Gleich hinter dem Rathaus befindet sich die Marienkirche, also der Lübecker Dom, der erste Dom, der im gotischen Stil aus Ziegeln gebaut wurde. Jeder seiner beiden Türme besteht aus 1,2 Millionen Backsteinen!

Marienkirche

Später kopierten alle Städte im Norden diesen Stil, wo es logischerweise einen Mangel an Steinmaterial, aber genügend Ton zur Fertigstellung der Backsteine gab. Natürlich schafften die Bürger der Stadt so ein Wunderwerk nicht ohne übernatürliche Unterstützung. Sie holten sich die Hilfe des Teufels, indem sie ihm einflüsterten, dass es sich um eine riesige Kneipe handeln würde, in der man sich bis zur Besinnungslosigkeit betrinken würde und so dem Teufel unzählige sündige Seelen zugutekommen würden. Als der Teufel ihren Schwindel durchschaute und eine Kirche anstelle der versprochenen Kneipe fand, warf er einen Granitblock auf die Kirche. Allerdings verfehlte er sein Ziel und der Granitblock liegt heute neben dem Eingang, auf den Rolf Goerler eine Bronzestatue eines Teufels platzierte. Er sieht jedoch nicht wütend aus, sondern eher zufrieden und ganz lieb. Ich konnte nicht widerstehen und ließ mich mit ihm fotografieren.

Die Marienkirche brannte nach dem verheerenden Bombenangriff am 28. März 1942 nieder. Beide Glocken fielen aus den Türmen und zerschellten, ihre Trümmer sind noch heute sichtbar. Das Kirchenschiff im wunderschönen gotischen Stil ist unglaublich hoch und misst 40 Meter.  Die Säulen wurden im Mittelalter bereits bemalt, dann aber immer wieder übermalt. Durch das verhängnisvolle Feuer nach dem Bombenanschlag tauchte die Originalbilder jedoch wieder auf, die dann nach dem Krieg jahrzehntelang restauriert wurden.

In der Totentanzkapelle hing zwischen 1463 und 1942 eine Serie von Gemälden des “Totentanzes”. Dieses Motiv war im Mittelalter oft zu finden, insbesondere nach den Pestepidemien, die arme sowie reiche Menschen, Kardinäle und Könige gleichermaßen töteten. Mit jeder solche Figur tanzt ein Skelett. Das Original stammte von Berndt Notke, wurde aber beim verheerenden Bombenangriff am Palmsonntag 1942 zerstört. Wenn man wissen möchte, wie das Werk von Notke aussah, müsste man jedoch nach Tallinn in Estland fahren, wo dieser Autor auch tätig war. Dort befindet sich ein etwa 13 Meter langes Fragment dieses Bildes. Lange wurde darüber gestritten, ob es sich um das Original handelt, schließlich waren sich Experten einig, dass es in Tallinn eine treue Kopie der Lübecker Originalversion gibt. Dieses Motiv findet man besonders im deutschsprachigen Raum an vielen Orten, ich konnte so ein Bild zum Beispiel in Metnitz in Kärnten besuchen.

Im Nordturm befinden sich sieben Glocken – darunter sowohl Kopien der zerstörten, die man auf dem Kirchenboden gesehen hatte, als auch drei aus Danzig, die auf dem “Friedhof der Glocken” in Hamburg gefunden wurden, wo sie von den Nazis eingeschmolzen werden sollten. Im Südturm befindet sich ein Glockenspiel mit 36 Glocken, auf dem bis zu 20 verschiedene Melodien gespielt werden können. Es spielt jede volle Stunde – seit 1954.

Ein Stück weiter liegt die St. Jakobi-Kirche, wiederum mit einem hohen grünen Turm, geweiht den Seefahrern. Daher befindet sich in der Nähe auch das “Schifferhaus”, das von wohlhabenden Besitzern von Handelsschiffen errichtet wurde, sowie das Hospital des Heiligen Geistes. In der Kapelle unter dem Turm befindet sich ein Rettungsboot des Segelschiffs Pamir.

Pamir

Dieses Schiff, das zur Lübecker Seefahrerschule gehörte, sank während eines Sturms am 21. September 1957. Von der 80-köpfigen Besatzung überlebten nur sechs Männer – gerade auf diesem Boot, das hier bis heute ausgestellt ist. An den Wänden befinden sich Gedenktafeln mit den Namen der Opfer dieser Tragödie, es liegen Kränze und Bänder als ewige Erinnerung daran, dass das Meer, das der Stadt Wohlstand brachte, auch äußerst grausam sein kann. Wenn man Zeit hat, lohnt sich ein Besuch des Hospitals. Das schöne gotische Gebäude mit vielen Fresken zeigt einen Zyklus von 23 Bildern aus dem Leben der heiligen Elisabeth von Thüringen, die in Bratislava geboren wurde, einer der berühmtesten Heiligen des 13. Jahrhunderts Also genau zu der Zeit, als in Lübeck gebaut, gebaut und wieder einmal gebaut wurde.

Und weil die Bürger so fleißig bauten, konnte auch der örtliche Bischof nicht zurückbleiben, der oft mit Vertretern der Stadt im Streit lag. Seine Enklave befindet sich in der südlichsten Ecke der Altstadt und wird von einer Kirche mit zwei hohen schlanken grünen Türmen dominiert, von denen man sich nicht ganz sicher ist, ob sie noch romanisch oder bereits gotisch sind. Das kommt davon, dass sie bereits 1173 von Heinrich dem Löwen gebaut wurden. Übrigens findet man den Löwen als Symbol des Stadtgründers sowohl vor der Kirche als auch in ihr. Wenn man die Kirche betritt, wird man direkt von einem riesigen Triumphkreuz beeindruckt, das 17 Meter groß ist.

Auf diesem riesigen Kreuz hängt Christus, umgeben von Heiligen, Propheten und Engeln. Unter dem Kreuz knien der heilige Johannes der Evangelist, Maria, Maria Magdalena und in dieser Gesellschaft auch Bischof Krummedick, der das Werk in Auftrag gegeben und bezahlt hat. Im Jahr 1477 wurde es von Bernd Notke, dem Autor des “Tanzes der Toten”, vollendet. Dieser Künstler, der aus Pommern stammte und in Dänemark, Schweden und Estland als Maler und Bildhauer große Erfolge feierte, verbrachte seine letzten Jahre in Lübeck, wo er 1509 starb. Das Kreuz überragt alles andere, was sich in der Kirche befindet. Die Heiligen auf der Galerie wurden auch von Notke geschnitzt, darauf befinden sich auch große Uhren aus dem 17. Jahrhundert. Die Kanzel wurde im Renaissancestil gebaut. Zum Glück haben Notkes Werk und die Kanzel die Zerstörung des Doms überlebt, 1942 stürzte nur ein Teil des Altars ein

Vom Dom zur Stadt hin gibt es eine offene gotische Halle namens “Paradis”. Hier konnten Bürger, die in der Stadt angeklagt waren, Zuflucht suchen, weil sie dann nicht mehr dem städtischen, sondern dem kirchlichen Recht unterlagen, da sie sich auf dem Gebiet des Bistums befanden. Und im „Paradis“ waren sie sicher. Da der Bischof den Bürgern gerne Streiche spielte, war die Chance auf einen befreienden Urteilsspruch bei einem bischöflichen Gericht relativ hoch. Übrigens heißt die enge Gasse, die zum Paradis führt, „Fegefeuer“.

In Lübeck gibt es neben zahlreichen Kirchen auch eine Vielzahl von Museen. Ich habe nicht vor durch alle meine Leser zu führen, natürlich hatten wir nicht genug Zeit, um alle zu besichtigen. Ich möchte aber zumindest die berühmten Persönlichkeiten, denen die Museen gewidmet sind, erwähnen. Die meisten Museen befinden sich im nördlichen Teil der Altstadt rund um die Königstraße. Eines davon ist das Geburtshaus Willy Brandts, der hier im Jahr 1913 geboren wurde und von 1969 bis 1974 deutscher Bundeskanzler war. In der Nähe befindet sich auch das Haus von Günter Grass. Dieser Schriftsteller und Träger des Nobelpreises für Literatur aus dem Jahr 1999 wurde zwar nicht in Lübeck geboren, verbrachte jedoch hier seine letzten Jahre und starb hier im Jahr 2005. Sein Schicksal ist interessant. Als siebzehnjähriger trat er der SS bei, um am 8. Mai 1945 in Marienbad in amerikanische Gefangenschaft zu geraten. Berühmt wurde er durch den Roman “Die Blechtrommel”, der 1959 veröffentlicht wurde und als Symbol der Antikriegsliteratur gilt.

Aber Lübeck ist vor allem die Heimat der Brüder Heinrich und Thomas Mann. In dem Haus, in dem Heinrich geboren wurde und in einem anderen, in dem der jüngere Thomas nach dem Umzug der Familie geboren wurde, befinden sich überall Finanzinstitute. Aber die Stadt konnte sich helfen. Sie nutzte das Haus, in dem die Großeltern der Schriftsteller-Gebrüder lebten, und machte es zum “Buddenbrookshaus”, benannt nach dem berühmtesten Werk von Thomas.

Das Museum ist dem Leben und Werk beider berühmter Brüder gewidmet. Und das, obwohl die Lübecker die Brüder zu ihren Lebzeiten nicht riechen konnten und Thomas die Ehrenbürgerschaft der Stadt erst im Jahr 1955 erhielt, nachdem ein Teil der Senatoren den Sitzungssaal verlassen und sich somit der Abstimmung entzogen hatte.

Die Brüder hatten sehr unterschiedliche politische Ansichten, was auch zu einer vorübergehenden Unterbrechung ihrer Kontakte führte. Während der ältere Heinrich, geboren 1871, ein überzeugter Sozialist war, wurde Thomas, geboren 1875, vom deutschen Nationalismus angesteckt und begrüßte den Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Beide verbrachten nur ihre jungen Jahre in Lübeck. Heinrich zog bereits 1889 nach Dresden und Thomas 1894 nach München. Nachdem Thomas Mann im Jahr 1901 seinen berühmtesten Roman “Buddenbrooks” veröffentlicht hatte, durfte er in der Stadt fast nicht mehr erscheinen. Die angesehenen Bürger erkannten sich in diesem Buch, das den Untergang einer Patrizierfamilie beschrieb, und ihr nicht gerade schmeichelhaftes Bild, das in diesem Spiegel präsentiert wurde, gefiel ihnen überhaupt nicht. Auch Heinrichs Buch von 1904 “Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen” durfte in Lübeck nicht verkauft werden.

Heinrich heiratete im Jahr 1914 die Prager Schauspielerin Maria Kanova, die jüdischer Herkunft war. Sie trennten sich im Jahr 1930. Maria wurde während des Krieges in Theresienstadt interniert und starb an den Folgen des Aufenthaltes im Konzentrationslager im Jahr 1947. Heinrich stellte sich von Anfang an gegen den Nationalsozialismus, weshalb er nach 1933 aus Deutschland fliehen musste. Im Jahr 1936 erhielt er die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft, obwohl er in Nizza in Frankreich lebte. Seine Bücher wurden von den Nazis öffentlich verbrannt. Während seiner Zeit in Frankreich schrieb er seine historischen Romane “Die Jugend des Königs Henri Quatre”. Das sind die Bücher, die ich kenne. Die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft erleichterte ihm die Emigration in die USA im Jahr 1940. Heinrich starb im Jahr 1950, seine Urne wurde in die DDR überführt und auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin feierlich beigesetzt. Die Kommunisten eigneten sich Heinrich Mann ein, obwohl er ein Sozialist und überzeugter Demokrat war, der jedoch vergeblich Sozialisten und Kommunisten zum gemeinsamen Widerstand gegen die aufkommende nationalsozialistische Gefahr aufrief.

Thomas engagierte sich politisch zwar etwas weniger, aber auch er entkam nicht dem Hass der Nazis. Ab 1929 kaufte er ein Haus auf der Kurischen Nehrung in Nidda. (Das von den Einheimischen “Onkel Toms Hütte” genannt wurde und heute ein Kulturzentrum ist, das an seine dortige Tätigkeit erinnert.) Dort verbrachte er die Sommer in den Jahren 1930-1932 und schrieb dort unter anderem seine Tetralogie “Joseph und seine Brüder”. Im Jahr 1932 erhielt er per Post eine verkohlte Ausgabe seines Romans “Buddenbrooks”. Er konnte sich also nicht einmal an dem entlegensten Ort im Deutschen Reich vor dem Hass der Nazis verstecken. Thomas Mann verstand die Botschaft, er besuchte Nidda nie wieder und im Jahr 1933 verließ er wie sein Bruder Heinrich Deutschland.

Er hat für seine Emigration die Schweiz gewählt, aber trotzdem am 19. November 1936 die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft erhalten, genau wie sein Bruder. Obwohl er homosexuelle Tendenzen hatte, hat er seine sexuelle Orientierung nie ausgelebt. Er war verheiratet und hatte sechs Kinder. Im Jahr 1938 emigrierte er in die USA, wo er 1944 die amerikanische Staatsbürgerschaft erhielt. Nach dem Krieg kehrte er in die Schweiz zurück, wo er 1955 in Zürich verstarb. Es gibt nur einen Ort in Lübeck, an dem Thomas Mann authentisch in Erinnerung bleibt. Es handelt sich um das Zollhaus am Burgtor, einem der Stadttore.

Ein schöner gotischer Turm aus dem Jahr 1444 schließt die Stadt im Norden ab. In einer Wohnung in seiner Mauer erhielt die Schriftstellerin Ida Boy-Ed im Jahr 1912 als Geschenk der Stadt zum 60. Geburtstag ein lebenslanges Wohnrecht. Intellektuelle trafen sich dort und hier feierte Thomas Mann, der in seiner Heimatstadt als „Persona non grata“ galt war, am 26. Juni 1926 seinen einundfünfzigsten Geburtstag. In der Nähe befindet sich das Burgkloster mit einem modernen Aufbau des archäologischen Museums. Hier konnten wir den im Jahr 1984 entdeckten Münzschatz bewundern.

Was Bremerhaven für Bremen, ist Travemünde für Lübeck. Schon im Jahr 1317 kaufte die Stadt vom Grafen von Holstein die Burg an der Flussmündung, um die Kontrolle über die für sie lebenswichtige Flussmündung zu erlangen. Heute ist es ein luxuriöser Ort mit Villen, die Millionen kosten. Das Meer lädt hier nicht gerade zum Schwimmen ein, aber der Strand ist breit und sandig, und im Sommer gibt es hier viele Sonnenliegen und Sonnenschirme. In Travemünde gibt es auch luxuriöse Hotels und Restaurants. Es war ein interessantes Gefühl, als die Passagiere des vorbeifahrenden Schiffes uns in unsere Teller schauten, obwohl wir im zweiten Stock des Restaurants saßen. Der Fluss ist hier eng, das Restaurant direkt am Ufer, so dass die Entfernung zu den vorbeifahrenden Schiffen minimal ist. Es war nicht ganz einfach, nach Travemünde zu gelangen. Es gibt natürlich einen Zug von Lübeck aus, aber die Strecke gehört nicht zu den deutschen Bahnen. Also den Fahrkartenautomaten zu benutzen und eine Fahrkarte zu kaufen (es gab schon damals keine mit Menschen besetzten Kassen mehr), war eine echte Herausforderung.

Lübeck ist wirklich schön. Es wurde im Stil von Romanik, Gotik, Renaissance, Barock und sogar modernen Stilen gebaut. Es ist wichtig, all dies bei schönem Wetter zu erleben. Wir hatten kein Glück, wir bewegten uns im kalten Regen von einer Kirche zur anderen und dann weiter zum Museum mit Zwischenstopps in Cafés und Restaurants. Aber es hat sich trotzdem gelohnt. Lübeck ist eine schöne, historische und kulturelle Stadt.

Der Mensch lebt nicht nur von Marzipan.

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