Die Stadt Como trat in die europäische Geschichte etwas unfreiwillig und unglücklich ein. Am Ende des 11. und zu Beginn des 12. Jahrhunderts, während der Herrschaft der letzten Herrscher der salischen Dynastie, verringerte sich in Italien die Macht der römischen Kaiser, die in Deutschland jenseits der Alpen residierten und Italien nur sehr sporadisch, wenn überhaupt besuchten. Die einzelnen italienischen Stadtgemeinden wurden unabhängiger und nahmen den entfernten Kaiser zwar zur Kenntnis, sie waren aber nicht gewillt, sich ihm zu unterwerfen. Allerdings begannen sie dann untereinander zu kämpfen. Es ging um die Macht und um das liebe Geld. Das wohlhabende Como wurde schließlich zur Beute des mächtigeren Mailands. Die Mailänder eroberten Como im Jahr 1127, zerstörten seine Mauern und alle Häuser außer den Kirchen.

Die Bürger von Como wollten das nicht einfach hinnehmen und beschwerten sich beim Kaiser. Sie hatten Glück, dass Friedrich Barbarossa seit 1152 Kaiser war. Er war ein ehrgeiziger und fähiger Politiker und die italienischen Angelegenheiten ließen ihn nicht kalt. Er entschied zugunsten der Bürger von Como und schickte eine Botschaft nach Mailand, die den Mailändern befahl, sich aus Como zurückzuziehen und die entstandenen Schäden zu erstatten. Doch Mailand wurde überheblich und demütigte die Boten des Kaisers so sehr, dass dem Kaiser nichts anderes übrigblieb, als – ob er es wollte oder nicht – nach Italien zu ziehen, um mit militärischer Macht seine kaiserliche Reputation wiederherzustellen. Dies sollte ihn den Rest seines Lebens beschäftigen, bis hin zur demütigenden Niederlage bei Legnano im Jahr 1176. Mailand wurde von dem Kaiser jedoch diesmal im Jahr 1158 erobert (auch mit Hilfe tschechischer Soldaten, die angeblich Teigfiguren von Kindern vor den Mauern brieten, um den Stadteinwohner von Mailand die Angst einzujagen und sich damit den Ruf der Kannibalen verdienten). Für diese Hilfe wurde der tschechische Fürst Vladislav zum König, und die Herren von Kunštát erhielten ein halbes Pferd in ihrem Wappen, da das andere angeblich von dem Gitter des Stadttores abgetrennt wurde – wohl bemerkt, es geschah auf der Flucht aus der Stadt, also wurde der Hinterteil des Pferdes abgetrennt). Der Kaiser zerstörte nach dem Sieg die Mauern von Mailand und Como durfte seine Mauern wieder errichten. Seitdem sind sie nahezu vollständig erhalten geblieben und durchziehen die städtische Bebauung. Manchmal überrascht den Besucher einer ihre Türme an Stellen, wo man es nicht erwarten würde, sogar in der unmittelbaren Nähe vom städtischen Bahnhof.

Como liegt am westlichen der beiden südlichen Zipfel des Comer Sees. Übrigens ist es der See, wo George Clooney seinen Wohnsitz hat, er liegt etwas nördlich der Stadt am westlichen Ufer im Dorf Laglio. Da der See nur einen Abfluss hat, und zwar am östlichen Ende in der Stadt Lecco, wurde Como häufig von Frühlingsfluten heimgesucht. Heutzutage gibt es hier Abflusskanäle, die das überschüssige Wasser abführen. Die Stadt war schon in der Römerzeit wichtig und ist stolz darauf. An einem Denkmal an der Wand eines Hauses findet man Auszüge aus dem Werk des Schriftstellers Strabon, der die Stadt in seinem Werk “Geographie” beschrieben hat, und an der Fassade des Doms sind sogar zwei Darstellungen von Plinius Caecilius Secundus zu sehen. Dieser bekannte römische Senator wurde im Jahr 61 nach Christus in “Novum Comum”, wie Como damals genannt wurde, geboren. Er wurde durch seine Beschreibung des verheerenden Ausbruchs des Vesuvs im Jahr 79 berühmt, der die Städte Pompeji und Herculaneum zerstörte und den der damals noch junge Plinius persönlich miterlebte – und überlebte.

Como wurde später vor allem durch seine Seidenproduktion berühmt. Die Maulbeerbäume verschwanden zwar zu Beginn des 20. Jahrhunderts aufgrund von Krankheiten und der industriellen Revolution, aber die Seidenverarbeitung findet hier immer noch statt und man kann hier Seidenprodukte – als Souvenir – immer noch günstig kaufen.

Der wichtigste und von Touristen meistbesuchte Teil der Stadt ist natürlich die Seepromenade. Hier befinden sich auch die luxuriösen Hotels „Metropole Suisse“ und „Barchetta Excelsior“. Hier gibt es einen schönen großen Park, der Mafalda von Savoyen gewidmet ist.

Diese savoyische Prinzessin, die Schwester von König Viktor Emanuel III. von Italien, wurde 1902 geboren. Ihre Schönheit erbte sie von ihrer Mutter, die eine von vielen Töchtern von König Nikola I. von Montenegro war. (Über Nikola, der als den Schwiegervater Europas galt, habe ich in meinem Artikel über Montenegro geschrieben). Mafalda heiratete 1925 den hessischen Prinzen Philipp und hatte mit ihm vier Kinder. Prinz Philipp war ein wichtiger Vermittler zwischen Mussolini und Hitler. Nach dem Sturz Mussolinis im Jahr 1943, als Italien auf die Seite der Alliierten wechselte und Deutschland den Krieg erklärte, schickte Hitler acht Divisionen nach Italien. König Viktor Emanuel III. und seine Familie retteten sich durch die Flucht ins Exil. Hitler wollte sich jedoch rächen. Er verdächtigte Philipp von Hessen, an Mussolinis Sturz beteiligt gewesen zu sein. Deshalb ließ er seine Frau, die sich gerade bei ihrer Schwester Zariza Johanna in Bulgarien, aufhielt, da ihr Ehemann, König Boris III. von Bulgarien, gerade verstorben war, in die deutsche Botschaft in Sofia locken. Dort wurde sie verhaftet und nach München und dann ins Konzentrationslager Buchenwald gebracht. Am 24. August 1944 unternahmen die Alliierten einen Luftangriff auf das Konzentrationslager, bei dem Mafalda verschüttet wurde und schwere Verbrennungen erlitt. Es dauerte drei Tage, bis sie operiert werden konnte, wobei ihr ein Arm amputiert wurde. Dennoch starb sie noch am selben Tag an den Folgen der Verletzungen. In Bezug auf ihr Vermächtnis gibt es im Park ein großes Denkmal für den antifaschistischen Widerstand mit Texten und Namen bedeutender Künstler und Schriftsteller, die dem schrecklichen faschistischen Regime zum Opfer fielen – es gibt hier zum Beispiel auch Auszüge aus dem Tagebuch von Anne Frank. Ein Stück entfernt vom Denkmal befindet sich ein Stein, der an Giovanni Palatucci erinnert. Er sollte als Regent der Republik Fiume über 5000 Juden gerettet haben und wurde deshalb 1990 in Israel als “Gerechter unter den Völkern” anerkannt. Im Jahr 1944 wurde er wie auch viele andere italienische Beamte aus Rijeka und Triest von der deutschen Besatzungsverwaltung wegen Hochverrats verhaftet und zum Tode verurteilt. Er starb im Februar 1945 an Typhus in Dachau. Seit 2000, als Palatucci von Johannes Paul II. als “Märtyrer des 20. Jahrhunderts” erklärt wurde, läuft das Verfahren für seine Heiligsprechung.

Im Kontrast zu Mafaldas Park mit modernen Denkmälern des antifaschistischen Widerstands stehen am Ufer des Sees zwei dominante Gebäude aus der Zeit von Mussolinis faschistischer Diktatur. Das erste von ihnen, „Tempio Voltiano“, wurde von Mussolini in den Jahren 1927-1928 zu Ehren des berühmtesten Sohnes der Stadt, Alessandro Volta, erbaut. Volta war der Erfinder der elektrischen Batterie. Er wurde 1745 in Como geboren und starb dort im Jahr 1827

. Im Jahr 1810 wurde er für seine Verdienste in den Adelsstand erhoben und sogar zum Grafen ernannt. In dem Tempel-förmigen Denkmal gibt es eine Ausstellung über sein Leben. Volta ist übrigens in Como auch begraben, sein Grab befindet sich jedoch an einer anderen Stelle, nämlich in einem kleinen Mausoleum auf dem historischen Friedhof „Cimitero Monumentale“.

Wenn man sich mit dem „Tempio“ noch innerlich arrangieren kann, wird man von dem monumentalen Denkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs umso mehr überrascht sein. Dieses Monument wurde von den Architekten Giuseppe und Attilio Terragnil im Zeitraum von 1930-1933 geschaffen.

Offensichtlich hatte Mussolini eine Schwäche für Como. Er verbrachte hier einen großen Teil seiner Kindheit, weil sein Vater hier Lehrer war und der kleine Benito die Grundschule besuchte. Später als “Duce”, besaß er in der Nähe des Sees eine Villa, in der er gerne den Sommer verbrachte. Auch nach seinem politischen Sturz im Jahr 1943, als er als ein Marionetten-Vorsitzender der Regierung der “Republik von Salò” fungierte, empfing er hier Politiker und spielte politische Verhandlungen vor, obwohl alle wichtigen Entscheidungen längst von der deutschen Besatzungsverwaltung getroffen wurden. Paradoxerweise wurde er gerade in Como nach seiner Gefangennahme von Partisanen im April 1945 festgehalten, bevor er hingerichtet wurde. Seine Leiche wurde jedoch nicht auf dem Platz in Como, sondern in dem bedeutenderen Mailand ausgestellt. Der Kreis der Geschichte schloss sich. Da Mussolini Como so sehr liebte, ließ er die Stadt mit einigen Werken faschistischer Architektur bereichern, die den Werken des sozialistischen Realismus ähnlich waren. Wenn man versteht, warum sie dort stehen, erschreckt man vor ihnen etwas weniger.

Als Ausgleich für diese faschistischen Bauwerke ließ die Stadt Como zu Ehren Alessandro Voltas noch ein weiteres Denkmal errichten, das dem polnisch-jüdischen Künstler Daniel Liebeskind anvertraut wurde. Dieses Denkmal namens “The Life Electric” besteht aus Stahl, ist 13,75 Meter hoch, wiegt 29 Tonnen und steht in der Mitte des Sees vor der Uferpromenade von Como. Es ist über eine lange Brücke erreichbar, die den Namen des Physikers Piero Cardiolo trägt. Sowohl Volta als auch Cardiolo arbeiteten im gleichen Bereich. Das Liebeskind-Denkmal wurde im Jahr 2015 enthüllt.

Nicht nur dieses Denkmal, sondern auch der gesamte Park am Ufer und das Denkmal des europäischen Widerstands gegen den Faschismus sollen offensichtlich zeigen, dass sich die Stadt Como von ihrem berühmt-berüchtigten Sohn Benito distanziert.

Auf dem Hauptplatz “Piazza del Duomo” befinden sich sowohl das Rathaus, das im Jahr 1435 etwas angepasst wurde, um Platz für das schönste Gebäude, den Comer Dom Santa Maria Maggiore, zu schaffen. Schon von außen ist es ein beeindruckendes Gebäude, vor allem die unglaublich hohe Marmorfassade mit zahlreichen Skulpturen von verschiedenen Künstlern, wobei die wichtigsten von Tomasso Rodari stammen, sowie auch die hohe achteckige grüne Kuppel. Aber der Innenraum der Kirche raubt dem Besucher einfach den Atem. Es ist regelrecht gigantomanisch,

es handelt sich um eine riesige dreischiffige Kirche, die auch ohne die zwischen den Schiffen hängenden Gobelins beeindruckend wäre. Aber sie hängen dort und verleihen der Kirche noch mehr Erhabenheit und Schönheit. Der Bau begann im Jahr 1395, als Bischof Luchino da Brossano den Architekten Lorenzo Degli Spazzi mit dem Auftrag für den Baubeginn beauftragte. Die Seitenschiffe sind daher noch im spätgotischen Stil. Das Hauptschiff hingegen ist bereits ein Prachtstück der Hochrenaissance. An der Wand des linken Seitenschiffs befindet sich das Porträt eines weiteren berühmten Sohnes der Stadt, Es ist Benedetto Odescalchi, der im Jahr 1611 in Como geboren wurde und es 1676 bis zur Wahl zum Papst Innozenz XI. brachte. Die Kuppel, die eine Höhe von 75 Metern erreicht, ist wesentlich jünger und wurde in den 1730er Jahren im barocken Stil erbaut. Der Dom wurde im Jahr 1774 fertiggestellt, der Bau dauerte also fast vierhundert Jahre. Aber das Ergebnis ist es wert.

Vom Comer Dom möchte man nicht weggehen und eigentlich auch nicht aus Como. Es gibt hier viele Touristen, und für Bootsfahrten auf dem See stehen lange Schlangen. Vielleicht möchten alle sehen, wo der berühmte Nespresso-Mann George wohnt. Wenn Sie hier vorbeikommen, sollten Sie auf jeden Fall in Como anhalten. So wie wir es getan haben.

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