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Neofeudalismus – das Ziel der neuen globalen Finanzelite

Diese Frage stelle ich mir schon seit Jahren und ich bin dabei sicherlich nicht allein. Worum geht es den Milliardären in der heutigen Welt eigentlich? Sie besitzen Reichtum, florierende Unternehmen oder große Aktienvermögen an der Börse. Und dennoch geben sie keine Ruhe, dringen in die Politik ein, beeinflussen sie und streben nach der Macht.

Das Wort „Oligarchie“ bedeutet im Griechischen „Herrschaft weniger“. Ja, es geht um die Macht. Bisher haben wir Menschen mit großem Vermögen als Oligarchen bezeichnet, unabhängig davon, ob sie politische Macht besaßen oder nicht. (In Russland übrigens besitzen sie keine politische Macht, nur das Geld, also trifft bei Ihnen die Bezeichnung „Oligarchen“ eigentlich nicht). Doch die Situation im demokratischen Westen verändert sich dramatisch – Personen wie Musk oder Babiš streben aktiv nach politischer Herrschaft, und es gelingt ihnen sie zu gewinnen. Worum geht es ihnen also? Natürlich abgesehen von staatlichen Subventionen – Babiš konnte sich als Premierminister staatliche Fördermittel für seinen Konzern Agrofert selbst zuschieben, Musk erwartet für Tesla einen Regierungsauftrag über gepanzerte Fahrzeuge im Wert von 400 Millionen Dollar. Der Kauf eines Teslas ist für Privatpersonen mittlerweile fast zu einem politischen Statement geworden.

Doch worauf zielen diese Oligarchen am meisten? Auf die unabhängige Justiz. Diese betrachten sie als „links“ und fordern entweder eine Reform oder gar deren Abschaffung. Worin besteht der „linke“ Charakter der Justiz? Darin, dass sie verpflichtet ist, alle Bürger nach denselben Gesetzen zu richten – unabhängig von deren Vermögen oder politischem Einfluss. Das empfinden die Mächtigen als skandalös. Warum sollte Elon Musk für denselben Verstoß nach demselben Gesetz verurteilt werden wie irgendein John Braun aus Little Rock?

Der Versuch, die Justiz zu diskreditieren oder unter Kontrolle zu bringen, ist überall spürbar. Viktor Orbán hat sich die ungarische Justiz bereits unterworfen, Jarosław Kaczyński versuchte dasselbe in Polen. Sind das nostalgische Erinnerungen an die kommunistische Totalität, in der die Partei über Schuld und Unschuld sowie über die Höhe der Strafe entschied und der Richter nur noch das Urteil verlas? Aber dieser Trend zeigt sich auch in Ländern ohne kommunistische Vergangenheit. Herbert Kickl in Österreich erklärte, dass das Recht der Politik zu folgen habe, nicht die Politik dem Recht. Donald Trump verkündet, dass jemand, der den Staat rettet, für seine Taten nicht strafrechtlich verfolgt werden könne. Dabei waren gerade die Unabhängigkeit der Justiz und die Gleichheit vor dem Gesetz die Grundpfeiler der bürgerlichen Gesellschaft, wie sie in der Verfassung der Französischen Republik vom 3. September 1791 definiert wurden. Drei Artikel der Präambel dieser Verfassung lauteten:

Artikel 1: Alle Menschen sind von Geburt an frei und haben die gleichen Rechte.
Artikel 2: Der Zweck jeder politischen Entscheidung ist die Bewahrung der natürlichen und unveräußerlichen Menschenrechte. Diese Rechte sind Freiheit, Eigentum, Sicherheit und Widerstand gegen Unterdrückung.
Artikel 3: Der Ursprung jeder Souveränität liegt im Volk.

Insbesondere beim ersten Artikel dreht sich manchen heutigen Milliardären der Magen um. Wie war es bis zu jenem denkwürdigen Jahr 1791? Ein Baron, Graf oder Marquis richtete über seine Untertanen nach eigenem Ermessen, während er selbst außerhalb der Gerichtsbarkeit stand – er unterlag nur dem Herrscher.

Die Bemühungen, ein einheitliches Recht für alle durchzusetzen, reichen bis ins Hochmittelalter zurück. Papst Gregor IX. versuchte, ein Gesetzbuch zu schaffen, das allgemeingültige Gesetze für alle christlichen Länder festlegen sollte. Natürlich ging es ihm dabei vor allem um die Stärkung der kirchlichen Macht – er wollte die Gerichtsbarkeit an sich reißen. Doch die Vorstellung, dass ein Adliger von einem Mönch gerichtet werden könnte, der in seiner Kindheit Ziegen hütete, aber durch ein Universitätsstudium zu einer einflussreichen Persönlichkeit der Kirche wurde, ließ so manchem Adeligen das Messer in der Tasche aufgehen.

Kaiser Friedrich II. kam Papst Gregor zuvor, indem er 1231 in Melfi sein eigenes Gesetzbuch erließ – was den Papst in unkontrollierbaren Wutanfall versetzte. Zur Verteidigung des Kaisers sei gesagt, dass er an der Universität Neapel weltliche Richter für sein Reich ausbilden ließ. Seine Gesetze bedeuteten also nicht Willkür, sondern die ersten schriftlichen Anzeichen eines Rechtssystems. Doch bis zur Französischen Revolution existierten die sogenannten drei Stände, und zwei davon – der Adel und die Kirche – waren nicht nur steuerlich privilegiert, sondern auch in ihrem Status vor Gericht.

Die Französische Revolution hat dies entscheidend verändert. Sie führte die Gleichheit vor dem Gesetz für alle Bürger ein. Natürlich konnte diese Gleichheit in der Praxis nie vollständig verwirklicht werden – wohlhabende Menschen hatten das Geld, um bessere Anwälte zu engagieren oder gegebenenfalls Richter zu bestechen. Das konnten wir in Tschechien sowohl im Fall „Čapí hnízdo, also „Storchnest“ als auch bei der Vergiftung des Flusses Bečva sehen, wo der wahre Schuldige (Milliardär Babiš) entweder gar nicht angeklagt oder aus sehr fragwürdigen Gründen freigesprochen wurde. In den USA wiederum hat der Oberste Gerichtshof den Angriff von Trumps Anhängern auf das Kapitol zumindest insofern abgesegnet, als er Trump von der Verantwortung für diesen Angriff entlastete.

Gerichte haben also nie eine absolute Unabhängigkeit erreicht, doch es gibt dennoch einen erheblichen Unterschied zwischen der Justiz in demokratischen Ländern, in autoritären Systemen und in Diktaturen. Dort folgt das Recht tatsächlich der Politik. Interessanterweise wird dieser neue Trend auch von der Kirche unterstützt. Während sich die katholische Kirche aufgrund des kränkelnden Papstes Franziskus mit der Unterstützung des modernen Faschismus noch zurückhält, fördern sowohl amerikanische protestantische Kirchen als auch die russisch-orthodoxe Kirche diesen Kurs. (Ehre den Ausnahmen, wie etwa der Bischöfin Mariann Budde.) Die Prälaten sehen die Chance, erneut an der politischen Macht teilzunehmen –  an der Macht, die ihnen gerade die Französische Revolution und ihre Ideen genommen haben.

Die rassistische Ideologie Adolf Hitlers führt keine der modernen faschistischen Parteien offiziell in ihrem Programm – auch wenn Rassismus unter der Oberfläche brodelt. Doch die Religion als aggressive Ideologie drängt wieder in den Vordergrund.

Rassismus wird heute eher von extremen Linken als Argument genutzt. Das Problem eingewanderter Muslime ist nicht, dass sie Semiten, Hamiten oder Schwarze sind. Das Problem ist die intolerante Ideologie des Islams, der sie bereit sind zu folgen. Doch sobald jemand es wagt, diese Ideologie zu kritisieren, wird er sofort des „Rassismus“ bezichtigt. Die Menschen spüren diese Verdrehung der Realität – und es geht ihnen auf die Nerven. Genau wie Gendern oder die angeblichen 70 verschiedenen Geschlechter. Die Mehrheit der Bevölkerung ist konservativ und neigt dazu, dem Versprechen einer Rückkehr zur „Normalität“ Gehör zu schenken. Das bedeutet eine Rückkehr zu den „guten alten Zeiten“, in denen die Frau zu Hause saß, kochte, Kinder gebar und dem Mann gehorchte, weil sie vollständig von ihm abhängig war. Dieses Programm vertreten nicht nur die Republikaner in den USA, sondern auch FIDESZ in Ungarn oder die FPÖ in Österreich. Es geht also nicht um den klassischen Nationalsozialismus als Programm, sondern um Klerikalfaschismus. Das Ergebnis soll dennoch eine radikale Veränderung der gesellschaftlichen Struktur sein.

Und genau das ist auch das Ziel der heutigen Finanzelite à la Elon Musk. Wobei Musk nur der Vollstrecker ist – den eigentlichen Ideologen dieser sogenannten „Liberalen“, wie sich diese Egoismus predigenden Milliardäre selbst nennen, muss man in einem anderen amerikanischen Milliardär suchen: Peter Thiel. Thiel beschrieb seine Ansichten in der Neue Zürcher Zeitung am 17. Oktober 2022:

„Demokratie und Freiheit sind unvereinbar, und wirtschaftlicher Wettbewerb ist nicht entscheidend. Das ist etwas für Verlierer. Das Ziel jedes Unternehmers muss es sein, ein Monopol zu erreichen – nur so kann er seine Ziele verwirklichen. Eine effiziente Staatsführung sollte der Führung von Konzernen ähneln. Wahlen und parlamentarische Prozesse sind nur ein Hindernis. Selbst dem Frauenwahlrecht steht Thiel skeptisch gegenüber, da Frauen im Allgemeinen eher zu sozialen als zu egoistischen Agenden neigen und somit das Wirtschaftswachstum bremsen.“

Einen Staat wie ein Unternehmen zu führen – das hören viele Menschen gerne, ohne sich über die Konsequenzen im Klaren zu sein. Dafür begeistert sich beispielsweise auch der 94-jährige Bernie Ecclestone, der Trump offen bewundert und behauptet, Trump sei das Beste, was der Welt passieren konnte. Natürlich – seiner Welt, also der Welt des Geldes und der Finanzoligarchie.

Die Voraussetzung für eine solche Staatsführung ist jedoch die Abschaffung der Demokratie, freier Wahlen und der Bürgerrechte. In keinem Unternehmen gibt es Demokratie – die Gewinne gehören dem Eigentümer, während die Angestellten im Grunde genommen rechtlose Subjekte sind. Unternehmen haben jedoch eine völlig andere Struktur als Staaten. Und wenn jemand einen Staat wie ein „Start-up“ führt, sollte man bedenken, dass über 90 Prozent aller Start-ups in die Insolvenz rutschen.

Thiel gehört zu den Verfechtern des „Individualismus“ in seiner aggressivsten Form.. Sein Vermögen wurde im Mai 2022 auf 7,8 Milliarden Dollar geschätzt. Thiel ist ein Freund von Donald Trump und Elon Musk und unterstützt ultrarechte Strömungen in der amerikanischen Gesellschaft. Sein Mitarbeiter ist übrigens auch der ehemalige österreichische Kanzler Sebastian Kurz – jener, der ohne Bedenken eine Regierungskoalition mit der der FPÖ einging.

Und jetzt aufgepasst! Ein „Produkt“ Thiels ist der Vizepräsident J.D. Vance. Im Jahr 2022 unterstützte Thiel die Wahlkampagne seines ehemaligen Mitarbeiters für den US-Senat aus seinem Hedgefonds mit 10 Millionen Dollar. Während er mit einem anderen ehemaligen Mitarbeiter, Blake Masters in Arizona, scheiterte, gewann Vance in Ohio und zog in den Senat ein. Heute ist dieser ehemalige Kriegsveteran, der sich erst nach seiner Rückkehr aus dem Militärdienst für ein Studium entschied, der Vizepräsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Diese Position ist zwar weitgehend passiv – die einzige Aufgabe des Vizepräsidenten besteht darin, im Falle eines Ausfalls des Präsidenten einzuspringen. Doch im Fall des 77-jährigen Donald Trump bekommt das eine ganz neue Brisanz. Auf die Frage, warum er Vance als seinen Vizepräsidenten ausgewählt habe, antwortete Trump: „Weil er mich am meisten liebt.“ Ich glaube eher, dass ihm jemand geschickt diesen Gedanken eingeflüstert hat – nämlich, dass Vance ihn mehr als alle anderen verehrte. Vance als Trumps Ersatzmann ist das Beste, was Thiel und seinen politischen Verbündeten passieren konnte.

Im Grunde weiß auch Thiel, dass Trump ein Clown und Verrückter ist, auf den man sich nicht verlassen kann. Doch seine Popularität und die Faschisierung der Republikanischen Partei, in der sich inzwischen niemand mehr traut, eine eigene Meinung zu äußern und die wirren Äußerungen des krankhaft narzisstischen Präsidenten mit insgesamt 102 „Standing Ovations“ belohnt, sind für die Oligarchen äußerst nützlich. Sie haben nie aufgehört, neidisch nach Russland zu schielen – das dortige System gefällt ihnen unheimlich. Daher rührt wohl auch Trumps Zuneigung zu Wladimir Putin. Natürlich spielt auch sein persönlicher Bewunderungseffekt eine Rolle, da er die USA gerne genauso regieren möchte wie Wladimir Russland. Doch eine derart offene Unterstützung eines Diktators in einem anderen Land könnte er sich nicht leisten, wenn er nicht die Rückendeckung „seiner“ Oligarchen verlieren möchte. Falls Trump jedoch zu unberechenbar würde oder es ihm doch nicht gelingen sollte, seine geplante lebenslange Herrschaft durchzusetzen, sind die faschistischen Strömungen in den USA mit J.D. Vance als Ersatzmann gut abgesichert.

Es ist wohl kein Zufall, dass Milliardäre, die diese Ideale nicht vertreten – wie Bill Gates oder György Soros –, öffentlich dämonisiert werden. Für die Massen, die einst auch Hitler blind zujubelten, ist es unvorstellbar, dass sich ein Milliardär freiwillig von einem Teil seines Vermögens trennen könnte, nur um etwas Gutes zu tun. Dass er einfach ein Philanthrop ist und die Wohltätigkeit seiner Seele guttut. Bill Gates, der enorme Summen in die medizinische Forschung, insbesondere in Impfungen und die Prävention von Krankheiten investierte, wird als Monster dargestellt, das Chips in geimpfte Menschen implantiert, um sie in Zombies zu verwandeln. Und György Soros ist ein Kapitel für sich. Die Dämonisierung dieses Philanthropen (lassen wir heute einmal beiseite, wie er zu seinem Vermögen gekommen ist) begann 2008 in Ungarn.

Viktor Orbán brauchte für seine Wahlkampagne – ganz im Sinne von Hitlers Rede von 1925 – eine feindliche Bewegung und eine Person, die diese verkörperte. Orbán engagierte für seine Kampagne den amerikanischen Wahlkampfberater und Kommunikationsstrategen Arthur Finkelstein sowie dessen Assistenten George Birnbaum. Diese beiden hatten bereits in den 1990er-Jahren für Benjamin Netanjahu gearbeitet, der sie Orbán empfahl. „Finkelsteins Formel“ besagt, dass man für einen Wahlsieg einen Feind benötigt. In Soros fand Finkelstein ein ideales Ziel: Ein Milliardär, ein Jude, der auf unlautere Weise zu Reichtum gekommen war und somit die jüdische Gier nach Weltherrschaft verkörpern konnte – ein Motiv, das in vielen Verschwörungstheorien bis heute überlebt hat. Zudem war Soros in Ungarn als gebürtiger Ungar bekannt (geboren 1930, geflohen vor dem Holocaust 1944). Er war zudem der größte finanzielle Unterstützer der Partei FIDESZ, und viele ihrer heutigen Abgeordneten konnten dank seiner Stiftung an ausländischen Universitäten studieren. Selbst Viktor Orbán lebte von April 1988 bis zur Wahl 1990 von Geldern dieser Stiftung und durfte von September 1989 mit Stiftungsgeldern als Gaststudent am Pembroke College in Oxford tätig sein.

Nun aber wurde das „Monster Soros“ erschaffen, das Orbán den Wahlsieg bescherte. Viele Jahre später betrachtete Birnbaum die Schaffung dieses Mythos als seinen genialsten politischen Schachzug. „Es lag auf der Hand. Es war das einfachste Produkt, das wir je hatten. Wir mussten es nur verpacken und verkaufen.“ Finkelstein starb 2017 – auch er hielt die Dämonisierung von Soros für sein erfolgreichstes, wenn auch letztes Projekt.

Inzwischen schwingen alle Möchtegern-Diktatoren weltweit die Keule des „Monsters Soros“. Ľuboš Blaha, die rechte Hand von dem slowakischen Premier Robert Fico und sein „Mann für die Drecksarbeit“, der Ahnung von gar nichts hat, bezeichnet sogar das Ende der kommunistischen Herrschaft in der Tschechoslowakei im November 1989 als „sorosianischen Umsturz“ und weigert sich, ihn zu feiern. Jemand sollte ihm sagen, dass Soros im Jahr 1989 noch völlig in Ordnung war und erst nach 2008 zum Anführer einer weltweiten jüdischen Verschwörung zur Zerstörung Europas stilisiert wurde.

Philanthropen sind durch die von Milliardären kontrollierten sozialen Medien zu Dämonen geworden, während Egoisten, die nur an sich und ihren Profit denken, zu neuen Helden stilisiert werden. Deshalb kaufen sich Milliardäre auch Medien – so sichern sie sich nicht nur Macht, sondern lenken vor allem den Hass der unzufriedenen Massen in die Richtung, die sie brauchen. Silvio Berlusconi war der Erste, der damit begann, und sein Erfolg machte Schule. Derzeit sind die sogenannten „Eliten“ die neuen Feinde – also gebildete Menschen, die bereit sind, Gesetze zu unterstützen und sich an sie zu halten. Der österreichische Journalist Michael Fleischhacker schreibt dazu treffend: „Die Stärke des Rechts ist die Zuflucht der Schwachen, das Recht des Stärkeren hat die Stärke des Rechts abgelöst“ Das Ziel ist es also, eine Gesellschaft nach dem Vorbild des frühen Mittelalters zu schaffen. Eine Aristokratie, die über dem Gesetz steht und nur dem Herrscher unterworfen ist. Ihre Loyalität gegenüber dem Herrscher ist das tragende Fundament der Gesellschaft, und mit ihren Untertanen können die Adligen dann tun, was sie wollen. Doch anstelle des über Jahrhunderte kultivierten Blutadels tritt nun eine neue Aristokratie – die Finanzelite. Eine Aristokratie, die nicht einmal über grundlegende Umgangsformen verfügt (was dem „Pöbel“ allerdings sehr gefällt). Die auf dem Metamphetamin lebt und sich für unverwundbar hält. Sie braucht nur noch einen Herrscher und seine treuen Vasallen. In den USA ist das bereits gelungen – die Frage ist, ob die amerikanische Demokratie stark genug ist, diesen Angriff zu überstehen und zu den Idealen der Französischen Revolution zurückzufinden.

Denn wenn ein Clown den königlichen Palast besetzt, wird er dadurch nicht zum König – sondern der Palast verwandelt sich in einen Zirkus.

Hoffentlich wird sich die Mehrheit der Amerikaner dessen bewusst. Doch die Gefahr einer Rückkehr zum Feudalismus mit einem klerikal faschistischen Anstrich ist groß.

100 Jahre von Einfrührung österreichisches Schillings

Vielleicht ist dieser Artikel nur für echte Geschichtsfans interessant, aber ich kann es mir nicht verkneifen, die Verhältnisse nach dem Ersten Weltkrieg ein wenig zu beleuchten. Diese führten zu einer völligen wirtschaftlichen Instabilität mit weitreichenden Folgen. Österreich und insbesondere Deutschland bekamen nämlich von dieser wirtschaftlichen Katastrophe mehr als genug zu spüren. Dies führte später zu ihrer Sympathie für den Faschismus und zur Errichtung autoritärer Systeme – in Österreich zur klerikal faschistischen oder auch „Ständestaat“-Regierung und in Deutschland letztendlich zur nationalsozialistischen Diktatur.

Geld steht in jedem Staat „immer „nur“ an erster Stelle“. Seitdem es in ferner Vergangenheit erfunden wurde, dreht sich fast alles darum. Ein stabiler Staat braucht auch eine stabile, verlässliche Währung. Die Österreichisch-Ungarische Monarchie hatte in dieser Hinsicht eine alte und sehr positive Tradition.

Die Reform Maria Theresias (wobei ich dahinter eher die Hand ihres Mannes, des Finanzgenies Franz Stephan, vermute) aus dem Jahr 1748 führte in den habsburgischen Ländern den sogenannten Konventionstaler ein.

Konventionstaler Vorderseite
Konventionstaler Hinterseite

Dieser wurde durch das Wiener Abkommen mit Bayern in Mitteleuropa eingeführt. Aus einer Mark Silber (233,85 Gramm) wurden zehn Taler geprägt. Eine Münze wog 28 Gramm und hatte einen Feingehalt von 83,3 Prozent Silber (der Rest war Kupfer). Ein Taler entsprach 100 Kreuzern. Auch Kreuzer wurden teilweise aus Silber, teilweise aus Kupfer geprägt. Nicht unbedingt nach dem Nennwert – sogar Sieben-Kreuzer-Stücke bestanden aus Silber, während die Dreißig-Kreuzer-Münze aus Kupfer war –allerdings war sie natürlich viel größer.

Dass es sich in dem Taler um eine sehr hochwertige und begehrte Münze handelte, zeigt zum Beispiel die Tatsache, dass der gesamte Silberimport in das weit entfernte Oman nur auf Basis dieser Münzen erfolgte. In den neu entstehenden Vereinigten Staaten von Amerika wurde am 6. Juli 1785 eine Münze mit diesen Parametern unter dem Namen „US-Dollar“ als nationale Währung eingeführt – und ist es bis heute geblieben.

Der Taler entsprach zwei Gulden und blieb bis 1858 in Umlauf. Damals führte der Druck, die Währung mit dem aufstrebenden mächtigen deutschen Nachbarn zu synchronisieren, erneut zu einer Reform, die durch Wiener Verträge festgelegt wurde. Die neue Währungseinheit war der Gulden – aus einem Pfund Silber wurden 45 Gulden geprägt, mit einem Reinheitsgrad von erneut 83,5 Prozent. Dies diente nur der Angleichung an die deutsche Mark, um den Handel zwischen beiden Ländern zu erleichtern. Die Währung mit dem Namen „Gulden“ oder „Forint“ hielt sich bis 1892, als eine weitere Reform durchgeführt wurde und Österreich vom Gulden zur Krone überging. Ein Gulden entsprach zwei Kronen, und bis zum Jahr 1900 wurden beide Währungen parallel akzeptiert. Eine Krone bestand aus 100 Heller.

Auch die Krone war eine sehr hochwertige Münze (noch heute wird sie von Sammlern gerne in ihre Kollektionen aufgenommen). Eine Krone enthielt fünf Gramm Silber mit einem Feingehalt von 83,5 Prozent. Die Fünf-Kronen-Münze, als größte Silbermünze, wurde aus 24 Gramm Silber geprägt.

5 Kronen aus dem Jahr 1908

Ab zehn Kronen aufwärts bestanden die Münzen aus Gold. Die 100-Kronen-Münze enthielt eine Unze, also 33,875 Gramm Gold mit einem Feingehalt von 90 Prozent. Heute wird sie für etwa 2500 Euro gehandelt.

Die Münzen wurden separat in Zisleithanien (Österreich mit den böhmischen Ländern und Südpolen) und Transleithanien (Ungarn) geprägt, während die Banknoten von der Zentralbank gemeinsam für beide Teile der Monarchie ausgegeben wurden. Ein interessantes Detail ist, dass auf der Vorderseite der Banknoten – der österreichischen Seite – der Text in Deutsch, Tschechisch, Polnisch, Ruthenisch, Italienisch, Slowenisch, Kroatisch, Serbisch und Rumänisch geschrieben war. Die Rückseite – die ungarische Seite – enthielt neben dem ungarischen Wappen ausschließlich ungarischen Text – Slowakisch wurde also auf den Banknoten nicht verwendet.

20 Kronen Vorderseite
20 Kronen Hinterseite

Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs waren sowohl Deutschland als auch Österreich gezwungen, aufgrund der enormen Kriegskosten den Goldstandard ihrer Währungen aufzugeben. Dies führte zu einer Erhöhung der Geldmenge und einer Entwertung des Geldes. Die wahre Katastrophe brach jedoch erst nach dem Krieg aus. Deutschland und Österreich gehörten zu den Verlierern und waren gezwungen, hohe Kriegsreparationen zu zahlen. Dieses Geld stand schlichtweg nicht zur Verfügung, also wurden die Druckerpressen angeworfen und Geld wurde massenhaft gedruckt, ohne gedeckt zu sein.

Nach dem Ersten Weltkrieg hatte Österreich mehrere gewaltige Probleme:

  1. Die Kriegsreparationen, die an die Siegermächte gezahlt werden mussten.
  2. Ein großes Haushaltsdefizit. Österreich, insbesondere Wien, war das Verwaltungszentrum eines riesigen Reiches gewesen. Für den kleinen Reststaat Österreich war der Verwaltungsapparat völlig überdimensioniert. Zehntausende Beamte zu entlassen, wagte die neue Republik jedoch nicht aus Angst vor sozialen Unruhen.
  3. Subventionierung der Lebensmittelpreise aus dem Staatshaushalt. Die Versorgung der Städte, insbesondere Wiens, mit Lebensmitteln war äußerst problematisch – die ehemalige Agrarregion Ungarn und die industriellen böhmischen Länder fielen nun als Versorger aus. Um den steigenden Lebensmittelpreisen entgegenzuwirken, druckte die Regierung immer mehr Geld, um bei den Gehältern Schritt zu halten.
  4. Rückgang der Goldreserven des Staates. Österreich bezahlte importierte Waren, die früher innerhalb der Monarchie gehandelt wurden, nun mit Gold aus den Reserven der Zentralbank. Dies führte zu einer weiteren Abwertung der Währung.
  5. Spekulationen an der Börse führten zu unkontrollierbaren Wertschwankungen des Geldes. Die österreichische Republik hatte nicht genügend finanzielle Reserven, um sich gegen Spekulanten zu wehren.
  6. Anfangs wurde die Inflation von der Regierung gefördert, da sie sich davon eine wirtschaftliche Belebung versprach – einen „Flucht in Sachwerte“-Effekt, also den Kauf von Waren anstelle von Sparen. Dieser Effekt hielt jedoch nur sehr kurzfristig an.
  7. Die Österreicher betrachteten ihren Reststaat lediglich als Übergangslösung mit dem Ziel, sich Deutschland anzuschließen. Sie hielten den neuen Staat für nicht überlebensfähig, was zu einem Kapitalabfluss führte. Dieses Gefühl hielt lange an – erst in den 1970er Jahren, dank der wirtschaftlichen Erfolge der Regierung Bruno Kreiskys sowie sportlicher Erfolge wie Franz Klammers Sieg bei den Olympischen Spielen in Innsbruck oder dem Sieg der österreichischen Fußballnationalmannschaft über Deutschland bei der WM 1978 in Córdoba, begann eine deutliche Mehrheit der Österreicher, sich als eigenständige Nation und nicht mehr als Deutsche zu fühlen.

Aus Angst, in dieselbe Inflationsspirale hineingezogen zu werden, begannen die Nachfolgestaaten der Monarchie, Banknoten, die sich auf ihrem Gebiet befanden, zu stempeln. Damit begann bereits im Januar 1919 das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen (das spätere Jugoslawien), im Februar folgte die Tschechoslowakei. Ab März war auch „Deutschösterreich“, wie der verbliebene Reststaat damals genannt wurde, gezwungen, seine Banknoten zu stempeln.

Gestempelte Banknote

Die Tschechoslowakei blieb dank Finanzminister Rašín lange beim Goldstandard, also dem Vorkriegssystem der Währung. Dies führte jedoch zu einem Kapitalabfluss (ausländische Banken legten tschechoslowakische Kronen als Devisenreserven anstelle von Gold an, und tschechoslowakische Touristen waren verpflichtet, mitgebrachte Währung sofort in die Landeswährung umzutauschen) und zu einer Deflation mit Bargeldmangel. Übrigens war die Einrichtung der sogenannten „Vermögensprüfungskommission“ aus praktischer Sicht zwar wenig sinnvoll, führte jedoch dazu, dass große Geldmengen aus Kriegsgewinnen und Spekulationen entweder gar nicht oder nur sehr langsam in Umlauf kamen – niemand wollte zu sehr auffallen und dadurch das Interesse dieser Kommission auf sich ziehen.

Rašíns Nachfolger Karel Engliš gab den Goldstandard 1923 sofort auf, doch der positive Effekt war bereits eingetreten: Die tschechoslowakische Währung war stabilisiert und blieb es auch. Die Tschechen lieben ihre Krone bis heute und sind bereit, dafür einen Preis zu zahlen. Banken und Versicherungen kassieren Gebühren für die Umrechnung des Wechselkurses zum Euro, aber das scheint die Tschechen nicht zu stören – offenbar können sie es sich leisten. Übrigens blieb nur die Tschechoslowakei beim ursprünglichen österreichischen Namen ihrer Währung – der Krone (tschechisch “Koruna”). Die Ungarn und Polen kehrten zum Gold zurück (Forint, Złoty), die Jugoslawen führten den Dinar ein (die Slowenen später nostalgisch den Tolar/Taler), die Rumänen die Leu (auch in der Tschechoslowakei wurde überlegt, die neue Währung „Lev“, also Löwe“ zu nennen), und die Österreicher entschieden sich schließlich für den Schilling – doch dazu später mehr.

Das Ergebnis all dieser Faktoren, die nach dem Zerfall der Monarchie im Jahr 1918 einwirkten, war, dass im August 1922 das Verhältnis der Goldkrone zur Papierkrone bei 1:14.400 lag. Den Rekord erreichte die Inflation ebenfalls im August 1922, als sie 129 Prozent pro Monat betrug.

1000 Kronen Münze – entsprach nach der Währungsreform 10 Groschen

Deutschland wurde von der Hyperinflation allerdings noch weitaus härter getroffen als Österreich. Während der Wert der Mark im Oktober 1921 auf ein Hundertstel des Vorkriegskurses sank, war es im Oktober 1922 bereits nur noch ein Tausendstel. Im Juli 1923 erreichte der Kurs einen Dollar pro eine Billion Mark, und am 15. November 1923 wurde mit 4,2 Billionen Mark pro Dollar der historische Höchststand erreicht.

Deutsche Banknoten auf dem Höhepunkt der Inflation

Philatelisten kennen aus dieser Zeit Briefmarken mit Nominalwerten in Hunderten von Milliarden Mark.

Die Probleme jener Epoche beschreibt eindrucksvoll und zugleich mit Humor Erich Maria Remarque in seinem Roman Der schwarze Obelisk. Erst danach wurde in Deutschland die sogenannte „Rentenmark“ eingeführt – zu einem Umrechnungskurs von einer neuen Mark für eine Billion alte Mark.

In Österreich kam es dank konservativer Regierung von Kanzler Ignaz Seipel nicht zu solchen extremen Zuständen. Er bemühte sich mit aller Kraft um eine Stabilisierung der Lage. Am 16. September 1920 trat Österreich dem Völkerbund bei. Am 4. Oktober 1922 wurden dann die sogenannten „Genfer Protokolle“ zwischen Österreich und Großbritannien, Frankreich, Italien sowie der Tschechoslowakei unterzeichnet. Österreich erhielt einen Kredit in Höhe von 650 Millionen Goldkronen zur Stabilisierung seiner Wirtschaft (den es bis in die 1970er Jahre zurückzahlte). Im Gegenzug verpflichtete sich das Land, jegliche Bestrebungen nach einem Anschluss an Deutschland aufzugeben und somit seine Eigenständigkeit zu bewahren. Darüber hinaus wurde ein Sanierungsplan mit Reformen zur Haushaltskonsolidierung auferlegt. Dies führte zu massiven Entlassungen und einem Anstieg der Arbeitslosigkeit – die rasch die 10% Grenze überschritt und im Jahr 1930 den Rekordwert von 25% erreichte. Dies war einer der Gründe für die Sympathien der österreichischen Bevölkerung gegenüber der Ideologie ihres Landsmannes Adolf Hitler, der in Deutschland aktiv war. Die Einnahmen aus Tabak und Zöllen wurden den Gläubigern als Sicherheit übertragen. Bis zum 30. Juli 1926 überwachte der niederländische Generalbevollmächtigte Alfréd Zimmermann die Einhaltung des Sanierungsplans.

Als Folge der Währungsstabilisierung entschied sich die Regdierung Seipels für eine Währungsreform: Die diskreditierte Krone wurde abgeschafft, und eine neue Währung sollte eingeführt werden – die Wahl fiel auf den Schilling.

Ein Schilling aus dem Jahr 1925

Ironischerweise verabschiedete das österreichische Parlament diese Änderung am 20. Dezember 1924, einen Monat nach Seipels Rücktritt. Der Schilling wurde ab dem 1. März 1925 eingeführt und entsprach 10.000 Kronen. Er war in 100 Groschen unterteilt, sodass ein Groschen 100 Kronen entsprach.

1 Groschen, die zwei Null erinnern auf den parallelen Wert von 100 Kronen

Dank einer strikten restriktiven Geldpolitik entwickelte sich der Schilling zu einer stabilen Währung und erhielt den Spitznamen „Alpendollar“.

Goldene Münze 25 Schilling aus dem Jahr 1929

Er blieb den Österreichern bis zum „Anschluss“ im April 1938 erhalten. Danach wurde die Reichsmark eingeführt, die für die Österreicher zu einem für sie günstigen Kurs von 1,5:1 umgetauscht wurde. Ein Jahr später war Hitler gegenüber den Tschechoslowaken weit weniger großzügig. Dort wurde die Reichsmark zum Kurs von 1:10 gegen die tschechoslowakische Krone getauscht, obwohl die Krone einen wesentlich höheren realen Wert hatte.

Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrten die Österreicher zum Schilling zurück – allerdings bestand er nicht mehr aus Silber, sondern aus Nickel.

Ein Schilling aus dem Jahr 1947

Dennoch gelang es nach den anfänglichen Hungerjahren, sowohl die Wirtschaft als auch die Währung zu stabilisieren. Der Schilling blieb bis zur Einführung des Euro im Jahr 1999 (als Bargeld ab 2002) erhalten – obwohl er bereits seit dem 1. Juli 1976 fest an die Deutsche Mark im Verhältnis 7:1 gebunden war. Damit hatte Österreich faktisch seine eigenständige Geldpolitik aufgegeben, trat der Europäischen Union – deren Gründungsmitglied Deutschland war – aber erst 1995 bei.

Ein Schilling aus dem Jahr 1993

Trotz der offensichtlichen Vorteile der gemeinsamen europäischen Währung erinnern sich viele Österreicher noch immer mit nostalgischer Zuneigung an den Schilling. Er war eine „Erfolgsgeschichte“ der österreichischen Staatlichkeit.

Oman

Möchten Sie sich im Dezember oder Januar wie in Kroatien im Juli fühlen? Dann reisen Sie nach Oman, genauer gesagt nach Salalah und übernachten Sie im Hotel Fanar. Hier stellen Tschechen definitiv die relative Mehrheit, zusammen mit ihren slowakischen Brüdern sogar die absolute Mehrheit. Sollten sich Polen und Ungarn hinzugesellen (was für Slowaken natürlich nicht in Frage kommt), könnten sie sogar eine verfassungsgebende Mehrheit erreichen. Nur einige verstreute Italiener und Deutsche erwecken den Eindruck, dass man sich tatsächlich im Ausland befindet.

Natürlich gilt das nicht für die örtlichen Strände: lang, breit, sandig, sanft abfallend und vor allem mit warmem Meerwasser. Zum Jahreswechsel erreicht das Wasser des Indischen Ozeans eine Temperatur von 25 Grad und lädt somit zum Baden ein. Aus Tschechien und der Slowakei gibt es Charterflüge direkt nach Salalah, aus Österreich noch nicht. Daher haben wir zu zweit mit meiner Frau Österreich vertreten – jedenfalls soweit wir das beurteilen können, da wir niemanden anderen aus Österreich entdeckt haben, obwohl es uns an Bemühung nicht gefehlt hat.

Für Tschechen und Polen baut das Unternehmen Amazi hier ein Sommerdomizil – eigentlich ein Winterdomizil –, damit Tschechen und Polen auch im Winter die Sonne genießen können. Es werden einstöckige und zweistöckige Villen mit zwei bis vier Schlafzimmern direkt am Wasser mit eigenem Bootsanleger angeboten. Die Preise beginnen bei rund 200 000 Euro. Am Anfang genügt eine Anzahlung von 20 % des Preises, danach zahlt man alle drei Monate 7,5 %. Das halte ich für ziemlich attraktiv und seriös. Wir reisen jedoch jedes Jahr gerne woanders hin und sind daher den Versuchungen nicht erlegen.

Positiv war für uns persönlich – ich möchte nicht für andere Gäste sprechen, insbesondere nicht für Ungarn und Slowaken –, dass wir hier keinen einzigen Russen getroffen haben (wenn man Nadia, die an der Rezeption arbeitete, nicht mitzählte). Ich weiß nicht, wie es mit den Visa aussieht oder ob für die Russen in Oman andere Regeln gelten als in den benachbarten Emiraten. Der Hauptgrund für ihre Abwesenheit könnte jedoch der eingeschränkte Zugang zum Alkohol sein. In den Hotels wird Alkohol vor 12 Uhr nicht ausgeschenkt, und freitags, wenn das große Mittagsgebet stattfindet, gibt es alkoholische Getränke erst ab 14 Uhr. Diese Regel gilt auch für Hotelgäste, die selbst nicht zum Freitagsgebet verpflichtet sind. Für einen Russen im Urlaub sind das also völlig unakzeptable Einschränkungen. Die Omaner sind zwar Ibaditen, eine Sekte, die mit dem intoleranten Wahhabismus nichts zu tun hat, und sie legen den Koran angeblich liberaler aus. Deshalb sollen sie farbenfrohere Gewänder tragen (wir haben keine gesehen, nur davon gehört). Was Alkohol betrifft, schreibt der Koran Gläubigen nur vor, dass sie nicht unter dem Einfluss berauschender Substanzen zum Gebet erscheinen sollen. Ein absolutes Alkoholverbot steht in dem heiligen Buch angeblich nicht. Logistisch kann es jedoch ein Problem sein. Wann sollte man bei fünf Pflichtgebeten am Tag Alkohol trinken, um zur Gebetszeit 0,0 Promille im Blut zu haben?

Oman gilt als das freundlichste und weltoffenste arabische Land. Ich kann das bestätigen. Schon bei der Ankunft am Flughafen scherzte der Zollbeamte mit uns, Taxifahrer bemühten sich die ganze Zeit, Gespräche aufrechtzuerhalten, und erstaunlicherweise kannten sie sich in der weltpolitischen Lage recht gut aus. Oman ist ein großes Land – mit einer Fläche von 309.500 km² und knapp fünf Millionen Einwohnern, davon nur drei Millionen einheimische Omaner. Der Rest sind Ausländer, die überall arbeiten, wo man hinschaut, meist aus Indien, Pakistan, Ägypten oder sogar aus der Türkei. Sie lächeln die ganze Zeit, scheinen gute Laune zu haben und scherzen auch miteinander. Das spricht für gute Arbeitsbedingungen. Angeblich verdienen sie hier deutlich besser als in Dubai oder den Emiraten und werden nicht als minderwertig angesehen. So habe ich es gehört.

Die Geschichte Omans ist tatsächlich nicht kompliziert und begann eigentlich erst 1970, als Sultan Qaboos ibn Said seinen Vater stürzte und das Land in eine moderne Richtung führte.

Sultan Quaboos ibn Said

Der Umsturz war nicht ganz friedlich. Der alte Sultan Said ibn Taimur weigerte sich, die Macht aufzugeben, und schoss mit einer Pistole um sich, bis er sich selbst ins Bein traf. Damit war sein Widerstand gebrochen, und sein Sohn konnte die Herrschaft übernehmen. Dieser Sultan hat den Omanern so viel Wohlstand gebracht, dass sie ihm bis heute dankbar sind und ihn dementsprechend verehren. Auch wenn seit 2020 sein Cousin Haitham ibn Tariq regiert, sind überall Fotos mit beiden Sultanen zu sehen. Das durchschnittliche Einkommen eines Omaners soll zwar 1.100 Euro nicht überschreiten, aber der Staat gewährt seinen Bürgern so viele Sozialleistungen, dass niemand klagen muss. Das ist Grund genug, ihren Sultan zu lieben (Oman ist eines von zwei Sultanaten auf der Welt; das andere ist Brunei auf der Insel Borneo).

Die Geschichte des Landes begann natürlich nicht erst 1970. Oman war seit jeher ein Exporteur von Weihrauch, der von hier aus in die ganze Welt verschifft wurde – auf Schiffen (Dhaus), die aus Palmstämmen gefertigt und mit Kokosfasern zusammengebunden wurden. Diese Boote, die zur Überraschung der Europäer tatsächlich schwimmfähig waren und sich auch für lange Reisen eigneten, lernten die Omaner erst später durch die Portugiesen mit Metallnägeln zu verstärken. Die Omaner kannten Seewege sowohl nach Osten als auch nach Westen, und da sie Fässer mit Datteln mitführten (die Dattelpalme gilt im Oman als wertvollster Baum und wird „Baum des Lebens“ genannt), litten sie – im Gegensatz zu europäischen Seeleuten – nicht an Skorbut, und ihre Zähne blieben ihnen bis ins hohe Alter erhalten. Selbst der Lotse Ahmed bin Majid, der Vasco da Gama nach Indien führte, war ein Omaner. Die Portugiesen „bedankten“ sich für diese Hilfe, indem sie die omanische Küste beherrschten und 150 Jahre lang hier regierten. Zwei Festungen am Eingang des Hafens von Alt-Maskat zeugen von dieser Zeit. (Die neue Stadt, die heutige Hauptstadt, hat – wie könnte es anders sein – das Geburtsjahr 1970.)

Die Straße von Hormuz, die den Persischen Golf mit dem Indischen Ozean verbindet, war immer von strategischer Bedeutung, heute mehr denn je, da durch sie alle Öltanker fahren müssen, die Öl aus Saudi-Arabien, dem Irak und Kuwait transportieren. Das Gebiet an der Spitze der Halbinsel, das in die Straße von Hormuz ragt, ist eine omanische Exklave (es gibt eigentlich zwei, aber eine davon ist so klein, dass sie kaum der Erwähnung wert ist). Die dortigen Bewohner entschieden sich in einer Volksabstimmung im Jahr 1971, als die Vereinigten Arabischen Emirate gebildet wurden, dafür, nicht Teil des Zusammenschlusses zu werden, sondern bei Oman zu bleiben. Ein Sultan hat eben mehr Prestige als ein Emir (vergleichbar mit König und Fürst in unserer Terminologie). Der neue Sultan weckte offenbar schon damals bei der Bevölkerung Hoffnungen, die sich dann später als berechtigt erwiesen. Die Exklave ist gebirgig, die Berge fallen direkt ins Meer und bilden Fjorde wie in Norwegen. Die größte Stadt dort ist al-Hasab, und das Gebiet ist vom Oman aus nur per Flugzeug oder Schiff erreichbar – und das nur bei gutem Wetter. Glücklicherweise gibt es dort fast immer gutes Wetter.

Über Maskat, wo die Berge bis zu 3.000 Meter hoch sind, bauen die Omaner Wanderwege und Klettersteige. Das ist ein Anreiz für Bergtouristen, denen die Alpen nicht genügen und der Himalaya zu weit entfernt oder zu hoch ist. Im Süden um Salalah gibt es ebenfalls Berge, die jedoch bereits zur jemenitischen Bergkette gehören. Der Jemen liegt nur 150 Kilometer von Salalah entfernt und zeigt, dass die Herrschaft eines aufgeklärten Sultans doch besser ist als ein kommunistisches Experiment, aus dem sich der westliche Nachbar Omans bis heute nicht erholt hat und das dort zu einem niemals endenden Bürgerkrieg führte. Davon bemerkt man im Oman allerdings nichts, abgesehen von den zahlreichen Kasernen der omanischen Armee und gelegentlichen Hubschrauberüberflügen. Jemeniten machen hier keine Probleme – sie haben genug eigene Sorgen und betrachten derzeit den jüdischen Staat im Norden als ihren Hauptfeind.

Die Kommunisten haben es allerdings auch im Oman versucht. 1965 gab es in der Provinz Dhofar, deren Zentrum Salalah ist, mit Unterstützung der jemenitischen Kommunisten einen bewaffneten Aufstand. Das führte in dieser Region zu einem Bürgerkrieg, der erst 1976 endete. Seitdem hat der Sultan die Kontrolle über das gesamte Staatsgebiet – was aus meiner Sicht sehr positiv ist. In Salalah scheint die Sonne praktisch immer (das ist der einzige Punkt, der nicht dem Sultan zuzuschreiben ist), mit Ausnahme der Monate Mai bis Juli. Das ist die Monsunzeit, in der sich die Sonne nicht blicken lässt und es ununterbrochen regnet. Dieses Wetter ist ein weiterer touristischer Anziehungspunkt der Region. Während Europäer von September bis April nach Salalah reisen, um die Sonne zu genießen, kommen zwischen Mai und Juli Araber aus Saudi-Arabien und anderen Wüstenländern, um der Hitze zu entfliehen. Während dort die Temperaturen auf über 45 Grad steigen, sind es in Salalah zu dieser Zeit „nur“ 30 Grad. Die größte Hitze herrscht hier Ende April und Anfang Mai. Ein Taxifahrer erzählte uns, dass es letztes Jahr 41 Grad im Schatten gab, und ich war bereit, ihm das zu glauben. Obwohl Oman größtenteils aus Wüste besteht, sollen sich die Berge, die in dieser südlichen Provinz bis zu 2.100 Meter hoch sind, in den Sommermonaten grün färben. Für Araber ist das ein Wunder und ein Abbild des Paradieses – nicht umsonst hat jede arabische Flagge einen grünen Streifen (einschließlich der omanischen).

Auf einem Aussichtspunkt in 1400 Metern Höhe, der mit dem Auto erreichbar ist und tatsächlich das sprichwörtliche Ende der Welt darstellt, steht ein Hotel.

Es hat allerdings nur in den drei Sommermonaten geöffnet und richtet sich speziell an arabische Gäste, die das Wunder genießen möchten, im Regen und Nebel zu sitzen und darauf zu warten, dass es sich ein wenig lichtet, um die grünen Hänge unter ihnen zu betrachten. Einen Tschechen, Slowaken oder sogar Österreicher wird man dort kaum antreffen – sie haben genug Nebel zu Hause.

Wasser ist in einem Wüstenland ein Wunder. Als wir zu einem Ausflug in diese Berge aufbrachen, besuchten wir alle Orte, an denen es ein wenig Wasser gab. Das Wadi Darbat mit seinem Bach, einem kleinen See und einem Wasserfall von fast fünf Metern Höhe war eines dieser Ziele. Der Reiseleiter verriet uns, dass wir Glück hatten – im Januar war der Wasserfall noch aktiv. Irgendwann im Februar versiegt er, weil das Wasser ausgeht, und es muss auf die Regenfälle im Mai gewartet werden. Selbst der kleine See unterhalb des Wasserfalls, etwa 50 Meter lang und 20 Meter breit, ist für die Einheimischen eine touristische Attraktion. Es gibt dort einen Erholungspark, und man kann sogar ein Boot für fünf Rial pro Stunde mieten. Übrigens: Egal, welchen Ausflug man im Hotel bucht, das Wadi Darbat ist immer Teil des Programms.

Wadi Darbat

Der Rial, die lokale Währung, ist ein Erbe der Portugiesen, die hier zu Beginn des 16. Jahrhunderts ihre Reals einführten, bevor sie um 1650 vertrieben wurden. Ein Rial entspricht etwa 2,60 Euro und ist damit eine der nominal höchsten Währungen der Welt. Nominal stärker ist nur das kuwaitische Dinar – für einen Dinar kriegt man 3,12 Euro.

Nach den Portugiesen hinterließen auch die Engländer ab 1798 ihren Einfluss in der Region. Trotzdem wird auf den Straßen Omans – die neu und in ausgezeichnetem Zustand sind – rechts gefahren. Alle Schilder im Land sind konsequent zweisprachig, mit arabischem Text und englischer Übersetzung. Nach der Vertreibung der Portugiesen übernahm die Said-Dynastie die Macht, die bis heute regiert. Besonders im 19. Jahrhundert expandierte das omanische Sultanat und eroberte 1730 die Insel Sansibar sowie angrenzende afrikanische Küstengebiete. Bis 1856 war Sansibar sogar die Hauptstadt des omanischen Reiches und die Residenz des Sultans. Nach dessen Verlust begann jedoch ein wirtschaftlicher Niedergang, da die Omanis ihre afrikanischen Plantagen und Einnahmen aus Hafengebühren verloren. Zudem hatten die dominierenden Europäer etwas gegen den Sklavenhandel, der damals die wichtigste Einnahmequelle des omanischen Staates war. Sklaverei blieb in Oman jedoch bis 1970 legal, bis der reformorientierte Sultan Qaboos an die Macht kam und die Sklaverei verbot.

Nicht weit vom Wadi Darbat befindet sich die Tawi-Attair-Schlucht, die durch Monsunregen bis zu 200 Meter tief ausgewaschen wurde. Im Januar war dort jedoch kein Wasser mehr sichtbar, und auch der Imbiss am Anfang des Wanderwegs war geschlossen.

Im Norden von Salalah liegt das Wadi Dawkah mit Plantagen von Weihrauchbäumen. Weihrauch war über Jahrhunderte der wichtigste Exportartikel des Landes und ist natürlich in Souvenirläden – sogar in Hotels – erhältlich. Den Laden findet man oft schon durch den angenehmen Duft von brennendem Weihrauch, den die Verkäufer als Köder einsetzen. Es gibt auch Weihrauchöl mit angeblich heilender Wirkung gegen nahezu alles, besonders wirksam soll es aber bei Hautkrankheiten sein. Ob das stimmt, sei dahingestellt – der Verkäufer wird Sie davon aber garantiert überzeugen, und zwar in jeder Sprache.

Das Weihrauchmuseum „Al Baleed“ befindet sich in Salalah. Die Anfahrt mit dem Taxi ist kein Problem – die Straßen in Oman sind durchweg asphaltiert und in gutem Zustand, allerdings mit zahlreichen Kreisverkehren, da Ampeln hier wenig Vertrauen genießen. Die Hauptprobleme im Straßenverkehr sind jedoch Kamele. Sie laufen in großen Herden, grasen am Straßenrand oder überqueren die Fahrbahn, unabhängig von deren Größe und Bedeutung. Die vierspurige Fahrbahn lieben sie offensichtlich noch mehr als zweispurige. Und das Kamel hat immer Vorrang – und weiß das auch.

Salalah ist eine komplett neue Stadt, deren Wachstum ausschließlich des Tourismus zu verdanken ist. Der englische Reisende Wilfred Thesiger beschrieb sie 1940 noch als ein Nest aus einigen Lehmhütten. Heute ist Salalah mit etwa 300.000 Einwohnern eine moderne Stadt mit Infrastruktur, Einkaufsstraßen und mit einem Flughafen. Logischerweise gibt es auch eine große Moschee, die Platz für 3200 Gläubige bietet. Ein Besuch ist auch für Nicht-Muslime möglich – jedoch ohne Schuhe, in langen Hosen, und Frauen müssen ein Kopftuch tragen, das vor Ort nicht ausgeliehen werden kann.

In der Nähe von Salalah befindet sich das Städtchen Taqah mit einer kleinen Festung, die im 19. Jahrhundert vom Scheich Timman al Ma’ashani erbaut wurde. Für drei Rial Eintritt kann man dort historische Einrichtungen besichtigen, einschließlich eines Schlafzimmers mit Baldachin und etwas verblassten Spiegeln. Bis 1984 diente die Festung als Sitz des Gouverneurs der Provinz, bevor dieser nach Salalah umzog. Heute ist sie eine Touristenattraktion.

Alles in allem bietet die Umgebung von Salalah für Historiker und Kulturinteressierte nicht allzu viel. Der Schwerpunkt liegt auf Sandstränden, gutem Essen (vor allem Fisch und Meeresfrüchte) und Erholung.

Und – Salalah war die erste Destination, die ich besucht habe, wo man den Sonnenaufgang sowie auch Sonnenuntergang über dem Meer beobachten konnte. Und im Dezember musste man nicht einmal zu früh aufstehen. Die Sonne ging gegen 6:45 Uhr auf und gegen 18 Uhr unten. Beides war ein schönes Spektakel, wenn es keine störenden Wolken am Horizont gab.

Albanien III – Durrës

Das neue Jahr beginne ich, wo ich das alte beendte habe, in Albanien. Für die, die von meinen Erzählungen noch nicht müde sind, besuchen wir die Hafenstand Durrës – oder Durazzo.

Durrës war einst das griechische Dyrrachion, das römische Dyrrhachium, das türkische Dirac und das italienische Durazzo. Der Name der Stadt änderte sich je nachdem, wer dort herrschte, und die Herrscher wechselten hier in einem Tempo, das es nur selten anderswo gab. Es war das westliche Tor auf dem Balkan, um dessen Kontrolle sich viele bemühten. Und es hat seine Spuren im Charakter der Stadt hinterlassen.

Das Stadtzentrum ist – wie überall in Albanien – völlig neu, sauber, geräumig und schön. Die große Moschee war seit 1967 geschlossen (wie alle Kirchen in Albanien) und musste nach 1993 wiederhergestellt werden. Über den Platz hinweg sieht man das Rathaus aus dem Jahr 1929, also wieder ein Werk italienischer Architekten – und das „Aleksander-Moisiu-Theater“, ein wesentlich neueres Werk im kommunistischen Baustil.

Aleksander Moisiu Theater

Aleksander Moisiu war ein albanischer Schauspieler, der es sogar auf die internationale Bühne geschafft hat; 1935 spielte er in einem Film mit Lída Baarová, die damals eine der berühmtesten europäischen Schauspielerinnen war, sowie auch die Geliebte des Propagandaministers von Nazi-Deutschland Joseph Goebels. Im selben Jahr, als er mit Baarova gedreht hat, starb Moisiu, also weiß ich nicht, was Lída mit ihm gemacht hatte. Er hat ein kleines Museum in Durrës in der Colonel-Thompson-Straße.

Die Hauptattraktion von Durrës ist sein antikes Amphitheater.

Es wurde vom Kaiser Hadrian erbaut, wurde aber bereits durch ein großes Erdbeben im Jahr 345 zerstört. Erdbeben sind in dieser Region nicht so selten; Durrës wurde durch das Erdbeben von 1926 vollständig zerstört, und wir haben auch ein kleines erlebt – Stärke 5,0 auf der Richterskala – das ist eine Stärke, bei der zwar bereits Häuser wackeln, aber noch nicht abstürzen, und meine Liege am Pool nach vorne sprang. Meine Frau aber, die gerade eine Landsfrau aus der östlichen Slowakei entdeckt hatte und mit ihr im Pool plauderte, bemerkte das Erdbeben nicht einmal. Das letzte Erdbeben mit Todesopfern in Albanien gab es im Jahr 1967.

Das Amphitheater ist nicht vollständig ausgegraben, und vor allem – niemand versucht, es unsensibel zu rekonstruieren. Ein Teil des Amphitheaters befindet sich nämlich unter den umliegenden Häusern, deren Besitzer sich rechtlich gegen ihren Abriss wehren. Es war jedoch für nicht einmal 1 Euro zugänglich, und die Mosaiken einer – in den Umkreis des Amphitheaters eingebauten – Kirche aus byzantinischer Zeit sind interessant. Aus byzantinischer Zeit ist auch die Stadtmauer erhalten geblieben; sie ist imposant und führt bis zum Hafen, wo sie mit dem venezianischen Tor mit einer Bar auf der Terrasse endet.

Aber der schönere Ausblick ist von der Fly Bar auf dem Dach des Hochhauses direkt gegenüber dem venezianischen Tor; allein deshalb lohnt es sich, sie zu besuchen.

            Entlang der Promenade mit Statuen von Helden des kommunistischen Widerstands im Zweiten Weltkrieg und Gladiatoren gelangt man zum Archäologischen Museum; es erstreckt sich bis zum Meer. Es gibt hier ein großes Zentrum mit Geschäften, Bars und Diskotheken mit einem schönen Blick auf die Stadt. Auch zur königlichen Villa, die die Bürger von Durrës 1927 ihrem König Zog I. schenkten. Leider wurde diese Villa bei den Unruhen im Jahr 1997 beschädigt und ist geschlossen und zum Verkauf angeboten. Die Albaner hatten nur einen König – Zog I. Im Jahr 1928 entschied sich der albanische Präsident Ahmet Zogu, dass das demokratische System für Albanien überhaupt nicht geeignet sei, und ließ sich zum “König aller Albaner” krönen, einschließlich der Albaner, die in den umliegenden Ländern lebten. Von da an war das Verhältnis zu Jugoslawien und Griechenland extrem angespannt, und Zog I. hielt sich auf dem Thron nur dank der italienischen Unterstützung. Albanien war so etwas wie ein Protektorat Mussolinis, daher wurden praktisch alle Gebäude dieser Zeit von italienischen Architekten erbaut. Im Jahr 1938 feierte Zog I. seine Aufnahme in den europäischen Adel durch die Hochzeit mit der ungarischen Gräfin Geraldine Apolonyi, und sie gebar ihm kurz vor seiner Flucht aus dem Land den einzigen Sohn Leka. Im April 1939 hatte Mussolini genug davon, auf den König aufzupassen, und beschloss, Albanien militärisch zu besetzen. Im Jahr 1941 nutzte er dann Albanien als Ausgangspunkt für seinen Angriff auf Griechenland. Er erlitt eine peinliche Niederlage, aus der ihn sein Verbündeter Hitler retten musste, der aufgrund der Kämpfe auf dem Balkan den Termin seiner “Operation Barbarossa” von März auf Juni verschieben musste und demzufolge seine Armee dann vor Moskau im russischen Frost erstarrt. König Zog I. ging ins Exil und blieb dort. Sein Sohn Leka wird immer noch als König Leka I. betrachtet. Im Jahr 1993 reiste er mit einem handgefertigten Pass “Königreich Albanien” nach Albanien, aber die Behörden ließen ihn mit diesem Pass nicht ins Land, also musste er am nächsten Tag das Land verlassen. Im Jahr 1997 entschieden sich die Albaner in einem Referendum gegen die Wiederherstellung der Monarchie, und Leka I. versuchte, seine “Rechte” mit Waffengewalt durchzusetzen. Er scheiterte, musste das Land verlassen, wurde in Abwesenheit verurteilt und 2002 begnadigt. Im Jahr 2006 erhielt er den ehemaligen königlichen Palast in Tirana zurück, und 2011 starb er. Sein Sohn, der 1982 in Johannesburg geboren wurde, führt den Titel Leka II. und soll angeblich ein sehr sympathischer junger Mann sein.

            Das Archäologische Museum in Durrës zeigt zahlreiche Artefakte aus der antiken Geschichte der Stadt, fasst aber auch die bewegte Geschichte der Stadt zusammen, als sie besonders im dreizehnten und vierzehnten Jahrhundert buchstäblich von Hand zu Hand ging.

Archeologisches Museum

Am Eingang gibt es ein Schild, das das Fotografieren verbietet, aber als ich das nette Mädchen, das die Tickets verkauft hat, fragte, ob wirklich nicht fotografiert werden darf, zuckte sie mit den Schultern und sagte: “Nicht alles.” Also habe ich nicht alles fotografiert.

            Durrës hatte seine Bedeutung, weil von hier aus die Via Egnatia führte, eine römische Straße, die im zweiten Jahrhundert vor Christus vom Konsul Egnatius gebaut wurde, bis nach Byzanz, dem späteren Konstantinopel, führte und eine direkte Fortsetzung der Hauptstraße Via Appia mit Ende in Brindisi war. In letzter Zeit gibt es Bestrebungen, diese Straße für Touristen zugänglich zu machen, die sie wie einst vor zweitausend Jahren entlanggehen möchten.

            Am 10. Juli des Jahres 48 vor Christus kam es bei Durrës zu einer bedeutenden Schlacht zwischen Gnaeus Pompeius und Gaius Julius Caesar. Caesar erlitt hier eine empfindliche Niederlage. Nur dank des Zögerns seines Gegners, der Angst hatte, Caesars fliehende Armee zu verfolgen, endete Caesars politische Karriere nicht in Durrës. Die römische Republik hätte gerettet werden können. Sie wurde es nicht. Einen Monat später vernichtete Caesar die Armee der Republikaner bei Pharsalos, und der Weg zu seiner Alleinherrschaft war frei.

            Nach der Eroberung durch die Türken sank die Bedeutung von Durrës. Aus der Hauptverbindung zwischen Italien und dem Balkan wurde eine Grenzfestung, und die Türken waren weder eine Seemacht noch Händler, die ihre Waren in Schiffen transportierten. Erst mit der Entstehung des unabhängigen Albaniens gewann es wieder an Bedeutung und ist heute der größte albanische Hafen und mit 220.000 Einwohnern nach Tirana die zweitgrößte albanische Stadt.

Durres – Hafen

Albanien II

Die Architektur des Zentrums von Tirana wurde von den italienischen Architekten Florestino Di Fausto und Vittorio Morpurgo entworfen, die von Mussolini ins Land geschickt wurden. Rund um den Skanderbeg-Platz, dem Zentrum Tiranas, stehen Gebäude aus den 1920er- und 1930er-Jahren im Stil der italienischen Neorenaissance. Sie sind bunt bemalt, was auf die Initiative des früheren Bürgermeisters von Tirana, Edi Rama, zurückgeht, der die grauen Betonplattenbauten aus der kommunistischen Ära mit Farben verschönern ließ. Heute ist sein Freund Erion Veliaj Bürgermeister der Stadt. Edi Rama schaffte es bis zum Ministerpräsidenten Albaniens – übrigens der größte in Europa (mit einer Körpergröße von 202 cm – sein Geld hat er sich als Basketballspieler in Italien verdient). Mit Wladimir Putin (in seinen besten Jahren war er 168 cm klein, jetzt wird das wahrscheinlich noch schlimmer sein) wird er wohl nie zusammentreffen, das würde der kleinwüchsige russische Diktator psychisch nicht verkraften.

Tirana Hauptplatz

Tirana verfügt über breite Boulevards, viel Grün im Stadtzentrum, schöne Parks, die modernsten Fünf-Sterne-Hotels (wie das Hotel Piazza) und Überreste einer Burg, die man leicht übersehen könnte, wenn man nichts von ihr wüsste. Es ist fast unglaublich, dass 1991 das höchste Gebäude der Stadt das Minarett einer Moschee mit 35 Metern war, die der Diktator Enver Hoxha offenbar vergessen hatte, abreißen zu lassen. (Mit Kirchen und Moscheen ging er sonst rigoros um – die meisten ließ er entweder abreißen oder in Kinos, Sporthallen oder Erholungsheime für Mitglieder der kommunistischen Partei umbauen.)

Alte Moschee in Tirana

Dennoch gibt es einiges zu sehen. Liebhaber historischer Denkmäler kommen aber nicht wirklich auf ihre Kosten. Ich muss gestehen, dass auch ich, bevor ich mich auf die Reise in den Süden begab, nur sehr vage Vorstellungen von der Geschichte Albaniens hatte. Der Name Skanderbeg war mir ein Begriff, ich wusste, dass in Apollonia der erste römische Kaiser Augustus Rhetorik studierte, und dass der unglückliche ermordete ungarische König Karl II. auch als Karl von Durrës bekannt war – was bedeutete, dass dieser Hafen im Mittelalter irgendwie zu Italien gehören musste. Viel mehr war mir nicht bekannt, was natürlich auch daran lag, dass sich das Land nach dem Zweiten Weltkrieg vom Rest der Welt vollständig isoliert hatte.

Zunächst zerstritt sich der albanische Diktator Enver Hoxha mit Tito, dann mit Breschnew und schließlich sogar mit Mao Zedong. Albanien lebte in seiner eigenen abgeschotteten Welt und es interessierte niemanden. Nur Diktator Enver war in seiner Paranoia überzeugt, dass die ganze Welt Albanien erobern und vor allem ihn persönlich umbringen wollte. Deshalb ließ er im ganzen Land Tausende von Bunkern bauen, die eine Eroberung Albaniens unmöglich machen sollten. Wahrscheinlich glaubte er bis zu seinem Lebensende, dass diese Taktik erfolgreich war und die Invasionsarmeen abgeschreckt hatte. In Wirklichkeit dachte niemand in der Welt auch nur im Traum daran, das arme Land anzugreifen.

Enver Hoxha

Die Bunker sind buchstäblich überall. Im Zentrum von Tirana steht einer der größten von ihnen, der Platz für die gesamte albanische Regierung bot und heute das Museum Bunk’Art 2 beherbergt. Das Bild der Stadt prägen dann viele weitere kleinere Bunker für ein oder zwei Soldaten (falls sie sehr dünn waren – was bei der damaligen Ernährung durchaus möglich war, denn die Fleischration betrug angeblich nur ein Kilogramm pro Monat).

Bunkr Mitte in der Stadt

Der größte von allen ist allerdings Bunk’Art 1 und er befindet sich in einem Vorort von Tirana. Der war eigentlich der wichtigste von allen. Den Bunker im Stadtzentrum ließ Hoxha nämlich nur als Reserve bauen. Lediglich für den Fall, dass er es aus irgendeinem Grund nicht in sein Hauptquartier schaffen sollte.

Am Strand von Adria, wo wir wohnten, befand sich unweit unseres Hotels ein solcher Bunker direkt am Strand, sogar mit einer Schießscharte für eine Kanone.

Bunkr auf dem Strand

Da wir aber den Strand zwei Kilometer nach Süden und zwei Kilometer nach Norden abwanderten und keinen weiteren Bunker fanden, musste dieser ganz allein offenbar eine Küstenlinie von mindestens vier Kilometern verteidigen – wie das möglich gewesen sein sollte, ist mir ein Rätsel. (Na gut, es gibt dort doch zwei Bunker, direkt nebeneinander. Ein findiger Albaner hatte die Idee, aus dem zweiten ein Restaurant und eine Bar mit Terrasse zu machen. Doch offensichtlich scheiterte das Projekt, und übrig sind nur übelriechende öffentliche Toiletten geblieben.)

Dafür sind die Hügel über dem Tal bei der Stadt Fier regelrecht von Bunkern mit Kanonenscharten durchlöchert. Ich zählte vierzehn und bin sicher, dass ich nicht alle entdeckt habe.

Bunker in den Bergen bei Fier

Albanien erklärte sich zum ersten „atheistischen Staat der Welt“. Das Praktizieren jeglicher Religion war streng verboten und wurde mit Aufenthalten in Straflagern geahndet. Die Geheimpolizei „Sigurimi“ war allgegenwärtig, und die Brutalität des albanischen Kommunismus war unvorstellbar – sie übertraf sogar das russische System. Heute dürfen sich die Menschen wieder zu einer Religion bekennen. Zehn Prozent sind Katholiken, zwanzig Prozent orthodoxe Christen und siebzig Prozent Muslime. Doch aufgrund des langjährigen Einflusses des Kommunismus ist das religiöse Empfinden der Menschen oft recht lau. Die Muslime in Albanien gehören zudem größtenteils der Bektaschi-Sekte an, die eng mit den syrischen Aleviten verwandt ist. Diese nehmen den Koran nicht allzu wörtlich ernst und feiern sogar Weihnachten. Die Unterschiede zu den Aleviten sind marginal; es handelt sich einfach um eine europäische, und daher noch weniger ernsthaft ausgelebte Form des Islam.

Die Heiligtümer ihrer Propheten – der Derwische – sind über ganz Albanien verteilt, oft in unzugänglichen Bergen, wo sie als Einsiedler lebten. Und Berge gibt es in Albanien viele! Ein solches Heiligtum befindet sich auf einem Aussichtspunkt auf einem Berg über der Stadt Kruja. Die Fahrt dorthin führt über endlose Serpentinen und ist nichts für Menschen mit Reisekrankheit. Die Besichtigung lohnt sich jedoch. Es handelt sich um eine kleine Höhle, in der Dutzende von Kerzen brennen. Natürlich muss man, wie in jedem muslimischen Heiligtum, die Schuhe vor dem Eingang ausziehen.

Eingang in das Heilgtum

Während des Kommunismus mauerten die Menschen Kreuze in die Wände ein, um heimlich beten zu können, ohne dass die Geheimpolizei diese Kreuze entdecken konnte. Heute ist das Praktizieren von Religion wieder erlaubt, und überall stehen katholische und orthodoxe Kirchen sowie Moscheen nebeneinander. Der türkische Präsident Erdoğan, der versucht, in Albanien Einfluss zu gewinnen – obwohl die Albaner ihn bisher demonstrativ ignorieren – investierte 30 Millionen Dollar in den Bau einer großen Moschee in Tirana. Diese hat vier Minarette und war im Jahr 2018 noch nicht fertiggestellt.

Die Albaner nähern sich der Religion pragmatisch, ähnlich wie ihr Nationalheld Skanderbeg. Gjergj Kastrioti, genannt Skanderbeg, wechselte im Laufe seines Lebens mehrmals die Religion: vom Islam zum Katholizismus, dann zur Orthodoxie und wieder zurück zum Katholizismus – je nachdem, wie es ihm gerade passte und welche Verbündeten er gewinnen wollte. Das minderte seine Popularität bei den Albanern keineswegs, im Gegenteil, es stärkte sie vielleicht sogar. Zwar sieht man in Albanien auch Frauen im Tschador oder Hidschab, doch das ist bislang ein seltenes Phänomen. Allerdings wurde die Hauptmoschee in Shkodra mit saudischem Geld gebaut – und wo Saudi-Arabien erst einmal Fuß fasst…

Das letzte Mal machte Albanien im Jahr 1998 weltweit Schlagzeilen, als das Land einen vollständigen Zusammenbruch seines Finanzsystems erlebte. Es handelte sich um den sogenannten „Pyramiden-Skandal“: Banken sammelten Einlagen der Bevölkerung ein und versprachen Zinsen von bis zu fünfzig Prozent. Diese wurden den ersten „Investoren“ aus den Einlagen der späteren Anleger ausgezahlt, bis das gesamte System kollabierte. Die Banken gingen in Konkurs, und Albanien wurde zahlungsunfähig. Die Tatsache, dass die Menschen diesen Versprechen Glauben schenkten und auf ein so durchschaubares Pyramidensystem hereinfielen, zeigt, dass sie keinerlei Vorstellung von Finanzsystemen oder von dem Umgang mit Geld hatten.

Während die südlichen europäischen Länder traditionell einen eher lockeren Umgang mit Geld pflegen, hatten die Albaner vor dem Jahr 1989 und noch lange danach überhaupt keinen. In der kommunistischen Ära spielte Geld in Albanien tatsächlich keine Rolle. Die Menschen verdienten zwar kaum etwas, Wasser und Strom wurden dafür kostenlos geliefert. Hier stieß der tschechische Energiekonzern ČEZ auf Probleme, als er in die albanische Energiebranche investierte. Für Strom zahlte einfach niemand – weder Privatpersonen noch Behörden oder Krankenhäuser. Als verzweifelte Manager 2013 die Stromversorgung von Krankenhäusern einstellten, um Zahlung zu erzwingen, wurden sie wegen öffentlicher Gefährdung angeklagt. ČEZ zog sich daraufhin aus Albanien zurück, und die albanische Regierung verpflichtete sich schließlich 2014, die fehlenden Gelder teilweise nachzuzahlen. Die letzte Zahlung von 200 Millionen Kronen (ca 8 Millionen Euro) sollte in Jahr 2018 auf dem Konto von ČEZ eingehen.

Die positive Wirkung tschechischer Investoren in Albanien lässt sich recht einfach zusammenfassen: Die Albaner erfuhren die schockierende Nachricht, dass man für Strom zahlen muss – und akzeptierten diese Tatsache letztendlich. Heute ist dies weitgehend selbstverständlich.

Obwohl die Menschen wenig Geld haben, zögern sie nicht – und das ist sehr positiv –, in Bildung zu investieren.

Das durchschnittliche Einkommen eines Albaners betrug im Jahr 2018 etwa 200 Euro im Monat. Wie mir ein Taxifahrer erklärte, der uns – natürlich schwarz ohne Rechnung – nach Durrës fuhr, sind die Albaner noch nicht so weit, Steuern zu zahlen. Als Fahrlehrer in einer Fahrschule verdient er genau diese 200 Euro im Monat. Die Studiengebühren an der Universität, auf die er alle drei seiner Kinder schicken möchte (zwei sind bereits dort), kosten 1000 Euro pro Jahr. Für zwei Kinder gibt er also fast sein gesamtes offizielles Gehalt aus. Um zu überleben, braucht er ein zweites, inoffizielles Einkommen. Er war äußerst freundlich. Es ist bemerkenswert, wie gut sich Menschen verstehen, die eine Sprache gleich schlecht sprechen. In unserem Fall war das Italienisch, und wir haben uns hervorragend angefreundet.

Albanien entstand 1912 hauptsächlich auf Initiative von Österreich-Ungarn, wofür es bis heute dankbar ist. Allerdings war Österreich-Ungarn nicht von idealistischen Gedanken über das Selbstbestimmungsrecht der Völker geleitet, sondern verfolgte eigene Interessen. Es fürchtete eine zu große Stärkung Serbiens, das nach der Niederlage der Osmanen im Ersten Balkankrieg Anspruch auf dieses Gebiet erhob. Die Unabhängigkeit Albaniens wurde im Hafen von Vlora vom Balkon eines sehr bescheidenen Gebäudes ausgerufen, in dem sich heute das Unabhängigkeitsmuseum befindet. Ein repräsentativeres Gebäude konnte man damals trotz aller Bemühungen nicht finden, da es in der Stadt keines gab.

Den ersten Herrscher, Wilhelm zu Wied, stellten die Preußen. Die Vorstellung, dass ein Protestant in einem religiös gespaltenen Land allgemein akzeptiert würde, da er keiner der im Land vertretenen Gruppen angehörte, erwies sich als falsch. Zum Glück schlug der neue Herrscher nach seiner Ankunft in Albanien am 7. März 1914 sein Hauptquartier in Durrës auf, von wo aus es nicht schwer war, zu fliehen. Genau das tat er auch. Am 15. Juni erschossen nämlich die Albaner seinen Militärkommandanten, den niederländischen Oberst Ludwig Thomson (ihm zu Ehren gibt es in Durrës ein Denkmal, und eine Straße im Stadtzentrum trägt seinen Namen). Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs hatte Wilhelm endgültig genug von seiner Regentschaft in Albanien. Am 3. September 1914, nach nicht einmal 200 Tagen auf dem Thron, bestieg er ein Schiff und verließ Albanien für immer.

Um zukünftigen Herrschern die Lust auf so eine feige Flucht zu nehmen, wurde 1920 entschieden, die Hauptstadt ins Landesinnere nach Tirana zu verlegen, das damals eine unbedeutende Ortschaft mit einer einzigen kleinen Moschee war. Alle Gebäude, die man heute in Tirana sieht (mit Ausnahme der bereits erwähnten Moschee), entstanden also nach 1920, sodass auch die ältesten kaum älter als 100 Jahre sind. Dies prägt auch das Erscheinungsbild der Stadt. Hinzu kommt, dass seit 1991, als es endlich gelang, das kommunistische Regime zu stürzen, die Stadtbevölkerung von 200.000 auf die heutigen 650.000 Einwohner anwuchs.

Trotz der Bemühungen Italiens und des Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen (wie das spätere Jugoslawien damals hieß), die das verhindern wollten, wurde Albanien als unabhängiger Staat auf der Pariser Konferenz 1920 im Sinne des Selbstbestimmungsrechts der Völker anerkannt. Als Dank dafür steht auf einem der Plätze in Tirana eine Statue von Woodrow Wilson, der diese Konferenz – wenn auch nicht besonders erfolgreich – leitete.

Die kulturellen Sehenswürdigkeiten hebe ich mir für den nächsten Artikel auf. Das kommt im nächsten Jahr.  Jetzt möchte ich mich in die Weihnachtspause verabschieden. Ich wünsche meinen Lesern, die genug Geduld mit meinem Deutsch hatten und meine Artikel lasen, frohe Weihnachten und alles Gute im neuen Jahr, das verspricht, spannend zu sein.

Albanien


            Als wir beschlossen, unseren Urlaub im Jahr 2018 in Albanien zu verbringen, wussten wir nicht, dass wir Zeugen zweier historischer Momente werden würden. Zum einen war das die Geburt des albanischen Massentourismus und zum anderen der kälteste Juni in der Geschichte Albaniens (obwohl hier erst seit etwa sechzig Jahren Temperaturen aufgezeichnet werden). Vor allem das zweite historische Ereignis hat uns überhaupt nicht erfreut, meine Frau noch weniger als mich.

Was Punkt eins betrifft, denke ich, dass Menschen, die dieses Land in den letzten zehn Jahren besucht haben, davon sprechen können, und auch diejenigen, die es in den kommenden Jahren besuchen werden. Die Entstehung der albanischen Tourismusindustrie ist nämlich ein langwieriger und schmerzhafter Prozess, der sich wahrscheinlich noch viele Jahre hinziehen wird. Ich hoffe nur, dass er letztendlich doch spontan entsteht und zu keiner gefährlichen Zangengeburt wird.

Albanien hat viel Italienisches in sich. Dies ist sicherlich eine Folge des langanhaltenden Einflusses, als Albanien zwischen den Weltkriegen unter der Herrschaft seines ersten (und letzten) Königs Zogu I. im Grunde ein italienisches Protektorat war, bevor Mussolini im März 1939 beschloss, es militärisch zu besetzen und zu einer italienischen Provinz zu machen. Neben vielen italienischen Wörtern wie dem schönen langobardischen Wort für Bier “birra” oder den Geschäftszeiten “orari” ist es vor allem das Aussehen der albanischen Mädchen und Frauen. Genau wie in Italien ist für sie “fare la bella figura” lebenswichtig, also gehen sie wunderschön gekleidet und gestylt aus, offensichtlich von derselben Maxime geleitet, mit der italienische Mütter ihre Töchter erziehen: “Du musst immer so aus dem Haus gehen, dass du jederzeit den Mann deines Lebens treffen könntest.” Für Männer wie mich ist das natürlich eine Augenweide, und albanische Mädchen sind offensichtlich das Schönste, was man in diesem Land sehen kann.

Außerdem gibt es überall einen echten guten italienischen Espresso für einen lächerlichen Preis von 70 Cent (Stand Jahr 2018) und ein italienisches Cornetto gehört zum Frühstück in Albanien gleich wie in Italien.

Aber auch viele andere Dinge sind sehenswert. Allerdings habe ich auch stressige Momente erlebt.

Es wurde mir zum Verhängnis, was mir bereits während meines Militärdienstes von Leutnant Fürstenzeller vorgeworfen wurde, nämlich dass ich keine Augen im Hinterkopf habe. Deshalb wurde ich nicht rechtzeitig genug gewarnt, als eine Reporterin des albanischen Fernsehens mit einem Kameramann auf mich zukam, um mich nach meinen albanischen Erfahrungen zu befragen. Ich hoffe nur, dass mein schwaches Englisch, das sich durch das Überraschungsmoment noch weiter verschlechterte, diesem Team ausreichte, um das Interview mit mir „ad acta“ zu legen und nicht irgendwo zu veröffentlichen. Denn als sie mich fragte, was mir in Albanien am besten gefallen hat, fiel mir nichts anderes ein, als den Pool und die Parks zu loben und den Sonnenuntergang über der Adria.

Ich erinnerte mich in diesem stressigen Moment nicht daran, das Wichtigste zu erwähnen (es ist mein lebenslanger Fluch, dass ich immer gute Ideen habe, aber immer zu spät): nämlich die freundliche und hilfsbereite Art des Personals und der Albaner im Allgemeinen. Sie sind wie Kinder, ein wenig ungeschickt, aber nett und ohne die Absicht, jemandem zu schaden. Mit einem liebenswerten Lächeln tun sie alles für einen Fremden, erwarten nichts dafür, und wenn Sie ihnen sogar nur ein symbolisches Trinkgeld geben, fällt es ihnen nicht schwer, auf Deutsch „danke“ oder sogar auf Tschechisch „děkuji“ zu sagen.

            Die Albaner betrachten sich als Nachkommen der Illyrer, der ursprünglichen Bevölkerung, die die Westküste des Balkans vor der römischen Invasion im dritten Jahrhundert vor Christus bewohnte. Diese Theorie ist für sie ein Dogma, an dem nicht gezweifelt werden darf. Solche Zweifel sind strafbar. Ihre Königin Teuta leistete im Jahr 229 vor Christus einen erbitterten Widerstand gegen die Römer, die nach der Eroberung Italiens Appetit auf Gebiete jenseits der Adria bekamen.

Ich muss zugeben, dass mich diese Theorie über den Ursprung albanischen Nation nicht angesprochen hat. Die Albaner belegen sie mit der Übereinstimmung zeitgenössischer albanischer Taufnamen mit den Namen auf illyrischen Grabstelen, die Frage ist jedoch, ob der Schwanz hier nicht mit dem Hund wedelt.

Illyrische Namen

Geben heutige Albaner ihren Kindern diese Namen, weil es eine über zweitausendjährige Tradition ist, oder um zu beweisen, dass sie Nachkommen jenes heldenhaften illyrischen Volkes sind? Dennoch wird die Figur des Anführers des illyrischen Aufstandes gegen die römische Herrschaft in den Jahren 6-9 n. Chr., namens Bata, hier als erster Skanderbeg gefeiert, und seine riesige Statue befindet sich im historischen Museum von Tirana.

Gegen diese illyrische Theorie werde ich einige Gegenargumente vorbringen, wobei ich mich derzeit außerhalb des Gebiets Albaniens befinde und es mir daher – hoffentlich – erlauben kann.

Über albanische Stämme wird erstmals im elften Jahrhundert berichtet, und erst nach dem Zusammenbruch des Byzantinischen Reiches im Jahr 1204 wurden sie zur eigentlichen herrschenden Kraft, als das Despotat von Epirus entstand, wo die Albaner eine bewaffnete Macht bildeten. Die Albaner lebten traditionell und leben eigentlich immer noch in einer gewissen Clan-Gesellschaft. Jedes Tal wurde von einem Klan beherrscht, dessen Häuptling weitgehend unabhängig von zentraler Macht war. Dieses System entstand genau zur Zeit des Despotats von Epirus, als die zentrale Macht weitgehend zerfiel. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein solches politisches System zu Zeiten des zentralisierten Römischen Reiches möglich gewesen wäre. Außerdem kann ich mir nicht vorstellen, dass die Illyrer nicht hellenisiert oder latinisiert worden wären, wie es praktisch allen Völkern erging, die unter die Herrschaft Roms gerieten. Daher müsste ihre Sprache entweder vom Lateinischen abgeleitet sein oder zumindest starke Elemente der im Römischen Reich dominierenden Sprachen, insbesondere des Griechischen, aufweisen – aber das ist nicht der Fall. Selbst für “Meer” hat das Albanische ein eigenes Wort “det”. Eine Reihe italienischer Wörter, die ins Albanische gelangten, wie “birra” oder “Orari”, sind modernen Charakters und kamen zwischen den Weltkriegen aus Italien hierher. Im zehnten Jahrhundert war die Bevölkerung Albaniens zweifellos zum großen Teil (wenn nicht sogar vollständig) slawisch. Davon zeugt die Mission der Schüler von Konstantin und Methodius genau in diesem Gebiet. Der heilige Naum ist in Ohrid an der Grenze zwischen Albanien und Mazedonien in einem heute rein albanischen Gebiet begraben (das bis nach Skopje reicht). Übrigens wurde Mutter Teresa, die berühmteste Albanerin, nach der sogar der Flughafen in Tirana benannt ist, in Skopje geboren, also auf dem Gebiet des heutigen Mazedoniens. Also streiten sich die slawischen Mazedonier mit Albanern über Mutter Teresa und mit Griechenland über Alexander den Großen (Denkmäler von beiden befinden sich in Skopje und reizen so die griechischen Nachbarn). Der heilige Gorazd hat sein Grab in der albanischen Stadt Berat in Zentralalbanien, und die Stadt wurde zum Ziel slowakischer Pilger, die kommen, um ihn zu verehren. Sowohl Naum als auch Gorazd haben zur Entwicklung der altkirchenslawischen Sprache beigetragen – Gorazd war sogar einer von vier Männern, die in Rom im Jahr 867 die Messe in Altkirchenslawischem lesen durften, und war der erste – und letzte – Nachfolger von dem heiligen Methodius im Amt des Erzbischofs im Großmährischen Reich. Mit der albanischsprachigen Bevölkerung würde er sich wahrscheinlich nicht verständigen können.

Aber lassen wir die Suche nach den Wurzeln des albanischen Volkes und schauen wir, was in ihrem Land besucht werden kann. Es gibt ziemlich viel zu sehen, besonders Denkmäler aus der frühen Antike. Diese können wir in Albanien an drei Orten bewundern: in Durrës, Apollonia und Butrint.

Aber darüber sowie auch über die Hauptstadt und andere Orte im Lande beginne in 2 Wochen zu berichten.

Sarvar

Sárvár ist für ausländische Besucher vor allem eine Stadt der warmen Quellen und Thermalbäder. Da mir seit zwanzig Jahren schon physisch übel wird, wenn ich an Viktor Orban denke, habe ich versucht, Ungarn in dieser Zeit zu meiden. Wenn wir uns schließlich doch dazu entschlossen haben, das Königreich Orbáns zu besuchen, lag das an mehreren Faktoren.

Zunächst hatten wir unsere Enkelinnen zu betreuen. Das bringt die Verpflichtung mit sich, ein Programm für sie zu entwickeln. Thermalbäder sind da die erste Wahl. Nicht, dass es in Österreich nicht genügend Thermalbäder gäbe – allein in der Steiermark gibt es innerhalb einer Stunde Fahrtzeit sechs solcher Möglichkeiten –, aber genau das war das Problem.

Da Enkelin Veronika morgens sehr ungern aufsteht, war klar, dass wir keines dieser steirischen Bäder rechtzeitig erreichen würden. Um einen Parkplatz zu finden, dann einen Umkleideschrank und schließlich auch eine Liege zu ergattern, muss man nämlich um neun Uhr morgens am Eingang sein. Das ist bei unserer Enkelin völlig unrealistisch. Wir mussten einen Ort finden, der weit genug entfernt war, um sie dazu zu bringen, aufzustehen und mit uns ins Bad zu gehen, schon allein deshalb, weil die Menschen um sie herum eine unverständliche Sprache sprechen (was Ungarisch reichlich erfüllt), was sie unselbstständig macht. So besteht eine gewisse Chance, sie vor elf Uhr aus dem Bett zu holen.

Deshalb fiel die Wahl auf das ungarische Sárvár. Erst später erfuhr ich, dass die Stadt auch für Historiker wie mich äußerst interessant ist.

Sárvár ist zum Beispiel die Hauptstadt der ungarischen Reformation. Was den religiösen Glauben der Ungarn betrifft, schätze ich diese Nation sehr. Obwohl sie sich zur Reformation des kalvinistischen Typs bekannten und ihr Heerführer Stephan Bocskai sogar einen Ehrenplatz am Reformationsdenkmal in Genf hat, sind sie die einzigen Calvinisten, die ihre Küche nicht ruiniert haben. Versuchen Sie, eine lokale Spezialität in Schottland, Bremen, Amsterdam oder sogar in Genf zu genießen – es ist nirgends besonders toll. Die Ungarn haben sich diesbezüglich tapfer gezeigt und ließen sich nicht von der Gefahr einer Todsünde durch gutes Essen einschüchtern. Gulasch, Langos, Pörkölt oder Halászlé und andere Köstlichkeiten haben sie sich nicht nehmen lassen. Das macht Ungarn trotz Viktors Eskapaden zu einem recht attraktiven Reiseziel.

Es war jedoch Sárvár, auch „das ungarische Wittenberg“ genannt, wo der ungarische Humanist János Sylvester tätig war, der hier 1539 das Buch „Grammatica hungarolatina“ herausgab, das nicht nur das erste Buch in ungarischer Sprache war, sondern im Grunde die Grundlagen der ungarischen Sprache legte (die Amtssprache in Ungarn war bis ins 18. Jahrhundert Latein). Danach folgte der nächste logische Schritt. Wie Luther in Deutschland, übersetzte auch Sylvester das Neue Testament ins Ungarische (1541). Im Schlosspark ist ihm eine Bank gewidmet.

János Sylvester Bank

Es wäre schön, sich vorzustellen, dass Sylvester gerade auf dieser Bank die ungarische Schriftsprache entwickelte, aber dem war nicht so. Die Burg von Nádasdy war bis 1810 von einem 30 Meter breiten Wassergraben umgeben, und erst dann beschloss der neue Besitzer Franz d´Este, aus der Festung einen angenehmen Wohnort zu machen. Der Graben wurde zugeschüttet, und später entstand dort der Park und die Bank noch viel später. Die meisten Bäume in diesem Park wurden etwa hundert Jahre später, in den 1930er Jahren, gepflanzt, und sie sind mittlerweile zu einer imposanten Größe herangewachsen. Sylvesters religiöse Orientierung ist mir etwas rätselhaft. Er war ein Schüler Melanchthons, also der rechten Hand von Martin Luther, sodass er noch keine Verbindung zu Calvin haben konnte. Ein anderer Gelehrter, Mátyás Bíró Dévay, veröffentlichte bereits 1538, also ein Jahr vor Sylvesters ungarischer Grammatik und somit vor der Entstehung der offiziellen ungarischen Schriftsprache, den ersten ungarischen Katechismus in Sárvár – die beiden Herren müssen eng zusammengearbeitet haben. Daher hat Sárvár seinen Titel als „Stadt der ungarischen Reformation“ erhalten.

Dennoch ist offensichtlich die Mehrheit der Einwohner von Sárvár katholisch.

Die Kirche des heiligen Ladislaus

Mindestens zwei große katholische Kirchen gibt es hier: die Kirche des heiligen Ladislaus am Kossuth-Platz und die Kirche des heiligen Michael. Die evangelische Kirche ist relativ klein und soll den Kampf von Franz II. Rákóczi für Religionsfreiheit symbolisieren. Nach Rákóczi ist auch die Hauptstraße benannt, die zu den Thermalbädern führt.

Evangelische Kirche

Ein weiteres Denkmal im Park um das Schloss ist dem Dichter der ungarischen Renaissance Sebestyén Lántos Tinódi gewidmet, der 1556 in Sárvár starb. Es gibt nicht viele Dichter, die sich einen Adelsstand ersungen haben. Tinódi hat es geschafft. Am 23. August 1553 wurde er auf Empfehlung des Palatins Tamás Nádasdy von König Ferdinand I. in den Adelsstand erhoben. Sein länglich geteiltes Wappen zeigt ein Schwert im roten und eine silberne Laute im blauen Feld.

Sebestyén Lántzos Tinódi Denkmal

Das letzte Denkmal im Park ist den Opfern des Holocausts gewidmet. In Sárvár lebten etwa 500 Juden. Sie waren gut integriert, und das Horthy-Regime schützte sie bis 1944. Doch im März 1944 besetzten die Deutschen Ungarn. Im Mai 1944 wurde in Sárvár ein jüdisches Ghetto errichtet, und im Juli begannen die Transporte, hauptsächlich in das Konzentrationslager Auschwitz. Nur wenige Juden aus Sárvár überlebten den Krieg, und selbst diese kehrten nicht nach Sárvár zurück. Die jüdische Gemeinde in dieser Stadt erlosch somit im Jahr 1944, und nur das Denkmal im Park unter den Festungsmauern erinnert an sie.

Holocaust-Denkmal

An der Fassade der Kirche des heiligen Ladislaus erinnert eine Gedenktafel daran, dass hier zwischen 1939 und 1941 polnische Flüchtlinge, vor allem Soldaten, für die Freiheit ihres Landes und den Ruhm Ungarns beteten. 1941 trat Horthys Ungarn dann an der Seite des nationalsozialistischen Deutschlands in den Krieg ein, und der Ruhm war dahin. Die Ungarn haben eine unfehlbare Neigung, immer auf der Seite der Verlierer zu kämpfen. Hoffen wir, dass sie diese Tradition auch heutzutage fortsetzen, da sich Orbán eindeutig auf die Seite des russischen Aggressors stellt. Vor der Kirche stehen die Büsten der Nationalhelden Sándor Petöfi und Lajos Batthyány, die beide ihr Leben in der Revolution von 1848 ließen. Petöfi fiel im Kampf gegen die Russen bei Világos, und Ministerpräsident Batthyány wurde 1849 nach Niederschlagung des Aufstandes von den Österreichern hingerichtet – obwohl er an dem Aufstand gar nicht teilgenommen hatte.

Das Rathaus am Kossuth-Platz hat über dem Eingang ein Glockenspiel.

Das Rathaus

Ich weiß nicht, wie oft es spielt, aber ich habe es um vier Uhr nachmittags gehört. Ich habe die künstliche Intelligenz gefragt und festgestellt, dass sie keine Ahnung hat. Sie behauptete, das Glockenspiel spiele um elf Uhr morgens und um sechs Uhr abends. Was sie nicht weiß, denkt sich dieser Schlaumeier einfach aus. Auf dem Platz gibt es auch ein Denkmal für die ungarischen Husaren aus Sárvár, die im Ersten Weltkrieg gefallen sind. Die Liste der Gefallenen auf den Tafeln, die an den Wänden der Kirche des heiligen Ladislaus befestigt sind, ist erschreckend lang. Die Angriffe der Kavallerie in Zeiten von Stacheldraht und Maschinengewehren waren offensichtlich selbstmörderische Missionen.

Die Stadt wird von einer großen Burg dominiert, die den Namen der berühmtesten Familie trägt, die hier residierte und die die Burg bauen ließ – der Familie Nádasdy.

Nádasdy Schloss

Die heutige Burg wurde um 1560 von Palatin Tamás Nádasdy als Renaissancefestung erbaut – das war notwendig, da die Stadt am Fluss Raab an der Frontlinie in den ständigen Kämpfen mit den Türken lag. Tamás’ Enkel Ferenc Nádasdy wurde auch aus diesem Grund zu einem berühmten ungarischen Kämpfer gegen die türkische Bedrohung. Ursprünglich stand hier offenbar eine Wasserburg, umgeben von Sümpfen, die eine natürliche Verteidigung darstellten. Sárvár bedeutet übersetzt „Lehmburg“. Obwohl die Burg später in barockem Stil umgebaut wurde, behielt sie ihren Namen. 1803 kaufte der habsburgische Herzog Franz IV. d’Este, Herzog von Modena und Reggio, die Burg. Er war es, der die Festung zu einem Lustschloss umbaute, den Wassergraben zuschütten ließ und den heutigen imposanten Park anlegte. 1875 ging die Burg an die bayerische Königsfamilie Wittelsbach über, da der Sohn des Prinzregenten Luitpold, Ludwig, mit Prinzessin Maria Theresia Dorothea d’Este verheiratet war und so kam das Anwesen von Sárvár in seinen Besitz. Das Schicksal wollte, dass Ludwig III. gerade hier, bereits als König, starb. Ludwig übernahm nach dem Tod seines Vaters 1912 die Regentschaft für den unfähigen König Otto. Im Jahr 1913 verloren die Bayern endgültig die Geduld, änderten die Verfassung und riefen Ludwig zum König aus, ohne Otto den Titel zu entziehen, sodass Bayern bis zu Ottos Tod 1916 zwei Könige hatte. Ludwig war beim Volk, wie sein Vater, sehr beliebt. Sein Hobby war die Landwirtschaft, und er führte einen großen Bauernhof nach modernen Methoden, wobei auf die Hygiene der Tiere geachtet wurde, sodass er bei den Bayern den liebevollen Spitznamen „Milchkönig“ erhielt. Leider brach bereits ein Jahr nach seiner Thronbesteigung der Erste Weltkrieg aus, der seine Reformpläne unterbrach, da Bayern als Teil des Deutschen Kaiserreichs gezwungen war, an der Seite der herrschenden Preußen in den Krieg zu ziehen. Aus dem geliebten König wurde dadurch ein gehasster, und am 7. November 1918 zwangen ihn Revolutionäre unter der Führung von Kurt Eisner zur Abdankung und riefen den „Freistaat Bayern“ aus. Da Ludwig keinen Widerstand leistete, durfte er sich auch später in Bayern aufhalten, starb jedoch am 21. Oktober 1921 in seiner ungarischen Residenz Sárvár. Die Nádasdy-Burg diente noch seinem Enkel, Ludwig Karl Maria, als Zuflucht vor der immer stärkeren Schikane der Nazis. (Sein Onkel, der Kronprinz Rupprecht, versteckte sich als Gegner der Nazis in Italien, seine Familie landete sogar in Konzentrationslagern.) Die Wittelsbacher betrieben in Sárvár eine Pferdezucht, und Ludwig Karl Maria gelang 1945 ein wahrer Husarenstreich, als er seine edlen Pferde durch die russischen Linien bis nach Deutschland brachte.

Der Eingang in die Burg. Die gemauerte Brücke gibt es seit 1810, bis dahin gab es hier eine 30 Meter lange Zugbrücke.

Der bereits erwähnte Enkel des Burgenbauers Ferenc Nádasdy ist in unseren Breitengraden aus zwei Gründen bekannt. Erstens war er unter dem Spitznamen „Schwarzer Beg“ ein Schrecken für die Türken und erfolgreich bei der Eroberung der Festungen Esztergom, Visegrád, Székesfehérvár und Vác. Es wird ihm auch die Eroberung von Győr (Raab) zugeschrieben, aber meine Leser wissen, dass dort der Vorfahre des ehemaligen tschechischen Außenministers Karl Schwarzenberg, Adolf, sowie Graf Miklós Pálffy durch Eroberung dieser Stadt berühmt wurden. Allerdings gelang es den Türken zu Lebzeiten Nádasdys nicht, eine einzige der von ihm eingenommenen Städte zurückzuerobern. Damals führte der Kaiser mit dem Sultan von 1593 bis 1606 den sogenannten „Langen Krieg“, der beide Seiten finanziell und moralisch ruinierte. Nádasdy war seit 1587 Oberbefehlshaber des kaiserlichen Heeres und seit 1594 Mitglied des „Kriegsrats“, 1598 wurde er zum Ritter geschlagen. Bemerkenswerterweise starb er – was für einen Feldherrn seiner Zeit ungewöhnlich war – im Bett, an einer Krankheit im Januar 1604.

Der zweite Grund für seine Bekanntheit war seine Ehe. Er war nämlich mit Erszébet (auf Deutsch Elisabeth) Báthory, bekannt als die „Blutgräfin“, verheiratet. Die Gräfin Elisabeth war keine gewöhnliche Person. Ihr Onkel Stephan Báthory war König von Polen, ihr Bruder, ebenfalls Stephan, war der Erzieher von Gabriel Báthory, der 1606 Fürst von Siebenbürgen wurde. Die Familie Báthory gehörte also zur höchsten Gesellschaft und vor allem – sie war außerordentlich reich. Franz und Elisabeth hatten zusammen fünf Kinder, von denen jedoch zwei im Kindesalter starben. Elisabeth lebte neben der slowakischen Burg Čachtice und Wien auch in Sárvár. Der Ort ihrer Verbrechen, wo sie angeblich junge Jungfrauen ermorden ließ, um in deren Blut zu baden und so ewig jung zu bleiben, befindet sich in Wien in der Augustinergasse 12, wo Nádasdy als wichtiger kaiserlicher Beamter, seinen Palast hatte. Der Skandal brach 1610 mit der Aufdeckung ihrer Morde aus und erschütterte das gesamte Kaiserreich.

Bis heute streiten sich Historiker darüber, ob Elisabeth wirklich eine blutrünstige Sadistin war oder ob alles nur eine Intrige des ehrgeizigen Palatins György Thurzó war. Elisabeth Báthory war nämlich außerordentlich reich und führte sich nach dem Tod ihres Mannes wie das Oberhaupt der Familie auf, was für eine Frau zu jener Zeit absolut ungewöhnlich und provokativ war. Während Elisabeth zur traditionellen ungarischen Hochadelsgesellschaft gehörte, war Thurzó ein Emporkömmling, dessen Vorfahren erst im 16. Jahrhundert durch die Zusammenarbeit mit der Augsburger Familie Fugger und damit erworbenen Reichtum in den Adelsstand erhoben worden waren. Am 29. Dezember 1610 stürmte Palatin Thurzó mit seinen Soldaten die Burg in Čachtice und ließ sie durchsuchen. Dabei wurden angeblich Leichen junger Mädchen entdeckt. Der darauffolgende Prozess (eigentlich zwei, da einer auf Latein und der andere auf Ungarisch geführt wurde) waren sehr fragwürdig. Schon allein deshalb, weil Elisabeth an diesem Prozess nicht einmal teilnehmen durfte, sondern in Abwesenheit allein auf Grundlage der Aussagen ihres Dienstpersonals verurteilt wurde, die unter Folter erpresst worden waren. Drei der vier Zeugen wurden nach der Folter lebendig verbrannt. Thurzó lehnte das Ersuchen des Kaisers Matthias ab, Elisabeth hinzurichten, und verurteilte sie stattdessen zu lebenslangem Hausarrest auf der Burg Čachtice, wo sie vier Jahre später starb. Ob sie wirklich lebendig eingemauert wurde, wie es der slowakische Regisseur Jakubisko in seinem Film „Báthory“ darstellte, ist sehr zweifelhaft. Mindestens konnte sie während ihrer Haft Kontakt zu ihren Kindern halten und sogar über Erbschaftsangelegenheiten entscheiden.

Was kann man also im Schloss von Sárvár sehen? Es gibt dort ein Museum mit einer Ausstellung über die Geschichte der Husaren, ein Museum für angewandte Kunst, man kann den repräsentativen Saal des Schlosses besichtigen und es gibt eine Sammlung historischer Karten Ungarns.

Der representative Saal im Schloss

Der Park auf dem ehemaligen Burggraben ist jedoch nicht die einzige Grünfläche in der Stadt. Der Hauptpark ist das Arboretum, das nur wenige Dutzend Meter vom Schloss auf der anderen Seite der Hauptstraße entfernt liegt.

Arboretum

Das Arboretum, also der botanische Garten in Sárvár, wurde bereits zur Zeit von Ferdinand I., also im 16. Jahrhundert, gegründet. Seitdem hat sich dort viel Interessantes angesammelt. Es gibt seltene und exotische Bäume, gigantische Platanen und Ginkgo-Bäume, Blumenbeete und Pflanzen, die die lokale Flora repräsentieren, Teiche und Seen mit Wasserpflanzen und Tieren. Leider blühte im August, als ich dort war, nichts – abgesehen von einem rosa Busch mit zwei Blüten. Aber für den Eintrittspreis eines Euros und zwanzig Cent war es trotzdem ein schöner Spaziergang.

Das Zentrum des Geschehens in Sárvár ist natürlich das Thermalbad.

Termalbad

Die warmen Quellen, die hier an die Erdoberfläche sprudeln, sollen heilend sein und angeblich so ziemlich alles heilen. Im Jahr 2012 wurde Sárvár nach Durchführung von Zertifizierungstests vom ungarischen Hauptgesundheitsamt offiziell zum Kurort erklärt. Dies haben vor allem tschechische Besucher entdeckt, von denen es hier viele gibt. Ich vermute jedoch, dass der Hauptgrund weniger die heilende Wirkung des Wassers, sondern eher die Tatsache, dass der Eintritt relativ günstig ist – deutlich günstiger als in den Thermen in Österreich. Ein Tagesticket kostet 7.900 Forint, was etwa 20 Euro entspricht. Eine Familienkarte für zwei Erwachsene und zwei Kinder kostet in der Hauptsaison 48 Euro pro Tag. Außerhalb der Hauptsaison – also auch jetzt in November – sind die Preise noch günstiger (16 bzw. 40 Euro). Alles ist neben Ungarisch, Deutsch und Englisch auch auf Tschechisch beschrieben.

In den Pools gibt es viele Attraktionen für Kinder: Rutschen, ein Piratenbecken und ein Wellenbecken. Kleine Rutschen gibt es im „Family Spa“ unter dem Dach, draußen im Gelände finden sich große Rutschen in verschiedenen Neigungen und Formen, wobei ich hier keine „Killer“-Rutschen wie in Moravske Toplice gesehen habe.

Übrigens, das Personal spricht Deutsch und zumindest grundlegendes Tschechisch, sowohl an der Kasse als auch in den Restaurants, sodass man Ungarisch nicht benötigt und selbst diejenigen zurechtkommen, die außer der Muttersprache keine andere Sprache beherrschen. Die Beschreibungen der Speisen auf Deutsch und Tschechisch wurden zwar offensichtlich von Ungarn eigenhändig erstellt und haben manchmal ein Lächeln zur Folge, sind aber verständlich. Und falls Ungarn auf den Anzeigetafeln Slowakisch mit Slowenisch verwechseln, ist das nichts, was einen Touristen aus der Ruhe bringen würde.

Lángos bleibt Lángos, Gulyás ist Gulasch und dass Suppe „leves“ heißt, ist nicht schwer zu verstehen. Eine Konditorei zu finden („cukrázda“) ist ebenfalls machbar für einen ausländischen Touristen, „kavézó“ bedeutet Kaffeehaus, nur bei „étterem“ – also Restaurant – könnte ein Tourist kurzfristig Schwierigkeiten haben. Aber satt wird man auf jeden Fall. In Sárvár gibt es fast so viele Restaurants wie Hotels und Apartments, also reichlich Auswahl.

Auch das Bierangebot hat sich offensichtlich den Besuchern angepasst. Hier bekommt man eine Menge tschechischen Biermarken, wie Krušovice, Budvar, Staropramen oder Pilsner Urquell.

Ein Nachteil ist, dass man in den Restaurants im Thermenbereich nicht mit den Armbändern zahlen kann, die man beim Eintritt, wie in Österreich, erhält. Man muss Bargeld oder eine Bankkarte mitnehmen, was natürlich Taschendiebe anzieht. Meiner Frau wurden während unseres Aufenthalts im warmen Wasser die Armbanduhr gestohlen. Mit Karte zu zahlen ist zwar bequem, aber leider teuer. Während der offizielle Wechselkurs bei 396 Forint pro Euro lag, wurde in den Thermen ein Kurs von 360 berechnet, was bei jeder Kartenzahlung aisch einen Aufschlag von 10 Prozent bedeutet. Es ist also günstiger, Bargeld am Geldaen in der Stadt abzuheben (zu einem akzeptablen Kurs von 391:1) und bar zu bezahlen.

Saalbach Hinterglemm

            Nach dem Artikel über Pinzgau vor 2 Wochen, kann ich nicht widerstehen, um den Bericht um das nächste Tal in der gleichen Region zu ergänzen, obwohl ich diesen Teil von Pinzgau bereits voriges Jahr besucht habe.

Saalbach-Hinterglemm war lange Zeit ein Schizentrum, das ich immer wieder verpasste. Ich war überall in der Umgebung – am Wilder Kaiser, in Kitzbühel, am Hochkönig –, doch das hochgelobte Saalbach blieb mir verborgen. Bis zu vorigem Winter, als ich endlich mit meinem Sohn hinfuhr, und es war wirklich großartig, auch wenn wir in drei Tagen Schifahrens nur 150 der insgesamt 650 Pistenkilometer bewältigten. Das war mehr als genug für uns. Am Ende unseres Aufenthaltes saßen wir dann auf der Terrasse der Hütte am Westgipfel des Schattbergs, genossen die Sonne, während mein Sohn über einen QR-Code Getränke bestellte, mit seinem Handy bezahlte, und diese dann tatsächlich ankamen – was mir ein kleines seelisches Trauma bereitete. Von dort sah ich den Weg zum nächsten Gipfel (es war der Stemmerkogel), der so greifbar nah war, dass ich den starken Wunsch verspürte, im Sommer mit meiner Frau zurückzukommen und sie auf diesen verlockend nahen Gipfel zu führen.

Wussten Sie, dass die Farbe Weiß Dinge näher erscheinen lässt? Ich hatte es geahnt, aber nicht, dass es so stark wirkt. Als wir dann im Sommer am Westgipfel des Schattbergs standen (kommend zu Fuß vom Ostgipfel, den wir mit der Seilbahn erreicht hatten), wirkte der Gipfel gar nicht mehr so nah. Trotzdem erklommen wir ihn tapfer – es war tatsächlich nicht schwierig.

Stemmerkogel

Auch im Sommer gibt es viele Touristen in Saalbach, vor allem Radfahrer. Mountainbiking und insbesondere Abfahrten auf den speziell präparierten Wegen vom Gipfel (wohin sie mit der Seilbahn gelangen) sind hier der große Renner. Wir Fußgänger waren eher eine geduldete Minderheit, aber es hat sich gelohnt. Der Saalbach-Hinterglemm-Kamm ist grün und sanft (deshalb wird hier im Winter Ski gefahren), bietet aber auf beiden Seiten atemberaubende Ausblicke. Im Norden sieht man den Hochkönig, dann die Steinberge (bei Berchtesgaden, Saalfelden und Löfler, nach welchen Städten Teile dieses Gebirges benannt sind). Es handelt sich hier um echte Felsgebirge mit Höhen über 2000 Metern, die Ehre ihrem Namen machen. Und ganz im Westen ragt das zerklüftete „Wilder Kaiser“-Gebirge auf, unter dem das Dorf Elmau liegt, das durch die TV-Serie „Der Bergdoktor“ berühmt wurde.

Im Süden erheben sich die Dreitausender der Hohen Tauern mit dem dominanten Kitzsteinhorn und dem Großvenediger (der Großglockner, Österreichs höchster Berg, ist eher im Hintergrund und eigentlich gar nicht so dominant). Das Panorama ist atemberaubend und absolut sehenswert.

Ein Vorteil ist, dass man mehrere Gipfel mit Seilbahnen erreichen kann. Das Beste daran: Wenn man in einer Unterkunft übernachtet, die Partner der sogenannten „Jokercard“ ist, sind alle diese Seilbahnfahrten im Übernachtungspreis inbegriffen, sodass man kostenlos fahren kann. Es lohnt sich also, zu prüfen, ob die gebuchte Unterkunft wirklich ein Jokercard-Partner ist. Andernfalls kann der Aufenthalt teurer werden – es sei denn, man ist ein begeisterter Wanderer, der die Gipfel wie einst Erzherzog Johann aus dem Tal erklimmt. Wir hatten ein Apartment, das der Partner war, und das hat sich sehr gelohnt (neben den Seilbahnen und anderen Kleinigkeiten kann man zum Beispiel in den Kapruner Thermen eine Stunde länger bleiben). Die Jokercard ermöglicht auch kostenloses Parken an den Seilbahnen – man muss nur das Ticket an der Kasse bestätigen lassen. Es gilt bis 18 Uhr, danach wird das Parken kostenpflichtig, um zu verhindern, dass raffinierte Touristen die Parkplätze für Abendessenbesuche nutzen.

Direkt von Saalbach aus führen zwei Seilbahnen auf die Schattberggipfel – der „Schattberg X-Press“ auf den Ostgipfel und die „Westgipfelbahn“ auf den Westgipfel. Es gibt noch einen Mittengipfel, der sogar der höchste der drei Schattberggipfel ist, aber zu diesem muss man zu Fuß gehen.

Zum Westgipfel fährt auch eine kurze Seilbahn, der „Schattberg Sprinter“, der jedoch für den Transport von Fahrrädern und Radfahrern dient, die dann auf den Winterabfahrten hinunterfahren und anschließend die chirurgischen Ambulanzen in Zell am See oder in Saalfelden füllen. Für die Radfahrer ist es ein wahres Paradies, weshalb es auch so viele davon gibt. Die Abfahrten sind unterschiedlich schwierig und farblich markiert gleich wie die Schipisten im Winter – blau, rot und schwarz. Die schwarzen Abfahrten sind natürlich nur für Lebensmüde, die blauen fahren auch Kinder hinunter. Auf den schwarzen gibt es Sprünge von bis zu fünf Metern, auf den blauen angeblich maximal einen Meter. Ich habe es nicht ausprobiert – mein zweimal operiertes Knie hätte mir wohl nach dem ersten, auch nur ein Meter hohen Sprung, ein paar Ohrfeigen verpasst. Das Problem stellen vor allem die roten Abfahrten dar. Auf diese wagen sich auch weniger Erfahrene und blockieren dann die schnelleren Fahrer, vor allem in Kurven, was gefährlich werden kann. Im Gegensatz zu Schipisten, wo man solchen langsamen Schifahrern ausweichen kann, gibt es hier nur eine Spur, dass Überholen praktisch unmöglich macht.

Für wirkliche Anfänger gibt es ein Übungsgelände direkt in Saalbach. Es ist nicht nötig, Fahrräder und Ausrüstung mitzubringen – praktisch überall gibt es Verleihstationen, wo der Wagemutige alles bekommt, vom Fahrrad über Helm bis zur vollständigen Rüstung, um die Unfallambulanzen doch etwas zu entlasten. Radfahrer haben mit der Jokercard zwei Fahrten pro Tag kostenlos (es wird davon ausgegangen, dass sie im Gegensatz zu Fußgängern den Weg nach unten eigenständig zurücklegen). Wer den ganzen Tag Seilbahn fahren möchte, muss ein Tagesticket kaufen, wobei die Jokercard einen Rabatt bietet.

Auf dem Ostgipfel des Schattbergs beginnt die attraktivste (und anstrengendste) Wanderung in dieser Region: die „7-Summits“-Tour.Auf dieser Tour besteigt man an einem Tag sieben Gipfel, überwindet insgesamt 1450 Höhenmeter, und die gesamte Strecke beträgt etwa 24 Kilometer. Es geht zwar über den Kamm, und man startet vom Ostgipfel des Schattbergs in über zweitausend Metern Höhe, aber der Kamm ist ein ständiges Auf und Ab, das kein Ende nimmt. Also nichts für ältere Wanderer über sechzig, es sei denn, sie sind täglich in den Bergen unterwegs. Niedrigere Gipfel wie der Saalbachkogel zählen nicht einmal zu den sieben Gipfeln, müssen aber dennoch erklommen werden. Vom Ostgipfel des Schattbergs geht es zuerst zum Westgipfel. Dann auf den Stemmerkogel (dorthin sind wir mit meiner Frau gekommen), und dann weiter zum Hochkogel (der hat mich noch gelockt, aber meine Frau nicht, und so hat er mir dann auch irgendwann meine Sympathie verloren). Danach wird es wirklich interessant und manchmal sogar spannend, besonders auf dem Weg zum Hochsaalbachkogel – der Aufstieg ist hier mit Seilen gesichert. Dann führt der Weg über den Bärensteigkogel und den Manlitzkogel zum Mittagskogel. Selbst wenn man mit der ersten Seilbahn losfährt, wird man bis zum „Mittagsgipfel“ nicht vor dem Mittag ankommen – vermutlich liegt der Gipfel einfach genau im Osten, „zur Mittagszeit“, und daher hat er seinen Namen. Schließlich erreicht man den mit 2363 Metern über dem Meer höchsten und glücklicherweise letzten Gipfel der Tour, den Geißstein. Doch wer glaubt, mit der Besteigung dieses Gipfels sei die Herausforderung gewonnen, liegt falsch: Der Abstieg über Birgel ins Tal ist lang und mühsam. Natürlich, wie überall in Österreich, ist der Weg von Berghütten gesäumt, wo man essen und trinken kann und erschöpfte Wanderer hier sogar übernachten könnten.

Nein, wir waren nicht so ehrgeizig. Stattdessen fuhren wir mit der Seilbahn „12er Kogelbahn“ auf den „12er Kogel“.

Die Talstation liegt diesmal in Hinterglemm, und es gibt auch hier genügend kostenlose Parkplätze. Was sich hier die Einheimischen alles einfallen lassen, um Touristen und vor allem Familien mit Kindern anzulocken, ist wirklich bewundernswert. Spielplätze für Kinder, Liegestühle, Restaurants, Aussichtsplattformen und ein absolut erstaunlicher Minigolfplatz mit originellen Holzschlägern.

Minigolf auf dem “12-er Kogel”

Wir aber machten uns auf den Weg zum „Hohen Penhab“, der den Zwölferkogel um etwa zweihundert Meter überragt. Es ist nichts besonders Anspruchsvolles. Von dort führt ein fantastischer „Panoramaweg“ entlang des Kamms mit wunderschönen Ausblicken auf das Kitzsteinhorn und den Großvenediger. Es ist ein Spaziergang von etwas mehr als einer halben Stunde, der unvergesslich bleibt.

Hinter einem Sattel gibt es noch einen Aufstieg zum Gipfel namens Schönhoferwand. Danach hat man als Wanderer mehrere Möglichkeiten: Man kann weiter entlang des Kamms gehen, über den „Heimat Rundweg“ zum Zwölferkogel zurückkehren oder zum Elmaualm absteigen und dort essen. Wir wählten die letzte Variante; nach einer Pause auf dem Elmaualm kann man zur Mittelstation der Seilbahn gehen (leider etwas bergauf, was meiner Frau nicht ganz gefiel) und von dort nach Hinterglemm zurückfahren. Diese Tour ist unvergesslich, und wer einmal in Saalbach ist, sollte sie auf jeden Fall machen. Selbst vierjährige Kinder haben sie geschafft, und das Erlebnis ist großartig.

Weitere Seilbahnen, die in der Jokercard enthalten sind, sind die Kohlmaisbahn, die vom Zentrum Saalbachs startet. Angeblich gibt es hier Parkplätze, aber wir haben keine gefunden – zumindest nicht an der Talstation der Seilbahn. Anders als die Seilbahnen, die wir nutzten, fährt diese nach Norden, also näher zu den Steinbergen, und auf eine etwas niedrigere Höhe von 1794 m.ü.M.

Die Reiterkogelbahn in Hinterglemm bringt Sie auf eine Höhe von nur 1480 Metern. Sie wird häufig von Skifahrern im Winter und Radfahrern im Sommer genutzt. Zu den Gipfeln der Berge ist es von hier aus noch weit (oder hoch, je nachdem, wie man es sieht).

Zur letzten Seilbahn im Angebot, der Asitzbahn/Steinbergbahn, muss man ein Stück mit dem Auto nach Leogang fahren, das ein Tal weiter liegt. Im Winter gibt es auf dieser Seite komfortable Abfahrten mit blauen Pisten (oder auch roten, die aber in Wirklichkeit auch blau – na sagen wir dunkelblau – sind). Im Sommer hat man die Möglichkeit, die Steinberge wirklich direkt vor sich zu sehen. Wer seine Nervenstärke testen möchte, kann den Flying Fox XXL erleben, auf den die Jokercard einen Rabatt von zehn Prozent gewährt. Ein Stück weiter im gleichen Tal, in Fieberbrunn, steht das berühmte Jakobskreuz. Das riesige Holzbauwerk auf dem Gipfel ist mit dreißig Metern Höhe das größte Gipfelkreuz der Welt, das man besteigen kann. Es hat fünf Aussichtsplattformen und war schon in zahlreichen österreichischen Filmen zu sehen. (In Krimis stürzt oder springt man häufig von diesem Kreuz – immer mit tödlichem Ausgang). Man kann mit der Pillersee-Seilbahn dorthin fahren, diese ist aber nicht in der Jokercard enthalten. Wer sich also Euros sparen möchte, kann die Höhe von 1456 Metern auch zu Fuß erreichen.

Jakobskreuz

Wir entschieden uns aber für einen Besuch des Kitzsteinhorns. Über den habe ich vor zwei Wochen berichtet, also heute nur sehr kurz..

Zum Kitzsteinhorn fährt man – wie schon erwähnt – über Kaprun. Dort gibt es eine Seilbahn, die jedoch nicht direkt aufs Kitzsteinhorn führt, sondern auf den Maiskogel. Von dort kann man angeblich mit der modernsten Gondelbahn zur Mittelstation des Kitzsteinhorns weiterfahren, allerdings kostete dieses Vergnügen 63 Euro pro Person. Wenn man Kaprun durchfährt und nach sechs Kilometern unter der „Gipfeljetbahn“ parkt, kostete die Fahrt zum Gipfel „Top of Salzburg“ immerhin „nur“ 54,50 Euro. Diese Seilbahnen sind nicht im Jocker-Card-Angebot enthalten. Es ist also kein günstiges Vergnügen, aber es lohnt sich. Für die Seilbahn „Aquilla di Midi“ am Mont Blanc in Chamonix haben wir schon vor zehn Jahren 55 Euro pro Person bezahlt. Ich will gar nicht wissen, was das heute bei der aktuellen Inflation kostet. Aus diesem Blickwinkel betrachtet ist der „Gletscherjet“ in Kaprun geradezu günstig.

Wer denkt, er fährt einfach mit der Gondel hoch, trinkt einen Kaffee und fährt dann wieder runter, und das sei ein Programm für eine Stunde, der irrt gewaltig. Man könnte einen ganzen Tag auf dem Kitzsteinhorn verbringen. Es gibt hier zahlreiche Attraktionen. Nach der Ankunft an der Bergstation der Seilbahn kann man sich entscheiden, ob man den Lift direkt zum Restaurant nimmt oder lieber über die letzten Überreste des Gletschers zur „Ice Arena“ läuft, einem sogenannten Schneestrand.

Dort gibt es einen Förderbandlift, der Touristen, insbesondere Kinder, die auf Plastikschlitten im Schnee rutschen wollen, auf 3000 Meter Höhe bringt. Wir rutschten nicht. Von dort führt ein Weg zur Aussichtsplattform „National Gallery Platform“, die einen Blick auf die österreichischen Dreitausender der Hohen Tauern mit dem Großglockner im Hintergrund bietet, der sich allerdings oft in Wolken versteckt. Es gibt hier auch einen Skywalk, auf dem sich Touristen fotografieren können, mit dem Großglockner im Hintergrund, auch wenn man ihn oft aus dem bereits erwähnten Grundhäufig nicht sehen kann. Ich hatte Glück, für gute halbe Stunde hat sich die Spitze über die Wolken gezeigt, aber das war auch schon.

Von der Aussichtsplattform führt ein Tunnel zum Restaurant. Der Tunnel ist 360 Meter lang und wurde in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts gegraben. Heute befindet sich hier die „Nationalpark Gallery“, ein Lehrpfad zur Entstehung der Hohen Tauern vor 400 Millionen Jahren, über Flora und Fauna, Bergsteiger, Halbedelsteine in den Felsen und vieles mehr. Es gibt zweimal pro Tag eine Führung, die ungefähr eine Stunde dauert. So gelangt man schließlich zum „Gipfel Restaurant“. Es ist eine Gaststätte mit Selbstbedienung, gestresstem fremdsprachigem Personal und nicht gerade empfehlenswertem Essen. Wenn man aber den ganzen Tag in 3000 Metern Höhe verbringen möchte, bleibt als Alternative nur noch eine Jause im Rucksack. Also, bitte, vorsorgen!

Zurück zur Mittelstation kann man wieder mit dem Gletscherjet fahren, aber ab dem Restaurant fährt alle fünfzehn Minuten auch eine große Gondel, bei der man sich ein Umsteigen spart. Und man hat die Möglichkeit, das Kitzsteinhorn wieder aus einem etwas anderen Blickwinkel zu sehen.

Den Abschluss des Tages bildete dann ein Besuch in der Therme in Kaprun.

Therme Kaprun

Sie liegt direkt am Anfang des Ortes. Das Wasser ist zwar nicht besonders warm, aber für einen Sommerbesuch genau richtig, und man kann das gesamte Panorama der Berge direkt gegenüber aus dem Wasser beobachten. Außerdem wird man direkt im Wasser bedient. Der Kellner nimmt die Bestellungen am Schwimmbeckenrand auf, bringt das Getränk bis an den Pool und man bezahlt mit der Uhr am Handgelenk, die man an der Kasse bekommen hat. Also, wer es nicht möchte, muss das Wasser nicht einmal verlassen. Und mit der Joker-Card kann man eine Stunde länger bleiben, also wenn man ein Drei-Stunden-Ticket für 24 Euro kaufte, durfte man vier Stunden lang baden. Ich nehme an, auch hier ist inzwischen die Inflation zugeschlagen, also die aktuellen Preise werden woanders liegen.

Also findet fast jeder in dieser Region etwas für sich: Mountainbiker, Wanderer aber auch Menschen, die einfach nur entspannen wollen. Ob nun verschleiert oder unverschleiert. Vielleicht kommen wir hierher noch einmal zurück.

Pinzgau

Pinzgau ist die westlichste Region des österreichischen Bundeslandes Salzburg. Er ragt nach Westen zwischen Nord- und Osttirol hinein und besteht im Wesentlichen aus einem Gebirgstal rund um den Oberlauf des Flusses Salzach, dem Landeszentrum Zell am See und den nach Norden hinauslaufenden Gebieten um die Orte Saalbach und Saalfelden. Dies lässt vermuten, dass in diesem Teil des Landes ein anderer Fluss die Lebensader bildet, nämlich die Saalach. Und vor allem gibt es hier Berge, Berge und noch mehr Berge. Sehr viele Berge. Schließlich ist Pinzgau flächenmäßig der größte Bezirk Salzburgs. Doch gerade wegen dieser Berge kommen die Menschen seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts hierher, als der Tourismus begann. Also kamen auch wir hierher.

Das Ende der Welt liegt in Krimml. Oder zumindest war es das. Heute ist es durch eine mautpflichtige Passstraße über den Gerlos-Pass mit dem östlichsten Tal Tirols, dem Zillertal, verbunden. Doch dieses „Ende der Welt“ lohnt sich wegen seiner Wasserfälle zu besuchen. In drei Stufen stürzt hier das Wasser aus einer Höhe von 380 Metern hinab.

Krimmler Wasserfälle

Die Menge des Wassers ist beeindruckend; am Tag unseres Besuchs betrug sie 1700 Liter pro Sekunde, es können aber auch über 2000 Liter sein. Im Salzburgerland herrschte bis 1806 der Erzbischof von Salzburg, der die Position eines Reichsfürsten innehatte. Danach kam das Land unter habsburgische Herrschaft und wurde in Österreich eingegliedert. Für die Gebiete rund um die Stadt Mittersill, zu der Krimml gehörte, wurde ein sogenannter Pfleger, also Verwalter, eingesetzt. 1835 wurde ein bestimmter Ignaz von Kürsinger hierhergeschickt, und er erkannte sofort das Potenzial der Krimmler Wasserfälle. Er ließ hier einen Weg mit einer Gloriette und einem Pavillon für Maler errichten. Kürsinger ist heute die Aussichtsplattform am Fuß des Wasserfalls gewidmet. Kürsinger organisierte auch die erste Besteigung des Großvenediger, sodass dieser Berg zum ersten Mal von Norden und nicht von der Neuen Prager Hütte in Osttirol bestiegen wurde, wo wir uns im letzten Jahr dem Gipfel näherten. Weitere Aussichtspunkte tragen die Namen anderer Verwalter, die die immer wieder verfallenden Treppen um den Wasserfall herum reparieren und verbessern ließen, da der Zahn der Zeit unerbittlich war. Es handelte sich dabei überwiegend um Funktionäre des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins (DuÖAV), wie Ernst Jung, Rudolf Riemann, Theodor Ritter von Sendtner oder Ernst Friedrich Berger. Anfang des 20. Jahrhunderts war der Weg mit den Aussichtsterrassen fertiggestellt und ist bis heute in Betrieb. Jeder Aussichtspunkt bietet ein schönes Erlebnis, sei es der Blick auf die Wassermassen oder in den Abgrund unterhalb der Wasserfälle. Oberhalb der dritten Stufe des Wasserfalls gibt es eine Hütte, und der Weg führt dann durch das Krimmler Achetal vorbei an zwei „Almen“, also Bergbauernhöfen, wo Erfrischungen angeboten werden, bis zum Hotel Krimmler Tauernhaus.

Krimmler Tauernhaus

Von dort führen Wege in alle Richtungen zu Hütten, die Ausgangspunkte für Aufstiege auf die Dreitausender darstellen, und zwar Warnsdorfer Hütte, Birnlückenhütte in Südtirol oder Richterhütte in Nordtirol.

Da der Weg zum Krimmler Tauernhaus ziemlich lang ist, kann man auch ein Taxi dorthin nehmen. Oder, wenn einem im Hotel die Kräfte ausgehen, kann man mit einem Taxi zurück nach Krimml fahren.

Auf dem Weg entlang der Salzach fällt die Menge an neuen Apartments in den Dörfern, durch die man fährt, auf. Die Erklärung ist einfach: Seilbahnen bringen einen von dort zu den Skipisten, die mit dem Skigebiet von Kitzbühel verbunden sind. Das heißt, man wohnt günstiger als in Kitzbühel, kann aber seine Pisten nutzen – vorausgesetzt, man ist schnell genug, denn es ist weit, das Schigebiet ist einfach riesig. Die drei Seilbahnen Panoramabahn, Smaragdbahn und Wildkogelbahn sind auch im Sommer in Betrieb, und von ihren Bergstationen aus sind leichte Gratwanderungen für die ganze Familie möglich.

Das Zentrum des Tals ist Mittersill.

Mittersill

Es ist ein charmantes Städtchen mit etwa fünftausend Einwohnern – und der Sitz der berühmten Firma Blizzard. Skier dieser Marke wurden hier seit 1953 von Anton Arnsteiner produziert. Dieser örtliche Tischler kehrte aus dem Zweiten Weltkrieg zurück, in dem er mehrmals verwundet worden war, und begann in seiner Werkstatt Skier herzustellen. Da er keine Angst vor Innovationen hatte, führte er als Erster Polyethylen für Skibeläge ein, später experimentierte er mit Glasfaser und Metallen. 1974 produzierte sein Unternehmen eine halbe Million Skier. 1996 präsentierte er die ersten Carving-Skier, musste aber im selben Jahr Insolvenz anmelden. Das Unternehmen wurde nach und nach von mehreren Investoren übernommen und gehört jetzt zur italienischen Technica-Gruppe, wobei die Produktion größtenteils in die Ukraine verlagert wurde. Arnsteiner verstarb 2013 und ist auf dem Friedhof im Ortsteil Felber beerdigt.

Felber ist der älteste Stadtteil, wo sich auch die romanische Kirche und der Felberturm befinden, in dem das örtliche Museum untergebracht ist. Dieses widmet sich den sogenannten „Säumern“, Händlern, die Waren über Gebirgspässe transportierten. Sie brachten auf Maultieren Salz nach Süden und Wein nach Norden über Pässe in Höhen von über 2000 Metern, oft unter Lebensgefahr. Mittersill war ein Umschlagplatz für diesen Handel, selbst isoliert von der Zivilisation bis 1898, als eine Schmalspurbahn von Zell am See gebaut wurde.

Die Familie Felber beherrschte die Stadt, die damals noch ein Markt war, vom 12. bis 14. Jahrhundert. Ihr Name blieb sowohl im Stadtteil Felber als auch im Felbertal erhalten, wo sich das größte Vorkommen des Minerals Scheelit in Europa befindet, aus dem Wolfram gewonnen wird. Ebenso heißen nach dieser Familie das Gebirge Felbertauern, unter dem ein Tunnel nach Osttirol führt.

In der Stadt gibt es zwei Kirchen. Die ältere, frühgotische, steht direkt neben dem Museum im Felberturm, die zweite, eine Rokokokirche der Heiligen Anna, befindet sich im Stadtzentrum. Am Friedhofseingang warnt ein Schild davor, dass es verboten ist, mit Fahrrädern oder Skiern den Friedhof zu betreten – wir sind schließlich in den Alpen!

Mittersill hat sich auch auf andere Weise einen Namen gemacht. 1948 gründete Hubert Baron von Pantz im örtlichen Schloss oberhalb der Stadt, wo sich heute ein Vier-Sterne-Hotel befindet, den „Sport and Shooting Club“, der damals das teuerste Unternehmen seiner Art war. Infolgedessen verkehrten hier die prominentesten Gäste, darunter Schah Reza Pahlavi mit seiner ersten Frau Soraya, die niederländische Königsfamilie, der Herzog von Windsor (ehemaliger König Eduard VIII.), Aga Khan, Henry Ford II., Gina Lollobrigida oder Clark Gable. Mittersill war bis Mitte der 1960er Jahre das Zentrum der Jetset-Gesellschaft.

Heute ist es ein entzückendes kleines Städtchen mit vielen Restaurants, Bars und Cafés sowie einem großen Krankenhaus, das als Relikt aus der Zeit geblieben ist, als Mittersill noch eine Bezirksstadt war. Seit 2005 gehört Mittersill zum Bezirk Zell am See.

Ein Tal weiter östlich führt von Uttendorf eine Straße ins Tal zum Erzinger Boden auf 1468 Metern Höhe, und von dort bringt eine Seilbahn Touristen zum Berghotel Rudolfshütte.

Rudolfshütte

Dieses steht zwischen zwei Stauseen, dem Weißsee und dem Tauernmoossee, auf 2311 Metern Höhe. Im Winter gibt es hier ein Skigebiet, im Sommer dient es als Ausgangspunkt für Wanderungen in die umliegenden Berge. Über den Kalser Tauernpass führt ein Wanderweg nach Osttirol ins Kalsertal.

Ein weiteres Tal weiter östlich liegt das legendäre Kaprun.

Kaprun

Auf dem dortigen Gletscher am Kitzsteinhorn konnte man noch vor nicht allzu langer Zeit das ganze Jahr über Skifahren – ich selbst bin hier im Juni 1997 Ski gefahren. Heute ist vom Gletscher nur noch ein kleiner kümmerlicher Rest übrig, und es wird hier nur noch im Winter Ski gefahren. Im Sommer wurde wenigstens eine kleine Schneefläche geschaffen, auf der Kinder und arabische Besucher auf Plastikschlitten herumrutschen können. Das Kitzsteinhorn erlangte traurige Berühmtheit durch die Katastrophe im Jahr 1999, als ein Feuer in einem Tunnel ausbrach, durch den damals eine Seilbahn fuhr. 155 Menschen starben, seitdem fährt man mit einer Gondelbahn auf den Gletscher. Oben zeigt sich das wahre Gesicht des Massentourismus: Tausende Menschen, Bagger und schwere Maschinen, die eine Restaurantkette nach der anderen und immer mehr Gebäude errichten – hier scheint der Umweltschutz keinen Einfluss zu haben. Das nahe Zell am See ist nämlich ein beliebtes Urlaubsziel für Saudis. Irgendwie kamen sie auf die Idee, dass Zell am See der Beschreibung des muslimischen Paradieses entspricht, und sie wollen sehen, was sie im Jenseits erwartet: Wasser, Wälder, Berge und Schnee. Und für jeden 77 Jungfrauen, die es allerdings in Zell am See nicht gibt, weshalb die Besucher mit ihren ganzen großen Familien anreisen. Überall gibt es Schilder auch auf Arabisch, und auf dem Kitzsteinhorn werden „Halal“-Menüs angeboten. Die Stadt ist voll dieser Besucher, doch in den Restaurants trifft man keinen von ihnen. Die Hotels, in denen sie wohnen, bieten ihnen Halal-Essen, daher gehen sie nicht in die gewöhnlichen Restaurants. Die vier Flüsse des Paradises mit kühlem Wasser, Wein, Honig und Milch gibt es auch – noch – nicht.

Ebenso trifft man die arabischen Besucher nicht in den Thermen von Kaprun an, wo man nach einem Aufenthalt in den Bergen im warmen Wasser baden kann. Getränke werden einem vom Kellner bis an den Rand des Pools gebracht. Und wer möchte, kann in Kaprun ein Oldtimer-Museum besuchen.

Aber zurück zum Kitzsteinhorn. Mit mehreren Gondeln gelangt man bis auf eine Höhe von 3029 Metern zur Aussichtsplattform „Top of Salzburg“, wo sich die Menschen in langen Schlangen anstellen, um ein Foto zu machen. Diese Plattform ist durch einen Tunnel mit Ausstellungsstücken aus dem Nationalpark mit einer anderen Aussichtsplattform verbunden, die in Richtung Großglockner und Großvenediger zeigt. Zweimal täglich werden kostenlose Führungen durch diesen Tunnel angeboten, die aber eine Stunde dauern. Die Projektion im Cinema 3000 hingegen dauert nur acht Minuten und ist sehenswert.

Für die Mutigen gibt es die Möglichkeit, den Gipfel des Berges zu erklimmen. Der Aufstieg über steiles Gestein ist mit einem Stahlseil gesichert und entspricht im Wesentlichen dem Charakter einer Klettersteigroute der Kategorien A bis B. Für Menschen mit Höhenangst oder weniger beweglichen Knien, was in meinem Alter häufig vorkommt, ist es ratsam, ein Kletterset mit Karabinern mitzunehmen. Das gibt einem die Sicherheit, sich in die Menge der Aufsteigenden zum Gipfel auf 3203 Metern Höhe einzuordnen. Von dort hat man einen atemberaubenden Blick auf zahlreiche Seen, die jedoch alle künstlichen Stauseen zur Stromerzeugung sind.

Blick von dem Gipfel von Kitzsteilhorn

Das Zentrum der Region ist natürlich das bereits erwähnte Zell am See. Die Stadt mit 10.000 Einwohnern hat eine lange Geschichte. Schon im Jahr 740 schickte der Salzburger Bischof Johannes Mönche in diese Gegend, um dort ein Kloster zu gründen. 743 wurde der Ort erstmals als Cella in Bisonzio erwähnt, woraus später der Name Zell entstand, und 1810 erhielt die Gemeinde ihren endgültigen Namen Zell am See. Zur Stadt wurde sie erst 1928 erhoben. Ihre Bedeutung verdankt sie dem Bürgermeister Josef Salzmann, der Zell am See von 1854 bis 1859 und dann wieder von 1860 bis 1880 leitete. Der weitsichtige Lokalpolitiker erkannte das touristische Potenzial des Ortes. 1860 kaufte die Gemeinde den See, und Salzmann ließ eine Promenade und einen Park anlegen. 1875 wurde Zell am See an die Eisenbahn (Giselabahn) angeschlossen, und dem Aufschwung der Stadt stand nichts mehr im Wege. Salzmann gelang es auch, durch Intervention in Wien sicherzustellen, dass Zell am See das Verwaltungszentrum der Region Pinzgau blieb, was es bis heute ist. Die Eröffnung des Grandhotels auf der Halbinsel, die in den See hineinragt, erlebte Salzmann jedoch nicht mehr.

Grandhotel mit x in Zell am See

Das Hotel wurde 1896 eröffnet, vier Jahre nach Salzmanns Tod. Im Jahr 2016 wurde das Hotel um ein x erweitert. Vor dem Grandhotel steht ein auffälliger Brunnen, entworfen vom berühmten österreichischen Architekten Friedensreich Hundertwasser. Der Brunnen wurde zwar erst nach seinem Tod im Jahr 2003 errichtet (Hundertwasser selbst starb 2000 während einer Reise im Pazifik), doch der Entwurf stammt bereits aus dem Jahr 1996, und 2003 wurde er vom Wiener Architekten Hans Muhr realisiert. Es handelt sich um den sogenannten „Österreichischen Brunnen“, bei dem neun Säulen die neun österreichischen Bundesländer darstellen. Ihre Höhe orientiert sich an der Einwohnerzahl, und die Farbe der Säulen entspricht der vorherrschenden Farbe im Landeswappen. Die Steiermark ist daher leicht zu erkennen – sie ist als einzige grün.

Österreichischer Brunnen von Friedensreich Hundertwasser

1927 wurde die erste Seilbahn auf den Schnittenhöhe-Gipfel oberhalb der Stadt gebaut (sie ist nur im Sommer in Betrieb, nicht im Winter, wo sie Zell am See mit dem Skigebiet in Saalbach verbinden könnte). In den Jahren 1952 bis 1974, als der See im Winter von einer dicken Eisschicht bedeckt war, fanden hier zu Ehren von Ferdinand Porsche Autorennen auf dem Eis statt. 1947 stach das erste Ausflugsschiff „Libelle“ in den See, heute gibt es vier Schiffe, die von der „Aktiengesellschaft Schnittenhöhe“ betrieben werden.

Die Stadt ist wunderschön gepflegt, das Rathaus befindet sich an der Hauptstraße, die durch die Stadt führt, in einem ehemaligen Schloss, das einmal von Carl und Hans Rosenberger erbaut und 1807 vom österreichischen Staat gekauft wurde.

Am Hauptplatz steht das älteste Gebäude der Stadt, der Vogtturm, der aus dem Jahr 1000 stammt und heute ein Museum beherbergt. Dort steht auch die Kirche St. Hippolytus, der im Stadtwappen als römischer Soldat mit einer Fahne dargestellt wird. Dies ist eine seiner traditionellen Darstellungen, doch Hippolytus selbst war ein Gelehrter und ein bedeutender Kirchenautor und sogar der erste Gegenpapst (gegen Papst Calixtus I.). Er starb 235 n. Chr. im Exil auf Sardinien bei Zwangsarbeit. Die Kirche selbst besteht aus zwei Teilen, eigentlich aus drei. Die winzige Krypta stammt noch aus vorromanischer Zeit im 8. Jahrhundert, die romanische Basilika mit flachem Dach und Fresken an den Wänden der Seitenschiffe stammt aus der Zeit um 1140, und der gotische Turm und Chor wurden nach 1450 hinzugefügt. Die Innenausstattung ist natürlich barock.

Auf dem Hauptplatz am Brunnen werden bedeutende Ereignisse der Stadtgeschichte gewürdigt, wie ihre Gründung und die Eröffnung des Straßentunnels im Jahr 1996, der den Transitverkehr aus der Stadt herausführte. Außerdem gibt es Tafeln, die berühmten einheimischen Sportlern gewidmet sind, die olympische Goldmedaillen gewonnen haben. Hans Peter Steinmacher, der zusammen mit seinem Partner Roman Hagara Goldmedaillen im Segeln in der Tornado-Klasse bei den Olympischen Spielen 2000 in Sydney und 2004 in Athen gewann, und der bekannteste Sportler aus Zell am See, Felix Gottwald, der am 13. Januar 1976 geboren wurde und in der Nordischen Kombination drei Goldmedaillen (Turin 2006 und Vancouver 2010), eine Silbermedaille und drei Bronzemedaillen bei den Olympischen Spielen gewann sowie insgesamt 18 Medaillen bei großen Veranstaltungen (Olympische Spiele und Weltmeisterschaften) errang.

Falls man nach einem Aufenthalt in den Kapruner Thermen oder nach einem Spaziergang auf der schönen Stadtpromenade oder auf der Hauptstraße in der Altstadt, die zu Recht den Namen des berühmten Bürgermeisters Salzmann trägt, Hunger bekommt, gibt es mehr als genug Möglichkeiten, um sich zu stärken. Wir entschieden uns für das Restaurant „Zum Hirsch“ und es war eine gute Wahl. Es war keine zufällige Entscheidung, wir bekamen einen „Insider-Tipp“. Also war das Restaurant für sein gutes Essen bereits bekannt gewesen.

Haben Sie Lust auf einen Besuch im Pinzgau bekommen? Das wundert mich nicht. Fahren Sie hin und sehen Sie es sich an.

Gorizia

Im Januar 1001 war Kaiser Otto III. auf der Rückreise von seinem Italienbesuch zurück. Er war in guter Stimmung. Gerade hatte er die Welt gerettet, und die gesamte Menschheit war dem jungen, zwanzigjährigen Mann dafür sehr dankbar. Im Jahr 1000 war man sich nämlich sicher, dass der Weltuntergang bevorstand, da die Prophezeiungen das Jüngste Gericht tausend Jahre nach Christi Geburt vorhergesagt hatten (und nur die Eingeweihten damals wussten, dass Christus sieben Jahre früher geboren worden war). Das Warten auf das Ende der Welt brachte auf einer Seite eine Resignation, auf der anderen einen religiösen Fanatismus, abgesehen von denen vielen Menschen, die sich das Warten auf die Apokalypse mit Saufen und Orgien verkürzen wollten. Damit musste man etwas tun. Am Vorabend des letzten Tages des ersten Jahrtausends betete also der junge Kaiser in einer Höhlenkapelle in Monte Sant’Angelo in Apulien so innig, dass ihm der Erzengel Michael erschien und ihm verkündete, dass dank seiner Frömmigkeit das Ende der Welt auf unbestimmte Zeit verschoben würde. Die Welt atmete auf und der Kaiser wurde zum Helden und Weltretter.

Im Januar hielt er in Cividale del Friuli an, einer Stadt, die nach der Zerstörung von Aquileia durch die Hunnen zum Sitz des Patriarchen von Aquileia geworden war. Der Kaiser schenkte in seiner guten Laune dem Patriarchen ausgedehnte Gebiete östlich von Cividale bis zu den Grenzbergen, hinter denen die Slawen lebten. Auf einem solchen Hügel ließ der Patriarch einen Wachturm errichten, aus dem später eine Burg wurde, unter der allmählich eine Stadt entstand. Zu Beginn des zwölften Jahrhunderts residierte dort der aquileianische Vogt Meinhard I., der der erste Graf von Görz (Gorizia) wurde und die Dynastie der Meinhardiner gründete, die in der Geschichte der Region und darüber hinaus eine bedeutende Rolle spielen sollte. Die Meinhardiner wurden allmählich Grafen von Tirol, Herzöge von Kärnten, und einer von ihnen, Heinrich, wurde sogar für kurze Zeit in den Jahren 1306–1310 gleich zweimal König von Böhmen, konnte den böhmischen Thron jedoch beide Male nicht behaupten.

Das Wappen der Grafen von Görz

Zu Beginn des fünfzehnten Jahrhunderts ging es mit der Familie der Meinhardiner jedoch bergab. Graf Meinhard III. war ein wirtschaftlicher Dilettant, und sein Sohn Heinrich VI. war ein Trinker und krankhafter Spieler. Um Schutz vor der expandierenden Republik Venedig zu erhalten, schloss Heinrich VI. einen Erbvertrag mit Kaiser Friedrich III., in dem sich beide Seiten verpflichteten, dass im Falle des Aussterbens einer der herrschenden Familien das gesamte Besitz an die andere Seite übergehen würde.

Für die Habsburger war die Grafschaft Görz von unschätzbarem Wert. Seit 1382 waren sie nämlich die Schutzmacht der wichtigen Hafenstadt Triest, hatten aber keine Landverbindung dorthin und mussten für die Ware, die in den Hafen gebracht wurde, Zölle an die Grafen von Görz zahlen. Die Grafschaft bildete genau diese Landbrücke, durch deren Erwerb die Habsburger schließlich auch eine Seemacht werden konnten.

Heinrich VI. trank sich schließlich im Jahr 1454 zu Tode (er erreichte trotz seines Lebensstils das beachtliche Alter von 78 Jahren), und von seinen Söhnen überlebte bald nur noch einer, Leonard. Zunächst versuchte er, auf Kosten Friedrichs III. Gebiete in Kärnten zu erobern, doch nach einer Niederlage (der Kaiser hatte nach damaliger Sitte tschechische Söldner angeworben, die von dem husitischen Hauptmann Jan Jiskra von Brandeis ausgebildet worden waren und als unbesiegbare Killer galten) musste er sogar auf seine Residenz in der Burg Bruck bei Lienz verzichten, wohin die Grafen inzwischen von Görz umgezogen waren (diese Burg und die Stadt wurden vom Kaiser dem tschechischen Heerführer Jan Vitovec zum Greben geschenkt, doch er langweilte sich im östlichen Tirol und verkaufte das Anwesen bald für viertausend Gulden weiter). Leonhard musste wieder nach Gorizia umsiedeln.

Leonard kam nach seinem Vater. Er lebte sehr gerne, und so wurde die Lage der Finanzen seines Herrschaftsgebiets immer prekärer. Kaiser Friedrich geriet in Panik, dass der Graf beginnen könnte, seine Ländereien an Venedig zu verkaufen, und vermittelte ihm daher eine Ehe mit einer reichen Braut – Paola Gonzaga aus Mantua. Die arme Paola war ein kluges und gebildetes Mädchen, litt jedoch an Knochentuberkulose und hatte dadurch einen Buckel. Leonard zeugte mit ihr erwartungsgemäß keine Kinder, und als er 1500 kinderlos starb, ging die lang ersehnte Grafschaft schließlich in den Besitz der Habsburger über. Kaiser Maximilian hatte Leonard kurz vor dessen Tod noch zur Bestätigung des Erbvertrags gezwungen, den sein Vater geschlossen hatte. Von der Bedeutung der Grenzfestung Görz für die Habsburger zeugen auch die Besuche von Herrschern aus dieser Familie, wie Kaiser Karl VI. im Jahr 1711; Franz Josef besuchte Görz sogar zweimal, zuletzt im Jahr 1900.

Gorizia

Über der Stadt erhebt sich eine imposante Festung, die ursprüngliche Burg der Grafen von Görz, die jedoch erst von den Habsburgern in ihre heutige Form ausgebaut wurde. An den Bastionen und Befestigungsanlagen war der berühmte Edmond Halley maßgeblich beteiligt – allerdings machte er sich nicht als Architekt, sondern als Astronom einen Namen, als er 1680 den nach ihm benannten Kometen entdeckte. Die Rückkehr des Kometen, die er korrekt für das Jahr 1756 berechnete, erlebte er jedoch nicht mehr, da er 1742 starb. In der Burg befindet sich ein Museum, das das mittelalterliche Leben zeigt; das Museum des Großen Krieges also „La Grande Guerra“, wie die Italiener den Ersten Weltkrieg nennen, ist momentan in den Attems-Palast in der Stadt verlegt worden. Unter der Festung steht die entzückende Heilig-Geist-Kapelle, die jedoch gerade umgebaut wird – wie vieles andere in der Stadt, auf die Ursache des Baufiebers, der die ganze Stadt umfasste, werden wir noch eingehen.

Die Festung in Gorizia

Gorizia spielte im Ersten Weltkrieg eine wichtige Rolle. Im August 1916, während der sechsten italienischen Offensive am Isonzo (Soča), gelang es den Italienern, die Stadt einzunehmen. Dieser Sieg kostete Italien 100.000 Soldaten (Tote und Verwundete), während die Österreicher, die zu dieser Zeit der Brusilow-Offensive im Osten widerstanden und nicht genügend Soldaten an den Isonzo schicken konnten, 40.000 Mann verloren. Alles vergeblich. Am 24. Oktober 1917 durchbrachen die Deutschen zusammen mit den Österreichern die Front bei Caporetto (dem heutigen Kobarid) und trieben die Italiener bis zum Fluss Piave zurück – Gorizia kehrte in den österreichischen Besitz zurück.

Doch nicht für lange. Nach dem Krieg nahm Italien als Siegermacht den gesamten Halbinsel Istrien in Besitz, und das hielt bis 1945 an. Damals wurden ihre Truppen von Titos Partisanen vertrieben. Diese erreichten die Soča und wollten nicht weichen. In Gorizia bedeutete dies, dass sie den Bahnhof unter Kontrolle hatten. 1947 wurde die Grenze zwischen Italien und Jugoslawien mitten auf dem Platz vor dem Bahnhof festgelegt. Ähnlich wie in Teschen im Jahr 1918, als der Bahnhof in der Tschechoslowakei und die Stadt in Polen verblieben, wodurch um den Bahnhof herum das heutige Tschechische Teschen entstand, entstand hier um den Bahnhof die slowenische Stadt Nova Gorica, die jedoch nichts Sehenswertes bietet.

Die Grenze verläuft auch heute noch mitten über den Platz, der auf der italienischen Seite „Piazza Transalpina“ und auf der slowenischen „Trg Evrope“ heißt.

Erinnerung auf den “Eisernen Vorhang”

Diese Grenze war nie so undurchlässig wie beispielsweise in Berlin, und im Jahr 2004, als Slowenien der EU beitrat, verschwand sie – fast – vollständig. Bis zu diesem Jahr gab es zwar noch Stacheldraht und Metallbarrieren, aber es wurde nie allzu ernst mit dem „Eisernen Vorhang“, es fuhr beispielsweise auch eine Straßenbahn zwischen den beiden Bahnhöfen. Heute wird der Platz renoviert, da Gorizia sich auf das Jahr 2025 vorbereitet, in dem es zur „Kulturhauptstadt Europas“ ernannt werden soll. Daher wird fieberhaft renoviert und aus EU-Fonds nicht nur in Gorizia selbst, sondern auch in Cividale und in der ganzen Region umgebaut.

Die Stadt wird von zwei Kirchen dominiert. Auf der „Piazza della Vittoria“ steht die große barocke Kirche des Heiligen Ignatius, die hier von den Jesuiten errichtet wurde, die Erzherzog Ferdinand (dem späteren Kaiser Ferdinand II.) im Jahr 1615 hierhergebracht hat, errichtet wurde.

Die Kirche des Heiligen Ignatius

(Im selben Jahr verursachte Ferdinand einen unnötigen Krieg in der Region mit Venedig um die Burg Gradisca, wo sich der junge Offizier Albrecht von Wallenstein erstmals auszeichnete). Im Jahr 1921 wurden in der Kirche die Überreste eines unbekannten Soldaten (genauer gesagt elf Soldaten von verschiedenen Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs) beigesetzt.

Die zweite Kirche ist der Dom im Herzen der Altstadt, mit einem zauberhaften modernen Platz vor seiner Fassade.

Der Dom

Er ist im klassizistischen Stil erbaut und den Heiligen Hilarius und Tatian (Santi Illario e Taziano) geweiht. Hier befindet sich auch der Grabstein des letzten Grafen von Görz, des bereits erwähnten Leonhard. Die Kirche stand zwar schon im 13. Jahrhundert, wurde aber im Jahr 1752 zur Erzbischofskirche erhoben. In diesem Jahr beschloss Papst Benedikt XIV., die ewigen Streitigkeiten zwischen Venedig und der Habsburgermonarchie zu beenden, wer eigentlich der Verwalter des Patriarchats von Aquileia sei, das seit der Zerstörung Aquileias durch die Hunnen im vierten Jahrhundert eigentlich nur ein formaler Titel war (der Sitz des Patriarchen war seither in Cividale del Friuli). Der Papst hob das Patriarchat auf und errichtete zwei Erzbistümer, eines für das venezianische Udine und das zweite für das habsburgische Görz. Der erste Erzbischof wurde Karl-Michael von Attems. Sein Bruder Sigmund ließ in den Jahren 1745–1750 in Görz einen riesigen barocken Palast errichten, in dem sich heute das Hauptmuseum der Stadt mit verschiedenen Ausstellungen befindet, und momentan ist dort auch wegen Umbauarbeiten das Museum des Ersten Weltkriegs untergebracht. Die Familie Attems stammte aus dem steirischen Graz, der gleichnamige Großvater Sigmunds lebte noch dort und schrieb die Geschichte seiner Familie, die Sigmund in Görz vollendete, wo die Familie ihre neue Heimat fand und eine bedeutende Rolle in der Geschichte der Region spielte.

Palast Attems

Der Erzbischöfliche Palast mit großen Gärten liegt gegenüber dem Attems-Palast, es handelt sich um den Palast Coronini-Cromberg. Auch dieser kann besichtigt werden. Der Eintritt in die Garten ist kostenlos.

In der Nähe des Zentrums, am Platz Piazza Cesare Battisti, wo eine Statue eines Soldaten ohne Bein steht, der die Leiden des „Großen Krieges“ symbolisiert, gibt es eine Einkaufsstraße, ein slowenisches Kulturhaus und zwei völlig unterschiedliche Gebäude – einen reizenden überdachten Markt und die schreckliche Hauptpost. Diese wurde unter Mussolini im Stil des faschistischen Realismus erbaut. Vor einem ebenso schrecklichen modernen Gebäude im Zentrum steht eine Statue des Kaisers Augustus. Warum sie dort steht, habe ich nicht ganz verstanden, vielleicht einfach nur, weil das nahegelegene Cividale vor dem Rathaus eine Statue von Julius Caesar hat und Görz als größere Stadt Cividale einfach übertreffen wollte.

Ist also in Görz noch etwas Österreichisches geblieben? Zumindest ist es der Wein. Das Gebiet zwischen Cividale und Görz ist ein großes Weinanbaugebiet mit dem Hauptsitz in Cormons. Der typische Wein, der hier ausgeschenkt wird, ist der Tokai Friulano, eine Rebsorte, die aus Ungarn hierhergebracht wurde und die hier besonders gut gedeiht – sie hat offenbar den richtigen Boden gefunden, den ein guter Wein braucht. Er hat allerdings nichts mit dem süßen ungarischen Tokajer gemeinsam, außer dass die Reben denselben Ursprung haben. Es ist ein trockener und sehr guter Wein – voller Geschmack. Im Jahr 2007 setzten die Ungarn jedoch durch, dass er nicht mehr als Tokai bezeichnet werden darf, und so heißt er heute offiziell „Friulano“, wie mich die Kellnerin mit einem Lächeln auf den Lippen korrigierte. Dem Geschmack hat das jedoch keinen Abbruch getan.

Vielleicht gibt es deshalb in Görz dutzende Bars. Auf jedem Platz, in den Gassen der Altstadt. Ein richtiges Restaurant zu finden, ist jedoch eine viel größere Herausforderung, da die Einheimischen offensichtlich lieber trinken als essen. Wir wählten zwischen zwei Trattorien: „Alla Luna“, wo allerdings neben Ćevapčići auch Slivovitz angeboten wurde, was zu sehr an den Einfluss der lokalen slowenischen Minderheit erinnerte, und so entschieden wir uns für die Trattoria „Giani“. Es war ein Erlebnis. Zu niedrigen Preisen servieren sie hier unglaublich große Portionen – praktisch jede reichte für mindestens zwei Personen, und von einem „cotelette milanese“, also einem Wiener Schnitzel in der lokalen Interpretation, kann eine ganze Familie satt werden. Also einmal am Samstag zum Mittagessen hingehen und man ist für das ganze Wochenende versorgt.

Nachtisch in Trattoria Giani

Görz ist einfach eine liebenswerte und gastfreundliche Stadt mit Geschichte. Und im nächsten Jahr wird sie auch Kulturhauptstadt Europas. Dann werden hoffentlich alle diese nervigen Bauarbeiten abgeschlossen sein.