Arezzo ist eine mehr oder weniger unscheinbare Stadt in den toskanischen Bergen, etwa 80 Kilometer südöstlich von Florenz entfernt. Deshalb hat es ziemlich lange gedauert, bis ich mich entschlossen habe, sie zu besuchen. Umso größer war dann meine Überraschung, als ich diese schöne Stadt sah.
Arezzo ist die Geburtsstadt mehrerer berühmter Männer. Einige von ihnen sind von weltweiter Bedeutung, sodass jene, deren Ruhm sich auf Italien beschränkt, wie der Humanist Leonardo Bruni, der während der Zeit von Cosimo de’ Medici Staatssekretär in Florenz war, oder Andrea Cisalpino, ein Arzt und Botaniker aus der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts, im Schatten dieser Giganten bleiben. Dennoch kümmert sich Arezzo um seine Söhne, und bei einem Spaziergang durch die Stadt stößt man immer wieder auf Büsten berühmter Männer mit entsprechenden Beschreibungen. Zum Beispiel hat Guido Monaco, ein Benediktinermönch, der von 992 bis 1050 lebte und in Arezzo die Methode der Musiknotation – also die Noten, wie wir sie heute kennen – erfand, eine große Statue auf einem runden Platz mit Kreisverkehr, der nach ihm benannt ist.

Doch die drei wirklich großen Persönlichkeiten, die in Arezzo geboren wurden, sind Gaius Cilnius Maecenas, Francesco Petrarca und vor allem Giorgio Vasari.
Derjenige, der am wenigsten Zeit in seiner Geburtsstadt verbrachte, war der Humanist und einer der Gründer der modernen Lyrik und ein Gigant der Renaissance-Literatur, Francesco Petrarca. (Leonardo Bruni nannte ihn in seinem Buch „Ignoranten“, weil er seine Verse auf Italienisch und nicht in „schönem“ Latein schrieb). Er wurde 1304 geboren, und schon 1311 musste sein Vater die Stadt verlassen, weil er in den heftigen Auseinandersetzungen zwischen Guelfen und Ghibellinen zu den Verlierern gehörte. Die Familie zog nach Avignon, und Petrarca studierte an mehreren der renommiertesten Universitäten der damaligen Zeit, hatte aber weiterhin kaum noch etwas mit seiner Geburtsstadt zu tun. In Arezzo zeigt man dennoch sein Geburtshaus, obwohl die Bedeutung dieses Gebäudes einigermaßen fraglich ist. Der Standort mag stimmen, aber das Haus wurde mehrfach umgebaut, während des Zweiten Weltkriegs gleich wie ein Großteil der Stadt bei alliierten Bombenangriffen zerstört und später wieder aufgebaut, sodass sein historischer Wert umstritten ist. Trotzdem ist in diesem Haus nahe der Kathedrale von Arezzo bis heute die „Francesco Petrarca Gesellschaft“ untergebracht.
Gaius Cilnius Maecenas lebte viel früher, als Arezzo noch Arretium hieß und eine römische Kolonie war. Maecenas war ein enger Freund des ersten römischen Kaisers Augustus – und zusammen mit ihm und Marcus Agrippa bildeten sie eine Art Triumvirat. Maecenas war Augustus sehr nützlich, ohne selbst politische Ambitionen zu haben. Er diente im diplomatischen Dienst und kümmerte sich vor allem um die Förderung der Kultur im augusteischen Rom. Sein Name ging daher als „Mäzen“ in die Sprache ein – als Bezeichnung für jemanden, der kulturelle Projekte finanziell unterstützt. Besonders förderte er die lateinischen Schriftsteller Horaz und Vergil. Ursprünglich versuchte er selbst, Verse zu schreiben, gab dies jedoch nach einer vernichtenden Kritik von Seneca auf und unterstützte lieber finanziell diejenigen, die es besser konnten. In Arezzo ist nach Maecenas das archäologische Museum benannt, das sich direkt auf dem Gelände des römischen Amphitheaters in einem ehemaligen Benediktinerkloster befindet, der die römische Bausubstanz bei dem eigenen Aufbau nutzte.

Den größten Einfluss auf das Erscheinungsbild der Stadt hatte jedoch der dritte ihrer großen Söhne – Giorgio Vasari. Dieser universelle Künstler – Bildhauer, Maler, Architekt und Schriftsteller des 16. Jahrhunderts – wurde nicht nur in Arezzo geboren, sondern lebte und arbeitete auch hier. Seine Werke sind in ganz Italien zu finden – wie der „Palazzo Uffizi“ in Florenz, die „Sala de Cinquecento“ im „Palazzo Vecchio“ ebendort oder die gigantische Kuppel der Kirche Madonna dell’Umiltà, die die Stadt Pistoia dominiert.
Aber seine Werke befinden sich auch in Mailand, Rom oder in Neapel. Ebenso seine Gemälde, Fresken und Skulpturen. Natürlich befinden sich die meisten seiner Werke in der Toskana, schließlich war Vasari der Hofkünstler und Architekt des ersten Großherzogs der Toskana, Cosimo I., und teilte auch das bewegte Schicksal der Medici-Familie.
Seinen größten Beitrag zur Kulturgeschichte der Menschheit leistete er jedoch mit seinem Werk „Le vite de’ più eccellenti pittori, scultori e architettori“, in dem er die Biografien berühmter Künstler bis zu seiner Zeit niederschrieb. Es umfasst in drei Büchern insgesamt 161 Biografien, und viele Details aus dem Leben von Künstlern wie Michelangelo oder Leonardo da Vinci sind uns nur dank ihm bekannt. Von ihm stammt übrigens auch die Einteilung der kulturellen Entwicklungsstufen in Gotik, Renaissance und Manierismus (das Barock kam erst nach ihm). Das Buch erschien erstmals im Jahr 1550 und begann mit der Biografie von Cimabue (1240–1306), während die letzte Biografie Michelangelo Buonarroti gewidmet war (der als Einziger zur Zeit der Veröffentlichung noch lebte – er starb 1564).
In Arezzo begegnet man Vasari an vielen Orten. Auf dem Hauptplatz „Piazza Grande“ wurde nach seinem Entwurf eine Loggia errichtet, unter der sich heute bekannte Restaurants wie „La Lancia d’Oro“ oder „Ristorante Logge Vasari“ befinden. Auf der Loggia ist – wohl als eine Art Signatur – ein Relief mit seinem Abbild zu sehen.

In der Kirche „Badia di Santa Flora e Lucilla“ befindet sich nicht nur sein Gemälde der Marias Himmelfahrt, sondern er malte dort auch den prächtigen Altar aus. Seine Werke sind ebenfalls im „Museo Statale d’Arte Medievale e Moderna“ zu finden.
Vor allem aber kaufte der inzwischen wohlhabende Giorgio Vasari im Jahr 1541 in Arezzo für 700 Goldstücke ein Haus in der Straße XX Settembre. Er richtete es selbst ein, malte es aus und gestaltete es, einschließlich des angrenzenden Gartens. Hier heiratete er im Jahr 1549 – er war 38 Jahre alt, seine Braut Nicolosa Bacci hingegen erst vierzehn – was damals jedoch nichts Ungewöhnliches war. Seine junge Braut verewigte er sogar selbst auf einem Fresko im Raum „Camera di Apollo e delle Musae“. So blieb sie immer jung. Der Besuch von Vasaris Haus lohnt sich auf jeden Fall, besonders der „Sala del Camino“ ist ein wahres Meisterwerk der manieristischen Kunst.

Arezzo war lange Zeit eine eigenständige Kommune und kämpfte auf der Seite der Ghibellinen gegen die Guelfen aus Florenz. Doch 1384 unterlag es dem mächtigeren Nachbarn und musste sich unterwerfen – es wurde Teil der florentinischen Republik und später des Großherzogtums. Im Jahr 1289 führte der kämpferische Bischof und „Signore“ Guglielmo Ubertini die Aretiner in die Schlacht bei Campaldino gegen die Florentiner – auf der Gegenseite kämpfte damals auch der junge Dante Alighieri. Die Florentiner siegten und der Bischof ertrank auf der Flucht im Fluss. Sein Leichnam wurde im Dom von Arezzo bestattet – was ihm gebührte, da er das war, der im Jahr 1277 mit Erlaubnis von Papst Gregor X. den Grundstein für diese Kirche legte.

Sein relativ bescheidenes Grab wird von dem monumentalen, mehrstöckigen Grab des Bischofs Guido Tarlati überragt, doch hinter diesem Monument befindet sich an der Wand etwas viel Schöneres – nämlich das herrliche Fresko der Maria Magdalena von Piero della Francesca.

Die Werke dieses Meisters der Frührenaissance sind der größte Schatz der Stadt – insbesondere der Freskenzyklus der Legende „Vom Heiligen Kreuz“. Dieser befindet sich in der Kapelle der Familie Bacci (eine der wohlhabendsten Familien der Stadt, und die Bedeutung von Giorgio Vasari wird dadurch unterstrichen, dass er in diese Familie einheiratete) in der Kirche San Francesco.
Die Kapelle liegt hinter dem Altar, und obwohl einige Fresken durch die Zeit beschädigt sind, lohnt sich der Besuch auf jeden Fall. Eine Voranmeldung zur Besichtigung, am besten online, ist erforderlich. Die Besuchszeit ist auf 30 Minuten begrenzt, und wer wie ich nicht mit QR-Codes umgehen kann, muss sich für vier Euro einen Audioguide ausleihen. Damit kann man sich ausführlich über die Entstehungsgeschichte der Kirche, den Freskenzyklus und die gesamte Legende vom Kreuz Christi informieren, die bis zu Adam zurückreicht.
Der sterbende Adam schickte seinen Sohn Seth in das Paradies zum Erzengel Michael, um heilendes Öl zu erhalten. Stattdessen bekam Seth jedoch einen Setzling, den er auf Adams Grab pflanzte. Aus diesem Baum wurde später das Kreuz, an dem Christus starb. Eine schöne Legende, aber die Fresken sind noch schöner. Sie erzählen auch die Geschichte von Kaiser Konstantin dem Großen, dem das Kreuz in der Nacht vor der Schlacht an der Milvischen Brücke gegen seinen Gegner Maxentius im Traum erschien und wie seine Mutter Helena das Kreuz Christi in Jerusalem entdeckte.
Zuerst war ich verwirrt, dass es auf den Fresken zwei Schlachten gab, aber die zweite Fresco stellt die Schlacht von Kaiser Heraklius gegen den persischen König Chosrau dar, bei der es den Byzantiner gelang, das Kreuz den Persern zu entreißen, sodass es endgültig in den Besitz der Christen überging. Auffällig an diesen Fresken ist, dass es sich zwar um Schlachtenszenen handelt, aber die Hektik des Kampfes fehlt und sie eher einen ruhigen, eher statischen Eindruck vermitteln. Piero della Francesca vergaß nicht, in dem Werk die Stadt Arezzo darzustellen und man findet sogar sein eigenes Porträt.

Arezzo hat jedoch noch viele weitere beeindruckende und schöne Gebäude. Zum Beispiel die gigantische romanische Kirche „Pieve di Santa Maria“, deren riesige Apsis einen Teil des „Piazza Grande“ bildet. Dieser Platz, der recht steil abfällt (in Arezzo ist es schwer, ein Stück ebenen Boden zu finden), wird am oberen Ende von der Vasari-Loggia und am unteren Ende vom „Palazzo della Fraternitá dei Laici“ mit seiner prächtigen Fassade (fertiggestellt – von niemand anderem als Giorgio Vasari) und der astronomischen Uhr begrenzt – zu diesem Thema gibt es im Gebäude auch ein Museum.
Ein Stück weiter – wieder bergauf – steht der imposante „Palazzo Pretorio“. Neben dem Dom befindet sich der großartige „Palazzo dei Priori“.

Von dort lohnt es sich, einen Abstecher zur unscheinbaren Kirche „Chiesa San Domenico“ mit ihrer ungewöhnlichen asymmetrischen Fassade zu machen. Dort kann man nämlich das von Cimabue gemalte Kruzifix bewundern – genau jener Renaissancekünstler, mit dem Vasari seine Biographie Schreibung begann.
Cimabue, der von 1240 bis 1302 lebte, ist zwar noch kein typischer Renaissancekünstler und stark von der byzantinischen Tradition beeinflusst, aber wer es verdient, von Vasari erwähnt zu werden, musste etwas Besonderes sein.

Es gibt in der Stadt eine ganze Reihe von Kirchen, die meist imposant groß sind. Neben den bereits genannten zählen dazu die „Chiesa di Sant´Agostino“ auf einem schönen modernen Platz im unteren Stadtteil, die „Chiesa SS. Annunziata“ und die „Chiesa di Santa Maria di Gradi“ am oberen Ende der Stadt. Und direkt an der Hauptstraße „Corso Italia“ befindet sich die charmante kleine Kirche „San Michele“.
Die Altstadt ist größtenteils von Stadtmauern umgeben und verfügt über mehrere erhaltenen Stadttore. Da es hier jedoch oft steil bergauf oder bergab geht, hat sich die Stadt ein Herz für Besucher gefasst. So erreicht man zum Beispiel das Tor Porta Stufi bequem über eine Rolltreppe. Nur im unteren Teil der Stadt, der sich zum Bahnhof und zur Neustadt hin öffnet, wurden die Mauern abgerissen, und es blieben nur zwei Bastionen „Bastione di Santo Spirito“ erhalten.
Oberhalb der Altstadt liegt ein großer grüner Park mit einem Denkmal für Francesco Petrarca, das seine Krönung zum Fürsten der Dichter (am 8. April 1341 auf dem Kapitol in Rom, sein Titel lautete „Poeta laureatus“) zeigt.

Über dem Park erhebt sich die „Fortezza Medicea“, die Medici-Festung. Die Medici lernten aus ihren schlechten Erfahrungen mit ihren Untertanen, die sie mehrmals aus der Stadt und aus der Toskana vertrieben hatten (die letzte republikanische Phase dauerte von 1527 bis 1530, und der 16-jährige Vasari musste damals zusammen mit seinem Vater Florenz verlassen – sein Vater starb noch im selben Jahr). Sie begannen daher, in all ihren Städten Festungen zu errichten, wobei sie nie vergaßen, die Kanonen nicht nur nach außen, sondern auch nach innen auf die Stadt zu richten – für den Fall, dass die Bewohner wieder auf den Gedanken kamen, von Freiheit zu träumen.

Die Festung in Arezzo ist beeindruckend und kann besichtigt werden. Von ihren Mauern aus hat man einen wunderschönen Blick nicht nur auf die Stadt, sondern auch auf die umliegende Landschaft. Die Stadt ist von drei Seiten von den grünen Gipfeln des Apennin-Gebirges umgeben.
Die Hauptachsen der Stadt sind die sich kreuzenden Straßen Via Roma und Corso Italia. An der Via Roma befinden sich die Portici, Arkaden unter hohen Renaissance-Bögen, während die Corso Italia durch die Stadt hinauf zum „Parco di Prato“ führt und von kleinen Läden und Gaststätten gesäumt ist.
In Arezzo gibt es also viel zu sehen – langweilig wird es hier nicht, und verhungern oder verdursten wird man auch nicht. Allerdings ist es zur Mittagszeit in den Restaurants so voll, dass es schwierig sein kann, einen freien Platz zu finden.
Übrigens haben wir am besten und zu einem vernünftigen Preis in der „Osteria antica l’Agania“ in der Via Mazzini gegessen. Allerdings scheint dies längst kein Geheimtipp mehr zu sein, denn kurz nach der Öffnung bildet sich dort immer eine Schlange. Es ist also ratsam, rechtzeitig zu kommen.
Die größte kulinarische Attraktion der Stadt sind die Trüffel, die in den Wäldern des Apennin-Gebirges rund um die Stadt wachsen. Sie werden in vielen kleinen Geschäften in allen möglichen Formen als essbare Souvenirs angeboten. Ich konnte nicht widerstehen und habe Nudeln mit Trüffeln probiert. Meine Frau ließ sich nicht davon abbringen, dass meine anschließenden Darmprobleme damit zusammenhingen.
Aber wer würde bei einer solchen Gelegenheit schon auf Trüffel verzichten?

Also gutes Appetit!