Als wir beschlossen, unseren Urlaub im Jahr 2018 in Albanien zu verbringen, wussten wir nicht, dass wir Zeugen zweier historischer Momente werden würden. Zum einen war das die Geburt des albanischen Massentourismus und zum anderen der kälteste Juni in der Geschichte Albaniens (obwohl hier erst seit etwa sechzig Jahren Temperaturen aufgezeichnet werden). Vor allem das zweite historische Ereignis hat uns überhaupt nicht erfreut, meine Frau noch weniger als mich.
Was Punkt eins betrifft, denke ich, dass Menschen, die dieses Land in den letzten zehn Jahren besucht haben, davon sprechen können, und auch diejenigen, die es in den kommenden Jahren besuchen werden. Die Entstehung der albanischen Tourismusindustrie ist nämlich ein langwieriger und schmerzhafter Prozess, der sich wahrscheinlich noch viele Jahre hinziehen wird. Ich hoffe nur, dass er letztendlich doch spontan entsteht und zu keiner gefährlichen Zangengeburt wird.
Albanien hat viel Italienisches in sich. Dies ist sicherlich eine Folge des langanhaltenden Einflusses, als Albanien zwischen den Weltkriegen unter der Herrschaft seines ersten (und letzten) Königs Zogu I. im Grunde ein italienisches Protektorat war, bevor Mussolini im März 1939 beschloss, es militärisch zu besetzen und zu einer italienischen Provinz zu machen. Neben vielen italienischen Wörtern wie dem schönen langobardischen Wort für Bier “birra” oder den Geschäftszeiten “orari” ist es vor allem das Aussehen der albanischen Mädchen und Frauen. Genau wie in Italien ist für sie “fare la bella figura” lebenswichtig, also gehen sie wunderschön gekleidet und gestylt aus, offensichtlich von derselben Maxime geleitet, mit der italienische Mütter ihre Töchter erziehen: “Du musst immer so aus dem Haus gehen, dass du jederzeit den Mann deines Lebens treffen könntest.” Für Männer wie mich ist das natürlich eine Augenweide, und albanische Mädchen sind offensichtlich das Schönste, was man in diesem Land sehen kann.
Außerdem gibt es überall einen echten guten italienischen Espresso für einen lächerlichen Preis von 70 Cent (Stand Jahr 2018) und ein italienisches Cornetto gehört zum Frühstück in Albanien gleich wie in Italien.
Aber auch viele andere Dinge sind sehenswert. Allerdings habe ich auch stressige Momente erlebt.
Es wurde mir zum Verhängnis, was mir bereits während meines Militärdienstes von Leutnant Fürstenzeller vorgeworfen wurde, nämlich dass ich keine Augen im Hinterkopf habe. Deshalb wurde ich nicht rechtzeitig genug gewarnt, als eine Reporterin des albanischen Fernsehens mit einem Kameramann auf mich zukam, um mich nach meinen albanischen Erfahrungen zu befragen. Ich hoffe nur, dass mein schwaches Englisch, das sich durch das Überraschungsmoment noch weiter verschlechterte, diesem Team ausreichte, um das Interview mit mir „ad acta“ zu legen und nicht irgendwo zu veröffentlichen. Denn als sie mich fragte, was mir in Albanien am besten gefallen hat, fiel mir nichts anderes ein, als den Pool und die Parks zu loben und den Sonnenuntergang über der Adria.
Ich erinnerte mich in diesem stressigen Moment nicht daran, das Wichtigste zu erwähnen (es ist mein lebenslanger Fluch, dass ich immer gute Ideen habe, aber immer zu spät): nämlich die freundliche und hilfsbereite Art des Personals und der Albaner im Allgemeinen. Sie sind wie Kinder, ein wenig ungeschickt, aber nett und ohne die Absicht, jemandem zu schaden. Mit einem liebenswerten Lächeln tun sie alles für einen Fremden, erwarten nichts dafür, und wenn Sie ihnen sogar nur ein symbolisches Trinkgeld geben, fällt es ihnen nicht schwer, auf Deutsch „danke“ oder sogar auf Tschechisch „děkuji“ zu sagen.
Die Albaner betrachten sich als Nachkommen der Illyrer, der ursprünglichen Bevölkerung, die die Westküste des Balkans vor der römischen Invasion im dritten Jahrhundert vor Christus bewohnte. Diese Theorie ist für sie ein Dogma, an dem nicht gezweifelt werden darf. Solche Zweifel sind strafbar. Ihre Königin Teuta leistete im Jahr 229 vor Christus einen erbitterten Widerstand gegen die Römer, die nach der Eroberung Italiens Appetit auf Gebiete jenseits der Adria bekamen.
Ich muss zugeben, dass mich diese Theorie über den Ursprung albanischen Nation nicht angesprochen hat. Die Albaner belegen sie mit der Übereinstimmung zeitgenössischer albanischer Taufnamen mit den Namen auf illyrischen Grabstelen, die Frage ist jedoch, ob der Schwanz hier nicht mit dem Hund wedelt.
Geben heutige Albaner ihren Kindern diese Namen, weil es eine über zweitausendjährige Tradition ist, oder um zu beweisen, dass sie Nachkommen jenes heldenhaften illyrischen Volkes sind? Dennoch wird die Figur des Anführers des illyrischen Aufstandes gegen die römische Herrschaft in den Jahren 6-9 n. Chr., namens Bata, hier als erster Skanderbeg gefeiert, und seine riesige Statue befindet sich im historischen Museum von Tirana.
Gegen diese illyrische Theorie werde ich einige Gegenargumente vorbringen, wobei ich mich derzeit außerhalb des Gebiets Albaniens befinde und es mir daher – hoffentlich – erlauben kann.
Über albanische Stämme wird erstmals im elften Jahrhundert berichtet, und erst nach dem Zusammenbruch des Byzantinischen Reiches im Jahr 1204 wurden sie zur eigentlichen herrschenden Kraft, als das Despotat von Epirus entstand, wo die Albaner eine bewaffnete Macht bildeten. Die Albaner lebten traditionell und leben eigentlich immer noch in einer gewissen Clan-Gesellschaft. Jedes Tal wurde von einem Klan beherrscht, dessen Häuptling weitgehend unabhängig von zentraler Macht war. Dieses System entstand genau zur Zeit des Despotats von Epirus, als die zentrale Macht weitgehend zerfiel. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein solches politisches System zu Zeiten des zentralisierten Römischen Reiches möglich gewesen wäre. Außerdem kann ich mir nicht vorstellen, dass die Illyrer nicht hellenisiert oder latinisiert worden wären, wie es praktisch allen Völkern erging, die unter die Herrschaft Roms gerieten. Daher müsste ihre Sprache entweder vom Lateinischen abgeleitet sein oder zumindest starke Elemente der im Römischen Reich dominierenden Sprachen, insbesondere des Griechischen, aufweisen – aber das ist nicht der Fall. Selbst für “Meer” hat das Albanische ein eigenes Wort “det”. Eine Reihe italienischer Wörter, die ins Albanische gelangten, wie “birra” oder “Orari”, sind modernen Charakters und kamen zwischen den Weltkriegen aus Italien hierher. Im zehnten Jahrhundert war die Bevölkerung Albaniens zweifellos zum großen Teil (wenn nicht sogar vollständig) slawisch. Davon zeugt die Mission der Schüler von Konstantin und Methodius genau in diesem Gebiet. Der heilige Naum ist in Ohrid an der Grenze zwischen Albanien und Mazedonien in einem heute rein albanischen Gebiet begraben (das bis nach Skopje reicht). Übrigens wurde Mutter Teresa, die berühmteste Albanerin, nach der sogar der Flughafen in Tirana benannt ist, in Skopje geboren, also auf dem Gebiet des heutigen Mazedoniens. Also streiten sich die slawischen Mazedonier mit Albanern über Mutter Teresa und mit Griechenland über Alexander den Großen (Denkmäler von beiden befinden sich in Skopje und reizen so die griechischen Nachbarn). Der heilige Gorazd hat sein Grab in der albanischen Stadt Berat in Zentralalbanien, und die Stadt wurde zum Ziel slowakischer Pilger, die kommen, um ihn zu verehren. Sowohl Naum als auch Gorazd haben zur Entwicklung der altkirchenslawischen Sprache beigetragen – Gorazd war sogar einer von vier Männern, die in Rom im Jahr 867 die Messe in Altkirchenslawischem lesen durften, und war der erste – und letzte – Nachfolger von dem heiligen Methodius im Amt des Erzbischofs im Großmährischen Reich. Mit der albanischsprachigen Bevölkerung würde er sich wahrscheinlich nicht verständigen können.
Aber lassen wir die Suche nach den Wurzeln des albanischen Volkes und schauen wir, was in ihrem Land besucht werden kann. Es gibt ziemlich viel zu sehen, besonders Denkmäler aus der frühen Antike. Diese können wir in Albanien an drei Orten bewundern: in Durrës, Apollonia und Butrint.
Aber darüber sowie auch über die Hauptstadt und andere Orte im Lande beginne in 2 Wochen zu berichten.
Sárvár ist für ausländische Besucher vor allem eine Stadt der warmen Quellen und Thermalbäder. Da mir seit zwanzig Jahren schon physisch übel wird, wenn ich an Viktor Orban denke, habe ich versucht, Ungarn in dieser Zeit zu meiden. Wenn wir uns schließlich doch dazu entschlossen haben, das Königreich Orbáns zu besuchen, lag das an mehreren Faktoren.
Zunächst hatten wir unsere Enkelinnen zu betreuen. Das bringt die Verpflichtung mit sich, ein Programm für sie zu entwickeln. Thermalbäder sind da die erste Wahl. Nicht, dass es in Österreich nicht genügend Thermalbäder gäbe – allein in der Steiermark gibt es innerhalb einer Stunde Fahrtzeit sechs solcher Möglichkeiten –, aber genau das war das Problem.
Da Enkelin Veronika morgens sehr ungern aufsteht, war klar, dass wir keines dieser steirischen Bäder rechtzeitig erreichen würden. Um einen Parkplatz zu finden, dann einen Umkleideschrank und schließlich auch eine Liege zu ergattern, muss man nämlich um neun Uhr morgens am Eingang sein. Das ist bei unserer Enkelin völlig unrealistisch. Wir mussten einen Ort finden, der weit genug entfernt war, um sie dazu zu bringen, aufzustehen und mit uns ins Bad zu gehen, schon allein deshalb, weil die Menschen um sie herum eine unverständliche Sprache sprechen (was Ungarisch reichlich erfüllt), was sie unselbstständig macht. So besteht eine gewisse Chance, sie vor elf Uhr aus dem Bett zu holen.
Deshalb fiel die Wahl auf das ungarische Sárvár. Erst später erfuhr ich, dass die Stadt auch für Historiker wie mich äußerst interessant ist.
Sárvár ist zum Beispiel die Hauptstadt der ungarischen Reformation. Was den religiösen Glauben der Ungarn betrifft, schätze ich diese Nation sehr. Obwohl sie sich zur Reformation des kalvinistischen Typs bekannten und ihr Heerführer Stephan Bocskai sogar einen Ehrenplatz am Reformationsdenkmal in Genf hat, sind sie die einzigen Calvinisten, die ihre Küche nicht ruiniert haben. Versuchen Sie, eine lokale Spezialität in Schottland, Bremen, Amsterdam oder sogar in Genf zu genießen – es ist nirgends besonders toll. Die Ungarn haben sich diesbezüglich tapfer gezeigt und ließen sich nicht von der Gefahr einer Todsünde durch gutes Essen einschüchtern. Gulasch, Langos, Pörkölt oder Halászlé und andere Köstlichkeiten haben sie sich nicht nehmen lassen. Das macht Ungarn trotz Viktors Eskapaden zu einem recht attraktiven Reiseziel.
Es war jedoch Sárvár, auch „das ungarische Wittenberg“ genannt, wo der ungarische Humanist János Sylvester tätig war, der hier 1539 das Buch „Grammatica hungarolatina“ herausgab, das nicht nur das erste Buch in ungarischer Sprache war, sondern im Grunde die Grundlagen der ungarischen Sprache legte (die Amtssprache in Ungarn war bis ins 18. Jahrhundert Latein). Danach folgte der nächste logische Schritt. Wie Luther in Deutschland, übersetzte auch Sylvester das Neue Testament ins Ungarische (1541). Im Schlosspark ist ihm eine Bank gewidmet.
Es wäre schön, sich vorzustellen, dass Sylvester gerade auf dieser Bank die ungarische Schriftsprache entwickelte, aber dem war nicht so. Die Burg von Nádasdy war bis 1810 von einem 30 Meter breiten Wassergraben umgeben, und erst dann beschloss der neue Besitzer Franz d´Este, aus der Festung einen angenehmen Wohnort zu machen. Der Graben wurde zugeschüttet, und später entstand dort der Park und die Bank noch viel später. Die meisten Bäume in diesem Park wurden etwa hundert Jahre später, in den 1930er Jahren, gepflanzt, und sie sind mittlerweile zu einer imposanten Größe herangewachsen. Sylvesters religiöse Orientierung ist mir etwas rätselhaft. Er war ein Schüler Melanchthons, also der rechten Hand von Martin Luther, sodass er noch keine Verbindung zu Calvin haben konnte. Ein anderer Gelehrter, Mátyás Bíró Dévay, veröffentlichte bereits 1538, also ein Jahr vor Sylvesters ungarischer Grammatik und somit vor der Entstehung der offiziellen ungarischen Schriftsprache, den ersten ungarischen Katechismus in Sárvár – die beiden Herren müssen eng zusammengearbeitet haben. Daher hat Sárvár seinen Titel als „Stadt der ungarischen Reformation“ erhalten.
Dennoch ist offensichtlich die Mehrheit der Einwohner von Sárvár katholisch.
Mindestens zwei große katholische Kirchen gibt es hier: die Kirche des heiligen Ladislaus am Kossuth-Platz und die Kirche des heiligen Michael. Die evangelische Kirche ist relativ klein und soll den Kampf von Franz II. Rákóczi für Religionsfreiheit symbolisieren. Nach Rákóczi ist auch die Hauptstraße benannt, die zu den Thermalbädern führt.
Ein weiteres Denkmal im Park um das Schloss ist dem Dichter der ungarischen Renaissance Sebestyén Lántos Tinódi gewidmet, der 1556 in Sárvár starb. Es gibt nicht viele Dichter, die sich einen Adelsstand ersungen haben. Tinódi hat es geschafft. Am 23. August 1553 wurde er auf Empfehlung des Palatins Tamás Nádasdy von König Ferdinand I. in den Adelsstand erhoben. Sein länglich geteiltes Wappen zeigt ein Schwert im roten und eine silberne Laute im blauen Feld.
Das letzte Denkmal im Park ist den Opfern des Holocausts gewidmet. In Sárvár lebten etwa 500 Juden. Sie waren gut integriert, und das Horthy-Regime schützte sie bis 1944. Doch im März 1944 besetzten die Deutschen Ungarn. Im Mai 1944 wurde in Sárvár ein jüdisches Ghetto errichtet, und im Juli begannen die Transporte, hauptsächlich in das Konzentrationslager Auschwitz. Nur wenige Juden aus Sárvár überlebten den Krieg, und selbst diese kehrten nicht nach Sárvár zurück. Die jüdische Gemeinde in dieser Stadt erlosch somit im Jahr 1944, und nur das Denkmal im Park unter den Festungsmauern erinnert an sie.
An der Fassade der Kirche des heiligen Ladislaus erinnert eine Gedenktafel daran, dass hier zwischen 1939 und 1941 polnische Flüchtlinge, vor allem Soldaten, für die Freiheit ihres Landes und den Ruhm Ungarns beteten. 1941 trat Horthys Ungarn dann an der Seite des nationalsozialistischen Deutschlands in den Krieg ein, und der Ruhm war dahin. Die Ungarn haben eine unfehlbare Neigung, immer auf der Seite der Verlierer zu kämpfen. Hoffen wir, dass sie diese Tradition auch heutzutage fortsetzen, da sich Orbán eindeutig auf die Seite des russischen Aggressors stellt. Vor der Kirche stehen die Büsten der Nationalhelden Sándor Petöfi und Lajos Batthyány, die beide ihr Leben in der Revolution von 1848 ließen. Petöfi fiel im Kampf gegen die Russen bei Világos, und Ministerpräsident Batthyány wurde 1849 nach Niederschlagung des Aufstandes von den Österreichern hingerichtet – obwohl er an dem Aufstand gar nicht teilgenommen hatte.
Das Rathaus am Kossuth-Platz hat über dem Eingang ein Glockenspiel.
Ich weiß nicht, wie oft es spielt, aber ich habe es um vier Uhr nachmittags gehört. Ich habe die künstliche Intelligenz gefragt und festgestellt, dass sie keine Ahnung hat. Sie behauptete, das Glockenspiel spiele um elf Uhr morgens und um sechs Uhr abends. Was sie nicht weiß, denkt sich dieser Schlaumeier einfach aus. Auf dem Platz gibt es auch ein Denkmal für die ungarischen Husaren aus Sárvár, die im Ersten Weltkrieg gefallen sind. Die Liste der Gefallenen auf den Tafeln, die an den Wänden der Kirche des heiligen Ladislaus befestigt sind, ist erschreckend lang. Die Angriffe der Kavallerie in Zeiten von Stacheldraht und Maschinengewehren waren offensichtlich selbstmörderische Missionen.
Die Stadt wird von einer großen Burg dominiert, die den Namen der berühmtesten Familie trägt, die hier residierte und die die Burg bauen ließ – der Familie Nádasdy.
Die heutige Burg wurde um 1560 von Palatin Tamás Nádasdy als Renaissancefestung erbaut – das war notwendig, da die Stadt am Fluss Raab an der Frontlinie in den ständigen Kämpfen mit den Türken lag. Tamás’ Enkel Ferenc Nádasdy wurde auch aus diesem Grund zu einem berühmten ungarischen Kämpfer gegen die türkische Bedrohung. Ursprünglich stand hier offenbar eine Wasserburg, umgeben von Sümpfen, die eine natürliche Verteidigung darstellten. Sárvár bedeutet übersetzt „Lehmburg“. Obwohl die Burg später in barockem Stil umgebaut wurde, behielt sie ihren Namen. 1803 kaufte der habsburgische Herzog Franz IV. d’Este, Herzog von Modena und Reggio, die Burg. Er war es, der die Festung zu einem Lustschloss umbaute, den Wassergraben zuschütten ließ und den heutigen imposanten Park anlegte. 1875 ging die Burg an die bayerische Königsfamilie Wittelsbach über, da der Sohn des Prinzregenten Luitpold, Ludwig, mit Prinzessin Maria Theresia Dorothea d’Este verheiratet war und so kam das Anwesen von Sárvár in seinen Besitz. Das Schicksal wollte, dass Ludwig III. gerade hier, bereits als König, starb. Ludwig übernahm nach dem Tod seines Vaters 1912 die Regentschaft für den unfähigen König Otto. Im Jahr 1913 verloren die Bayern endgültig die Geduld, änderten die Verfassung und riefen Ludwig zum König aus, ohne Otto den Titel zu entziehen, sodass Bayern bis zu Ottos Tod 1916 zwei Könige hatte. Ludwig war beim Volk, wie sein Vater, sehr beliebt. Sein Hobby war die Landwirtschaft, und er führte einen großen Bauernhof nach modernen Methoden, wobei auf die Hygiene der Tiere geachtet wurde, sodass er bei den Bayern den liebevollen Spitznamen „Milchkönig“ erhielt. Leider brach bereits ein Jahr nach seiner Thronbesteigung der Erste Weltkrieg aus, der seine Reformpläne unterbrach, da Bayern als Teil des Deutschen Kaiserreichs gezwungen war, an der Seite der herrschenden Preußen in den Krieg zu ziehen. Aus dem geliebten König wurde dadurch ein gehasster, und am 7. November 1918 zwangen ihn Revolutionäre unter der Führung von Kurt Eisner zur Abdankung und riefen den „Freistaat Bayern“ aus. Da Ludwig keinen Widerstand leistete, durfte er sich auch später in Bayern aufhalten, starb jedoch am 21. Oktober 1921 in seiner ungarischen Residenz Sárvár. Die Nádasdy-Burg diente noch seinem Enkel, Ludwig Karl Maria, als Zuflucht vor der immer stärkeren Schikane der Nazis. (Sein Onkel, der Kronprinz Rupprecht, versteckte sich als Gegner der Nazis in Italien, seine Familie landete sogar in Konzentrationslagern.) Die Wittelsbacher betrieben in Sárvár eine Pferdezucht, und Ludwig Karl Maria gelang 1945 ein wahrer Husarenstreich, als er seine edlen Pferde durch die russischen Linien bis nach Deutschland brachte.
Der bereits erwähnte Enkel des Burgenbauers Ferenc Nádasdy ist in unseren Breitengraden aus zwei Gründen bekannt. Erstens war er unter dem Spitznamen „Schwarzer Beg“ ein Schrecken für die Türken und erfolgreich bei der Eroberung der Festungen Esztergom, Visegrád, Székesfehérvár und Vác. Es wird ihm auch die Eroberung von Győr (Raab) zugeschrieben, aber meine Leser wissen, dass dort der Vorfahre des ehemaligen tschechischen Außenministers Karl Schwarzenberg, Adolf, sowie Graf Miklós Pálffy durch Eroberung dieser Stadt berühmt wurden. Allerdings gelang es den Türken zu Lebzeiten Nádasdys nicht, eine einzige der von ihm eingenommenen Städte zurückzuerobern. Damals führte der Kaiser mit dem Sultan von 1593 bis 1606 den sogenannten „Langen Krieg“, der beide Seiten finanziell und moralisch ruinierte. Nádasdy war seit 1587 Oberbefehlshaber des kaiserlichen Heeres und seit 1594 Mitglied des „Kriegsrats“, 1598 wurde er zum Ritter geschlagen. Bemerkenswerterweise starb er – was für einen Feldherrn seiner Zeit ungewöhnlich war – im Bett, an einer Krankheit im Januar 1604.
Der zweite Grund für seine Bekanntheit war seine Ehe. Er war nämlich mit Erszébet (auf Deutsch Elisabeth) Báthory, bekannt als die „Blutgräfin“, verheiratet. Die Gräfin Elisabeth war keine gewöhnliche Person. Ihr Onkel Stephan Báthory war König von Polen, ihr Bruder, ebenfalls Stephan, war der Erzieher von Gabriel Báthory, der 1606 Fürst von Siebenbürgen wurde. Die Familie Báthory gehörte also zur höchsten Gesellschaft und vor allem – sie war außerordentlich reich. Franz und Elisabeth hatten zusammen fünf Kinder, von denen jedoch zwei im Kindesalter starben. Elisabeth lebte neben der slowakischen Burg Čachtice und Wien auch in Sárvár. Der Ort ihrer Verbrechen, wo sie angeblich junge Jungfrauen ermorden ließ, um in deren Blut zu baden und so ewig jung zu bleiben, befindet sich in Wien in der Augustinergasse 12, wo Nádasdy als wichtiger kaiserlicher Beamter, seinen Palast hatte. Der Skandal brach 1610 mit der Aufdeckung ihrer Morde aus und erschütterte das gesamte Kaiserreich.
Bis heute streiten sich Historiker darüber, ob Elisabeth wirklich eine blutrünstige Sadistin war oder ob alles nur eine Intrige des ehrgeizigen Palatins György Thurzó war. Elisabeth Báthory war nämlich außerordentlich reich und führte sich nach dem Tod ihres Mannes wie das Oberhaupt der Familie auf, was für eine Frau zu jener Zeit absolut ungewöhnlich und provokativ war. Während Elisabeth zur traditionellen ungarischen Hochadelsgesellschaft gehörte, war Thurzó ein Emporkömmling, dessen Vorfahren erst im 16. Jahrhundert durch die Zusammenarbeit mit der Augsburger Familie Fugger und damit erworbenen Reichtum in den Adelsstand erhoben worden waren. Am 29. Dezember 1610 stürmte Palatin Thurzó mit seinen Soldaten die Burg in Čachtice und ließ sie durchsuchen. Dabei wurden angeblich Leichen junger Mädchen entdeckt. Der darauffolgende Prozess (eigentlich zwei, da einer auf Latein und der andere auf Ungarisch geführt wurde) waren sehr fragwürdig. Schon allein deshalb, weil Elisabeth an diesem Prozess nicht einmal teilnehmen durfte, sondern in Abwesenheit allein auf Grundlage der Aussagen ihres Dienstpersonals verurteilt wurde, die unter Folter erpresst worden waren. Drei der vier Zeugen wurden nach der Folter lebendig verbrannt. Thurzó lehnte das Ersuchen des Kaisers Matthias ab, Elisabeth hinzurichten, und verurteilte sie stattdessen zu lebenslangem Hausarrest auf der Burg Čachtice, wo sie vier Jahre später starb. Ob sie wirklich lebendig eingemauert wurde, wie es der slowakische Regisseur Jakubisko in seinem Film „Báthory“ darstellte, ist sehr zweifelhaft. Mindestens konnte sie während ihrer Haft Kontakt zu ihren Kindern halten und sogar über Erbschaftsangelegenheiten entscheiden.
Was kann man also im Schloss von Sárvár sehen? Es gibt dort ein Museum mit einer Ausstellung über die Geschichte der Husaren, ein Museum für angewandte Kunst, man kann den repräsentativen Saal des Schlosses besichtigen und es gibt eine Sammlung historischer Karten Ungarns.
Der Park auf dem ehemaligen Burggraben ist jedoch nicht die einzige Grünfläche in der Stadt. Der Hauptpark ist das Arboretum, das nur wenige Dutzend Meter vom Schloss auf der anderen Seite der Hauptstraße entfernt liegt.
Das Arboretum, also der botanische Garten in Sárvár, wurde bereits zur Zeit von Ferdinand I., also im 16. Jahrhundert, gegründet. Seitdem hat sich dort viel Interessantes angesammelt. Es gibt seltene und exotische Bäume, gigantische Platanen und Ginkgo-Bäume, Blumenbeete und Pflanzen, die die lokale Flora repräsentieren, Teiche und Seen mit Wasserpflanzen und Tieren. Leider blühte im August, als ich dort war, nichts – abgesehen von einem rosa Busch mit zwei Blüten. Aber für den Eintrittspreis eines Euros und zwanzig Cent war es trotzdem ein schöner Spaziergang.
Das Zentrum des Geschehens in Sárvár ist natürlich das Thermalbad.
Die warmen Quellen, die hier an die Erdoberfläche sprudeln, sollen heilend sein und angeblich so ziemlich alles heilen. Im Jahr 2012 wurde Sárvár nach Durchführung von Zertifizierungstests vom ungarischen Hauptgesundheitsamt offiziell zum Kurort erklärt. Dies haben vor allem tschechische Besucher entdeckt, von denen es hier viele gibt. Ich vermute jedoch, dass der Hauptgrund weniger die heilende Wirkung des Wassers, sondern eher die Tatsache, dass der Eintritt relativ günstig ist – deutlich günstiger als in den Thermen in Österreich. Ein Tagesticket kostet 7.900 Forint, was etwa 20 Euro entspricht. Eine Familienkarte für zwei Erwachsene und zwei Kinder kostet in der Hauptsaison 48 Euro pro Tag. Außerhalb der Hauptsaison – also auch jetzt in November – sind die Preise noch günstiger (16 bzw. 40 Euro). Alles ist neben Ungarisch, Deutsch und Englisch auch auf Tschechisch beschrieben.
In den Pools gibt es viele Attraktionen für Kinder: Rutschen, ein Piratenbecken und ein Wellenbecken. Kleine Rutschen gibt es im „Family Spa“ unter dem Dach, draußen im Gelände finden sich große Rutschen in verschiedenen Neigungen und Formen, wobei ich hier keine „Killer“-Rutschen wie in Moravske Toplice gesehen habe.
Übrigens, das Personal spricht Deutsch und zumindest grundlegendes Tschechisch, sowohl an der Kasse als auch in den Restaurants, sodass man Ungarisch nicht benötigt und selbst diejenigen zurechtkommen, die außer der Muttersprache keine andere Sprache beherrschen. Die Beschreibungen der Speisen auf Deutsch und Tschechisch wurden zwar offensichtlich von Ungarn eigenhändig erstellt und haben manchmal ein Lächeln zur Folge, sind aber verständlich. Und falls Ungarn auf den Anzeigetafeln Slowakisch mit Slowenisch verwechseln, ist das nichts, was einen Touristen aus der Ruhe bringen würde.
Lángos bleibt Lángos, Gulyás ist Gulasch und dass Suppe „leves“ heißt, ist nicht schwer zu verstehen. Eine Konditorei zu finden („cukrázda“) ist ebenfalls machbar für einen ausländischen Touristen, „kavézó“ bedeutet Kaffeehaus, nur bei „étterem“ – also Restaurant – könnte ein Tourist kurzfristig Schwierigkeiten haben. Aber satt wird man auf jeden Fall. In Sárvár gibt es fast so viele Restaurants wie Hotels und Apartments, also reichlich Auswahl.
Auch das Bierangebot hat sich offensichtlich den Besuchern angepasst. Hier bekommt man eine Menge tschechischen Biermarken, wie Krušovice, Budvar, Staropramen oder Pilsner Urquell.
Ein Nachteil ist, dass man in den Restaurants im Thermenbereich nicht mit den Armbändern zahlen kann, die man beim Eintritt, wie in Österreich, erhält. Man muss Bargeld oder eine Bankkarte mitnehmen, was natürlich Taschendiebe anzieht. Meiner Frau wurden während unseres Aufenthalts im warmen Wasser die Armbanduhr gestohlen. Mit Karte zu zahlen ist zwar bequem, aber leider teuer. Während der offizielle Wechselkurs bei 396 Forint pro Euro lag, wurde in den Thermen ein Kurs von 360 berechnet, was bei jeder Kartenzahlung aisch einen Aufschlag von 10 Prozent bedeutet. Es ist also günstiger, Bargeld am Geldaen in der Stadt abzuheben (zu einem akzeptablen Kurs von 391:1) und bar zu bezahlen.
Nach dem Artikel über Pinzgau vor 2 Wochen, kann ich nicht widerstehen, um den Bericht um das nächste Tal in der gleichen Region zu ergänzen, obwohl ich diesen Teil von Pinzgau bereits voriges Jahr besucht habe.
Saalbach-Hinterglemm war lange Zeit ein Schizentrum, das ich immer wieder verpasste. Ich war überall in der Umgebung – am Wilder Kaiser, in Kitzbühel, am Hochkönig –, doch das hochgelobte Saalbach blieb mir verborgen. Bis zu vorigem Winter, als ich endlich mit meinem Sohn hinfuhr, und es war wirklich großartig, auch wenn wir in drei Tagen Schifahrens nur 150 der insgesamt 650 Pistenkilometer bewältigten. Das war mehr als genug für uns. Am Ende unseres Aufenthaltes saßen wir dann auf der Terrasse der Hütte am Westgipfel des Schattbergs, genossen die Sonne, während mein Sohn über einen QR-Code Getränke bestellte, mit seinem Handy bezahlte, und diese dann tatsächlich ankamen – was mir ein kleines seelisches Trauma bereitete. Von dort sah ich den Weg zum nächsten Gipfel (es war der Stemmerkogel), der so greifbar nah war, dass ich den starken Wunsch verspürte, im Sommer mit meiner Frau zurückzukommen und sie auf diesen verlockend nahen Gipfel zu führen.
Wussten Sie, dass die Farbe Weiß Dinge näher erscheinen lässt? Ich hatte es geahnt, aber nicht, dass es so stark wirkt. Als wir dann im Sommer am Westgipfel des Schattbergs standen (kommend zu Fuß vom Ostgipfel, den wir mit der Seilbahn erreicht hatten), wirkte der Gipfel gar nicht mehr so nah. Trotzdem erklommen wir ihn tapfer – es war tatsächlich nicht schwierig.
Auch im Sommer gibt es viele Touristen in Saalbach, vor allem Radfahrer. Mountainbiking und insbesondere Abfahrten auf den speziell präparierten Wegen vom Gipfel (wohin sie mit der Seilbahn gelangen) sind hier der große Renner. Wir Fußgänger waren eher eine geduldete Minderheit, aber es hat sich gelohnt. Der Saalbach-Hinterglemm-Kamm ist grün und sanft (deshalb wird hier im Winter Ski gefahren), bietet aber auf beiden Seiten atemberaubende Ausblicke. Im Norden sieht man den Hochkönig, dann die Steinberge (bei Berchtesgaden, Saalfelden und Löfler, nach welchen Städten Teile dieses Gebirges benannt sind). Es handelt sich hier um echte Felsgebirge mit Höhen über 2000 Metern, die Ehre ihrem Namen machen. Und ganz im Westen ragt das zerklüftete „Wilder Kaiser“-Gebirge auf, unter dem das Dorf Elmau liegt, das durch die TV-Serie „Der Bergdoktor“ berühmt wurde.
Im Süden erheben sich die Dreitausender der Hohen Tauern mit dem dominanten Kitzsteinhorn und dem Großvenediger (der Großglockner, Österreichs höchster Berg, ist eher im Hintergrund und eigentlich gar nicht so dominant). Das Panorama ist atemberaubend und absolut sehenswert.
Ein Vorteil ist, dass man mehrere Gipfel mit Seilbahnen erreichen kann. Das Beste daran: Wenn man in einer Unterkunft übernachtet, die Partner der sogenannten „Jokercard“ ist, sind alle diese Seilbahnfahrten im Übernachtungspreis inbegriffen, sodass man kostenlos fahren kann. Es lohnt sich also, zu prüfen, ob die gebuchte Unterkunft wirklich ein Jokercard-Partner ist. Andernfalls kann der Aufenthalt teurer werden – es sei denn, man ist ein begeisterter Wanderer, der die Gipfel wie einst Erzherzog Johann aus dem Tal erklimmt. Wir hatten ein Apartment, das der Partner war, und das hat sich sehr gelohnt (neben den Seilbahnen und anderen Kleinigkeiten kann man zum Beispiel in den Kapruner Thermen eine Stunde länger bleiben). Die Jokercard ermöglicht auch kostenloses Parken an den Seilbahnen – man muss nur das Ticket an der Kasse bestätigen lassen. Es gilt bis 18 Uhr, danach wird das Parken kostenpflichtig, um zu verhindern, dass raffinierte Touristen die Parkplätze für Abendessenbesuche nutzen.
Direkt von Saalbach aus führen zwei Seilbahnen auf die Schattberggipfel – der „Schattberg X-Press“ auf den Ostgipfel und die „Westgipfelbahn“ auf den Westgipfel. Es gibt noch einen Mittengipfel, der sogar der höchste der drei Schattberggipfel ist, aber zu diesem muss man zu Fuß gehen.
Zum Westgipfel fährt auch eine kurze Seilbahn, der „Schattberg Sprinter“, der jedoch für den Transport von Fahrrädern und Radfahrern dient, die dann auf den Winterabfahrten hinunterfahren und anschließend die chirurgischen Ambulanzen in Zell am See oder in Saalfelden füllen. Für die Radfahrer ist es ein wahres Paradies, weshalb es auch so viele davon gibt. Die Abfahrten sind unterschiedlich schwierig und farblich markiert gleich wie die Schipisten im Winter – blau, rot und schwarz. Die schwarzen Abfahrten sind natürlich nur für Lebensmüde, die blauen fahren auch Kinder hinunter. Auf den schwarzen gibt es Sprünge von bis zu fünf Metern, auf den blauen angeblich maximal einen Meter. Ich habe es nicht ausprobiert – mein zweimal operiertes Knie hätte mir wohl nach dem ersten, auch nur ein Meter hohen Sprung, ein paar Ohrfeigen verpasst. Das Problem stellen vor allem die roten Abfahrten dar. Auf diese wagen sich auch weniger Erfahrene und blockieren dann die schnelleren Fahrer, vor allem in Kurven, was gefährlich werden kann. Im Gegensatz zu Schipisten, wo man solchen langsamen Schifahrern ausweichen kann, gibt es hier nur eine Spur, dass Überholen praktisch unmöglich macht.
Für wirkliche Anfänger gibt es ein Übungsgelände direkt in Saalbach. Es ist nicht nötig, Fahrräder und Ausrüstung mitzubringen – praktisch überall gibt es Verleihstationen, wo der Wagemutige alles bekommt, vom Fahrrad über Helm bis zur vollständigen Rüstung, um die Unfallambulanzen doch etwas zu entlasten. Radfahrer haben mit der Jokercard zwei Fahrten pro Tag kostenlos (es wird davon ausgegangen, dass sie im Gegensatz zu Fußgängern den Weg nach unten eigenständig zurücklegen). Wer den ganzen Tag Seilbahn fahren möchte, muss ein Tagesticket kaufen, wobei die Jokercard einen Rabatt bietet.
Auf dem Ostgipfel des Schattbergs beginnt die attraktivste (und anstrengendste) Wanderung in dieser Region: die „7-Summits“-Tour.Auf dieser Tour besteigt man an einem Tag sieben Gipfel, überwindet insgesamt 1450 Höhenmeter, und die gesamte Strecke beträgt etwa 24 Kilometer. Es geht zwar über den Kamm, und man startet vom Ostgipfel des Schattbergs in über zweitausend Metern Höhe, aber der Kamm ist ein ständiges Auf und Ab, das kein Ende nimmt. Also nichts für ältere Wanderer über sechzig, es sei denn, sie sind täglich in den Bergen unterwegs. Niedrigere Gipfel wie der Saalbachkogel zählen nicht einmal zu den sieben Gipfeln, müssen aber dennoch erklommen werden. Vom Ostgipfel des Schattbergs geht es zuerst zum Westgipfel. Dann auf den Stemmerkogel (dorthin sind wir mit meiner Frau gekommen), und dann weiter zum Hochkogel (der hat mich noch gelockt, aber meine Frau nicht, und so hat er mir dann auch irgendwann meine Sympathie verloren). Danach wird es wirklich interessant und manchmal sogar spannend, besonders auf dem Weg zum Hochsaalbachkogel – der Aufstieg ist hier mit Seilen gesichert. Dann führt der Weg über den Bärensteigkogel und den Manlitzkogel zum Mittagskogel. Selbst wenn man mit der ersten Seilbahn losfährt, wird man bis zum „Mittagsgipfel“ nicht vor dem Mittag ankommen – vermutlich liegt der Gipfel einfach genau im Osten, „zur Mittagszeit“, und daher hat er seinen Namen. Schließlich erreicht man den mit 2363 Metern über dem Meer höchsten und glücklicherweise letzten Gipfel der Tour, den Geißstein. Doch wer glaubt, mit der Besteigung dieses Gipfels sei die Herausforderung gewonnen, liegt falsch: Der Abstieg über Birgel ins Tal ist lang und mühsam. Natürlich, wie überall in Österreich, ist der Weg von Berghütten gesäumt, wo man essen und trinken kann und erschöpfte Wanderer hier sogar übernachten könnten.
Nein, wir waren nicht so ehrgeizig. Stattdessen fuhren wir mit der Seilbahn „12er Kogelbahn“ auf den „12er Kogel“.
Die Talstation liegt diesmal in Hinterglemm, und es gibt auch hier genügend kostenlose Parkplätze. Was sich hier die Einheimischen alles einfallen lassen, um Touristen und vor allem Familien mit Kindern anzulocken, ist wirklich bewundernswert. Spielplätze für Kinder, Liegestühle, Restaurants, Aussichtsplattformen und ein absolut erstaunlicher Minigolfplatz mit originellen Holzschlägern.
Wir aber machten uns auf den Weg zum „Hohen Penhab“, der den Zwölferkogel um etwa zweihundert Meter überragt. Es ist nichts besonders Anspruchsvolles. Von dort führt ein fantastischer „Panoramaweg“ entlang des Kamms mit wunderschönen Ausblicken auf das Kitzsteinhorn und den Großvenediger. Es ist ein Spaziergang von etwas mehr als einer halben Stunde, der unvergesslich bleibt.
Hinter einem Sattel gibt es noch einen Aufstieg zum Gipfel namens Schönhoferwand. Danach hat man als Wanderer mehrere Möglichkeiten: Man kann weiter entlang des Kamms gehen, über den „Heimat Rundweg“ zum Zwölferkogel zurückkehren oder zum Elmaualm absteigen und dort essen. Wir wählten die letzte Variante; nach einer Pause auf dem Elmaualm kann man zur Mittelstation der Seilbahn gehen (leider etwas bergauf, was meiner Frau nicht ganz gefiel) und von dort nach Hinterglemm zurückfahren. Diese Tour ist unvergesslich, und wer einmal in Saalbach ist, sollte sie auf jeden Fall machen. Selbst vierjährige Kinder haben sie geschafft, und das Erlebnis ist großartig.
Weitere Seilbahnen, die in der Jokercard enthalten sind, sind die Kohlmaisbahn, die vom Zentrum Saalbachs startet. Angeblich gibt es hier Parkplätze, aber wir haben keine gefunden – zumindest nicht an der Talstation der Seilbahn. Anders als die Seilbahnen, die wir nutzten, fährt diese nach Norden, also näher zu den Steinbergen, und auf eine etwas niedrigere Höhe von 1794 m.ü.M.
Die Reiterkogelbahn in Hinterglemm bringt Sie auf eine Höhe von nur 1480 Metern. Sie wird häufig von Skifahrern im Winter und Radfahrern im Sommer genutzt. Zu den Gipfeln der Berge ist es von hier aus noch weit (oder hoch, je nachdem, wie man es sieht).
Zur letzten Seilbahn im Angebot, der Asitzbahn/Steinbergbahn, muss man ein Stück mit dem Auto nach Leogang fahren, das ein Tal weiter liegt. Im Winter gibt es auf dieser Seite komfortable Abfahrten mit blauen Pisten (oder auch roten, die aber in Wirklichkeit auch blau – na sagen wir dunkelblau – sind). Im Sommer hat man die Möglichkeit, die Steinberge wirklich direkt vor sich zu sehen. Wer seine Nervenstärke testen möchte, kann den Flying Fox XXL erleben, auf den die Jokercard einen Rabatt von zehn Prozent gewährt. Ein Stück weiter im gleichen Tal, in Fieberbrunn, steht das berühmte Jakobskreuz. Das riesige Holzbauwerk auf dem Gipfel ist mit dreißig Metern Höhe das größte Gipfelkreuz der Welt, das man besteigen kann. Es hat fünf Aussichtsplattformen und war schon in zahlreichen österreichischen Filmen zu sehen. (In Krimis stürzt oder springt man häufig von diesem Kreuz – immer mit tödlichem Ausgang). Man kann mit der Pillersee-Seilbahn dorthin fahren, diese ist aber nicht in der Jokercard enthalten. Wer sich also Euros sparen möchte, kann die Höhe von 1456 Metern auch zu Fuß erreichen.
Wir entschieden uns aber für einen Besuch des Kitzsteinhorns. Über den habe ich vor zwei Wochen berichtet, also heute nur sehr kurz..
Zum Kitzsteinhorn fährt man – wie schon erwähnt – über Kaprun. Dort gibt es eine Seilbahn, die jedoch nicht direkt aufs Kitzsteinhorn führt, sondern auf den Maiskogel. Von dort kann man angeblich mit der modernsten Gondelbahn zur Mittelstation des Kitzsteinhorns weiterfahren, allerdings kostete dieses Vergnügen 63 Euro pro Person. Wenn man Kaprun durchfährt und nach sechs Kilometern unter der „Gipfeljetbahn“ parkt, kostete die Fahrt zum Gipfel „Top of Salzburg“ immerhin „nur“ 54,50 Euro. Diese Seilbahnen sind nicht im Jocker-Card-Angebot enthalten. Es ist also kein günstiges Vergnügen, aber es lohnt sich. Für die Seilbahn „Aquilla di Midi“ am Mont Blanc in Chamonix haben wir schon vor zehn Jahren 55 Euro pro Person bezahlt. Ich will gar nicht wissen, was das heute bei der aktuellen Inflation kostet. Aus diesem Blickwinkel betrachtet ist der „Gletscherjet“ in Kaprun geradezu günstig.
Wer denkt, er fährt einfach mit der Gondel hoch, trinkt einen Kaffee und fährt dann wieder runter, und das sei ein Programm für eine Stunde, der irrt gewaltig. Man könnte einen ganzen Tag auf dem Kitzsteinhorn verbringen. Es gibt hier zahlreiche Attraktionen. Nach der Ankunft an der Bergstation der Seilbahn kann man sich entscheiden, ob man den Lift direkt zum Restaurant nimmt oder lieber über die letzten Überreste des Gletschers zur „Ice Arena“ läuft, einem sogenannten Schneestrand.
Dort gibt es einen Förderbandlift, der Touristen, insbesondere Kinder, die auf Plastikschlitten im Schnee rutschen wollen, auf 3000 Meter Höhe bringt. Wir rutschten nicht. Von dort führt ein Weg zur Aussichtsplattform „National Gallery Platform“, die einen Blick auf die österreichischen Dreitausender der Hohen Tauern mit dem Großglockner im Hintergrund bietet, der sich allerdings oft in Wolken versteckt. Es gibt hier auch einen Skywalk, auf dem sich Touristen fotografieren können, mit dem Großglockner im Hintergrund, auch wenn man ihn oft aus dem bereits erwähnten Grundhäufig nicht sehen kann. Ich hatte Glück, für gute halbe Stunde hat sich die Spitze über die Wolken gezeigt, aber das war auch schon.
Von der Aussichtsplattform führt ein Tunnel zum Restaurant. Der Tunnel ist 360 Meter lang und wurde in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts gegraben. Heute befindet sich hier die „Nationalpark Gallery“, ein Lehrpfad zur Entstehung der Hohen Tauern vor 400 Millionen Jahren, über Flora und Fauna, Bergsteiger, Halbedelsteine in den Felsen und vieles mehr. Es gibt zweimal pro Tag eine Führung, die ungefähr eine Stunde dauert. So gelangt man schließlich zum „Gipfel Restaurant“. Es ist eine Gaststätte mit Selbstbedienung, gestresstem fremdsprachigem Personal und nicht gerade empfehlenswertem Essen. Wenn man aber den ganzen Tag in 3000 Metern Höhe verbringen möchte, bleibt als Alternative nur noch eine Jause im Rucksack. Also, bitte, vorsorgen!
Zurück zur Mittelstation kann man wieder mit dem Gletscherjet fahren, aber ab dem Restaurant fährt alle fünfzehn Minuten auch eine große Gondel, bei der man sich ein Umsteigen spart. Und man hat die Möglichkeit, das Kitzsteinhorn wieder aus einem etwas anderen Blickwinkel zu sehen.
Den Abschluss des Tages bildete dann ein Besuch in der Therme in Kaprun.
Sie liegt direkt am Anfang des Ortes. Das Wasser ist zwar nicht besonders warm, aber für einen Sommerbesuch genau richtig, und man kann das gesamte Panorama der Berge direkt gegenüber aus dem Wasser beobachten. Außerdem wird man direkt im Wasser bedient. Der Kellner nimmt die Bestellungen am Schwimmbeckenrand auf, bringt das Getränk bis an den Pool und man bezahlt mit der Uhr am Handgelenk, die man an der Kasse bekommen hat. Also, wer es nicht möchte, muss das Wasser nicht einmal verlassen. Und mit der Joker-Card kann man eine Stunde länger bleiben, also wenn man ein Drei-Stunden-Ticket für 24 Euro kaufte, durfte man vier Stunden lang baden. Ich nehme an, auch hier ist inzwischen die Inflation zugeschlagen, also die aktuellen Preise werden woanders liegen.
Also findet fast jeder in dieser Region etwas für sich: Mountainbiker, Wanderer aber auch Menschen, die einfach nur entspannen wollen. Ob nun verschleiert oder unverschleiert. Vielleicht kommen wir hierher noch einmal zurück.
Pinzgau ist die westlichste Region des österreichischen Bundeslandes Salzburg. Er ragt nach Westen zwischen Nord- und Osttirol hinein und besteht im Wesentlichen aus einem Gebirgstal rund um den Oberlauf des Flusses Salzach, dem Landeszentrum Zell am See und den nach Norden hinauslaufenden Gebieten um die Orte Saalbach und Saalfelden. Dies lässt vermuten, dass in diesem Teil des Landes ein anderer Fluss die Lebensader bildet, nämlich die Saalach. Und vor allem gibt es hier Berge, Berge und noch mehr Berge. Sehr viele Berge. Schließlich ist Pinzgau flächenmäßig der größte Bezirk Salzburgs. Doch gerade wegen dieser Berge kommen die Menschen seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts hierher, als der Tourismus begann. Also kamen auch wir hierher.
Das Ende der Welt liegt in Krimml. Oder zumindest war es das. Heute ist es durch eine mautpflichtige Passstraße über den Gerlos-Pass mit dem östlichsten Tal Tirols, dem Zillertal, verbunden. Doch dieses „Ende der Welt“ lohnt sich wegen seiner Wasserfälle zu besuchen. In drei Stufen stürzt hier das Wasser aus einer Höhe von 380 Metern hinab.
Die Menge des Wassers ist beeindruckend; am Tag unseres Besuchs betrug sie 1700 Liter pro Sekunde, es können aber auch über 2000 Liter sein. Im Salzburgerland herrschte bis 1806 der Erzbischof von Salzburg, der die Position eines Reichsfürsten innehatte. Danach kam das Land unter habsburgische Herrschaft und wurde in Österreich eingegliedert. Für die Gebiete rund um die Stadt Mittersill, zu der Krimml gehörte, wurde ein sogenannter Pfleger, also Verwalter, eingesetzt. 1835 wurde ein bestimmter Ignaz von Kürsinger hierhergeschickt, und er erkannte sofort das Potenzial der Krimmler Wasserfälle. Er ließ hier einen Weg mit einer Gloriette und einem Pavillon für Maler errichten. Kürsinger ist heute die Aussichtsplattform am Fuß des Wasserfalls gewidmet. Kürsinger organisierte auch die erste Besteigung des Großvenediger, sodass dieser Berg zum ersten Mal von Norden und nicht von der Neuen Prager Hütte in Osttirol bestiegen wurde, wo wir uns im letzten Jahr dem Gipfel näherten. Weitere Aussichtspunkte tragen die Namen anderer Verwalter, die die immer wieder verfallenden Treppen um den Wasserfall herum reparieren und verbessern ließen, da der Zahn der Zeit unerbittlich war. Es handelte sich dabei überwiegend um Funktionäre des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins (DuÖAV), wie Ernst Jung, Rudolf Riemann, Theodor Ritter von Sendtner oder Ernst Friedrich Berger. Anfang des 20. Jahrhunderts war der Weg mit den Aussichtsterrassen fertiggestellt und ist bis heute in Betrieb. Jeder Aussichtspunkt bietet ein schönes Erlebnis, sei es der Blick auf die Wassermassen oder in den Abgrund unterhalb der Wasserfälle. Oberhalb der dritten Stufe des Wasserfalls gibt es eine Hütte, und der Weg führt dann durch das Krimmler Achetal vorbei an zwei „Almen“, also Bergbauernhöfen, wo Erfrischungen angeboten werden, bis zum Hotel Krimmler Tauernhaus.
Von dort führen Wege in alle Richtungen zu Hütten, die Ausgangspunkte für Aufstiege auf die Dreitausender darstellen, und zwar Warnsdorfer Hütte, Birnlückenhütte in Südtirol oder Richterhütte in Nordtirol.
Da der Weg zum Krimmler Tauernhaus ziemlich lang ist, kann man auch ein Taxi dorthin nehmen. Oder, wenn einem im Hotel die Kräfte ausgehen, kann man mit einem Taxi zurück nach Krimml fahren.
Auf dem Weg entlang der Salzach fällt die Menge an neuen Apartments in den Dörfern, durch die man fährt, auf. Die Erklärung ist einfach: Seilbahnen bringen einen von dort zu den Skipisten, die mit dem Skigebiet von Kitzbühel verbunden sind. Das heißt, man wohnt günstiger als in Kitzbühel, kann aber seine Pisten nutzen – vorausgesetzt, man ist schnell genug, denn es ist weit, das Schigebiet ist einfach riesig. Die drei Seilbahnen Panoramabahn, Smaragdbahn und Wildkogelbahn sind auch im Sommer in Betrieb, und von ihren Bergstationen aus sind leichte Gratwanderungen für die ganze Familie möglich.
Das Zentrum des Tals ist Mittersill.
Es ist ein charmantes Städtchen mit etwa fünftausend Einwohnern – und der Sitz der berühmten Firma Blizzard. Skier dieser Marke wurden hier seit 1953 von Anton Arnsteiner produziert. Dieser örtliche Tischler kehrte aus dem Zweiten Weltkrieg zurück, in dem er mehrmals verwundet worden war, und begann in seiner Werkstatt Skier herzustellen. Da er keine Angst vor Innovationen hatte, führte er als Erster Polyethylen für Skibeläge ein, später experimentierte er mit Glasfaser und Metallen. 1974 produzierte sein Unternehmen eine halbe Million Skier. 1996 präsentierte er die ersten Carving-Skier, musste aber im selben Jahr Insolvenz anmelden. Das Unternehmen wurde nach und nach von mehreren Investoren übernommen und gehört jetzt zur italienischen Technica-Gruppe, wobei die Produktion größtenteils in die Ukraine verlagert wurde. Arnsteiner verstarb 2013 und ist auf dem Friedhof im Ortsteil Felber beerdigt.
Felber ist der älteste Stadtteil, wo sich auch die romanische Kirche und der Felberturm befinden, in dem das örtliche Museum untergebracht ist. Dieses widmet sich den sogenannten „Säumern“, Händlern, die Waren über Gebirgspässe transportierten. Sie brachten auf Maultieren Salz nach Süden und Wein nach Norden über Pässe in Höhen von über 2000 Metern, oft unter Lebensgefahr. Mittersill war ein Umschlagplatz für diesen Handel, selbst isoliert von der Zivilisation bis 1898, als eine Schmalspurbahn von Zell am See gebaut wurde.
Die Familie Felber beherrschte die Stadt, die damals noch ein Markt war, vom 12. bis 14. Jahrhundert. Ihr Name blieb sowohl im Stadtteil Felber als auch im Felbertal erhalten, wo sich das größte Vorkommen des Minerals Scheelit in Europa befindet, aus dem Wolfram gewonnen wird. Ebenso heißen nach dieser Familie das Gebirge Felbertauern, unter dem ein Tunnel nach Osttirol führt.
In der Stadt gibt es zwei Kirchen. Die ältere, frühgotische, steht direkt neben dem Museum im Felberturm, die zweite, eine Rokokokirche der Heiligen Anna, befindet sich im Stadtzentrum. Am Friedhofseingang warnt ein Schild davor, dass es verboten ist, mit Fahrrädern oder Skiern den Friedhof zu betreten – wir sind schließlich in den Alpen!
Mittersill hat sich auch auf andere Weise einen Namen gemacht. 1948 gründete Hubert Baron von Pantz im örtlichen Schloss oberhalb der Stadt, wo sich heute ein Vier-Sterne-Hotel befindet, den „Sport and Shooting Club“, der damals das teuerste Unternehmen seiner Art war. Infolgedessen verkehrten hier die prominentesten Gäste, darunter Schah Reza Pahlavi mit seiner ersten Frau Soraya, die niederländische Königsfamilie, der Herzog von Windsor (ehemaliger König Eduard VIII.), Aga Khan, Henry Ford II., Gina Lollobrigida oder Clark Gable. Mittersill war bis Mitte der 1960er Jahre das Zentrum der Jetset-Gesellschaft.
Heute ist es ein entzückendes kleines Städtchen mit vielen Restaurants, Bars und Cafés sowie einem großen Krankenhaus, das als Relikt aus der Zeit geblieben ist, als Mittersill noch eine Bezirksstadt war. Seit 2005 gehört Mittersill zum Bezirk Zell am See.
Ein Tal weiter östlich führt von Uttendorf eine Straße ins Tal zum Erzinger Boden auf 1468 Metern Höhe, und von dort bringt eine Seilbahn Touristen zum Berghotel Rudolfshütte.
Dieses steht zwischen zwei Stauseen, dem Weißsee und dem Tauernmoossee, auf 2311 Metern Höhe. Im Winter gibt es hier ein Skigebiet, im Sommer dient es als Ausgangspunkt für Wanderungen in die umliegenden Berge. Über den Kalser Tauernpass führt ein Wanderweg nach Osttirol ins Kalsertal.
Ein weiteres Tal weiter östlich liegt das legendäre Kaprun.
Auf dem dortigen Gletscher am Kitzsteinhorn konnte man noch vor nicht allzu langer Zeit das ganze Jahr über Skifahren – ich selbst bin hier im Juni 1997 Ski gefahren. Heute ist vom Gletscher nur noch ein kleiner kümmerlicher Rest übrig, und es wird hier nur noch im Winter Ski gefahren. Im Sommer wurde wenigstens eine kleine Schneefläche geschaffen, auf der Kinder und arabische Besucher auf Plastikschlitten herumrutschen können. Das Kitzsteinhorn erlangte traurige Berühmtheit durch die Katastrophe im Jahr 1999, als ein Feuer in einem Tunnel ausbrach, durch den damals eine Seilbahn fuhr. 155 Menschen starben, seitdem fährt man mit einer Gondelbahn auf den Gletscher. Oben zeigt sich das wahre Gesicht des Massentourismus: Tausende Menschen, Bagger und schwere Maschinen, die eine Restaurantkette nach der anderen und immer mehr Gebäude errichten – hier scheint der Umweltschutz keinen Einfluss zu haben. Das nahe Zell am See ist nämlich ein beliebtes Urlaubsziel für Saudis. Irgendwie kamen sie auf die Idee, dass Zell am See der Beschreibung des muslimischen Paradieses entspricht, und sie wollen sehen, was sie im Jenseits erwartet: Wasser, Wälder, Berge und Schnee. Und für jeden 77 Jungfrauen, die es allerdings in Zell am See nicht gibt, weshalb die Besucher mit ihren ganzen großen Familien anreisen. Überall gibt es Schilder auch auf Arabisch, und auf dem Kitzsteinhorn werden „Halal“-Menüs angeboten. Die Stadt ist voll dieser Besucher, doch in den Restaurants trifft man keinen von ihnen. Die Hotels, in denen sie wohnen, bieten ihnen Halal-Essen, daher gehen sie nicht in die gewöhnlichen Restaurants. Die vier Flüsse des Paradises mit kühlem Wasser, Wein, Honig und Milch gibt es auch – noch – nicht.
Ebenso trifft man die arabischen Besucher nicht in den Thermen von Kaprun an, wo man nach einem Aufenthalt in den Bergen im warmen Wasser baden kann. Getränke werden einem vom Kellner bis an den Rand des Pools gebracht. Und wer möchte, kann in Kaprun ein Oldtimer-Museum besuchen.
Aber zurück zum Kitzsteinhorn. Mit mehreren Gondeln gelangt man bis auf eine Höhe von 3029 Metern zur Aussichtsplattform „Top of Salzburg“, wo sich die Menschen in langen Schlangen anstellen, um ein Foto zu machen. Diese Plattform ist durch einen Tunnel mit Ausstellungsstücken aus dem Nationalpark mit einer anderen Aussichtsplattform verbunden, die in Richtung Großglockner und Großvenediger zeigt. Zweimal täglich werden kostenlose Führungen durch diesen Tunnel angeboten, die aber eine Stunde dauern. Die Projektion im Cinema 3000 hingegen dauert nur acht Minuten und ist sehenswert.
Für die Mutigen gibt es die Möglichkeit, den Gipfel des Berges zu erklimmen. Der Aufstieg über steiles Gestein ist mit einem Stahlseil gesichert und entspricht im Wesentlichen dem Charakter einer Klettersteigroute der Kategorien A bis B. Für Menschen mit Höhenangst oder weniger beweglichen Knien, was in meinem Alter häufig vorkommt, ist es ratsam, ein Kletterset mit Karabinern mitzunehmen. Das gibt einem die Sicherheit, sich in die Menge der Aufsteigenden zum Gipfel auf 3203 Metern Höhe einzuordnen. Von dort hat man einen atemberaubenden Blick auf zahlreiche Seen, die jedoch alle künstlichen Stauseen zur Stromerzeugung sind.
Das Zentrum der Region ist natürlich das bereits erwähnte Zell am See. Die Stadt mit 10.000 Einwohnern hat eine lange Geschichte. Schon im Jahr 740 schickte der Salzburger Bischof Johannes Mönche in diese Gegend, um dort ein Kloster zu gründen. 743 wurde der Ort erstmals als Cella in Bisonzio erwähnt, woraus später der Name Zell entstand, und 1810 erhielt die Gemeinde ihren endgültigen Namen Zell am See. Zur Stadt wurde sie erst 1928 erhoben. Ihre Bedeutung verdankt sie dem Bürgermeister Josef Salzmann, der Zell am See von 1854 bis 1859 und dann wieder von 1860 bis 1880 leitete. Der weitsichtige Lokalpolitiker erkannte das touristische Potenzial des Ortes. 1860 kaufte die Gemeinde den See, und Salzmann ließ eine Promenade und einen Park anlegen. 1875 wurde Zell am See an die Eisenbahn (Giselabahn) angeschlossen, und dem Aufschwung der Stadt stand nichts mehr im Wege. Salzmann gelang es auch, durch Intervention in Wien sicherzustellen, dass Zell am See das Verwaltungszentrum der Region Pinzgau blieb, was es bis heute ist. Die Eröffnung des Grandhotels auf der Halbinsel, die in den See hineinragt, erlebte Salzmann jedoch nicht mehr.
Das Hotel wurde 1896 eröffnet, vier Jahre nach Salzmanns Tod. Im Jahr 2016 wurde das Hotel um ein x erweitert. Vor dem Grandhotel steht ein auffälliger Brunnen, entworfen vom berühmten österreichischen Architekten Friedensreich Hundertwasser. Der Brunnen wurde zwar erst nach seinem Tod im Jahr 2003 errichtet (Hundertwasser selbst starb 2000 während einer Reise im Pazifik), doch der Entwurf stammt bereits aus dem Jahr 1996, und 2003 wurde er vom Wiener Architekten Hans Muhr realisiert. Es handelt sich um den sogenannten „Österreichischen Brunnen“, bei dem neun Säulen die neun österreichischen Bundesländer darstellen. Ihre Höhe orientiert sich an der Einwohnerzahl, und die Farbe der Säulen entspricht der vorherrschenden Farbe im Landeswappen. Die Steiermark ist daher leicht zu erkennen – sie ist als einzige grün.
1927 wurde die erste Seilbahn auf den Schnittenhöhe-Gipfel oberhalb der Stadt gebaut (sie ist nur im Sommer in Betrieb, nicht im Winter, wo sie Zell am See mit dem Skigebiet in Saalbach verbinden könnte). In den Jahren 1952 bis 1974, als der See im Winter von einer dicken Eisschicht bedeckt war, fanden hier zu Ehren von Ferdinand Porsche Autorennen auf dem Eis statt. 1947 stach das erste Ausflugsschiff „Libelle“ in den See, heute gibt es vier Schiffe, die von der „Aktiengesellschaft Schnittenhöhe“ betrieben werden.
Die Stadt ist wunderschön gepflegt, das Rathaus befindet sich an der Hauptstraße, die durch die Stadt führt, in einem ehemaligen Schloss, das einmal von Carl und Hans Rosenberger erbaut und 1807 vom österreichischen Staat gekauft wurde.
Am Hauptplatz steht das älteste Gebäude der Stadt, der Vogtturm, der aus dem Jahr 1000 stammt und heute ein Museum beherbergt. Dort steht auch die Kirche St. Hippolytus, der im Stadtwappen als römischer Soldat mit einer Fahne dargestellt wird. Dies ist eine seiner traditionellen Darstellungen, doch Hippolytus selbst war ein Gelehrter und ein bedeutender Kirchenautor und sogar der erste Gegenpapst (gegen Papst Calixtus I.). Er starb 235 n. Chr. im Exil auf Sardinien bei Zwangsarbeit. Die Kirche selbst besteht aus zwei Teilen, eigentlich aus drei. Die winzige Krypta stammt noch aus vorromanischer Zeit im 8. Jahrhundert, die romanische Basilika mit flachem Dach und Fresken an den Wänden der Seitenschiffe stammt aus der Zeit um 1140, und der gotische Turm und Chor wurden nach 1450 hinzugefügt. Die Innenausstattung ist natürlich barock.
Auf dem Hauptplatz am Brunnen werden bedeutende Ereignisse der Stadtgeschichte gewürdigt, wie ihre Gründung und die Eröffnung des Straßentunnels im Jahr 1996, der den Transitverkehr aus der Stadt herausführte. Außerdem gibt es Tafeln, die berühmten einheimischen Sportlern gewidmet sind, die olympische Goldmedaillen gewonnen haben. Hans Peter Steinmacher, der zusammen mit seinem Partner Roman Hagara Goldmedaillen im Segeln in der Tornado-Klasse bei den Olympischen Spielen 2000 in Sydney und 2004 in Athen gewann, und der bekannteste Sportler aus Zell am See, Felix Gottwald, der am 13. Januar 1976 geboren wurde und in der Nordischen Kombination drei Goldmedaillen (Turin 2006 und Vancouver 2010), eine Silbermedaille und drei Bronzemedaillen bei den Olympischen Spielen gewann sowie insgesamt 18 Medaillen bei großen Veranstaltungen (Olympische Spiele und Weltmeisterschaften) errang.
Falls man nach einem Aufenthalt in den Kapruner Thermen oder nach einem Spaziergang auf der schönen Stadtpromenade oder auf der Hauptstraße in der Altstadt, die zu Recht den Namen des berühmten Bürgermeisters Salzmann trägt, Hunger bekommt, gibt es mehr als genug Möglichkeiten, um sich zu stärken. Wir entschieden uns für das Restaurant „Zum Hirsch“ und es war eine gute Wahl. Es war keine zufällige Entscheidung, wir bekamen einen „Insider-Tipp“. Also war das Restaurant für sein gutes Essen bereits bekannt gewesen.
Haben Sie Lust auf einen Besuch im Pinzgau bekommen? Das wundert mich nicht. Fahren Sie hin und sehen Sie es sich an.
Im Januar 1001 war Kaiser Otto III. auf der Rückreise von seinem Italienbesuch zurück. Er war in guter Stimmung. Gerade hatte er die Welt gerettet, und die gesamte Menschheit war dem jungen, zwanzigjährigen Mann dafür sehr dankbar. Im Jahr 1000 war man sich nämlich sicher, dass der Weltuntergang bevorstand, da die Prophezeiungen das Jüngste Gericht tausend Jahre nach Christi Geburt vorhergesagt hatten (und nur die Eingeweihten damals wussten, dass Christus sieben Jahre früher geboren worden war). Das Warten auf das Ende der Welt brachte auf einer Seite eine Resignation, auf der anderen einen religiösen Fanatismus, abgesehen von denen vielen Menschen, die sich das Warten auf die Apokalypse mit Saufen und Orgien verkürzen wollten. Damit musste man etwas tun. Am Vorabend des letzten Tages des ersten Jahrtausends betete also der junge Kaiser in einer Höhlenkapelle in Monte Sant’Angelo in Apulien so innig, dass ihm der Erzengel Michael erschien und ihm verkündete, dass dank seiner Frömmigkeit das Ende der Welt auf unbestimmte Zeit verschoben würde. Die Welt atmete auf und der Kaiser wurde zum Helden und Weltretter.
Im Januar hielt er in Cividale del Friuli an, einer Stadt, die nach der Zerstörung von Aquileia durch die Hunnen zum Sitz des Patriarchen von Aquileia geworden war. Der Kaiser schenkte in seiner guten Laune dem Patriarchen ausgedehnte Gebiete östlich von Cividale bis zu den Grenzbergen, hinter denen die Slawen lebten. Auf einem solchen Hügel ließ der Patriarch einen Wachturm errichten, aus dem später eine Burg wurde, unter der allmählich eine Stadt entstand. Zu Beginn des zwölften Jahrhunderts residierte dort der aquileianische Vogt Meinhard I., der der erste Graf von Görz (Gorizia) wurde und die Dynastie der Meinhardiner gründete, die in der Geschichte der Region und darüber hinaus eine bedeutende Rolle spielen sollte. Die Meinhardiner wurden allmählich Grafen von Tirol, Herzöge von Kärnten, und einer von ihnen, Heinrich, wurde sogar für kurze Zeit in den Jahren 1306–1310 gleich zweimal König von Böhmen, konnte den böhmischen Thron jedoch beide Male nicht behaupten.
Zu Beginn des fünfzehnten Jahrhunderts ging es mit der Familie der Meinhardiner jedoch bergab. Graf Meinhard III. war ein wirtschaftlicher Dilettant, und sein Sohn Heinrich VI. war ein Trinker und krankhafter Spieler. Um Schutz vor der expandierenden Republik Venedig zu erhalten, schloss Heinrich VI. einen Erbvertrag mit Kaiser Friedrich III., in dem sich beide Seiten verpflichteten, dass im Falle des Aussterbens einer der herrschenden Familien das gesamte Besitz an die andere Seite übergehen würde.
Für die Habsburger war die Grafschaft Görz von unschätzbarem Wert. Seit 1382 waren sie nämlich die Schutzmacht der wichtigen Hafenstadt Triest, hatten aber keine Landverbindung dorthin und mussten für die Ware, die in den Hafen gebracht wurde, Zölle an die Grafen von Görz zahlen. Die Grafschaft bildete genau diese Landbrücke, durch deren Erwerb die Habsburger schließlich auch eine Seemacht werden konnten.
Heinrich VI. trank sich schließlich im Jahr 1454 zu Tode (er erreichte trotz seines Lebensstils das beachtliche Alter von 78 Jahren), und von seinen Söhnen überlebte bald nur noch einer, Leonard. Zunächst versuchte er, auf Kosten Friedrichs III. Gebiete in Kärnten zu erobern, doch nach einer Niederlage (der Kaiser hatte nach damaliger Sitte tschechische Söldner angeworben, die von dem husitischen Hauptmann Jan Jiskra von Brandeis ausgebildet worden waren und als unbesiegbare Killer galten) musste er sogar auf seine Residenz in der Burg Bruck bei Lienz verzichten, wohin die Grafen inzwischen von Görz umgezogen waren (diese Burg und die Stadt wurden vom Kaiser dem tschechischen Heerführer Jan Vitovec zum Greben geschenkt, doch er langweilte sich im östlichen Tirol und verkaufte das Anwesen bald für viertausend Gulden weiter). Leonhard musste wieder nach Gorizia umsiedeln.
Leonard kam nach seinem Vater. Er lebte sehr gerne, und so wurde die Lage der Finanzen seines Herrschaftsgebiets immer prekärer. Kaiser Friedrich geriet in Panik, dass der Graf beginnen könnte, seine Ländereien an Venedig zu verkaufen, und vermittelte ihm daher eine Ehe mit einer reichen Braut – Paola Gonzaga aus Mantua. Die arme Paola war ein kluges und gebildetes Mädchen, litt jedoch an Knochentuberkulose und hatte dadurch einen Buckel. Leonard zeugte mit ihr erwartungsgemäß keine Kinder, und als er 1500 kinderlos starb, ging die lang ersehnte Grafschaft schließlich in den Besitz der Habsburger über. Kaiser Maximilian hatte Leonard kurz vor dessen Tod noch zur Bestätigung des Erbvertrags gezwungen, den sein Vater geschlossen hatte. Von der Bedeutung der Grenzfestung Görz für die Habsburger zeugen auch die Besuche von Herrschern aus dieser Familie, wie Kaiser Karl VI. im Jahr 1711; Franz Josef besuchte Görz sogar zweimal, zuletzt im Jahr 1900.
Über der Stadt erhebt sich eine imposante Festung, die ursprüngliche Burg der Grafen von Görz, die jedoch erst von den Habsburgern in ihre heutige Form ausgebaut wurde. An den Bastionen und Befestigungsanlagen war der berühmte Edmond Halley maßgeblich beteiligt – allerdings machte er sich nicht als Architekt, sondern als Astronom einen Namen, als er 1680 den nach ihm benannten Kometen entdeckte. Die Rückkehr des Kometen, die er korrekt für das Jahr 1756 berechnete, erlebte er jedoch nicht mehr, da er 1742 starb. In der Burg befindet sich ein Museum, das das mittelalterliche Leben zeigt; das Museum des Großen Krieges also „La Grande Guerra“, wie die Italiener den Ersten Weltkrieg nennen, ist momentan in den Attems-Palast in der Stadt verlegt worden. Unter der Festung steht die entzückende Heilig-Geist-Kapelle, die jedoch gerade umgebaut wird – wie vieles andere in der Stadt, auf die Ursache des Baufiebers, der die ganze Stadt umfasste, werden wir noch eingehen.
Gorizia spielte im Ersten Weltkrieg eine wichtige Rolle. Im August 1916, während der sechsten italienischen Offensive am Isonzo (Soča), gelang es den Italienern, die Stadt einzunehmen. Dieser Sieg kostete Italien 100.000 Soldaten (Tote und Verwundete), während die Österreicher, die zu dieser Zeit der Brusilow-Offensive im Osten widerstanden und nicht genügend Soldaten an den Isonzo schicken konnten, 40.000 Mann verloren. Alles vergeblich. Am 24. Oktober 1917 durchbrachen die Deutschen zusammen mit den Österreichern die Front bei Caporetto (dem heutigen Kobarid) und trieben die Italiener bis zum Fluss Piave zurück – Gorizia kehrte in den österreichischen Besitz zurück.
Doch nicht für lange. Nach dem Krieg nahm Italien als Siegermacht den gesamten Halbinsel Istrien in Besitz, und das hielt bis 1945 an. Damals wurden ihre Truppen von Titos Partisanen vertrieben. Diese erreichten die Soča und wollten nicht weichen. In Gorizia bedeutete dies, dass sie den Bahnhof unter Kontrolle hatten. 1947 wurde die Grenze zwischen Italien und Jugoslawien mitten auf dem Platz vor dem Bahnhof festgelegt. Ähnlich wie in Teschen im Jahr 1918, als der Bahnhof in der Tschechoslowakei und die Stadt in Polen verblieben, wodurch um den Bahnhof herum das heutige Tschechische Teschen entstand, entstand hier um den Bahnhof die slowenische Stadt Nova Gorica, die jedoch nichts Sehenswertes bietet.
Die Grenze verläuft auch heute noch mitten über den Platz, der auf der italienischen Seite „Piazza Transalpina“ und auf der slowenischen „Trg Evrope“ heißt.
Diese Grenze war nie so undurchlässig wie beispielsweise in Berlin, und im Jahr 2004, als Slowenien der EU beitrat, verschwand sie – fast – vollständig. Bis zu diesem Jahr gab es zwar noch Stacheldraht und Metallbarrieren, aber es wurde nie allzu ernst mit dem „Eisernen Vorhang“, es fuhr beispielsweise auch eine Straßenbahn zwischen den beiden Bahnhöfen. Heute wird der Platz renoviert, da Gorizia sich auf das Jahr 2025 vorbereitet, in dem es zur „Kulturhauptstadt Europas“ ernannt werden soll. Daher wird fieberhaft renoviert und aus EU-Fonds nicht nur in Gorizia selbst, sondern auch in Cividale und in der ganzen Region umgebaut.
Die Stadt wird von zwei Kirchen dominiert. Auf der „Piazza della Vittoria“ steht die große barocke Kirche des Heiligen Ignatius, die hier von den Jesuiten errichtet wurde, die Erzherzog Ferdinand (dem späteren Kaiser Ferdinand II.) im Jahr 1615 hierhergebracht hat, errichtet wurde.
(Im selben Jahr verursachte Ferdinand einen unnötigen Krieg in der Region mit Venedig um die Burg Gradisca, wo sich der junge Offizier Albrecht von Wallenstein erstmals auszeichnete). Im Jahr 1921 wurden in der Kirche die Überreste eines unbekannten Soldaten (genauer gesagt elf Soldaten von verschiedenen Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs) beigesetzt.
Die zweite Kirche ist der Dom im Herzen der Altstadt, mit einem zauberhaften modernen Platz vor seiner Fassade.
Er ist im klassizistischen Stil erbaut und den Heiligen Hilarius und Tatian (Santi Illario e Taziano) geweiht. Hier befindet sich auch der Grabstein des letzten Grafen von Görz, des bereits erwähnten Leonhard. Die Kirche stand zwar schon im 13. Jahrhundert, wurde aber im Jahr 1752 zur Erzbischofskirche erhoben. In diesem Jahr beschloss Papst Benedikt XIV., die ewigen Streitigkeiten zwischen Venedig und der Habsburgermonarchie zu beenden, wer eigentlich der Verwalter des Patriarchats von Aquileia sei, das seit der Zerstörung Aquileias durch die Hunnen im vierten Jahrhundert eigentlich nur ein formaler Titel war (der Sitz des Patriarchen war seither in Cividale del Friuli). Der Papst hob das Patriarchat auf und errichtete zwei Erzbistümer, eines für das venezianische Udine und das zweite für das habsburgische Görz. Der erste Erzbischof wurde Karl-Michael von Attems. Sein Bruder Sigmund ließ in den Jahren 1745–1750 in Görz einen riesigen barocken Palast errichten, in dem sich heute das Hauptmuseum der Stadt mit verschiedenen Ausstellungen befindet, und momentan ist dort auch wegen Umbauarbeiten das Museum des Ersten Weltkriegs untergebracht. Die Familie Attems stammte aus dem steirischen Graz, der gleichnamige Großvater Sigmunds lebte noch dort und schrieb die Geschichte seiner Familie, die Sigmund in Görz vollendete, wo die Familie ihre neue Heimat fand und eine bedeutende Rolle in der Geschichte der Region spielte.
Der Erzbischöfliche Palast mit großen Gärten liegt gegenüber dem Attems-Palast, es handelt sich um den Palast Coronini-Cromberg. Auch dieser kann besichtigt werden. Der Eintritt in die Garten ist kostenlos.
In der Nähe des Zentrums, am Platz Piazza Cesare Battisti, wo eine Statue eines Soldaten ohne Bein steht, der die Leiden des „Großen Krieges“ symbolisiert, gibt es eine Einkaufsstraße, ein slowenisches Kulturhaus und zwei völlig unterschiedliche Gebäude – einen reizenden überdachten Markt und die schreckliche Hauptpost. Diese wurde unter Mussolini im Stil des faschistischen Realismus erbaut. Vor einem ebenso schrecklichen modernen Gebäude im Zentrum steht eine Statue des Kaisers Augustus. Warum sie dort steht, habe ich nicht ganz verstanden, vielleicht einfach nur, weil das nahegelegene Cividale vor dem Rathaus eine Statue von Julius Caesar hat und Görz als größere Stadt Cividale einfach übertreffen wollte.
Ist also in Görz noch etwas Österreichisches geblieben? Zumindest ist es der Wein. Das Gebiet zwischen Cividale und Görz ist ein großes Weinanbaugebiet mit dem Hauptsitz in Cormons. Der typische Wein, der hier ausgeschenkt wird, ist der Tokai Friulano, eine Rebsorte, die aus Ungarn hierhergebracht wurde und die hier besonders gut gedeiht – sie hat offenbar den richtigen Boden gefunden, den ein guter Wein braucht. Er hat allerdings nichts mit dem süßen ungarischen Tokajer gemeinsam, außer dass die Reben denselben Ursprung haben. Es ist ein trockener und sehr guter Wein – voller Geschmack. Im Jahr 2007 setzten die Ungarn jedoch durch, dass er nicht mehr als Tokai bezeichnet werden darf, und so heißt er heute offiziell „Friulano“, wie mich die Kellnerin mit einem Lächeln auf den Lippen korrigierte. Dem Geschmack hat das jedoch keinen Abbruch getan.
Vielleicht gibt es deshalb in Görz dutzende Bars. Auf jedem Platz, in den Gassen der Altstadt. Ein richtiges Restaurant zu finden, ist jedoch eine viel größere Herausforderung, da die Einheimischen offensichtlich lieber trinken als essen. Wir wählten zwischen zwei Trattorien: „Alla Luna“, wo allerdings neben Ćevapčići auch Slivovitz angeboten wurde, was zu sehr an den Einfluss der lokalen slowenischen Minderheit erinnerte, und so entschieden wir uns für die Trattoria „Giani“. Es war ein Erlebnis. Zu niedrigen Preisen servieren sie hier unglaublich große Portionen – praktisch jede reichte für mindestens zwei Personen, und von einem „cotelette milanese“, also einem Wiener Schnitzel in der lokalen Interpretation, kann eine ganze Familie satt werden. Also einmal am Samstag zum Mittagessen hingehen und man ist für das ganze Wochenende versorgt.
Görz ist einfach eine liebenswerte und gastfreundliche Stadt mit Geschichte. Und im nächsten Jahr wird sie auch Kulturhauptstadt Europas. Dann werden hoffentlich alle diese nervigen Bauarbeiten abgeschlossen sein.
Die neue Universität von Valencia liegt hinter dem Túria-Park, in der Nähe der U-Bahn-Station „Facultas“. Die Gebäude des Rektorats und der medizinischen Fakultät sind im Stil des sozialistischen (oder faschistischen) Realismus erbaut und stammen aus der Zeit des Diktators Franco. Die Technische Universität befindet sich ganz am Stadtrand in Richtung Meer. Valencia war auch einem anderen König der aragonesischen Dynastie, Alfons V., genannt der Großmütige, wohlgesonnen. Dieser Herrscher, der von 1416 bis 1458 regierte, eroberte Neapel und wurde dort König. Er beschenkte die Stadt Valencia reichlich, worauf wir bei unserem Besuch der Stadtkathedrale noch zu sprechen kommen werden. Wenn man vom Hauptbahnhof, der „Estació Nord“, in die Altstadt eintreten will, wird man vom Hauptplatz „Placa d’Ajuntament“ begrüßt, dem „Regierungsplatz“. Hier stehen sich zwei imposante Gebäude aus den 1930er Jahren gegenüber: das Rathaus und das zentrale Postamt. Im Rathaus gibt es auch ein kleines Museum zur Stadtgeschichte – der Besuch ist kostenlos. Der Balkon über dem Platz diente dem Diktator Francisco Franco, um von dort aus zu den versammelten Bürgern zu sprechen. Damals stand auch eine Statue von ihm auf dem Platz, der damals „Placa de Caudillo“, also „Platz des Führers“, genannt wurde. Im Jahr 1982 wurde Francos Statue durch die Statue von Francesco de Vinatea ersetzt.
Wenn man nach rechts abbiegt, gelangt man zum bereits erwähnten Gebäude der alten Universität. Es gibt dort auch ein Restaurant, eine Kirche und ein Museum des Patriarchen von Antiochien, Juan de Ribera, nach dem der Platz vor der Universität benannt ist. Juan de Ribera lebte von 1533 bis 1611 und ist für mich einer der problematischsten Heiligen der katholischen Kirche. 1568 wurde er Patriarch von Antiochien, was mehr ein Ehrentitel war, aber auch Erzbischof von Valencia. Es war vor allem seine Initiative, die 1609 dazu führte, dass König Philipp III. die Morisken, also die Nachkommen der Mauren, die zwar getauft waren, aber weiterhin nach ihren eigenen Traditionen lebten, aus Spanien verbannte. Da sie durch ihre harte Arbeit erheblichen Reichtum erlangt hatten, waren sie den spanischen Armen ein Dorn im Auge. Juan de Ribera überzeugte den König, dass man sie loswerden und ihren Besitz zugunsten der verschuldeten spanischen Krone konfiszieren sollte. Dieser Aspekt gefiel dem Monarchen besonders. In den Jahren 1609–1614 wurden etwa 300.000 Menschen nach Tunesien und Marokko deportiert. Die königliche Schatzkammer wurde zwar kurzfristig reicher, aber langfristig führte diese Entscheidung, so viele fleißige Menschen loszuwerden, zu irreparablen wirtschaftlichen Schäden. Juan de Ribera wurde 1796 von Papst Pius VI. selig- und 1960 von Johannes XXIII. heiliggesprochen. Vielleicht spielte dabei seine Rolle beim Konzil von Trient eine Rolle, wo er den radikalen katholischen Flügel vertrat, der die endgültige Spaltung der Kirche zwischen Katholiken und Protestanten verursachte. Im Colegio del Patriarca gibt es eine schöne Kirche mit manieristischen Fresken von Bartolomé Matarana. Im Vorraum der Kirche hängt ein Krokodil an der Wand, das der Heilige angeblich bei seinem Besuch in Peru gefangen hat.
Ein paar Schritte entfernt befindet sich der prächtigste Palast Valencias – der Rokokopalast „Palau del Marqués de Dos Aguas“ mit einem imposanten Eingang aus Alabaster, der zwei Flüsse, den Túria und den Júcar, darstellt, zwischen denen die Grafschaft „Dos Aguas“ lag.
Im Palast befindet sich ein Keramikmuseum, doch die Keramik spielt hier nur eine untergeordnete Rolle. Offenbar wusste die Stadt nicht, was sie mit dem Palast anfangen sollte, als er in ihren Besitz gelangte, und um Besucher anzulocken, legte sie eine Porzellansammlung dort ab. Der Palast selbst ist jedoch einen Besuch wert; der Eintritt kostet drei Euro und sonntags ist der Eintritt wie in allen Museen der Stadt Valencia kostenlos. Als Historiker hat mich eine keramische Figur von Papst Benedikt XIII. besonders interessiert, dessen Schicksal ebenfalls mit Valencia verbunden ist. Er war einer der drei Päpste während des Papstschismas, das beim Konzil von Konstanz gelöst wurde. Als ihn das Konzil seines Amtes enthob, erkannte Benedikt seine Absetzung nie an. Er zog sich in die Stadt Peñíscola nahe Valencia zurück und nannte sich bis zu seinem Lebensende Papst, wobei nur er selbst und die letzten drei Kardinäle, die ihm treu geblieben waren, daran glaubten. Peñíscola mit der Burg, in der der Papst (und später Gegenpapst) residierte und wo seine Statue steht, soll die schönsten Strände an der valencianischen Küste haben, allerdings liegt es nicht ganz in der Nähe und eignet sich für einen Tagesausflug.
Vom Palast des Markgrafen von Dos Aguas sind es nur wenige Schritte zum „Placa de la Reina“, dem „Platz der Königin“, der von der riesigen Kathedrale Seu dominiert wird.
Diese ist die größte Attraktion der Stadt und birgt viele Schätze, auf die Valencia stolz ist. Daher sollte jeder Besucher der Stadt sie unbedingt besichtigen. Die neun Euro Eintritt (inklusive Audioguide) lohnen sich auf jeden Fall. Gleich beim Betreten der Kathedrale befindet sich rechts die Borgia-Kapelle. Sie heißt zwar Kapelle des Heiligen Petrus, wurde jedoch von beiden Päpsten dieser Familie ausgestattet. Die benachbarte Kapelle ist dem Urenkel Alexanders VI., Franz von Borgia, einem weiteren valencianischen Einheimischen, der ebenfalls heiliggesprochen wurde, gewidmet. In der Kapelle befinden sich zwei Gemälde, die Szenen aus dem Leben dieses Heiligen darstellen, gemalt von Francisco de Goya. In der Kapelle des Heiligen Josef befindet sich die größte Monstranz der Welt. Sie wiegt 600 Kilogramm, ist mit Gold und Silber verziert, vier Meter hoch und hat eine Basis von zwei mal zwei Metern. Sie wird an Fronleichnam aus der Kirche getragen, also am Sonntag nach diesem Feiertag, der traditionell auf einen Donnerstag fällt. Im Durchgang hinter dem Hauptaltar steht eine Statue der Madonna mit Kind. Der Kult der Jungfrau Maria ist in Spanien sehr verbreitet, fast alle Kathedralen sind ihr geweiht. Diese Statue ist aus Alabaster mit einem blumengeschmückten Mantel und einer goldenen Königskrone. Schwangere Frauen beten hier, da das Gebet angeblich eine leichte Geburt verspricht. Voraussetzung ist allerdings, dass die Schwangere die Kathedrale neunmal umrundet, für jeden Monat der Schwangerschaft einmal. In der Auferstehungskapelle wird eine Reliquie des heiligen Vinzenz, des Schutzpatrons der Stadt, aufbewahrt. Er starb 304 den Märtyrertod während der großen Christenverfolgung. Die Muslime gruben seine Überreste aus und verstreuten sie, aber die Hand des Heiligen wurde gefunden und ist nun in einem Reliquiar in der Auferstehungskapelle ausgestellt – das Relief der Auferstehung ist wieder aus Alabaster, einem Stein, der in Valencia auffallend oft verwendet wird. Andere Teile des Leichnams des heiligen befinden sich allerdings in der Kathedrale von Lissabon, er ist ein Schutzpatron auch von der Hauptstadt Portugals.
Der Hauptaltar ist beeindruckend. Es ist eine Mischung aus allen möglichen Stilen. Natürlich dominiert der Barockstil, in dem dieser Teil der Kirche im 18. Jahrhundert umgestaltet wurde. Aber das Ziborium, das Licht von oben zum Altar bringt, ist wunderschön gotisch, und die größten Schätze sind die Fresken der singenden Engel über dem Altar.
Diese stammen ebenfalls aus der Ära des Papstes Alexander VI. Da es in Spanien keine Künstler gab, die solche Fresken schaffen konnten, schickte Kardinal Rodrigo de Borgia Maler aus Italien nach Valencia. Diese dankten es ihm, indem einer der singenden Engel sein Gesicht trägt. Die Fresken überdauerten Jahrhunderte, verborgen unter einer zweiten Kuppel, die beim barocken Umbau errichtet wurde. Erst bei Restaurierungsarbeiten im 20. Jahrhundert wurde dieser Schatz der Renaissance-Malerei wiederentdeckt.
Die Kanzel auf der rechten Seite des Altars (vom Altar aus gesehen) ist ebenfalls eine heilige Reliquie und erinnert an einen weiteren Heiligen, auch mit dem Namen Vincent, aber mit dem Nachnamen Ferrer. Dieser Dominikanerpater wirkte im vierzehnten Jahrhundert in Valencia, als ein Teil der Bevölkerung noch muslimisch oder jüdisch war. Es wird gesagt, dass seine Predigten, die er von dieser Kanzel aus hielt, so erfolgreich waren und so viele Leute zur Taufe bewegt haben, dass er später heiliggesprochen wurde. In der Altstadt gibt es ihm zu Ehren eine riesige Backsteinkirche, in der auch seine sterblichen Überreste aufbewahrt werden. Um ehrlich zu sein, wimmelt es in Valencia nur so von einheimischen Heiligen, es ist schwer eine Übersicht zu bewahren.
Der größte Schatz der Kathedrale von Valencia ist jedoch der heilige Kelch.
Man gelangt zu ihm, wenn man das Museum mit den kirchlichen Reliquien durchquert, und in einen großen quadratischen Raum mit einer Seitenlänge von dreizehn Metern kommt, der als Versammlungsort der Kirchenväter diente. Hier wird der heilige Kelch aufbewahrt. Die Valencianer behaupten, es sei der Kelch, den Christus beim letzten Abendmahl benutzt hat. Eine Kohlenstoffanalyse hat tatsächlich bestätigt, dass der Kelch aus dem ersten Jahrhundert vor Christus stammt und aus einem Material besteht, das in Palästina zu dieser Zeit häufig verwendet wurde. Wie gelangte er nach Valencia? Der heilige Petrus nahm diesen Kelch nach Rom, und die ersten Päpste sollen tatsächlich die Eucharistie mit diesem Kelch gefeiert haben. Im Jahr 304, während der großen Christenverfolgung, schickte der damalige Papst Marcellinus (der als Märtyrerheilige anerkannt wurde, obwohl er sich wahrscheinlich dem Kaiser Diokletian unterwarf und den heidnischen Göttern opferte. Doch der Kaiser traute ihm nicht ganz und ließ ihn sicherheitshalber enthaupten) seinen Diener Laurentius mit dem Kelch nach Spanien, um ihn vor der Zerstörung zu bewahren. Laurentius brachte ihn in sein Heimatstädtchen Huesca in den Pyrenäen, und von dort gelangte der Kelch in den Besitz der aragonesischen Könige. König Alfons V. der Großmütige schenkte ihn schließlich der Kathedrale von Valencia. Von ihm stammen auch die massiven Ketten, die an der Wand dieser Kapelle hängen – es sind die Ketten, die den Hafen von Marseille absperrten.
König Alfons versuchte, wie schon erwähnt, das Königreich Neapel für die aragonesische Krone zu gewinnen. Die dortige Königin Johanna erklärte ihn zu ihrem Nachfolger. Im Jahr 1521 änderte sie jedoch ihre Entscheidung und adoptierte Ludwig von Anjou. Alfons versuchte, ihre Entscheidung mit Gewalt zu ändern, scheiterte allerdings bei dem Versuch Neapel mit Gewalt unter seine Kontrolle zu bringen. Auf dem Heimweg beschloss er, sich zu rächen und plünderte Ludwigs Stadt Marseille. Da alle Ludwigs Soldaten in Neapel waren und in Marseille nur 350 schlecht bewaffnete Söldner zurückblieben, hatte Alfons, nachdem es ihm gelungen war, die Ketten in der Hafeneinfahrt zu durchtrennen, leichtes Spiel. Die Stadt wurde drei Tage lang geplündert, und die heiligen Reliquien, die die Aragonier damals erbeuteten, kehrten erst 1956 nach Marseille zurück. Die Ketten nahm Alfons mit und schenkte sie der Kathedrale von Valencia. Übrigens auch in Neapel hatte er schließlich Erfolg. Nach dem Tod Johannas eroberte Alfons Neapel nach fünfjähriger Belagerung im Jahr 1442, wurde dort König und starb in Neapel im Jahr 1458. Was den Kelch betrifft, so zelebrierten sowohl Johannes Paul II. als auch Benedikt XVI. bei ihrem Besuch in Valencia die Messe mit diesem Kelch und bestätigten seine Echtheit. Und da Päpste unfehlbar sind…
Für Johannes Paul II. musste es ein überwältigendes Erlebnis gewesen sein, die Messe mit einem Kelch zu feiern, den auch Christus in seinen Händen hielt. Wer Lust hat, kann über 204 ziemlich hohe Marmorstufen den Glockenturm der Kathedrale namens „Micalet“ erklimmen. Von dort aus hat man einen schönen Ausblick, aber der Aufstieg ist nicht gerade einfach.
Hinter der Kathedrale, auf dem Platz mit dem großen Neptunbrunnen, befindet sich eine Kirche mit dem unaussprechlichen Namen „Basilica de la Mare de Déu dels Desemparats“. Es ist eine kreisförmige Kapelle mit einem wunderschönen Fresko an der Decke. Die Muttergottes (Mare de Déu) besitzt bis zu 200 verschiedene Umhänge, die je nach kirchlichem Feiertag gewechselt werden. Vor der Kirche befindet sich ein schöner Brunnen. Die Statue in der Mitte, die ich für den Gott Neptun hielt, stellt „Vater Túria“ dar, den Fluss, der einst Valencia umfloss.
Am Rand des Brunnens stehen acht Damen mit Krügen, die acht Bewässerungskanäle darstellen, die einst das Wasser des Flusses zur Bewässerung der Felder rund um Valencia leiteten und für ihren Wohlstand sorgten. Wer jedoch echte Freskenkunst sehen möchte, muss in die Kirche des heiligen Nikolaus gehen. Es handelte sich erneut um einen italienischen Künstler, Antonio Palomino, der die Wände und die Decke mit seinen Gemälden bedeckte. Nicht umsonst wird diese Kirche „Sixtinische Kapelle von Valencia“ genannt.
Der Eintritt kostet sieben Euro und beinhaltet auch den Besuch des Seidenmuseums, das ansonsten wohl unter Besuchermangel leiden würde. Es mangelt in Valencia nicht an Kirchen, die meisten haben ein gotisches Äußeres und barocke Innenausstattung, sei es San Martí oder Santa Catalina mit dem markanten Glockenturm, der vom „Placa de la Reina“ aus sichtbar ist. Neben dieser Kirche befindet sich die „Placa Redona“ – ein kompakter, runder Platz mit Souvenirläden und vielen kleinen Restaurants.
Der Konvent des heiligen Dominikus ist gigantisch. Er befindet sich am Rande der Stadt, in der Nähe des Túria-Parks, und es ist gut möglich, dass er einst sogar außerhalb der Stadtmauern stand – niemand ließ die Dominikaner gern in die Stadt. Von hier aus wurde der Kampf gegen Ungläubige, Konvertiten und Ketzer geführt. Laut der Inschrift über dem Portal war dies der Sitz des Generals des Ordens.
Gegenüber befinden sich wunderschöne Jugendstilgebäude, die einer bestimmten Stiftung gehören. In einem von ihnen befand sich während des Aufenthalts der republikanischen Regierung in Valencia in den Jahren 1936–1937 das Propagandaministerium.
Von den Stadtbefestigungen sind zwei Tore erhalten geblieben. Das Wahrzeichen von Valencia ist „Torres dels Serrans“ im Norden der Stadt, an den die Steinbrücke „Pont dels Serrans“ anschließt.
Über diese Brücke und durch dieses Tor, das 1550 sein heutiges Aussehen erhielt, betraten bedeutende Besucher die Stadt. Dieses Tor wurde niemals gewaltsam eingenommen; als die Franzosen 1808 Valencia eroberten, drangen sie durch ein anderes Tor ein, „Torres de Quart“ im Westen.
Von den damaligen Kämpfen zeugen zahlreiche Löcher in den Wänden – 132 von Kanonen und etwa 1000 von Gewehren – doch auch dieses intensive Beschießen brachte die massiven Mauern aus dem Jahr 1441 nicht zum Einsturz. Eine Gedenktafel an der Innenwand des Tores erinnert an den heldenhaften Widerstand der Verteidiger, und von der Plattform in 34 Metern Höhe hat man einen schönen Ausblick auf die Stadt. In der Nähe des Tores befindet sich ein Jesuitenkonvent, eine riesige Kirche mit einem Internatsgebäude, das offenbar noch in Betrieb ist.
Zum Pflichtprogramm gehört ein Besuch des zentralen Marktes „Mercat Central“.
Das Gebäude selbst ist beeindruckend und wurde vierzehn Jahre lang zwischen 1914 und 1928 im valencianischen Modernismusstil erbaut. Betritt man es, findet man praktisch alles an den Ständen. Es wird gesagt, dass hier mehr als zweihundert Verkäufer tätig sind; es gibt Stände mit Jamón, also spanischem Schinken (Schweineschinken und Schweinefleisch allgemein haben angesichts der jahrhundertelangen Kämpfe mit den Muslimen in Spanien eine symbolische Bedeutung – eine der Sachen, durch die sich ein Christ – also ein rechtgläubiger Mensch – von einem Muslim und somit einem Ketzer unterschied, war der Verzehr von Schweinefleisch), mit Obst und Gemüse, mit Fisch und Meeresfrüchten. Ein Besuch lohnt sich auf jeden Fall.
Gegenüber dem zentralen Markt steht das imposante gotische Gebäude der Seidenbörse „Llotja de la Seda.“ Es wurde in der Zeit der größten Blüte der Stadt errichtet, der Bau begann im Jahr 1483. Beeindruckend ist der Hauptsaal „Sala de Contratación“, also der Saal, in dem Geschäfte gemacht wurden. Die Säulen, die die Decke dieses Saals tragen, sind siebzehn Meter hoch und sollten Palmen im Paradies – dem Eden – symbolisieren. Die Decke war ursprünglich blau und mit Sternen verziert.
Das heutige Valencia wäre jedoch ohne ihren Hafen nicht das, was sie ist. Er ist leicht mit dem Bus oder der Metro erreichbar. Dominiert wird er von einem Verwaltungsgebäude, dem „Edificio del Reloj“, das eine Kopie des Bahnhofsgebäudes Gare de Lyon in Paris ist.
Die einstigen Lagerräume „Tinglados“ im modernistischen Stil dienten einst der Lagerung von Waren, bevor sie auf Schiffe verladen wurden. In Tinglados 4 gab es Boxen, als in den Jahren 2008–2012 in Valencia Formel-1-Rennen stattfanden. Im Hafen von Valencia wurde auch der America’s Cup ausgetragen, und derzeit finden dort von Red Bull organisierte Luftakrobatikwettbewerbe statt – es ist also immer etwas los. So fand auch das Gebäude „Veles e Vents“ am Rande des Hafens, entworfen von Architekt David Chipperfield, seine Bestimmung. Lange Zeit wurde nach einer Nutzung gesucht, und es stand leer; heute gibt es dort Diskotheken und Partys für Prominente, wenn im Hafen etwas los ist. Und das ist ziemlich oft der Fall.
Gleich beim Hafen beginnt der valencianische Strand mit der Passage de Neptun – einer langen Promenade mit unzähligen Restaurants, Hotels und Bars, die bis ins zehn Kilometer entfernte Malva Rosa führt. Aber dort waren wir ja schon.
Also Valencia – ein idealer Urlaubsort für die ganze Familie. Wenn Sie in Hotels am Strand übernachten, können Sie jederzeit mit der Metro oder dem Bus die historische Altstadt oder das Oceanogràfic und die Ciutat de les Arts i les Ciències besuchen.
Das Oceanogràfic ist ein wirklich beeindruckendes Aquarium mit vielen Gebäuden. Die Aquarien sind nach verschiedenen Ozeanen unterteilt: Atlantik, Pazifik, Indischer Ozean oder Südlicher und Nördlicher Eismeer. Neben Fischen und Schildkröten, Krokodilen und Vögeln in der schon von weitem sichtbaren imposanten Voliere gibt es auch Delfine mit täglichen Shows und sogar Belugawale.
Ein Tunnel unter Wasser, in dem Haie, Schwertfische, Rochen und andere Fische über Ihren Köpfen schwimmen, darf natürlich nicht fehlen. Man kann hier praktisch den ganzen Tag verbringen, es öffnet um zehn Uhr morgens.
Wenn die Kinder Lust haben, kann man das imposante Wissenschaftsmuseum besuchen, wo die einzelnen Exponate interaktiv sind, denn in diesem 2000 eröffneten Museum ist es verboten, „nicht zu berühren, nicht zu fühlen und nicht zu denken.“ Und es gibt überall unzählige Restaurants; ein wenig problematisch kann es sein, sich an den spanischen Tagesrhythmus bezüglich der Essenszeiten anzupassen, aber an den Stränden haben die Restaurants ihre Küchen den ganzen Nachmittag ohne Pause geöffnet – auch wenn es zwischen zwei und drei Uhr ohne Reservierung schwer ist, einen freien Platz zu finden.
Wenn Sie lieber in der Stadt wohnen, ist es kein Problem, jederzeit an den Strand zu fahren und ein Bad zu nehmen. Wenn das Wetter es zulässt – und das tut es meist morgens und oft auch später.
Valencia erhielt 2022 den Titel „Europäische Stadt des Designs“ und 2024 „Hauptstadt des Grünen Europas“. Beide Auszeichnungen wohl zu Recht. Valencia ist nämlich wirklich schön. Wenn ich den Eindruck, den die hohen Fassaden und dekorativen Balkone der Gebäude in der Altstadt auf mich machten, benennen müsste, wäre es „luftig“. Und diesen Eindruck kann nicht einmal ein superhässliches Gebäude auf dem Hauptplatz „Plaza d’Ajuntament“ aus Glas und Beton zerstören – es ist nämlich allein und im Alleingang schafft es einfach nicht. Der Rest übertrifft sich an Pracht, sei es die gotischen Gebäude, das klassizistische Stadttheater gegenüber der Kirche des heiligen Martin oder das Jugendstilgebäude der „Banca de Valencia“.
In den letzten Jahrzehnten wirkte der in Valencia geborene Architekt Santiago Calatrava in der Stadt. Seine Gebäude haben ein visionäres Design und die Einheimischen verzeihen ihm daher gern, dass sie meist unpraktisch, schwer zu pflegen und teuer im Bau sind. Doch seine „Ponte de Exposició“ und vor allem die ganze „Ciutat de les Arts i les Ciències“ sind Symbole der Stadt geworden und sind untrennbar mit ihrem heutigen Aussehen verbunden.
Und dann gibt es da auch eine enorme Menge an Grünflächen. Nicht nur den wunderschönen „Jardin Real“, sondern vor allem den Túria-Park, der sich als breite grüne Ader neun Kilometer lang durch die Stadt zieht. Hier floss einst der Fluss Túria, an dem das ehemalige römische Valencia gegründet wurde. Doch der Fluss verursachte oft Überschwemmungen und übertrieb es im Jahr 1957 wirklich. Katastrophale Überschwemmungen töteten in der Stadt über hundert Menschen. Die Stadtverwaltung beschloss, dem Treiben des Flusses ein Ende zu setzen – und leitete ihn in einen Kanal südlich der Stadt um. Die Frage war, was nun mit dem trockengelegten Flussbett geschehen sollte. Zum Glück wurde der ursprüngliche Plan, hier eine Autobahn vom Flughafen in die Stadt zu führen, verworfen und die Valencianer schufen einen wunderschönen Park, in dem dann die Gebäude des Stadtteils „Ciutat de les Arts i les Ciències“ entstanden, die mit ihrer Architektur der Stadt ihren Charakter verleihen. Aber dazu später mehr.
Valencia ist mit seinen 800.000 Einwohnern die drittgrößte Stadt Spaniens, leidet aber nicht unter Komplexen wie das zweitgrößte Barcelona – das ist das Schicksal der Dritten, die nicht um den ersten Platz kämpfen, aber dennoch mit ihrer Leistung zufrieden sein können. Valencia ist als ehemaliges Königreich eine autonome spanische Region. Allerdings ein etwas besonderes Königreich. Der letzte unabhängige Herrscher Valencias war der Muslim Banu Mardanish Zayyan. Nach der Eroberung der Stadt durch den katalanischen König Jaume I. am 9. Oktober 1237 wurde Valencia zwar ein christliches Königreich, was auch die Königskrone im Stadtwappen bezeugt, aber es hatte nie einen eigenen König, sondern war immer in einer Personalunion mit Aragon und wurde daher von aragonischen Königen aus Barcelona regiert. Auch ihre Sprache ist – informell gesehen – ein katalanischer Dialekt, und die Tatsache, dass das Valencianische 1982 als eigenständige Sprache anerkannt wurde, verfolgte wohl nur ein Ziel – die Katalanen zu ärgern. Die Bewohner Valencias nehmen diese Tatsache recht gelassen. Sie unterhalten sich zwar in ihrem lokalen Dialekt, haben aber kein Problem, jederzeit ins Kastilische zu wechseln. Übrigens sind auch die Straßennamen etwas verwirrend, eine Straße, die als Carrer beginnt, was die katalanische – pardon, valencianische – Bezeichnung für Straße ist, setzt sich nach ein paar Schritten als Calle fort, was die Bezeichnung für Straße im Kastilischen, also im Hochspanischen ist. In Barcelona würde so etwas als Hochverrat angesehen, in Valencia ist es Teil des entspannten Lebensstils vor Ort.
Valencia fehlt auch jede Festung oder ein Königspalast. An der Stelle, wo früher der Palast stand, befindet sich heute der schöne Park „Jardín Real“, und an die ehemalige Burg erinnern nur einige dezent freigelegte Grundsteine eines der Burgtore.
Valencia wurde im Jahr 138 vor Christus von Konsul Junius Brutus als Kolonie für pensionierte Legionäre am Fluss Túria gegründet und war überhaupt nicht als Hafen gedacht. Bis ins neunzehnte Jahrhundert trennten mehrere Kilometer Felder die Stadt vom Meer. Heute fahren nicht nur die U-Bahn – Linien 4, 6 und 8 – sondern auch die Busse Nummer 19 (direkt aus dem Zentrum), 94 und viele andere zum achtzig Meter breiten und zehn Kilometer langen Sandstrand. Die genannten Busse fahren alle nach „Malva Rosa“, einem Stadtteil direkt an der Küste, der einst für den Anbau von Rosen zur Öl- und Parfümherstellung bekannt war. Diese Rosen gaben dem Viertel seinen Namen – heute lebt es von seinen Stränden und deren Besuchern.
Valencia wurde letztendlich wohl oder übel zum größten Hafen Spaniens – vielleicht eher widerwillig, denn gegen seinen Ausbau gibt es massive Proteste, die jedoch wahrscheinlich nichts gegen die weitere Erweiterung des Hafens, die der Stadt Wohlstand sichert, ausrichten werden. Der Grund ist einfach: Valencia ist der wichtigste Hafen für Madrid. Die Entfernung zur Hauptstadt beträgt 350 Kilometer, während es von dem unzuverlässigen Barcelona ganze 650 Kilometer sind. Zudem ist Valencia loyal und hat keine separatistischen Tendenzen. Hier werden jährlich über 5 Millionen Container umgeschlagen, was den Hafen nach Rotterdam, Antwerpen und Hamburg zum viertgrößten in Europa macht.
Der Hafen sichert der Stadt den Wohlstand. Valencia war immer wohlhabend. Zuerst war es der Reisanbau und die Seidenproduktion, dann waren es die Orangen. Die meisten Orangen, die in österreichischen Supermärkten angeboten werden, stammen aus der Region Valencia. Und Reis wird in der Umgebung des Sees L’Albufera angebaut, wo dank ausreichend Wasser die Bewässerung der Reisfelder leicht fällt – aus dem Flugzeug ist das ein imposanter Anblick.
Diese Tatsachen spiegeln sich auch in der lokalen Küche wider. Valencia ist die Geburtsstadt des spanischen Nationalgerichts – der Paella. Natürlich wegen des Reises! Das Original „Paella de Valencia“ enthält Stücke von Huhn, Kaninchen, grüne Bohnen und Schnecken – sogar mit ihren Häuschen. Ich hatte Glück, in dem Restaurant, in dem ich Paella bestellte, waren Schnecken in der Paella, wie sich das gehört.
Es gibt viele Varianten der Paella, man kann praktisch alles hineinlegen, ähnlich wie bei der Pizza in Italien. Besonders ist nur „Arroz negro“ – bei der der Reis durch die Tinte, die Tintenfische absondern, schwarz gefärbt ist. Natürlich findet man auch Stücke von Tintenfischen im Reis. Achtung! Unter den Einheimischen wird Paella nicht abends gegessen – es ist eindeutig ein Mittagsgericht, denn abends liegt Reis angeblich schwer im Magen. Kein Wunder, wenn die Einheimischen erst gegen neun Uhr abends zum Abendessen gehen. Die meisten Restaurants sind nachmittags geschlossen und öffnen frühestens um acht – das gilt allerdings nicht für die Gaststätten an den Stränden – diese haben die Küche den ganzen Tag geöffnet. Wenn man jedoch in einem Restaurant in der Stadt zu Abend essen will, soll man keine Paella bestellen, sonst wird man sofort als Tourist entlarvt, der die lokalen Gewohnheiten nicht kennt. Das ist ähnlich, wie in Italien nach dem Mittagessen einen Cappuccino zu bestellen. Die Frage ist, wie die Spanier so lange aushalten, bis sie zu Abend essen. Das liegt daran, dass das Mittagessen erst zwischen zwei und fünf Uhr nachmittags serviert wird, also während der Siesta, und das ist wieder möglich, weil im Tagesplan sogar zwei Frühstücke eingeplant sind. Das erste Frühstück nach dem Aufwachen ist wie überall im Mittelmeerraum sehr sparsam. Es besteht nur aus Kaffee mit einem Stück Gebäck. Gegen elf Uhr gibt es aber das sogenannte zweite Frühstück, das schon reichhaltiger ist. Dazu kann man sogar schon Bier oder Wein trinken, wenn es das heiße Wetter erlaubt.
Was das Trinken betrifft, sollte ein Tourist zwei lokale Spezialitäten nicht verpassen. Eine davon ist „Agua de Valencia“, also valencianisches Wasser – es ist Orangensaft – ohne den es nicht geht – gemischt mit Sekt und einem Schuss Wodka. Und dann gibt es noch die „Horchata“. Diese Mandelmilch wird in vielen Bars serviert, die originale „Horchatería“ mit zweihundertjähriger Tradition und Dekoration aus Keramikfliesen befindet sich in der Nähe der Kirche Santa Catalina.
Horchata wird gekühlt serviert, und dazu sollte man „Fartón“ bestellen, ein süßes Gebäckstängelchen, das man in die Mandelmilch tunken kann. Ich muss zugeben, dass mir das sehr geschmeckt hat und auch die Kellnerinnen in dieser Horchatería waren nett und hübsch.
Aber wir kamen nicht nur wegen des Essens und Trinkens, sondern auch, um Valencia als solche kennenzulernen, mit all ihren historischen und architektonischen Schätzen. Überraschend stammen die vielen riesigen Gebäude aus verschiedenen Epochen, die Stadt konnte offensichtlich ständig bauen, ohne übermäßige Rücksicht auf die Kosten zu nehmen. Aus der muslimischen Vergangenheit ist nichts erhalten geblieben – obwohl die Muslime hier von 713 bis 1237 herrschten, mit einer kurzen Unterbrechung in den Jahren 1095–1102, als die Stadt von einer Räuberbande unter der Führung von Rodrigo Díaz de Vivar, besser bekannt als El Cid, erobert wurde. Seine Reiterstatue steht auf dem Platz „Placa de España“. Wenn ich El Cid wäre, würde ich protestieren, denn es handelt sich um einen Platz außerhalb der Altstadt, und seine Statue wirkt dort zwischen Plattenbauten etwas verloren.
El Cid war eine imposante Figur. Zuerst diente er im Heer von König Sancho II. von Kastilien. Nach dessen Tod verlor er jedoch seine herausragende Stellung als Bannerträger und trat in die Dienste der Muslime. In einer Schlacht nahm er auf demütigende Weise seinen Nachfolger im Amt des Bannerträgers, den Grafen von Nájera (der ebenfalls für Geld in einer anderen arabischen Armee kämpfte), gefangen, was ihn bei König Alfons VI. in Ungnade fallen ließ und er wurde in die Verbannung geschickt. Er sammelte um sich eine Gruppe Abenteurer, die bereit waren, sich nur von Kriegsbeute ihren Lebensunterhalt zu verdienen, und weil er erfolgreich war, wuchs diese Gruppe ständig. Schließlich gelang es ihm 1095, die Stadt Valencia zu erobern. Um Ruhe zu haben, erklärte er, dass er dies im Namen des Christentums tat – es war gerade die Zeit des ersten Kreuzzugs ins Heilige Land, und Papst Urban II. rief zum Kampf gegen die Ungläubigen und zur Befreiung Jerusalems auf. In dieser aufgewühlten Atmosphäre konnte selbst ein räuberischer Feldzug als gottgefällige Tat interpretiert werden.
Nach El Cids Tod konnte seine Witwe Jimena Diaz die Stadt jedoch nur drei Jahre lang halten. Unter dem Druck muslimischer Armeen räumten El Cids Leute die Stadt 1102, nachdem sie sie zuvor in Brand gesetzt hatten. Valencia hat also keine besonders guten Erinnerungen an El Cid und seine Bande, aber ein christlicher Eroberer ist eben ein christlicher Eroberer, und so gehört es sich, ihm eine Statue zu errichten – auch wenn sie zwischen Plattenbauten steht.
Die Stadt kam endgültig 1237 in die Hände der Christen, als sie von dem katalanischen König Jaume I., genannt der Eroberer, eigenommen wurde. Damals verließen etwa 50.000 Muslime die Stadt, trotzdem stellten sie mit 120.000 die Mehrheit der Bevůlkerung, neben ihnen lebten dort 65.000 Christen und 2000 Juden. Anfangs konnten sie friedlich zusammenleben, bis sich die dominikanischen und jesuitischen Prediger einmischten. Auch Jaume I. hat seine Reiterstatue auf dem Platz „Placa d’Alfons el Magnànim“ am Rande der Altstadt.
Damals, im Jahr 1237, erhielt die Stadt auch ihr Wappen. Die goldenen und roten senkrechten Streifen wurden mit einer Königskrone verziert und das Stadtwappen erhielt als Helmzier eine Fledermaus. Es gibt zwei Hypothesen, wie dieses ungewöhnliche Tier dorthin gelangte. Eine besagt, dass eines Nachts, als die Muslime aus dem belagerten Balansiya (Valencia) einen Ausfall gegen die Armee von König Jaume, die die Stadt belagerte, unternahmen, eine Fledermaus in das Zelt des Königs flog und beim Versuch, das Zelt zu verlassen, so viel Lärm machte, dass der König und seine Soldaten aufwachten und das muslimische Heer rechtzeitig bemerkten, den Angriff abwehrten und die Muslime in die Stadt zurücktrieben. Die zweite und wahrscheinlichere Erklärung ist, dass es sich um eine Verwechslung handelt. Jaume I. trug auf seinem Helm einen Drachen, und eine gewisse Ähnlichkeit mit einer Fledermaus lässt sich nicht leugnen.
Die Dynastie der katalanischen Könige herrschte in Valencia bis zum Jahr 1410, als sie von der aragonesischen Dynastie abgelöst wurde. Genau in dieser Zeit begann die goldene Ära der Stadt. Davon zeugen Gebäude aus dieser Spätgotikzeit, wie das Gebäude der Polizeigeneralität, die Seidenbörse, die Kathedrale Seu, die Kirche Santa Catalina sowie einige andere, und auch der Borja-Palast, der mit der berühmtesten Familie Valencias verbunden ist. Die Borjas, die ihren Namen nach dem Umzug nach Rom in Borgia änderten, stellten sogar zwei Päpste: Kalixt III. und seinen Neffen, den berühmten und skandalumwitterten Alexander VI. Dieser war von 1492 bis 1503 Papst und obwohl er in Italien viel Unheil angerichtet hat (vor allem sein Sohn Cesare), vergaß er seine Heimat Valencia nicht. Er leitete finanzielle Mittel hierher um und ließ einen luxuriösen Palast für seine Familie errichten, der während des Bürgerkriegs 1936–1937 die republikanische Regierung beherbergte, die vor Franco aus Madrid fliehen musste. Außerdem gründete er 1499 in Valencia die Universität.
Die alte Universität befindet sich im Stadtzentrum auf der „Placa de Patriarca“ und an ihrer Fassade sind neben den damaligen katholischen Herrschern Isabella von Kastilien und Ferdinand von Aragon auch Statuen von Alexander VI. zu sehen. Selbst ein solch fragwürdiger Charakter wie Alexander handelte also nicht nur böse. Der Innenhof der Universität ist klassisch im Renaissance-Stil gebaut und wird von Lunetten der Professoren aus den Jahren 1499 und 1502 geschmückt, die zur Gründung der neuen Hochschule beitrugen. In der Mitte des Hofes steht eine Statue des Humanisten Johann Ludovicus Vives.
Dieser Herr hatte allerdings mit Valencia nur insofern zu tun, dass er hier geboren wurde, und zwar ungefähr zur Zeit der Universitätsgründung, also 1492. Als Sohn getaufter Juden hatte er es nicht leicht. Die sogenannten Morisken wurden auch nach ihrer Konvertierung zum katholischen Glauben verfolgt. Vives’ Vater wurde lebendig verbrannt, die Gebeine seiner Mutter wurden vom katholischen Friedhof ausgegraben und ebenso dem Feuer übergeben. Johann Ludovicus verließ daher früh seine Heimatstadt, studierte in Brügge und arbeitete dann als Berater am Hof von König Heinrich VIII. von England. Er war der Lehrer von dessen Tochter Maria. Obwohl Vives neben Erasmus von Rotterdam zu den größten Denkern und Pädagogen seiner Zeit gehörte, hinterließ seine Erziehung bei seiner Schülerin keine tiefen Spuren. Maria wurde später als Königin „Bloody Mary“ bekannt als sie versuchte, England mit Gewalt zu rekatholisieren. Vives fiel bei Heinrich in Ungnade, als er ihm riet, sich nicht von seiner ersten Frau, Katharina von Aragon, scheiden zu lassen. Er starb 1540 in den Niederlanden. Somit kann die Statue als eine Art Entschuldigung für einen großen Denker verstanden werden, der in Valencia weder studierte noch lehrte. Vives gehört zu den Wegbereitern einer neuen Pädagogik, die auf Experiment und System setzt, und ist damit ein Vorläufer von Johann Amos Comenius. Ob Comenius seine Schriften kannte, konnte ich nicht herausfinden, es ist aber sehr wahrscheinlich, zumindest während Comenius’ Exil in Amsterdam.
Im Jahr 1998 war Lissabon Gastgeber der Weltausstellung Expo. Zu diesem Anlass wurde hier ein Ausstellungsgelände gebaut, das anschließend dank der interessanten Architektur seiner Pavillons zu einer Touristenattraktion wurde. Er befindet sich etwas außerhalb des Stadtzentrums, flussaufwärts am Tejo. Man kann dorthin mit einer Kabinenseilbahn gelangen, und es gibt dort – wie es sich für eine Hafenstadt gehört – das „Oceanário“, ein riesiges Aquarium, das in Lebensräume des Atlantiks, des Pazifiks, aber auch des Indischen Ozeans und des Südpolarmeeres unterteilt ist.
Was man allerdings unbedingt besuchen muss, ist Belém. Dieser Stadtteil in Richtung der Mündung des Tejo ist ein unverzichtbarer Bestandteil eines Besuchs der portugiesischen Hauptstadt. Er symbolisiert die glanzvollste Zeit der portugiesischen Geschichte, die Ära der Entdeckungsreisen, die diesem Land am Ende Europas, heute etwas abschätzig als „Balkon Europas“ bezeichnet, einen unglaublichen Reichtum brachten.
Alles begann mit den Aktivitäten von Prinz Heinrich dem Seefahrer (1394–1460), dem Sohn Joaos I., Gründers der Dynastie Avis. Der Prinz wurde 1418 zum Großmeister des Christusordens, nachdem er bereits 1415 an der Spitze der Ritter dieses Ordens die Stadt Ceuta für Portugal erobert hatte. Nachdem seine Versuche, den Spaniern die Kanarischen Inseln zu entreißen, gescheitert waren, konzentrierte er sich vollständig auf die Erforschung der afrikanischen Küste. Er finanzierte und unterstützte Entdeckungsreisen und ließ einen neuen Schiffstyp, die Karavelle, bauen, die sich für lange Reisen eignete. Im Jahr 1434 umsegelte Kapitän Gil Eanes das Kap Bojador, was eine revolutionäre Tat war. Bis dahin glaubte man, dass hinter diesem Kap die Welt endete, das Meer in unendliche Tiefen abfiel und den Neugierigen der direkte Weg in die Hölle erwartete. Danach verschwand diese Angst und die Portugiesen drangen immer weiter entlang der afrikanischen Küste nach Süden vor, bis schließlich 1498, 38 Jahre nach dem Tod von Heinrich dem Seefahrer, Vasco da Gama Afrika umsegelte und die Küste Indiens erreichte.
Heinrich der Seefahrer steht mit einem Modell einer Karavelle in der Hand an der Spitze der 33 Statuen, die das Denkmal der Entdecker in Belém schmücken.
Das Bauwerk im Stil des „sozialistischen Realismus“ erinnerte mich zu sehr an das Stalin-Denkmal auf der Letná in Prag, die legendäre „Fleischschlange“, als dass ich mich nicht für mögliche Zusammenhänge interessieren würde. Stalin- Denkmal begann man in Prag 1962 abzureißen, das Denkmal in Lissabon wurde 1960 von Leopoldo de Almeida errichtet. Also bleibt der Verdacht bestehen. Ob Almeida in Prag war und sich dort inspirieren ließ, konnte ich nicht herausfinden. Dennoch ist das Denkmal in Belém deutlich geschmackvoller. Es hat die Form eines Schiffsbugs, auf seiner Rückseite befindet sich ein Kreuz, das in ein Schwert übergeht, um zu verdeutlichen, mit welchen Mitteln die Portugiesen neue Gebiete kolonisierten und sie für den christlichen Glauben gewannen. Sympathisch ist, dass der betende König Manuel erst am Ende dieser Reihe von Entdeckern, Seefahrern und Missionaren dargestellt ist.
Nach Belém fährt man jedoch hauptsächlich wegen des Klosters des Heiligen Hieronymus. Dieses wurde ebenfalls von König Manuel, genannt „der Glückliche“, gegründet, und der Bau wurde unter seinem Nachfolger Joao III. abgeschlossen. Es ist ein gigantisches Bauwerk im einheitlichen Stil der manuelischen dekorativen Gotik.
Der Eintritt in das Kloster erfordert stundenlanges Warten. Wenn man bereits Tomar und andere Klöster in Estremadura besucht hat, lohnt sich das Warten nicht. Wer nur Lissabon besuchen möchte, muss sich allerdings in der Schlange anstellen. Schon das Portal der Kirche, das von der Statue Heinrichs des Seefahrers dominiert wird, ist ein Beispiel der dekorativen Architektur manuelischer Epoche. Im Inneren beeindruckt das hohe Gewölbe mit schlanken, palmenförmigen Säulen. In die Kirche gelangt man wesentlich einfacher als ins Kloster. Auch sie ist ein Beispiel der manuelischen Gotik, mit Ausnahme der Apsis, die im Stil des Manierismus gestaltet ist. Aber dazu später mehr. Am Eingang zur Kirche befinden sich zwei Sarkophage von Männern, die die Entdeckungsreisen symbolisieren. Auf der linken Seite steht der wunderschöne Marmorsarkophag von Vasco da Gama,
auf der rechten Seite der ebenso schöne Sarkophag von Luiz Vaz de Camões Er ist der portugiesische Nationaldichter und lebte von 1524 bis 1580. Im Jahr 1572 veröffentlichte er das Buch „Os Lusíadas“, das Nationalepos über die portugiesischen Heldentaten auf See. Er selbst führte ein sehr bewegtes Leben. Als Rebell wurde er vom königlichen Hof verbannt, als Soldat verlor er bei Kämpfen in Nordafrika ein Auge, und auf der Reise nach Indien war sein Schiff das einzige der gesamten Flotte, das den Sturm überstand, der die Portugiesen im Indischen Ozean überraschte. Sein Todestag, der 16. Juni, ist der größte portugiesische Nationalfeiertag und wird etwas suspekt als „Tag der portugiesischen Rasse“ gefeiert. Was wir davon halten sollen, sei dahingestellt, aber es scheint, dass es nicht so wichtig ist, etwas zu entdecken oder zu erobern, sondern am wichtigsten ist, darüber zu schreiben. Das ist Camões offensichtlich gelungen. Übrigens Amerika heißt auch nicht nach ihrem Entdecker Kolumbus, aber nach Amerigo Vespucci, der über das neue Kontinent spannend schreiben konnte.
Der Altarraum der Kirche ist deutlich jünger und wurde 1572 im manieristischen Stil von Königin Katharina von Habsburg, der Frau von Johann III., eingerichtet. Hier befinden sich die königlichen Gräber von Manuel I. und seiner Frau Maria von Aragon sowie von seinem Sohn Joao III. und dessen Frau Katharina. Die Grabmäler werden von Elefanten getragen. Obwohl weder Manuel noch Joao je einen Elefanten persönlich gesehen haben, wurden diese riesigen Tiere, über die Legenden erzählt wurden, zum Symbol königlicher Erhabenheit. Eine Kuriosität ist jedoch ein weiteres Grab, etwas abseits im Querschiff. Es ist das Grab von König Sebastian I.
Dieser junge König verfiel 1578 dem Gefühl von Wichtigkeit und Unbesiegbarkeit und brach zu einem Kreuzzug nach Afrika auf. Sein megalomanisches Ziel war es, die gesamte afrikanische Küste zu erobern, nach Ägypten zu gelangen und dann nach Palästina, die Türken von dort zu vertreiben und Jerusalem für das Christentum zu gewinnen. Zu seiner Entschuldigung sei gesagt, dass er neunzehn Jahre alt war und vermutlich an Phimose litt, was sein Desinteresse an Frauen und Heirat erklären würde. Zudem wurde er nach dem Tod seines Vaters geboren, also als Nachgeborener, und seine Mutter Johanna verließ ihn, als er drei Monate alt war, um in Spanien die Regentschaft für ihren Bruder, König Philipp II., zu übernehmen. Das Kind wuchs also ohne Eltern auf und wurde von seiner energischen und fanatisch katholischen Großmutter Katharina erzogen (diejenige, die das Grabmal im Heiligen Hieronymus errichtete und unter anderem im Jahr 1567 die Inquisition in Portugal einführte). Sebastian wurde von Jesuiten erzogen und wurde im Alter von drei Jahren König. Der junge Mann kannte keine Selbstkritik und hatte den Bedarf, seine bestimmten Mängel zu kompensieren, (er litt wahrscheinlich an Phimose, was sein fehlendes Interesse an Frauen erklären könnte), er wählte dafür aber einen ziemlich unglücklichen Weg. In der Schlacht von Ksar El Kebir in Marokko wurde seine Armee vollständig vernichtet (von 18.000 Soldaten überlebten angeblich nur sechzig) und Sebastian selbst kam ums Leben. Da seine Leiche jedoch nie gefunden wurde, lebten die Portugiesen, nachdem sie ihre Unabhängigkeit verloren und sich der spanischen habsburgischen Herrschaft unterwerfen mussten, in der Hoffnung, dass Sebastian lebte und sie von der fremden Herrschaft befreien würde.
Dem neuen König Philipp II. (als portugiesischer König Philipp I.) ging dieser Aberglaube schrecklich auf die Nerven. Also ließ er Sebastiens Leiche suchen. Er verkündete daraufhin, sie gefunden zu haben, und ließ sie feierlich in der Kirche des Heiligen Hieronymus bestatten – ordnungsgemäß in einem Sarkophag, der von zwei Elefanten getragen wurde, um die Zugehörigkeit der Leiche zum Hause Avis zu betonen, das mit ihm ausstarb. Welche Leiche man damals beschaffte und wer somit in diesem Grab liegt, weiß niemand, aber Sebastian ist es höchstwahrscheinlich nicht.
Im Kloster selbst gibt es einen wunderbaren Kreuzgang von João de Castilho (der seinen Stil, wie wir wissen, in Tomar trainierte). Das Refektorium ist mit Azulejos aus dem 18. Jahrhundert geschmückt. Und im neomanuellen Flügel von 1850 befindet sich das archäologische Museum. Natürlich darf das Marine-Museum „Museu de Marinha“ nicht fehlen. Vor dem Kloster liegt ein wunderschöner großer Park, der nicht umsonst den Namen „Praça do Império“ trägt. Das riesige moderne Gebäude, das den Park im Westen abschließt, im maurischen Stil erbaut und an eine große arabische Festung erinnernd, ist das „Centro Cultural de Belém“, eröffnet 1993. Im Osten befindet sich der tropische botanische Garten „Jardim Botânico Tropical“ und gleich daneben der „Palácio de Belém“. Hier rettete sich die Familie von König Jose I. Da der König nach dem Erdbeben panische Angst hatte, in gemauerten Gebäuden zu schlafen, ließ er auf dem Hof des Palastes und in seinen Gärten ein Zeltlager errichten, von wo aus er weitere zwanzig Jahre regierte. Der Palast selbst diente als Krankenhaus und ist heute der Sitz des portugiesischen Präsidenten.
Ein Stück weiter entlang der Küste in Richtung Westen erhebt sich der „Torre de Belém“.
Ursprünglich stand diese Festung mitten im Fluss, um potenzielle Angreifer abzuschrecken. Durch das Erdbeben hob sich das Land hier, und der Turm steht heute am Flussufer. Wieder einmal ein Symbol der manuelischen Gotik und das häufigste Bild auf Postkarten aus Lissabon. Es ist wahr, dass die Festung wirklich ein Juwel dieser dekorativen Architektur ist. Je schöner sie aber von außen ist, desto dunkler ist sie innen, da die Festung als Waffenlager und Gefängnis diente. Trotzdem wartet man stundenlang, um den Turm zu besichtigen.
Gleich daneben befindet sich ein Militärmuseum, das ebenfalls einen Besuch wert ist, sodass es eine echte Herausforderung ist, Belém an einem Tag zu bewältigen, was aufgrund der langen Warteschlangen möglicherweise gar nicht zu schaffen ist. Vor allem, wenn zum Pflichtprogramm eine Kostprobe der „Pastéis de Belém“ gehört. Diese süßen Törtchen sind eine Variante der „Pastéis de Nata“, die man überall in Portugal bekommt, aber die Törtchen im Belém sind so berühmt, dass man ihnen nicht widerstehen kann oder eher darf.
Lissabon liegt eigentlich nur am Nordufer des Flusses Tejo. Zum Südufer wurde über Jahrhunderte hinweg nur mit Fähre gefahren, bis Diktator Salazar die Brücke über den Fluss bauen ließ, die 1966 für den Verkehr freigegeben wurde. Daher hieß diese Brücke Salazar-Brücke, unmittelbar nach der Revolution wurde sie allerdings in „Brücke des 25. April“ umbenannt.
Sie blieb die einzige Brücke in der Stadt. Die zweite Brücke, genannt nach Vasco-da-Gama, 17 Kilometer lang und die Lagune des Flusses Tejo im Osten überspannend, dient eher nur zur Entlastung des Autobahnverkehrs. Die Verbindung zwischen Lissabon und den ständig wachsenden Wohnsiedlungen am Südufer wird weiterhin nur von einer einzigen Brücke gesichert, die auf Fotos leicht mit der „Golden Gate“ in San Francisco verwechselt werden kann. Das ist kein Zufall, da die Brücke die gleiche Firma gebaut hat. Da am Südufer mittlerweile fast eine Viertelmillion Menschen lebt – dort sind die Wohnungen und Mieten etwas günstiger als in der Stadt – bedeutet dies, dass fast alle jeden Morgen versuchen, zur Arbeit nach Lissabon zu gelangen, und nachmittags wieder nach Hause zurückzukehren. Infolgedessen verbringen sie angeblich täglich bis zu drei Stunden im Auto.
Doch auch neugierige Touristen können die Fahrt über diese Brücke nicht vermeiden. Am Südufer erhebt sich nämlich die Statue „Christus König“, ein weiteres Symbol Lissabons und ein Muss im touristischen Programm. Im Jahr 1934 besuchte der emeritierte Kardinal und Patriarch von Lissabon, Manuel G. Cerejeira, Rio de Janeiro und war von der Christusstatue begeistert. Nach seiner Rückkehr in die Heimat begann er, die Idee einer ähnlichen Statue in Lissabon zu propagieren. 1937 stimmte die Bischofskonferenz dem Bau positiv zu und 1940 wurde in Fátima beschlossen, dass der Bau den Dank symbolisieren würde, dass Portugal vom Zweiten Weltkrieg verschont geblieben war. Der Bau begann 1949 und wurde zehn Jahre später feierlich eingeweiht. An der feierlichen Eröffnung nahmen 300.000 Menschen teil, darunter alle bedeutenden Prälaten, und sogar der Erzbischof von Rio de Janeiro flog ein. Papst Johannes XXIII. nahm wenigstens aus der Ferne teil, indem er eine Grußbotschaft im Radio sprach. Die Statue wurde von Francisco Franco (Namensvetter des spanischen Diktators) konzipiert, und die Marienstatue in der Kapelle schuf der uns bereits gut bekannte Leopoldo de Almeida. 1984 wurde ein Plan für die Umgebung der Statue erstellt, und 2002 wurde die Statue nach Restaurierungsarbeiten wieder für die Öffentlichkeit geöffnet.
Der Ticketa, der nicht ganz einfach zu bedienen war und Zahlungen per Mobiltelefon verweigerte, hat uns emotional ziemlich aufgewühlt, aber schließlich sind wir auf die Statue hinaufgefahren. Von dort hat man einen wunderbaren Blick auf Lissabon, und es gibt hier Botschaften des Friedens in vielen Sprachen, sogar auf Polnisch.
Die Statue „Christus König“ steht mit dem Gesicht zur Stadt und schützt sie mit ausgebreiteten Armen und segnet sie.
Da alle Flugzeuge, die auf dem Flughafen Humberto Delgado in Lissabon landen wollen, von Westen, also vom Meer und über die Statue Christi, anfliegen, scheint es, als würde er auch sie segnen, denn der Flughafen liegt nur fünf Kilometer vom Stadtzentrum entfernt und somit noch im Stadtgebiet, was die Landung dort nicht gerade einfach macht.
Die Vorstellung, wie der Kopilot Christus unter sich beobachtet und der Pilot fragt: „Hat er uns schon gesegnet?“ „Noch nicht“, meldet der Kopilot. „Dann machen wir noch eine Runde über der Stadt. Wir müssen warten, bis er uns segnet.“
Komischerweise fand nur ich diese Vorstellung witzig, meiner Frau gefiel sie überhaupt nicht.
Dennoch hoffe ich, dass es mir gelingt, sie zu überzeugen, Lissabon noch einmal zu besuchen. Allerdings hat sich mein Plan, am Flughafen ein Auto zu mieten, sehr schnell zerschlagen. Während meine Bereitschaft, in Lissabon Auto zu fahren, innerhalb wenigen Tage von fünfzig Prozent auf eins sank, war die Bereitschaft meiner Frau, sich in ein Auto zu setzen, das ich in den Straßen von Lissabon steuern würde bereits am ersten Tag gleich null. Die Straßen sind hier praktisch ununterbrochen verstopft, Tag und Nacht, und man fährt nur langsam voran und es ist sehr eng. Aber Taxis sind sehr günstig und das U-Bahn-System ist gut. Also braucht man in Lissabon definitiv kein Auto.
Aber es gibt eine Sache, die mich etwas überrascht hat. Etwas ist an den Portugiesen auffällig. Kaum sieht man einen lachenden Portugiesen, sie haben immer ernste Gesichter. Ihnen fehlt die fröhliche Tatkraft der Italiener oder die freche Aktivität der Franzosen. Die Portugiesen selbst sagen, dass ihnen „Saudade“ eigen ist. Ein Wort, das schwer zu übersetzen ist, weil es im Deutschen kein identes Wort gibt. Am ehesten kommt dem das Wort Melancholie nahe, aber das ist auch nicht genau. Der Ausdruck „Saudade“ wird durch Fado verkörpert, diese sehnsuchtsvolle portugiesische Musik.
Das passt sehr gut zu Portugal. Es ist ein schönes Land.
Der berühmteste der portugiesischen Heiligen, der Heilige Antonius, wird gleich neben der Kathedrale in seiner eigenen Kirche verehrt. Diese wurde 1757, also nach dem Erdbeben, im rein barocken Stil erbaut. Das Geburtshaus des Heiligen Antonius oder zumindest seine geringen Überreste kann man in der Krypta besichtigen. Natürlich war auch Johannes Paul II. hier (denn wie wir wissen, war er überall), ein Bild seines Besuchs aus Azulejos ist im Gang zur Krypta zu sehen.
Der Heilige Antonius hat in Lissabon, aber auch in ganz Portugal eine besondere Stellung. 1934 erklärte ihn Papst Pius XI. zum Patron von Portugal. Der Tag des Heiligen Antonius am 13. Juni ist alljährlich das größte Fest in Lissabon, es ist das Fest der Sardinen, die im Juni ausreichend groß und fettig sind, um gegrillt und gegessen zu werden. An diesem Tag werden sie an jeder Ecke gegrillt, und es faszinierte mich, dass die Portugiesen sie auch mit den Innereien aßen, unabhängig von deren Größe. Als wir nach Besteck fragten, bekamen wir einen überraschten Blick, aber schließlich brachte uns der Kellner doch ein Messer und eine Gabel. Am Abend findet dann das Sambafest statt, bei dem die einzelnen Stadtviertel ihre Trachten und Tänze präsentieren. Auch wenn die jungen Damen wesentlich mehr bekleidet sind als ihre Gegenstücke in Brasilien, genauer gesagt sehr züchtig verhüllt, mangelt es ihnen nicht an Temperament. Ich war Zeuge, wie eine Gruppe nach der Prozession auf der „Avenida da Liberdade“ in einen bereitstehenden Bus einstieg. Offensichtlich hatten sie vom Tanzen noch nicht genug, denn der ganze Bus schwankte von links nach rechts und zurück, sodass ich Angst hatte, er könnte umkippen.
Der Heilige Antonius wurde 1195 in Lissabon geboren und beschloss, den christlichen Glauben zu verbreiten. Zunächst wollte er dies mit dem Schwert versuchen, aber sein Gesundheitszustand machte ihm schnell einen Strich durch die Rechnung und verhinderte seine kriegerischen Abenteuer in Nordafrika. Daher entschied er sich, den Glauben durch Worte zu verteidigen, was eine gute Entscheidung war, da er ein äußerst begabter Redner war. Deshalb sind in der Kirche in Padua seine Stimmbänder als heilige Reliquie in einer Glasvitrine ausgestellt. Antonius trat 1220 dem damals neuen Franziskanerorden bei und widmete sich der Hilfe für die Armen sowie der Bekehrung von Ketzern. Sein schlechter Gesundheitszustand holte ihn jedoch ein, und er starb bereits 1231 im Alter von 36 Jahren. Aufgrund des Drucks der einfachen Leute, die dafür sogar nach Rom zogen, wurde er bereits am 30. Mai 1232 von Papst Gregor IX. heiliggesprochen. Dies war der kürzeste Heiligsprechungsprozess in der Geschichte der Kirche und sorgte für erheblichen Unmut beim konkurrierenden Dominikanerorden, da Antonius damit deren Ordensgründer Dominikus überholte, der erst 1234 heiliggesprochen wurde. Auch nach der Heiligsprechung von Dominicus hatten die Franziskaner mit 2:1 mehr Heilige, in der Fußballsprache würde man sagen, durch den Dominicus erreichten die Dominikaner nur einen Anschlusstreffer. 1946 wurde Antonius von Papst Pius XII. zum Kirchenlehrer erhoben.
Das Zentrum der Unterstadt von Lissabon bilden zwei aneinandergrenzende Plätze: die „Praça da Figueira“ mit der großen Reiterstatue von König Joao I., den der Marquês de Pombal als zentrale Markthalle errichten ließ, und die „Praça Pedro IV.“ mit der Statue dieses reformfreundlichen Königs.
Letzteren Platz nennt jedoch niemand anders als „Rossio“, nach dem Namen des zentralen Bahnhofs von Lissabon, der sich gleich daneben befindet. Daher sollte man diesen Namen verwenden, wenn man ein Taxi ins Stadtzentrum bestellen möchte, da der Fahrer Probleme haben könnte, zu wissen, wo der „Platz Pedro IV.“ zu finden ist. Die U-Bahn-Station vor dem Bahnhof heißt jedoch „Restauradores“, ebenso wie der Platz davor, der nach den Kämpfern zur Wiederherstellung der Unabhängigkeit Portugals nach sechzig Jahren spanischer Herrschaft benannt ist. Nach dem Aussterben der Dynastie Avis im Jahr 1580 wurde der spanische König Philipp II. aus dem Hause Habsburg König von Portugal. Trotz aller Versprechen degradierten die Habsburger Portugal immer mehr zu einer ihrer Provinzen, was schließlich 1640 zu einem Aufstand führte, an dessen Spitze Herzog Joao aus dem Hause Braganza (in der achten Generation ein Nachkomme Alfonsos, des unehelichen Sohnes von Joao I. aus dem Hause Avis) stand. Dahinter steckte der unglaublich geschickte Intrigant, der französische Premierminister Kardinal Richelieu, dem aufgrund des ständigen Konflikts mit den Habsburgern und Spanien jede Schwächung des Feindes gelegen kam. (Es tobte noch der Dreißigjährige Krieg, in dem die Franzosen zur Verwunderung der ganzen Welt auf der Seite der Protestanten kämpften). Joao IV. verbündete sich geschickt mit den Engländern, den traditionellen Verbündeten der Portugiesen, die jedoch für ihre Hilfe Tanger und Bombay verlangten. Joao IV. schloss ein Bündnis mit englischem König Karl I., nach dessen Niederlage im Bürgerkrieg dann mit Oliver Cromwell und schließlich auch mit Karl II., der 1662 Johanns Tochter Katharina Henrietta heiratete. 1668 gaben die Spanier schließlich auf und erkannten die portugiesische Unabhängigkeit sowie Joaos Sohn Alfons IV. als König von Portugal an.
Der Platz Rossio wird von der Statue Pedros IV. dominiert und in seinem oberen Teil steht das Stadttheater, das den Namen von Pedros Tochter Maria II. trägt. Gleich nebenan befindet sich die interessante Kirche der Dominikaner, die 1241 von Sancho II. gegründet wurde. Sie war nicht nur Ort königlicher Hochzeiten, sondern auch Sitz der Inquisition, die dort Ketzer zum Tode durch Verbrennen verurteilte.
Die Hinrichtungen fanden direkt vor der Kirche auf dem Rossio statt. Vor dieser Kirche steht ein Denkmal zur Erinnerung an das Judenpogrom vom 19. April 1506. Die Stadt Lissabon errichtete es zum fünfhundertsten Jahrestag des Pogroms im Jahr 2006.
Die Geschichte der portugiesischen Juden ist sehr interessant. Als König Manuel I. sich 1497 um die Hand der Tochter der spanischen katholischen Könige Isabella bemühte, war die Bedingung von Ferdinand von Aragon und Isabella von Kastilien, dass Manuel, wenn er ihre Tochter zur Frau haben wollte, wie sie in Spanien alle Juden aus seinem Land vertreiben musste. Die spanische Krone war zu verlockend, um zu widerstehen, zumal der einzige Sohn Isabellas und Ferdinands, der Thronfolger Infant Juan, 1497 starb. Manuel war jedoch nicht so dumm, sein Land nach spanischem Vorbild zu ruinieren. Er rief die Vorsteher der jüdischen Gemeinde zusammen und traf eine Vereinbarung mit ihnen. Ein Teil der Juden sollte sich zum Schein taufen lassen, wobei Manuel versprach, ein Auge zuzudrücken, wenn sie weiterhin ein traditionelles Leben führten und ihre Riten praktizierten. Damit sie nicht einzeln in die Kirchen zur Taufe gehen mussten, wo ein eifriger Priester nach Aufrichtigkeit des Wunsches nach der Taufe forschen hätte können, machte Manuel seine Juden per königliches Dekret im Jahr 1499 mit einem Schlag zu Christen und verbot ihnen, das Land zu verlassen. Diejenigen, die sich weigerten, sich taufen zu lassen, gingen nach Antwerpen, wo für sie geeignete Bedingungen geschaffen wurden, um den gesamten portugiesischen Handel mit Edelsteinen zu übernehmen – das jüdische Diamantenviertel gibt es in dieser Stadt bis heute. Der Handel lief wie am Schnürchen, und sowohl die Juden als auch König Manuel, der nicht umsonst den Beinamen “der Glückliche” trug, wurden reich. Nur mit der Verbindung zum spanischen Thron hatte der König kein Glück. Seine Frau Isabella starb 1498 bei der Geburt ihres ersten Sohnes Miguel, und der Junge starb ein Jahr später. Manuel versuchte seine Ansprüche auf den spanischen Thron durch die Heirat mit Isabellas jüngerer Schwester Maria zu retten, aber schließlich erbte die ältere Schwester Marias, Johanna (genannt die Wahnsinnige), die spanische Krone und Spanien fiel somit an die Habsburger. Übrigens war das jüngste Kind der katholischen Könige Katharina, die unglückliche erste von sechs Ehefrauen des englischen Königs Heinrich VIII. Ferdinand und Isabella hatten also genug Töchter, nur an Söhnen mangelte es ihnen kritisch.
Trotz Manuels religiöser Toleranz geschah in Lissabon am 19. April 1506 etwas Schreckliches. In der Dominikanerkirche beteten die Menschen für ein Ende der Dürre und der Pest, die das Land plagten. Einer der Betenden sah ein wunderbares Licht aus dem Kreuz in einer der Kapellen kommen, und ein neu getaufter Jude machte sich über dieses Wunder lustig. Die Folgen waren schrecklich. Der städtische Pöbel stürzte sich auf die Neugetauften, denen er ohnehin misstraute und ihren guten wirtschaftlichen Zustand beneidete. Direkt auf dem Rossio wurden Scheiterhaufen errichtet, auf die die gelynchten Neugetauften, tot oder noch lebendig, geworfen wurden. Auf äußerst brutale Weise wurden in drei Tagen etwa 2000 Menschen, Männer, Frauen und Kinder, ermordet. Die Dominikanermönche ermutigten das Volk zu ihren Gewalttaten und riefen zur “Ausrottung der bösen Rasse” auf.
Der König, der wegen der Pest außerhalb der Stadt war, befahl dem Gouverneur, den Aufstand gewaltsam zu unterdrücken. Fünfhundert Täter wurden niedergemetzelt oder hingerichtet, zwei dominikanische Mönche, die als Hauptanstifter identifiziert wurden, wurden erdrosselt und ihre Leichen verbrannt. Die Tätigkeit des Dominikanerordens wurde für mehrere Jahre in Lissabon ausgesetzt. Aber der Schaden konnte nicht mehr gutgemacht werden. Tausende Neugetauften verließen trotz königlichen Verbots das Land.
Die Dominikanerkirche selbst wurde von Gottes Strafe heimgesucht. Nach Beschädigungen durch ein Erdbeben im Jahr 1531 fiel sie am ersten November 1755 dem Tsunami zum Opfer und wurde völlig zerstört. Sie wurde anschließend im barocken Stil wieder aufgebaut, aber 1959 von einem großen Brand heimgesucht. Danach wurde nur das Gewölbe wieder aufgebaut, weitere Restaurierungsarbeiten fanden nicht statt, und in der Kirche, die seit 1994 wieder in Betrieb ist, sind überall Spuren des Brandes zu sehen: von der Hitze rissige Steine, verkohlte Wände und die fehlende Dekoration der Kirche. Wenn man weiß, was in dieser Kirche geschehen ist und die Schäden als Ausdruck von Gottes Zorn versteht, läuft einem ein kalter Schauer über den Rücken.
Von Rossio führen gerade Straßen zur „Praça do Comércio“, die nach den Handwerken benannt sind, die zur Zeit des Marquês de Pombal dort ausgeübt wurden. Die Hauptstraße ist jedoch die „Rua Augusta“. Hier reihen sich Restaurants aneinander, dazwischen Bars mit Tischen mitten auf der Straße, die zu einer Erfrischung einladen. Kein Wunder, dass sich hier auch ein Souvenirgeschäft der beiden Lissaboner Fußballvereine befindet. Überraschenderweise teilen sie sich das Geschäft, von der unerbittlichen Rivalität also keine Spur. Es ist in den portugiesischen Nationalfarben Rot und Grün gehalten, da Benfica Lissabon rot und Sporting Lissabon grün trägt. Am Eingang thront natürlich die Statue des berühmtesten zeitgenössischen Portugiesen, Cristiano Ronaldo, aber diese Schwäche muss man dem Gastgeberland verzeihen.
Da Lissabon auf hohen Hügeln liegt, haben sich die Stadtbewohner nicht nur mit Straßenbahnen, die steile Hügel erklimmen können, sondern auch mit Aufzügen und Seilbahnen geholfen. Einer davon, der „Elevador da Glória“, bringt Sie zum Aussichtspunkt „Miradouro de São Pedro de Alcântara“, der bekannteste ist jedoch der „Elevador Santa Justa“. Die Metallkonstruktion erinnert nicht zufällig an die Arbeiten von Gustave Eiffel – der Aufzug wurde nämlich von seinem Schüler Raoul Mesnier du Ponsard gebaut.
Der Aufzug fährt in 32 Meter Höhe zum „Largo do Carmo“, und von der oberen Station führt eine Metallbrücke für Fußgänger in die Oberstadt, von wo aus man einen großartigen Blick auf das Zentrum von Lissabon hat. Als ich 1999 dort war, gab es oben im Aufzug ein Café, in dem wir zusammen mit der Aussicht auf die Stadt einen großartigen und günstigen portugiesischen Kaffee genossen. Heute ist dort nichts mehr, der Zugang zur oberen Plattform, auf der das Café war, ist geschlossen. Es lohnt sich trotzdem, nach oben zu fahren oder zu Fuß vom Rossio dorthin zu gehen. Oben befindet sich die „Igreja do Carmo“, eine gotische Kirche, die während eines Gottesdienstes beim Erdbeben von 1755 einstürzte, Dutzende von Gläubigen unter ihren Trümmern begrub und nicht wieder aufgebaut wurde. Sie blieb als stummes Mahnmal und Erinnerung an die Ereignisse von 1755. Die Kirche ist ein Denkmal für den berühmten heiligen Feldherrn Nuno Álvares Pereira, den Sieger von Aljubarrota im Jahr 1385. Als er in den Karmeliterorden eintrat, ließ er diese Kirche bauen. Zu dieser Zeit war es die größte Kirche in Lissabon. Heute befindet sich in ihren Trümmern ein archäologisches Museum mit einer Sammlung von Sarkophagen, Statuen und archäologischen Funden aus der Römerzeit und der Zeit der Westgoten.
Wenn man zu Fuß nach oben geht, dann muss man auf die Gehwege in Lissabon achten. Sie bestehen aus kleinen, glattpolierten, glänzenden Pflastersteinen, die interessante Muster bilden und dem Gehweg das Aussehen verleihen, als wäre er uneben. Es stimmt zwar nicht, aber darauf zu gehen ist dennoch schwierig, besonders in Schuhen mit glatten Sohlen, da es sehr rutschig ist. Zudem geht es ständig bergauf und bergab. Ein junger Mann, den ich umarmte, um mich vor dem Sturz zu retten, war vielleicht etwas überrascht, verstand die Situation aber möglicherweise, als ich ihm mit einem portugiesischen „Obrigado“ dankte.
Die Plätze und Straßen von Lissabon sind mit Jacaranda-Bäumen bepflanzt. Diese Bäume haben violette Blüten. Wenn sie blühen, ist die ganze Stadt wunderschön violett. Normalerweise blühen sie im Juni, wenn Lissabon am schönsten ist. Wir hatten das Glück, dass die Vegetation in diesem Jahr sehr verfrüht war, und so blühten die Bäume – wenn auch noch nicht vollständig – schon im April.
Die Tragödie ereignete sich am 1. November 1755 um 9:50 Uhr Ortszeit. Zuerst gab es ein sehr starkes Erdbeben, infolgedessen Gebäude einstürzten und metertiefe Risse im Boden entstanden. Da es ein Allerheiligen-Feiertag war, brannten sowohl in den Kirchen als auch in den Haushalten Kerzen. Diese wurden zur Ursache zahlreicher Brände, die sich rasch über die ganze Stadt ausbreiteten, die damals mit 250.000 Einwohnern die viertgrößte Stadt Europas war. Den Menschen, die sich durch die Flucht aus den einstürzenden Gebäuden retten konnten, bot sich ein Anblick, mit dem sie sicher nicht gerechnet hatten. Lissabon liegt am Fluss Tejo, der vor der Stadt eine große Lagune bildet, die als Hafen genutzt wird. Jetzt war das Wasser weg, ins Meer zurückgesogen, und den fassungslosen Bewohnern bot sich der Anblick des trockenen Lagunengrundes, auf dem die Trümmer von Schiffen lagen, die dort manchmal bereits vor Jahrzehnten gesunken waren. Bevor die Menschen dieses Phänomen verstehen konnten, kam eine zwanzig Meter hohe Tsunami-Welle auf sie zu. Der Fluss verengt sich nämlich, nachdem er die Lagune vor der Stadt verlässt, wieder zwischen den Hügeln, und durch dieses Bett fließt das Wasser dann in den Atlantischen Ozean. Die zerstörerische Welle, die vom Meer kam, nahm in der engen Flussmündung nicht nur an Höhe, sondern auch an Geschwindigkeit zu. Als sie in die Stadt einbrach, löschte sie zwar die meisten Brände, riss aber dafür Gebäude, die noch standen, die Trümmer der bereits eingestürzten und vor allem Menschenleben mit sich. Schätzungen zufolge starben damals 30.000 bis 100.000 Einwohner der Stadt. Die größte Naturkatastrophe in der Geschichte Europas spülte nicht nur die Altstadt von Lissabon hinweg, sondern auch den Königspalast, der am Ufer des Flusses auf dem heutigen „Praca de Comercio“ stand, mit einer wunderbaren Bibliothek von 70.000 Bänden und der königlichen Kunstsammlung mit Gemälden von Tizian, Rubens und Correggio. Auch Zeichnungen von Vasco da Gama von seinen Entdeckungsreisen gingen verloren. Jener Palast war einst von König Manuel I. erbaut worden, dank der Entdeckung des Seewegs nach Indien und des Gewürzhandels dem reichsten der portugiesischen Könige, dem die Festung São Jorge über der Stadt zu wenig komfortabel war. Den Luxus seines Anwesens kennen wir allerdings nur aus Beschreibungen, nach dem 1. November 1755 blieb davon nichts übrig.
Am selben Tag erlitt die weit entfernte Kaiserin Maria Theresia in Wien Geburtswehen und brachte am folgenden Tag ihre jüngste Tochter Marie Antoinette zur Welt. Die Tatsache, dass das Mädchen an einem so schrecklichen Katastrophentag geboren wurde, wurde als schlechtes Omen für ihr Leben angesehen, was sich letztlich bestätigte. Sie endete am 16. Oktober 1793 unter der Guillotine.
Die portugiesische Königsfamilie von König Joseph I. überlebte wie durch ein Wunder die Zerstörung ihres Palastes. Eine der Königstöchter wollte den Feiertag nämlich mit einem Ausflug verbringen, und da Väter ihren Töchtern nichts abschlagen können, machte sich der König mit der ganzen Familie auf nach Santa Maria de Belém, etwa sechs Kilometer vom Stadtzentrum entfernt. Dieser Teil des Festlandes wurde durch das Erdbeben in die Höhe gehoben und somit geschützt, und die Tsunami-Welle erhob sich erst hinter Belém, in der Flussmündung. Trotzdem hinterließ dieses Erlebnis beim König ein dauerhaftes psychisches Trauma. Bis zu seinem Lebensende, also zweiundzwanzig Jahre lang, weigerte er sich, in gemauerten Gebäuden zu wohnen, und ließ sich ein Zeltlager außerhalb von Lissabon errichten, von dem aus er sein Reich regierte.
Nur das Bordellviertel Alfama und der obere Teil der Stadt um die Festung São Jorge blieben von der Zerstörung verschont. Alfama ist also der einzige Teil von Lissabon, in dem man noch die verwinkelten mittelalterlichen Gassen sehen kann. Man kann sie mit der legendären Straßenbahnlinie Nummer zwölf oder achtundzwanzig durchfahren – dies gehört zum Pflichtprogramm bei einem Besuch der portugiesischen Hauptstadt.
Hier entstand auch der Fado, die typische melancholische Musik Lissabons, die auf der Gitarre gespielt wird und die ein Besucher von Lissabon unbedingt erleben sollte, wenn er seinen Besuch zählen lassen will. In den Bars, in denen abends gespielt wird, wird jedoch Eintritt verlangt.
Der Rest von Lissabon hat also seine Geburtsurkunde im November 1755 ausgestellt bekommen. Die Wiederherstellung der Stadt wurde vom damaligen Premierminister Sebastião de Melo, dem späteren Marquês de Pombal, einem Vertreter der Aufklärung, sehr energisch in Angriff genommen. Vom ersten Moment an leitete er die Rettungsarbeiten unter dem Motto: „Die Toten begraben und die Überlebenden ernähren.“ Die Leichen wurden auf Schiffe verladen und ins Meer geworfen, weil es undenkbar war, rechtzeitig eine ausreichende Anzahl von Gräbern auszuheben. Der Marquês wurde von den Jesuiten heftig kritisiert, denen seine aufklärerischen Reformen ohnehin ein Dorn im Auge waren und die das Erdbeben als Gottesstrafe für den Abfall von Gott verkündeten. (Das Gegenargument könnte sein, dass, obwohl die Kathedrale „Sé“ und die nahe gelegene Kirche des Heiligen Antonius – beide im alten Stadtviertel Alfama, das noch aus der maurischen Vergangenheit der Stadt stammte – dem Erdbeben zum Opfer fielen, die Häuser in den umliegenden Gassen, in denen sich die Bordelle drängten, die Katastrophe ohne größere Schäden überstanden – da die Mädchen in den Bordellen offensichtlich keine Kerzen für Allerheiligenfest anzündeten. Diesen Kampf mit den Jesuiten gewann der Marquês übrigens im Jahr 1759, als der Jesuitenorden weltweit verboten und aufgelöst wurde.
Innerhalb nur eines Jahres gelang es, alle Trümmer zu beseitigen und Gebäude mit beschädigter Statik abzureißen. Mit der Wiederherstellung der Stadt wurden die Architekten Eugénio dos Santos und Carlos Mardel beauftragt. Pombal nutzte die Tatsache, dass die neue Stadt sozusagen auf der „grünen Wiese“ gegründet werden konnte, und ließ eine moderne Stadt mit schachbrettartig kreuzenden Straßen und Boulevards errichten. Als man ihn fragte, wofür die so breiten Straßen gut seien, antwortete er angeblich, dass „sie den Menschen eines Tages eng erscheinen würden.“ Fürs Erste reichen sie jedoch. Wenn am 13. Juni zum Fest des Heiligen Antonius die Sambaparade über den Boulevard „Avenida da Liberdade“ zieht, ist die Straße immer noch breit genug, um auf beiden Seiten Tribünen zu errichten, auf denen neugierige Touristen (die dort schon seit dem Morgen Plätze besetzen) sitzen, um die Sambatanzgruppen der einzelnen Stadtviertel von Lissabon in ihren Trachten zu beobachten und fotografieren. Samba hat also nicht ihren Ursprung in Brasilien, sondern in Portugal, sie ist zwar genauso energisch und rhythmisch wie in Rio de Janeiro, aber wesentlich mehr bekleidet.
An der Stelle des ehemaligen Königspalastes entstand der schönste Platz Lissabons, die „Praça do Comércio“.
Als Erinnerung an den klaustrophobischen König Joseph I., dank dessen psychischer Störung dieser Platz anstelle des Königspalastes entstehen konnte, erhebt sich in der Mitte des Platzes seine Reiterstatue. Im Jahr 1908 wurden hier König Karl und sein ältester Sohn Infant Ludwig Philipp von Attentätern erschossen, was zwei Jahre später zum Ende der Monarchie und zur Entstehung der portugiesischen Republik führte. Der Platz hat die Form eines Buchstabes „U“, das sich zum Fluss hin öffnet – von dem ehemaligen Königspalast sind nur die Treppen geblieben, die zum Wasser führen. Zur Stadt hin öffnet sich der Platz durch das monumentale Tor „Arco da Rua Augusta“, das jedoch wesentlich jünger ist und erst aus dem 19. Jahrhundert stammt. Der Platz wird hauptsächlich von Restaurants gesäumt, die auf hungrige und durstige Touristen lauern. Pombal verdiente sich für seine Verdienste eine majestätische Statue auf dem Platz, der seinen Namen trägt, obwohl er bis zum 20. Jahrhundert darauf warten musste – der Autor Leopoldo de Almeida schuf auch das Denkmal der Entdecker in Belém, zu dem wir noch kommen werden.
Und das untere Stadtviertel wird „Baixa Pombalina“ genannt, sodass die Verdienste des Marquês nicht vergessen wurden. Obwohl ihn die Tochter und Nachfolgerin von König Joseph I., Maria I., die von Priestern erzogen wurde und die aufklärerischen Reformen Pombals ebenso wie ihren Urheber aus tiefstem Herzen hasste, im Jahr 1777 sofort nach dem Tod ihres Vaters seines Amtes enthob und ihn in den Hausarrest auf seinen Gütern in der Stadt Pombal schickte. Man muss aber zugeben, dass der fleißige Marquês im Alter von 78 Jahren auf diese Art wohlverdient in die Rente gehen durfte.
Wenn man also das alte Lissabon sehen will – was ich als Historiker natürlich wollte – muss man ins Viertel Alfama. Während meines ersten Besuches Ende der 1990er Jahre war noch ein großer Teil der Häuser in einem erbärmlichen Zustand und unbewohnbar, heute ist das ganze Viertel renoviert, und von oben leuchten die neuen roten Dächer, die Fassaden der Häuser sind mit zahlreichen Azulejos in verschiedenen Farben und mit unterschiedlichsten Motiven verziert. Der schönste Blick auf das Viertel und den Fluss Tejo bietet sich vom „Miradouro de Santa Luzia“. Auf den Azulejos dieses Aussichtspunktes ist die Eroberung Lissabons von den Mauren im Jahr 1147 dargestellt. Der Horizont wird von der riesigen Kuppel der Kirche Santa Engrácia dominiert. Diese barocke Kirche soll angeblich 284 Jahre lang gebaut worden sein und wurde sprichwörtlich. Wenn ein Portugiese von „Arbeit wie an Santa Engrácia“ spricht, meint er damit, dass diese Arbeit niemals fertig wird.
Hoch zur Festung „Castel de São Jorge“, also zur Festung des Heiligen Georg, die lange als Sitz der portugiesischen Könige diente, bevor sie in den neuen luxuriösen Palast am Flussufer zogen, kann man entweder um die Kathedrale Sé herumsteigen oder mit der Straßenbahn Nummer 12 oder 28 fahren. Diese uralten Straßenbahnen haben ihren eigenen Charme und wecken immer wieder den Zweifel, ob sie die Bergfahrt schaffen oder nicht. Sie schaffen es! Für Fußgänger ist es aber ein ziemlich steiler Aufstieg. Lissabon soll – wie unzählige andere Städte – ebenso wie Rom auf sieben Hügeln erbaut sein. Meiner bescheidenen Meinung nach gibt es in Lissabon viel mehr Hügel als sieben, aber ich will nicht streiten.
Die Festung São Jorge wurde 1147 von Afonso Henriques von den Mauren erobert. Ein Tor der Festung trägt den Namen des Ritters Martim Moniz, der es schaffte, es zu durchbrechen und bis zum Eintreffen der Hauptstreitkräfte des Königs zu halten. Die Festung selbst wurde von den Königen verlassen, als Manuel I. den Palast unten in der Stadt am Flussufer errichtete. 1755 wurde sie durch das Erdbeben beschädigt und erst 1938 von António Salazar restauriert. Sie bietet einen großartigen Blick auf die Stadt darunter, aber die 15 Euro Eintritt für dieses Erlebnis schienen mir etwas übertrieben.
Viel mehr als diese wunderschöne Ausblicke gibt es hier nämlich nicht. In der Mitte des zum Park umgestalteten Innenhofs steht die Statue des Eroberers Afonso Henriques und die Hauptattraktion sind die Mauern mit Türmen, die man umrunden kann, um die Stadt Lissabon von oben zu betrachten und zu fotografieren. Einer der Türme ist nach Odysseus benannt, weil sich die Lissabonner die Legende nicht nehmen lassen, dass Lissabon von Odysseus während seiner zehnjährigen Irrfahrt auf dem Heimweg von Troja gegründet wurde.
Auf dem Weg zur Festung kommt man an der Kathedrale Sé vorbei.
Es ist – wie überall in Portugal – ein romanisches Gebäude, das einer Festung ähnelt. Allerdings wieder einmal auf einer Ebene, also ohne Krypta, gebaut. Innen ist es eine Mischung von verschiedenen Baustilen, weil die Kathedrale beim Erdbeben von 1755 stark beschädigt wurde. Schon in der Kathedrale wird einem klar, wie wichtig der berühmteste Heilige Portugals, der Heilige Antonius von Padua, ist. In Padua hat er zwar gewirkt und ist dort gestorben, aber geboren wurde er in Lissabon, angeblich in einem Haus nur ein Stück unterhalb der Kathedrale. An der Stelle seines Geburtshauses, das beim Erdbeben einstürzte, steht heute eine ihm geweihte Kirche. In der Kathedrale befindet sich links vom Eingang eine Franziskanerkapelle mit dem Taufbecken, in dem er angeblich 1195 getauft wurde. Azulejos zeigen hier seine berühmte Predigt an die Fische. Die Kathedrale ist dem Heiligen Vinzenz geweiht, dessen sterbliche Überreste 1173 von Cabo de São Vicente nach Lissabon überführt wurden. Das Schiff, das seine Überreste nach Lissabon brachte, wurde von zwei Raben bewacht; ein Schiff mit zwei Raben wurde somit zum Symbol von Lissabon. Übrigens ist es derselbe Heilige Vinzenz, der auch der Schutzpatron von Valencia ist, wo er gewirkt und 304 den Märtyrertod erlitten hat. Schon damals sollen seine sterblichen Überreste von Raben vor Geiern bewacht worden sein, damit diese sie nicht zerfetzen und er würdevoll bestattet werden konnte. Bis seine Gebeine von Mauren zerstreut und später von den Christen wieder eingesammelt wurden. Da sowohl Lissabon als auch Valencia Anspruch auf den Heiligen Vinzenz erheben, wird eine seiner Hände in der Kapelle der Auferstehung in der Kathedrale Seu in Valencia aufbewahrt.