine Höhe von 1134 Metern zur Kirche in Colle-Kohlern. Also, wenn man genug Zeit hat, kann man die Stadt aus drei verschiedenen Perspektiven von oben betrachten.Formularbeginn

Aber Bozen besteht bei weitem nicht nur aus Kirchen und Burgen. Die Einkaufsstraßen konzentrieren sich auf die Laubengasse und die Josef Steinert Straße, die durch mehrere Passagen miteinander verbunden sind – von sehr engen, durch die nur eine Person gehen kann, bis hin zu wunderschönen breiten Einkaufspassagen. Angesichts des bergigen und im Sommer auch heißen Klimas der Stadt befinden sich die Geschäfte oft in Laubengängen oder Passagen, eine davon – die Galeria Greif – liegt direkt am Walterplatz. Bozen ist also bestens für Shopping geeignet.

Interessant ist die Verbindung von historischer und moderner Architektur. Manchmal ist es sogar atemberaubend, wie zum Beispiel das riesige Gebäude des städtischen Theaters, entworfen vom Architekten Marco Zanus (das alte Theater wurde beim alliierten Bombardement 1943 zerstört).

Das neue Theater aus riesigen Marmorblöcken ist wirklich beeindruckend, glücklicherweise befindet sich in unmittelbarer Nähe des romantischen Gartens des Kapuzinerklosters.

Das Siegesdenkmal Mussolinis befindet sich am anderen Ufer des Flusses Talvera und beeinträchtigt daher nicht das Stadtbild. Das Naturmuseum befindet sich in der Nähe der Kirche des Deutschen Ritterordens und ist in einem Renaissancegebäude untergebracht, das Kaiser Maximilian zwischen 1500 und 1512 errichten ließ – zu dieser Zeit gehörte Bozen zum Habsburgerreich.

Aber Bozen wäre nicht Bozen ohne sein Archäologisches Museum und die berühmteste europäische Mumie – den Ötzi, den Mann aus dem Eis. Im Jahr 1992 wurde er von Touristen im Ötztaler Alpenpass gefunden. Reinhold Messner wurde hinzugerufen und stellte fest, dass sich Ötzi auf der italienischen Seite des Passes befand – angeblich gute hundert Meter jenseits der Staatsgrenze. Die Österreicher haben ihm das nie verziehen und machen weiterhin Ansprüche auf die berühmte Mumie geltend – schließlich erhielt sie ihren Namen nach dem Ötztal, einem eindeutig österreichischen Tal. Die Österreicher haben also ein Konkurenzmuseum im Ötztal eingerichtet, und da sie die originale Mumie nicht haben, stellen sie dort eine Kopie aus. In Bozen befindet sich das Original in dem archäologischen Museum, aber da dort nur kleine Gruppen der Besucher eingelassen werden, ist es notwendig, die Besichtigung im Voraus zu reservieren.

Bevor man hingehen darf, kann man durch die Gassen von Bozen schlendern, die Schönheit des Gemüsemarktes bewundern oder durch die zahlreichen Geschäfte in den Laubengängen und Passagen der Stadt bummeln. Man kann sich ein Glas des hervorragenden Südtiroler Weines oder einen Aperolspritz in den unzähligen Bars gönnen oder Tiroler Spezialitäten in den vielen Gasthäusern probieren. Oder man kann die bekannteste Tiroler Spezialität, den “Speck”, also den Tiroler Schinken, kosten. Und Vorsicht! Vergessen Sie nicht den in Meran bereits erwähnten Apfelstrudel. Angesichts der bereits erwähnten Produktion von einer Million Tonnen Äpfel pro Jahr (aber nur einer Tausend Tonnen Birnen) müssen diese Äpfel irgendwie verbraucht werden (obwohl die meisten natürlich exportiert werden). Daher bieten jede Bar und jedes Restaurant logischerweise Apfelsaft und Apfelstrudel an.

Solange Sie also den Apfelstrudel nicht probiert haben, verlassen Sie Tirol nicht. Es wäre eine Missachtung der lokalen Kultur. Und die Tiroler sind ein stolzes und traditionsbewusstes Volk.

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Meran

Meine Frau hat bei der Wahl der Urlaubdestination ziemlich hohe Ansprüche. Sie reiste mit mir durch ganz Italien und fand fast immer etwas auszusetzen. Wenn sie also erklärt, dass sie sich in eine bestimmte Stadt verliebt hat und dorthin zurückkehren möchte, sollte man das ernst nehmen. Und genau das ist in Meran passiert.

Ich musste ihr recht geben. Meran (auf Italienisch Merano, da sich ein Italiener nicht vorstellen kann, ein Wort mit einem Konsonanten abzuschließen) hat wirklich das Potenzial, dass man sich in die Stadt verlieben könnte.

Es wurde als eine Handelsstadt von den Tiroler Grafen gegründet, die auf einem nahegelegenen Hügel in der Burg Tirol residierten. Sie akzeptierten dabei auch, dass diese neue Stadt jedes Frühjahr regelmäßig von den Fluten des Flusses Passer, einem Nebenfluss der Etsch (auf Italienisch Adige genannt), überschwemmt wurde, wenn der Schnee in den Bergen zu schmelzen begann.

Aber die goldene Ära der Stadt begann erst viel später, als heiße Quellen entdeckt wurden, denen aufgrund ihres hohen Radongehalts eine heilende Wirkung zugeschrieben wurde. Und als im Jahr 1870 Kaiserin Elisabeth – Sissi mit ihrer kränkenden Tochter Maria Valeria in der Stadt auftauchte und sogar im Jahr 1889 noch einmal zurückkehrte, war das Schicksal der Stadt endgültig besiegelt.

Statue von Sissi im Stadtpark

Die Erfolgskurve ging von diesem Moment an steil nach oben. Und mit ihr auch die Besucherzahlen. Meran benötigte also keine Industrie, um prosperieren zu können, es kam vollständig mit dem Tourismus aus. Und das ist bis heute so. Um die Stadt herum gibt es jedoch endlose Obstgärten und Weinberge, die sogar an so steilen Terrassen angelegt sind, dass es den Atem raubt. Die eine Million Tonnen Äpfel, die Südtirol jedes Jahr produziert (und 600.000 Kilogramm Honig, denn ohne Bienen wäre das nicht möglich), müssen irgendwo angebaut werden. Und die Südtiroler Weine sind sehr gut, sei es der rote Lagrein oder der weiße Traminer, aber auch andere Sorten, die an den Berghängen in angenehmem mediterranem Klima wachsen. Die warme Luft aus dem Süden erreicht diesen Ort, über die Berge in den Norden schafft es der warme Wind aber nicht weiter und bleibt hier im Tal hängen. Genauso wie der Regen. Das heißt, in Südtirol gedeiht alles. Einschließlich Palmen, die sogar die Promenade in Meran säumen und so – für Mitteleuropäer etwas überraschend – das Panorama der schneebedeckten Dreitausender ergänzen.

Die Heilquellen sprudeln am linken Ufer des Flusses und dort gibt es heute die Therme mit vielen warmen Wasserbecken, ideal für einen Besuch nach einem anstrengenden Tag in den Bergen.

Heutzutage ist es ein modernes Gebäude in der Form eines großen Würfels, aber überall ist zu sehen, dass Meran als Kurstadt gewachsen ist. Sowohl das riesige Kurhaus als auch die überdachte Promenade – Wandelhalle – sind im Jugendstil erbaut, einem Stil, der Ende des 19. Jahrhunderts in der österreichischen (und nicht nur österreichischen) Architektur dominierte. In der Wandelhalle trafen sich Kurgäste ab März oder April, je nach Wetter, zu Konzerten oder einfach nur zu Gesprächen beim Kaffee. Ursprünglich stand hier eine sogenannte Wandelbahn aus Holz, in den Jahren 1890-1891 wurde diese durch eine Eisenkonstruktion der Firma Gridl ersetzt (die unter anderem auch das Palmenhaus im Wiener Schönbrunn baute). Und sie steht dort noch heute. Am Flussufer lädt eine breite und schön angelegte Promenade mit vielen Blumen zu Spaziergängen ein.

Hier spazierte auch Franz Kafka, der hier im Jahr 1920 einen dreimonatigen Kuraufenthalt absolvierte. Das Radonwasser half zwar seiner Tuberkulose nicht, aber an seinen Aufenthalt in Meran erinnert eine örtliche höhere Handelsschule, die seinen Namen trägt.

Das Wahrzeichen der Stadt ist jedoch das große Theatergebäude, das im Jahr 1900 vom Architekten Martin Düfler erbaut wurde.

Die deutschsprachige Bevölkerung nennt es einfach “Stadttheater”, die Italiener nennen es “Teatro Puccini”. Der legendäre Opernkomponist Giacomo Puccini war hier im Jahr 1928, und zur Erinnerung an seinen Besuch wurde das Theater im Jahr 1937 während der faschistischen Diktatur in “Puccini-Theater” umbenannt – die deutschsprachige Bevölkerung der Stadt hat diesen Namen jedoch nie vollständig akzeptiert. Das Gebäude ist von außen klassizistisch mit nur dezenten Jugendstil-Elementen, innen ist es jedoch reiner Jugendstil, wie es für diese Zeit typisch war.

Meran ist zwischen dem Fluss Passer und den Bergen eingeklemmt. Es ist also eine lange und schmale Stadt, von der ehemaligen Befestigung sind zwei Stadttore erhalten geblieben. Das eine, das “Bozentor”, ist zum Fluss hin ausgerichtet, von wo regelmäßige Überschwemmungen kamen. Angeblich saß der Meraner Henker gerne in der darüber liegenden Kneipe. Das andere erhaltene Tor, das “Passeirertor”, verschloss die Stadt in Richtung des Passer-Tals. Hier führte der Weg über die Jaufer- und Brenner-Pässe nach Innsbruck und Deutschland. Durch dieses Tor betraten die Grafen von Tirol die Stadt, wenn sie von ihrer Burg Tirol herabstiegen.

Die Hauptachse der Stadt ist die Laubengasse.

Es ist eine lange Einkaufsstraße mit vielen Geschäften, Boutiquen und Restaurants, mit Arkaden auf beiden Seiten. Dort steht auch das etwas langweilige Rathaus, und diese Straße führt zur Hauptkirche in Meran, zur Kirche St. Nikolaus. An der Kirchenwand wird man von einem Fresko mit dem Heiligen Christophorus begrüßt. Er sollte im Mittelalter Glück bringen. Wer ihn anblickte, starb an diesem Tag nicht. Die dreischiffige Kirche ist gotisch mit modernen Glasfenstern und einem gotischen geschnitzten Altar. Gleich nebenan befindet sich die Kapelle der Heiligen Barbara, die stark an ein klassisches italienisches Baptisterium erinnert, und ich kann dem Verdacht nicht widerstehen, dass sie auch für den Zweck der Taufe genutzt wurde. Offiziell diente die Kapelle als Beinhaus, in der darunterliegenden Krypta wurden die Knochen der Verstorbenen aufbewahrt, für die es auf dem örtlichen Friedhof keinen Platz mehr gab. Dies entspricht auch der etwas makabren Ausstattung der Kapelle. Es gibt zwei Schreine mit den Gebeinen von zwei heiligen Märtyrern Paulanus und Telius. Trotz meiner Bemühungen konnte ich über sie nichts herausfinden, weder im Internet noch im Oxford Lexikon der Heiligen, und sogar nicht in dem Buch von Schaub und Schindler über die Heiligen im Laufe des ganzen Jahres, in dem wirklich praktisch alle aufgeführt sind, die heiliggesprochen wurden. Das Einzige, was ich herausgefunden habe, ist, dass sie im Jahr 1730 aus den römischen Katakomben hierhergebracht wurden. An der Eingangswand befindet sich auch ein Fresko mit dem Heiligen Christophorus (wohl damit die Leute nicht um die Ecke gehen müssen, um den größeren an der Kirchenwand anzusehen).

Die Kirche des Heiligen Nikolaus, die Barbarakapelle rechts

Etwa in der Mitte der Laubengasse biegt man links zur Sesselbahn ab. Man fährt mit ihr einzeln, und der Prospekt verspricht, dass sie den Stadtbesucher zur Burg Tirol bringt, also zum Sitz der ehemaligen Grafen von Tirol. Das ist nicht ganz wahr. Von der Bergstation der Seilbahn aus hat man zwar einen herrlichen Blick auf die Stadt Meran von oben, aber zur Burg ist es noch fast eine Stunde eines relativ schnellen Gehens. Die Wegweiser versprechen in regelmäßigen Zwanzigminuten-Abständen, dass der Weg zur Burg genau zwanzig Minuten dauern sollte. Offensichtlich wurde das gleiche Wegweiser Schild mehrmals hergestellt und dann in regelmäßigen Abständen auf dem Weg zur Burg aufgestellt. Insbesondere der letzte Abschnitt, der zwischen blühenden Bäumen oberhalb der Obstplantagen und unterhalb des Dorfes Tirol führt, ist jedoch schon für sich allein einen Spaziergang wert.

Die Burg ist eines Besuches wert. Man begann mit dem Bau irgendwann um das Jahr 1120, der letzte Ausbau wurde von Gräfin Margarete Maltausch durchgeführt. Die Burg verlor an Bedeutung, als die neuen Landesherren, die Habsburger, ihren Hauptsitz in das günstiger gelegene Innsbruck verlegten. Auf der Burg gibt es eine Ausstellung zur Geschichte Tirols mit Gemälden der Grafen von Tirol. Hier findet man auch das Porträt des unglücklichen Bruders Karls IV., Johann Heinrich, der vergeblich versuchte, die Jungfräulichkeit Margarete Maltausch zu beenden, bevor seine Ehe wegen seiner angeblichen Impotenz geschieden wurde. (Später hat er allerdings mit seinen weiteren Gattinnen sechs Kinder gezeugt). Es gibt hier auch eine wunderschöne zweistöckige Kapelle und in einem Turm eine Ausstellung zum Kampf Tirols für Autonomie, nachdem Südtirol nach dem Ersten Weltkrieg an Italien angeschlossen wurde. Dieser Kampf, der nach dem Zweiten Weltkrieg seinen Höhepunkt erreichte, endete erst im Jahr 1992. Noch in den 1980er Jahren zündeten die Tiroler Autos italienischer Urlauber an. Die Burg Tirol, von der aus die Tiroler Grafen regierten, erlangte vor allem im 19. Jahrhundert den Status eines nationalen Heiligtums. Hier verkündete der nationale Held Andreas Hofer im Jahr 1809 die Wiederherstellung der alten Landesverfassung, die Napoleon aufgehoben hatte, als er Tirol seinem Vasallen Bayern geschenkt hatte. Tiroler Dichter kamen hierher, um Verse zu schaffen, und Maler, um die Burg und ihre umliegende Landschaft zu verewigen. Die Stadt Meran verschenkte die Burg im Jahr 1816 an Kaiser Franz I. Aber erst in den Jahren 1878 bis 1914 fanden Restaurierungsarbeiten statt, die die Burg vor dem Verfall retteten. Im Jahr 1940 wurden dann bestimmte Teile des Neubaus, die den gotischen Eindruck störten, von der Burg wieder entfernt.

In der Nähe von Meran gibt es außer des Liftes zu Dorf Tirol auch andere Seilbahnen. Die bekannteste ist wahrscheinlich die M 2000, die den Besucher tatsächlich auf eine Höhe von 2000 Metern über dem Meeresspiegel bringt, von wo aus man zu Bergwanderungen aufbrechen kann.

Im Stadtpark vor der Kirche Heiliger Geist steht eine Statue von Kaiserin Sissi. Und gleich nebenan gibt es ein Café, das ihren Namen trägt, also „Elisabeth“. Entlang des Flusses Passer erstreckt sich eine Promenade, die nach ihr benannt ist Es ist bekannt, dass die Kaiserin, wenn sie nicht reiten konnte, lange und schnelle Spaziergänge machte, um in Form zu bleiben und ihre schlanke Figur zu erhalten (es gab sicherlich auch ein bisschen Anorexie dabei). Entlang des Flusses führt die sogenannte Winterpromenade bis zur Brücke mit dem Namen „Steinerner Steg“. Es war lange Zeit die einzige Brücke, die jedes Jahr das Hochwasser überstehen konnte – solide Arbeit aus Stein, auf der auch die österreichische Kaiserin den Fluss überquerte.

Aber das Schönste im Meran liegt am Stadtrand und das ist der Garten von Schloss Trauttmansdorff.

Nicht umsonst wurde er im Jahr 2005 zum schönsten italienischen Garten erklärt (und es gibt hier eine harte Konkurrenz), und im Jahr 2013 wurde er sogar zum internationalen Garten des Jahres gekürt. Meiner Meinung nach zu Recht. Für einen Moment hatte ich das Gefühl, dass ich wahrscheinlich schon gestorben bin und mich im Paradies befinde. Natürlich verdient, schließlich habe ich es mit meinem vorbildlichen Leben verdient. Viele Rosen, Palmen, Azaleen, Rhododendren, Zitronenbäume – nicht nur die Augen, sondern auch die Nase kommen auf ihre Kosten, überall duftet es wunderschön und berauschend. Es ist nur schade, dass die Tulpen bereits im Mai verblüht waren, sonst wäre es noch erstaunlicher gewesen. Inmitten darf ein See mit einem Café nicht fehlen und an den Hängen des Hügels, an dem der Garten liegt – natürlich der Sissi-Pfad. Bei ihrem zweiten Besuch im Jahr 1889 residierte die Kaiserin gerade im Schloss Trauttmansdorff, und um ihr entgegenzukommen, wurden eilig mit Schotter bedeckte Pfade am Hang des Hügels angelegt – wieder für ihre konditionellen Spaziergänge. Diese Pfade sind im Laufe der Zeit zwar zugewachsen, aber die heutigen Meraner haben den Zauber und das kommerzielle Potenzial dieser historisch umstrittenen, aber mit unwiderstehlichem Charme ausgestatteten Persönlichkeit entdeckt, die Pfade wieder gefunden, gereinigt und mit neuem Schotter bedeckt, sodass es kein Problem ist, einen ganzen Vormittag auf den Spuren der Kaiserin zu wandern – natürlich nur, wenn man Lust und Kondition hat. Natürlich erinnert dort eine Büste an Sissi. Der Pfad führt bis zur Aussichtsterrasse von Schloss Trauttmansdorff, hoch über dem Garten und – ehrlich gesagt – nichts für schwindelgeplagte Menschen.


Der Blick von hier ist allerdings atemberaubend. Danach kann man noch höher zur “Garten der Liebe” spazieren. Er ist wunderschön, aber er ist ziemlich hoch und meine liebe Frau meinte, dass sie nicht so hoch klettern würde, egal wie sehr es um die Liebe geht. Also bin ich alleine dorthin gekommen, aber es hat sich trotzdem gelohnt.

Im Schloss gibt es ein großes Restaurant, und auf der Terrasse vor dem Schloss auf einer Bank mit einem Buch in der Hand – raten Sie mal wer – natürlich Sissi.

Da konnten wir nicht widerstehen und ließen uns mit ihr von vorbeigehenden Touristen fotografieren – wir hatten dabei eine große Auswahl. Im Restaurant haben wir das Tiroler Nationalgericht – Apfelstrudel – gegessen. Solange man es nicht probiert hat, darf man Südtirol nicht verlassen. Solange es noch Grenzen in Europa gab, wurde das sicherlich überprüft. Übrigens war es keine falsche Investition, der Strudel war großartig, es gibt eben genug Äpfel in Tirol.

Am Ende dieses Beitrags muss ich jedoch meine neuen Landsleute aus der Steiermark ansprechen. Meran hat eine sehr enge Beziehung zu ihrem Land. Natürlich hängt das mit dem “steirischen Prinzen” Johann zusammen. Für die wenigen meiner Leser, die noch nicht von ihm gehört haben (die Steirer und die eser meiner Serie über Graz dürfen den folgenden Text über ihn überspringen): Johann wurde im Jahr 1782 in der Toskana als achter Sohn des zukünftigen Kaisers Leopold II. geboren. Als sein Vater Kaiser wurde, zog er nach Wien um. Nach einem unglücklichen Zwischenfall im Krieg gegen Napoleon im Jahr 1809, als er eine entscheidende Rolle bei der Niederlage in der Schlacht bei Wagram spielte, zog er sich aus dem öffentlichen Leben zurück. Er kaufte in der Steiermark in der Nähe von Mariazell den Bauernhof Brandhof und begann mit Reformen der Steiermark. Es waren nicht nur Experimente mit dem Anbau von Pflanzen unter bergigen Bedingungen und Aufklärungsvorträge. Er gründete eine Getreidebörse, die den Bauern feste Preise beim Getreideankauf garantierte, die Versicherung Grazer Wechselseitige, bei der sie sich gegen Missernten versichern konnten, und die Sparkasse-Bank, die Kleinkredite vergab. So blieben die steirischen Gelder in der Steiermark und bildeten die Grundlage des örtlichen Wohlstands. Darüber hinaus gründete er nach dem Vorbild seiner Großmutter Maria Theresia eine Bergbau-Hochschule, wo Carl Friedrich Christian Mohs die Härteskala der Mineralien erfand – wir erinnern uns zumindest teilweise daran, wir mussten das alle in der Schule lernen – der härteste ist natürlich der Diamant. In Graz erinnert an den Erzherzog das Museum Johanneum, das er ebenso gegründet hat.

Aber zu seiner Lebenspartnerin wählte der liebe Johann die Tochter des Postmeisters aus Bad Aussee, Anna Plochl, was zu dieser Zeit einen enormen Skandal darstellte. Es dauerte zehn Jahre, bis er von seinem Bruder – Kaiser Franz – die Erlaubnis zur Heirat erwirkte. Und um den Skandal nicht allzu groß werden zu lassen, erhob der Kaiser die liebe Anna zur Gräfin von Meran. Johann kaufte daraufhin in der Nähe von Meran, im Dorf Schenna, ein Schloss. Sein Sohn Franz zog dann dauerhaft nach Südtirol und als Johann im Jahr 1859 starb (bis zu seinem Tod bekleidete er das Amt des Bürgermeisters in der Stadt Stainz in der Steiermark), beauftragte sein Sohn den Architekten Moritz Wappler mit dem Bau eines Mausoleums im neugotischen Stil, das als Familiengrabstätte dienen sollte.

Das Mausoleum in Schenna

Es wurde 1869 fertiggestellt, und im selben Jahr wurden auch die leiblichen Überreste von Erzherzog Johann hierher überführt. Später wurden hier im Jahr 1885 auch seine Frau Anna und später auch sein Sohn Franz mit seiner Frau beigesetzt. Das Mausoleum inmitten der Tiroler Berge ist sehr schön. Das nahe gelegene Schloss ist etwas vom Zahn der Zeit gezeichnet und kann nur zu bestimmten Besuchszeiten besichtigt werden – als wir dort waren, war es gerade geschlossen. Natürlich gibt es in Schenna auch das Hotel “Erzherzog Johann”, und die Stadt pflegt eine Partnerschaft – Sie können einmal raten – natürlich mit Stainz in der Steiermark.

Schenna liegt etwa zehn Kilometer von Meran entfernt im Passertal und von hier aus fahren Seilbahnen in die Berge. Die Stadt ist hübsch und hat zwei Kirchen, die interessant ineinander gebaut sind (und natürlich mit einem Fresko des Heiligen Christophorus an der Außenwand), ein schönes Zentrum mit dem Rathaus und dem Restaurant Schlosswirt, mit einer Terrasse und Blick auf das Mausoleum. Und natürlich kann man hier einen Apfelstrudel genießen, aber nicht nur das. Zu den Tiroler Spezialitäten gehören Knödel mit verschiedenster Füllung von Hackfleisch, Käse über verschiedene Gemüsesorten bis hin zu roter Beete und natürlich „Tyroler Gröstl“. Es ist ein recht einfaches Gericht, gebratene Kartoffeln mit Zwiebeln, Speck (Speck wird in Tirol an jeder Ecke angeboten, es gibt sogar Geschäfte, die sich darauf spezialisiert haben), Fleischstückchen oder Blutwurst und oben drauf gibt es ein Spiegelei. Auf den ersten Blick nichts Besonderes, aber es schmeckt gut, besonders beim Skifahren ist es mein Lieblingsessen in der Mittagspause.

Wenn man Glück hat wie wir und Schenna am ersten Sonntag im Mai besucht, wenn der Feiertag des heiligen Florian gefeiert wird, wird man auch das große Fest der örtlichen Freiwilligen Feuerwehr erleben. Zur Kirche marschierte eine große Blaskapelle in Tiroler Tracht unter tirolerischen Fahnen, dann eine große Anzahl von Feuerwehrleuten in Uniformen, wieder unter wehenden Fahnen. Übrigens haben wir auch in Meran eine große Prozession mit dem Bildnis der Jungfrau Maria erlebt, wieder in Trachten und mit wehenden Fahnen. Die Tiroler lassen sich ihre Traditionen nicht nehmen, sie haben immer noch einen Teil ihres nationalen Helden, des Rebellen Andreas Hofer, in sich. Zumindest in Meran ist der italienische Einfluss marginal, und man kann sich überall auf Deutsch verständigen.

Und trotzdem verleiht gerade diese Mischung aus österreichischer und italienischer Kultur Meran anscheinend ihren besonderen Charme. Es herrscht Ordnung wie in Österreich, aber die Architektur hat einen italienischen Touch, alles ist mit viel Geschmack gemacht. Und es gibt dort unglaublich viele Blumen – das ist offensichtlich auf das lokale Klima zurückzuführen.

Also hatte meine Frau mehr als genug Gründe, sich in Meran zu verlieben.

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Graz V

Nun erhebt sich der Felsen des Schlossbergs vor uns. Es gibt mehrere Möglichkeiten, dorthin zu gelangen. Mit der Zahnradbahn vom Hotel Schlossberg, mit dem Aufzug im Inneren des Berges, über die Treppe, die österreichische Pioniere mit Hilfe von russischen Kriegsgefangenen während des Ersten Weltkriegs errichtet haben, oder auf dem ursprünglichen Weg vom Karmelitenplatz, auf dem die Franzosen im Jahr 1809 elfmal versuchten, die Festung zu erstürmen. Zu dieser Zeit war dies der einzige Zugang zur Festung. Am bequemsten ist es jedoch mit dem Aufzug, der ebenfalls im Jahr 2003 gebaut wurde. An der Ecke des Platzes unter dem Schlossberg befindet sich der Khuenburg-Palast. Hier wurde im Jahr 1863 der Thronfolger Franz Ferdinand d’Este geboren, dessen Tod in Sarajevo am 28. Juni 1914 zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs führte (übrigens ist eine der Hauptstraßen in Graz nach dem Hauptkriegshetzer im österreichischen Generalstab, Konrad von Hötzendorf, benannt). Die Eltern von Franz Ferdinand, Erzherzog Karl Ludwig und die neapolitanische Prinzessin Maria Annunziata, lebten in Graz noch einige Jahre nach der Geburt des Erstgeborenen, so dass auch der jüngere Bruder von Franz Ferdinand, Otto, der Vater des letzten österreichischen Kaisers Karl, hier geboren wurde.

Gleich nebenan befindet sich der Herberstein-Palast, wo sich das Johanneum-Museum mit historischen Sammlungen zur Geschichte der Stadt befindet. Dieser Palast gehörte einst der Familie Eggenberg und ging durch Erbschaft an die Herbersteins über. Wenn wir den Schlossberg betreten, fällt sofort auf, wie durchlöchert der Berg mit vielen Tunneln ist. Während des Zweiten Weltkriegs dienten sie als zuverlässiger Luftschutz, da Graz als Eisenbahnknotenpunkt in Richtung italienischer Front häufig Ziel alliierter Luftangriffe war. Auch heute werden immer noch nicht explodierte Bomben bei Bauarbeiten gefunden, insbesondere beim Umbau des Bahnhofs war dies ein recht häufiges Phänomen. Heute gibt es im Berg Vortrags- und Hörsäle sowie eine Märchenbahn für Kinder. Während der Fahrt können sie Szenen aus vielen Märchen, einschließlich der Legende, dass der Schlossberg aus einem Stein entstand, den ein wütender Teufel hierhin warf, betrachten. Wenn wir mit dem Aufzug nach oben fahren, steht uns eine Giraffe gegenüber, das Symbol des gastronomischen Imperiums von Julia Schwarz (neben dem Flaggschiff in Andritz gehören ihr auch der Landtagskeller oder das Cafe Promenade im Stadtpark – mit anderen Worten, wo eine Giraffe draußen steht, ist Julia drinnen). Direkt daneben steht der Uhrturm.

Es war der einzige Ort auf dem Schlossberg, der den Bürgern der Stadt gehörte, die sogenannte Bürgerbastei. Die Bürger nutzten dieses Grundstück geschickt und errichteten hier 1561 einen Turm mit einer Uhr – die Zeit kann man von überall in der Stadt beobachten – allerdings muss man bedenken, dass die Zeiger verkehrt sind. Der kleine Zeiger zeigt die Minuten und der große die Stunden. Im Turm befindet sich die “Lumpenglocke”. Eine Glocke, die bei jeder Hinrichtung läutete und angeblich auch bei jenem vorzeitigen Abendläuten läutete, das Andreas Baumkircher zum Verhängnis wurde. Unterhalb des Uhrturms befinden sich die Herberstein-Gärten – wohl der schönste Ort auf diesem Hügel und vielleicht sogar im ganzen Graz.

Der Garten wurde von den Grafen von Herberstein angelegt und gepflegt und war lange Zeit nur von ihrem Palast in der Stadt über einen heute unzugänglichen Gehweg erreichbar. Die Gärten sind seit 1930 für die Öffentlichkeit zugänglich und verdienen ihren Namen “Hängende Gärten von Graz” wirklich. Selbst Semiramis würde vor Neid erblassen. Von hier aus hat man den atemberaubendsten Blick auf die Stadt unter diesem Garten – ein Ort, an dem kaum jemand widerstehen kann, ein Foto zu machen. An den Garten schließt sich das Cerrini-Schlösschen an. Karl Freiherr von Cerrini verteidigte tapfer die exponierte Bastion im Kampf gegen die Franzosen und durfte sich 1820 hier ein Haus bauen.

Wenn man unter die Schossbergmauern hinabschaut, sieht man eine Statue eines Hundes.

Mit diesem Hündchen ist eine Legende verbunden. Kaiser Friedrich versprach einst seine schöne Tochter Kunigunde dem ungarischen König Matthias. Die Beziehungen zwischen den beiden Herrschern verschlechterten sich jedoch im Laufe der Zeit erheblich. Friedrich wollte dem ungarischen König Burgenland nicht zurückgeben (und auch nicht die ungarische Königskrone, die heimlich von Königin Elisabeth, der Mutter von König Ladislaus Postumus, nach Wien gebracht wurde). Es kam zum Krieg und Matthias eroberte sowohl Wien als auch die Steiermark. Friedrich versteckte die damals fünfzehnjährige Kunigunde auf dem Schlossberg, aber die Ungarn erfuhren von ihrem Versteck. Ein Spezialkommando sollte in die Festung eindringen und die kaiserliche Tochter entführen. Aber der kleine Hund an den Mauern schnüffelte „das Ungarische“ und begann wütend zu bellen. Sein Gebell weckte das Interesse des Wachkommandanten Ulrich von Graben. Er sah die Ungarn, die versuchten, über die Mauern hochzuklettern. Die Ungarn wurden erfolgreich zurückgeschlagen und Kunigunde gerettet. Ob sie sich lange darüber freute, ist unbekannt. Friedrich verheiratete sie mit Herzog Albrecht IV. von Bayern, der angeblich gewalttätig war. Sie gebar ihm jedoch acht Kinder.

Auf dem Weg nach oben kommen wir an dem Türkenbrunnen vorbei.

Er wurde angeblich von türkischen Gefangenen auf Anweisung des Architekten Domenico d’ Allio gegraben. Es war eine schreckliche Arbeit, man musste sich bis zum Grundwasser vorarbeiten, also auf das Niveau des Mur-Wasserspiegels, und der Brunnen hat daher eine Tiefe von 94 Metern. Über dem Brunnen erhebt sich die Stahlbastei, der eindrucksvollste Teil von d’Allios Befestigungsanlagen.

Spätestens jetzt müssen wir über die berühmteste Schlacht sprechen, die hier ausgetragen wurde. Im Jahr 1809 kam es zu einem Krieg zwischen den Alliierten und Napoleon und Graz wurde zu einem wichtigen Schlachtfeld dieses Krieges. Die Kämpfe verlagerten sich von St. Leonhard, das völlig zerstört wurde, bis zum Schlossberg, den Major Hackher mit 896 Soldaten und 17 Offizieren verteidigte.

Schlossberg im Jahr 1809

Weder das Bombardement durch die französische Artillerie noch wiederholte Angriffe brachten die Verteidiger zur Kapitulation. Napoleon war so wütend über dieses Scheitern, dass er im Frieden von Pressburg nach der Niederlage Österreichs in der Schlacht von Wagram festlegte, dass die Festung zerstört werden müsse. Am 15. November 1809 begannen die Sprengungsarbeiten in der Festung. Nur der Uhrturm, der Glockenturm, den die Grazer Bürger von den Franzosen für 2978 Gulden und 41 Kreuzer freikauften

(warum gerade so eine Summe und nicht runde 3000 Gulden, kann ich nicht ahnen, entweder konnten die Grazer Bürger wirklich nicht mehr Geld zusammenbringen oder haben die Franzosen von den verlangten Summe den Preis für den ersparten Schießpulver abgezogen), und die Stahlfestung überstanden die Zerstörung. Letztere überstand alle Versuche, sie zu sprengen, sodass die Franzosen schließlich ihre Bemühungen, sie in die Luft zu jagen, aufgeben mussten. Domenico d’Allio leistete gute Arbeit. Übrigens übernahm nach dem Tod von d’Allio Sallustio Peruzzi die Arbeiten an der Befestigung des Schlossbergs, dessen Vater Baltasar nach dem Tod von Raphael Santi den Bau des Petersdoms in Rom leitete. Graz konnte sich nie über einen Mangel an italienischen Spitzenarchitekten beschweren, die bereit waren, es zu verschönern oder zu befestigen.

In der Stahlbastei befand sich die “Eiserne Jungfrau”. In diesem Sarg mit eisernen Spitzen wurden besonders schwere Verbrecher hingerichtet. Der Verurteilte wurde hineingestoßen, die Truhe wurde verschlossen, wodurch ihn die eisernen Spitzen an vielen Stellen durchbohrten. Dann öffnete sich der Boden der Truhe, und die Leiche fiel tief in die Fundamente der Festung. Einer Legende zufolge soll auch der Gründer des Ruhms der Eggenberg-Familie, Balthasar, auf diese Weise hingerichtet worden sein. Balthasar war zu Lebzeiten Friedrichs III. der Münzmeister von Innenösterreich. Wie ich schon mehrmals erwähnt habe, kämpfte der liebe Kaiser ständig mit finanziellen Schwierigkeiten und machte Schulden, wo immer er konnte. Balthasar half ihm, das Problem im Grunde genommen auf moderne Weise zu lösen – durch die Inflation. Die von ihm geprägten Münzen enthielten immer weniger Silber, bis sie zu wertlosen Metallstücken wurden. Die Schuldner freuten sich, die sparsamen Menschen weinten. Aber sie weinten nicht nur, sondern waren auch wütend. Balthasar rettete sich vor ihrem Zorn, indem er nach Ungarn zum König Matthias floh. Auch der ungarische König hatte finanzielle Probleme, und Balthasars Methode, Schulden loszuwerden, gefiel ihm auch gut. Als Belohnung erhob er den Grazer Bürger in den Adelsstand und verlieh ihm ein Wappen, auf dem drei Raben (das Wappentier von König Matthias) eine königliche Krone in ihren Schnäbeln tragen. Balthasar fühlte sich nun unantastbar und kehrte nach Graz zurück, wo er sofort verhaftet wurde und im Gefängnis starb. Ob er in jener eisernen Jungfrau umgebracht wurde, ist nicht bewiesen, aber die Legende besagt es.

Von der Stahlbastei gelangt man zum chinesischen Pavillon – einem Artefakt aus der Romantikzeit, als etwas Orientalisches einfach überall stehen musste – und dann zum Kanonenbastei hinauf. Dort standen einst vier Kanonen, die Warnschüsse abgaben, wenn sich der Feind der Stadt näherte oder wenn in der Stadt ein Feuer ausbrach. Von hier aus hat man einen herrlichen Blick auf die Stadt, heute befindet sich jedoch das “Schlossberg Museum” hier, und daher muss man für den Ausblick bezahlen. An der oberen Seilbahnstation und dem Glockenturm vorbei gelangen wir schließlich auf das höchste Plateau der Festung. Hier befinden sich die Kasematten, ehemaliges Gefängnis, heute ein Konzertsaal. Früher waren hier auch sehr prominente Gefangene inhaftiert, Grafen, Feldmarschälle oder sogar der Bischof Nadasdy. Aus den Zellen wurden Logen gemacht, die übrigen Zuhörer bevölkern den Boden der Kasematten, und das Beste ist, dass diejenigen, die keine Tickets bekommen haben, sich im Park zwischen den Bäumen hinlegen und Musik hören dürfen – auch wenn sie die Musiker nicht sehen können. An den Ecken des Plateaus befinden sich Metallplatten, die die Richtungen zu beinahe allen wichtigen Städten Europas anzeigen. Es fehlt nur eine – Prag. So viel also zu den harmonischen Beziehungen zu unserem nördlichen Nachbarn.

Am nördlichen Ende der Festung zeigten Ausgrabungen den gotischen Teil der Festung, wie er aussah, bevor Domenico d’Allio seine Arbeit aufnahm. Über diesen Ausgrabungen erhebt sich der Hackherlöwe.

Da kein Bild des tapferen Festungskommandanten erhalten geblieben ist, wurde beschlossen, sein Heldentum zum hundertsten Jubiläum im Jahr 1909 mit einem Metalllöwen zu ehren. Dieser wurde zwar während des Zweiten Weltkriegs eingeschmolzen, aber dann wieder hergestellt und 1966 an seinen ursprünglichen Platz gebracht.

Der gesamte Schlossberg ist heute ein Park. Nach der Zerstörung der Festung gab es hier ein großes Ruinenhaufen, bis der Baron Ludwig von Welden im Jahr 1838 die Idee hatte, den Hügel in einen Park umzuwandeln. Es war eine großartige Idee, und ihr Urheber wurde dafür auf dem Schlossberg mit seiner Statue belohnt. Beim Abstieg in die Stadt kommen wir am “Französischen Kreuz” vorbei.

Ob an diesem Kreuz ein französischer Unterhändler von den Österreichern hinterhältig erschossen wurde oder ob es sich um den österreichischen Fähnrich Karl König handelte, der von den Franzosen getötet wurde, ist eine Frage der unterschiedlichen Interpretation. In jedem Fall durften bis zu diesem Punkt die Familienmitglieder die Verurteilten begleiten, die zur Vollstreckung seiner Strafe in die Schlossberg-Kasematten gebracht wurden.

Wenn wir zum Karmelitenplatz hinuntergehen, befindet sich links von uns das Paulustor als Teil der ehemaligen Stadtbefestigung. Hier wurden auf Anordnung des Erzherzogs und späteren Kaisers Ferdinand II. am 8. August 1600 “ketzerische” Bücher verbrannt, also alles, was mit dem Protestantismus zu tun hatte. Später stand hier das erste Krankenhaus in Graz. Heute befindet sich in diesem Gebäude die Polizeidirektion.

Hinter dem Tor befindet sich der Stadtpark. Er ist riesig und bildet die grüne Lunge der Stadt. Seine Entstehung verdankt er einem glücklichen Zufall und einem fähigen Bürgermeister. Nach dem Abriss der Stadtmauern wurde das Glacis aufgehoben und zu begehrtem Baugrund umgewandelt. Ein Teil davon wurde jedoch von der Armee als Platz für Paraden und Marschübungen beibehalten und zu diesen Zwecken genutzt. Nach dem Krieg mit Preußen im Jahr 1866 geriet jedoch auch das österreichische Militär in große finanzielle Schwierigkeiten und wollte dieses Grundstück im Stadtzentrum verkaufen. Damals griff der aufmerksame Bürgermeister Moritz Franck ein und kaufte das ganze Grundstück im Jahr 1869 auf. Im Jahr 1872 wurde der Park feierlich eröffnet, seine ältesten Bäume sind daher bereits 150 Jahre alt. Der Bürgermeister verdiente sich mit dieser Tat nicht nur den Aufstieg in den Ritterstand, sondern auch seine Statue, die sich im Park neben einer riesigen Fontäne befindet.

Wenn wir vom Karmelitenplatz zur Sporgasse gehen, passieren wir den Saurau-Palast. Aus dem Dachfenster schaut uns ein hölzerner Türke an, der aus dem Fenster ausgelehnt ist.

Der Legende nach haben die Türken im Jahr 1532 Graz besetzt und die Bevölkerung flüchtete auf den Schlossberg. Ibrahim Pascha, der Kommandant der türkischen Armee, wollte gerade im Saurau-Palast speisen, als die Verteidiger vom Schlossberg eine Kanonenkugel abschossen, die den gedeckten Tisch traf. Daraufhin soll Ibrahim Pascha außer sich vor Wut gewesen sein. Er erklärte, dass er nicht in einer Stadt bleiben würde, in der er nicht in Ruhe essen könne, lehnte sich aus dem Fenster und gab den Befehl zum Abzug aus der Stadt. Bösartige Zungen behaupten außerdem, dass er aufgrund seiner korpulenten Statur im Fenster steckenblieb und die Türken auf den Rückzug aus der Stadt warten mussten, bis der Kommandant etwas abgenommen hatte, damit ihn die Soldaten wieder ins Haus ziehen konnten. Das ist aber nur eine Legende. Tatsächlich haben die Türken Graz nie erobert, und jener Türke im Fenster des Palastes war wahrscheinlich ein Hauszeichen.

Von der Sporgasse biegen wir in die Hofgasse ab, wo sich einst die Münze des Inneren Österreichs befand und wo Balthasar von Eggenberg seine unlauteren Geschäfte betrieb. An der Ecke befindet sich der Palast des Deutschen Ordens und ein Stück weiter der wunderschön geschnitzte hölzerne Eingang des Bäckerei Edegger-Tax.

Franz Tax, der Besitzer der Bäckerei, bat bereits im Jahr 1883 bei einem Besuch von Kaiser Franz Josef, dem er seine Produkte lieferte, um den Titel des Hofbäckers. Der Bitte wurde nicht entsprochen, warum, ist nicht bekannt. Franz Tax war jedoch ein beharrlicher Mensch, und als im Jahr 1888 Kronprinz Rudolf nach Graz kam, versuchte er es noch einmal und hatte diesmal Erfolg. Die Familie Tax backt hier nicht mehr, auch nicht ihre Nachkommen, die Familie Edegger. Der wunderschöne Eingang der Bäckerei steht jedoch seit 1950 unter Denkmalschutz. Die Hofgasse führt uns zum Beginn unserer Stadtführung, zum Dom und zur Burg mit ihren Gärten. Ich denke, ihr seid genauso erschöpft wie ich. Also, obwohl es in Graz noch viel zu besichtigen gibt – zum Beispiel sind wir nur am Opernhaus vorbeigekommen, sowohl am historischen als auch am modernen Gebäude – beenden wir unseren Spaziergang. Diejenige, die noch etwas weiteres besichtigen möchten, ebenso wie diejenige, die von der Wanderung schon mehr als genug haben, bitte ich um Verzeihung.

Graz IV


Wenn Sie bereits vom Spaziergang in der Stadt Graz müde sind, dann geht es mir genauso. Halten Sie durch, bald wird es vorbei sein. Aber es gibt noch viel zu sehen. Und ich verspreche, dass wir das Stadtzentrum nicht verlassen werden, und wir werden keine weiter entfernten Ziele besuchen, wie zum Beispiel das Schloss Eggenberg am Fuße des Plabutsch-Berges, das barocke Juwel der Wallfahrtskirche Mariatrost, das von Kaiser Karl VI., dem Vater von Maria Theresia, im Jahr 1714 erbaut wurde, die Ruine der Burg Gösting mit Jungfrausprung direkt über die Autobahn A9 oder sogar das Zisterzienserkloster Rein, wo die ersten Herrscher der Steiermark bis zum Vater von Friedrich III., Ernst der Eisernen, begraben sind. Bitte besuchen Sie es privat.

Nachdem wir uns also am Mehlplatz erfrischt haben, überqueren wir die Stadt über den Hauptplatz und betreten das Kälberne Viertel. Es ist nach der Vielzahl von Geschäften benannt, deren Stände an den Außenwänden der das Viertel dominierenden Kirche der Franziskaner aufgebaut wurden und wo einmal Rindfleisch verkauft wurde. Heute sind das Souvenirs und Kleider.

In Richtung Fluss befindet sich das kleinste Haus in Graz – in der Neutorgasse 11.

Ich mag dieses Viertel mit seinen zahlreichen Gasthäusern sehr. Zwei von ihnen, “Don Camillo” und “Peppone”, erinnern an den berühmten Roman des italienischen Journalisten Giovanni Guareschi, in dem in einem kleinen Dorf in der Po-Ebene nach dem Zweiten Weltkrieg der katholische Priester Don Camillo und der kommunistische Bürgermeister Peppone um die Gunst der einheimischen Bevölkerung kämpften. Das Franziskanerkloster wurde noch während der Babenberger-Dynastie gegründet – es werden die Jahre 1221, 1230 oder sogar 1241 angegeben. Als sich im Jahr 1517 der Franziskanerorden in Minoriten (Minoritenbrüder) und Franziskaner- Observanten spaltete, fiel die Kirche an die Minoriten. Bereits im Jahr 1571 bot Erzherzog Karl dieses Kloster den Jesuiten an, doch sie erschraken vor dem desolaten Zustand des Gebäudes und “begnügten” sich lieber mit dem Dom. Die Minoriten mussten schließlich ihr Kloster den Observanten überlassen. Der Grund war angeblich das unmoralische Leben der Mönche. Sie gingen nur über die Mur und ließen sich in Sichtweite ihres alten Quartiers das neue, wunderschöne Mariahilf-Kloster errichten. Es ist eines der wenigen rein barocken Gebäude in Graz mit einem prächtigen Barocksaal.

Sowohl Erzherzog Ferdinand als auch der frisch konvertierte Ulrich von Eggenberg trugen zum Bau bei, den der Baumeister des Mausoleums, Giovanni Pietro de Pomis, zwischen 1607 und 1611 geschaffen hat. Ulrich von Eggenberg musste nämlich beweisen, dass er es mit seiner Konversion zum Katholizismus ernst meinte, und das Ergebnis kann sich sehen lassen. Der Bau hat offensichtlich den steirischen Herrscher Ferdinand so angesprochen, dass er den Architekten beauftragte, das bereits erwähnte Mausoleum neben dem Dom zu errichten. Wenn jemand – wie ich – über die fehlende Logik nachdenken würde, nämlich dass das Mausoleum im Stil des Manierismus erbaut wurde und das einige Jahre ältere Mariahilf-Kloster rein barock ist, liegt das daran, dass das heutige Aussehen des Klosters hundert Jahre jünger ist. Den Mönchen hat ihr Kloster im Gegensatz zu Erzherzog Ferdinand nicht so gut gefallen, und sie ließen es in den Jahren 1742-1744 in die heutige barocke Form umbauen.

In dem Franziskanerkloster – der Pfarrkirche der Himmelfahrt der Jungfrau Maria – befindet sich die schönste gotische Jakobikapelle mit einem vergoldeten Altar. Übrigens wurde dort meine erste Enkelin getauft.

Zwischen den beiden Klöstern steht die Hauptbrücke über den Fluss Mur. Seit 1361 war sie aus Holz und wurde immer wieder von hohem Wasser weggerissen. Erst im Jahr 1889 wurde die heute noch stehende Stahlbrücke errichtet. Ursprünglich war sie mit Metallstatuen von Styria und Austria geschmückt – diese sind heute im Stadtpark ausgestellt. Styria ist eine friedliche Magd, während Austria mit Waffen klirrt.

Im Jahr 1471 war diese Brücke die einzige Überquerungsmöglichkeit über den Fluss, und auf der Stadtseite standen zwei Tore mit befestigten Türmen – das innere und das äußere Tor. Hier fand der berühmte Rebell Andreas Baumkircher sein Ende. Diese wahrhaft legendäre Figur lebte zurzeit Kaiser Friedrichs III. Andreas Baumkircher besaß ausgedehnte Ländereien und einige Burgen im heutigen Burgenland und war sogar eine Zeit lang der Zupan (Landeshauptmann) von Pressburg (Bratislava). Mehrmals half er dem Kaiser persönlich, zum Beispiel als er von der tschechischen Armee belagert wurde, die die Auslieferung von Ladislaus Posthumus forderte. Ladislaus war zwar offiziell der König von Böhmen, befand sich jedoch “unter dem Schutz” Friedrichs in der Wiener Neustadt. Baumkircher lieh dem Kaiser große Geldsummen. Friedrich war jedoch nie besonders gewissenhaft beim Begleichen seiner finanziellen Pflichten und seine Schulden bei Baumkircher wuchsen in schwindelerregende Höhen. Als Andreas die Hoffnung aufgab, seine Gelder auf legalem Weg zurückzuerlangen, erklärte er dem Kaiser “Fehde”, das heißt Krieg. Auf diese Weise konnten Gläubiger gemäß dem mittelalterlichen Recht ihre Forderungen durchsetzen. Dass dabei Menschen starben und Dörfer und Städte brannten, überraschte damals niemanden besonders. In der Steiermark entbrannte ein echter Krieg, bei dem die Rebellen die Städte Hartberg, Feldbach, Fürstenfeld, Maribor und Slovenska Bystrica besetzten, die Städtchen Wildon oder Katsch wurden völlig zerstört und der Konflikt kulminierte in der Schlacht bei Fürstenfeld am 21. Juli 1469. Auf beiden Seiten kämpften erfahrene böhmische Söldner mit husitischer Ausbildung, die kaiserliche Armee wurde vom Hauptmann Jan Holub angeführt, dessen Nationalität ist auch klar. Beide Seiten verwendeten die Taktik der Wagenburg. Die Schlacht war außergewöhnlich blutig und endete mit einem Sieg der Truppen von Baumkircher, als auch Jan Holub schwere Verletzungen erlitt und den Rückzug befehlen musste. Allein auf Seiten der Sieger gab es angeblich 300 Tote und 500 Verwundete.

Nach dieser Niederlage erkannte der Kaiser, dass er den Aufstand militärisch nicht unterdrücken konnte, und bot Baumkircher Verhandlungen an. Am 23. April 1471 kamen Andreas Baumkircher und sein Freund Andreas von Greisenegger mit einem Schutzbrief nach Graz, der bis zu der Vesper gültig sein sollte. Die Verhandlungen auf dem Schlossberg zogen sich jedoch hin, der Kaiser musste natürlich sowohl am Vormittag als auch nach dem Mittagessen ausschlafen (nicht umsonst nannte man ihn Erzschlafmütze), und als es der spätere Nachmittag war, bat Baumkircher um eine Verlängerung des Schutzbriefes. Als dies abgelehnt wurde, begann er einen Hinterhalt zu ahnen. Er brach die Verhandlungen ab, aber seine Pferde waren vom Schlosshof verschwunden. Die Ritter rannten zum Tor, und sie hätten es vielleicht geschafft, aber der Kaiser, der ihre Flucht beobachtete, ließ die Vesper eine Viertelstunde früher läuten. In dem Moment, als beide Ritter zwischen dem inneren und äußeren Tor waren, fielen die eisernen Gitter an beiden Toren herab, und sie befanden sich in der Falle. Ihre tapfere Verteidigung half ihnen nicht. Sie wurden gefangen genommen und noch am selben Tag hingerichtet, laut der Legende genau an jener Stelle zwischen den beiden Toren mit Blick auf die Brücke und das gegenüberliegende Ufer, wo die Rettung in Form von Baumkirchers Männern wartete.

Gleich auf der anderen Seite des Flusses befindet sich das Kunsthaus.

Mit seinem unkonventionellen Aussehen konnten sich die Bewohner von Graz, und nicht nur sie, lange Zeit nicht abfinden. Die Stadt versuchte den Unmut mit dem Spitznamen „Friendly Alien“ zu besänftigen. Die Bürger gaben dem Gebäude den Spitznamen “Krake”, aber sie gewöhnten sich allmählich daran. Es wurde sozusagen zum steirischen Eiffelturm. Auf jener rechten Flussseite befinden sich die schönsten Jugendstilhäuser, in denen einst die jüdische Gemeinde lebte. Die alte Synagoge wurde in der Kristallnacht vom 9. auf den 10. November 1938 von den Nazis zerstört, die neue wurde an derselben Stelle im Jahr 2000 eröffnet. Die Uferpromenade wird von den Hotels Weitzer und Wiesler dominiert. Das Fünfsternhotel Weitzer hat bereits Mick Jagger, Dalai Lama oder Jennifer Lawrence beherbergt. Arnold Schwarzenegger soll sogar eine Suite für seine Besuche in seiner Heimatstadt langfristig gemietet haben. Hinter den Hotels befindet sich das Kloster der Barmherzigen Brüder mit einem Krankenhaus. Die Mönche des Ordens, den der portugiesische Abenteurer Johann von Gott im Jahr 1539 gegründet hat, wurden im Jahr 1615 von den Erzherzögen Ferdinand und Maximilian nach Graz eingeladen. Es war ihr zweiter Wirkungsort auf habsburgischem Gebiet, der erste befand sich seit 1605 im mährischen (damals allerdings noch österreichischen) Valtice (Felsenberg). Dieser Orden reformierte die medizinische Versorgung und das angesehene Krankenhaus befindet sich dort bis heute. Genauso wie im nahegelegenen Haus des Elisabethinen-Ordens – der Turm ihrer Kirche ist weiß im Gegensatz zum gelben der Barmherzigen Brüder. Im Turm der Kirche der Barmherzigen Brüder befindet sich eine Kuriosität – die Schiffsglocke des österreichischen Kriegsschiffs “SMS Tegetthoff”. Es war das Flaggschiff der österreichischen Marine in der einzigen Seeschlacht, die Österreich je gewonnen hat – natürlich gegen Italien. Die Schlacht fand 1866 bei Lissa statt. Die Glocke hatte eine bewegte Geschichte. Zuerst wurde sie nach der österreichischen Kapitulation im Jahr 1918 den Italienern übergeben. Im Jahr 1942 wurde sie auf den schweren Kreuzer “Prinz Eugen” verlegt und im Jahr 1945 nach Kiel gebracht, um in Sicherheit zu sein. Dort blieb sie in einer Marineschule bis 1973, als sie ihren Platz im Turm der Kirche der Barmherzigen Brüder in Graz erhielt.

Auf der linken Muruferseite können wir über die Brücke oder über die Murinsel zurückkehren – eine künstliche Insel, die anlässlich von Graz als Kulturhauptstadt Europas im Jahr 2003 geschaffen wurde. Achten Sie darauf, die Toilette auf dieser Insel zu besuchen! Die Spiegel sind so gemein angeordnet, dass es recht schwierig ist, die Toilette wieder zu verlassen.

          Ich habe wirklich gehofft, den Spaziergang durch Graz heute beenden zu können. Allerdings haben wir heute schon mehr als genug gesehen und gelesen. Gönnen wir uns also noch eine zweiwöchentliche Pause, bis unser Besuch von Graz endlich zu Ende geht.

Graz III

Wenn wir das Kaufhaus Kastner und Öhler verlassen, haben wir zwei Möglichkeiten, wohin wir unsere Stadtbesichtigung fortsetzen könnten. Entweder nach links zum Schlossberg oder rechts am Hotel Erzherzog Johann vorbei zum Hauptplatz. Gehen wir heute in diese Richtung, den Schlossberg behalten wir uns für das Ende unseres Spaziergangs. Der Hauptplatz wird von einem Rathausgebäude dominiert, das mit seinem neubarocken Stil zwar gar nicht her passt, ist aber imposant, sodass man sich damit abfinden kann.

Die meisten Gebäude stammen aus der Renaissance, dem vorherrschenden Stil in dieser Stadt. Und in der Mitte des Platzes steht ein Brunnen mit der Statue des steirischen Prinzen Erzherzog Johann.

Ohne ihn geht es in der Steiermark einfach nicht. Genauso wie man sich bei einem Besuch in Tschechien den Namen Karl IV. merken müsste, muss man das mit Johann, dem Landesvater der Steiermark, tun. Wir werden buchstäblich über ihn überall stolpern, also lassen wir seine Lebensgeschichte – für die, die sie nicht kennen – kurz zusammenfassen.

Johann wurde 1782 in der Toskana als achtes Kind des zukünftigen Kaisers Leopold II. geboren. Als sein Vater Kaiser wurde, siedelte er nach Wien um und nachdem er im Krieg gegen Napoleon im Jahr 1809 versagte – er hatte einen Löwenanteil an der Niederlage in der Schlacht bei Wagram – zog er sich aus dem öffentlichen Leben zurück. Er kaufte einen Bauernhof namens Brandhof in der Nähe von Mariazell in der Steiermark und begann mit der Reformierung des Landes. Es waren nicht nur Experimente mit dem Anbau von Pflanzen unter bergigen Bedingungen und Aufklärungsvorträge. Er gründete eine Getreidebörse, die den Bauern feste Preise beim Getreideankauf garantierte, die Grazer Wechselseitige Versicherung, bei der sie sich gegen Missernten versichern konnten, und die Sparkasse-Bank, die kleine Kredite vergab. Dadurch blieben die steirischen Gelder in der Steiermark und bildeten die Grundlage für den lokalen Wohlstand. Darüber hinaus gründete er nach dem Vorbild seiner Großmutter Maria Theresia eine Bergbau-Hochschule, an der Carl Friedrich Christian Mohs die Härteskala der Mineralien festlegte – wir erinnern uns zumindest teilweise daran, weil wir das in der Schule lernen mussten – sie hat zehn Stufen und der härteste ist natürlich der Diamant. Im revolutionären Jahr 1848 kandidierte Johann für die Steiermark in den Wahlen in das gesamtdeutsche Parlament, das in Frankfurt tagte, und wurde natürlich gewählt und anschließend auch zum Vorsitzenden dieses Parlaments. Dort führte er einen vergeblichen Kampf für die sogenannte großdeutsche Lösung, also die Wiederherstellung des Deutschen Kaiserreichs mit Österreich und der Hauptstadt Wien. Diesen Kampf verlor er gegen die preußische Lobby, und ein neuer Kaiser ging aus den Sitzungen jenes ersten revolutionären Parlaments auch nicht hervor. Johann zog sich dann in die Steiermark zurück und war bis zu seinem Tod als Bürgermeister in der Stadt Stainz tätig, wo er ein Jagdschloss hatte.

Als Lebenspartnerin wählte der liebe Johann die Tochter des Postmeisters aus Bad Aussee, Anna Plochl, was für damalige Verhältnisse einen enormen Skandal darstellte. Es dauerte zehn Jahre, bis er von seinem Bruder, Kaiser Franz, die Erlaubnis zur Hochzeit erwirkte. Um den Skandal etwas zu mildern, erhob der Kaiser die liebe Anna zur Gräfin von Meran. Deshalb trägt der Palast, den Johann in der Stadt erbauen ließ, den Namen Palais Meran und er beherbergt heute eine Schule für musikalische Künste. Im Hauptkonzertsaal dominiert an der vorderen Wand ein großes Gemälde des Erzherzogs – mit seiner unverwechselbaren Glatze. Diese hat er auch auf der Statue auf dem Hauptplatz, und die Stadtverwaltung versucht vergeblich, sie vor Tauben und ihrem unhygienischen Verhalten zu schützen. Der Brunnen, auf dem die Statue des Herzogs steht, stellt die vier steirischen Flüsse dar – Enns, Mur, Drau, die bis 1918 auch ein steirischer Fluss war, und Sann. Mit dem letzten habe ich mich lange beschäftigt und den Architekten verdächtigt, dass er diesen Fluss einfach frei erfunden hat, um keinen dreieckigen Brunnen bauen zu müssen. Aber der Fluss existiert – nun ja, es ist eher ein größerer Bach – er heißt heute Savinja und befindet sich wie sein großer Bruderfluss Drau in dem heutigen Slowenien.

Wenn wir vom Hauptplatz aus ein Stück nach rechts am x entlang gehen, gelangen wir zum Joanneum. Das Gebäude, das Johann erwarb, um dort seine Bergakademie unterzubringen, ist ein seltenes barockes Element in der Stadt. Der ehemalige Palast der Mönche aus Sankt Lambrecht wurde von der Familie Leslie erworben – daher trägt das Gebäude bis heute den Namen Lesliehof. Es wurde wieder einmal von einem italienischen Architekten mit einem für mich unaussprechlichen Namen Domenico Sciassia erbaut. Im Innenhof befindet sich eine Büste des bereits erwähnten Christian Mohs. Kaiser Franz Josef ließ dem ursprünglichen Museumsgebäude noch einen weiteren klassizistischen Anbau in Richtung des Flusses hinzufügen. Die beiden Gebäude passen nicht ganz zusammen, die Stadt Graz hat das Problem originell, aber aus meiner Sicht gut gelöst. Zwischen den beiden Gebäuden wurde ein hochmodernes Eingangstor in Form einer in die Erde eingelassenen Pyramide errichtet (umgekehrt im Vergleich zum Louvre in Paris). Der Eingang zum Museum befindet sich also unter der Erde, und auch die beiden Museumsgebäude sind unterirdisch miteinander verbunden.

Wenn wir uns vom Hauptplatz aus auf der Herrengasse befinden, wird uns wahrscheinlich zuerst das mit Fresken bemalte Haus, der Herrenhof, auffallen.

Der Besitzer dieses Hauses hatte das Privileg, keine Steuern zahlen zu müssen. Auf der anderen Seite war er jedoch verpflichtet, den Landesfürsten zu beherbergen, wenn er in die Steiermark kam. Dieses fragliches Privileg hat dem Hausbesitzer Herzog Rudolf der Stifter verliehen. Die Fresken stellen antike Motive der griechischen Götter dar.

Wenn wir an dem Landhaus und das Landzeughaus entlang weiter gehen, gelangen wir zur Grazer Pfarrkirche. Die Fassade ist barock, aber im Inneren handelt es sich um ein gotisches Gebäude.

Es war einmal die Kirche des Dominikanerordens. Aber die Dominikaner, ein Orden von bettelnden Predigermönchen, hatten in einer protestantischen Stadt ein hartes Leben. Sie kämpften ständig mit Armut und Hunger, und eines schönen Tages hatten sie die Schnauze voll und beschlossen, die undankbare Stadt zu verlassen. Herzog Karl erkannte die Gefahr, dass die Kirche in protestantische Hände geraten könnte, und griff ein. Da er den Dom dem Jesuitenorden übergeben hatte, hatte die Stadt keine katholische Pfarrkirche mehr. Karl bat daher den Papst in Rom, diese Kirche auf der Herrengasse zur Pfarrkirche zu erheben, wenn möglich noch bevor die letzten beiden verärgerten Mönche sie verließen. Der Papst verstand die Dringlichkeit der Bitte des Erzherzogs und kam ihr umgehend nach. In der Kirche befindet sich in der Seitenkapelle das Gemälde der Himmelfahrt der Jungfrau Maria von Tintoretto, aber es befindet sich hier auch die größte Kuriosität der Stadt. Man muss in das Hauptschiff gehen und die Glasfenster in der Apsis betrachten. Graz wurde im Zweiten Weltkrieg stark bombardiert, da es vor allem für die italienische Front ein wichtiger Eisenbahnknotenpunkt war. Die Kirchenfenster aus Glas überstanden die Druckwellen der Explosionen logischerweise nicht. Nach dem Krieg wurde der Berliner Künstler Andreas Birkle mit der Gestaltung neuer Fenster beauftragt. Und er wagte es, auf einem der Fenster Hitler und Mussolini darzustellen, wie sie die Auspeitschung Christi beobachten. Es handelt sich um das linke Fenster, das dritte Fensterfeld von unten in der rechten Spalte.

Birkle hat diese beiden somit zu “bösen” Feinden Christi und seiner Botschaft erklärt. Eine ähnliche Provokation findet sich in ganz Europa nur noch an einem Ort, nämlich in der Kirche St. Martin in Landshut, wo Hitler, Goebbels und Göring ihre Gesichter den Peinigern des Heiligen Kastulus liehen.

Wir können uns um die Pfarrkirche herum begeben und am Delikatessengeschäft Frankowitsch vorbeigehen (mit den berühmtesten belegten Brötchen in der Stadt) zum Tummelplatz. Dieser hat zwei Teile. Einer davon ist der runde Platz vor dem Gebäude des Akademischen Gymnasiums. Dieses Gebäude war einst ein Kloster, nämlich das Kloster der Dominikanerinnen. Sie hielten in der Stadt etwas länger durch als der männliche Zweig des Ordens. Sie lebten hauptsächlich vom Verkauf von Wolle und Milch von Schaffen, die sie auf den Wiesen vor den Stadtbefestigungen, auf dem sogenannten Glacis, weideten. Im Mittelalter und in der frühen Neuzeit durften keine Häuser in der Nähe der Stadtmauern gebaut werden, und zwar in Schussweite der Kanonen. Dadurch sollte im Falle einer Belagerung verhindert werden, dass sich Feinde in diesen Gebäuden verstecken konnten. (Dieses Glacis kann man heute zum Beispiel in der italienischen Stadt Lucca in unveränderter Form sehen). Zu dieser Zeit kam der Postmeister slowenischer Herkunft und italienischen Namens Kaspar Andreas Jacomini in die Stadt. Er war ein Weltenbummler, diente als Leutnant in der Miliz in Rijeka und war auch Postmeister in Celje. Daher wusste er, dass die Stadtmauern abgerissen werden würden. Er bot den Nonnen einen guten Preis für ihre Wiesen an, und sie nahmen dankbar an. Im Jahr 1782 entschied Kaiser Josef, Graz zur “offenen Stadt” zu erklären. Das Glacis hörte auf zu existieren und Jacomini besaß die lukrativsten Baugrundstücke. Er verkaufte sie an die Bürger von Graz, und vor den Stadtmauern entstand das ganze Vorstadtviertel “Jacomini Vorstadt”. Heute trägt das gesamte Stadtviertel den Namen des geschickten Postmeisters, und der Platz, der nach ihm heißt, ist der Hauptverkehrsknotenpunkt – und ein Eldorado für Drogendealer.

Der zweite Teil des Tummelplatzes hat eine seltsame Form

. Er ist lang und schmal. Hier fanden im Mittelalter Ritterturniere statt. Auf beiden Seiten standen Tribünen, und die Ritter ritten auf Pferden und in Rüstungen in der Mitte aufeinander zu. Da es etwas bergab geht, kann ich mir vorstellen, dass sie – sofern es sich nicht um prominente Persönlichkeiten handelte – das Los ziehen mussten, um ihre Seite zu bestimmen. Mit diesem Ort sind drei Geschichten verbunden, die ich erzählen möchte. Die erste stammt aus dem späten 12. Jahrhundert. Die Legende besagt, dass Herzog Leopold V. zu Silvester 1194 an einem Turnier auf diesem Platz teilnahm. Leopold, verwandt mit Kaiser Friedrich I. Barbarossa (sein Vater Heinrich Jasomirgott war der Stiefbruder von Barbarossas Vaters und wurde auch deshalb 1156 vom Markgrafen von Österreich zum Herzog erhoben), war seit 1177 Herzog von Österreich und seit 1192 auch Markgraf von Steiermark.

Die Babenberger erwarben nämlich durch einen Vertrag mit dem aussterbenden Geschlecht der Ottokare im Jahr 1186 (Georgenberger Handfeste) die erbliche Herrschaft über die Steiermark. Aber der liebe Leopold befand sich im kirchlichen Bann. Er nahm nämlich am dritten Kreuzzug teil und übernahm nach dem Tod von Kaiser Barbarossa, der bei einem Bad in der heutigen Türkei ertrank, das Kommando über das deutsche Kontingent. Mit ihm beteiligte er sich an der Eroberung der Stadt Akkon. Doch der englische König Richard Löwenherz war nicht gewillt, dass neben seiner königlichen Fahne auf den Mauern der eroberten Stadt auch die Fahne “irgendeines Herzogs” wehte, und warf sie in den Graben. Leopold wurde wütend und verließ im Jahr 1191 Palästina. Als Richard nichts Besseres einfiel, als durch Österreich nach England zurückzukehren, fing er ihn ein und hielt ihn auf der Burg Dürnstein in der Wachau gefangen. Er forderte ein Lösegeld für ihn, und als Richards Bruder Johann Ohneland nicht bereit war zu zahlen, verkaufte er seine Geisel einfach an Kaiser Heinrich VI. zum halben Preis, um beide zu bereichern. Da er durch die Gefangennahme eines Kreuzritters gegen kirchliches Recht verstieß (Kreuzritter waren unantastbar und unterlagen ausschließlich kirchlicher Gerichtsbarkeit), verhängte Papst Coelestin III. den kirchlichen Bann über ihn. Der Legende nach stürzte der Herzog beim Turnier zusammen mit seinem Pferd und erlitt eine offene und stark blutende Beinfraktur. Da ihm niemand helfen wollte, zog er angeblich sein Schwert und trennte sich das Bein ab. Da ihm jedoch auch danach keine angemessene Pflege zuteilwurde, verblutete er und starb.

Die Legende ist schön, wenn auch etwas blutig, aber sie beruht nicht auf der Wahrheit. Tatsächlich stürzte Leopold mit seinem Pferd und brach sich das Bein, aber das geschah bereits am 26. Dezember in der vereisten Herrengasse. Er starb dann fünf Tage später an Sepsis. Es gab erhebliche Probleme mit seiner Beerdigung, denn solange der Papst nicht gnädig wurde und seinen Bann aufhob, durfte der Herzog nicht in geweihter Erde begraben werden.

Die zweite interessante Geschichte ereignete sich im Jahr 1467, als eine Delegation des böhmischen Königs Georg von Podiebrad Graz besuchte. Georg, als ein Nachkomme der Hussiten und ein Utraquist, wurde vom Papst Pius II. (unser bereits gut bekannter Aeneas Silvius Piccolomini) für Ketzer erklärt und musste sich ständig den Angriffen des ungarischen Königs Matthias Corvinus erwehren, der sich berechtigt fühlte, im Namen des Papstes den heiligen Glauben zu verteidigen (und als willkommener Nebeneffekt die böhmische Königskrone zu erlangen). Daher schickte Georg eine Delegation, die ganz Europa bereiste und versuchte (vergeblich), europäische Herrscher für einen internationalen Friedens- und Zusammenarbeitsvertrag zwischen den europäischen Nationen zu gewinnen – sozusagen ein Versuch der ersten Europäischen Union. Auf dem Rückweg von dieser visionären, aber erfolglosen Mission machte die Delegation auch in Graz Halt, wo sich gerade Kaiser Friedrich III. aufhielt. Zu Ehren der Tschechen veranstaltete er auf dem Tummelplatz ein Turnier, bei dem der damals beste tschechische Kämpfer Jan Libštejnský von Kolowrat unter tschechischen Farben antrat. Dieser siegte triumphal, als er seinen Gegner, den berühmten deutschen Ritter Reimberger, aus dem Sattel warf. Die ganze Geschichte wurde von einem Teilnehmer dieser tschechischen Expedition, Václav Šašek von Bířkov, in seiner Chronik “Die Reise ans Ende der Welt” festgehalten. Ob der Herr von Kolowrat von oben oder von unten angegriffen hat, ist nicht dokumentiert. Ich persönlich glaube, dass es von oben war, denn wenn er sich auf dem unteren Teil des Platzes befunden hätte, hätte Šašek diesen Nachteil in seinem Bericht sicherlich erwähnt.

Schließlich wurde der Tummelplatz zum legendären Schauplatz eines Duells, als der steirische Adlige Eberhard von Rauber gegen einen spanischen Granden vor den Augen Kaisers Maximilian II. um die Hand der kaiserlichen schönen unehelichen Tochter Helena kämpfte. Eberhard siegte triumphal, als er den Besiegten in einen Sack steckte und dem Kaiser zu Füßen legte. Daraufhin küsste der Kaiser ihn auf die Wange und übergab ihm “das göttliche Mädchen Helena”. Leider wurde aus der Ehe mit Helena kein Nachwuchs geboren. Nach der bedeutenden Adelsfamilie Rauber ist Raubergasse im Stadtzentrum benannt, und ich fand ein Porträt von Eberhard auf der Burg Güssing im Burgenland. Dort ist er jedoch mit so langen Haaren und Bart dargestellt, dass er sich sicherlich nicht gegen den Spanier durchgesetzt hätte. Wahrscheinlich ließ er sich die Haare erst danach wachsen. Übrigens soll der besiegte Spanier seine Niederlage nicht verkraftet haben. Nach seiner Rückkehr nach Spanien legte er alle Titel ab und trat in den Dominikanerorden ein.

Vom Tummelplatz gelangt man direkt zum Bischofplatz, dem Sitz des Bistums Graz-Seckau. Dieses wurde 1218 als Suffraganbistum des Erzbistums Salzburg gegründet, hatte jedoch seinen Sitz in dem obersteirischen Ort Seckau. Erst im Jahr 1786 wurde der Sitz nach Graz verlegt. Nach Durchqueren der Stempfergasse, die das jüdische Ghetto im Norden bis 1449 begrenzte, als die Juden auf Anordnung von Kaiser Friedrich III. aus der Stadt vertrieben wurden, gelangen wir zum Glockenspielplatz und Mehlplatz, die im Grunde eine Einheit bilden. Im Jahr 1884 kaufte ein Hersteller von Schnaps namens Gottfried Mauer hier ein Haus. Durch die Schnapsherstellung wurde er wohlhabend. Bei seinen Reisen durch Europa sah er viele verschiedene Glockenspiele und bedauerte, dass Graz keines hatte. Deshalb ließ er eines an seinem Haus installieren. Dreimal am Tag um 11, 15 und 18 Uhr erklingt das Glockenspiel und aus den Fenstern der Fassade tanzen ein Mädchen und ein junger Mann in steirischer Tracht, wobei der Mann natürlich ein Glas über dem Kopf hält – vermutlich mit Schnaps von Herrn Mauer. So tanzt man besser.

Der Mehlplatz mit seinen vielen Restaurants ist ein beliebter Ort zum Ausruhen während eines Spaziergangs durch die Stadt. Also machen wir hier eine Pause, bevor wir uns in den westlichen Teil der Altstadt begeben.

Graz II

Wir werden bei unserem Spaziergang noch eine Weile im fürstlichen Teil der Stadt bleiben, also in der Nähe des Doms. Direkt neben ihm steht nämlich ein architektonisches Juwel des Manierismus, eines architektonischen Stils, der an die Renaissance anknüpft – das Mausoleum von Kaiser Ferdinand II.

Mausoleum

Der Herrscher ließ dieses Grabmal nach dem Tod seiner geliebten Frau Maria Anna bauen und ließ sich selbst darin neben seinem früh verstorbenen Sohn Johann Karl begraben. Es handelt sich im Wesentlichen um zwei miteinander verbundene Gebäude, entworfen vom italienischen Architekten Giovanni Pietro de Pomis. Der Besucher betritt zuerst die Kirche St. Katharina von Alexandrien, der Schutzpatronin der Wissenschaften.

Katharina von Alexandria

Daher wurde das Mausoleum direkt neben der von Ferdinands Vater, Erzherzog Karl, gegründeten Universität gebaut. Die Kuppel ist mit Wappen der Länder geschmückt, in denen die Habsburger herrschten. Der zweite Teil ist die eigentliche Grabkapelle. Sie wurde nach dem Vorbild des Heiligen Grabes in Jerusalem gebaut. Früher konnte man in die Grabkammer hinabsteigen, heute ist der Zugang gesperrt. Von oben kann man den Sarkophag von Ferdinands Eltern Karl und Maria sehen. Auf dem Sarkophag sind zwar beide dargestellt, aber nur Maria liegt darin. Karl ist im Kloster Seckau in der Obersteiermark begraben. Warum das so ist, konnte ich nicht herausfinden. Nach dem Tod ihres Mannes im Jahr 1590 spendete Maria eine beträchtliche Summe Geldes, damit täglich Messen über dem Grab ihres Mannes gelesen werden und hat ihre Spende auch mit dem Wunsch verbunden, dass sie nach ihrem Tod neben ihm begraben wird. Ihre Untertanen erfüllten diese Bedingung jedoch nicht, anscheinend wollten sie, dass der vom Volk geliebte Erzherzog zumindest nach seinem Tod seine Ruhe hat. Mit seiner fanatischen, dominanten und intoleranten Frau hatte er während seines Lebens schon genug ertragen müssen.

Kaiser Ferdinand II. selbst ist in der Wand der Familiengruft begraben, ebenso wie seine Frau Maria Anna und sein ältester Sohn Johann Karl. Darüber hinaus wurde dort die französische Prinzessin Marie Therese von Savoyen begraben, die vor der französischen Revolution nach Graz geflohen war und hier 1805 verstarb. Ein angemessenes Grab wurde für sie gesucht, und so fand sie ihre letzte Ruhestätte neben dem ehemaligen Kaiser Ferdinand.

Ferdinand ist somit der letzte Habsburger, der nicht bei den Karmeliten in Wien begraben ist. Diese Wiener Gruft wurde von Anna, der Gattin Ferdinands Vorgängers auf dem kaiserlichen Thron, Matthias, gegründet, Ferdinand wollte aber neben seiner ersten Frau beerdigt werden. Ferdinand war ein recht einfacher und grundsätzlich guter Mensch. Seine intellektuellen Defizite – und eine fanatisch katholische Erziehung durch seine Mutter – wurden jedoch von den Jesuiten ausgenutzt, um ihm einzureden, dass er persönlich für das Seelenheil all seiner Untertanen verantwortlich sei – und dass Ketzer, also Protestanten, natürlich nicht gerettet werden könnten. Aus Angst vor seiner eigenen Verdammnis, wenn er diese Aufgabe nicht erfüllen würde, rekatholisierte er brutal die Steiermark und versuchte dasselbe auch in Böhmen und Deutschland, nachdem er Kaiser geworden war. Das Ergebnis war einer der schrecklichsten Kriegskonflikte, die Europa je erlebt hat – der Dreißigjährige Krieg. Gott bewahre uns vor solchen Gutmenschen! Der Kaiser selbst hat das Ende des von ihm verursachten Krieges nicht mehr erlebt, es wurde von seinem Sohn Ferdinand III. beendet. Im Gegensatz zu seinem Vater war dieser sehr begabt. Er war nicht nur der erste, der schwedische Truppen besiegen konnte, sondern komponierte auch Musik, die noch heute gespielt wird, und zeigte große Fähigkeiten in der Diplomatie. Auch die anderen Kinder von Ferdinand bewiesen beträchtliche Intelligenz, jene unansehnliche Annele musste eine sehr kluge Person gewesen sein – von wem hätten die Kinder es sonst geerbt?

Die Wappen von Ferdinand II. und seiner Ehefrau Maria Anna findet man an der Fassade des alten Universitätsgebäudes gleich neben dem Dom.

Ferdinand II links, Maria Anna von Bayern rechts

Die Universität wurde im Jahr 1585 von Erzherzog Karl gegründet – “damit die Bewohner der Steiermark nicht weit von ihrer Heimat die Bildung suchen müssen”. Als ersten Studenten der neuen Universität ließ Karl seinen erstgeborenen Sohn Ferdinand einschreiben, der damals acht Jahre alt war. Er durfte allerdings nicht in Graz studieren – die Angst seiner Mutter, dass er sich mit der protestantischen Ketzerei anstecken könnte, war zu groß. Sie schickte ihn zum Studium in das zuverlässig katholische Ingolstadt und er durfte nicht einmal zur Beerdigung seines Vaters im Jahr 1590 zurückkehren. Erst als er nach damaligen Gesetzen volljährig wurde, erlaubte ihm seine Mutter die Rückkehr – damit er seine brutale Kampagne starten konnte, gegen alle, die an Gott anders glaubten als die katholische Kirche es erlaubte.

Das Universitätsgebäude ist ein schönes Beispiel für den Manierismus, das Innere ist im Rokoko-Stil dekoriert. Das bedeutet, dass der Stil von außen zum Barock führt, während er im Inneren den Barock verlässt – sie ergänzen sich perfekt und der Besuch des großen Saals im Universitätsgebäude ist ein unvergessliches Erlebnis.

Alte Universität

Aber gute Absichten gehen manchmal schief. Im Jahr 1602 übergab Ferdinand, der Sohn Karls, die Universität in die Hände der Jesuiten. Das führte nicht nur zu einer ideologischen Veränderung in der Bildung, sondern auch zur Abschaffung dieser Hochschule durch Joseph II. Der Jesuitenorden wurde nämlich im Jahr 1773 aufgelöst (aufgrund von Streitigkeiten um Paraguay in Südamerika), der Staat übernahm die Universität und Kaiser Joseph II. verwandelte sie dann in ein Lyzeum.


Im Jahr 1827 wurde die Universität von Josephs Neffen Franz (II. als römischer Kaiser und I. als Kaiser von Österreich) wiedereröffnet. Davon kommt ihr heutiger Name Karl-Franzes Universität. Eine Statue ihres Erneuerers steht in der Mitte des Freiheitsplatzes vor der Universität. (Bis 1848 hieß dieser Platz übrigens Franzesplatz).

Franz I (II)

Der Platz hat seine einheitliche klassizistische Konzeption (mit Ausnahme der manieristischen Universität). Das Theatergebäude wurde von dem italienischen Architekten Pietro de Nobile (er war eigentlich ein Schweizer, aber aus dem italienischen Kanton Tessin) entworfen und Johann Nestroy spielte hier in 269 verschiedenen Rollen. Hier wurde auch die Premiere seines allerersten Theaterstücks “Der Zettelträger Papp” aufgeführt.

Der Platz wird von oben durch das Gebäude Lambrechterhof des Architekten Hauberisser abgeschlossen. Im Giebel ist ein Junge abgebildet, der vor Wölfen flieht. Es war eine kleine Rache des Architekten an dem Wiener Architekten Wolf, wegen dem er nach Graz umziehen musste.

Graz ist jedoch vor allem von der Renaissance geprägt und wenn wir über die Renaissance in Graz sprechen, sprechen wir vor allem von einem Meister namens Domenico d’Allio. Im Jahr 1529 belagerten die Türken zum ersten Mal Wien. Die Stadt hatte noch mittelalterliche Stadtmauern, die einst von Herzog Leopold mit dem Lösegeld für Richard Löwenherz errichtet wurden. Solche Mauern konnten dem Artilleriefeuer nicht standhalten, aber die Österreicher hatten großes Glück. Fast die ganze Zeit der türkischen Belagerung regnete es und die Türken konnten ihre Waffen nicht benutzen, weil ihr Schießpulver nass geworden war. Als ihnen die Vorräte ausgingen, zogen sie von der Stadt ab und marschierten durch die Steiermark. Sie erschienen auch vor Graz, hatten jedoch keine Kraft mehr, die Stadt anzugreifen, und zogen nach Süden weiter, wo sie das gesamte südliche Steiermark verwüsteten.

Erzherzog Ferdinand I. verstand, dass die Befestigungen der Städte modernisiert werden mussten, da sie einem zukünftigen türkischen Angriff nicht standhalten würden. Im Jahr 1534 schenkte er das abgebrannte Klagenfurt den Kärntner Ständen, weil er kein Geld für dessen Wiederherstellung hatte, und die Bürger beauftragten mit den Arbeiten den italienischen Architekten Domenico Allio. Domenico wurde um das Jahr 1500 in der italienischen Stadt Scaria in der Nähe des Luganer Sees geboren. Daher wird manchmal fälschlicherweise angegeben, dass er aus Lugano stammt. Wenn er jedoch aus Lugano stammen würde, wäre er genauso wie Pietro de Nobile ein Schweizer aus dem Kanton Tessin, da dieser Kanton im Jahr 1512 der schweizerischen Eidgenossenschaft beigetreten ist. Scaria liegt aber am gegenüberliegenden italienischen Seeufer. Domenico arbeitete mit den modernsten Methoden und Ferdinand verstand, dass er diesen Meister behalten musste. Im Jahr 1540 rief er ihn nach Wien, um die städtische Befestigung zu modernisieren, und im Jahr 1544 ernannte er ihn zum Oberbaumeister für Innerösterreich, also für das Gebiet der heutigen Steiermark, Kärnten, Windischer Mark, Grafschaft Görz und der Stadt Triest. Aus dieser Funktion baute Allio neue Befestigungsanlagen in insgesamt fünfzehn Städten, davon in vier in Österreich – neben Klagenfurt und Graz befestigte er auch Fürstenfeld und Bad Radkersburg. Im Jahr 1545 wurde Domenico zum Generaldirektor der Festungsanlagen in Graz ernannt. Und er nahm seine neue Funktion zu Herzen. Graz erhielt Befestigungen, die mit ihrer Größe ins Guinness-Buch der Rekorde als die stärksten Befestigungen aller Zeiten aufgenommen wurden. Im Jahr 1558 erhob ihn der nunmehrige römische König Ferdinand in den Adelsstand. Domenico wählte Knoblauch für seinen Wappen und wurde somit Domenico d’Allio, also auf Deutsch Domenico von Knoblauch. Die Mauern rund um die Stadt fielen den Reformen von Josef II. zum Opfer, während die Befestigung auf dem Schlossberg der wütende Napoleon sprengen ließ – aber dazu später mehr.

Als die Bürger von Graz schon einmal so einen solchen Meister in ihren Mauern hatten, gaben sie ihm einen Auftrag, den er nicht ablehnen konnte. Sie baten ihn, das Landhaus, das Gebäude des Landtags, zu bauen.

Zu diesem Zweck kauften die Stände mehrere Häuser in der Herrengasse im Zentrum der Stadt. Domenico begann im Jahr 1557 mit der Arbeit, konnte sie jedoch nicht mehr vollenden. Er starb im Jahr 1563, sein Werk, das schönste Renaissancegebäude nördlich der Alpen, wurde im Jahr 1565 fertiggestellt. Wenn man den Hof des Landhauses betritt, ist es wirklich ein ästhetisches Erlebnis. Es ist das Werk der reinsten Hochrenaissance – die Galerie in Richtung Landeszeughaus ist allerdings ein Fake. Sie wurde im 19. Jahrhundert dazu gebaut, um den Eindruck auf den Besucher zu verstärken. Das ist gelungen. Am schönsten ist es hier vor Weihnachten, wenn die Heilige Familie aus Eisblöcken traditionell aufgestellt und mit wechselnden Lichten beleuchtet wird und Freiwillige Weihnachtslieder singen – ein unvergleichliches Erlebnis.

Das Landeszeughaus wurde vom Erzherzog Karl erbaut. Karl war der jüngste von drei Söhnen des Kaisers Ferdinand I. (neben ihnen zeugte der Kaiser mit seiner Frau, Königin Anna, noch zwölf Töchter). Es wurde versucht, Karl mit der englischen Königin Elizabeth (die sieben Jahre älter war als er) zu verheiraten, aber schließlich wurde er mit der Herzogin Maria von Bayern vermählt, was fatale Folgen hatte. Karl, wie auch seine Brüder Maximilian und Ferdinand, war gegenüber dem Protestantismus tolerant, seine Frau war jedoch eine katholische Fanatikerin. Im Jahr 1564 wurde Karl zum Herrscher in Innerösterreich ernannt, was mit der Hauptaufgabe der Verteidigung dieser Länder gegen die Türken verbunden war. Bereits 1565 wurde das Zeughaus als Waffenlager fertiggestellt. Heute enthält es 29.000 Waffenstücke, darunter auch prächtige Rüstungen – es ist eine der umfangreichsten und schönsten Waffensammlungen der Welt. Über dem Eingang zur Waffenkammer sind die Wappen der bedeutendsten steirischen Adelsfamilien zu sehen, die den Bau finanziert haben. Der Eingang wird von den Statuen der Götter Mars und Pallas Athena in barocker Ausführung eingerahmt – das ist das bisschen Barock in Graz. (Nun gut, nicht ganz allein). Beinahe alle Paläste, die sich in der Bürgergasse, Sporgasse oder Sackgasse befinden, wurden im Renaissance-Stil erbaut. Sie ähneln mit ausgedehnten Innenhöfen sehr einander. In der Zeit, als die Stadt eine Residenzstadt war, also in der Regierungszeit von Erzherzog Karl, bauten die steirischen Adligen ihre luxuriösen Wohnsitze im Stadtzentrum und so nahe wie möglich am Erzherzog. Auch das Haus in der Herrengasse auf der anderen Straßenseite des Landhauses, wo sich die bekannte Weinbar „Klapotetz“ befindet und wo früher der Grazer Bürgermeister Nagl residierte, ist im Renaissance-Stil erbaut. Hier befand sich zu Zeiten des größten Aufschwungs der Stadt die Landesregierung, die dem Erzherzog diente. Das Geld wurde also auf den Sitzungen des Landtags im Landhaus genehmigt, aber auf der anderen Straßenseite ausgegeben. Man sagt, es gebe einen unterirdischen Verbindungsgang zwischen beiden Häusern. Die Beamten mussten sich damals irgendwie einigen. Nach außen hin in den Augen des gemeinen Volkes mussten sie sich jedoch hassen. Wenn sie sich also treffen und Dinge regeln wollten, gingen sie nicht über die Straße, wo die Leute sie sehen und ihre Spielchen durchschauen konnten, sondern unter der Erde. Ob es wahr ist, weiß ich nicht, aber die Gänge, wenn es sie gibt, sind heute nicht mehr in Betrieb.

Den wahren Schatz der Renaissance-Architektur findet man jedoch an einem unerwarteten Ort – im Kaufhaus Kastner und Öhler. Es handelt sich um den “Paradeishof”, den Hof eines ehemaligen protestantischen Lyzeums.

Das Lyzeum gab es bereits in der Stadt, bevor Erzherzog Karl seine Universität gründete. Der Hauptförderer war Ulrich von Eggenberg, zu dieser Zeit einer der wichtigsten und reichsten steirischen Adligen. Für diese Schule gelang es, einen Professor von außergewöhnlicher Qualität zu gewinnen, den gebürtigen Straßburger Johann Kepler. Dieser Mann war einer der größten Genies, die je auf der Erde lebten. Im Jahr 1594 kam er im Alter von 23 Jahren nach Graz, um am Lyzeum Mathematik zu unterrichten. Der junge Mann lehrte nicht nur erfolgreich, sondern verliebte sich auch und heiratete. Er nahm Barbara Müller von Mühleck zur Frau, die bereits Witwe war. Er zog zu ihr auf Schloss Mühleck in Gössendorf und pendelte zur Arbeit in die Stadt. Aber das antireformatorische Streben des neuen Herrschers Ferdinand erreichte auch das Lyzeum. Ulrich von Eggenberg trat opportunistisch zur katholischen Kirche über, wodurch er die unsterbliche Dankbarkeit von Erzherzog Ferdinand erlangte. Nachdem Ferdinand zum Kaiser gewählt worden war, wurde Ulrich dessen Kanzler und Ministerpräsident und erhielt für seine Verdienste das Gut Krumau, was ihn zu einem der reichsten Menschen im Habsburgerreich machte. Ulrich hörte jedoch logischerweise auf, das Lyzeum finanziell zu unterstützen. Und im Jahr 1599 kam der tödliche Schlag. Ferdinand befahl allen protestantischen Priestern und Lehrern, die Stadt zu verlassen. Nur Kepler erhielt eine Ausnahme, genauer gesagt Zeit zum Nachdenken – ein Jahr. Johann entschied sich jedoch, seinem Glauben treu zu bleiben und musste daher 1600 Graz verlassen. Er hatte Glück, dass er auf dem Weg nach Prag den steirischen Adligen Ferdinand Hofmann von Strechau und Grünbühel traf, der ebenfalls beschlossen hatte, seine Heimat zu verlassen. Er war der Sprecher der steirischen Stände und dank der Minen im Dachsteingebirge einer der reichsten Menschen im Land. Er verkaufte allerdings sein Gut und entschied sich nach Prag umzusiedeln, das religiös toleranter war. Ferdinand Hofmann war ein aufgeschlossener und gebildeter Mann. Kepler freundete sich auf dem Weg mit ihm an und konnte mit seiner Familie eine Weile bei ihm in Prag wohnen, bevor er sich eine eigene Wohnung leisten konnte. Im Jahr 1609 veröffentlichte er dann sein geniales Werk “Astronomia Nova”, mit dem er unvergesslich in die Weltgeschichte einging. Im Hof des ehemaligen Lyzeums befindet sich eine Gedenktafel. Nach der Auflösung des Lyzeums schenkte Ferdinand 1600 das Gebäude dem Klarissenorden., Das Kloster wurde im Jahr 1782 von Kaiser Josef II aufgelöst. Die neuen Besitzer ließen sowohl die Kirche als auch das Kloster abreißen und es blieb nur dieser Renaissancehof, einen der schönsten nicht nur in Graz, übrig. Heute gehört er zum Kaufhaus Kastner und Öhler und wird regelmäßig zum Gemüsemarkt.

Das Kaufhaus „Kastner und Öhler“ erstreckt sich über das gesamte Altstadtviertel. Seine Gründung verdankt es einem Zufall. Im Jahr 1883 verpasste Carl Kastner auf seiner Reise von Troppau, wo sein Unternehmen seinen Hauptsitz hatte, den Anschlusszug nach Zagreb in Graz. Da er nun warten musste, beschloss er, einen Spaziergang durch die Stadt zu machen. Und sein Auge fiel auf das Gebäude in der Sackstraße 7. Er mietete es und eröffnete hier eine weitere Filiale. Carl Kastner und Hermann Öhler führten 1985 als die Ersten feste Preise ein. Dies war eine Überraschung für die Kunden, die gewohnt waren beim Einkauf zu feilschen. Der Erfolg der Firma kam endgültig durch den Versand von Katalogen per Post. Die vierte Filiale in Graz entstand nach Troppau, Wien und Zagreb. Kastner und Öhler ließen die gewonnenen Räume prächtig umbauen – der Umbau erfolgte im Jugendstil in den Jahren 1912-1914 und die neuen Räume wurden kurz vor Beginn des Ersten Weltkriegs eröffnet, was natürlich dem Geschäft nicht guttat. Das Kaufhaus überlebte jedoch, seine Innenräume, Anfang des 21. Jahrhunderts renoviert und 2007 auf 40.000 Quadratmeter Verkaufsfläche erweitert, sind ein Juwel des Jugendstils und erinnern an ähnliche Kaufhäuser in Paris. Die Treppe schmücken Porträts von Kastner und Öhler – natürlich in ihrer Jugend.

Ein Besuch im Café auf der Dachterrasse des Kaufhauses ist ein Muss bei einem Stadtrundgang, einschließlich des Skywalks, von dem aus man herrliche Ausblicke auf das Stadtzentrum sowie auf den Schlossberg gegenüber dem Kaufhaus hat.

Auch für meine Gäste ist eine Kaffeepause mit Bier oder Aperolspritz obligatorisch. Wir werden es jetzt auch tun. Das nächste Mal werden wir durch die Gassen der Altstadt schlendern.

Graz I

Vor kurzem bat mich mein Freund Heimo Liendl, ein treuer Leser meiner Stadtbeschreibungen, etwas über Graz zu schreiben. Zunächst war ich verwirrt, denn ich hatte bereits über Graz geschrieben, und zwar im Jahr 2013 zu Beginn meiner Veröffentlichungstätigkeit im Web. Dann wurde mir jedoch klar, dass dieser Artikel auf Tschechisch verfasst worden war und dass mein Wissen über die Stadt, die unser neues Zuhause geworden ist, in den letzten zehn Jahren erheblich gewachsen ist. Wenn ich mich also ans Schreiben mache, bedeutet das, dass ich sicher nicht in der Lage sein werde, alle Ecken der Stadt mit den Geschichten, die damit verbunden sind, in einem einzigen Artikel zu beschreiben. Es muss also eine Serie sein. Und trotzdem werde ich vieles auslassen müssen. Aber ich kann versuchen, Graz so zu beschreiben, wie ich es meinen Verwandten und Freunden erzähle, wenn ich sie durch Graz führe.

Also, Graz ist eine sehr schöne Stadt. Es wird gesagt, dass es die schönste italienische Stadt außerhalb Italiens ist. Der Grund dafür ist, dass hauptsächlich italienische Architekten an ihrem Bau beteiligt waren. Es war Italien nahe und der italienische Norden gehörte genauso zum Interessensgebiet der Habsburger, die sich 1278 in der Steiermark niederließen und seitdem ihr Schicksal bestimmten. Es reicht aus, auf dem Hauptplatz zu stehen (unbedingt mit dem Rücken zum Rathaus), um zu verstehen, was mit diesem Satz gemeint ist. Oder aus dem Fenster von Heimos Praxis im dritten Stock runterblicken, von wo aus man einen großartigen Blick auf das Stadtzentrum hat.

Graz hat einen großen Vorteil. Es wirkt architektonisch sehr homogen, was daran liegt, dass es hauptsächlich in der Zeit der Renaissance und später des Klassizismus erbaut wurde. Diese beiden Stile greifen fast unmittelbar ineinander, dank der Bücher des Architekten Andrea Palladio aus Vicenza. Sie ergänzen sich perfekt. Ein wenig Gotik, Manierismus, eine Prise Barock und schließlich auch moderner Architektur wirken dann wie Gewürze in einem Gericht, die ihm einen spezifischen Geschmack verleihen, aber das ursprüngliche Konzept nicht stören. Die einzigen beiden Gebäude, die nicht in diesen Stil passen, sind die Oper und das Rathaus, die in einem neu-barocken Stil am Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert gebaut wurden. Wirklich hässlich ist nur der Andreas-Hofer-Platz. Aber niemand ist eben perfekt und Graz gleicht diese Ausnahmen gut aus.

Graz ist eine relativ junge Stadt. In römischer Zeit, als die Steiermark Teil des Römischen Reiches wurde, war die Lage am Fuße der Berge uninteressant. Kaiser Vespasianus gründete daher seine Stadt am Fluss Sulm (damals Solva genannt) und so entstand die Stadt Flavia Solva im Süden der Steiermark in der Nähe der heutigen Grenze zu Slowenien. Im frühen Mittelalter wurde Judenburg die älteste Stadt der Steiermark. Erst als die ungarischen Truppen die Region nicht mehr bedrohten, entstand die Stadt am Schlossberg, die den Weg entlang der Mur nach Norden kontrollierte.

Wenn man in Graz nach Gotik sucht, muss man sich in den Bereich des ehemaligen Herzogsviertels beim Burgtor begeben. Die älteste Kirche steht jedoch außerhalb der Altstadt und heißt „Maria Himmelfahrt am Leech“ im Stadtteil Gleidorf. Das ursprüngliche romanische Gebäude, das der letzte Babenberger Herzog Friedrich II. dem Orden der Deutschen Ritter geschenkt hatte, wurde während der Kämpfe zwischen Ungarn und Böhmen um die Vorherrschaft in der Steiermark zerstört. Als die Habsburger die Macht im Lande übernahmen, wurde hier eine neue Kirche im frühen gotischen Stil errichtet, die im Jahr 1293 geweiht wurde. Der Orden der Deutschen Ritter schenkte diese Kirche im Jahr 1979 dem Bistum Graz-Seckau, das sie im Jahr 1985 zur Karl-Franzens-Universitätskirche machte. Dank dieser Tatsache wurde die Kirche in den 1990er Jahren gründlich renoviert.

Die Kirche Maria Himmelfahrt am Leech.

Der Dom ist wesentlich jünger. Der ursprüngliche romanische Bau, in dem die steirischen Stände im Dezember 1260 dem böhmischen König Přemysl Ottokar huldigten, wurde vom Herzog Friedrich V. im Jahr 1438 abgerissen und an dieser Stelle wurde eine neue Kirche im Stil der Spätgotik errichtet. Aus Friedrich V. wurde 1440 der römische König Friedrich IV. und zwölf Jahre später sogar Kaiser Friedrich III. Mit der Vorstellung, von seiner Heimatstadt Graz aus regieren zu können, begann er nicht nur den neuen Dom, sondern auch den Herzogspalast – also eigentlich den Königspalast – zu bauen. Übrigens war Friedrich der erste Habsburger mit der auffällig hervorstehenden Unterlippe, die er von seiner Mutter Cimburga von Masowien, der Frau seines Vaters Ernst des Eisernen, geerbt hatte – diese herabhängende Habsburger Lippe ist also eine polnische Importware. Wir werden Friedrich noch oft begegnen, schon allein deshalb, weil er für seine Zeit sehr lange lebte. Er starb erst im Jahr 1493 im Alter von 78 Jahren.

Er war nicht besonders aktiv, schlief gerne und wurde nicht umsonst “Erzschlafmütze” genannt. Er lebte also langsam, aber dafür umso länger. Aus irgendeinem Grund hinterließ er an den von ihm errichteten Gebäuden die Inschrift AEIOU. Ich habe unzählige Theorien gehört, was diese Abkürzung bedeuten sollte, Am häufigsten wird es als “Austria erit in orbe ultima” interpretiert, also “Österreich herrscht über den ganzen Erdkreis”. Ich bin dieser Interpretation sehr skeptisch gegenüber, weil Friedrich prophetische Fähigkeiten gehabt haben müsste und in die Zukunft hätte sehen müssen, denn erst durch die Hochzeit seines Sohnes Maximilian mit Maria von Burgund und dann seines Enkels Philipp dem Schönen mit der Erbin des spanischen Throns Johanna erweiterte sich die Habsburger Monarchie tatsächlich auf die ganze Welt. Friedrich verwendete jedoch seine Unterschrift schon viel früher – persönlich denke ich, dass es dem nicht besonders einfallsreichen Herrscher einfach nur gefiel, alle Vokale aus dem Alphabet herauszunehmen und sie alphabetisch zu ordnen. Sein AEIOU finden wir sowohl an der Wand des Palastes im ersten Hof der Burg als auch über dem Portal des Doms.

Dort, neben seinem kaiserlichen Adler, finden wir ein Wappen, das wir heutzutage auf den portugiesischen Euromünzen sehen können. Es gehört Friedrichs Frau Eleonore von Portugal.

Friedrich heiratete sie während seiner Reise nach Rom im Jahr 1452. Zu dieser Zeit war er bereits zweiunddreißig Jahre alt, aber immer noch männliche Jungfrau, was bei Herrschern ziemlich ungewöhnlich war. Aber Friedrich, wie ich bereits sagte, war nirgendwohin in Eile. Die Braut wurde ihm vor der Stadt  Siena vorgestellt und niemand Geringerer als Aeneas Silvius Piccolomini, der zukünftige Papst Pius II., brachte sie zu ihm. Zu dieser Zeit war er der Sekretär des Kaisers und bereitete seine Krönungsreise mit einem Perfektionismus vor. Es wird gesagt, dass er sich sehr unhöflich über den Wein Schilcher geäußert hat, als er eine Herberge für den Kaiser in der Gegend von Deutschlandsberg suchte. Er schrieb, dass die Menschen in dieser Region sehr rückständig seien und “einen widerlichen Essig trinken, den sie Schilcher nennen”. Möge ihm vergeben werden, die Päpste irren sich nur in den Glaubensfragen nicht. Danke Silvio wissen wir zumindest, dass Schilcher bereits im fünfzehnten Jahrhundert angebaut wurde. Bei Siena brachte er jedoch dem schüchternen Kaiser seine wunderschöne fünfzehnjährige Braut mit Rabenhaaren, die fast bis zum Boden reichten, und erschrak sofort, als der Kaiser bei dem Blick an seine Braut wie vom Tode gezeichnet erblasste und ohnmächtig umzufallen drohte.

Dennoch überlebte der Kaiser das Treffen und es wurde die Hochzeit und feierliche Kaiserkrönung beider Ehepartner in Rom gefeiert, aber das Problem war, dass die Ehe noch nicht vollzogen war. Der Kaiser entschuldigte sich damit, dass er keinen Thronerben auf italienischem Boden zeugen wollte, was die Italiener jedoch sehr verärgerte und sie den lieben Monarchen und seine frisch vermählte Frau zu Eleonoras Onkel Alfonso I. nach Neapel brachten, damit er ihm Leviten lesen konnte. Trotz aller Proteste wurden die Ehepartner ins Bett gelegt, in der ersten Nacht funktionierte es aber wieder nicht. Friedrich entschuldigte sich damit, dass das Bett verhext war. Das Bett wurde also ausgetauscht, mit geweihtem Wasser besprengt und danach gab es keine weiteren Ausreden mehr, und Friedrich zeugte mit Eleonore vier Kinder, von denen zwei – sein Thronfolger Maximilian und die schöne Tochter Kunigunde – in der Geschichte des Reiches und der Stadt Graz eine wichtige Rolle spielen sollten. Es wird gesagt, dass als Eleonore ihren erstgeborenen Sohn Maximilian auf den Armen hielt, sie zu ihm sagte: “Lieber Sohn, wenn du wie dein Vater sein wirst, werde ich mir nie verzeihen, was ich wegen dir ertragen musste.”

Der Sohn wurde allerdings ganz anders als sein Vater, er wurde zum “letzten Ritter” auf dem Kaiserthron, gewann Schlachten und führte Kriege, die er nicht gewinnen konnte, weil ihm jedes Mal das Geld ausging. Er änderte die Militärtaktik für die nächsten hundert Jahre, verschwendete Geld gedankenlos, machte Schulden, erweiterte das Reich und vermählte seine Kinder und Enkelkinder mit großem Erfolg.

Eleonore erlebte Erfolge ihres Sohnes nicht. Das Leben mit ihrem mürrischen Ehemann im kalten Wiener Neustadt, das zur Hauptstadt des Reiches wurde, nachdem die Wiener sich über den humorlosen Herrscher lustig gemacht hatten, tat ihr nicht gut und sie starb jung im Alter von 31 Jahren.

Aus dem Palais Friedrichs in Graz ist nicht viel übriggeblieben. Der Teil, der zum Dom hin ausgerichtet war, musste sogar im neunzehnten Jahrhundert abgerissen werden. Zusammen mit ihm wurde auch der Übergang zum Dom abgerissen, den Friedrich bauen ließ, um bei einem Besuch der Kirche nicht mit einfachem Volk in Berührung zu kommen. Der Ort, an dem die Brücke mit dem Dom verbunden war, kann man immer noch an der Kirche merken. Es befindet sich in der Nähe der Kapelle der Heiligen Barbara und der darüber liegenden Friedrichskapelle, von der angenommen wird, dass der Kaiser von hier die Messe beiwohnte. Dort befindet sich das gotische Gemälde der Kreuzigung von Conrad Laib.

Heute ist die Landesregierung in der Burg untergebracht. Die interessanteste architektonische Komponente ist die Doppelwendeltreppe, die Friedrichs Sohn Maximilian zum Palast hinzufügte. Eine ähnliche doppelte gotische Treppe befindet sich nur noch an einem Ort in Europa, und zwar in der Elisabeth-Kathedrale in Košice (Kaschau)- dort wird sie “Königliche Treppe” genannt und erinnert an die Herrschaft von König Matthias Corvinus, eines Zeitgenossen Friedrichs III. aber im Gegensatz zu Graz ist sie nicht öffentlich zugänglich.

Den Burggarten kann man durch einen Eingang betreten, der noch vor dem Burgtor liegt. Es ist schön dort, man kann bis zur Burgmauer gehen, von wo aus man einen herrlichen Blick auf den Grazer Stadtpark hat – dazu später mehr. Besonders von der Bank neben dem Freiheitsdenkmal aus dem Jahr 1960. Der Adler als ein Symbol der Freiheit wurde von dem Bildhauer Wolfgang Skala errichtet und erinnert an den Abzug der letzten russischen Truppen aus der Steiermark am 14.September 1955. In den Gärten gibt es auch eine schöne Orangerie, einfach ein Ort zum Entspannen.

Freiheitsdenkmal

Der Dom hat eine besondere Form. Sein Grundriss ist zu breit, und es blieb kein Platz für ausreichende Länge. Es fehlt auch ein Querschiff.

Die seitlichen barocken Kapellen sind eindeutig jünger als die Kirche, nicht aber die Fresken von Christophorus auf beiden Seiten der Kirche. Im Mittelalter herrschte der Glaube, dass an dem Tag, an dem ein Mensch Christophorus sah, er nicht sterben konnte. Da man von beiden Seiten in die Kirche gelangen konnte, gibt es auch auf beiden Seiten ein Fresko von Christophorus. Damit genügte den Gläubigen nur ein Blick in die Kirche.

Die prachtvollen Reliquiare auf beiden Seiten der Apsis haben eine eigene Geschichte. Heute befinden sich in diesen Truhen die Überreste von Heiligen, die Papst Paul V. im Jahr 1617 dem Erzherzog Ferdinand als Belohnung für die Rekatholisierung der Steiermark geschickt hat. Aber diese Truhen haben eine interessante Geschichte. Bereits im Jahr 1382 schloss sich die Stadt Triest freiwillig dem Habsburgerreich an. Dies geschah sicherlich, weil sie Schutz vor den expandierenden konkurrierenden Venezianern erhoffte. Aber zwischen der Habsburger Windischen Mark (dem heutigen Slowenien) und Triest gab es keine Landbrücke, zwischen diesen Ländern lag die Grafschaft Görz. Zu Zeiten des Kaisers Friedrich herrschte hier Graf Leonhard, ein verschwenderischer und genussfreudiger Mensch, der sich in Schulden stürzte. Die Habsburger schlossen mit den Grafen von Görz einen Vertrag (bereits im Jahr 1397), wonach wenn einer dieser Familien ausstirbt, die andere seine Besitzungen erben wird. Aber es drohte, dass Leonhard seine Länder verkaufen würde. Friedrich suchte nach einer Lösung.

In Mantua herrschte zu dieser Zeit die Familie Gonzaga. Sie wurde dank Pferdezucht eine der reichsten Familien Europas. Mantuanische Pferde wurden als die besten geschätzt, sie zu besitzen war eine prestigeträchtige Angelegenheit, etwas Ähnliches wie heute ein Ferrari in der Garage zu haben. Der Markgraf von Mantua, Ludovico, hatte eine Tochter namens Paola. Sie war klug und gebildet, außerdem ein herzensguter Mensch. Leider ähnelte sie ihrer Mutter Barbara von Brandenburg, die keine Schönheit war. Paola litt zusätzlich an Knochentuberkulose und sie hatte daher einen Buckel. Sie galt als unvermählbar, aber ihre Mutter wollte das nicht so lassen. Um einen Bräutigam anzulocken, veröffentlichte sie die Höhe von Paolas Mitgift. Und Friedrich III. roch die Lunte. Er vermittelte die Hochzeit des Grafen von Görz mit Paola, damit der Graf seine Schulden bezahlen konnte. Der Kaiser vermutete richtig, dass der Graf mit solch einer Braut keine Kinder zeugen würde und sein Geschlecht aussterben würde. So geschah es. Die arme Paola starb im Jahr 1496 im Alter von 33 Jahren, ihr Ehemann vier Jahre später. Er konnte keine Kinder zeugen, aber er schaffte es, all das Geld zu verschleudern, das er durch die Ehe mit Paola erhalten hatte. Er verkaufte sogar beide Truhen, in denen die Mitgift von Mantua nach Görz transportiert wurde. Es ist ein wunderschönes italienisches Werk mit Elfenbeinreliefs, ein wahres Meisterwerk der italienischen Renaissancekunst. Leonhard verkaufte die Truhen an die Mönche in Millstatt in Kärnten. Und als Erzherzog Ferdinand die Jesuiten nach Graz brachte, musste er ihnen auch einige Ländereien geben, von denen sie leben konnten. Die Wahl fiel auf Millstatt. Und als Ferdinand dann nach einem angemessenen Behälter für die heiligen Reliquien aus Rom suchte, boten die Jesuiten diese Truhen an. Ob sie wussten, dass einst Brokate, Wäsche, Schmuck und Geld in ihnen transportiert wurden, ist schwer zu sagen. Aber auf diesem Weg fanden die Reliquiare ihren Weg in den Grazer Dom.

Übrigens, wenn Sie nach Mantua fahren und die Camera degli Sporgersi besuchen, wieder einmal “piú bella camera del Mondo”, (in Italien gibt es eine Menge der schönsten Räume der Welt) schauen Sie sich das Fresko an, auf dem die Familie des Markgrafen Ludovico von einem der größten Renaissance-Künstler, Andrea Mantegna, dargestellt wird. Dort ist auch das Mauerblümchen der Familie, Paola, dargestellt, die ihrer Mutter einen Apfel reicht. Sie wusste zu dieser Zeit noch nicht, welch trauriges Schicksal auf sie wartet.

Das wichtigste Ereignis im Grazer Dom war die Hochzeit des Erzherzogs Ferdinand am 23. April 1600 mit der bayerischen Prinzessin Maria Anna. Als Hochzeitpriester musste Kardinal Franz von Dietrichstein aus dem entfernten Olmütz antanzen. Ferdinands Mutter Maria fand keinen steirischen und im Grunde genommen keinen österreichischen Priester, der aus ihrer Sicht katholisch genug war, um ihren Sohn zu vermählen. Alle rochen ihr nach protestantischer Ketzerei. Nur Dietrichstein, geboren in katholischem Spanien und studiert in Rom, erhielt ihr Vertrauen. Es funktionierte. Obwohl die Braut so hässlich war, dass sogar Ferdinands Jesuiten-Beichtväter sich Sorgen machten, dass “das Aussehen der Braut sich negativ auf die Zeugung von Nachwuchs auswirken könnte”, liebte Ferdinand seine unansehnliche „Annele“ und zeugte mit ihr einige Kinder.

An der Wand des Doms sollte man sich das “Landplagenbild” ansehen. Es wurde auf Initiative der Grazer Bürger im Jahr 1480 geschaffen, als plötzlich die schwarze Pest ausbrach, Heuschrecken die Ernte fraßen und die Türken zum ersten Mal vor der Stadt auftauchten. Um die Stadt vor solchen Katastrophen in der Zukunft zu schützen, stifteten die Bürger dieses Gemälde an der Wand des Doms. Es lohnt sich, es anzuschauen, vor allem weil es das einzige Bild der Stadt Graz vor ihrem Renaissance-Umbau darstellt, also noch mit mittelalterlicher gotischer Befestigung.

Damit verlassen wir das gotische Graz, (also nicht ganz, es gibt natürlich noch die Stadtpfarkirche, die Franziskanerkirche, der Hof des Hauses des Deutschritterordens und zwei Fenster in der Fassade des Hauses in der Sporgasse 12, aber darüber später. Jedenfalls im nächsten Artikel werden wir uns mit der jüngeren Geschichte der Stadt beschäftigen.

Lübeck – Teil II

Gleich hinter dem Rathaus befindet sich die Marienkirche, also der Lübecker Dom, der erste Dom, der im gotischen Stil aus Ziegeln gebaut wurde. Jeder seiner beiden Türme besteht aus 1,2 Millionen Backsteinen!

Marienkirche

Später kopierten alle Städte im Norden diesen Stil, wo es logischerweise einen Mangel an Steinmaterial, aber genügend Ton zur Fertigstellung der Backsteine gab. Natürlich schafften die Bürger der Stadt so ein Wunderwerk nicht ohne übernatürliche Unterstützung. Sie holten sich die Hilfe des Teufels, indem sie ihm einflüsterten, dass es sich um eine riesige Kneipe handeln würde, in der man sich bis zur Besinnungslosigkeit betrinken würde und so dem Teufel unzählige sündige Seelen zugutekommen würden. Als der Teufel ihren Schwindel durchschaute und eine Kirche anstelle der versprochenen Kneipe fand, warf er einen Granitblock auf die Kirche. Allerdings verfehlte er sein Ziel und der Granitblock liegt heute neben dem Eingang, auf den Rolf Goerler eine Bronzestatue eines Teufels platzierte. Er sieht jedoch nicht wütend aus, sondern eher zufrieden und ganz lieb. Ich konnte nicht widerstehen und ließ mich mit ihm fotografieren.

Die Marienkirche brannte nach dem verheerenden Bombenangriff am 28. März 1942 nieder. Beide Glocken fielen aus den Türmen und zerschellten, ihre Trümmer sind noch heute sichtbar. Das Kirchenschiff im wunderschönen gotischen Stil ist unglaublich hoch und misst 40 Meter.  Die Säulen wurden im Mittelalter bereits bemalt, dann aber immer wieder übermalt. Durch das verhängnisvolle Feuer nach dem Bombenanschlag tauchte die Originalbilder jedoch wieder auf, die dann nach dem Krieg jahrzehntelang restauriert wurden.

In der Totentanzkapelle hing zwischen 1463 und 1942 eine Serie von Gemälden des “Totentanzes”. Dieses Motiv war im Mittelalter oft zu finden, insbesondere nach den Pestepidemien, die arme sowie reiche Menschen, Kardinäle und Könige gleichermaßen töteten. Mit jeder solche Figur tanzt ein Skelett. Das Original stammte von Berndt Notke, wurde aber beim verheerenden Bombenangriff am Palmsonntag 1942 zerstört. Wenn man wissen möchte, wie das Werk von Notke aussah, müsste man jedoch nach Tallinn in Estland fahren, wo dieser Autor auch tätig war. Dort befindet sich ein etwa 13 Meter langes Fragment dieses Bildes. Lange wurde darüber gestritten, ob es sich um das Original handelt, schließlich waren sich Experten einig, dass es in Tallinn eine treue Kopie der Lübecker Originalversion gibt. Dieses Motiv findet man besonders im deutschsprachigen Raum an vielen Orten, ich konnte so ein Bild zum Beispiel in Metnitz in Kärnten besuchen.

Im Nordturm befinden sich sieben Glocken – darunter sowohl Kopien der zerstörten, die man auf dem Kirchenboden gesehen hatte, als auch drei aus Danzig, die auf dem “Friedhof der Glocken” in Hamburg gefunden wurden, wo sie von den Nazis eingeschmolzen werden sollten. Im Südturm befindet sich ein Glockenspiel mit 36 Glocken, auf dem bis zu 20 verschiedene Melodien gespielt werden können. Es spielt jede volle Stunde – seit 1954.

Ein Stück weiter liegt die St. Jakobi-Kirche, wiederum mit einem hohen grünen Turm, geweiht den Seefahrern. Daher befindet sich in der Nähe auch das “Schifferhaus”, das von wohlhabenden Besitzern von Handelsschiffen errichtet wurde, sowie das Hospital des Heiligen Geistes. In der Kapelle unter dem Turm befindet sich ein Rettungsboot des Segelschiffs Pamir.

Pamir

Dieses Schiff, das zur Lübecker Seefahrerschule gehörte, sank während eines Sturms am 21. September 1957. Von der 80-köpfigen Besatzung überlebten nur sechs Männer – gerade auf diesem Boot, das hier bis heute ausgestellt ist. An den Wänden befinden sich Gedenktafeln mit den Namen der Opfer dieser Tragödie, es liegen Kränze und Bänder als ewige Erinnerung daran, dass das Meer, das der Stadt Wohlstand brachte, auch äußerst grausam sein kann. Wenn man Zeit hat, lohnt sich ein Besuch des Hospitals. Das schöne gotische Gebäude mit vielen Fresken zeigt einen Zyklus von 23 Bildern aus dem Leben der heiligen Elisabeth von Thüringen, die in Bratislava geboren wurde, einer der berühmtesten Heiligen des 13. Jahrhunderts Also genau zu der Zeit, als in Lübeck gebaut, gebaut und wieder einmal gebaut wurde.

Und weil die Bürger so fleißig bauten, konnte auch der örtliche Bischof nicht zurückbleiben, der oft mit Vertretern der Stadt im Streit lag. Seine Enklave befindet sich in der südlichsten Ecke der Altstadt und wird von einer Kirche mit zwei hohen schlanken grünen Türmen dominiert, von denen man sich nicht ganz sicher ist, ob sie noch romanisch oder bereits gotisch sind. Das kommt davon, dass sie bereits 1173 von Heinrich dem Löwen gebaut wurden. Übrigens findet man den Löwen als Symbol des Stadtgründers sowohl vor der Kirche als auch in ihr. Wenn man die Kirche betritt, wird man direkt von einem riesigen Triumphkreuz beeindruckt, das 17 Meter groß ist.

Auf diesem riesigen Kreuz hängt Christus, umgeben von Heiligen, Propheten und Engeln. Unter dem Kreuz knien der heilige Johannes der Evangelist, Maria, Maria Magdalena und in dieser Gesellschaft auch Bischof Krummedick, der das Werk in Auftrag gegeben und bezahlt hat. Im Jahr 1477 wurde es von Bernd Notke, dem Autor des “Tanzes der Toten”, vollendet. Dieser Künstler, der aus Pommern stammte und in Dänemark, Schweden und Estland als Maler und Bildhauer große Erfolge feierte, verbrachte seine letzten Jahre in Lübeck, wo er 1509 starb. Das Kreuz überragt alles andere, was sich in der Kirche befindet. Die Heiligen auf der Galerie wurden auch von Notke geschnitzt, darauf befinden sich auch große Uhren aus dem 17. Jahrhundert. Die Kanzel wurde im Renaissancestil gebaut. Zum Glück haben Notkes Werk und die Kanzel die Zerstörung des Doms überlebt, 1942 stürzte nur ein Teil des Altars ein

Vom Dom zur Stadt hin gibt es eine offene gotische Halle namens “Paradis”. Hier konnten Bürger, die in der Stadt angeklagt waren, Zuflucht suchen, weil sie dann nicht mehr dem städtischen, sondern dem kirchlichen Recht unterlagen, da sie sich auf dem Gebiet des Bistums befanden. Und im „Paradis“ waren sie sicher. Da der Bischof den Bürgern gerne Streiche spielte, war die Chance auf einen befreienden Urteilsspruch bei einem bischöflichen Gericht relativ hoch. Übrigens heißt die enge Gasse, die zum Paradis führt, „Fegefeuer“.

In Lübeck gibt es neben zahlreichen Kirchen auch eine Vielzahl von Museen. Ich habe nicht vor durch alle meine Leser zu führen, natürlich hatten wir nicht genug Zeit, um alle zu besichtigen. Ich möchte aber zumindest die berühmten Persönlichkeiten, denen die Museen gewidmet sind, erwähnen. Die meisten Museen befinden sich im nördlichen Teil der Altstadt rund um die Königstraße. Eines davon ist das Geburtshaus Willy Brandts, der hier im Jahr 1913 geboren wurde und von 1969 bis 1974 deutscher Bundeskanzler war. In der Nähe befindet sich auch das Haus von Günter Grass. Dieser Schriftsteller und Träger des Nobelpreises für Literatur aus dem Jahr 1999 wurde zwar nicht in Lübeck geboren, verbrachte jedoch hier seine letzten Jahre und starb hier im Jahr 2005. Sein Schicksal ist interessant. Als siebzehnjähriger trat er der SS bei, um am 8. Mai 1945 in Marienbad in amerikanische Gefangenschaft zu geraten. Berühmt wurde er durch den Roman “Die Blechtrommel”, der 1959 veröffentlicht wurde und als Symbol der Antikriegsliteratur gilt.

Aber Lübeck ist vor allem die Heimat der Brüder Heinrich und Thomas Mann. In dem Haus, in dem Heinrich geboren wurde und in einem anderen, in dem der jüngere Thomas nach dem Umzug der Familie geboren wurde, befinden sich überall Finanzinstitute. Aber die Stadt konnte sich helfen. Sie nutzte das Haus, in dem die Großeltern der Schriftsteller-Gebrüder lebten, und machte es zum “Buddenbrookshaus”, benannt nach dem berühmtesten Werk von Thomas.

Das Museum ist dem Leben und Werk beider berühmter Brüder gewidmet. Und das, obwohl die Lübecker die Brüder zu ihren Lebzeiten nicht riechen konnten und Thomas die Ehrenbürgerschaft der Stadt erst im Jahr 1955 erhielt, nachdem ein Teil der Senatoren den Sitzungssaal verlassen und sich somit der Abstimmung entzogen hatte.

Die Brüder hatten sehr unterschiedliche politische Ansichten, was auch zu einer vorübergehenden Unterbrechung ihrer Kontakte führte. Während der ältere Heinrich, geboren 1871, ein überzeugter Sozialist war, wurde Thomas, geboren 1875, vom deutschen Nationalismus angesteckt und begrüßte den Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Beide verbrachten nur ihre jungen Jahre in Lübeck. Heinrich zog bereits 1889 nach Dresden und Thomas 1894 nach München. Nachdem Thomas Mann im Jahr 1901 seinen berühmtesten Roman “Buddenbrooks” veröffentlicht hatte, durfte er in der Stadt fast nicht mehr erscheinen. Die angesehenen Bürger erkannten sich in diesem Buch, das den Untergang einer Patrizierfamilie beschrieb, und ihr nicht gerade schmeichelhaftes Bild, das in diesem Spiegel präsentiert wurde, gefiel ihnen überhaupt nicht. Auch Heinrichs Buch von 1904 “Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen” durfte in Lübeck nicht verkauft werden.

Heinrich heiratete im Jahr 1914 die Prager Schauspielerin Maria Kanova, die jüdischer Herkunft war. Sie trennten sich im Jahr 1930. Maria wurde während des Krieges in Theresienstadt interniert und starb an den Folgen des Aufenthaltes im Konzentrationslager im Jahr 1947. Heinrich stellte sich von Anfang an gegen den Nationalsozialismus, weshalb er nach 1933 aus Deutschland fliehen musste. Im Jahr 1936 erhielt er die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft, obwohl er in Nizza in Frankreich lebte. Seine Bücher wurden von den Nazis öffentlich verbrannt. Während seiner Zeit in Frankreich schrieb er seine historischen Romane “Die Jugend des Königs Henri Quatre”. Das sind die Bücher, die ich kenne. Die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft erleichterte ihm die Emigration in die USA im Jahr 1940. Heinrich starb im Jahr 1950, seine Urne wurde in die DDR überführt und auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin feierlich beigesetzt. Die Kommunisten eigneten sich Heinrich Mann ein, obwohl er ein Sozialist und überzeugter Demokrat war, der jedoch vergeblich Sozialisten und Kommunisten zum gemeinsamen Widerstand gegen die aufkommende nationalsozialistische Gefahr aufrief.

Thomas engagierte sich politisch zwar etwas weniger, aber auch er entkam nicht dem Hass der Nazis. Ab 1929 kaufte er ein Haus auf der Kurischen Nehrung in Nidda. (Das von den Einheimischen “Onkel Toms Hütte” genannt wurde und heute ein Kulturzentrum ist, das an seine dortige Tätigkeit erinnert.) Dort verbrachte er die Sommer in den Jahren 1930-1932 und schrieb dort unter anderem seine Tetralogie “Joseph und seine Brüder”. Im Jahr 1932 erhielt er per Post eine verkohlte Ausgabe seines Romans “Buddenbrooks”. Er konnte sich also nicht einmal an dem entlegensten Ort im Deutschen Reich vor dem Hass der Nazis verstecken. Thomas Mann verstand die Botschaft, er besuchte Nidda nie wieder und im Jahr 1933 verließ er wie sein Bruder Heinrich Deutschland.

Er hat für seine Emigration die Schweiz gewählt, aber trotzdem am 19. November 1936 die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft erhalten, genau wie sein Bruder. Obwohl er homosexuelle Tendenzen hatte, hat er seine sexuelle Orientierung nie ausgelebt. Er war verheiratet und hatte sechs Kinder. Im Jahr 1938 emigrierte er in die USA, wo er 1944 die amerikanische Staatsbürgerschaft erhielt. Nach dem Krieg kehrte er in die Schweiz zurück, wo er 1955 in Zürich verstarb. Es gibt nur einen Ort in Lübeck, an dem Thomas Mann authentisch in Erinnerung bleibt. Es handelt sich um das Zollhaus am Burgtor, einem der Stadttore.

Ein schöner gotischer Turm aus dem Jahr 1444 schließt die Stadt im Norden ab. In einer Wohnung in seiner Mauer erhielt die Schriftstellerin Ida Boy-Ed im Jahr 1912 als Geschenk der Stadt zum 60. Geburtstag ein lebenslanges Wohnrecht. Intellektuelle trafen sich dort und hier feierte Thomas Mann, der in seiner Heimatstadt als „Persona non grata“ galt war, am 26. Juni 1926 seinen einundfünfzigsten Geburtstag. In der Nähe befindet sich das Burgkloster mit einem modernen Aufbau des archäologischen Museums. Hier konnten wir den im Jahr 1984 entdeckten Münzschatz bewundern.

Was Bremerhaven für Bremen, ist Travemünde für Lübeck. Schon im Jahr 1317 kaufte die Stadt vom Grafen von Holstein die Burg an der Flussmündung, um die Kontrolle über die für sie lebenswichtige Flussmündung zu erlangen. Heute ist es ein luxuriöser Ort mit Villen, die Millionen kosten. Das Meer lädt hier nicht gerade zum Schwimmen ein, aber der Strand ist breit und sandig, und im Sommer gibt es hier viele Sonnenliegen und Sonnenschirme. In Travemünde gibt es auch luxuriöse Hotels und Restaurants. Es war ein interessantes Gefühl, als die Passagiere des vorbeifahrenden Schiffes uns in unsere Teller schauten, obwohl wir im zweiten Stock des Restaurants saßen. Der Fluss ist hier eng, das Restaurant direkt am Ufer, so dass die Entfernung zu den vorbeifahrenden Schiffen minimal ist. Es war nicht ganz einfach, nach Travemünde zu gelangen. Es gibt natürlich einen Zug von Lübeck aus, aber die Strecke gehört nicht zu den deutschen Bahnen. Also den Fahrkartenaen zu benutzen und eine Fahrkarte zu kaufen (es gab schon damals keine mit Menschen besetzten Kassen mehr), war eine echte Herausforderung.

Lübeck ist wirklich schön. Es wurde im Stil von Romanik, Gotik, Renaissance, Barock und sogar modernen Stilen gebaut. Es ist wichtig, all dies bei schönem Wetter zu erleben. Wir hatten kein Glück, wir bewegten uns im kalten Regen von einer Kirche zur anderen und dann weiter zum Museum mit Zwischenstopps in Cafés und Restaurants. Aber es hat sich trotzdem gelohnt. Lübeck ist eine schöne, historische und kulturelle Stadt.

Der Mensch lebt nicht nur von Marzipan.