Category: Italienische Impressionen

Lago Maggiore

Ich gestehe, dass ich mit einigen Heiligen ein Problem habe. Ihre Heiligsprechung riecht zu sehr nach Politik, und wenn sogar ein Verwandter des Heiligen die Heiligsprechung durchsetzte, stellt sich die Frage, ob diese Person wirklich ihre Heiligkeit verdient hat. Das ist für mich der Fall bei Karl Borromäus, der im Jahr 1610 von Papst Paul V., auf Drängen des Erzbischofs von Mailand und Karls Cousin Federico Borromeo heiliggesprochen wurde. Wenn dann Papst Pius X. das dreihundertste Jubiläum seiner Heiligsprechung mit Worten feierte, in denen er die Reformation als Rebellion und Perversion des Glaubens bezeichnete, bekommt die ganze Geschichte in der heutigen Welt, die nach ökumenischer Einheit strebt, einen etwas bitteren Geschmack.

Karl Borromäus lebte von 1538 bis 1584. Er begann seine Karriere als Administrator des Trienter Konzils in den Jahren 1562–1563, als dieses Konzil Dogmen verabschiedete, die die Spaltung der Kirche endgültig besiegelten. Ab 1560 war er Erzbischof von Mailand und sorgte sorgfältig dafür, dass jeder Hauch von Protestantismus aus seiner Diözese ausgelöscht wurde. Er zögerte nicht, Hilfe zu leisten, als italienische Protestanten in das Misox-Tal in der Schweiz flohen und die einheimischen Katholiken um Hilfe baten. Karl hatte eine Methode, wie man mit Ketzer umgeht – sie wurden einfach der Hexerei beschuldigt. Die Ergebnisse ließen nicht auf sich warten. Elf von ihnen wurden verbrannt, die anderen kehrten nach grausamer Folter in den Schoß der katholischen Kirche zurück.

Es gibt natürlich auch Positives über Karl zu berichten. Er förderte Bildung, gründete in Pavia ein Internat für arme Studenten. Er kümmerte sich um Pestkranken und lebte so asketisch.  dass er im Alter von 46 Jahren starb. Dennoch hege ich ernsthafte Zweifel, ob er seine Heiligsprechung mit seinen Taten wirklich verdient hat.


          Aber gut, er ist ein Heiliger, und wenn man ihn besuchen möchte, muss man  sich zum Lago Maggiore begeben. Dort in der Stadt Arona, wo er geboren wurde, bereits im Jahr 1618, wurde für ihn eine riesige Statue aus Kupfer errichtet (28 Meter hoch – mit Sockel sogar 35 Meter), in die man bis in seinen Kopf hinaufsteigen kann. Ich habe es gemacht, obwohl es ziemlich anstrengend war, aber ich war neugierig, was in seinem Kopf ist. Ich fand, was ich erwartet hatte, da war nichts drin.

Dennoch bereue ich es nicht, es war eine ziemlich interessante Erfahrung. Gleich neben der Statue befindet sich eine Wallfahrtskirche mit einer Nachbildung seines Geburtszimmers (Es wird behauptet, dass er genau an diesem Ort geboren wurde, aber was hätte die edle Medici-Frau kurz vor der Geburt auf diesem Hügel gemacht? Sie hat sicherlich im Schloss in der Stadt entbunden, das Napoleon im Jahr 1800 dem Erdboden gleichgemacht hat). Der ganze Hügel oberhalb der Stadt Arona heißt Sacro Monte, von dort aus hat man einen herrlichen Blick auf den südlichen Teil des Sees sowie auf die Burg Angera, die seit 1449 ebenfalls im Besitz der Borromeo-Familie ist.

Diese Familie spielte in der Geschichte dieser Region eine bedeutende Rolle. Von 1445 bis 1797 hatten sie hier einen eigenen Staat, der keiner Jurisdiktion unterlag. Obwohl die Borromeos “nur Grafen” waren, wurden sie wiederholt zu Markgrafen ernannt oder bekleideten Ämter von Vizekönigen und vor allem – sie waren unglaublich reich.

Ihre Karriere begann wenig glanzvoll. Um das Jahr 1370 mussten sie aus San Miniato in der Toskana fliehen, als einer von ihnen, Filippo Boromei, sogar hingerichtet wurde. Seine Söhne Filippo, Borromeo und Giovanni flohen nach Mailand und gründeten hier eine Bank. Filippo Boromei hatte dann sehr viel Glück bei der Wahl seiner Lebenspartnerin. Er heiratete Taddea di Tenda, die Schwester der Gattin des Herzogs Filippo Maria Visconti, und konnte sich dank seines Geldes sogar mit seinem mächtigen Schwager sehr gut anfreunden. Sein Sohn Filippo heiratete sogar direkt in die Familie Visconti ein, als er 1438 Francesca Visconti zur Frau nahm. Dem rapiden Aufstieg der Familie stand also nichts im Wege, insbesondere, als sie nach dem Aussterben der Visconti auf die richtige Karte setzten. Denn sie finanzierten den Nachfolger der Visconti, Francesco Sforza, als er das unnachgiebige Mailand belagerte, das von einer Wiederherstellung der Republik träumte. Die Borromeos erwarben weitere große Ländereien in der Nähe des Lago Maggiore und machten sich dort unabhängig. Die Sforzas tolerierten diese Tatsache und nach ihnen auch die nachfolgenden Herrscher von Mailand. Sowohl die Franzosen als auch die Habsburger akzeptierten ihre Unabhängigkeit. Die Borromeos hatten sich in der Zwischenzeit mit fast allen bedeutenden Familien Europas verschwägert, sodass niemand das Risiko einging, sich mit ihnen anzulegen. Der Lago Maggiore und das Land um diesen See gehörten einfach ihnen, und niemand stellte das in Frage.

Und genau dort entstand etwas Erstaunliches, für das es sich lohnt, so weit nach Westitalien zu reisen.

Im Jahr 1501 kauften die Borromeos die erste der Inseln im See, die „Isola Madre“, und danach noch zwei weitere Inselchen, die heute „Isola Superiore dei Pescatori“ und „Isola Bella“ heißen. Damals war die letzte allerdings noch nicht schön wie heute und hieß „Isola Inferiore“, sollte aber schön werden. So schön, dass einem der Atem stockt. Der Bau des Palastes und des unglaublichen Gartens begann unter Carlo III. Borromeo. Es gelang ihm, zwei kleine Klöster von dort auf die nahegelegene Insel „Isola Superiore dei Pescatori“ zu verlegen, und die „Isola Inferiore“ benannte er nach seiner Frau in Isabella um. Von da an war es nur noch ein kleiner Schritt zum heutigen Namen, der die Schönheit der Insel viel besser widerspiegelt (obwohl man sagt, auch Isabela sei außergewöhnlich schön gewesen). Aus Isabella wurde „Isola Bella“. Was aus dem Felsbrocken im See entstand, ist nämlich atemberaubend.


          Der Bau des Palastes und des Gartens dauerte bis 1959, also fast dreihundert Jahre, aber die Borromeos waren beharrlich. Obwohl ihnen immer wieder das Geld ausging, gaben sie das Projekt nie auf. Sie waren zwar nur Grafen, aber sie verkehrten in der höchsten Gesellschaft von Päpsten, Kardinälen, Herzögen und Königen und wollten ihre Gäste aus dieser Gesellschaft beeindrucken, daher wurden die Kosten nicht gescheut. Das Erdgeschoss, das sie in Form von einer Höhle bauen ließen (eigentlich sechs Höhlen), wurde neunzig Jahre lang errichtet und kostete unglaubliche Geldsummen. Die gesamte Insel hat die Form eines Schiffes, wobei der Palast den Kapitänsposten darstellt und der Park den Bug des Schiffes. Der Palast wirkt von außen zwar recht schlicht im manieristischen Stil, aber die Innenausstattung ist umso prächtiger. Übrigens verbringt die Familie Borromeo im Palast immer noch den Sommer, sie bewohnt jedoch nur das obere zweite Stockwerk des Palastes und lässt den Rest für Touristen offen. Die Einnahmen aus dem Tourismus spielen wahrscheinlich eine wichtige Rolle bei der kostspieligen Erhaltung der Schönheit der Insel.

Bereits die Eingangstreppe des Palastes ist monumental, und dann geht es von Raum zu Raum, alles blendend. Ob es sich um Gemälden in vergoldeten Rahmen in der nach dem französischen General Barthier benannten Galerie handelt, den Thronsaal mit einem Thron, der nicht nur für einen Grafen, sondern auch für einen König angemessen wäre, das Schlafzimmer mit Himmelbett oder den Musiksalon mit einem vergoldeten Cembalo.

Dieser “Sala della Musica” ist auch historisch bedeutsam. Vom 11. bis 14. April 1935 trafen sich hier Vertreter der “Siegermächte”, um das Problem zu besprechen, nämlich die Entscheidung Hitlers über die Einführung der Wehrpflicht in Deutschland, womit er die Vereinbarungen des Versailler Vertrags nach dem Ersten Weltkrieg verletzt hatte. Der Gastgeber war Mussolini, denn zum einen betrachtete er sich auch als einer der Vertreter der “Siegermächte”, schließlich errichtete er in seinem Land viele Siegesdenkmäler, und zum anderen war er damals noch nicht so eng mit Adolf befreundet. Das änderte sich erst nach dem Münchner Abkommen im September 1938 und vor allem nach 1939, als er mit Hitler einen “Deal” über Südtirol abschloss. 1935 empfing er auf „Isola Bella“ Vertreter Großbritanniens und Frankreichs. Das abgesegnete Dokument hängt an der Wand des Musiksalons. Wie es ausging, wissen wir. Das zahnlose Memorandum schreckte Hitler nicht ab, im nächsten Jahr in das demilitarisierte Rheinland einzumarschieren, und alles steuerte auf einen Weltkonflikt zu. Der größte Saal im Palast ist der “Salone” Er ist der Hauptsaal, der erst 1959 fertiggestellt wurde und sich über alle drei Stockwerke des Palastes erstreckt Es gibt aber auch den großen „Saal der Medaillen“, in dem größere Gesellschaften speisten, und natürlich darf auch der große Ballsaal nicht fehlen. Er ist ganz aus mit Spiegeln bedecktem Marmor gemacht.

Einer der Säle trägt den Namen des französischen Kaisers Napoleon, als Erinnerung an den Besuch dieses prominenten Gastes auf der Insel im Jahr 1797. Es war während seines ersten italienischen Feldzugs, bei dem er die Österreicher aus Italien vertrieb, die Republik Venedig auflöste und seinen Triumph mit dem Frieden von Campoformio im Palast des letzten Dogen von Venedig, Vernier beendete. Napoleon kam mit seiner Frau Josephine auf die Insel. Ihr verdankte er viel, insbesondere das Kommando über die französische Armee in Italien. Premierminister Barras drückte dadurch seine Dankbarkeit dafür aus, dass Napoleon ihn von seiner schwierigen Geliebten befreit hatte. Napoleon und Josephine übernachteten in einem Saal, der heute noch ihren Namen trägt, in einem Himmelbett, das immer noch dort steht. Allerdings waren die Erinnerungen an den Besuch des kleinen Korsen nicht gerade die besten. Der Verwalter des Schlosses ließ verlauten, dass er noch nie eine so schreckliche Gesellschaft erlebt habe, die um Essen und Plätze am Tisch beinahe gekämpft habe (Napoleon kam mit sechzig Begleitern, aber im großen Speisesaal, dem Medaillensaal, gab es nur Platz für dreißig). Napoleon hinterließ das Zimmer, in dem er die Nacht verbracht hatte, voller Müll, Unordnung und Schmutz, sodass der Verwalter froh war, dass der problematische Gast nur zwei Tage geblieben war, da er sonst den Palast in eine Kaserne verwandelt hätte. Die Erinnerungen an den Besuch waren offensichtlich sehr frustrierend, denn als Napoleon im Jahr 1805, kurz nach seiner Krönung zum Kaiser, erneut seinen Besuch ankündigte, schrieb Graf Gibero Borromeo, dass er gehört habe, dass der Kaiser und die Kaiserin Bedenken wegen des feuchten Klimas auf der Insel hätten. In seinen Anweisungen fügte er hinzu: “Obwohl diese Information nicht auf Wahrheit beruht, sollte sie unterstützt werden, und das kaiserliche Paar sollte in seinem Glauben an das ungesunde Klima der Insel belassen werden.”

Selbst diese durchdachte Taktik half jedoch nicht, denn Napoleon und Josephine erschienen im Juni 1805 auf der Insel, und ein Jahr später kam sogar Josephines Sohn Eugenio Bernharnais mit seiner Frau. Nach diesem Besuch verschwanden einige wertvolle Leuchter und flämische Wandteppiche, sodass die Besuche der französischen Kaiserfamilie den Gastgebern eher Sorgen als Freude bereiteten. Immerhin war das ein lebenslanges Problem Napoleons. Da er aus sehr bescheidenen Verhältnissen stammte, hatte er nie gelernt, sich anständig zu benehmen, und echte Aristokraten wie der russische Zar Alexander oder Napoleons Außenminister Talleyrand, verachteten ihn deshalb zutiefst. Dies ist ein Problem, mit dem heutzutage zum Beispiel auch russische Oligarchen zu kämpfen haben.

Obwohl einige wertvolle Wandteppiche mit Eugenio Bernharnais aus dem Palast verschwanden, gibt es immer noch genug von ihnen, die im letzten Saal des Palastes ausgestellt sind. Sie sind sechs mal vier Meter groß und zeigen verschiedene Motive aus dem Tierleben, hauptsächlich werden hier Löwen dargestellt.

Von diesem Saal aus gelangt man in den Garten.

Dieser ist vom Palast durch eine von hohen Bäumen gebildete Wand getrennt, sodass man den Palast vom Garten aus nicht sehen kann. Dadurch stört den Besucher nichts, um die Schönheit dieses Gartens wirklich zu genießen. Der Garten erstreckt sich über fünf Terrassen bis zur Aussichtsplattform auf dem Gipfel. Die Terrassen sind mit duftenden Rosen bedeckt, unten blühen Azaleen und Rhododendren, aber auch Zitronenbäume, Orangenbäume, Lotusblumen und andere duftende Pflanzen. Alles wird durch antike Motive wie das Atrium der Göttin Diana oder Herkules ergänzt. Das alles ist in Form eines französischen Barockgartens gepflegt, also eine künstliche Schönheit, aber dennoch eine atemberaubende.

Man muss es mit allen Sinnen erleben, und egal, ob man fotografiert, filmt oder auf andere Weise versucht, diese Eindrücke für die Ewigkeit festzuhalten, es gelingt einfach nicht. Das Gedächtnis ist das einzige, wo man die Eindrücke speichern kann.

Die zweite Insel, die „Isola Madre“ ist ebenso erstaunlich.

Verschiedene orientalische Bäume wie Eukalyptus, Zypressen, Palmen, die unter dem Palast eine gesamte Kolonnade bilden, Kamelien, Zitronenbäume und sogar Bananen (offensichtlich friert es hier im Winter trotz der Nähe der Alpen nicht, sonst würden es Bananen nicht überstehen). Die größte Kuriosität ist ein ganzes Beet verschiedener Blumenarten aus der Protea-Familie, von denen die berühmteste die wunderschöne Protea cynaroides ist, die 1967 zur Nationalblume der Republik Südafrika erklärt wurde.

Darüber hinaus werden hier viele unbekannte, aber äußerst farbenfrohe und daher schöne Vögel gezüchtet. Die imposanteste Pflanze ist wahrscheinlich ein riesiger Kaschmirzypresse, die ein Sturm im Jahr 2006 mit Wurzeln ausgerissen hat. Der Baum konnte wieder an seinen ursprünglichen Standort gepflanzt und dadurch gerettet werden. Heute wächst er weiter, sicherheitshalber ist er mit Stahlseilen befestigt, aber offensichtlich geht es ihm nicht schlecht.

Der Palast demonstriert erneut die Nähe der Borromeos zu den mächtigsten Familien Europas; es gibt Porträts und Wappen von Familien, mit denen sie durch Heiraten verwandt waren, und so sind Wappen von Papst Pius IV. Medici (der Onkel des heiligen Karls), Papst Innozenz XI. aus dem Odescalchi-Geschlecht und Karl II., König von Spanien, abgebildet. Und natürlich wird man dort von einer Büste des berühmtesten Mitglieds der Borromeo-Familie, des heiligen Karl, begrüßt. Um sicherzustellen, dass man nicht am Wert der Familie zweifelt, findet man zusätzlich Porträts der Päpste, mit denen die Borromeos verwandt waren (Clemens VII. Medici, Paul III. Farnese, Pius IV. Medici und Innozenz XI. Odescalchi) im Konferenzsaal, der aufgrund seiner Dekoration auch als Papstsaal bekannt ist. Die Säle und Schlafzimmer sind mit Barockmöbeln eingerichtet, der runde venezianische Saal ist bereits im Rokoko-Stil gestaltet und mit einem Kronleuchter aus Muranoglas geschmückt. Als Kuriosität gibt es dort auch eine Sammlung von Puppen von Robert und Gisela Pesché, die diese Sammlung den Borromeos geschenkt haben, sowie mehrere Marionettentheater mit Ersatzpuppen in mehreren anderen Räumen. Dieses Marionettentheater wurde in der wunderschönen Kulisse des Gartens auf Isola Madre gespielt, und die erste Aufführung ist im Jahr 1657 dokumentiert. Wenn man also nach Isola Bella gereist ist, um den Palast der Borromeos zu bewundern, dann fährt man nach Isola Madre, um die Natur zu genießen. Gustave Flaubert bezeichnete einmal die Insel als das “sinnlichste” Fleckchen Erde, und daran ist etwas Wahres.

Man kann die Inseln von verschiedenen Orten aus erreichen, da sie sich in einer Bucht im westlichen Ausläufer des Sees befinden. Im Norden ist es Verbania, genauer gesagt ihr Stadtteil Palanza, im Süden ist es entweder Baveno oder vor allem Stresa.

Dieser luxuriöse Kurort bietet riesige Hotels mit Blick auf die Borromäischen Inseln und eine wunderschöne Seepromenade mit Stränden – teilweise privat, teilweise öffentlich. Hier haben auch die Teilnehmer der Mussolini-Konferenz auf Isola Bella gewohnt, weshalb der Vertrag “Fronte di Stresa” (Stresa-Front) genannt wurde.

Wer viel Geld hat, könnte hier wohnen; wir haben auf der preisgünstigeren Nordseite in Verbania gewohnt. Aber auch Verbania hat einiges zu bieten. Es ist nicht nur mit 35.000 Einwohnern die größte Stadt am Seeufer, sondern am Stadtrand gibt es auch einen zauberhaften botanischen Garten – „Villa Taranto“. Die Boote, die Touristen über den See transportieren, legen dort an, zu Fuß ist es eine halbe Stunde vom Hafen in Palanza aus. Am schönsten ist es dort im April, wenn die Tulpen blühen, aber wer nach dem Besuch der Inseln noch ein bisschen Energie für botanische Gärten übrig hat, sollte auf jeden Fall noch dorthin gehen. Ihre Augen und Ihre Nase werden wieder auf ihre Kosten kommen.

Como

Die Stadt Como trat in die europäische Geschichte etwas unfreiwillig und unglücklich ein. Am Ende des 11. und zu Beginn des 12. Jahrhunderts, während der Herrschaft der letzten Herrscher der salischen Dynastie, verringerte sich in Italien die Macht der römischen Kaiser, die in Deutschland jenseits der Alpen residierten und Italien nur sehr sporadisch, wenn überhaupt besuchten. Die einzelnen italienischen Stadtgemeinden wurden unabhängiger und nahmen den entfernten Kaiser zwar zur Kenntnis, sie waren aber nicht gewillt, sich ihm zu unterwerfen. Allerdings begannen sie dann untereinander zu kämpfen. Es ging um die Macht und um das liebe Geld. Das wohlhabende Como wurde schließlich zur Beute des mächtigeren Mailands. Die Mailänder eroberten Como im Jahr 1127, zerstörten seine Mauern und alle Häuser außer den Kirchen.

Die Bürger von Como wollten das nicht einfach hinnehmen und beschwerten sich beim Kaiser. Sie hatten Glück, dass Friedrich Barbarossa seit 1152 Kaiser war. Er war ein ehrgeiziger und fähiger Politiker und die italienischen Angelegenheiten ließen ihn nicht kalt. Er entschied zugunsten der Bürger von Como und schickte eine Botschaft nach Mailand, die den Mailändern befahl, sich aus Como zurückzuziehen und die entstandenen Schäden zu erstatten. Doch Mailand wurde überheblich und demütigte die Boten des Kaisers so sehr, dass dem Kaiser nichts anderes übrigblieb, als – ob er es wollte oder nicht – nach Italien zu ziehen, um mit militärischer Macht seine kaiserliche Reputation wiederherzustellen. Dies sollte ihn den Rest seines Lebens beschäftigen, bis hin zur demütigenden Niederlage bei Legnano im Jahr 1176. Mailand wurde von dem Kaiser jedoch diesmal im Jahr 1158 erobert (auch mit Hilfe tschechischer Soldaten, die angeblich Teigfiguren von Kindern vor den Mauern brieten, um den Stadteinwohner von Mailand die Angst einzujagen und sich damit den Ruf der Kannibalen verdienten). Für diese Hilfe wurde der tschechische Fürst Vladislav zum König, und die Herren von Kunštát erhielten ein halbes Pferd in ihrem Wappen, da das andere angeblich von dem Gitter des Stadttores abgetrennt wurde – wohl bemerkt, es geschah auf der Flucht aus der Stadt, also wurde der Hinterteil des Pferdes abgetrennt). Der Kaiser zerstörte nach dem Sieg die Mauern von Mailand und Como durfte seine Mauern wieder errichten. Seitdem sind sie nahezu vollständig erhalten geblieben und durchziehen die städtische Bebauung. Manchmal überrascht den Besucher einer ihre Türme an Stellen, wo man es nicht erwarten würde, sogar in der unmittelbaren Nähe vom städtischen Bahnhof.

Como liegt am westlichen der beiden südlichen Zipfel des Comer Sees. Übrigens ist es der See, wo George Clooney seinen Wohnsitz hat, er liegt etwas nördlich der Stadt am westlichen Ufer im Dorf Laglio. Da der See nur einen Abfluss hat, und zwar am östlichen Ende in der Stadt Lecco, wurde Como häufig von Frühlingsfluten heimgesucht. Heutzutage gibt es hier Abflusskanäle, die das überschüssige Wasser abführen. Die Stadt war schon in der Römerzeit wichtig und ist stolz darauf. An einem Denkmal an der Wand eines Hauses findet man Auszüge aus dem Werk des Schriftstellers Strabon, der die Stadt in seinem Werk “Geographie” beschrieben hat, und an der Fassade des Doms sind sogar zwei Darstellungen von Plinius Caecilius Secundus zu sehen. Dieser bekannte römische Senator wurde im Jahr 61 nach Christus in “Novum Comum”, wie Como damals genannt wurde, geboren. Er wurde durch seine Beschreibung des verheerenden Ausbruchs des Vesuvs im Jahr 79 berühmt, der die Städte Pompeji und Herculaneum zerstörte und den der damals noch junge Plinius persönlich miterlebte – und überlebte.

Como wurde später vor allem durch seine Seidenproduktion berühmt. Die Maulbeerbäume verschwanden zwar zu Beginn des 20. Jahrhunderts aufgrund von Krankheiten und der industriellen Revolution, aber die Seidenverarbeitung findet hier immer noch statt und man kann hier Seidenprodukte – als Souvenir – immer noch günstig kaufen.

Der wichtigste und von Touristen meistbesuchte Teil der Stadt ist natürlich die Seepromenade. Hier befinden sich auch die luxuriösen Hotels „Metropole Suisse“ und „Barchetta Excelsior“. Hier gibt es einen schönen großen Park, der Mafalda von Savoyen gewidmet ist.

Diese savoyische Prinzessin, die Schwester von König Viktor Emanuel III. von Italien, wurde 1902 geboren. Ihre Schönheit erbte sie von ihrer Mutter, die eine von vielen Töchtern von König Nikola I. von Montenegro war. (Über Nikola, der als den Schwiegervater Europas galt, habe ich in meinem Artikel über Montenegro geschrieben). Mafalda heiratete 1925 den hessischen Prinzen Philipp und hatte mit ihm vier Kinder. Prinz Philipp war ein wichtiger Vermittler zwischen Mussolini und Hitler. Nach dem Sturz Mussolinis im Jahr 1943, als Italien auf die Seite der Alliierten wechselte und Deutschland den Krieg erklärte, schickte Hitler acht Divisionen nach Italien. König Viktor Emanuel III. und seine Familie retteten sich durch die Flucht ins Exil. Hitler wollte sich jedoch rächen. Er verdächtigte Philipp von Hessen, an Mussolinis Sturz beteiligt gewesen zu sein. Deshalb ließ er seine Frau, die sich gerade bei ihrer Schwester Zariza Johanna in Bulgarien, aufhielt, da ihr Ehemann, König Boris III. von Bulgarien, gerade verstorben war, in die deutsche Botschaft in Sofia locken. Dort wurde sie verhaftet und nach München und dann ins Konzentrationslager Buchenwald gebracht. Am 24. August 1944 unternahmen die Alliierten einen Luftangriff auf das Konzentrationslager, bei dem Mafalda verschüttet wurde und schwere Verbrennungen erlitt. Es dauerte drei Tage, bis sie operiert werden konnte, wobei ihr ein Arm amputiert wurde. Dennoch starb sie noch am selben Tag an den Folgen der Verletzungen. In Bezug auf ihr Vermächtnis gibt es im Park ein großes Denkmal für den antifaschistischen Widerstand mit Texten und Namen bedeutender Künstler und Schriftsteller, die dem schrecklichen faschistischen Regime zum Opfer fielen – es gibt hier zum Beispiel auch Auszüge aus dem Tagebuch von Anne Frank. Ein Stück entfernt vom Denkmal befindet sich ein Stein, der an Giovanni Palatucci erinnert. Er sollte als Regent der Republik Fiume über 5000 Juden gerettet haben und wurde deshalb 1990 in Israel als “Gerechter unter den Völkern” anerkannt. Im Jahr 1944 wurde er wie auch viele andere italienische Beamte aus Rijeka und Triest von der deutschen Besatzungsverwaltung wegen Hochverrats verhaftet und zum Tode verurteilt. Er starb im Februar 1945 an Typhus in Dachau. Seit 2000, als Palatucci von Johannes Paul II. als “Märtyrer des 20. Jahrhunderts” erklärt wurde, läuft das Verfahren für seine Heiligsprechung.

Im Kontrast zu Mafaldas Park mit modernen Denkmälern des antifaschistischen Widerstands stehen am Ufer des Sees zwei dominante Gebäude aus der Zeit von Mussolinis faschistischer Diktatur. Das erste von ihnen, „Tempio Voltiano“, wurde von Mussolini in den Jahren 1927-1928 zu Ehren des berühmtesten Sohnes der Stadt, Alessandro Volta, erbaut. Volta war der Erfinder der elektrischen Batterie. Er wurde 1745 in Como geboren und starb dort im Jahr 1827

. Im Jahr 1810 wurde er für seine Verdienste in den Adelsstand erhoben und sogar zum Grafen ernannt. In dem Tempel-förmigen Denkmal gibt es eine Ausstellung über sein Leben. Volta ist übrigens in Como auch begraben, sein Grab befindet sich jedoch an einer anderen Stelle, nämlich in einem kleinen Mausoleum auf dem historischen Friedhof „Cimitero Monumentale“.

Wenn man sich mit dem „Tempio“ noch innerlich arrangieren kann, wird man von dem monumentalen Denkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs umso mehr überrascht sein. Dieses Monument wurde von den Architekten Giuseppe und Attilio Terragnil im Zeitraum von 1930-1933 geschaffen.

Offensichtlich hatte Mussolini eine Schwäche für Como. Er verbrachte hier einen großen Teil seiner Kindheit, weil sein Vater hier Lehrer war und der kleine Benito die Grundschule besuchte. Später als “Duce”, besaß er in der Nähe des Sees eine Villa, in der er gerne den Sommer verbrachte. Auch nach seinem politischen Sturz im Jahr 1943, als er als ein Marionetten-Vorsitzender der Regierung der “Republik von Salò” fungierte, empfing er hier Politiker und spielte politische Verhandlungen vor, obwohl alle wichtigen Entscheidungen längst von der deutschen Besatzungsverwaltung getroffen wurden. Paradoxerweise wurde er gerade in Como nach seiner Gefangennahme von Partisanen im April 1945 festgehalten, bevor er hingerichtet wurde. Seine Leiche wurde jedoch nicht auf dem Platz in Como, sondern in dem bedeutenderen Mailand ausgestellt. Der Kreis der Geschichte schloss sich. Da Mussolini Como so sehr liebte, ließ er die Stadt mit einigen Werken faschistischer Architektur bereichern, die den Werken des sozialistischen Realismus ähnlich waren. Wenn man versteht, warum sie dort stehen, erschreckt man vor ihnen etwas weniger.

Als Ausgleich für diese faschistischen Bauwerke ließ die Stadt Como zu Ehren Alessandro Voltas noch ein weiteres Denkmal errichten, das dem polnisch-jüdischen Künstler Daniel Liebeskind anvertraut wurde. Dieses Denkmal namens “The Life Electric” besteht aus Stahl, ist 13,75 Meter hoch, wiegt 29 Tonnen und steht in der Mitte des Sees vor der Uferpromenade von Como. Es ist über eine lange Brücke erreichbar, die den Namen des Physikers Piero Cardiolo trägt. Sowohl Volta als auch Cardiolo arbeiteten im gleichen Bereich. Das Liebeskind-Denkmal wurde im Jahr 2015 enthüllt.

Nicht nur dieses Denkmal, sondern auch der gesamte Park am Ufer und das Denkmal des europäischen Widerstands gegen den Faschismus sollen offensichtlich zeigen, dass sich die Stadt Como von ihrem berühmt-berüchtigten Sohn Benito distanziert.

Auf dem Hauptplatz “Piazza del Duomo” befinden sich sowohl das Rathaus, das im Jahr 1435 etwas angepasst wurde, um Platz für das schönste Gebäude, den Comer Dom Santa Maria Maggiore, zu schaffen. Schon von außen ist es ein beeindruckendes Gebäude, vor allem die unglaublich hohe Marmorfassade mit zahlreichen Skulpturen von verschiedenen Künstlern, wobei die wichtigsten von Tomasso Rodari stammen, sowie auch die hohe achteckige grüne Kuppel. Aber der Innenraum der Kirche raubt dem Besucher einfach den Atem. Es ist regelrecht gigantomanisch,

es handelt sich um eine riesige dreischiffige Kirche, die auch ohne die zwischen den Schiffen hängenden Gobelins beeindruckend wäre. Aber sie hängen dort und verleihen der Kirche noch mehr Erhabenheit und Schönheit. Der Bau begann im Jahr 1395, als Bischof Luchino da Brossano den Architekten Lorenzo Degli Spazzi mit dem Auftrag für den Baubeginn beauftragte. Die Seitenschiffe sind daher noch im spätgotischen Stil. Das Hauptschiff hingegen ist bereits ein Prachtstück der Hochrenaissance. An der Wand des linken Seitenschiffs befindet sich das Porträt eines weiteren berühmten Sohnes der Stadt, Es ist Benedetto Odescalchi, der im Jahr 1611 in Como geboren wurde und es 1676 bis zur Wahl zum Papst Innozenz XI. brachte. Die Kuppel, die eine Höhe von 75 Metern erreicht, ist wesentlich jünger und wurde in den 1730er Jahren im barocken Stil erbaut. Der Dom wurde im Jahr 1774 fertiggestellt, der Bau dauerte also fast vierhundert Jahre. Aber das Ergebnis ist es wert.

Vom Comer Dom möchte man nicht weggehen und eigentlich auch nicht aus Como. Es gibt hier viele Touristen, und für Bootsfahrten auf dem See stehen lange Schlangen. Vielleicht möchten alle sehen, wo der berühmte Nespresso-Mann George wohnt. Wenn Sie hier vorbeikommen, sollten Sie auf jeden Fall in Como anhalten. So wie wir es getan haben.

Bozen – Bolzano

Kann eine so perverse Ideologie wie der Faschismus auch etwas Positives hervorbringen? Bozen ist der Beweis dafür, dass selbst aus Taten, die von eindeutig bösen Absichten geleitet sind, etwas Positives entstehen kann.

Im Jahr 1919 wurde Südtirol durch den Vertrag von Saint Germain Italien zugesprochen und vom Rest des Landes Tirol abgetrennt. Mit der Grenze am Brennerpass haben sich die Österreicher bis heute nicht abgefunden. Zu dieser Zeit lebten in der Provinz Bozen 7000 Italiener, der Rest der Bevölkerung sprach Deutsch. Mussolini entschied sich, dieses Land zu romanisieren. In Bozen erhielten ab sofort nur Italiener Stellen als Beamte und Polizisten (hauptsächlich aus dem armen Süden, wo es keine Arbeitsmöglichkeiten gab), sondern es flossen auch staatliche Investitionen in den Aufbau von Industrie, um italienische Arbeiter anzuziehen. Da diese Investitionen im Gegensatz zu Kampanien oder Kalabrien nicht veruntreut wurden, profitiert die Stadt davon bis heute. Alle Vororte von Bozen sind industrielle Ballungsgebiete (obwohl traditionelle Tiroler Obstgärten und Weinberge bis unmittelbar zu den ersten Hochhäusern am Rand der Stadt reichen) und die Stadt ist auf 100.000 Einwohner angewachsen. Im Jahr 1939 schloss Mussolini dann einen Deal mit Hitler. Die Südtiroler erhielten die Möglichkeit, ins Deutsche Reich umzuziehen. 75 Prozent von ihnen entschieden sich dafür. Hitler brauchte Soldaten für die Armee und Siedler in den neu eroberten Gebieten. Viele junge Männer starben in einem Krieg, der sie eigentlich nicht interessierte, und viele von ihnen kehrten nach dem Krieg zurück. Der Kampf um die Selbstbestimmung der deutschsprachigen Bevölkerung erhielt 1957 einen neuen Impuls, als sich über dreißigtausend Südtiroler auf der Burg Sigmundskron im Vorort von Bozen trafen und Silvio Magnago, ein Aktivist, den Ruf “Weg vom Trident” (der südliche Teil Südtirols um die Stadt Trient ist im Gegensatz zur Bozner Provinz größtenteils italienisch) ausstieß. Der Kampf um die Autonomie dauerte lange an, forderte Tote und langjährige Haftstrafen für “Terroristen”. Schließlich erhielt die Provinz 1992 ihre Autonomie, lebt also seitdem für sich und lebt sehr gut. Zu den letzten Auseinandersetzungen zwischen italienisch- und deutschsprachigen Bürgern kam es im Jahr 2002, als der Stadtrat von Bozen beschloss, den Platz vor Mussolinis triumphalem Denkmal von “Siegesplatz” in “Feiheitplatz“ umzubenennen, was jedoch von der heute bereits größtenteils italienischsprachigen Bevölkerung von Bozen abgelehnt wurde.

Seitdem herrscht Ruhe. Die gemeinsame Proklamation Italiens und Österreichs, dass sie keine strittigen Fragen haben, war übrigens die Bedingung für Österreichs Beitritt zur EU im Jahr 1995. Auch die Tiroler Deutschen haben sich daran gewöhnt, dass auf den Straßen der Stadt hauptsächlich Italienisch gesprochen wird, obwohl die Straßen nach Tiroler Persönlichkeiten mit vorwiegend deutschen Namen benannt sind. Neben der Stadtkathedrale befindet sich ein Denkmal für den Tiroler Nationalhelden Peter Mayr, der am 19. Februar 1810 hingerichtet wurde. Er war einer der engsten Mitstreiter von Andreas Hofer, der dank der Bitten seiner Frau, mit der er fünf Kinder hatte, die Möglichkeit bekam, sein Leben zu retten, indem er lügen würde. Er lehnte es jedoch ab, zu behaupten, dass er nie von dem Erlass über das Waffenverbot gehört habe, und daher blieb den Franzosen nichts anderes übrig, als ihn hinzurichten. Einfach ein echter stolzer Tiroler. Heutzutage sprechen jedoch fast alle Bewohner der Stadt beide Sprachen und leben in Frieden. Beide Volksgruppen können schätzen, dass Südtirol eine der reichsten Provinzen Italiens ist, direkt nach dem Piemont und vor der Lombardei oder Rom.

Der städtische Fortschritt ist offensichtlich. Der Aufbau der Stadt ist noch nicht abgeschlossen, Man kämpft sich bei der Anfahrt in die Stadt durch Baustellen und Industriekomplexe zum Zentrum und ein Foto einer Sehenswürdigkeit zu machen, ohne einen Baukran darauf zu haben, ist eine echte Herausforderung. Dennoch ist das Stadtzentrum ruhig, malerisch und das Parken in der Tiefgarage unter dem Walterplatz ist zwar nicht gerade billig, aber bequem und die Garage ist problemlos erreichbar.

Interessanterweise liegt Bozen nicht am Fluss Etsch (italienisch: Adige), der das Tal vom Brennerpass bis Verona durchquert und auf dem sich über Jahrhunderte deutsche Kaiser zu ihren italienischen Feldzügen begeben mussten. Eine strategische Rolle bei diesen Reisen spielten die lokalen geistlichen Herrscher, die Bischöfe von Brixen und Trient, mit denen der Kaiser sich gutstellen musste, um nach Italien zu reisen (und ebenso mit dem Stadtrat von Verona). Bozen spielte zu dieser Zeit eine untergeordnete Rolle, was auch seine Lage am Zusammenfluss der Flüsse Talfer (italienisch: Talvaro) und Eisack (Isarco) widerspiegelt, die erst einige Kilometer von der Stadt entfernt in die Etsch münden.

Der Waltherplatz ist nach Walther von der Vogelweide benannt, dem Hofdichter von Kaiser Friedrich II., der angeblich in der Nähe von Bozen geboren wurde.

Dieser erste und wohl berühmteste Minnesänger des Mittelalters verfasste seine Verse in Deutsch – genauer gesagt in einem südtirolerischen Dialekt, der der deutschen Sprache entfernt ähnlich war, was zu Beginn des 13. Jahrhunderts etwas noch nie Dagewesenes war. Der Kaiser, der damals bereits den Heiligen Stuhl und damit auch die von der Kirche kontrollierte lateinische Poesie herausforderte, unterstützte Walther und verhalf ihm zum heutigen Ruhm. Seine große Statue steht in der Mitte des Platzes, der seinen Namen trägt.

Am Rand des Platzes steht der Bozner Dom.

Er ist imposant und es lohnt sich, ihn zu besuchen. Hier ist der österreichische Erzherzog Rainer begraben, einer von vielen Söhnen Kaisers Leopold II., ein Bruder von Erzherzog Johann und Kaiser Franz I. Rainer war von 1818 bis 1848 mehrmals Vizekönig des Königreichs Lombardo-Venetien, das auf dem Wiener Kongress geschaffen wurde. Nachdem er in der revolutionären Zeit 1848 von seinem Amt zurückgetreten war, kaufte er den “Palazzo Capofranco” am Waltherplatz. Rainers Sohn Heinrich wurde hier 1889 von Kaiserin Sissi besucht, die einen Ginkgo-Baum in den Hof pflanzte.

Heute ist daraus ein riesiger Baum geworden und natürlich ein Kult – alles, was mit den Habsburgern und damit mit der österreichischen Geschichte der Stadt zu tun hat, hat ein riesiges Potenzial, zum Kult zu werden – und auf Sissi, wie ich bereits in meinem Artikel über Meran erwähnt habe, werden Sie überall in Südtirol stoßen.

In der Kathedrale gibt es mehrere Selige (keine Heiligen) wie Heinrich von Bozen, der im frühen 14. Jahrhundert lebte, Johann Nepomuk von Tschiderer (geboren in jenem Palazzo Capofranco, aber bereits im Jahr 1777), der von Johannes Paul II. im Jahr 1995 seliggesprochen wurde, und Josef Mayr Nusser, ein ziviler Mitarbeiter des Bozener Dekanats, der Opfer der nationalsozialistischen Ideologie wurde. Nachdem sich Italien auf die Seite der Alliierten geschlagen und Deutschland den Krieg erklärt hatte, besetzte Deutschland Norditalien. Die ethnischen Deutschen in Südtirol waren verpflichtet, in die deutsche Armee einzurücken. Nusser wurde zur SS eingezogen, aber er weigerte sich, dem Führer Treue zu schwören. Dafür wurde er zum Tode verurteilt. Auf dem Weg ins Konzentrationslager Buchenwald blieb der Zug mehrere Tage am Bahnhof in Erlangen stehen, und die Gefangenen starben in überfüllten Viehwaggons an Hunger und Durst. So erging es auch Josef Mayr Nusser. Er wurde 2017 von Papst Franziskus seliggesprochen.

Ein Stück von der Kathedrale entfernt befindet sich die Dominikanerkirche. Für eine Reihe von Kirchen in Bozen kam der schicksalhafte Tag am 29. März 1944. An diesem Tag unternahmen die Alliierten einen massiven Luftangriff auf die Stadt, weil Bozen logischerweise ein wichtiger Knotenpunkt in der Versorgung der deutschen Einheiten an der italienischen Front war. Statt den Bahnhof trafen die Bomben jedoch sowohl die Dominikanerkirche als auch die Franziskanerkirche. Die Kirche St. Nikolaus neben dem Dom verschwand sogar vollständig. Die Narben an den Gebäuden der Bozener Kirchen sind unübersehbar. Doch wie durch ein Wunder blieb die Kapelle des Heiligen Johannes des Täufers erhalten, das Kostbarste nicht nur in der Dominikanerkirche, sondern wohl in ganz Bozen. Diese Kapelle ließ der florentinische Bankier Giovanni de Bartolomeo di Rossi irgendwann um 1330 als Begräbnisstätte für seine Familie errichten. Und er ließ sie mit wunderschönen Fresken schmücken, die von Künstlern der Schule von Giotto geschaffen wurden. Die Bozener Fresken ähneln denjenigen in Padua von Giotto wie ein Ei dem anderen, und der Bankier selbst ist zusammen mit seiner Frau dargestellt, kniend unter dem Kreuz mit Jesus Christus. Das wertvollste Fresko ist jedoch der “Triumph des Todes” als Bild des Jüngsten Gerichts – diese Abbildung des Todes versprüht wirklich Angst.

Wenn Sie den erstaunlichen riesigen Gemüsemarkt durchqueren, der jeden Tag in Bozen stattfindet, gelangen Sie zu den Franziskanern. Von der ursprünglichen Kirche ist wenig übriggeblieben, an der erhaltenen Wand befinden sich Fresken von Brüdern, die es in ihrem Leben weit gebracht haben, Päpsten, Kardinälen, Bischöfen und vor allem Theologie-Doktoren. Die Franziskaner legten immer Wert auf Bildung.

Es gibt noch einige weitere interessante Kirchen in Bozen, die älteste überhaupt ist die romanische Kirche “St. Johann im Dorf”. Dann gibt es die Kirche des Deutschen Ritterordens mit den Wappen und Fahnen bedeutender Mitglieder des Ordens. Auch ihr Turm fiel dem Bombardement von 1944 zum Opfer. Und dann gibt es noch die neoromanische Kirche “Herz Jesu”, die 1909 zum hundertjährigen Jubiläum des Tiroler Aufstands gegen die Franzosen erbaut wurde, sowie die unauffällige Kapuzinerkirche mit einem großen Klostergarten direkt im Stadtzentrum.

In Bozen und seiner Umgebung gibt es noch mehr Burgen als Kirchen. Eine von ihnen, Maretsch, befindet sich direkt in der Stadt und kann besichtigt werden. In ihr befinden sich Renaissance-Fresken. Der Innenhof sieht so aus, als wäre er nach einem erfolgreichen Treffer einer alliierten Bombe aus Beton gegossen worden, aber die Burgwartin versicherte mir, dass dieses Aussehen nichts mit dem Zweiten Weltkrieg zu tun hat. Am nördlichen Stadtrand befindet sich die Burg Firmian. Einst als Burg Sigmundskron bekannt, wo 1957 der Kampf für die Tiroler Autonomie begann. Sie erhielt ihren Namen von einem Tiroler Herrscher, der “Sigmund der Münzreiche” genannt wurde, Allerdings schaffte es Sigmund, den Reichtum des Landes, das große Mengen an Silber abbaute, mit vielen unsinnigeren Aktionen zu verschwenden, wie auch mit dem Kauf dieser Burg. Eine Vielzahl unehelicher Kinder kostete ihn ebenfalls viel Geld. Schließlich wurde er seiner Herrschaft enthoben und in den vorzeitigen Ruhestand geschickt – für damalige Verhältnisse eine recht humane und nicht gerade eine übliche Methode, um einen Herrscher von der Macht zu entfernen. Heutzutage befindet sich in dieser Ruine eines der fünf Museen von Reinhold Messner, dem wohl berühmtesten Südtiroler der heutigen Zeit. Er war der erste Bezwinger des Mount Everest ohne Sauerstoff, er bestieg als erster alle vierzehn Achttausender – einige sogar mehrmals.

Das Museum ist logischerweise den Bergen, dem Bergsteigen und der Kultur Tibets gewidmet und es lohnt sich, dort hinzufahren. Weitere Burgen in der Nähe von Bozen sind Runkelstein, von wo aus eine Seilbahn nach San Genesio fährt, die Burg Flavon Haselburg südlich der Stadt und die Burg Gries am rechten Ufer der Talfer. Und wenn wir schon bei den Seilbahnen sind, gibt es noch eine weitere “Funikulare”, die Seilbahn „Funivia de Renon“, die am nordwestlichen Rand der Altstadt in der Nähe der Kirche Sankt Magdalena startet und über die Stadt nach Oberbozen hinauffährt, von wo aus man den schönsten Blick auf die Stadt aus einer Höhe von 1221 Metern über dem Meeresspiegel hat. Und noch eine weitere Seilbahn, diesmal am linken Ufer der Eisack, führt auf eine Höhe von 1134 Metern zur Kirche in Colle-Kohlern. Also, wenn man genug Zeit hat, kann man die Stadt aus drei verschiedenen Perspektiven von oben betrachten.Formularbeginn

Aber Bozen besteht bei weitem nicht nur aus Kirchen und Burgen. Die Einkaufsstraßen konzentrieren sich auf die Laubengasse und die Josef Steinert Straße, die durch mehrere Passagen miteinander verbunden sind – von sehr engen, durch die nur eine Person gehen kann, bis hin zu wunderschönen breiten Einkaufspassagen. Angesichts des bergigen und im Sommer auch heißen Klimas der Stadt befinden sich die Geschäfte oft in Laubengängen oder Passagen, eine davon – die Galeria Greif – liegt direkt am Walterplatz. Bozen ist also bestens für Shopping geeignet.

Interessant ist die Verbindung von historischer und moderner Architektur. Manchmal ist es sogar atemberaubend, wie zum Beispiel das riesige Gebäude des städtischen Theaters, entworfen vom Architekten Marco Zanus (das alte Theater wurde beim alliierten Bombardement 1943 zerstört).

Das neue Theater aus riesigen Marmorblöcken ist wirklich beeindruckend, glücklicherweise befindet sich in unmittelbarer Nähe des romantischen Gartens des Kapuzinerklosters.

Das Siegesdenkmal Mussolinis befindet sich am anderen Ufer des Flusses Talvera und beeinträchtigt daher nicht das Stadtbild. Das Naturmuseum befindet sich in der Nähe der Kirche des Deutschen Ritterordens und ist in einem Renaissancegebäude untergebracht, das Kaiser Maximilian zwischen 1500 und 1512 errichten ließ – zu dieser Zeit gehörte Bozen zum Habsburgerreich.

Aber Bozen wäre nicht Bozen ohne sein Archäologisches Museum und die berühmteste europäische Mumie – den Ötzi, den Mann aus dem Eis. Im Jahr 1992 wurde er von Touristen im Ötztaler Alpenpass gefunden. Reinhold Messner wurde hinzugerufen und stellte fest, dass sich Ötzi auf der italienischen Seite des Passes befand – angeblich gute hundert Meter jenseits der Staatsgrenze. Die Österreicher haben ihm das nie verziehen und machen weiterhin Ansprüche auf die berühmte Mumie geltend – schließlich erhielt sie ihren Namen nach dem Ötztal, einem eindeutig österreichischen Tal. Die Österreicher haben also ein Konkurenzmuseum im Ötztal eingerichtet, und da sie die originale Mumie nicht haben, stellen sie dort eine Kopie aus. In Bozen befindet sich das Original in dem archäologischen Museum, aber da dort nur kleine Gruppen der Besucher eingelassen werden, ist es notwendig, die Besichtigung im Voraus zu reservieren.

Bevor man hingehen darf, kann man durch die Gassen von Bozen schlendern, die Schönheit des Gemüsemarktes bewundern oder durch die zahlreichen Geschäfte in den Laubengängen und Passagen der Stadt bummeln. Man kann sich ein Glas des hervorragenden Südtiroler Weines oder einen Aperolspritz in den unzähligen Bars gönnen oder Tiroler Spezialitäten in den vielen Gasthäusern probieren. Oder man kann die bekannteste Tiroler Spezialität, den “Speck”, also den Tiroler Schinken, kosten. Und Vorsicht! Vergessen Sie nicht den in Meran bereits erwähnten Apfelstrudel. Angesichts der bereits erwähnten Produktion von einer Million Tonnen Äpfel pro Jahr (aber nur einer Tausend Tonnen Birnen) müssen diese Äpfel irgendwie verbraucht werden (obwohl die meisten natürlich exportiert werden). Daher bieten jede Bar und jedes Restaurant logischerweise Apfelsaft und Apfelstrudel an.

Solange Sie also den Apfelstrudel nicht probiert haben, verlassen Sie Tirol nicht. Es wäre eine Missachtung der lokalen Kultur. Und die Tiroler sind ein stolzes und traditionsbewusstes Volk.

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Meran

Meine Frau hat bei der Wahl der Urlaubdestination ziemlich hohe Ansprüche. Sie reiste mit mir durch ganz Italien und fand fast immer etwas auszusetzen. Wenn sie also erklärt, dass sie sich in eine bestimmte Stadt verliebt hat und dorthin zurückkehren möchte, sollte man das ernst nehmen. Und genau das ist in Meran passiert.

Ich musste ihr recht geben. Meran (auf Italienisch Merano, da sich ein Italiener nicht vorstellen kann, ein Wort mit einem Konsonanten abzuschließen) hat wirklich das Potenzial, dass man sich in die Stadt verlieben könnte.

Es wurde als eine Handelsstadt von den Tiroler Grafen gegründet, die auf einem nahegelegenen Hügel in der Burg Tirol residierten. Sie akzeptierten dabei auch, dass diese neue Stadt jedes Frühjahr regelmäßig von den Fluten des Flusses Passer, einem Nebenfluss der Etsch (auf Italienisch Adige genannt), überschwemmt wurde, wenn der Schnee in den Bergen zu schmelzen begann.

Aber die goldene Ära der Stadt begann erst viel später, als heiße Quellen entdeckt wurden, denen aufgrund ihres hohen Radongehalts eine heilende Wirkung zugeschrieben wurde. Und als im Jahr 1870 Kaiserin Elisabeth – Sissi mit ihrer kränkenden Tochter Maria Valeria in der Stadt auftauchte und sogar im Jahr 1889 noch einmal zurückkehrte, war das Schicksal der Stadt endgültig besiegelt.

Statue von Sissi im Stadtpark

Die Erfolgskurve ging von diesem Moment an steil nach oben. Und mit ihr auch die Besucherzahlen. Meran benötigte also keine Industrie, um prosperieren zu können, es kam vollständig mit dem Tourismus aus. Und das ist bis heute so. Um die Stadt herum gibt es jedoch endlose Obstgärten und Weinberge, die sogar an so steilen Terrassen angelegt sind, dass es den Atem raubt. Die eine Million Tonnen Äpfel, die Südtirol jedes Jahr produziert (und 600.000 Kilogramm Honig, denn ohne Bienen wäre das nicht möglich), müssen irgendwo angebaut werden. Und die Südtiroler Weine sind sehr gut, sei es der rote Lagrein oder der weiße Traminer, aber auch andere Sorten, die an den Berghängen in angenehmem mediterranem Klima wachsen. Die warme Luft aus dem Süden erreicht diesen Ort, über die Berge in den Norden schafft es der warme Wind aber nicht weiter und bleibt hier im Tal hängen. Genauso wie der Regen. Das heißt, in Südtirol gedeiht alles. Einschließlich Palmen, die sogar die Promenade in Meran säumen und so – für Mitteleuropäer etwas überraschend – das Panorama der schneebedeckten Dreitausender ergänzen.

Die Heilquellen sprudeln am linken Ufer des Flusses und dort gibt es heute die Therme mit vielen warmen Wasserbecken, ideal für einen Besuch nach einem anstrengenden Tag in den Bergen.

Heutzutage ist es ein modernes Gebäude in der Form eines großen Würfels, aber überall ist zu sehen, dass Meran als Kurstadt gewachsen ist. Sowohl das riesige Kurhaus als auch die überdachte Promenade – Wandelhalle – sind im Jugendstil erbaut, einem Stil, der Ende des 19. Jahrhunderts in der österreichischen (und nicht nur österreichischen) Architektur dominierte. In der Wandelhalle trafen sich Kurgäste ab März oder April, je nach Wetter, zu Konzerten oder einfach nur zu Gesprächen beim Kaffee. Ursprünglich stand hier eine sogenannte Wandelbahn aus Holz, in den Jahren 1890-1891 wurde diese durch eine Eisenkonstruktion der Firma Gridl ersetzt (die unter anderem auch das Palmenhaus im Wiener Schönbrunn baute). Und sie steht dort noch heute. Am Flussufer lädt eine breite und schön angelegte Promenade mit vielen Blumen zu Spaziergängen ein.

Hier spazierte auch Franz Kafka, der hier im Jahr 1920 einen dreimonatigen Kuraufenthalt absolvierte. Das Radonwasser half zwar seiner Tuberkulose nicht, aber an seinen Aufenthalt in Meran erinnert eine örtliche höhere Handelsschule, die seinen Namen trägt.

Das Wahrzeichen der Stadt ist jedoch das große Theatergebäude, das im Jahr 1900 vom Architekten Martin Düfler erbaut wurde.

Die deutschsprachige Bevölkerung nennt es einfach “Stadttheater”, die Italiener nennen es “Teatro Puccini”. Der legendäre Opernkomponist Giacomo Puccini war hier im Jahr 1928, und zur Erinnerung an seinen Besuch wurde das Theater im Jahr 1937 während der faschistischen Diktatur in “Puccini-Theater” umbenannt – die deutschsprachige Bevölkerung der Stadt hat diesen Namen jedoch nie vollständig akzeptiert. Das Gebäude ist von außen klassizistisch mit nur dezenten Jugendstil-Elementen, innen ist es jedoch reiner Jugendstil, wie es für diese Zeit typisch war.

Meran ist zwischen dem Fluss Passer und den Bergen eingeklemmt. Es ist also eine lange und schmale Stadt, von der ehemaligen Befestigung sind zwei Stadttore erhalten geblieben. Das eine, das “Bozentor”, ist zum Fluss hin ausgerichtet, von wo regelmäßige Überschwemmungen kamen. Angeblich saß der Meraner Henker gerne in der darüber liegenden Kneipe. Das andere erhaltene Tor, das “Passeirertor”, verschloss die Stadt in Richtung des Passer-Tals. Hier führte der Weg über die Jaufer- und Brenner-Pässe nach Innsbruck und Deutschland. Durch dieses Tor betraten die Grafen von Tirol die Stadt, wenn sie von ihrer Burg Tirol herabstiegen.

Die Hauptachse der Stadt ist die Laubengasse.

Es ist eine lange Einkaufsstraße mit vielen Geschäften, Boutiquen und Restaurants, mit Arkaden auf beiden Seiten. Dort steht auch das etwas langweilige Rathaus, und diese Straße führt zur Hauptkirche in Meran, zur Kirche St. Nikolaus. An der Kirchenwand wird man von einem Fresko mit dem Heiligen Christophorus begrüßt. Er sollte im Mittelalter Glück bringen. Wer ihn anblickte, starb an diesem Tag nicht. Die dreischiffige Kirche ist gotisch mit modernen Glasfenstern und einem gotischen geschnitzten Altar. Gleich nebenan befindet sich die Kapelle der Heiligen Barbara, die stark an ein klassisches italienisches Baptisterium erinnert, und ich kann dem Verdacht nicht widerstehen, dass sie auch für den Zweck der Taufe genutzt wurde. Offiziell diente die Kapelle als Beinhaus, in der darunterliegenden Krypta wurden die Knochen der Verstorbenen aufbewahrt, für die es auf dem örtlichen Friedhof keinen Platz mehr gab. Dies entspricht auch der etwas makabren Ausstattung der Kapelle. Es gibt zwei Schreine mit den Gebeinen von zwei heiligen Märtyrern Paulanus und Telius. Trotz meiner Bemühungen konnte ich über sie nichts herausfinden, weder im Internet noch im Oxford Lexikon der Heiligen, und sogar nicht in dem Buch von Schaub und Schindler über die Heiligen im Laufe des ganzen Jahres, in dem wirklich praktisch alle aufgeführt sind, die heiliggesprochen wurden. Das Einzige, was ich herausgefunden habe, ist, dass sie im Jahr 1730 aus den römischen Katakomben hierhergebracht wurden. An der Eingangswand befindet sich auch ein Fresko mit dem Heiligen Christophorus (wohl damit die Leute nicht um die Ecke gehen müssen, um den größeren an der Kirchenwand anzusehen).

Die Kirche des Heiligen Nikolaus, die Barbarakapelle rechts

Etwa in der Mitte der Laubengasse biegt man links zur Sesselbahn ab. Man fährt mit ihr einzeln, und der Prospekt verspricht, dass sie den Stadtbesucher zur Burg Tirol bringt, also zum Sitz der ehemaligen Grafen von Tirol. Das ist nicht ganz wahr. Von der Bergstation der Seilbahn aus hat man zwar einen herrlichen Blick auf die Stadt Meran von oben, aber zur Burg ist es noch fast eine Stunde eines relativ schnellen Gehens. Die Wegweiser versprechen in regelmäßigen Zwanzigminuten-Abständen, dass der Weg zur Burg genau zwanzig Minuten dauern sollte. Offensichtlich wurde das gleiche Wegweiser Schild mehrmals hergestellt und dann in regelmäßigen Abständen auf dem Weg zur Burg aufgestellt. Insbesondere der letzte Abschnitt, der zwischen blühenden Bäumen oberhalb der Obstplantagen und unterhalb des Dorfes Tirol führt, ist jedoch schon für sich allein einen Spaziergang wert.

Die Burg ist eines Besuches wert. Man begann mit dem Bau irgendwann um das Jahr 1120, der letzte Ausbau wurde von Gräfin Margarete Maltausch durchgeführt. Die Burg verlor an Bedeutung, als die neuen Landesherren, die Habsburger, ihren Hauptsitz in das günstiger gelegene Innsbruck verlegten. Auf der Burg gibt es eine Ausstellung zur Geschichte Tirols mit Gemälden der Grafen von Tirol. Hier findet man auch das Porträt des unglücklichen Bruders Karls IV., Johann Heinrich, der vergeblich versuchte, die Jungfräulichkeit Margarete Maltausch zu beenden, bevor seine Ehe wegen seiner angeblichen Impotenz geschieden wurde. (Später hat er allerdings mit seinen weiteren Gattinnen sechs Kinder gezeugt). Es gibt hier auch eine wunderschöne zweistöckige Kapelle und in einem Turm eine Ausstellung zum Kampf Tirols für Autonomie, nachdem Südtirol nach dem Ersten Weltkrieg an Italien angeschlossen wurde. Dieser Kampf, der nach dem Zweiten Weltkrieg seinen Höhepunkt erreichte, endete erst im Jahr 1992. Noch in den 1980er Jahren zündeten die Tiroler Autos italienischer Urlauber an. Die Burg Tirol, von der aus die Tiroler Grafen regierten, erlangte vor allem im 19. Jahrhundert den Status eines nationalen Heiligtums. Hier verkündete der nationale Held Andreas Hofer im Jahr 1809 die Wiederherstellung der alten Landesverfassung, die Napoleon aufgehoben hatte, als er Tirol seinem Vasallen Bayern geschenkt hatte. Tiroler Dichter kamen hierher, um Verse zu schaffen, und Maler, um die Burg und ihre umliegende Landschaft zu verewigen. Die Stadt Meran verschenkte die Burg im Jahr 1816 an Kaiser Franz I. Aber erst in den Jahren 1878 bis 1914 fanden Restaurierungsarbeiten statt, die die Burg vor dem Verfall retteten. Im Jahr 1940 wurden dann bestimmte Teile des Neubaus, die den gotischen Eindruck störten, von der Burg wieder entfernt.

In der Nähe von Meran gibt es außer des Liftes zu Dorf Tirol auch andere Seilbahnen. Die bekannteste ist wahrscheinlich die M 2000, die den Besucher tatsächlich auf eine Höhe von 2000 Metern über dem Meeresspiegel bringt, von wo aus man zu Bergwanderungen aufbrechen kann.

Im Stadtpark vor der Kirche Heiliger Geist steht eine Statue von Kaiserin Sissi. Und gleich nebenan gibt es ein Café, das ihren Namen trägt, also „Elisabeth“. Entlang des Flusses Passer erstreckt sich eine Promenade, die nach ihr benannt ist Es ist bekannt, dass die Kaiserin, wenn sie nicht reiten konnte, lange und schnelle Spaziergänge machte, um in Form zu bleiben und ihre schlanke Figur zu erhalten (es gab sicherlich auch ein bisschen Anorexie dabei). Entlang des Flusses führt die sogenannte Winterpromenade bis zur Brücke mit dem Namen „Steinerner Steg“. Es war lange Zeit die einzige Brücke, die jedes Jahr das Hochwasser überstehen konnte – solide Arbeit aus Stein, auf der auch die österreichische Kaiserin den Fluss überquerte.

Aber das Schönste im Meran liegt am Stadtrand und das ist der Garten von Schloss Trauttmansdorff.

Nicht umsonst wurde er im Jahr 2005 zum schönsten italienischen Garten erklärt (und es gibt hier eine harte Konkurrenz), und im Jahr 2013 wurde er sogar zum internationalen Garten des Jahres gekürt. Meiner Meinung nach zu Recht. Für einen Moment hatte ich das Gefühl, dass ich wahrscheinlich schon gestorben bin und mich im Paradies befinde. Natürlich verdient, schließlich habe ich es mit meinem vorbildlichen Leben verdient. Viele Rosen, Palmen, Azaleen, Rhododendren, Zitronenbäume – nicht nur die Augen, sondern auch die Nase kommen auf ihre Kosten, überall duftet es wunderschön und berauschend. Es ist nur schade, dass die Tulpen bereits im Mai verblüht waren, sonst wäre es noch erstaunlicher gewesen. Inmitten darf ein See mit einem Café nicht fehlen und an den Hängen des Hügels, an dem der Garten liegt – natürlich der Sissi-Pfad. Bei ihrem zweiten Besuch im Jahr 1889 residierte die Kaiserin gerade im Schloss Trauttmansdorff, und um ihr entgegenzukommen, wurden eilig mit Schotter bedeckte Pfade am Hang des Hügels angelegt – wieder für ihre konditionellen Spaziergänge. Diese Pfade sind im Laufe der Zeit zwar zugewachsen, aber die heutigen Meraner haben den Zauber und das kommerzielle Potenzial dieser historisch umstrittenen, aber mit unwiderstehlichem Charme ausgestatteten Persönlichkeit entdeckt, die Pfade wieder gefunden, gereinigt und mit neuem Schotter bedeckt, sodass es kein Problem ist, einen ganzen Vormittag auf den Spuren der Kaiserin zu wandern – natürlich nur, wenn man Lust und Kondition hat. Natürlich erinnert dort eine Büste an Sissi. Der Pfad führt bis zur Aussichtsterrasse von Schloss Trauttmansdorff, hoch über dem Garten und – ehrlich gesagt – nichts für schwindelgeplagte Menschen.


Der Blick von hier ist allerdings atemberaubend. Danach kann man noch höher zur “Garten der Liebe” spazieren. Er ist wunderschön, aber er ist ziemlich hoch und meine liebe Frau meinte, dass sie nicht so hoch klettern würde, egal wie sehr es um die Liebe geht. Also bin ich alleine dorthin gekommen, aber es hat sich trotzdem gelohnt.

Im Schloss gibt es ein großes Restaurant, und auf der Terrasse vor dem Schloss auf einer Bank mit einem Buch in der Hand – raten Sie mal wer – natürlich Sissi.

Da konnten wir nicht widerstehen und ließen uns mit ihr von vorbeigehenden Touristen fotografieren – wir hatten dabei eine große Auswahl. Im Restaurant haben wir das Tiroler Nationalgericht – Apfelstrudel – gegessen. Solange man es nicht probiert hat, darf man Südtirol nicht verlassen. Solange es noch Grenzen in Europa gab, wurde das sicherlich überprüft. Übrigens war es keine falsche Investition, der Strudel war großartig, es gibt eben genug Äpfel in Tirol.

Am Ende dieses Beitrags muss ich jedoch meine neuen Landsleute aus der Steiermark ansprechen. Meran hat eine sehr enge Beziehung zu ihrem Land. Natürlich hängt das mit dem “steirischen Prinzen” Johann zusammen. Für die wenigen meiner Leser, die noch nicht von ihm gehört haben (die Steirer und die eser meiner Serie über Graz dürfen den folgenden Text über ihn überspringen): Johann wurde im Jahr 1782 in der Toskana als achter Sohn des zukünftigen Kaisers Leopold II. geboren. Als sein Vater Kaiser wurde, zog er nach Wien um. Nach einem unglücklichen Zwischenfall im Krieg gegen Napoleon im Jahr 1809, als er eine entscheidende Rolle bei der Niederlage in der Schlacht bei Wagram spielte, zog er sich aus dem öffentlichen Leben zurück. Er kaufte in der Steiermark in der Nähe von Mariazell den Bauernhof Brandhof und begann mit Reformen der Steiermark. Es waren nicht nur Experimente mit dem Anbau von Pflanzen unter bergigen Bedingungen und Aufklärungsvorträge. Er gründete eine Getreidebörse, die den Bauern feste Preise beim Getreideankauf garantierte, die Versicherung Grazer Wechselseitige, bei der sie sich gegen Missernten versichern konnten, und die Sparkasse-Bank, die Kleinkredite vergab. So blieben die steirischen Gelder in der Steiermark und bildeten die Grundlage des örtlichen Wohlstands. Darüber hinaus gründete er nach dem Vorbild seiner Großmutter Maria Theresia eine Bergbau-Hochschule, wo Carl Friedrich Christian Mohs die Härteskala der Mineralien erfand – wir erinnern uns zumindest teilweise daran, wir mussten das alle in der Schule lernen – der härteste ist natürlich der Diamant. In Graz erinnert an den Erzherzog das Museum Johanneum, das er ebenso gegründet hat.

Aber zu seiner Lebenspartnerin wählte der liebe Johann die Tochter des Postmeisters aus Bad Aussee, Anna Plochl, was zu dieser Zeit einen enormen Skandal darstellte. Es dauerte zehn Jahre, bis er von seinem Bruder – Kaiser Franz – die Erlaubnis zur Heirat erwirkte. Und um den Skandal nicht allzu groß werden zu lassen, erhob der Kaiser die liebe Anna zur Gräfin von Meran. Johann kaufte daraufhin in der Nähe von Meran, im Dorf Schenna, ein Schloss. Sein Sohn Franz zog dann dauerhaft nach Südtirol und als Johann im Jahr 1859 starb (bis zu seinem Tod bekleidete er das Amt des Bürgermeisters in der Stadt Stainz in der Steiermark), beauftragte sein Sohn den Architekten Moritz Wappler mit dem Bau eines Mausoleums im neugotischen Stil, das als Familiengrabstätte dienen sollte.

Das Mausoleum in Schenna

Es wurde 1869 fertiggestellt, und im selben Jahr wurden auch die leiblichen Überreste von Erzherzog Johann hierher überführt. Später wurden hier im Jahr 1885 auch seine Frau Anna und später auch sein Sohn Franz mit seiner Frau beigesetzt. Das Mausoleum inmitten der Tiroler Berge ist sehr schön. Das nahe gelegene Schloss ist etwas vom Zahn der Zeit gezeichnet und kann nur zu bestimmten Besuchszeiten besichtigt werden – als wir dort waren, war es gerade geschlossen. Natürlich gibt es in Schenna auch das Hotel “Erzherzog Johann”, und die Stadt pflegt eine Partnerschaft – Sie können einmal raten – natürlich mit Stainz in der Steiermark.

Schenna liegt etwa zehn Kilometer von Meran entfernt im Passertal und von hier aus fahren Seilbahnen in die Berge. Die Stadt ist hübsch und hat zwei Kirchen, die interessant ineinander gebaut sind (und natürlich mit einem Fresko des Heiligen Christophorus an der Außenwand), ein schönes Zentrum mit dem Rathaus und dem Restaurant Schlosswirt, mit einer Terrasse und Blick auf das Mausoleum. Und natürlich kann man hier einen Apfelstrudel genießen, aber nicht nur das. Zu den Tiroler Spezialitäten gehören Knödel mit verschiedenster Füllung von Hackfleisch, Käse über verschiedene Gemüsesorten bis hin zu roter Beete und natürlich „Tyroler Gröstl“. Es ist ein recht einfaches Gericht, gebratene Kartoffeln mit Zwiebeln, Speck (Speck wird in Tirol an jeder Ecke angeboten, es gibt sogar Geschäfte, die sich darauf spezialisiert haben), Fleischstückchen oder Blutwurst und oben drauf gibt es ein Spiegelei. Auf den ersten Blick nichts Besonderes, aber es schmeckt gut, besonders beim Skifahren ist es mein Lieblingsessen in der Mittagspause.

Wenn man Glück hat wie wir und Schenna am ersten Sonntag im Mai besucht, wenn der Feiertag des heiligen Florian gefeiert wird, wird man auch das große Fest der örtlichen Freiwilligen Feuerwehr erleben. Zur Kirche marschierte eine große Blaskapelle in Tiroler Tracht unter tirolerischen Fahnen, dann eine große Anzahl von Feuerwehrleuten in Uniformen, wieder unter wehenden Fahnen. Übrigens haben wir auch in Meran eine große Prozession mit dem Bildnis der Jungfrau Maria erlebt, wieder in Trachten und mit wehenden Fahnen. Die Tiroler lassen sich ihre Traditionen nicht nehmen, sie haben immer noch einen Teil ihres nationalen Helden, des Rebellen Andreas Hofer, in sich. Zumindest in Meran ist der italienische Einfluss marginal, und man kann sich überall auf Deutsch verständigen.

Und trotzdem verleiht gerade diese Mischung aus österreichischer und italienischer Kultur Meran anscheinend ihren besonderen Charme. Es herrscht Ordnung wie in Österreich, aber die Architektur hat einen italienischen Touch, alles ist mit viel Geschmack gemacht. Und es gibt dort unglaublich viele Blumen – das ist offensichtlich auf das lokale Klima zurückzuführen.

Also hatte meine Frau mehr als genug Gründe, sich in Meran zu verlieben.

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Faenza

Sie haben noch nie von diesem italienischen Nest gehört? Dann ist die Zeit gekommen, es zu ändern. Faenza ist eine liebenswerte italienische Stadt und ist besuchswert.

               In den römischen Zeiten waren für die Neugründungen der Städte die Straßenverbindungen entscheidend. Im Jahr 187 ließ der Konsul Marcus Aemilius Lepidus die Straße Via Emilia bauen und dann entstanden an dieser Straße zwischen Ariminum (Rimini) und Bononia (Bologna) eine nach der anderen in regelmäßigen Abständen eines Tagesmarsches, also ungefähr zwanzig Kilometer, Städte wie die Schwalben auf einem Draht. Es waren Cesena, Forum Popilii (Forli), Faventia (Faenza) und Forum Cornelii (Imola).

               Jede dieser Städte schrieb sich in die Weltgeschichte ein, was offensichtlich mit ihrer strategisch wichtigen Lage am Rande der Poebene zusammenhängte. Imola ist auch heute berühmt, weil hier das Rennen der Formel 1  – der Große Preis von San Marino  – ausgetragen wird,. Forli war die erste Wirkungsstätte des heiligen Antonius von Padua, wo er durch seine erste Rede berühmt geworden ist. Cesena trat in die Geschichte am 3.Februar 1377 ein, als hier der päpstliche Legat und der spätere Papst Klement VII., mit eigenem Namen Robert von Genf, in den ersten drei Tagen nach der Einnahme der Stadt einige Tausend Bewohner ermorden ließ. Dieser auch für die damalige Zeit brutaler Exzess brachte ihm den Spitznahmen „Metzger von Cesena“. Nicht einmal dies konnte seine Wahl zum Papst am 20.September 1378 verhindern.

               Auch Faenza schrieb sich in die Geschichte während eines Kriegsgeschehens ein, aber doch kreativer und weniger brutal. Nämlich in die Welt der Literatur. In der Zeit des Krieges zwischen Kaiser Friedrich II. und Papst Gregor IX. stellte sich die Stadt auf die päpstliche Seite. Im August 1240 kam der Kaiser mit einer Armee, die zu dieser Zeit im nahen Ravenna stationär war (und grub dort – um sich nicht zu langweilen – das Grab von Galia Placidia, das Touristen bis heute besuchen). Der Kaiser belagerte die Faenza, die sich entschied, nicht aufzugeben. Die Bürger der Stadt wussten nämlich, dass der Kaiser knapp bei der Kasse war, das Geld sollte ihm bald ausgehen und er wäre gezwungen, seine Armee aufzulösen. Sie verrechneten sich dabei fatal. Friedrich genoss bei seinen Soldaten so ein großes Vertrauen, dass er ihnen den Sold in wertlosen Münzen aus Leder zahlte, mit der Versprechung, später diese Münzen für Gold und Silber auszutauschen. Die Soldaten akzeptierten diese Art von Sold und sie haben später tatsächlich ihr Geld bekommen. Die Belagerung der Stadt zog sich acht Monate lang. Der Kaiser langweilte sich. Also fiel ihm ein, dass ihn sein Sohn Manfred bereits vor langer Zeit gebeten hatte, ein Buch über die Falknerei zu schreiben. Friedrich war nämlich auch ein hervorragender Vogelkenner. Der Kaiser nahm die Arbeit an und das Buch – die erste wissenschaftliche Arbeit im Fach der Ornithologie, die auch heute noch immer wieder zitiert wird – konnte er wirklich vollenden. Das Buch heißt „De arte venandi cum avibus“ also „Von der Kunst mit Vögeln zu jagen“, es beschäftigt sich aber auch mit allgemeinem Wissen über verschiedene Vogelarten und ihre Lebensart.

               Während sich der Kaiser dieser gottgefälligen Tätigkeit widmete, starben die Verteidiger der Stadt an Hunger. Die erwartete Hilfe kam weder aus Milan noch aus Bologna und die Bitten, dass zumindest den Frauen und Kindern erlaubt wird, die Stadt zu verlassen, wurden vom Kaiser strikt abgelehnt. Am 14. April 1241 bot die Stadt in Erwartung drakonischer Strafen und Hinrichtungen eine bedingungslose Kapitulation an. Der Kaiser war aber gut gelaunt und mit seinem literarischen Werk höchst zufrieden – geben wir objektiv zu, dass es zurecht war – er erteilte allen Bürgern von Faenza eine Begnadigung und ließ in die Stadt Lebensmittel liefern. Das war für die damalige Zeit ein sehr ungewöhnlicher Vorgang. Aber die Literaten sind nach einem erfolgreichen Abschluss ihrer Arbeit schon einmal so.

               Faenza ist aber vor allem durch ihre Keramik berühmt. Das Wort „Fayence“ hat seinen Ursprung im Namen der Stadt. Faenza war seit dem dreizehnten Jahrhundert das italienische Zentrum der Tonwareproduktion. Das war die Folge von großen Vorräten der Tonerde von hoher Qualität in seiner Umgebung auf einer Seite und der guten Verkehrsverbindung auf der Via Emilia ostwärts zum Hafen von Rimini, sowie auch auf der anderen Seite westwärts nach Bologna und Mailand. Auch heute gibt es in der Stadt an die vierzig Betriebe, die Kunstkeramik produzieren und sie in die ganze Welt verkaufen. Faenza ist in der Welt der Keramik noch immer eine Marke.

               Die Geschichte der Keramikerzeugung – Majolika (dieser Name stammt überraschenderweise vom Namen der Insel Mallorca und weist auf die dortige arabische Tonwareproduktion hin) – kann man im „Museo internationale delle ceramiche di Faenza“ kennenlernen.

Das Museum wurde im Jahr 1908 von Gaettano Ballardini gegründet, seit 1938 gibt es in zweijährigen Abständen einen Wettbewerb in der Keramikkunst, bei dem der Faenza-Preis vergeben wird. Manche von den siegreichen Werken kann man im Museum sehen. 

Das Museum ist nicht ganz einfach zu finden, es gibt keine Wegweiser und die Einheimischen nach dem Weg zu fragen ist nicht ganz einfach – fast alle fahren nämlich Rad, zu Fuß bewegen sich auf den Straßen nur verlaufene Touristen. Das Museum selbst ist so riesig, dass es gar nicht einfach ist, sich dort zu orientieren. Ich suchte vergeblich den Saal 6, wo die Geschichte der Erzeugung der glasierten Tonware in Faenza beginnen sollte. Die Säle 1-5 widmeten sich der orientalischen Keramik von der chinesischen, über die japanische und die koreanische bis zu der arabischen. Es war vergebens. Letztendlich ging ich zu einem Angestellten des Museums mit der Bitte, mich zum Saal sechs zu bringen. Ich sagte klar, dass ich „Sala sei“ suchte und zur Sicherheit zeigte ich ihm die Nummer sechs auch im Plan, den ich bei mir hatte. Der Angestellte war zuvorkommend, brachte mich aber zum Saal neun und so lernte ich die Geschichte der Keramik von Faenza beginnend von ihrem Ende. Nicht einmal die Angestellten kennen sich im riesigen Gebäude offensichtlich aus. Genau so kompliziert war es auch, die gut versteckten Toiletten zu finden – für die, die mir folgen möchten, verrate ich, dass sie sich gleich neben dem Lift befinden.

Die Geschichte ist interessant. Mit Majolika, also mit der bemalten Keramik, begannen die Faenzaner auf einem primitiven Niveau – auf einem groben Grund der Tonware mit blauer und grüner Farbe irgendwann im vierzehnten Jahrhundert. Die Erzeugung verbesserte sich aber ständig und im sechzehnten Jahrhundert erreichte sie mit der Produktion der so genannten „Faenzanischen Weiße“ die höchste Vollkommenheit. Die Keramik war fein weiß (man könnte sie mit Porzellan verwechseln) und man konnte sie mit verschiedenen Nuancen der blauen und gelben Farbe schmücken. Im sechzehnten Jahrhundert kam für die Keramikproduktion der wahre Boom. Am Anfang des sechzehnten Jahrhunderts erschien in den europäischen Häfen der Tee, im Jahr 1616 landete im Hafen von Amsterdam die erste Kaffeelieferung. Venedig erreiche der Kaffee im Jahr 1683, also im gleichen Jahr, in dem die flüchtenden Türken vor Wien bei ihrem Rückzug Säcke mit Kaffee hinterließen und damit die Wiener Kaffeekultur indirekt ins Leben riefen). Im achtzehnten Jahrhundert wurde durch Zugaben von Gewürzen, Milch, Vanille und Zucker auch die Schokolade zu einem Modegetränk. Für das Genuss dieser neuen Getränke war ein neues Geschirr unentbehrlich – also Schalen, Tassen und Kannen.

               Als es schon so ausgesehen hat, dass aus den Tonwareproduzenten Millionäre würden, kam im Jahr 1708 ein beinahe Todesstoß für sie. Johann Friedrich Böttger, ein Alchemist aus Meißen, erfand für seinen Herrn, den Kurfürst August den Starken, das erste europäische Porzellan. Der sächsische Kurfürst wurde dadurch märchenhaft reich und die Produzenten der Tonware in Faenza suchten vergeblich Abnehmer für ihre Ware. Nicht nur der Adel, sondern auch die wohlhabende bürgerliche Stadtschicht wollte zu Hause Porzellangeschirr haben und für die traditionelle Tonware sind lediglich die Bauer geblieben, die allerdings tief in die Tasche haben greifen müssen.

               Im Jahr 1745 erfanden die Majolikaerzeuger in Frankreich den Produktionsvorgang des so genannten „dritten Brennens“, also eines langsamen Vorgangs mit Temperaturen zwischen 700 und 750 Grad, was die Verwendung der gleich satten Farben wie bei Porzellan (Purpurrot, Gold und Dunkelgrün) erlaubte und damit wieder dem Porzellan eine Konkurrenz zu machen vermochte.

               Die Ausstellung im Museum ergänzen keramische Garnituren und Produkte und eine Menge moderner Kunstwerke. Es gibt genug zum Schauen, obwohl der Besucher durch das Museum irrt – oder vielleicht gerade deshalb.

               Übrigens, die Keramik trifft man in der Stadt überall. Es gibt sie an den Hausfassaden und die Tafel mit den Hinweisen an Ärzte- oder Advokatenpraxen sind alle ausnahmslos aus Keramik gemacht.

               Faenza hat aber auch ein entzückendes historisches Zentrum. Es entstand aus zwei miteinander verbundenen Plätzen „Piazza di Popolo“ und „Piazza della Liberta“, das Stadtzentrum ließ die herrschende Familie Manfredi großartig ausbauen. Im Jahr 1474 legte Bischof Federico Manfredi, ein Bruder der Herrscher der Stadt Carlo und Galeotto, den Grundstein einer neuen Kathedrale. Die Dominante des Platzes ist „Palazzo del Podestá“ mit wunderschönen Rennaisancearkaden und das mittelalterliche Rathaus. Alles wird vom Glockenturm „Torre Civica dell Orologio“ überragt. Schön ist auch der Brunnen auf der „Piazza della Liberta“.

               Gleich hinter dem Brunnen steht das „Duomo di San Pietro Apostolo“, also Sankt Peterkirche. Die raue Fassade aus den Backsteinen sprach mich nicht wirklich an – den Marmor gibt es nur auf dem Sockel und aus der Mauer ragen einzelne Backsteine chaotisch hervor.

Na ja, den Ton gab es – im Gegenteil zum Stein – in der Umgebung immer genug. Im Inneren wirkt die Kirche schroff wie alle Kirchen in dieser Gegend, die alle im klassizistischen Still umgebaut und ihres barocken Schmucks beraubt wurden. Nur die Seitenkapellen sind reich geschmückt.

               Sie haben dafür einen guten Grund. Sie beherbergen nämlich eine ganze Reihe von heiligen und seligen Einheimischen, oder eher heiligen, die in Faenza starben und deren Reliquien hier unter ihren Altären ausgestellt werden. Möglicherweise gab es in der Gegend schlechte Luft, dass so viele gerade hier das Ewige gesegnet haben. Beinahe in jeder Kapelle gibt es eine Leiche oder zumindest ihren Teil. In der linken Reihe ist es zuerst der selige Giacomo Filippo Bertoni, der in den Jahren 1454 – 1483 lebte, dann folgt aber unmittelbar ein stärkeres Kaliber in der Person des heiligen Pier Damiani, der in Faenza im Jahr 1072 auf der Rückereise aus Ravenna starb. Er war der engste Mitstreiter des Hildebrands von Soana, der ein Jahr nach dem Tod von Damiani zum Papst Gregor VII. wurde und den Investiturstreit auslöste. Übrigens bereits Damiani hat schon dem Kaiser Heinrich IV., der nach Canossa gehen musste, Leviten gelesen. Sein Skelet wurde in die Kapelle im Jahr 1826 übertragen, dieser Zeit entspricht auch die Verzierung der Kapelle.

Gleich nebenan sind die Überreste vom heiligen Ämilianus ausgestellt. Dieser schottische Bischof starb in Faenza bei seiner Rückkehr von seiner Pilgerreise nach Rom im Jahr 1139 und wurde gleich wie ein Heiliger geehrt.  Links neben der Hauptkapelle gibt es ein Grabmal von heiligen Sabinus. Dieser Märtyrer aus der Zeit des Kaisers Diokletian starb zwar im fernen Spoleto, das Ehepaar Astorgio II. Manfredi und seine Frau ließ aber für den Heiligen zwischen den Jahren 1468 – 1470 einen Marmorgrabmal in Faenza einrichten, der im Jahr 1616 in der Kapelle eingemauert wurde. Auf der rechten Seite der Kirche gibt es die leiblichen Überreste des seligen Nevolons, der in Faenza im Jahr 1280 starb und letztendlich des heiligen Terentius, der in der Nähe von Faenza wie ein Eremit lebte, Blinde heilte und hier um das Jahr 1175 starb.

               Ich gebe zu, dass ich – außer Rom – noch in keiner Stadt so eine Sammlung der heiligen Knochen gesehen hatte. Natürlich, ich war noch nicht überall, die Ausstellung im „Duomo di San Pietro Apostolo“ ist aber imposant. Die Hauptattraktion sind aber keine Knochen, sondern der Altar der Gnadenmadonna im Querschiff links. Sie ist die Patronin der Stadt und der Diözese. Im Jahr 1412 erschien die Madonna einer Frau namens Giovanna de Costumis und versprach, das Wüten der Pest in der Stadt aufzuhalten, was dann tatsächlich geschah. Gebrochene Pfeile in der Hand der Madonna symbolisieren ihre wirksame Fürsprache bei Gott.

               Unweit vom historischen Stadtzentrum gibt es einen großen Militärfriedhof „Faenza Commonwealth War Cemetery“, wo Soldaten der achten britischen Armee begraben sind, die den deutschen Widerstand auf der Via Emilia anfangs April 1945 durchbrachen. In der Armee kämpften nicht nur Soldaten aus Indien, Neu Seeland oder Südafrika, sondern auch das italienische Korps Cremona. Nach beinahe zwanzig Tage dauernden hartnäckigen Kämpfen gelang es, die deutschen Verteidigungslinien durchzubrechen und den Weg nach Mitteleuropa vom Süden zu öffnen.

               Übrigens, Faenza gefiel auch meiner Frau. Während ich im Keramikmuseum irrte, besuchte sie die Geschäfte im Stadtzentrum und war mit der Ausbeute höchst zufrieden. Das Shopping war ein voller Erfolg. Also Faenza ist ein Ausflugsziel für die gesamte Familie.

Urbino

               Urbino ist ein Schmuckstück der Renaissancearchitektur. So schaut es nämlich aus, wenn der Bauherr dem Architekten sagt, dass Geld keine Rolle spielt. Welcher Architekt möchte so einen Satz nicht hören? Seine Fantasie bekommt Flügel und die unbeschränkten finanziellen Möglichkeiten lassen  – sein schöpferisches Talent vorausgesetzt – Werke von unbegrenzter Schönheit entstehen. So war es auch bei dem Herzogpalast in Urbino.

               Urbino ist ein kleines Nest inmitten der italienischen Berge in der Province Marche. Es hat ungefähr 15 000 Einwohner aber auch eine Universität, die im Jahr 1508 von der Familie De la Rovere gegründet wurde und die derzeit von ungefähr 15 000 Studenten besucht wird. Die Folge ist der Eindruck einer jungen Stadt. Auf den Straßen trifft man laute junge lächelnde Menschen, was die gute Laune und die Attraktivität der Stadt wesentlich erhöht. Wenn man dann die Stadt in den ersten Julitagen besucht, wenn es die Zeit der Promotionen gibt, merkt man es noch deutlicher. Auf den Straßen der Stadt um die Universität laufen nämlich Absolventen mit Lorbeerkränzen auf den Häuptern, umkreist von stolzen Familienmitgliedern, alle natürlich feierlich angezogen – es ist eine Augenweide. Junge Italerinnen übrigens verlassen niemals das Haus oder die Wohnung ungepflegt („um jederzeit den Mann ihres Lebens treffen zu können“). Am Tag des Schulabschlusses gilt das dann noch viel mehr.  Urbino ist einfach ein Lobeslied an die Schönheit. An die menschliche sowie auch an die architektonische.

               Die Bedeutung der Stadt übertraf bei weitem ihre Größe, den Höhepunkt erreichte Urbino im fünfzehnten Jahrhundert, als hier der Herzog Federico de Montefeltro residierte. Wann die Familie Montefeltro in den Herzogstand erhoben wurde, ist nicht ganz klar. Nach Urbino wurden die Grafen von Montefeltro aus einer kleinen Burg nahe Rimini als kaiserliche Vikare von Kaiser Friedrich I. Barbarossa im Jahr 1155 eingesetzt. Die Provinz „Marche“ also „Marke“, war immer eine Pufferregion, wo der Kaiser mit dem Papst ihre Kräfte gemessen haben. Also kein Wunder, dass eine weitere Beschenkung der Familie Montefeltro vom Enkelsohn Barbarossas, Friedrich II., der einige Jahrzehnte mit Päpsten unerbittliche Kämpfe führte, stattfand. Aber wann traten die Montefeltros in den Rang der Fürsten, also der Herzöge und Souveräne? In Wikipedia las ich, dass es im Jahr 1442 war, eine andere Quelle behauptet, dass der erste Herzog von Urbino der bereits erwähnte Federico war, der allerdings seine Herrschaft erst im Jahr 1444 antrat. Und um noch ein bisschen mehr Chaos in die Sache zu bringen, feiert Urbino gerade heuer, also im Jahr 2022, 600 Jahre der Herzogstumentstehung.  Laut örtlichen Chronisten wurden die Montefeltros nämlich von den Päpsten (es müsste dann der in der Konstanz gewählte Martin V. gewesen sein) in den Herzogstand bereits im Jahr 1422 erhoben. Unbefangene Historiker schreiben diese Tat Eugen IV. zu, der im Jahr 1431 Papst wurde und einige behaupten sogar, dass Federico de Montefeltro vom Papst Sixtus IV. zum Herzog erhoben wurde, der allerdings sein Amt im Jahr 1471 antrat.

               Grundsätzlich ist es egal, wichtig ist, dass der „Palazzo ducale“ ein wirklich würdiger Sitz eines Fürsten ist.

Alles in der Stadt dreht sich um den bedeutendsten Sohn der Stadt Federico (Also nicht ganz alles, aber darüber später, die Stadt hat noch weitere weltbekannte Personen im Talon). Federico war ein Condottiere, also ein Heerführer, allerdings kein gewöhnlicher. Er hatte den Ruf eines Unbesiegbaren und deshalb wollten ihn immer alle Fürsten, Stadtrepubliken oder sogar Päpste anwerben, wenn sie wieder einmal irgendwo einen Krieg angezettelt haben. Es war praktisch. Als der Feind erfuhr, dass die Truppen des Gegners von Federico kommandiert wurden, gab er meistens sofort auf und kapitulierte. Damit sanken wesentlich die Kriegsführungskosten und Federico durfte unverschämte Honorare für seine Dienste verlangen. Aus diesem Geld hat er dann seinen Palast bauen lassen, aber nicht nur das. Federico war ein leidenschaftlicher Leser (vielleicht gerade deshalb gewann er überall. Stellen Sie sich vor: ein General, der lesen konnte, das ist sogar heutzutage eine Seltenheit) und Büchersammler. Die Buchdruckerei feierte gerade ihre Geburtsstunde, Federico sammelte also Manuskripte, die er kopieren ließ. In diese seine Leidenschaft investierte er eine unvorstellbare Geldsumme von 30 000 Dukaten. Um seiner Bibliothek ein entsprechendes Niveau zu verleihen, engagierte er für ein nicht gerade kleines Honorar Ottavio Ubaldini, einen der größten Gelehrten der damaligen Zeit, um Bücher für seine Sammlung auszuwählen. Zum Schluss gab es in seiner Bibliothek 900 Schriften. 600 in Latein oder auf Italienisch, 168 auf Griechisch, 86 auf Hebräisch und zwei auf Arabisch.

               Nicht umsonst schrieb gerade an seinem Hof Baldesar Castiglione sein Buch „I libro del Cortegiano“ also „Das Buch über einen Hofmann“, das ein ideales Bild eines Herrschers beschreibt, der Federico verdächtig ähnlich ist.

               Der einzige Condottiere, der Federico wirklich ärgerte, war Sigismondo Malatesta von Rimini. Der hatte nicht vor, sich zu ergeben und behauptete sogar, er wäre ein besserer Heerführer als Federico. So eine Frechheit! Der mit Federico befreundete Papst bildete eine große Koalition, die Sigismondo letztendlich im Jahr 1463 bei Cesena besiegte. Natürlich unter dem Kommando des Herrschers von Urbino.

               Der Herzogpalast in Urbino ist einfach atemberaubend. Schon das Treppenhaus aus Marmor, breit und mit niedrigen Stufen, damit auch ein Pferd diese Treppen besteigen konnte, wirkt imposant. Federico ließ sich in einer Nische im Treppenhaus wie ein römischer Imperator darstellen. Der Palast umgibt einen viereckigen Hof mit wunderschönen Renaissancebögen und hat repräsentative Räume für den Herzog sowie auch für die Herzogin. Federicos Gattin Battista Sforza, eine Nichte des Gründers des Ruhmes der Sforzafamilie Francesco, bewohnte einen eigenen Palastflügel – bereits damals waren getrennte Schlafräume in der Mode. Gleich am Anfang des Palastbesuches gibt es den Hochzeitssaal, wo diese zwei in den Ehebund traten. Die Tatsache, dass der Condottiere Sforza, der sich bis zum Herzogshut in Mailand durchkämpfen konnte, seine Nichte mit Federico verheiratete, war eigentlich eine Anerkennung der Fähigkeiten seines Kollegen. Über den dritten von den damaligen Condottieri, Sigismondo Malatesta, habe ich bereits genug geschrieben, den vierten – Jacopo Piccinino – ließ der psychopatische neapolitanische König Ferrante töten und dann für seine Leichensammlung ausstopfen.

               Die persönlichen Räume des Herzogs Federico, vor allem sein Arbeitszimmer „studiolo“, befinden sich hinter der unglaublich schönen westlichen Fassade des Palastes. Alle Türe haben Marmorrahmen mit Intarsien, die Wände sind mit Gobelins und Bilder geschmückt. Es gibt gleich zwei riesige Säle, der erste ist der Krönungssaal, der zweite bekam den Namen „Nachtwachesaal“, weil hier regelmäßig lange in die Nacht großartige Feste gefeiert wurden. Es gab genug Geld und genug Gründe zu feiern.

               Federico finanzierte an seinem Hof berühmte Künstler. Unter ihnen war Luca della Robia, der die ursprüngliche Fassade des Doms in Florenz schuf. In Urbino ist er Autor des Portals aus Terrakotta an der Kirche des heiligen Dominik, die gegenüber dem Herzogpalast steht. Am Hof wirkte auch Piero della Francesca, von ihm stammen Portraits von Francesco (aber auch seines Konkurrenten Sigismondo von Rimini). Am Hof Federicos war auch ein bestimmter Giovanni Santi tätig, ein Flüchtling aus dem Städtchen Colbordola, das von den Truppen aus Rimini zerstört wurde. Dieser talentierte Maler (seine Werke findet man heute in Museen in Florenz, London und Rom) arbeitete sich zum Hofmaler empor, er kaufte in der Stadt ein Haus, das sich in der Straße, die den Namen seines Sohnes Raffaello Santi trägt, befindet. Das ist nämlich der zweite der gebürtigen Urbinesen, den man nicht außer Acht lassen kann.

Raffaello wurde im Jahr 1483 in Urbino geboren und lebte hier die ersten sechzehn Jahre seines Lebens. Dieser außergewöhnliche Maler und Architekt ist in Urbino nur durch zwei seine Werke vertreten – erstes ist die so genannte „Stumme“, ein Portrait einer adeligen Dame. Dieses Bild befindet sich in „Palazzo ducale“. In Raffaelos Geburtshaus ist dann ein Fresco „Madonna mit dem Kind“. Manche Forscher vermuten den Vater Raffaellos Giovanni als Autor, andere behaupten, dies wäre die erste Arbeit Raffaellos, die er noch unter Aufsicht seines Vaters schuf.

Sein Geburtshaus ist gefüllt mit Kopien seiner Werke, die werden aber nicht so hochgeschätzt. Giovanni starb im Jahr 1494, als Raffaello elf Jahre alt war (seine Mutter starb sogar schon früher). Raffaello verließ also im Jahr 1500 Urbino. Er ging nach Perugia, wo er eine Ausbildung bei Meister Pietro Vanucci, genannt Perugino, genoss. Er kam nie mehr nach Urbino zurück, er starb jung im Jahr 1520 in Rom. Sein Geburtshaus ist ziemlich geräumig mit einem kleinen Hof und einer Kolonnade. Giovanni Santi musste also relativ wohlhabend gewesen sein. Die Stadt Urbino ist auf ihren Sohn gehörig – möglicherweise sogar ungehörig – stolz, Raffaellos Namen begegnet man hier auf jedem Tritt und Schritt. 

               Der dritte berühmte Sohn der Stadt war Papst Klement XI., mit eigenem Namen Francesco Albani, geboren in Urbino im Jahr 1649. Er war Papst in den Jahren 1700 – 1721.

Nach ihm heißt das Museo Albani neben dem Dom. Seine Statue befindet sich nicht nur vor dem Dom, sondern auch in der Bramantestraße auf dem Weg vom Tor der heiligen Lucia in Richtung Stadtzentrum. Auch Donato Bramante, der später Rom baute, gehörte zur Künstlerschule von Urbino, er wurde von Luciano Laurano ausgebildet, vom Architekten, der den Herzogspalast in Urbino baute. Bramante verließ Urbino im Jahr 1476 in Richtung Mailand und später ging er dann nach Rom. In Urbino trägt eine der wichtigsten Straßen seinen Namen.

               Papst Klemens XI. hatte es in seinem Amt nicht gerade einfach. Bereits im ersten Jahr seines Pontifikats entflammte der Spanische Erbfolgekrieg, in dem er zuerst auf der Seite Ludwigs XIV. von Frankreich stand. Als sich aber der Blatt nach der Schlacht bei Blenheim gewendet hat und die kaiserliche Armee in den Kirchenstaat eingefallen ist, musste auch er die Seiten wechseln. Als aber Kaiser Josef I. im Jahr 1711 starb, mussten die Habsburger wieder in die Defensive und der Papst mit ihnen. Zusätzlich zu diesem Leiden hat ihn der branderburgische Kurfürst Friedrich III. zu Weißglut gebracht, der sich ohne päpstliche Genehmigung im Jahr 1700 zum preußischen König proklamierte. Papst hat zwar seinen Königstitel niemals anerkannt und er nannte den preußischen Herrscher immer nur „Kurfürst von Brandenburg“, das war aber ungefähr alles, was er dagegen tun konnte. Wenn man in Rom eine Spur dieses Pontifex suchen würde, sollte man in die Kirche „Basilica Santa Maria degli Angeli“ gehen. Es ist ein geniales Werk von Michelangelo, der diese Kirche aus einer alten römischen Therme schuf. Auf dem Boden in der Kirche befindet sich der Meridian, den hier gerade Papst Klemens XI. platzieren ließ, als er den gregorianischen Kalender von einer Gruppe Wissenschaftler überprüfen ließ.

               Der Dom von Urbino ist von außen großartig, er ist ein riesiges Renaissancegebäude, auf dem, wie es in Italien schon Brauch ist – eine klassistische Fassade geklebt wurde. Es ging nicht anders, der Dom wurde von einem Erbeben im Jahr 1789 schwer beschädigt und bis zum Jahr 1801 praktisch neu aufgebaut. Der Eindruck ist nicht schlecht, der Klassizismus und die Renaissance harmonieren gut miteinander.

Das Innere der Kirche ist einfach, ebenso klassizistisch, mit Bildern von Barockmeister Federico Barocci – eine Menge seiner Bilder ist auch im Herzogspalast aufgestellt.

               Wenn man die Stadt Urbino von oben sehen möchte – was sich wirklich auszahlt – ist es notwendig zur Festung „Fortezza Albornoz“ oberhalb des „Parco della Resistenza“, das nach den Opfern des Widerstandes gegen Nazismus in der Zeit des zweiten Weltkrieges benannt ist, aufzusteigen

               Federico de Montefeltro hatte lediglich einen Sohn Guidobaldo, der starb im Jahr 1508 kinderlos. Er wurde aus der Stadt von Cesare Borgia vertrieben und nach seinem Tod übernahm die Familie della Rovere die Regierung in der Stadt (aus dieser Familie stammte Papst Julius II., der Papst in den Jahren 1503 – 1513 war und nicht vergaß, seine eigene Familie mit Herzogtum von Urbino reichlich zu beschenken. Nur für drei Jahre 1516 – 1519 wurde Lorenzo Medici Herzog von Urbino. Dank dieser Tatsache konnte seine Tochter Katharina den Titel Prinzessin von Urbino tragen, obwohl sie diese Stadt nie gesehen hat. Sie wurde im Jahr 1519 in Florenz geboren und ihre Eltern starben 15 und 21 Tage nach ihrer Geburt. Ihr Titel spielte aber eine wesentliche Rolle, als sich ihr Onkel Papst Klemens VII., mit eigenem Namen Giulio di Medici, erfolgreich bemühte, seine Nichte mit dem zweitgeborenen Sohn des französischen Königs Franz I. Heinrich zu verheiraten. Als Tochter eines reichen Kaufmanns Medici hätte sie keine Chancen und die Medici durften in Florenz, das auf seiner republikanischen Tradition beharrte, keine Titel tragen, obwohl sie in der Stadt viele Jahre inoffiziell herrschten. Dank ihres Titels Prinzessin von Urbino wurde Katharina später französische Königin und organisierte eines der furchtbarsten Gemetzel der Menschengeschichte – die Bartholomäusnacht in Paris im Jahr 1572.

               Die Familie De la Rovere übernahm im Jahr 1519 wieder die Macht in Urbino und im Herzogspalast ließ sie sich private Apartments im zweiten Stockwerk einrichten. Man kann sie besuchen, sie dienen als eine Pinakothek. Nach dem Aussterben der Familie De la Rovere im Jahr 1631 schloss Papst Urban VIII. Urbino an den Kirchenstaat an und die Stadt verlor ihre Bedeutung. Aus dieser Zeit stammt der ägyptische Obelisk, der im Jahr 1737 vor dem „Palazzo ducale“ aufgerichtet wurde.

               Natürlich zum Schluss eine immer wichtige Frage: Was sollte man in Urbino essen? In Rimini werden überall als ein Schnellimbiss „Piadine“, also Fladenbrot aus Mehl, Eier, Salz und Wasser angeboten. In Urbino heißt ein ähnliches Gericht „Cresce“, bzw. „Cresce sfogliate“. Neben Mehl, Eier, Schweinschmalz und Milch erhalten sie nur mehr Salz und Pfeffer. Ihr Ursprung muss man wieder einmal in der Zeit der Herrschaft Federicos de Montefeltro suchen. Federico mochte als ein Soldat einfache Gerichte. Als er aber seine Gäste bewirten sollte, wollte er ihnen doch etwas Besseres servieren, und so wurde in dem traditionellen Fladenbrot auch Milch, aber vor allem in dieser Zeit der rare und geschätzte Pfeffer beigemischt. In so einen Fladen kann man alles einwickeln, die einfachste Füllung ist „Prosciuto crudo“, Käse oder Rucola. Und ein Schnellimbiss für Tausende hungrige Studenten ist fertig. Deshalb gibt es in Urbino „Cresceriae“ an jeder Ecke.

San Marino

               Die winzig kleine Republik San Marino hat eine Fläche von 61,2km2 und 34 000 Einwohner. (sie ist der drittkleinste Staat im Europa nach Vatikan und Monaco). Sie ist unheimlich stolz auf ihre Geschichte und ihre Unabhängigkeit. Im Unterschied zu allen anderen italienischen Stadtkommunen hat hier niemals ein Diktator die Macht an sich gerissen, das Land ist immer eine Republik geblieben und ihre Verfassung wurde seit dem Jahr 1263 nicht geändert. Die Gesetzgebung unterliegt einem „Großen Rat“ mit 60 Mitgliedern, die Exekutivgewalt dann zehn Mitgliedern eines „Congresso die Stato“. An der Spitze des Staates stehen zwei „Capitani Regenti“, die sich mit einer großen Parade auf dem Freiheitsplatz vor dem „Palazzo del Governo“, also vor dem Regierungspalast  immer am 1.April und am 1.Oktober in ihrem Amt abwechseln.

               San Marino auf dem Gipfel des felsigen Berges Monte Titano sollte laut einer Legende im Jahr 303 in der Zeit der letzten großen Christenverfolgung unter dem Kaiser Diocletianus gegründet worden sein. Ein aus der dalmatischen Insel Rab stammender Steinmetz namens Marinus floh damals aus nahem Rimini in die damals unbewohnten Berge und gründete dort eine christliche Kommune. Der Beruf des Stadtgründers ist wahrscheinlich aber nicht der Grund, warum San Marino – anders als die herumliegenden italienischen Städte, wo in der Architektur Backsteine überwiegen – aus Stein gebaut ist. Die Ursache war eher die Verfügbarkeit dieses Baumaterials auf dem felsigen Monte Titano, im Gegenteil zur nahen Poebene, wo Stein eine kostbare Seltenheit ist. Die monumentalen Steingebäuden geben San Marino sein flair, als ob die Stadt wirklich mit dem umgebenden Italien nicht kompatibel wäre. Seine Schönheit kann man aber nicht abstreiten.

               Mit dem Toleranzedikt des Kaisers Konstantin aus dem Jahr 313 war die Christenverfolgung zu Ende, die christliche Kommune blieb aber weiterhin auf dem Berg und ließ sich dort nieder. Die folgenden unruhigen Jahrhunderte überlebten die Siedler in relativer Ruhe. Niemand wusste von ihnen und niemand kümmerte sich um sie. Trotzdem begannen sie im zehnten Jahrhundert mit dem Bau einer Stadtbefestigung – heute ist der Kreis der hohen Schutzsteinmauer die Hauptattraktion der Stadt. Die drei Türme, die die Stadtbefestigung dominieren, waren zweifellos die Inspiration für John Ronald Reuel Tolkien, als er seinen „Herrn der Ringe“ schrieb. Deshalb wird in San Marino jedes Jahr ein Tolkienfest organisiert. Die Türme sind imposant und gut sichtbar (abends, wenn die Sonne im Westen ist) sogar von der Küste bei Rimini. Sie sind natürlich auch im Staatswappen der Republik, wo, gleich wie überall in der Stadt, die Farben blau und weiß herrschen – die Farben, die für die Bürger der Republik ihre Freiheit symbolisieren.

Das Staatswappen ist mit Eichenzweigen als Symbol der Härte umgeben. Es gibt genug Eichen auf den Böschungen des Kalkfelsens „Monte Titano“ und San Marino musste nicht nur einmal die Tapferkeit und die Widerstandsfähigkeit beweisen, um seine Unabhängigkeit zu bewahren. Besonders im fünfzehnten Jahrhundert, als San Marino zu einer breiten päpstlichen Koalition gegen Sigismondo Malatesta aus Rimini beitrat. Die Sanmarinösen hatte mit der Familie Malatesta ihre liebe Not bereits seit dem dreizehnten Jahrhundert und verbanden sich also gerne mit jedem, der ihnen gegen die Herrscher von Rimini helfen konnte. Nach dem Sieg über Sigismondo im Jahr 1463 erhielten sie zur Belohnung von Papst Paul II. einige Dörfer am Fuße des Berges und so expandierte die Republik vom Felsen in die Ebene und erreichte ihre derzeitige Größe. Im Jahr 1503 besetzte zwar für eine kurze Zeit Cesare Borgia die Stadt, nach seinem Tod wurde aber der Anschluss der Republik an den Kirchenstaat diskret vergessen und sie durfte weiterhin unabhängig existieren.

               San Marino ist ein Idealziel für Eintagesausflug. Es ist ganz einfach erreichbar. Vom Bahnhof in Rimini verkehren zwischen Rimini und San Marino regelmäßig Busse, eine Zugverbindung gibt es zwischen Rimini und San Marino seit 1932. Wenn man sich entscheidet mit Auto anzureisen, dann fährt man auf der SS 72 von Rimini und man kann entweder bereits auf dem Parkplatz 11 in Borgo Maggiore einparken und dann mit einer Gondelbahn in die Stadt hochfahren oder man kann die Reise über die Kehren fortsetzen und dann ruhig in den Parkhäusern Nummer 9 oder 10 stehen bleiben. Von dort kommt man in die Stadt mit einem Lift, also schwitzen muss man nicht unbedingt, wenn man die Stadt erreichen will. Wer feste Nerven hat, kann weiterfahren und sich zu weiteren Parkplätzen von hübschen Polizistinnen in gelben Uniformen leiten lassen.

               Wenn man die Stadt durch das Tor des heiligen Franziskus betritt, findet man im Vorsaal einer Kirche, die direkt bei dem Eingang steht, eine Tafel, die eine Erklärung bietet, warum San Marino nicht zu Italien gehört. Es ist eine Gedenktafel, die an 31.Juli 1849 erinnert, als die Stadt Asyl Giuseppe Garribaldi und seinen zweitausenden Soldaten gewährte, die hierher von einer Übermacht von fünfzehntausend Österreicher getrieben wurden. San Marino war häufig ein Zufluchtsort, während des zweiten Weltkrieges suchten hier an die hunderttausend Menschen die Sicherheit. Garribaldi versteckte sich auf dem Monte Titano und am nächsten Tag gelang es ihm mit 150 treuesten Soldaten aus der Umzingelung zu entkommen.

Am 2.August drängten die Österreicher in die Stadt und suchten den ewigen Unruhestifter – vergebens. Nachdem das vereinigte Italienische Königsreich am 17.März 1861 verkündet wurde, meldete sich Garribaldi und bedankte sich gleich zweimal am 24.April und am 1.Juni für die Verleihung der Ehrenbürgerschaft San Marinos. Für die Liebhaber der italienischen Sprache also im Original:

„Vado superbo di essere cittadino di cotanto virtuosa repubblica.“

Es wäre durchaus möglich, dass Garribaldi die Bewahrung der Unabhängigkeit der „virtuosen“ Republik bereits im Jahr 1849 dem damaligen Kapitän Regenten Dominico Mario Belzoppi als Belohnung für das Asyl versprach. Die Bürger von San Marino versicherten sich aber auch wo anders, als sie die Ehrenbürgerschaft ihres Staates dem amerikanischen Präsidenten Abraham Lincoln mit der Begründung, dass die amerikanischen Idealen dem traditionellen Verständnis der Demokratie in ihrem Land entsprachen, verliehen. Abraham Lincoln bedankte sich für die Verleihung der Ehrenbürgerschaft in einem Brief aus 7.Mai 1861. Heben sie dann ein Land auf, dessen Ehrenbürgerschaft der amerikanische Präsident besitzt!

Am 22.März 1862 unterschrieb also das Italienische Königreich mit der Republik San Marino ein Abkommen über die gegenseitige Anerkennung der Souveränität, über den Respekt und Zusammenarbeit. Was blieb schon den Italienern übrig? Den unberechenbaren Garribaldi oder der mächtigen amerikanischen Präsidenten wütend zu machen zahlte sich wegen eines Felsens wirklich nicht aus.

Natürlich trägt ein Platz in San Marino den Namen Garribaldis, der von seiner Büste beherrscht wird. Auf diesem Platz befindet sich das Museum der Philatelie und Numismatik, also Briefmarken- und Münzenmuseum, weil San Marino aufgrund einer Übereinkunft mit dem  Italienischen Königreich aus dem Jahr 1862 das Recht eigene Münzen zu prägen und eigene Briefmarken auszugeben hat – die Münzenprägung muss allerdings der italienischen Emissionspolitik entsprechen. Die erste Münze war eine Kupfermünze mit Nominalwert von 5 Centessimi aus dem Jahr 1864, später kamen Silbermünzen und seit dem Jahr 1925 auch Goldmünzen dazu. In der Gegenwart sind sie ein Teil der Eurozone und die Münzen von San Marino sind dankbares Sammelobjekt für die Münzensammler. Auch deshalb änderte die Republik im Jahr 2017 das ursprüngliche Design der ersten Münzen aus dem Jahr 2002 und ließ in der neuen Serie neue Motive prägen. Die Serie aus dem Jahr 2017 in dem Nominalwert 3,88 Euro konnte ich in einem Souvenirgeschäft auf der Piazza Garribaldi für 65 Euro kaufen – es ist also für die winzige Republik kein schlechtes Geschäft.

Eigene Briefmarken begann San Marino im Jahr 1877 auszugeben. In San Marino lebte einer der ersten Wissenschaftler im Fach der Numismatik Bartolomeo Borghesi, der wissenschaftlich die Münzen der Römischen Republik bearbeitete und in San Marino eine Büste zu seiner Ehre hat. Also eine Tradition in der Münzenprägung gibt es allemal.

San Marino musste ein großes diplomatisches Geschickt beweisen, um die eigene Unabhängigkeit zu bewahren. Im Jahr 1739 versuchte es der Kardinal Giulio Alberoni, die Macht in der Stadt an sich zu reißen. Die Bürger von San Marino wendeten sich an den Papst und er befahl dem Kardinal, sich aus der Stadt zurückzuziehen. Im Jahr 1740 war die Republik schon wieder frei. Im Widerstand gegen diese Okkupation – die einzige in der Geschichte der Republik – spielte eine wichtige Rolle Girolamo Gozi. Sein Denkmal aus Bronze steht auf dem Platz der Heiligen Agatha gleich hinter dem Eingangstor in die Altstadt.

Als Anerkennung seiner Verdienste wurde er im Jahr 1742 zum Kapitän Regent gewählt. Als Napoleon Norditalien erobert und die Cisalpinische Republik gegründet hat, war das Schicksaal von San Marino wieder einmal unsicher. San Marino schickte an Napoleon einen Brief, in dem die Verbreitung der Ideen der Französischen Revolution bewundert wurde. Ideen, die mit den seit Jahrhunderten in San Marino herrschenden Idealen übereinstimmten. Napoleon bot dann unter dem Eindruck dieses Briefes San Marino zwei Kanonen, eine Getreidelieferung und eine Erweiterung des Gebietes der Republik bis zum Meer mit Einnahme von Rimini. San Marino hatte wieder einmal einen gescheiten „Capitano Regent“. Er lehnte die Kanonen sowie auch die Landeinnahme ab, er war bereit, lediglich das Getreide zu empfangen. Dank dieser Entscheidung wurde San Marino auf dem Wiener Kongress nicht zu Napoleons Verbündeten gezählt und durfte seine Souveränität behalten.

               Das Zentrum der Stadt ist die „Piazza della Liberta“ mit der Freiheitsstatue von Stefano Galleti und mit dem „Palazzo del Governo“ – auch Palazzo publico genannt. Es ist im neugotischen Stil gebautes Gebäude aus dem Jahr 1894. In dem residiert der Rat der Zehn. Am Samstag, als wir die Stadt besuchten, gab es natürlich Hochzeiten und der Palast war deshalb für die Öffentlichkeit geschlossen.

               Auf dem Weg hinauf kommt man zum so genanntem Canton, wo die Bergstation der Gondelbahn ist (und die Büste von Bartolome Borhesi und, fantastische Ausblicke in die Landschaft geboten werden. Gleich daneben gibt es „Cava die Baleistrieri“, wo die San-Marinesen Armbrustschützer ihre Kunst vorführen. Überall gibt es moderne Metallstatuen (ich konnte den Namen ihres Autors nicht erfahren, aber sie haben etwas mysteriöses in sich und ergänzen perfekt die mittelalterliche Mauer und Gebäude). Sie haben ein Hauch von Fantasy und führen einen Menschen in die Welt des „Game of Thrones“ oder „Herr der Ringe“.

Die San-Marinesen können also ihre Stadt mit gutem Geschmack schmücken. Weiter bergauf kommt man zum klassizistischen Gebäude der Kirche „Del Santo“, wo die Knochen des Stadtgründers des Heiligen Marinus aufbewahrt werden. Dann führt der Weg nur mehr zu den drei Türmen der Stadtbefestigung.

               Der erste Turm Rocca Guaita ist der älteste. Er stammt aus dem elften Jahrhundert und ist ein Teil der Stadtmauer, eigentlich bildet er den höchsten Punkt der Stadtbefestigung.

Von dort führt ein Schutzweg („Via del Strege“, also ein „Hexenweg“) zu zweitem Turm Rocca Cesta oder auch Fratta. Dieser Turm ist noch eine klassische Festung mit allem, was dazu gehört, sogar mit einer Kapelle für die Besatzung.

Weiter geht der Weg zu dem dritten Turm Rocca Montale. Seine Bedeutung stieg angeblich in der Zeit der Kämpfe gegen die Familie Malatesta im vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert. Rekonstruiert wurde er im Jahr 1935, seine heutige Funktion blieb für mich allerdings rätselhaft, beim besten Willen konnte ich nämlich keinen Eingang finden.

               Die Wege zwischen den Türmen sind nicht besonders lang, es ist immer nur ein paar hundert Meter und zwischen dem ersten und dem zweiten Turm darf natürlich eine Bar mit einer Erfrischung nicht fehlen. Wenn man die Türme im Abendlicht von Rimini beobachtet, scheint die Entfernung zwischen ihnen viele Kilometer zu sein und man wundert sich, wie man alle Türme in der sommerlichen Hitze besuchen konnte. Es ist aber nicht schwer und es ist ein schönes Erlebnis. Der Eintrittspreis ist absolut akzeptabel. Als Senioren über 60 Jahre zahlten wir 6 Euro für den Besuch aller Türme sowie auch Museen – wir besuchten das Museum der Philatelie und Numismatik und das Stadtmuseum. Das Stadtmuseum ist besuchswert. Außer der Stadtgeschichte ist hier als der größte Anziehungsgegenstand ein Goldschatz aus dem Grab einer gotischen Prinzessin aus der Zeit des Königs Theodorich des Großen, also aus dem Anfang des sechsten Jahrhunderts, ausgestellt. Der Schatz wurde in den Jahren 1892 – 1893 im Dorf Domagnano auf dem Gebiet der Republik ausgegraben.

               Essen und Trinken war in San Marino in akzeptablem Bereich und das Parken für die gesamte Besuchszeit, die über 5 Stunden dauerte, kostete 4,50 Euro.

               San Marino erwies sich also als touristisch außerordentlich freundliches Land. Sogar der Treibstoff kostete hier um 10 Cent weniger als in Italien und um zwanzig weniger als in Österreich. Also die Versuchung hier zu tanken war besonders groß. Ich tankte voll, obwohl der Tankautomat jede Konversation in einer anderen als italienischen Sprache streng verweigerte.

Rimini II

Das zweite Mal, etwas weniger romantisch, schrieb sich Sigismondo Pandolfo Malatesta in die Lebesgeschichten der Stadt ein. Dieser Mensch war ein typisches Produkt Italiens in der Renaissancezeit. Er war sehr gebildet, gottlos, gewalttätig und rücksichtlos, ein hervorragender Heerführer und ein Schürzenjäger. Er unterstützte Kultur, er sponserte Maler und Bildhauer, er umgab sich mit Künstler wie Agostino di Duccio, Giovanni Bellini und Ghirlandaio. Übrigens, bereits seit dem vierzehnten Jahrhundert gab es in Rimini eine eigene Künstlerschule. Sigismondo ließ in Rimini die Franziskanerkirche zu einem „Tempio Malatestiano“ umbauen, was ein Grabmal seiner Geliebten und dritter Frau Isotta degli Atti sein sollte und wo er später selbst begraben wurde.

Tempio Malatestiano

Es ist ein prächtiges Renaissancegebäude, obwohl das Projekt Sigismondos, hier so etwas wie ein Pantheon für berühmte Gelehrte seiner Zeit zu errichten dem Papst viel zu heidnisch schien. Sigismondo ließ sich auf der Kirchenwand in einem Fresco von einem der berühmtesten Künstler der damaligen Zeit Piero della Francesca darstellen. Kniend und voll Reue, was seinem Naturell überhaupt nicht entsprach.

Es ist ein von zwei seiner Portraits, die erhalten geblieben sind, der zweite befindet sich in Paris. Mit seiner geliebten Isotta war es ein bisschen problematisch. Sigismondo war nämlich in der Zeit, als er mit ihr ein Verhältnis hatte, gleich zweimal verheiratet und seine Gattinnen waren aus keinem schlechten italienischen Hause – Ginevra d´Este war eine Tochter von Niccolo III. d´Este aus Ferrara und Polisena Sforza war eine Tochter von Francesco Sforza, des Gründers des Ruhmes seiner Familie in Mailand. Nach den erhaltenen Berichten ließ Sigismondo die Erste vergiften und die Zweite erdrosseln, um endlich seine geliebte Isotta heiraten zu dürfen. Diese Berichte stammen allerdings aus der päpstlichen Kanzlei und ihre Verlässlichkeit kann man anzweifeln. Frage ist, wieviel von den Sünden, die Sigismondo zugeschrieben wurden (Er wurde „Ezzelino“, also „der kleine Atilla“ genannt, offensichtlich blieb hinter ihm nicht gerade wenig Leichen) er tatsächlich beging und wieviel davon das Produkt der päpstlichen Propaganda war. Der größte Fehler Sigismondos war nämlich, dass er sich zum Todfeind den größten Condottiere der damaligen Zeit, Federico di Montefeltro, gemacht hat, der im benachbarten Urbino herrschte. Sigismondo führte einen Ermüdungskrieg mit ihm und der hervorragende Stratege Federico konnte Papst Pius II. an seine Seite ziehen. Dieser, obwohl selbst kein Heiliger (er war der ehemalige Kanzler des Kaisers Friedrich III. und ein großer Humanist Aeneas Silvius Piccolomini), war von den angeblichen Verbrechen Sigismondos so weit erschüttert, dass er in Rom sein Portrait öffentlich verbrennen ließ und ihn zur Verdammung in der Hölle verurteilte. Als nicht einmal so etwas Sigismondo zur Einkehr bringen konnte, schmiedete der Papst eine breite Koalition gegen ihn, die auch sein Nachfolger Paul II. fortsetzte, und mit vereinigten Kräften ist es gelungen, Sigismondo zu besiegen und ihm alle seine Länder mit Ausnahme von Rimini zu entnehmen.

               Sigismondo ließ am nördlichen Rand der Stadt eine gewaltige Festung bauen (Castel Sismondo), die bis heute erhalten blieb und heutzutage als Museum dient, nicht einmal die konnte ihm aber zum Sieg helfen.

Castel Sigmondo

               Sigismondo machte vor seinem Tod die Kinder von Isotta zu seinen Erben, er rechnete allerdings nicht damit, dass seine gewalttätigen Gene in der reinsten Form sein Sohn aus einer anderen außerehelichen Beziehung mit Vanetta Tocchi, Roberto, geerbt hatte. Sigismondo zeugte mindestens dreizehn Kinder (manche Autoren zählten sogar 21 Nachkommen aber im offiziellen Stammbaum der Familie Malatesta im Stadtmuseum sind dreizehn angeführt, also bleiben wir bei dieser Zahl), wobei er – wie es damals üblich war – kein Unterschied zwischen legitimen und illegitimen Kindern machte. Roberto beseitigte im Jahr 1470 seine Stiefbrüder, die Söhne von Isotta, Sallustio und Valerio und wurde Herrscher in Rimini. Er versöhnte sich mit Federico von Urbino, er heiratete sogar eine Tochter des Herrn von Urbino und er erreichte auch einen Ausgleich mit Papst Sixtus IV. (mit dem ersten wirklichen Verbrecher auf dem päpstlichen Thron, ihm folgte eine Reihe ähnlichen Existenzen, wie Innozenz VIII, Alexander VI. Borgia und Julius II della Rovere – dann musste schon zwingend Luther mit seiner Reform kommen).

               Gerade Cesare Borgia, der Sohn von Papst Alexander, vertrieb im Jahr 1503 Robertos Sohn Pandolfo IV. aus Rimini und beendete damit die Herrschaft dieser Familie in der Stadt. Pandolfo und sein Sohn Sigismondo haben es mehrmals versucht, die Stadt wieder unter ihre Kontrolle zu bringen, sie blieb aber dauerhaft unter päpstlicher Verwaltung. Rimini wurde zu einer von vielen Städten im Kirchenstaat und wurde arm, besonders, als ein Erdbeben im Jahr 1672 den Hafen verschüttete – und dann erschien in der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts der Tourismus. An die päpstliche Herrschaft erinnert die Statue des Papstes Paul V. auf dem zentralen Platz der Stadt „Piazza Cavour“.

Papst Paul V. (Pontifikat 1605 – 1621)

Dieser Papst hatte keine Verdienste um Rimini, er herrschte aber gerade in Rom als es die Bürger von Rimini beschlossen, es mit der Arschkriecherei zu probieren in der Hoffnung, es könnte etwas bringen. Es brachte nichts. Auf der Piazza Cavour gibt es auch das „Palazzo publico“, also das Rathaus, und das Stadttheater „Teatro Galli“ aus dem Jahr 1846 (erneuert nach seiner Zerstörung im zweiten Weltkrieg und wiederöffnet im Jahr 1947) im klassizistischen Stil. Alle historischen Gebäude mussten nach dem Krieg neu gebaut werden, das Ergebnis ist aber imposant und eigentlich auch schön. An der westlichen Seite schließt sich an den Platz eine gemauerte Kolonnade, es war ursprünglich der Fischmarkt, gebaut im Jahr 1749, der die Bedeutung der Fischerei für die Stadtwirtschaft symbolisieren sollte (heute ist es marginal). „Fontana della Pigna“ (Pinienzapfenfontäne) stammt aus dem Jahr 1543, es wurden Artefakte aus den römischen Zeiten in sie eingebaut. Als Erster erwähnte sie niemand geringer als Leonardo da Vinci.

               Die Stadt Rimini ist auch mit der Mission des heiligen Antonius von Padua verbunden. Er begann seine italienische Karriere im nahen Forli, wo er seine erste Predigt hielt. In Rimini konnte er die Bürger nicht wirklich mit seiner Rede fesseln. Wenn sie kein Interesse zeigten, sich seine Predigt anzuhören, ging er zum Fluss Marecchia und er predigte den Fischen. Nur als die Fische seiner Predigt interessiert zuhörten, schlossen sich auch die Menschen an. Die Kirche des heiligen Antonius steht aber auf einem anderen Platz, nämlich auf dem „Platz der drei Märtyrer“, also auf dem ehemaligen römischen Forum.

Der Platz bekam seinen Namen zu Ehren dreier hingerichteter antinazistischen Widerstandkämpfer, die hier am 16.August 1944 gehängt wurden. Mit dem Platz, wo die Kirche steht, steht sich eine andere Geschichte in Verbindung, nämlich das Eucharistiewunder. Es sollte gerade hier stattfinden.

               Antonius, wie auch der ganze Franziskanerorden, gehörte zu so genannten Realisten, die glaubten, dass bei der heiligen Messe sich in der Hostie das Brot in einen tatsächlichen Leib Christi verwandelt, der Mensch ist allerdings nicht in der Lage, dieses Wunder mit seinen Sinnen zu ergreifen. Es bestand auch die Schule der Symbolisten, die die Hostie nur für ein Symbol des letzten Abendmales hielten und lehnten die tatsächliche Anwesenheit des Leibes Christi in ihr ab. Antonius geriet so mit einem – einem reichen Bürger namens Boncillo – in Streit. Als Boncillo Antonius für seine Lehre auslachte, forderte ihn Antonius zu einer Konfrontation auf. Boncillo sollte sein Maultier drei Tage hungern lassen und dann zur Kirche bringen, und zwar zum Zeitpunkt, als Antonius das Brot in ein Leib Christi verwandeln würde. Boncillo sollte dem hungernden Tier ein Korb mit Hafer anbieten, Antonius behauptete, dass das Tier das Essen nicht merken, sondern vor der Hostie niederknien würde. So geschah es. Das Maultier ignorierte den angebotenen Hafer und kniete vor Antonius. An dem Ort dieses Wunders gibt es eine kleine Pilgerkapelle, das Wunder wird im Inneren der Kirche sogar mehrmals dargestellt (an der Wand bei dem Kircheneingang dann noch einmal).

               Der Dom, also die Kathedrale Sant´Agostino ist etwas in einer Seitengasse (mit vielen kleinen Geschäften) versteckt, es ist ein riesiges Gebäude aus Backsteinen, in ihrem Inneren, wie die meisten Kirchen in Rimini, klassizistisch gestaltet. Mit der Popularität vom „Tempio Malatestiano“ kann sie nicht mithalten.

Der Dom von Rimini

               Wenn man durch die Arkaden des Rathauses auf die Piazza Cavour geht, kommt man auf ein kleines Plätzchen mit einer großen Statue eines Nasenhorns. Es ist der Platz des heiligen Martins. Hier befindet sich das Museum Federico Fellinis (1920 – 1993), eines des berühmtesten Regisseurs der Kinematographie.

Er wurde in Rimini geboren, er besuchte die Stadt jeden Sommer und mehrmals ließ er hier seine Filme entstehen, besonders sein Film Amarcord. Fellini gewann insgesamt fünf Oscars, vier davon in der Kategorie „der beste nicht englischsprachige Film“, kein anderer Filmemacher kam ihm nur nahe. Im Jahr 1993, also kurz vor seinem Tod, hat er dann noch einen Oscar für das Lebenswerk erhalten. In Rimini ist dieser Mann eine Kultfigur. Nicht nur, dass nach ihm der Flughafen benannt wurde und er in der Stadt ein eigenes Museum hat (die Karte für das Fellinimuseum ist allerdings mit der Malatestafestung (Castel Sismondo) kombiniert, warum es so ist, habe ich nicht erfahren können. Es gibt eine ganze Felllinirunde. In der besucht man das Geburtshaus Fellinis in der „Via Dardanelli“ nahe dem Hafen, dann Palazzo Dolci in der Via Clementini, wohin die Eltern Fellini umzogen, als Fellini noch ein Bub war, dann das Kino Fulgor, wohin der kleine Fellini ging, und seine Inspiration gerade in diesem Fach tätig zu werden fand (es ist ein bisschen altmodischer, aber noch immer charmanter Kinosaal und sicherlich besuchswert). Dann gibt es in der Runde Orte aus seinen Filmen wie Borgo San Giuliano hinter der Tiberiusbrücke, Piazza Cavour, Palazzo Gambalunga, wo es ein altes Gymnasium mit Theater und eine Bibliothek gibt, „Piazzale Battisti“ vor dem Bahnhof, Piazalle Boscovich an der Mole an der Mündung des Flusses Marecchia, wo sich Szenen aus dem Film Amarcord abspielten und letztendlich „Piazzale Fellini“ am Meeresufer mit einer großen Fontäne und einem riesigen Podium, wo Konzerte veranstaltet werden, wie zum Beispiel in der „Rosaroten Nacht“ „Notte rosa“ jedes Jahr am 1.Juli. An diesem Tag (besser gesagt in dieser Nacht) verkleidet sich Rimini in Pink. Rosarote Hütchen oder Papierhalsbänder werden an jeder Ecke verkauft. In rosa leuchtet auch der Augustusbogen oder die Tiberiusbrücke sowie auch die Fontäne auf „Piazzale Fellini“.

Die Stadt feiert mit Musik eine große Party, einen Platz in einer Bar oder in einem Restaurant zu finden verlangt Geduld. Allerdings nur am Meeresufer, in der Altstadt gibt es in dieser Nacht „Tote Hose“.

               Fellini ist in „Cimitero di Rimini“ im Stadtviertel Rivabella gemeinsam mit seiner Gattin Giulietta Massina und mit ihren einzigen gemeinsamen Kind Pierfederico, der lediglich elf Tage am Leben blieb, begraben. Fellinis imposantes Grabmal „La Grande Prua“ steht gleich beim Friedhofeingang und es wurde vom italienischen Bildhauer Arnaldo Pomodora entworfen.

               Was kann Rimini noch mehr anbieten? Zum Beispiel „Italia in Miniatura“ bei Viserbo, acht Kilometer von Rimini auf der SS 16 entfernt (SS bedeutet leider nicht wie in Österreich Schnellstraße sondern „Strada statale“, also es ist nicht notwendig, sich durch ein langsames Weiterkommen frustrieren zu lassen). Der Verkehr in Rimini funktioniert absolut passabel. Thermalquellen gibt es in Riccione, einem Städtchen, das in Süden an Rimini grenzt und wenn man talaufwärts am Fluss Marecchia fährt, erscheint nach neun Kilometer ein Felsennest „San Leo“, wo im Jahr 1795 nach siebenjähriger Haft der Alchemist Cagliostro starb, der eine Inspiration für Goethe und Schiller war.

               Sollte sich man in Rimini doch beginnen zu langweilen, was besonders den Kindern passieren könnte, dann gibt es im Stadtviertel Rivaazzura einen Vergnügungspark „Fiabilandia“, etwa im Stil von Gardaland. In Rimini hat man es nicht nötig, überall mit dem eigenen Auto zu fahren, die Busverbindung funktioniert verlässlich. Die südlichen Strände werden mit dem Stadtzentrum mit der Linie 11 verbunden und die nördlichen mit der Linie 4. Eine Fahrkarte kostet 1,50 Euro und man kann sie in jeder Tabaccheria kaufen, die es an jeder Ecke gibt. Das Rauchen gehört noch immer in der „Macho-Ländern“ zum Zeichen der Männlichkeit, eventuell Unabhängigkeit, deshalb rauchen hier auch viele Frauen. Ich liebe diese „Macho-Länder“ da hier die Frauen und Mädchen immer sehr gepflegt und schön angezogen auf den Straßen laufen und es ist ein Genuss, sie zu beobachten. Das Sonnenbad „oben ohne“ ist hier aber verpönt. Wir befinden uns doch auf dem Gebiet des ehemaligen Kirchenstaates und der erste Strand wurde von einem Bischof und einem Kardinal eröffnet.

               Der überfüllte Strand von Rimini ist zum Aushalten. Als ich meine Frau fragte, ob es im Meer noch einen freien Platz zum Baden gab, antwortete sie, dass es nur mehr Stehplätze gab. Natürlich hat sie übertrieben. Man musste noch ein bisschen weiter vom Ufer gehen und es gab genug Platz sogar zum Schwimmen. An flachen Sandstränden kann man nämlich hunderte Meter ins Meer gehen und noch immer spürt man den Boden unter den Füssen. Natürlich solange der Strand nicht mit der Bakterie Escherichia coli verseucht ist,. weil die Kreuzschiffe ihre Toilette ins Meer entleeren. Aber das passierte nach unserer Abfahrt.

               Und noch eine wichtige Frage – was isst man in Rimini? Natürlich alles, was italienisch ist. Es gibt hier Unmengen von Restaurants, Trattorien, Osterien, Cantinen und Bars, ich glaube, dass nicht einmal die Stadtverwaltung ahnt, wieviel es davon gibt. Womit Rimini die Weltküche bereichert hat, ist nicht die Pizza, die stammt aus Apulien. In Rimini werden „piadine“ gegessen. Ich habe zu meinem Erstaunen für dieses Wort in keinem Wörterbuch und nicht einmal im Internet eine passable Übersetzung gefunden. Deutsche übersetzen das Wort „Piadina“ als „Fladenbrot kebab“, von dieser Übersetzung könnte ein gebürtiger Italiener vom Schlag getroffen werden. Es ist einfach ein Fladenbrot aus Mehl, Wasser und Salz. Man kann es mit jedem Zusatz füllen. Wir aßen zwei Piadine in der Cantina „Hasta luego“ am lieben Plätzchen San Martino vor dem Fellinimuseum, besonders die eine mit Roastbeef war wirklich gut.

               Also nicht einmal vom Hunger ist man in Rimini bedroht.

Rimini I

               Wenn man Rimini sagt, stellt man sich gleich übervölkerte Strände vor, ein Gedränge in den Straßen sowie auch im Meer und wilde nächtliche Partys. Es ist grundsätzlich wirklich so. Einmal hatte ich die Gelegenheit, den berühmten Strand von oben von einem Flugzeug aus zu sehen, als ich nach Spanien flog. Er ist vierzig Kilometer lang und zweihundert Meter breit und er strahlte mit seinem goldenen Sand bis in den Himmel. Es gibt in Italien wahrscheinlich nichts des Gleichen oder Vergleichbares und deshalb wurde Rimini – beginnend mit dem Jahr 1843 – zum Mekka für alle Urlauber, die das Liegen in der Sonne und das Baden im warmen Wasser lieben. Wie zum Beispiel meine Frau.

               Im Jahr 1843 haben nämlich der Bischof von Rimini Francesco Gentilini und der Kardinallegat Luigi Vannicelli Casoni das erste „Privilegierte Strandbad“ eröffnet, das von den Grafen Alessandro und Ruggero Baldini und vom Arzt Claudio Tintori als das erste Badezentrum am Meer an der Adria gegründet wurde. Es war damals eine große Begebenheit und der Beginn der Prosperität der bis dahin untergekommenen Stadt Rimini.

               Wenn eine Stadt im Winter 150 000 Einwohner hat, und im Sommer vermehrt sich ihre Zahl fünffach, muss man, glaube ich, nichts kommentieren. Ich rechne keine Gäste aus den umliegenden Städtchen Riccione oder Cattolica dazu – dort geht nämlich der berühmte Strand zu Ende. Rimini ist sehr gut erreichbar. Entweder per Flugzeug, mit dem landet man auf dem Flughafen, der den Namen des berühmtesten Sohnes der Stadt Federico Fellini trägt, mit dem Zug aus Bologna oder auf der Autobahn ebenso aus der Richtung von Bologna. Wer die Autobahngebühr sparen will, kann eine Abkürzung auf der Küstenstraße über Ravenna nehmen, muss dann aber eine Stunde mehr in die Einfahrtzeit einkalkulieren. Die Stadt Rimini ist also bereit, so viel Touristen wie möglich aufzunehmen und deshalb ist die ganze Küste mit Hotels und Appartementhäusern verbaut, man findet hier eigentlich nichts anderes. Die Strände haben ihre Nummer und Reservationen für bestimmte Hotels und Appartements, die Preise für Sonnenschirme und Liegen sind für die Hotelgäste absolut akzeptabel.  Wir bezahlten für einen Sonnenschirm und zwei Liegen für sechs Tage 87 Euro, also 14,50 Euro für einen Tag. Rimini hat allerdings viel mehr anzubieten, sogar für so einen Nörgler wie mich.

               Rimini hat eine reiche Geschichte und obwohl es in dem zweiten Weltkrieg fast dem Boden gleich gemacht wurde, schafft es sich stolz zu präsentieren. Also zumindest das, was man retten oder nach dem Krieg rekonstruieren konnte. Im Jahr 1944 hatte die Stadt Pech. Gerade durch die Stadt (oder ein bisschen südlicher über die Stadt Pesaro) führte die so genannte Gotenstellung (italienisch Linea Gotica genannt), wo sich die Deutschen befestigten, um die Alliierten bei ihrem Vormarsch nach Mitteleuropa zu stoppen). Diese Verteidigungslinie führte quer durch die ganze Appenninhalbinsel, die Alliierten hatten aber keine Lust in den Bergen zu kämpfen, wo sie ihre technische Überlegenheit nicht geltend machen konnten. Sie entschieden sich also für einen Angriff der Küste entlang und den Kanadiern, die den Hauptvorstoß führten, stand gerade die Stadt Rimini im Weg. Sie machten es also dem Boden gleich und machten so den Weg für den Vormarsch der achten britischen Armee frei. Die Kriegsoperation endete mit einem Erfolg, die Gotenstellung wurde durchbrochen, für die Stadt Rimini war es aber fatal.

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               Es gelang zumindest die wichtigsten Stadtgebäuden zu rekonstruieren und auch ein paar historische Monumente, die wie Artefakte in der modernen Bebauung wirken. Es wäre allerdings sicher schade, wenn sie verschwunden wären.

               Rimini wurde im Jahr 268 vor Christi Geburt als eine römische Kolonie namens Ariminium gegründet. Ihren Namen bekam sie nach dem Fluss Ariminus, der bei der Gründung eine entscheidende Rolle spielte, weil in seiner Mündung der Hafen gebaut wurde. Die Adriaküste ist nämlich in dieser Gegend gerade und bietet keine anderen Möglichkeiten für Schiffe, sich vor dem Unwetter zu schützen.

Die Flussmündung bietet diesen Schutz auch noch heute, obwohl der Fluss heute Marecchia heißt und sein Strom verlegt worden ist. Nahe am Meer stehen Ausflugschiffe vor Anker, hinter ihnen Fischerboote, dann Yachten und weiter im Innenland dann Motorboote. Alles schön eines nach dem anderen nach ihrer Wichtigkeit, wie das sein soll. In Rimini herrscht nämlich für italienische Verhältnisse außerordentliche Ordnung und Sauberkeit (obwohl die Italiener nicht immer den Kot ihrer Hunde entsorgen, also aufpassen, wohin man tritt). 

               Im Jahr 220 v.Ch. ließ Konsul Gaius Flaminius die Straße Via Flaminia bauen, die gerade in Ariminium endete und so aus der Stadt den nordöstlichen Vorposten der römischen Macht machte. (Gaius Flaminius starb drei Jahre später in der Schlacht an Trasimenersee im Kampf gegen Hannibal). Später schlossen sich an die Via Flaminia die Via Emilia, die von Ariminum nach Piacenza und weiter nach Mailand führte, und die Via Poppilia an, also konnte die Ware, die im Hafen von Rimini umgelagert wurde, gleich in drei Richtungen befördert werden und die Stadt wurde zu einem Verkehrsknoten. Als Diktator Sulla den Fluss Rubikon zur nördlichen Grenze Italiens erklärte (weiter nördlicher gab es die Provinzen Gallia Cispadana und Gallia Cisalpina), wuchs die Bedeutung der Grenzstadt weiter und alle Bürger der Stadt erhielten die römische Bürgerschaft. Das Gesetz erklärte, dass kein römischer Heerführer diese Grenze an dem Rubikon mit einer Streitkraft übertreten durfte.

               Allerdings sagte im Jahr 49 v.Ch. ein bestimmter Gaius Julius Caesar seinen berühmten Satz „Alea iacta est“ und ignorierend das Gesetz Sullas (den er nie leiden konnte), er übertrat den Rubikon und begann damit den Bürgerkrieg. Ariminum war die erste Stadt, die er einnehmen konnte und hierher eilten zu ihm seine Parteigänger wie Marcus Antonius, aber auch die Verhandler der senatorischen (heute würde man sagen demokratischen) Partei, geführt von Caesars Neffen Lucius Caesar. Sie hatten keinen Erfolg und Lucius selbst, obwohl er vom Onkel amnestiert, wurde im Jahr 46. aus Caesars Anlass ermordet. An die Anwesenheit Caesars in der Stadt erinnert seine Statue auf dem Platz „Piazza de tre Martyri“, wo in römischen Zeiten das Forum war. 

 

               Im Jahr 27 v.Ch. ließ in Ariminium Oktavianus, der gerade in diesem Jahr sich Augustus zu nennen begann, seinen ersten Triumphbogen bauen. Der Bau den Triumphbögen wurde später zur Mode, die sich kein Kaiser entgehen lassen wollte, allerdings der Augustusbogen in Rimini aus dem Jahr 27 v.Ch. ist der älteste auf der Welt. Später wurde er praktischerweise in die Stadtmauer als das Tor auf der Via Flaminia eingebaut, die in der Stadt ihr Ende findet.

Augustusbogen

               Augustus Adoptivsohn Tiberius ließ den Bau der Brücke über den Fluss Marecchia beenden und verband so die Stadt mit der Fischerkolonie an dem anderen Flussufer. Die Brücke steht noch heute und überstand sogar das Grauen des zweiten Weltkrieges- die Römer kannten sich in der Baukunst wirklich aus. Der Augustusbogen wird durch „Corso Augusto“ – die Hauptstraße von Rimini und eine Fortsetzung der Via Flaminia – mit der Tiberiusbrücke verbunden.

Tiberiusbrücke

               Aus den römischen Zeiten blieb einiges erhalten. Nicht nur „Das Haus des Chirurgen“ auf der „Piazza Ferrari“, sondern viele Artefakte, die im „Museo della Citta“ ausgestellt werden, nur um eine Kirche von der Piazza Ferrari entfernt. Das Museum befindet sich im ehemaligen Jesuitenkollegium, im Hof ist ein römisches Lapidarium mit vielen antiken Grabsteinen.

Das Erstaunlichste im Museum sind rekonstruierte Bodenmosaiken der römischen Häuser – eben auch aus dem Haus des Chirurgen, das bei dem ersten Einfall der Alemannen im dritten Jahrhundert vernichtet wurde. Das römische Amphitheater in der südwestlichen Ecke der Altstadt ist schwer zu finden. Ich wollte die Suche gerade aufgeben, als ich merkte, dass ich mich gerade im „Viale al Anfiteatro“ befand. Ich kämmte also die ganze Umgebung durch und ich habe das Amphitheater gefunden. Ich muss – glaube ich – nicht betonen, dass in einem Amphitheater, das man so schwer finden kann, nicht gerade viel zu sehen ist.

               Wegen seiner strategischen Bedeutung wechselte die Stadt häufig ihre Besitzer, was ihr nicht besonders gefiel. Zuerst wurde sie vom Gotenkönig Totilla im Jahr 550 n.Ch. eingenommen, ein paar Jahre später wurden die Goten aus der Stadt vom byzantinischen General Narses vertrieben und Rimini wurde für die nächsten zweihundert Jahre ein Teil des Exarchates von Ravenna, also des von Byzantinern beherrschten Gebietes in Norditalien. Die Langobarden eroberten die Stadt im Jahr 728, im Jahr 756 war Rimini ein Teil der „Pippinischen Schenkung“, also der Region, die der Frankenkönig dem Papst als eine Gegenleistung für seine Krönung zur direkten Verwaltung geschenkt hat.

               Mit der Verwaltung aus fernem Rom war es nicht so einfach. Der Papst hatte nicht genug Kraft, um auf seinem Gebiet Ordnung zu halten und die Stadtkommunen emanzipierten sich. Sie machten sich selbständig – und rauften miteinander. Im Jahr 1157 erteilte Kaiser Friedrich Barbarossa – wahrscheinlich um den Papst zu ärgern – der Stadt Rimini das Recht der Selbstverwaltung und Münzenprägung. Im Jahr 1216 nach einer Niederlage im Krieg gegen die Stadt Cesena wusste die Stadtregierung nicht, was zu tun. Sie heuerte also zwei Mitglieder der mächtigen Familie Malatesta an, um die Führung der Streitkräfte zu übernehmen. Malatesta I. Malatesta wurde zu Podesta der Stadt und übernahm die Macht. Wenn schon die Armee unter seinem Kommando stand, konnte er offensichtlich nicht widerstehen. Sein Sohn Malatesta da Verucchio, der unglaubliche hundert Jahre alt wurde, hatte genug Zeit, um die Macht in der Stadt zu festigen. Im Jahr 1288 wurde er zwar vertrieben, bereits im Jahr 1295 kehrte er aber zurück und die Familie Malatesta herrschte in Rimini weitere zweihundert Jahre.

               Die Mitglieder der Familie zeichneten sich mit Klugheit, hoher Bildung, politischer Weitsicht und vor allem mit einer unglaublichen Rücksichtlosigkeit aus. Das alles waren hervorragende Voraussetzungen für ihren politischen Erfolg. Zum Beispiel Carlo I. Malatesta gewährte in der Zeit des päpstlichen Schismas dem aus Rom vertriebenen Papst Gregor XII in Rimini Asyl. Er begleitete ihn zum Konzil von Konstanz, wo er ihn nach Beurteilung aller Möglichkeiten und nach einer Verhandlung mit Kaiser Sigismund zum Rücktritt überredete, womit er wesentlich zu Beendigung des Dreipapstums beitrug. Umsonst war diese seine Leistung sicher nicht. Über den Namen Malatesta stolpert man in Rimini auf jedem Tritt, schon deshalb, weil hier die Bank „Banca Malatestiana“ ihren Sitz hat.

               Viel mehr als durch ihr politisches Geschickt wurde aber die Familie Malatesta durch ihre Liebesaffären berühmt, die sogar einen Platz in der Weltliteratur gefunden haben. Die erste Geschichte spielte sich im Jahr 1284 ab. Der Sohn Malatestas da Verucchio Giovanni, genannt Gianciotto, heiratete die Tochter des Herrschers aus dem nahen Ravenna, Francesca da Polente. Es ging um eine politische Verbindung zweier Familien, die gerade in dieser Zeit die Spitze der politischen Macht in ihren Städten erklommen haben. Die Familien Malatesta und Polente fühlten sich zu dieser Zeit in ihren Städten noch nicht ganz sicher und versprachen sich für den Fall der Fälle, also für einen Aufstand der Untertanen, gegenseitige Hilfe. Francesca verliebte sich aber in den Bruder ihres Mannes, Paolo (genannt „Il Bello“, was ihre Schwäche erklären könnte). Giovanni war dagegen ein hässlicher Krüppel. Als er aber seinen Bruder mit seiner Gattin in flagranti ertappte (angeblich wirklich direkt bei der Tat), wollte er Paolo mit seinem Schwert töten. Francesca stellte sich aber zwischen beide Männer und Giovanni erstach mit einem Schlag beide Geliebten auf einmal. Für einen Krüppel eine beachtliche Leistung, wahrscheinlich war er wirklich sauer.

               Diese Liebesgeschichte war so gut bekannt, dass sie einen Weg in die „Göttliche Komödie“ von Dante fand. Natürlich in dem Teil „Hölle“, weil ein Ehebruch einfach ein Ehebruch ist, und eine untreue Gattin verdient die ewige Qual in der Hölle. Laut Dante ging die Initiative von dem schönen Paolo aus und die arme Francesca konnte seinem Charme einfach nicht widerstehen. Sie selbst entschuldigte ihre Schwäche mit einem Vergleich mit der Liebe des Ritters Lancelot zur Gattin des Königs Artur Guinevra. Manchmal ist es nicht gescheit, Frauen viel lesen zu lassen, in Italien aber begann in dieser Zeit bereits die Renaissance zu wüten. Es war also schwer, Francesca ihre Liebe zu Büchern zu verbieten. Die Geschichte erfasste später auch Giovanni Boccaccio. Seiner Version nach sandte der hässliche Giovanni seinen Bruder Paolo nach Ravenna, damit er Francesca in Vertretung heiratete, wobei die Braut glaubte, dass es sich um den tatsächlichen Gatten handelte. Als sie dann ihren Mann in Rimini erblickte, entschied sie sich doch für Paolo. Es war eine fatale Entscheidung. Was beide Autoren verschwiegen haben, war die Tatsache, dass Paolo selbst verheiratet war. Seine Frau Beatrice Orabile war die Erbin der Grafschaft Giaggiolo und er hatte mit ihr zwei Kinder. Sie passte weder Dante noch Boccaccio in ihre romantischen Erzählungen. Im Jahr 2022 gab es in dem Stadtmuseum von Rimini das ganze Jahr eine Ausstellung zu dieser Liebesgeschichte und ihrer literarischen Bearbeitung, besonders im Werk Dantes. Die Geschichte von Francesca und Paolo wurde zum Teil der italienischen Kultur und lebt bereits ein eigenes Leben. In der Gelateria auf der „Piazza della Republica“ in Urbino wird Eis „Paolo e Francesca“ verkauft. Natürlich habe ich es ausprobiert, es war ein bisschen Kaffee, ein bisschen Chocolade. Keine Ahnung, wer und wie auf diese Idee gekommen ist, sie hat aber Erfolg und wird verkauft.

Alta Badia

               Eigentlich haben wir den Aufenthalt in der Region Alta Badia (konkret in einem sehr schönen Arschlein der Welt namens Lungiarü) bereits im Jahr 2019 bestellt. Damals für März 2020. Dann kam plötzlich das idiotische chinesische Virus, viel zu spät, um den Aufenthalt kostenlos stornieren, aber viel zu früh, um den Schiurlaub konsumieren zu können. Südtirol schloss nämlich seine Pisten am Wochenende, als wir die Region bereits verlassen sollten. Zum Glück ist es uns gelungen, mit dem Apartmentbetreiber einen Gutschein auszuhandeln, damit die bereits bezahlte Anzahlung nicht verfiel und wir reservierten einen Aufenthalt für Januar 2021. Damit haben wir nicht viel erreicht. Es kam der nächste Lock down, zum Glück war der Besitzer unserer Unterkunft sehr kooperativ und wir durften die Bestellung stornieren. Natürlich unmittelbar, bevor wir den dritten Versuch des Schiurlaubs antreten wollten, kam das Omikron. Das konnte uns aber nicht mehr aufhalten. Geimpft mit drei Dosen inklusiv eines Boosters, traten wir die Reise an.

Die Unterkunft in Lungiaru bei fabelhaften Gastgebern Alexander und Franciska

               Der wichtigste Gegenstand beim Schifahren ist heutzutage ein Handy. Nicht, um Hilfe zu rufen, wenn man von Omikron angegriffen wird, aber ohne Bestätigung des Besitzes eines Grünen Passes mit dem quadratischen Code (offiziell ist das ein QR Code, aber fragen Sie mich, bitte, nicht, was die zwei Buchstaben bedeuten) kann man nicht einmal pinkeln gehen. Also pinkeln kann man schon, aber nur im Wald. Nicht in einer Toilette. Beim Eingang jeder Berghütte in der Schiregion Alta Badia sowie auch auf dem Kronplatz und daher vermute ich, dass auch überall in Italien, stand nämlich eine Person von der Security und scannte den Code. Das gleiche natürlich beim Kartenverkauf. Vergeblich schwenkte eine Deutsche ihren Impfpass. Das Ticket bekam sie nicht. Wenn man nicht gescannt war, konnte ihm keine Karte verkauft werden, der Computer erlaubte es nicht. Natürlich war es möglich, den Code in einem Papierausdruck zu besitzen (für die, die eine elektronische Beobachtung fürchteten), aber versuchen Sie es, vor jeder Hütte das Papier aus der Tasche zu ziehen! Früher oder später wird es kaputt gehen und für das Harnlassen bleibt wieder nur der Wald. Im Museum der ladinischen Kultur reichte nicht einmal der Scan. Wir mussten zusätzlich auch einen Lichtbildausweis vorlegen. So viel also für unsere Mitbürger, die sich über die epidemiologischen Maßnahmen zu Hause beschweren. In Italiener sitzt offensichtlich der Schock aus der ersten Welle tief genug, die Tragödie von Bergamo ist ein Memento, das man nicht vergisst.

               Das Hauptproblem war für mich aber nicht das Scannen von meinem Handy, sondern die Pflicht, die Masken auf den Liften, in den Gondeln und in den Hütten zu tragen, solange man nicht am Tisch beim Essen saß. Ich bin nämlich ein Brillenträger. Im Moment, in dem ich die Maske aufgesetzt habe, vernebelte sich meine Brille und ich wurde blind. Was bei jedem Aussteigen aus dem Lift bedeutete: die Handschuhe runter, die Helm runter, die Maske runter, die Brille abwischen und abtrocknen, die Brille ansetzen, die Helm aufsetzen und zuletzt auch die Handschuhe anziehen. Beim Einsteigen in den Lift der Prozess in ähnlicher Reihenfolge, mit der Ausnahme des Runternehmens und Abtrocknens der Brille – und natürlich anstatt Abnahme der Maske ihr Aufsetzen. Ich kann euch versichern, dass es ordentlich auf die Nerven geht, ich lernte letztendlich ohne Brille zu fahren. Man sieht dabei zwar nicht richtig den Boden unter dem Schi, besonders beim Übergang von Sonne in den Schatten, aber man gewöhnt sich daran. Schlimmer war das beim Bestellen von Essen in den Hütten. Die einzige Chance stellten Tische im Freien vor der Hütte dar, wenn sie mit einer Speisekarte versorgt waren. Diese gab es aber nur sehr selten. Im Moment, als ich das Essen in der Hütte kaufen musste, war ich verloren. Ohne Brille konnte ich das Speiseangebot nicht lesen und als ich meine Brille aufgesetzt habe und sie vernebelte sich, war ich komplett blind. Vor dem Hungertod wurde ich von meinem Sohn gerettet. Er fotografierte das Speiseangebot mit seinem Handy und brachte mir das Bild zum Tisch vor der Hütte. Wie ich schon sagte, das Handy ist der wichtigste Gegenstand, den man beim Schifahren heutzutage braucht.

Ein Schifahrer in den Covid-Zeiten. Er sieht zwar nichts, ist aber trotzdem glücklich.

               Wir wohnten in einer Region, wo die Nation der Ladiner lebt. Es ist eine interessante Geschichte. Diese vergessene winzig kleine Nation lebt in fünf Bergtäler in Südtirol und in Friaul, die einzige Siedlung, wo sie leben und die man eine Stadt nennen dürfte, ist Cortina d´Ampezzo. Es gibt insgesamt lediglich 30 000 Menschen dieser Nationalität, sie haben aber ihre eigene Sprache (eher viele Sprachen, da jedes Tal, sogar jedes Dorf mit einem anderen Dialekt spricht) eigene Kultur und Identität. Ihre Sprache, die zur rhetoromanischen Sprachgruppe gehört, wird in den Schulen unterrichtet. Unser Quartiergeber wechselte fließend zwischen Ladinisch, Italienisch und Deutsch, seit seiner Kindheit kommunizierte er in allen drei Sprachen. Das Essen der Ladiner ist einfach, in ihrem Museum hörten wir, dass sie noch im neunzehnten Jahrhundert die Bauern im Pustertal bei Bruneck beneideten, weil diese sogar Fleisch aßen. Dazu war nie ganz klar, zu welcher Obrigkeit ladinische Bauern und ihre Täler gehörten. Um ihren Zehnten kämpften der Bischof von Brixen mit der Äbtissin des Klosters in Sonnenberg und gegen die Steuererhebung in seine Kassa hatte auch der Graf von Tirol als der Landesherr keine Einwände. Im Jahr 1458 eskalierte der Streit, die Steuer wollten auf einmal alle, die Bauern wehrten sich aber und in der „Schlacht von Ennenberg“ starben 55 tiroler Soldaten unter einer Steinlawine, die auf sie die Bauern herunterlassen haben. Danach meinte der tiroler Graf Sigismund, dass sich die Steuererhebung in dieser Region nicht auszahle. Er hatte übrigens genug Geld, nicht umsonst hatte er seinen Spitznamen „Der Münzreiche“. Durch seinen Lebenswandel (er hatte angeblich um die vierzig unehelichen Kinder) ruinierte er trotzdem das silberreiche Land Tirol und er wurde entmachtet, enteignet und in den Zwangsruhestand geschickt. Weil er keinen legitimen Nachfolger gezeugt hatte, starb mit ihm der tiroler Ast der Habsburgerfamilie aus.

               Aber zurück zu den Ladinern.

Das Museum der ladinischen Kultur in Sankt Martin

Zu dem nächsten Arzt in San Lorenzen war es fünf Stunden weit – ein kranker Mensch hat also den Arzt sicher nicht erreichen können. Dann kam aber die Touristik. Heute stehen in jedem Dorf Pensionen, Pensionen und wieder einmal Pensionen, alle Häuser sind mindestens auf drei Stockwerke angehoben, um Tausende Besucher unterzubringen, die im Winter Schi fahren und im Sommer wandern wollen. Die Kulisse der Dolomiten ist nämlich atemberaubend und unverwechselbar.

               Wie ich verstand, das typische Essen ist hier die Gerstensuppe, der Polenta und die Knödel, sowie auch Nudeln mit verschiedener Füllung. Heutzutage bekommen die Touristen aber auch Speck, Schinken und Eier und Fleisch ist in den ladinischen Tälern auch keine Mangelware mehr. Die Küche unterscheidet sich nicht wirklich von der nord- oder osttiroler, sie besitzt nur ein wenig von den italienischen Einflüssen, was ihr sicherlich nicht schadet. Ich mag die ladinische Flagge. Von unten nach oben grün, weiß und blau, also Wälder, Gletscher und blauer Himmel. Eine Flagge, die Frieden, Natur und die Schönheit des Landes symbolisiert, in dem diese Leute leben.

               Übrigens Südtirol in Italien Südtirol zu nennen ist nicht anständig. Als ob die Italiener noch immer ein schlechtes Gewissen hätten, wie sie dieses Land im Jahr 1918 gewonnen haben, sauber war es sicher nicht. Sie gingen in den Krieg mit dem Versprechen, nach dem Sieg dieses attraktive Land zu bekommen. Deshalb haben sie ihre damaligen Verbündeten die Deutschen und die Österreicher, verraten und haben sich im Jahr 1914 ihnen nicht angeschlossen. Ein Jahr später griffen sie sogar Österreich an und haben dafür teuer bezahlt. Nach der Niederlage bei Caporetto (Kobrid) mussten sie sich bis zum Fluss Piave tief ins eigene Land zurückziehen und dort verteidigten sie sich bis zum Kriegsende. Nachdem sich die österreichische Armee Ende Oktober 1918 aufgelöst hatte, schlossen die Italiener mit Österreich einen Waffenstillstand, aber mit einer Übergangfrist von 48 Stunden. Sie vermuteten richtig, dass die österreichischen Soldaten, die nichts anderes als heim wollten, nicht mehr kämpfen würden. So schafften die Italiener binnen zwei Tage den südlichen Teil Tirols bis zum Brennerpass zu besetzen und nach dem Frieden von Saint Germain auch zu behalten. Mussolini bemühte sich, die Deutschen aus dem Land auszusiedeln und es italienisch zu machen, er schloss in dieser Sache sogar einen Vertrag mit Hitler – und es ist ihm tatsächlich gelungen, einen Teil der deutschsprachigen Bevölkerung zu vertreiben. Die, die hierblieben, strebten nach dem zweiten Weltkrieg so lange nach der Autonomie, bis sie sie im Jahr 1972 erhielten. Österreich hat in dieser Sache Vermittlerrolle gespielt. Die autonome Region heißt aber nicht Südtirol, sondern Trentino- Alto Adige. Ich glaube nicht, dass es die Südtiroler stört, sie haben ähnlich wie die anderen Italienischen autonomen Regionen Sardinien, Sizilien und Friaul eigene Regierung und das Budget und es geht ihnen gut. Neben Piemont ist Südtirol die reichste italienische Provinz. Der Boden hier ist enorm fruchtbar, also im Tal südlich von Bozen wird jeder Quadratmeter mit Obstplantagen oder Weinbergen bestellt. Es wird hier guter Wein angebaut, zum Beispiel der weiße Traminer, der nach gleichnamigem Ort Tramin südlich von Bozen genannt ist oder der rote Lagrein. Wir waren hier im Winter, wir tranken also Lagrein und er war hervorragend.

               Alta Badia ist ein Schizentrum, dass durch das Rennen des Weltcups der Männer im Riesentorlauf berühmt ist (die Abfahrt und der Super-G werden im unweiten Val Gardena bestritten. Wenn man die Schikarte „Dolomiti Superski“ um 67 Euro kaufen würde, dürfte man in beiden Zentren Schi fahren – und auch in einigen weiteren in der Umgebung. Dann ist auch eine Sellaronda, also eine Runde um die Sellagruppe oder sogar die „Grande Guerra“ für die Berggipfeljäger möglich). Aber ganz ehrlich – Alta Badia allein kann für einen Schifahrer ausreichend sein.

Die Mehrzahl der Pisten ist gemütlich blau, die roten sich super zum Fahren und es gibt auch einige schwarze wie Gran Risa, auf der der Riesentorlauf der Herren bestritten wird oder die Piste Nummer eins, die in der Höhe 2550 m bei einem Photopoint beginnt und nach Ort Corvara läuft. An dem Photopoint können sich Touristen mit dem höchsten Berg Südtirols, der Marmolata (3343 m), im Hintergrund fotografieren.

Der Berg schaut monumental aus, als der einzige in Südtirol besitzt er nämlich einen eigenen Gletscher, er wird aber stolz von Civetta (3220) und dem bedrohlichen Felsen von Monte Pelmo (3168) flankiert. Aber diese Berge sind nicht die einzigen atemberaubenden in der Umgebung. Die ganze Zeit fährt man um das Gebirge Gruppo del Sella mit steilen Kalkfelsen und dem höchsten Berg Piz Boé mit der Höhe 3152m herum. Die ganze Gruppe ist ein Erlebnis. Wenn die österreichischen Berge meistens schwarz sind (Granit), die Kalkberge der Dolomiten haben hellbraune Farbe.

               Schon die Hochebene von Alta Badia allein scheint unendlich zu sein und bietet Unmengen an Pisten, wem es aber zu wenig wäre, kann weiter in Richtung Passo die Gardena (Grödner Joch) fahren. In der Jimmi Hütte sitzend, hat man die ganze Welt zu Füßen, besonders, wenn die Sonne strahlt, und man sitzt auf der Terrasse vor der Hütte. Dann ist es ein wunderschönes Erlebnis, die Sellagruppe und in der Ferne den Langkofel vor sich zu haben. Bei Jimmi ist aber Schluss mit der Schikarte Alta Badia. Um nach Val Gardena weiterzufahren, würde man den „Dolomiti Superski“ Pass brauchen.

Unterwegs zu „Passo die Gardena“ passiert man das Dorf Colfosco. Das Dorf liegt eingeklemmt zwischen zwei Bergmassiven. Von einer Seite ist es die imposante „Gruppo del Sella“, von der anderen dann die „Gruppo Puez“ mit einem beeindruckenden felsigen Berg Sassonger (2665). Im Sommer kann man ihn besteigen, der Klettersteig unter dem Gipfel ist nicht so furchterregend, wie er von der Ferne aussieht. In jedem Fall verleiht die Lage zwischen zwei steilen Felsenmassiven Colfosco seine Attraktivität. Wenn jemand kleine Kinder hat, und diese sich auf blauen, aber keinesfalls langweiligen Pisten austoben möchten, ist er hier absolut richtig. Die Erwachsenen, für die das eventuell zu wenig ist, setzen sich einfach in die Gondel und lassen sich nach Corvara bringen, was eine der wichtigsten Einstiegstellen für Alta Badia ist. Die weiteren sind La Villa, San Cassiano und mit dem Schigebiet ist auch Abtei Badia verbunden. In diesem Ort gibt es die Abtei, die der Ortschaft ihren Namen gab, nicht mehr, es blieb nur eine Kirche, die allerdings Ende des achtzehnten Jahrhunderts im Barockstil neu gebaut wurde. Die Abtei wurde aufgelöst, da sie dem Templerorden gehört hatte. Natürlich, wie überall, ließen die Ritter irgendwo hier einen Schatz versteckt, den bisher niemand finden konnte. In der Abtei Badia wurde im Jahr 1852 der einzige südtirolische Heilige geboren. Er hieß Joseph Freinademetz und er war ein Missionar in China, wo er im Jahr 1908 an Typhus starb. Er wurde im Jahr 2003 heiliggesprochen – von wem sonst, wenn nicht von Johann Paul II.? In Abtei Badia gibt es das Geburtshaus des Heiligen.

Aber aufpassen! Wenn man sich überall in Südtirol, oder zumindest in seinem nordöstlichen Teil um Bruneck und Brixen auf Deutsch verständigen konnte, in Alta Badia kann die Sache ein bisschen komplizierter sein. Die Mehrheit der Gäste sind Italiener und das Personal in den Hütten sind nicht unbedingt die Einheimischen, also gibt es genug Kellner, die des Deutschen nicht mächtig sind. Zumindest der Grundwortsatz auf Italienisch ist von Vorteil. Die Speisekarten sind aber überall zweisprachig. Man findet im Angebot Nudelgerichte, Lasagne, aber auch Wienerschnitzel. Ein Schock waren für mich die Preise für Suppen. Es stimmt, dass die Portionen riesig waren und die Suppen so dick, dass sie eher einem Brei ähnelten, und man wurde nach ihrem Verzehr satt. Aber elf Euro für eine Gerstensuppe kam mir doch zu viel vor. Die Pizzas waren billiger. Es ist interessant. Es gab nur wenig Deutsche, die üblicherweise mit ihrer Kaufkraft prahlen und die Preise wortlos akzeptieren. Die meisten Gäste waren Italiener und die haben normalerweise doch tiefer in die Tasche gegriffen. Mein Sohn war mit seinen blauen Augen eher exotisch, eine weitere blauäugige Person habe ich dort nicht gesehen. Offensichtlich haben also die Italiener, die Schiurlaub fahren, keine finanziellen Probleme. Die Preise für die Unterkunft direkt auf den Pisten sind astronomisch. Zwischen den Schiorten fährt aber ein Skibus, der die Leute verlässlich zur Piste bringt, wenn man keine Lust hat, dorthin mit dem Auto zu fahren. Er pendelt sogar zwischen Alta Badia und dem nächsten Schizentrum Kronplatz, das über die Stadt Bruneck emporragt und mit zwanzig Einstiegstellen prahlt.

Kronplatz ist mit seinen langen Pisten sportlicher, Alta Badia mit seinem Bergpanorama schöner. Unter den zwanzig Einstiegstellen von Kronplatz ist die längste von Piccollino über San Vigilio die Marebbe im Ennenbergtal (also dort, wo die ladiner Bauern die tiroler Soldaten mit Steinen verschütteten, die dort die Steuer einheben wollten). Lässt euch nicht durch die Werbung täuschen, dass zu diesem Anstieg die „Migliore pista nera“ also die beste schwarze Piste führt. Wenn man auf der Piste nachmittags fährt, ist das Fahren zwischen den Mulden und Schneehaufen eine Belastungsprobe nicht nur für die Beine.

Aber trotzdem. Südtirol ist ein Land, das man unbedingt besuchen sollte. In Winter oder in Sommer. Oder in beiden diesen Jahreszeiten.