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Estremadura II

Portugiesische Könige hatten eine Gabe zum rationalen Denken. Offenbar ermöglichte ihnen die Lage des Landes am Ende der Welt sowie ihr Ruf als Kämpfer gegen den Islam eine eigene Interpretation bestimmter Situationen und erlaubte es, dass die Vernunft über die Ideologie siegen konnte.

            Am 13. Oktober 1307 griff der französische König Philipp IV. der Schöne den mächtigen Templerorden an. Die Ritter in Frankreich wurden verhaftet, gefoltert und hingerichtet, und ihr Hauptsitz – der Tempel in Paris – samt dem dort versteckten Schatz wurde zur Beute des Königs. Am 22. März 1312 löste Papst Clemens V. (der in Lyon als Philipps Geisel lebte) den Orden auf dem Konzil in Vienne auf. Die Anklagen gegen die Mitglieder des Ordens reichten von Sodomie, also in damaliger Wahrnehmung homosexuellen Handlungen, bis hin zu Ketzerei und Teufelsanbetung. Zwei Jahre später, am 18. März 1314, wurde in Paris der Großmeister des Ordens, Jacques de Molay, zusammen mit Geoffroy de Charnay verbrannt. Sein Fluch über den König und das Land brachte Frankreich einige Dekaden später zu einem Zusammenbruch. In ganz Europa wurden die Ordensmitglieder verfolgt und ihre Burgen mit verborgenen Schätzen von lokalen Herrschern beschlagnahmt.

Nicht so in Portugal. Hier saß nämlich zu dieser Zeit der aufgeklärte Herrscher Dionysius (Diniz) auf dem Königsthron, von dem wir bereits wissen, dass er die Universität von Coimbra gegründet hat. Durch die Beschlagnahmung des Eigentums des reichen Ordens hätte er sicherlich zu Geld kommen können, aber was dann? Diniz entschied sich, die Situation völlig anders zu lösen. Er benannte den Templerorden in Christusorden um und ernannte sich selbst zum ersten Großmeister des neuen Ordens. Da an der Spitze des Ordens ein christlicher Herrscher stand (dessen Frau Isabel, wie wir wissen, sogar später heiliggesprochen wurde), ließ der päpstliche Druck zur Ausrottung der ketzerischen Ritter nach. Den Orden unter diesen Umständen der Ketzerei zu beschuldigen, war selbst für den Papst eine zu große Herausforderung, und so wurden durch diesen genialen königlichen Streich aus den Ketzern wieder Kämpfer Christi, die nun sogar den Namen Christi trugen. Weder der Papst noch Philipp IV. hatten das Interesse oder die politische Macht, Diniz dazu zu zwingen, die Templer exemplarisch zu vernichten. So überführte Diniz das Eigentum des Ordens ohne Blutvergießen in seine eigene Verwaltung und behielt darüber hinaus eine Eliteeinheit, die er jederzeit in der Zukunft einsetzen konnte – was später auch geschah, da der Christusorden maßgeblich an der Eroberung von Städten an der nordafrikanischen Küste beteiligt war, wie zum Beispiel Ceuta.

Der monumentale portugiesische Sitz des Templerordens und später des Christusordens befand sich in der Stadt Tomar in der Provinz Estremadura am Fluss Nabão. Im Jahr 1357 wurde Tomar offiziell zum Hauptsitz des neuen Ordens. Das Kloster „Convento de Cristo“ erhebt sich auf einem Hügel über der Stadt und zeugt noch heute von der Macht und dem Reichtum des Ordens. Das Kloster wurde 1160 vom Großmeister des Templerordens gegründet. Die Templer stellten einen sehr wichtigen Teil der portugiesischen Armee dar, die Stück für Stück die Iberische Halbinsel von den Mauren eroberte, und sie wurden für ihre Verdienste mit Land, Burgen und Privilegien belohnt. Wie jedoch die ursprüngliche Burg aussah, können wir nur vermuten; Überreste der ursprünglichen Bauwerke sind nur beim Betreten des Innenhofes erhalten geblieben, und aus der Zeit der Templer stammt auch die Charola, also die Burgkapelle. Das heutige imposante Bauwerk ist das Ergebnis späterer Bauarbeiten. Im Jahr 1418 wurde Prinz Heinrich der Seefahrer zum Großmeister des Ordens und ließ mehrere Kreuzgänge im Konvent anbauen. Die größten baulichen Veränderungen im manuelischen Stil erfuhr das Kloster dann unter der Herrschaft von König Joao III. (das ist derjenige, der der Universität von Coimbra den dortigen Königspalast schenkte und dafür seine riesige Statue im Universitätsinnenhof erhielt).

Wenn man den Klosterhof betritt, beeindruckt einen die riesige Charola, also die Burgkapelle.

Es gibt dort auch ein verziertes Portal im manuelischen dekorativen Stil, den ehemaligen Haupteingang zum Kloster (heute betreten Touristen den Klosterhof durch einen Nebeneingang am anderen Ende des Klosters). Das Juwel dieses Stils, das berühmte „manuelische Fenster“, kann man aus dem großen Kreuzgang bewundern. Angeblich erhielt der Architekt João de Castilho es als „Hausaufgabe“, und anhand des Ergebnisses wollte König Joao entscheiden, ob er den Architekten mit dem Bau des Hieronymus-Klosters in Belém beauftragen könnte. Der König war offensichtlich mit dem Ergebnis zufrieden und João de Castilho erhielt den Auftrag für das Portal des Hieronymus-Klosters. Dieses Fenster, voller Symbolik und filigraner Steinmetzarbeit, ist ein wahrer architektonischer Juwel. Portugal ohne ein Foto dieses Fensters zu verlassen wäre mit Ignorieren der Portweinverkostung gleichzusetzen. Also undenkbar!

Es enthält alle Symbole des portugiesischen Reichtums, von den Sphären, die von Seefahrern auf Entdeckungsreisen verwendet wurden, über das Kreuz bis hin zum Wappen der portugiesischen Könige, die, wie bereits erwähnt, Großmeister des Ordens waren – es sei denn, sie delegierten diese Funktion an einen ihrer Söhne, wie es König Joao zugunsten seines Sohnes Heinrich des Seefahrers tat. Das Kloster hat bis zu fünf Kreuzgänge, jeder größer und schöner als der andere. Unter dem Gewölbe des ersten und ältesten sind die Ritter des Templerordens begraben. Dieser Gang grenzt direkt an die Klosterkapelle, die sich monumental über ihm erhebt.

Die Charola selbst stammt aus dem zwölften Jahrhundert, ihre Dekoration ist jedoch aus dem sechzehnten Jahrhundert und ist beeindruckend. Es ist ein hoher, runder Bau mit reicher Verzierung. In der Mitte befindet sich ein inneres Bauwerk mit Fresken, architektonischen Verzierungen und natürlich Symbolen – überall sind Sphären neben Templerkreuzen und das portugiesische Wappen darf natürlich auch nicht fehlen – in diesem Orden verschmolzen die weltliche und kirchliche Macht des portugiesischen Königs.

Die Stile der Kreuzgänge reichen von frühgotisch bis hin zur Renaissance, was zeigt, dass das Kloster über mehrere Jahrhunderte hinweg gebaut und vor allem, dass beim Bau nicht gespart wurde.

Das Städtchen Tomar selbst ist reizend, mit einem großen Park am Ufer des Flusses Nabão, mit der Kirche Johannes des Täufers am Hauptplatz und der Renaissance-Basilika Nossa Senhora da Conceição auf dem Hügel unterhalb des „Convento de Cristo“. Zwischen dem Kloster und der Stadt liegt der Klostergarten „Mata Nacional dos Sete Montes“, also „Nationalwald der sieben Hügel“. Wer länger in Tomar verweilen möchte, kann dort spazieren gehen. Danach kann man auch das kuriose „Streichholzmuseum“ mit 43.000 verschiedenen Streichholzschachteln mit den unterschiedlichsten Motiven, von Dinosauriern bis hin zu nationalsozialistischer Propaganda, sowie das jüdische Museum in der ehemaligen Synagoge besuchen, die bis 1497 als jüdisches Gebetshaus diente, als die Juden gezwungen wurden, Portugal zu verlassen. Später wurde das Gebäude als Gefängnis genutzt.

Interessant – besonders im Zusammenhang mit der Anwesenheit der Templer in dieser Gemeinde – ist das Fest „Festa dos Tabuleiros“, das alle vier Jahre stattfindet. Es ist eine Feier der Fruchtbarkeit des Landes und hat wahrscheinlich heidnischen Ursprung. Bei diesem Fest tragen weiß gekleidete Mädchen hohe Gebilde aus Brot und Blumen auf ihren Köpfen – dieses Symbol ziert auch einen der Kreisverkehre im Städtchen – offenbar, um Besuchern eine Vorstellung davon zu geben, worum es geht.

Bevor wir Estremadura verlassen, müssen wir natürlich nach Fátima. Es ist der berühmteste Wallfahrtsort in Portugal, vergleichbar mit Lourdes in Frankreich oder Tschenstochau in Polen. Im Jahr 2023 besuchten diesen Ort 6,8 Millionen Pilger – mir ist nicht klar, wie sie gezählt wurden, wir wurden nirgendwo registriert, und ich befürchte also, dass Tagesbesucher nicht in den Statistiken auftauchen. Am 13. Mai und 13. Oktober sollen sich hier angeblich bis zu eine Million Menschen gleichzeitig aufhalten. Ein Ort, an dem sich früher Fuchs und Hase „Gute Nacht“ sagten, wurde im Jahr 1917 berühmt. Am 13. Mai 1917 erschien in einer Eiche drei Hirtenkindern, der zehnjährigen Lúcia dos Santos und ihren Cousins Francisco und Jacinta Marto eine strahlende Gestalt, und versprach, in den nächsten sechs Monaten immer am 13. zu erscheinen. Am 13. Oktober 1917, als die letzte Erscheinung stattfinden sollte, kamen 70.000 Gläubige. Sie wurden Zeugen des Sonnenwunders, bei dem sie direkt in die Sonne blicken konnten und sie als silberne Scheibe sahen, die sich wie ein Feuerrad drehte, und Lúcia erhielt von der Erscheinung drei Geheimnisse. Zwei dieser Geheimnisse schrieb Lúcia 1941 auf (Francisco und Jacinta starben 1919 an der Spanischen Grippe) und sie wurden auch veröffentlicht. Das dritte schrieb Lúcia, die Nonne geworden war, 1944 nieder und es wurde dem Papst versiegelt übergeben mit der Anweisung, es nicht vor 1960 zu veröffentlichen. Johannes XXIII. hatte jedoch kein Interesse an einer Veröffentlichung und so musste es bis zum Jahr 2000 warten. Theologen streiten bis heute über die genaue Interpretation dieser Geheimnisse. Sie sind sich weitgehend einig, dass die erste Vision eine Höllenvision ist und die zweite eine Kriegsvorhersage.

Papst Johannes Paul II. – selbst ein großer Verehrer des Marienkults – interpretierte das dritte, versiegelte Geheimnis als Hinweis auf das Attentat, das 1981 von Mehmed Ali Ağca auf ihn verübt wurde. Da das Attentat am 13. Mai, dem Fest der Jungfrau von Fátima, stattfand, war der Papst überzeugt, dass die Erscheinung von 1917 tatsächlich von dem Attentat auf ihn sprach und dass die Jungfrau Maria ihn damals vor dem Tod bewahrte. Diese Interpretation wurde im Juni 2000 offiziell von Kardinal Joseph Ratzinger, dem späteren Papst Benedikt XVI., veröffentlicht. Bereits einen Monat zuvor hatte Johannes Paul II. bei seinem Besuch in Fátima Jacinta und Francisco seliggesprochen. (Lúcia hatte das Pech, dass sie noch lebte; sie starb erst 2005 im gesegneten Alter von 98 Jahren und empfang daher weder die Selig- noch die Heiligsprechung.)

Papst Johannes Paul II. besuchte 1983 seinen Attentäter im Gefängnis und dieser fragte ihn wiederholt, welche Königin den Papst vor dem Tod bewahrt habe. Für Johannes Paul war dies ein weiterer Beweis, dass die Jungfrau Maria 1917 von ihm sprach. Zum ersten Mal kam er genau ein Jahr nach dem Attentat am 13. Mai 1982 nach Fátima, und die Kugel, die ihn damals traf, ist in der Krone der Marienstatue aufbewahrt, die sich in der Erscheinungskapelle befindet. Diese wird zu feierlichen Messen in die große „Rosenkranzbasilika“ gebracht, die sich am unteren Ende des riesigen Platzes befindet.

Dieser Platz ist größer als der Petersplatz in Rom. Da die Basilika nicht genug Kapazität hatte (übrigens fand auch die Messe, an der wir teilnahmen, aufgrund des schönen Wetters auf dem Platz vor der Basilika statt), wurde am oberen Ende eine moderne neue Basilika „Allerheiligste Dreifaltigkeit“ in Kreisform mit einer Kapazität von 9.000 Gläubigen erbaut und 2007 geweiht.

Die Kirche der Allerheiligsten Dreifaltigkeit

Das Kreuz über dem Altar ist etwas avantgardistisch – Christus scheint gerade vom Kreuz herabzusteigen, um die Welt zu retten.

Rund um die Kirche der Allerheiligsten Dreifaltigkeit stehen Statuen der Päpste, die eine besondere Beziehung zu Fátima hatten. Neben Johannes Paul II., der natürlich nicht fehlen darf (er war insgesamt dreimal in Fátima, das zweite Mal 1991 zum zehnten Jahrestag des Attentats auf ihn),

sind dort auch Paul VI. und Pius XII. sowie der Bischof von Leiria, José Alves Correia da Silva, der die Glaubwürdigkeit der Erscheinung untersuchte und sie 1930 als echt anerkannte, dargestellt.

Die drei Hirtenkinder, die das Wunder sahen, sind in der Rosenkranzbasilika begraben, und das Wunder der Erscheinung ist auf den Glasfenstern der Basilika dargestellt. Die Erscheinungskapelle, in der die Marienstatue aufbewahrt wird, befindet sich auf der linken Seite des Platzes.

Ein Weg führt vom oberen Ende des Platzes zur Kapelle, den Gläubige auf Knien zurücklegen können.

Es sind mehrere hundert Meter, bis sie die Kapelle erreichen und sie auf Knien umrunden können. Die anderen Gläubigen werden durch Absperrungen auf Abstand gehalten. Gleich nebenan werden Kerzen verbrannt, und zwar auf eine Weise, die ich noch nie gesehen habe. Gläubige mit gekauften Opferkerzen stehen in einer endlosen Reihe, um diese Kerzen dann ins lodernde Feuer zu werfen.

Natürlich hat die Kommerzialisierung Fátima vollständig erobert. Souvenirläden, Restaurants und Hotels haben das einst verlassene Dorf in einen touristischen Hotspot verwandelt.

Die Hotelpreise sind für portugiesische Verhältnisse hoch, und im Jahr 2017, als Papst Franziskus anlässlich des 100. Jubiläums des Fátima-Wunders den Ort besuchen sollte, stiegen die Preise für eine Nacht auf bis zu tausend Euro. Als der Papst von diesen Wucherpraktiken erfuhr, war er so verärgert, dass er drohte, nicht nur nicht zu kommen, sondern auch, den Wallfahrtsort aus dem Bund der Orte der Marienerscheinungen zu streichen (dazu gehören noch Altötting in Deutschland, Einsiedeln in der Schweiz, Loreto in Italien, Lourdes in Frankreich, Mariazell in Österreich und Tschenstochau in Polen).

Die Preise sollen danach auf ein normales Niveau gesunken sein, Papst Franziskus kam und erklärte Jacinta und Francisco für heilig. Der Besuch in Fátima war auf jeden Fall ein Erlebnis. Ich bin kein großer Anhänger der Vorstellung, dass die Jungfrau Maria wie auf einer Tournee um die Welt reist und sich den Menschen offenbart, um ihnen etwas mitzuteilen oder ihre persönlichen Probleme zu lösen, wie in Šaštín in der Slowakei. Die Frage ist, ob das besondere Flair des Ortes von den Massen der Pilger, die an Wunder glauben, oder vom Wunder selbst und dem Ort, an dem es angeblich geschah, erzeugt wird.

Diese Beurteilung überlasse ich allerdings meinen Lesern.

Estremadura

Estremadura ist keine Stadt, sondern ein Gebiet. Es ist eine Region südlich des Flusses Douro und hat daher auch ihren Namen. Hier gibt es keine großen Städte, dafür aber umso mehr Sehenswürdigkeiten und wahre Schätze der portugiesischen Architektur. Und es ist wunderschön. Im Norden Portugals findet man kaum ein Stück flaches Land, alles ist hügelig und grün, und dazwischen verstecken sich Städtchen und Klöster.

Wir begann unseren Besuch in der Stadt Obidos. Nachdem Afonso Henriques diese Stadt erobert hatte, ließ er sie mit Mauern umgeben – mit vielen maurischen Elementen, die er als praktisch empfand, wie zum Beispiel Zinnen. Diese Mauern sind in ihrer gesamten Ausdehnung, einschließlich der Burg, die der erste portugiesische König hier errichten ließ, bis heute erhalten geblieben – auch wenn die Burg nur noch deshalb steht, weil sich dort eine Pousada, also ein Gasthaus, befindet.

Das Städtchen hat seinen mittelalterlichen Charakter bewahrt und weiß diesen auch bestmöglich zu nutzen. Besonders sollte man hier den Grinja probieren, sonst ist der Besuch der Stadt ungültig. Es ist ein Kirschlikör, der in Schokoladenbechern serviert wird, die man anschließend essen muss.

Das Städtchen hat die Kirche Santa Maria, in der 1441 der spätere portugiesische König Afonso V., damals zehn Jahre alt, seine achtjährige Cousine – wieder einmal Isabel – heiratete.

Vor der Kirche befindet sich ein Pranger mit dem Motiv eines Fischernetzes. Diesen Pranger schenkte die Königin Leonor, die Frau von König Johann II., der Stadt, nachdem ihr Fischer ihren ertrunkenen Sohn im Netz gebracht hatten, den sie vergeblich zu retten versucht hatten. Obidos lag damals nämlich am Ufer einer Meeresbucht, die mittlerweile vollständig verschlammte, heute liegt das Städtchen im Landesinneren.

Zum Meer sind wir trotzdem gekommen, und zwar in der Stadt Nazaré. Die Stadt hat zwei Teile. Der alte Teil liegt auf einer 110 Meter hohen Klippe über dem Atlantik, von wo aus man eine wunderbare Aussicht hat.

Auf der Klippe befindet sich die Ermida da Memória. Hier soll im Jahr 1182 die Jungfrau Maria den lokalen Edelmann Fuas Roupinho auf wundersame Weise gerettet haben, als er im Nebel einem Hirsch nachritt, der von der Klippe stürzte. Dieses Wunder ist in der Kirche Nossa Senhora da Nazaré dargestellt. Dort befindet sich auch das örtliche Wahrzeichen, eine Statue der Jungfrau Maria, die angeblich ein Mönch im vierten Jahrhundert aus Nazareth gebracht hat und der Stadt ihren Namen gab. Wie überall wissen die Einheimischen den Touristenstrom kommerziell zu nutzen. Auf der Klippe stehen Dutzende Stände mit Trockenfrüchten und verschiedenen Kernen, die von älteren Damen in Miniröcken verkauft werden. Nein, meine Herren, es geht nicht um Sexappeal, die Röcke haben sieben Schichten, die Damen sind schon ziemlich alt und tragen Kniestrümpfe, aber umso fröhlicher erleben sie ihren Tag. Sie tanzten, sangen – ich vermute jedoch, dass sie das nur taten, um mehr von ihren Waren zu verkaufen.

Unten in der Stadt gibt es einen langen und breiten Strand, wo Surf-Wettbewerbe stattfinden – der Atlantik kann riesige Wellen erzeugen, die für normale Touristen, die nur schwimmen wollen, auch gefährlich sein können. Entlang des Strandes gibt es eine Promenade mit vielen Restaurants. Wir haben in einem Restaurant mit dem verheißungsvollen Namen „El Pescador“ Fisch gegessen und wurden nicht enttäuscht. Ob Goldbrasse (Dorade) oder Kabeljau (Bacalau), beides war hervorragend. Kabeljau ist übrigens in Portugal ein Nationalgericht. Ich scherzte in Anspielung an eine uralte Werbung aus der kommunistischen Tschechoslowakei, dass „Kabeljau auf hundert Arten, immer lecker und kalorienarm“ angeboten sei, bis man mir sagte, dass Kabeljau in Portugal nicht auf hundert, sondern auf 365 Arten zubereitet wird – also für jeden Tag des Jahres auf eine andere Weise. Na gut, man muss nicht alles ausprobieren.

Die Hauptattraktion der Region Estremadura sind jedoch die religiösen Stätten – es war schließlich ein Gebiet, das den Mauren in blutigen Kämpfen entrissen wurde und im Namen des Herrn neu besiedelt werden musste.

Nahe beieinander stehen zwei Klöster, beide wunderschön, beide der Jungfrau Maria geweiht und doch völlig unterschiedlich. Das liegt daran, dass ihre Errichtung zweihundert Jahre auseinanderliegt. Das erste wurde logischerweise im romanischen Stil erbaut, das zweite ist ein Beispiel der Hochgotik.

Das erste, „Santa Maria de Alcobaca“, wurde 1153 von König Afonso Henriques nach seinem Sieg über die Mauren bei Santarém gegründet.

Er rief die Zisterzienser ins Land, was damals in ganz Europa üblich war. Die Zisterzienser hatten dank ihrer hervorragenden Organisation und der jährlichen Treffen aller Äbte Im Zentrum des Ordens in Cluny die besten Informationen über die politischen Geschehnisse auf dem Kontinent, beherrschten die Diplomatie und dienten meist als Berater und engste Mitarbeiter der Herrscher aller europäischen Länder. Üblicherweise wurden diese Klöster in unmittelbarer Nähe der Residenzstädte errichtet. Bei Prag war es Zbraslav, bei Graz das Kloster Rein und bei Wien Heiligenkreuz. Aus dieser Perspektive ist die Lage des Klosters in Alcobaca einzigartig, denn weit und breit gab es kein königliches Anwesen, und auch nach Coimbra war es für damalige Verhältnisse recht weit. Die Mönche konnten sich also ungestört der Christianisierung der Bevölkerung widmen, ohne durch die Beratung des Königs abgelenkt zu werden. Offenbar hatte Afonso Henriques, genannt der Eroberer, in seinem heiligen Kampfesgeist keine Notwendigkeit, sich beraten zu lassen. Es dauerte siebzig Jahre bis 1223, bevor die Mönche in das Kloster einziehen konnten. In den besten Jahren des Klosters lebten hier angeblich 999 Mönche, was man sich kaum vorstellen kann. Dieser Zahl entspricht jedoch sowohl die riesige Küche als auch die noch viel größere Speisekammer. Der Wasserzulauf zur Küche wurde clever gelöst. Da das Wasser direkt aus dem Fluss, der das Grundstück durchquert, geleitet wurde, schwammen auch Fische in das Wasserbecken, das zum Spülen des schmutzigen Geschirrs vorgesehen war – eine willkommene Bereicherung des Speiseplans, besonders während der Fastenzeit. Das Bauwerk ist riesig, die Stadt drumherum entstand erst nach dem Kloster als „Versorgungseinheit“ des Ordens. Der aufgeklärte König Dinis, über den wir schon viel gesprochen haben, ließ im Kloster einen Kreuzgang errichten. Die größten Attraktionen des Klosters sind die Sarkophage von Pedro I. und seiner Geliebten Ines de Castro, deren Liebesgeschichte ich im Artikel über Coimbra beschrieben habe.

Sie sind aus weißem Marmor (Portugal ist nach Italien der größte Produzent dieses wertvollen Steins in Europa; in der Umgebung der Stadt Estremoz werden jährlich etwa 500.000 Tonnen dieses wertvollen Steins in den Farben Weiß, Rosa und Grün abgebaut) und überstanden mit nur geringem Schaden sogar die Plünderungen der französischen Soldaten zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Die reich mit Skulpturen geschmückten Sarkophage sind einander gegenüber ausgerichtet, und beide Liebenden liegen mit den Füßen zueinander. So wird das Erste, was Pedro am Tag des Jüngsten Gerichts sehen würde, das Gesicht seiner Geliebten sein. Es war offensichtlich wirklich Liebe über den Tod hinaus. Dabei helfen ihnen Engelchen: Sowohl Pedro als auch Ines werden von je sechs kleinen Engeln gehalten, die die Toten am Tag des Jüngsten Gerichts aus ihren Gräbern erheben sollen.

Das zweite Kloster, diesmal ein Dominikanerkloster, ist Santa Maria da Vitória und befindet sich an einem Ort namens Batalha, was auf Portugiesisch Schlachtfeld bedeutet.

Das ist kein Zufall. Im Jahr 1383 starb Ferdinand I., genannt der Schöne, der Sohn von Pedro I. und mit ihm erlisch die burgundische Königsdynastie. Für kurze Zeit herrschte seine Witwe Leonore Teles de Menezes mit ihrem Liebhaber, doch bereits nach sechs Wochen stürzten sie die portugiesischen Adligen und riefen Ferdinands Halbbruder Johann von Avis zum König aus. Wie ich schon berichtet habe, Pedro I. hat nach dem Tod von Ines nie geheiratet, zeugte allerdings mit seiner Geliebten Teresa Lourenco einen Sohn namens Joao, also Johann. Das wollte der kastilische König Juan, der mit Ferdinands Tochter Beatrix verheiratet war, nicht akzeptieren. 1384 belagerte er vergeblich Lissabon, ein Jahr später zog er mit einer großen Armee von 30.000 Soldaten ins Land, verstärkt durch die französische Kavallerie, die damals als die beste der Welt galt.

João von Avis hatte nur 7000 Soldaten zur Verfügung, jedoch unter der Führung des genialen Generals Nuno Álvares de Pereira. João bat in seinen Gebeten die Jungfrau Maria um Hilfe, wollte sich aber offensichtlich nicht nur auf sie verlassen. Deshalb mietete er 1000 englische Bogenschützen – England war seit 1290 dank König Diniz ein enger Verbündeter Portugals. Die Truppen trafen bei Aljubarrota aufeinander, und Nuno Álvares entschied sich, die bewährte englische Defensivtaktik anzuwenden, mit der die Engländer die Schlachten von Crécy 1346 und Poitiers 1356 gewonnen hatten. Die portugiesischen Ritter stiegen von ihren Pferden ab und stellten sich zwischen die Bogenschützen, um sie vor den französischen Rittern zu schützen. Die angreifenden französischen Reiter gerieten in einen Regen englischer Pfeile und erinnerten sich wohl daran, was ihnen ihre Väter, die das ebenfalls erlebt hatten, darüber erzählt hatten. Ich stelle mir die Panik in ihren Reihen vor, als ihnen klar wurde, dass „diese englischen Teufel wieder da waren.“ Sie wandten sich in panischer Flucht ab, trampelten dabei die kastilischen Einheiten hinter ihnen nieder und setzten sie so schutzlos und demoralisiert dem Angriff des portugiesischen Heeres aus. Die Schlacht dauerte eine halbe Stunde, am Ende gab es 8000 tote und 5000 gefangene Spanier und das Ende der Versuche des kastilischen Königs Juan, seinen portugiesischen Namensvetter zu stürzen. Dieser kaufte sich dann beim Papst die eheliche Herkunft (der Papst entdeckte irgendwie, dass Pedro tatsächlich mit João’s Mutter Teresa verheiratet war, oder er vermählte sie möglicherweise nachträglich, billig war das jedenfalls nicht) – und João, also Johann I., konnte eine neue Königsdynastie gründen. Zur Erinnerung auf seinen Sieg gründete er in der Nähe des Schlachtfeldes ein prächtiges Kloster. Es ist ein großartiges Bauwerk im Stil der Hochgotik, ganz anders als das Kloster in Alcobaça. Das neue Kloster wurde auch zur Begräbnisstätte der neuen Königsdynastie; hier sind nicht nur João I., sondern auch seine Nachkommen, König Duarte und sein weiterer Sohn Heinrich der Seefahrer, begraben.

Das Grabmal von Heinrich dem Seefahrer

Nur der erstgeborene Alfons, der im Alter von zehn Jahren starb, liegt in der Kathedrale der Stadt Braga.

Vor dem Kloster steht eine große Reiterstatue des genialen Feldherrn Nuno Álvares de Pereira, zu meiner großen Überraschung ist er ein portugiesischer Heiliger. Es gibt offenbar nicht viele heilige Generäle auf der Welt, insbesondere solche, die für den Tod von achttausend Menschen verantwortlich sind, aber Nuno ist eine Ausnahme. Angeblich wollte er nie General werden, sondern ein Mönch, aber das Pflichtgefühl gegenüber dem Vaterland trieb ihn auf das Schlachtfeld. Nach dem Tod seiner Frau konnte er schließlich in den Karmeliterorden eintreten und dort in Lissabon wirken. Er wurde 2009 von Papst Benedikt XVI. heiliggesprochen.

Nuno Alvarez de Pereira

Das Kloster ist ein schönes Beispiel der Spätgotik mit vielen Türmchen und Zierelementen. Wenn man das Gefühl hat, in England zu sein, ist das nicht unbegründet, denn die Architekten kamen ebenso wie die Bogenschützen und die Gattin von König João I. aus England. Das Bauwerk wurde während der gesamten Lebenszeit von João I. und noch zu Lebzeiten seines Sohnes König Duarte I. errichtet. Dieser versuchte, neben dem Kloster ein königliches Pantheon zu errichten, aber mit seinem Tod wurden die Arbeiten an dieser Kapelle gestoppt. König Manuel I. ließ die Arbeiten zugunsten des Hieronymus-Klosters in Belém endgültig einstellen, sodass diese Kapelle unvollendet blieb.

Unvollendete Kapellen Königs Duarte

Der Name König Duartes ist auch etwas ungewöhnlich, und ich verstand ihn erst, als ich herausfand, dass es die portugiesische Form des Namens Eduard ist und dass seine Mutter, wie bereits erwähnt, eine Engländerin war. João I. heiratete als Ausdruck der Dankbarkeit für die englische Hilfe Philippa von Lancaster – beide sind in der Gründungskapelle des Klosters gemeinsam in einem Marmorsarkophag begraben, der jedoch der Steinmetzarbeit von Pedros und Inês de Castro nicht konkurrieren kann. Die Sarkophage der anderen hier begrabenen Mitglieder der königlichen Familie, wie beispielsweise Joãos Sohn, der berühmte Heinrich der Seefahrer, sind zwar prächtiger, aber sie mussten sich mit Plätzen in den Nischen entlang der Wände der Kapelle begnügen, während João und Philippa ihr Grab in der Mitte haben und der Sarkophag mit Joãos Motto „por bem“ verziert ist, was „zum Wohle“ bedeutet.

Das Grabmal von Joao I und Filippa von Lancaster

Das Kloster verkörpert tatsächlich die Bedeutung des Kampfes für die Entwicklung eines unabhängigen Portugals. Im Kloster Santa Maria da Vitória befindet sich im ehemaligen Kapitelsaal das Grab des unbekannten Soldaten. Die Portugiesen nahmen zwar nur mit einem Expeditionskorps am Ersten Weltkrieg und am Zweiten überhaupt nicht teil, da sie wie das benachbarte Spanien neutral blieben. Aber in den Kolonialkriegen in Angola und Mosambik, die mit unglaublicher Grausamkeit geführt wurden, fielen viele portugiesische Soldaten, weshalb sie an diesem heiligen Ort der portugiesischen Militärgeschichte geehrt werden.

Der Grab des unbekannten Soldaten

Philippa von Lancaster war sehr fruchtbar und schenkte João acht Kinder. Das hinderte den lebhaften König jedoch nicht daran, auch mehrere uneheliche Kinder zu zeugen – zur Freude Portugals, da einer seiner unehelichen Söhne, Alfons, der erste Herzog von Braganza, der Stammvater der späteren portugiesischen Königsdynastie werden sollte, wenn auch erst in der achten Generation. João wurde angeblich einmal im Palast von Sintra ertappt, wie er eine Hofdame küsste. Da dies natürlich das Hauptthema der Palastklatschereien wurde, ließ er an die Decke des betreffenden Raumes 165 Elstern malen, da es so viele Hofdamen im Palast gab.

Doch die Kinder, di er mit Inês Pires hatte, beweisen, dass an jedem Gerücht ein Körnchen Wahrheit sein könnte. Es gibt halt keinen Rauch ohne Feuer.

Das nächste Mal bleiben wir noch in der Region Estremadura.

Coimbra

In Coimbra wird also studiert. Schon lange, genauer gesagt seit dem Jahr 1308. Der Übeltäter war ein aufgeklärter König mit dem für Portugal eher untypischen Namen Diniz (Dionysius), der die Universität zwar 1290 in Lissabon gründete, sie aber achtzehn Jahre später in das ruhigere Coimbra verlegte. Im Jahr 1338 verlegte sie einer der vielen Alfonsos auf dem portugiesischen Thron, der problematische Alfonso IV., von dem wir noch sprechen werden, zurück nach Lissabon, aber 1537 machte König Joao alias Johann III. (von Johanns, Alfonsos und Pedros wimmelt es geradezu in der Genealogie der portugiesischen Könige, andere Namen sind eher die Ausnahme) dem Umzug ein Ende und verlegte die Hochschule endgültig zurück nach Coimbra. Und 1544 schenkte er der Universität den königlichen Palast auf dem Gipfel des Hügels, auf dem Coimbra erbaut ist – als Zeichen des Dankes steht seine große Statue im Hof der Universität.

Diese Universität ist immer noch groß und hier studieren Zehntausende von Studenten, im Rahmen des Erasmus-Programms studierte hier auch der Sohn meines Freundes Jindřich Sobotka, Martin – zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich von ihm zum ersten Mal in meinem Leben von der Stadt Coimbra gehört habe. Coimbra hat 141.000 Einwohner und liegt am Fluss Mondego – wieder an einem richtigen Strom, im Gegensatz zu den ausgetrockneten spanischen Flüssen gibt es in den portugiesischen Strömen nämlich reichlich Wasser. Coimbra existierte zwar schon in römischer Zeit, aber die Stadt überlebte die Invasion der Sueben im Jahr 409 nicht und musste neu gegründet werden. Im Jahr 1131 schlug ihre Sternstunde. Graf Afonso Henriques, beeindruckt vom Sieg in der Schlacht von Ourique über die vereinte Armee von fünf maurischen Fürsten (die sich auf dem Schlachtfeld allerdings mehr untereinander gestritten als mit der relativ kleinen angreifenden christlichen Armee gekämpft haben), verlegte die Hauptstadt seines Landes von Guimaraes nach Coimbra. Im selben Jahr gab er den Befehl zum Bau des Klosters Santa Cruz, obwohl in der Stadt seit 1064 eine Kathedrale bereits gebaut wurde. Diese wurde jedoch erst im Todesjahr von Afonso Henriques 1185 fertiggestellt, sodass hier sein Sohn Sancho I. gekrönt werden konnte. Beide – Vater und Sohn – sind jedoch in der Kirche des Klosters Santa Cruz begraben. 1139 wurde Afonso Henriques so übermütig, dass er sich selbst zum König ausrief und sich krönen ließ. Damit verärgerte er zwar den leonischen König Alfonso sehr, aber letztendlich mussten sich die Spanier mit dieser Tatsache abfinden. Die feierliche Krönung des ersten portugiesischen Königs fand also in Coimbra statt.

Coimbra blieb die Hauptstadt bis zum Jahr 1246, als sie dem strategisch günstiger gelegenen Lissabon weichen musste. Der aufgeklärte König Diniz, der unter anderem auch für den ersten Freundschafts- und Handelsvertrag mit England aus dem Jahr 1294 verantwortlich war, der weitreichende Auswirkungen in der Geschichte Portugals haben sollte, die bis heute spürbar sind, versuchte, die Frustration der ehemaligen königlichen Metropole wenigstens dadurch zu mildern, dass er hier 1308 die Hochschule ansiedelte. Die Statue des Königs steht vor dem Universitätskomplex, der jedoch seinen Ausbau während der faschistischen Diktatur Salazars erlebte, sodass die Gebäude im Stil des sozialistischen (oder faschistischen) Realismus mit entsprechenden Skulpturen gestaltet sind. Übrigens studierte Antonio Salazar selbst an der Universität in Coimbra Wirtschaft und wollte ihr wohl auf diese etwas kontraproduktive Weise seine Dankbarkeit und Ehrfurcht erweisen. Dieser kleine Platz mit der Statue von Diniz befindet sich neben dem imposanten Aquädukt des heiligen Sebastian, das die Stadt mit Trinkwasser versorgte.

Das historische Zentrum der Universität ist allerdings sehenswert. Der Innenhof hat die Form eines offenen U mit Blick auf die umliegende Landschaft über dem Fluss Mondego, und die Innenräume sind natürlich königlich. In dem Raum, in dem die Könige gekrönt wurden, der „Sala Grande dos Actos“, finden heute die Abschlussfeiern der Studenten statt.

Die Bedeutung dieses Saals wird durch die Porträts der portugiesischen Könige, die die Wände schmücken, hervorgehoben. Er sieht also sehr prächtig aus. Die Besichtigung des Universitätsgebäudes ist ein schönes Erlebnis, aber der absolute Höhepunkt ist der Besuch der Bibliothek „Biblioteca Joanina“.

Biblioteca Joaninna

Diese ließ König Johann V. im Jahr 1717 erbauen (regierte von 1706 bis 1750). Es war gerade die Zeit, als in der portugiesischen Kolonie Brasilien große Goldvorkommen entdeckt wurden, und die Bibliothek sieht auch dementsprechend aus. Das Fotografieren ist dort streng verboten und unsere Führerin Christina bat uns so eindringlich, dieses Verbot einzuhalten, dass ich der Versuchung widerstand. Wie viele Bücher sich in der Bibliothek befinden, ist immer noch unsicher, meist wird die Zahl 300.000 genannt. Natürlich sind nicht die Bücher die größte Attraktion, sondern die Bibliothek selbst mit ihren holzgeschnitzten und vergoldeten Wänden und natürlich dem Porträt von König Johann V., der sich dort 1730 verewigen ließ.

Gleich neben der Bibliothek befindet sich die Kapelle des Erzengels Michael, der aufgrund der Kriegsgeschichte Portugals sehr verehrt wird. Die Kapelle ist klassisch mit blau-weißen Azulejos-Kacheln verziert und hat einen Altar, der interessant ist. Zumindest bis man feststellt, dass ähnliche Altäre in Nordportugal überall zu finden sind – in Form einer gestuften Pyramide. Die Universität selbst ist ein Mix aus architektonischen Stilen, vom gotischen Portal der Kapelle des heiligen Michael (im manuelischen Gothikstil, über den wir noch viel erzählen werden, und mit einem Altar, der mit den typischen portugiesischen Kacheln Azulejos verziert ist) über Renaissancehöfe und -säle bis zur Via Latina aus dem 18. Jahrhundert. Das Symbol der Universität, aber auch der Stadt, ist jedoch der Glockenturm (er ragt tatsächlich am höchsten über die Stadt hinaus und ist von überall zu sehen), der drei Glocken hat. Die bekannteste davon ist die „Cabra“, was „Ziege“ bedeutet. Angeblich wegen des Klangs, den sie erzeugt und der an das Meckern einer Ziege erinnert. Leider hatten wir keine Möglichkeit, das zu beurteilen, da sie während unseres Besuchs nicht geläutet hat. In den Bereich der alten Universität gelangt man durch das „Eiserne Tor“ „Porta Férrea“, das mit Statuen geschmückt ist, die das kanonische und zivile Recht sowie die Medizin und Literatur darstellen – das waren die Fächer, die hier bis 1770 studiert wurden, bevor der berühmte Reformator Marquis de Pombal (mit dem wir uns in Lissabon beschäftigen werden) die Studiengänge erheblich erweiterte.

Aber Coimbra ist nicht nur die Universität. Da die Stadt auf einem steilen Hügel liegt, ist es jedoch fast schneller, sich zu Fuß als mit dem Auto oder Bus zu bewegen. Wo der Bus auf den städtischen Straßen, die Bergserpentinen ähneln, einen Kilometer zurücklegen muss, sind es zu Fuß fünfzig Meter, allerdings bergauf.

Die Hauptgeschäftsstraße ist die „Rua da Fonte Nova“, die am „Praça da República“ beginnt, mit einer großen Statue des Reformers, der für das Verbot der Ordensgemeinschaften im Jahr 1834 verantwortlich war, dessen Name ich jedoch leider vergessen habe (ich wäre dankbar, wenn mir jemand diese Information geben könnte), der ebenfalls Absolvent der örtlichen Universität war und am Platz des 8. Mai vor der Kathedrale des Heiligen Kreuzes endet.

Kathedrale Santa Cruz

Das Gebäude ist zwar wieder einmal romanisch (ohne Krypta und mit einem gewölbten Dach), die Dekoration stammt jedoch aus der Zeit Königs Manuel, ebenso wie der „Claustro o Silencio“, also der Kreuzgang, und der Altarbereich, wo die ersten beiden portugiesischen Könige Afonso Henriques und Sancho begraben sind. Beeindruckend ist der Chor mit den vergoldeten Stühlen für prominente Besucher, die Sitze sind mit Wappen sowie dem unverzichtbaren Navigationsinstrument – Sphären, mit denen die Portugiesen die Weltmeere erkundeten und die in Portugal heiligen Status haben – verziert. Vom Kreuzgang kann man zum „Sanctuarium“ hinaufsteigen, wo eine große Anzahl von Reliquien der Heiligen aufbewahrt wird. Auf der einen Seite neben der Kirche befindet sich das Rathaus, auf der anderen Seite jedoch ein viel interessanteres Café mit gotischer Decke, das allein deshalb einen Besuch wert ist. Vor dem Café haben wir Kaffee getrunken und Fado gehört, die typische melancholische portugiesische Musik. Die Portugiesen lachen selten (wenn überhaupt, ich habe während der gesamten Zeit unserer Reise keinen lachenden Portugiesen gesehen) und ihre typische emotionale Verfassung ist „Saudade“, was etwas zwischen Melancholie und Depression ist. Die Musik war schön, aber Achtung, in Coimbra drückt man Anerkennung für Musiker nicht durch Applaus aus, sondern durch leises Husten. Da ich kein Portugiesisch kann, konnte ich die Unterschiede zwischen dem Fado aus Lissabon und dem Fado aus Coimbra nicht erkennen; die Lieder aus Coimbra sollen aufgrund der Universitätstradition angeblich viel intellektueller sein.

Während meine Frau auf der „Rua da Fonte Nova“ einkaufen ging, wurde ich von dem Tor „Torre de Almedina“ angelockt und machte mich auf den Weg in die Altstadt. Ich bereute es keine Sekunde, gleich hinter dem Tor wurde ich buchstäblich von einer Statue, die einen weiblichen Akt in Form einer Zither darstellt, ins Herz getroffen.

Vor Ort verliebte ich mich und es fiel mir schwer, weiterzugehen und zur „Sé Velha“, also zur alten Kathedrale, zu gelangen. Sie ist für Portugal typisch, eine an eine Festung erinnernde romanische Konstruktion.

Der etwas düstere Innenraum wird durch einen Altar aus dem Jahr 1502 belebt, der die Geburt Christi, seine Himmelfahrt und die Himmelfahrt der Jungfrau Maria darstellt. Dieser und der Altar im Querschiff sind wiederum Werke der manuelischen Epoche, in der in Portugal weder an Geld noch an Gold gespart wurde. Der Kreuzgang ist dagegen ziemlich schlicht. Am schönsten sind jedoch die Weihwasserbecken – es sind riesige Muscheln, die aus einer der portugiesischen Kolonien mitgebracht wurden.

Coimbra hat zwei Kathedralen. Die neue Kathedrale, hoch oben auf dem Hügel neben der Universität, war ursprünglich eine Jesuitenkirche und wurde nach dem Verbot des Jesuitenordens im Jahr 1759 im Jahr 1777 zum Bischofssitz.

Der Bischofspalast befindet sich allerdings bei der „Sé Velha“, also neben der alten Kathedrale. Der Bischof musste damit seit der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts einen ordentlichen Weg bergauf zu seiner neuen Kathedrale zurücklegen, vielleicht war das gut für seine Kondition. Hier befindet sich das „Museu Nacional Machado de Castro“ mit einer Ausstellung von Statuen, Gemälden und dem Kryptoportikus der römischen Stadt Aeminia mit einem römischen unterirdischen Labyrinth und Artefakten aus römischer und westgotischer Zeit. Der botanische Garten befindet sich unterhalb der Universität und es bietet sich einen schönen Blick auf ihn, gerade weil der Innenhof der Universität die Form eines U hat. Der Garten wurde im Jahr 1772 gegründet – von niemand anderem als dem Marquis de Pombal, was wir verstehen werden, wenn wir über Lissabon sprechen – er umfasst zwanzig Hektar und beherbergt 1200 seltene und exotische Pflanzen. Einen Besuch kann man sich nur erlauben, wenn man sich entscheidet, länger als einen Tag in Coimbra zu bleiben.

Am anderen Ufer des Flusses Mondego befinden sich zwei Klöster der heiligen Klara, also des weiblichen Astes des Franziskanerordens. Das ältere der beiden liegt näher am Fluss und wurde regelmäßig überschwemmt. Daher ließen sich die Nonnen zwischen 1649 und 1677 ein neues Kloster weiter oben am Hang bauen und verließen das alte. Das alte Kloster wurde 1314 von der Witwenkönigin Isabel von Aragón erbaut. Sie war die Ehefrau des aufgeklärten Königs Dinis und zusammen machten sie ein wahrhaft positives Bild eines Königspaares. Isabel war die Enkelin von König Manfred von Sizilien und damit Urenkelin des römischen Kaisers Friedrich II. Ihre Mutter Konstanze war als Kleinkind das einzige Familienmitglied Manfreds, das durch die Flucht nach Aragon gerettet wurde (seine Söhne verbrachten den Rest ihres Lebens im Gefängnis der Burg „Castel del Monte“). Der aragonesische König Peter III. heiratete sie auch aus dem Grund, um seine Ansprüche auf Sizilien zu legitimieren – und dieses eroberte er tatsächlich im Jahr 1282 nach den sogenannten Sizilianischen Vespern. Isabel selbst war bis zu ihrem Tod 1336 sehr aktiv in der Wohltätigkeit. 1625 wurde sie von Papst Urban VIII. heiliggesprochen. Ihr wird das gleiche Wunder zugeschrieben wie ihrer Großtante Elisabeth von Thüringen. Als sie nämlich den Armen im Januarfrost Brot brachte, überraschte sie ihr Mann Dinis und wollte wissen, was sie aus der Burg trug. Da sie Angst vor seiner Reaktion hatte (auch der aufgeklärte Dinis war nicht bereit, es mit der Wohltätigkeit zu übertreiben), sagte sie, es seien Rosen. Rosen im Januar waren keine besonders glaubwürdige Ausrede und Dinis wollte daher den Inhalt des Korbs sehen. Und tatsächlich, als Isabel das Tuch, das den Korb bedeckte, abnahm, waren Rosen im Korb. Wer es nicht glaubt, soll es nachprüfen – anscheinend hatten es diese Elisabeths in der Familie. Ursprünglich wurde die Heilige im alten Kloster der Klarissen beigesetzt, aber 1677 wurden ihre sterblichen Überreste in das höher gelegene neue Kloster überführt, wo sie heute bestattet ist. Heute ist auch das alte Klarissenkloster, das bereits eine Ruine war, restauriert; überraschenderweise haben die Anschwemmungen und der Sand die Klostermauern in überraschend gutem Zustand erhalten.

Im alten Klarissenkloster fand auch eine andere Frau für zwanzig Jahre ihre Ruhestätte, deren Schicksal mit Coimbra verbunden ist – Inés de Castro. Sie war etwas weniger heilig. Sie war nämlich die Geliebte des Kronprinzen Pedro. Pedro wurde von seinem Vater – dem Sohn von Dinis und Isabel – Alfons IV. (ja, das ist der, der die Universität vorübergehend von Coimbra nach Lissabon verlegte) im Jahr 1340 mit der kastilischen Prinzessin Constanza Manuel verheiratet. Obwohl er mit ihr einen Sohn, Ferdinand, zeugte, verliebte er sich in ihre Hofdame Inés de Castro. Als Constanza starb, lebte er öffentlich mit Inés zusammen und heiratete sie vielleicht sogar heimlich. Sie hatten mehrere Kinder, darunter zwei Söhne. Das gefiel seinem Vater, der andere Pläne für seinen Sohn hatte, überhaupt nicht. Alfons nutzte die Tatsache, dass Pedro auf der Jagd war, ließ Inés verhaften, des Hochverrats anklagen und eilig hinrichten (ich schrieb schon, dass er ein böser König war). Als Pedro von der Jagd zurückkehrte, empörte ihn das Verhalten seines Vaters so sehr, dass es zu einem Bürgerkrieg kam. Dieser endete erst mit dem Tod König Alfons’ im Jahr 1357. Das erste, was Pedro I. nach seinem Amtsantritt tat, war, sich vom kastilischen König die Vollstrecker des Urteils gegen seine Geliebte ausliefern zu lassen, die aus Angst vor Strafe nach Kastilien geflohen waren. Der kastilische König wollte gute Beziehungen zum neuen portugiesischen Herrscher pflegen und übergab ihm die Mörder. Pedro ließ sie foltern, ihnen bei lebendigem Leibe die Herzen herausreißen und er soll sie dann gegessen haben – was ihm den Beinamen „der Grausame“ einbrachte. In der portugiesischen königlichen Genealogie wird er jedoch unter dem Beinamen „der Gerechte“ geführt, da soll man sich noch auskennen!

Seine tote Geliebte ließ er exhumieren, mit einer königlichen Krone krönen und die portugiesischen Adligen mussten der Leiche die Hand küssen und ihr Treue schwören. Von ihrem Grab im Klarissenkloster ließ er sie zwanzig Jahre später in einen prächtigen Marmorsarkophag im Kloster Santa Maria da Alcobaça überführen, aber darauf werde ich in einem anderen Artikel zurückkommen.

Pedro heiratete nie wieder, zeugte jedoch dennoch einen Sohn namens João mit einer anderen Geliebten, Teresa Lourenço. Dieser João spielte eine sehr bedeutende Rolle in der portugiesischen Geschichte. Da Pedros legitimer Sohn Ferdinand, genannt der Schöne, ohne Nachkommen starb, erlosch mit ihm die burgundische Königsdynastie. Der kastilische König Juan beanspruchte das Recht auf den portugiesischen Thron. Die Portugiesen hatten jedoch nie viel Lust auf die spanische Herrschaft. Nachdem sie die Witwe Ferdinands, Leonor Teles, entmachtet hatten, riefen sie João, der eine neue Dynastie namens Avis gründete – zum König aus. Interessanterweise wurden Pedros Söhne João und Dinis, die er mit Inés hatte, übergangen, obwohl sie älter waren. Vielleicht waren sich die portugiesischen Adligen ihrer Loyalität nicht sicher. Auch wenn seit dem Tod von Inés 28 Jahre vergangen waren, war der Skandal nicht vergessen und ist es bis heute nicht.

Wir wohnten im Hotel „Dona Inés“. Sicherlich war dies kein Zufall, die Statue der hingerichteten Geliebten von König Pedro stand in der Lobby – mit abgeschlagenen Händen, was allerdings nur die freie Invention des Künstlers war. Keiner von uns schlief gut, besonders nach Mitternacht, vielleicht hat Inés immer noch nicht endgültig ihren Frieden gefunden.

Dona Inés

Porto


          In Porto wird also gearbeitet. Auf den ersten Blick sah es jedoch nicht so aus, was daran liegen konnte, dass wir im Viertel „Ribeira“ am Ufer des Douro (was übersetzt „Goldener Fluss“ bedeutet) angekommen sind, das voller Restaurants und Bars war, in denen sich Einheimische und Touristen mischten, tranken und aßen – auch arbeitende Menschen müssen sich halt irgendwo amüsieren.

Ribeira

            Das Land erhielt seinen Namen Portucale nach dem römischen Namen der Stadt „Portus Cale“, und von dort war es nur ein kleiner Schritt zu Portugal. In römischer Zeit hatte die Siedlung jedoch keine große Bedeutung; erst die Westgoten machten sie im Jahr 540 zu einer wichtigen Stadt und zum Sitz eines Bistums.

Eine Stadt auf einem Hügel und dazu noch auf einem steilen Hügel zu bauen, ist gegenüber Touristen sehr rücksichtslos. Das ist jedoch ungefähr alles, was man der Stadt Porto vorwerfen kann. Auf der anderen Seite ist der bischöfliche Palast bei der Kathedrale, der hoch über den Ufern des Douro thront, einfach beeindruckend – anders kann man es nicht beschreiben – und verleiht Porto genau den Charme, der die Menschen dorthin zieht. Und – unter uns – man muss nicht zu Fuß gehen, Porto hat eine U-Bahn, die einen auf den Hügel hinaufbringt – obwohl ein Spaziergang, auch wenn er anstrengend ist, etwas für sich hat. Außerdem haben sich die Einwohner von Porto bereits vor dem Bau der U-Bahn abgesichert, und es führen mehrere Aufzüge in die Oberstadt. Es gibt nicht so viele wie in Lissabon, aber der „Funicular dos Guindais“ bringt den Besucher zur Kathedrale. Oder man kann sich von den alten romantischen Straßenbahnen herumfahren lassen, deren alte Holztüren ihnen einen unwiderstehlichen Retro-Charme verleihen.

            Porto liegt am Ufer des Douro. An dem Nordufer. Die Stadt auf dem Südufer ist die eigenständige Gemeinde „Vila Nova de Gaia“. Im Gegensatz zu Lissabon, wo die einzige Brücke über den Tejo täglich einen Verkehrskollaps verursacht, überspannen hier bis zu sechs Brücken den Fluss – und eine siebte ist in Planung. Die beeindruckendste ist natürlich die Brücke des Königs Luis I. mit einer imposanten Spannweite von 172 Metern.

Sie wurde von Gustave Eiffels Partner Théophile Seyrig gebaut und behält daher die für Eiffel typische Metallkonstruktion bei. Man kann auf zwei Ebenen den Fluss überqueren. Der Bau wurde auch persönlich von Eiffel überwacht; sein Büro mit Blick auf den Fluss befindet sich im Gebäude der städtischen Börse. Bis zur feierlichen Eröffnung dieser Brücke im Jahr 1886 wurde der Fluss nur mit Fähre überquert. Im Jahr 1806 wurde zwar die Pontonbrücke „Ponte das Barcas“ eingerichtet, die jedoch 1809 einbrach, als Menschen vor den Bajonetten der französischen Soldaten über den Fluss flohen. Damals ertranken bis zu 4000 Menschen im Douro. Die neueste Brücke ist die „Ponte da Arrábida“ des Architekten Edgar Cardoso. Als sie 1963 feierlich eröffnet wurde, kamen außergewöhnlich viele Politiker und Journalisten zu diesem Ereignis. Alle erwarteten nämlich, dass die Brücke einstürzen würde. Sie stürzte nicht ein und steht bis heute.

Zur Aussichtsplattform vor dem Kloster „Mosteiro da Serra do Pilar“ kann man auch mit der Kabinenseilbahn gelangen. Von dort hat man einen beeindruckenden Blick auf Porto. Von dieser Stelle soll angeblich Herzog Wellington im Jahr 1809 seinen Angriff auf die französischen Stellungen geplant haben, um am 12. Mai 1809 die Franzosen unter dem Kommando von Marschall Soult zu besiegen. Das war während des Krieges mit Napoleon, der Portugal in den Jahren 1807 bis 1811 verwüstete. Portugal hatte sich aufgrund seiner ausgezeichneten Beziehungen zu Großbritannien nicht der Kontinentalsperre angeschlossen und musste daher einer französischen Invasion entgegentreten. Die königliche Familie floh nach Brasilien und den Portugiesen kamen die Engländer unter dem Kommando von Herzog Wellington zu Hilfe. Er übte den Kampf mit den französischen Generälen ein, die er aus Portugal vertrieb, bevor er 1815 bei Waterloo dem großen Meister selbst gegenübertrat – und siegte. Das Denkmal „Monumento aos Heróis da Guerra Peninsular“, das an diesen Krieg erinnert, befindet sich im modernen Stadtteil Boavista westlich des Stadtzentrums, mitten in einem Park.

Auf der Spitze einer hohen Säule, umgeben von Kampfszenen, zertrampelt der englische Löwe den französischen Adler. Gleich daneben befindet sich die moderne Konzerthalle in einem Gebäude in Form eines geschliffenen Diamanten „Casa da Música“ aus dem Jahr 2005. Es soll die beste Konzerthalle der Stadt sein.

Diamant


            Aber zurück zu Vila Nova de Gaia. Hier, gleich hinter dem Kloster, befindet sich auch der Garten „Jardim do Morro“, der 1927 angelegt wurde, sowie die Kellereien, die zur Reifung des Portweins dienen. Der Portwein hat also wenig mit Porto selbst zu tun, vielleicht nur den Namen.

            Portwein ist die berühmteste lokale Spezialität. Angeblich entstand er durch einen unglücklichen Zufall, als eine Weinsendung für Indien vom dortigen britischen Vizekönig nicht angenommen wurde und somit zweimal den Äquator überqueren musste. In der Hitze reifte der Wein und bekam seinen spezifischen Geschmack. Ob diese Legende wahr ist oder nicht, die Briten verfielen dem Portwein, und angesichts der großartigen Handelsbeziehungen zwischen den beiden Ländern wurde Portwein zu einem der wichtigsten Exportprodukte Portugals. Natürlich ist er nichts für jemanden mit Sodbrennen Leiden wie mich. Außerdem wird er zu Süßigkeiten empfohlen, was sich mein Magen überhaupt nicht vorstellen kann und brennt noch bevor ich den ersten Bissen gegessen habe – wahrscheinlich vorbeugend. Aber nach entsprechender Vorbereitung mit Pantoprazol habe ich mich doch zu einer Portweinprobe aufgemacht. Portwein gibt es in Weiß und Rot, wobei der rote in Ruby und Tawny unterteilt wird. Ersterer behält seine rote Farbe, während letzterer zu hellbraun oxidiert. Neben dem gewöhnlichen Konsumwein, der etwa 7,50 Euro pro Flasche kostet, gibt es auch zehn-, zwanzig- oder dreißigjährige Weine. Diese sind Mischungen aus verschiedenen Jahrgängen, die im Durchschnitt die auf dem Etikett angegebenen Jahre ergeben. Die Herstellung von Portwein ist eine ganze Wissenschaft, die uns in der Kellerei Burmester ausführlich erklärt wurde, aber selbst mit Übersetzung war es für mich zu anspruchsvoll, um es im Detail zu verstehen und im Gedächtnis zu behalten. Wenn uns der Portwein nicht überzeugt hat, dann tat es der lokale Cognac aus Traubenwein namens Macieira. Er ist köstlich, mit 36 Prozent Alkohol, und er verursacht kein Sodbrennen.

            Was das Essen betrifft, ist die lokale Hauptspezialität Kutteln nach Porto-Art „Tripas à Moda do Porto“. Dieses Gericht ist so berühmt, dass die Einwohner von Porto „Tripeiros“, also so etwas wie „Kutteler“ genannt werden – auch wenn sie sich selbst lieber nach dem Stadion des Fußballclubs Boavista Porto „Dragão“ („Drachen“) nennen. (Das Stadion liegt im Nordosten der Stadt und in der Nähe der Endstation der Metrolinie B. Übrigens ist es eine der grundlegenden Bürgerpflichten der Einwohner der Stadt Porto, Fan dieses Vereins zu sein, dessen Namen die Einwohner von Porto viel kreativer gewählt haben als den ihrer eigenen Stadt, die einfach nur „Hafen“ bedeutet.) Zur Entstehung dieser lokalen Spezialität aus Rinderinnereien gibt es bis zu drei Legenden. Die bekannteste besagt, dass als sich im Jahr 1415 die portugiesische Armee unter der Führung von Prinz Heinrich dem Seefahrer in Porto auf den Aufbruch zur Eroberung der Stadt Ceuta vorbereitete (was auch gelang), wurde zur Versorgung der Armee mit Proviant sämtliches Rindvieh in der Umgebung geschlachtet und den Einheimischen nur die Innereien übrigblieben, mit denen sie aber kreativ umgingen. Eine andere Legende besagt, dass die Einwohner von Porto im Jahr 1384 all ihre Vorräte an das von Kastilien belagerte Lissabon schickten, und die dritte, dass während des Bürgerkriegs von 1832 bis 1834 die Lebensmittelversorgung der Stadt so miserabel war, dass die Einheimischen gerne auch zu Innereien griffen. Wie auch immer, in diesem Gericht sind nicht nur Kutteln, sondern auch Schmalz und Wurst, und vor allem – das Gericht muss mit Bohnen gekocht werden, wobei unverantwortliche Gastwirte die Bohnen oft erst zum fertigen Gericht hinzufügen. Daher ist es wichtig, das richtige Restaurant zu finden – auch wenn es etwas teurer ist.  Was allerdings nicht einfach ist, diese Gericht bieten bei weitem nicht alle Restaurants an.

            Ein weiteres typisches Gericht in Porto ist Francesinha – ein Sandwich mit Fleisch, Schinken und Wurst, überbacken mit Käse in einer pikanten Tomatensauce. Es war ein Essen für die Armen, jetzt ist es zu einer Touristenattraktion geworden – wenn die Kutteln schon so schwer zu bekommen sind.

Francescinha

            Am Ufer des Douro steht die Franziskanerkirche. Sie gehört zum Pflichtprogramm. So viel Gold, das überall an den Wänden und Plastiken zu sehen ist, findet man kaum anderswo. Fotografieren ist dort nicht erlaubt, anscheinend haben die Verwalter Angst um die Kameraobjektive, ob sie so viel Gold aushalten und nicht zerbrechen. Angeblich sind es bis zu 200 Kilogramm Gold an den Schnitzereien angebracht. Für die barfüßigen Franziskaner, die sich der Armut verschrieben haben, fast zu viel. So viel Gold kann man offensichtlich sparen, wenn man keine Schuhe kaufen würde. Was sagt ihr dazu, meine Damen?

Im Rahmen der Kirchenführung kann man auch die Katakomben besuchen, in denen – gegen entsprechende Gebühr – reiche Einwohner von Porto begraben sind. Das Kloster selbst ging im Bürgerkrieg von 1832–1834 zugrunde, und da im selben Jahr alle Orden in Portugal verboten wurden, gab es keinen Grund, es wiederherzustellen.


            Der Platz des zerstörten Klosters wurde viel praktischer genutzt. Im Jahr 1842 wurde hier der Börsenpalast errichtet. Hier wurden Geschäfte bis 1990 gemacht, als die Börse von Porto mit der von Lissabon fusioniert und in die Hauptstadt verlegt wurde. Heute ist dieses prächtige Gebäude eine Touristenattraktion. Besonders der „Pátio das Nações“ mit den Wappen aller Länder, mit denen die Portugiesen Handel trieben, und dann auch der schönste Raum – der „Arabische Saal“ mit gold-blauen Arabesken, inspiriert vom Königspalast Alhambra in Granada. Hier werden Staatsbesuche in Porto empfangen. Allerdings richtet sich das Pflaster des Bodens nicht direkt auf die Mitte der Eingangstür aus – das genau nach arabischem Brauch, weil „nur Allah vollkommen ist“.

            Direkt vor der Börse befindet sich ein Platz mit einer Statue von Heinrich dem Seefahrer, der nach Westen zeigt, sowie eine große Markthalle mit einem roten Dach.

            Der Stadt Porto verlieh ihr Aussehen großteils der italienische Architekt Niccolò Nasoni. Die barocken Türme – einschließlich des höchsten „Torre dos Clérigos“ mit seinen 76 Meter höhe(damit handelt sich um den höchste Kirchenturm Portugals und schaffte es sogar auf die 2-Euro Münze aus dem Jahr 2013), der sich über der Stadt erhebt – sowie die weißen Palastwände sind sein Werk und gaben Porto sein typisches Aussehen. Der „Torre dos Clérigos“ ist das eigentliche Wahrzeichen der Stadt und von überall sichtbar. Zur Aussichtsplattform führen 240 Stufen und angeblich bietet sich von dort der schönste Blick auf die Stadt. Aber diese sportliche Leistung ist nicht unbedingt notwendig, sodass Menschen mit Gehproblemen nicht unbedingt traurig sein müssen. Porto ist nämlich auch von unten schön. Im Jahr 1772 wurde Nasoni auch mit dem Bau des Bischofspalastes beauftragt, leider musste der Bischof seinen Palast im Jahr 1832 verlassen. Im Bürgerkrieg wurde er nämlich von den Truppen Pedro IV. als Festung genutzt und der Palast litt natürlich darunter. Trotzdem kann man sich im Rahmen einer halbstündigen Besichtigung mit dem luxuriösen Lebensstil des Bischofs von Porto vertraut machen. Die Stadt war sicherlich nicht arm. Dank Nasoni, der der Stadt eine gewisse Geschlossenheit verlieh, wurde Porto mehrmals als attraktivstes europäisches Reiseziel ausgezeichnet.

            Nicht weit vom Palast entfernt steht die Kathedrale Sé. Wie in Portugal üblich, ist es ein romanisches Bauwerk, das an eine Festung erinnert – und ohne Krypta, also nur auf einer Etage gebaut. Innen ist sie jedoch barockisiert, nur das gotische Rosettenfenster erinnert an das ursprüngliche Gebäude. Der große Silberaltar wurde von den Einheimischen vor den Franzosen gerettet, indem sie die Kapelle, in der er sich befindet, einfach zumauerten. Französische Soldaten zerstörten nämlich in ihrem revolutionären Eifer alles, was ihnen in den Kirchen in die Hände fiel – fast wie heute die Russen.   

Kathedrale Sé

   

            Neben der Kathedrale steht eine Reiterstatue von Vimara Peres, der 868 die Stadt von den Mauren eroberte – noch nicht dauerhaft, aber die Reconquista, also die Rückeroberung der Iberischen Halbinsel von den Arabern, hatte bereits begonnen. Vimara Peres gründete so etwas wie die Grafschaft Portucale und eine kleine Burg Vimaranis, aus der später die erste Hauptstadt der Grafschaft Portugal, Guimarães, wurde.

Vimara Peres

Die Christen konnten Porto damals jedoch noch nicht halten, 997 eroberten es erneut die Mauren. Endgültig christlich wurde es erst 1050. Um die Statue von Vimara Peres gelangt man zur „Estação de São Bento“, dem Hauptbahnhof von Porto. Er wurde vom Architekten Jorge Colaço im Stil der Belle Époque erbaut, aber er fügte ihm etwas typisch Portugiesisches hinzu – nämlich Azulejos. Portugal ist ein Land der Kacheln. Diese Technik wurde von den Arabern übernommen und in einen eigenen Stil entwickelt. Während auf den arabischen Kacheln – blau-weiß – nur Ornamente und Blumenmuster waren, können die Portugiesen auf Kacheln wichtige Schlachten und andere Ereignisse ihrer Geschichte darstellen. Am Bahnhof São Bento ist unter anderem nicht nur die Eroberung von Ceuta durch Heinrich den Seefahrer, sondern auch einfache Szenen aus dem bäuerlichen und städtischen Leben abgebildet.

Azulejos am Bahnhof San Bento

            Von dort kann man zum Hauptplatz „Avenida dos Aliados“ mit dem Rathaus „Paços do Concelho“ an seinem oberen Ende hinuntergehen. Wenn man an diesem Ort das Gefühl hat, diesen Platz schon einmal gesehen zu haben, dann verrate ich, dass dieses deja-vu der Wenzelsplatz in Prag ist. Gleiche Größe, gleiche Neigung und die Gebäude, die ihn säumen, sind fast identisch mit denen in Prag. Nur statt des Nationalmuseums wird der Platz an seinem höchsten Punkt vom Rathaus gekrönt. Viele Häuser sind jedoch unbewohnt und ungenutzt. Der Grund dafür sind angeblich ungeklärte Eigentumsverhältnisse sowie hohe Kosten für notwendige Renovierungen. Also steht der Wenzelsplatz doch etwas besser da.

Wenn einen die Beine nach dem ständigen Auf und Ab in Porto nicht mehr tragen wollen, kann man auf ein Boot steigen und sich auf dem Fluss unter allen sechs Hafenbrücken herumfahren lassen. Die Fahrt führt auch an den ehemaligen Lagerhäusern vorbei, die heute ein Kongresszentrum beherbergen, und am Kristallpalast mit seinem Park. Der Hauptstadtpark „Parque da Cidade“ befindet sich jedoch am Meer und zu ihm führt eine lange Promenade entlang der Stadtstrände. Es ist fast unglaublich, aber die Portugiesen sind bereit, schon im Mai in die Wellen des Atlantiks zu springen, wenn das Wasser die Temperatur von nicht einmal sechzehn Grad Celsius hat. Sie sind es einfach gewohnt, mir lief allein bei dem Anblick eine Gänsehaut über den Rücken. In diesem Stadtpark direkt am Ozean befindet sich auch das unverzichtbare Oceanário, also das Aquarium, das erste seiner Art in Portugal, eröffnet im Jahr 2009.

Aber den Abend lässt man am besten am Ufer im Viertel Ribeira bei einem Glas Portwein (sofern Ihr Magen es verträgt) oder einem Macieira-Cognac ausklingen. Oder bei einem großartigen Kaffee von italienischer Qualität zu Preisen ab 80 Cent pro Tasse.

Braga

In der Stadt Braga blieb die Zeit stehen. Es geschah um drei Uhr, zumindest zeigen dies die Uhren in der Kathedrale seit vielen Jahren. Die einzige unbeantwortete Frage bleibt, ob dies um drei Uhr morgens oder nachmittags geschehen ist. Historiker werden dies vielleicht irgendwann herausfinden, aber das ist nicht wirklich wichtig. Denn trotz oder gerade wegen des Stillstands der Zeit ist Braga ein attraktives Reiseziel.

In Portugal heißt es, dass Lissabon sich amüsiert, Coimbra lernt, Porto arbeitet und Braga betet. Braga ist ein Symbol des portugiesischen Katholizismus, wie die 35 Kirchen bezeugen, die sich hier befinden. Von hier aus startete General Gomez de Costa im Jahr 1926 einen Militärputsch, der die junge chaotische Republik stürzte und dem Land fast fünfzig Jahre lang eine faschistoide Diktatur brachte. Und am 25. April 1974, als junge Offiziere die Diktatur stürzten, die Menschen in Lissabon die Straßen füllten, um für Freiheit zu demonstrieren und das Hauptquartier der verhassten Geheimpolizei PIDE anzugreifen, rief der örtliche Erzbischof Francisco Maria da Silva in Braga zum Widerstand gegen die “Putschisten” auf und kämpfte für den Erhalt des bestehenden Regimes, das auch von der Unterstützung der katholischen Kirche abhängig war. Es half nicht. Die Zeit blieb nur an den Uhren in der Kathedrale stehen, der Lauf der Geschichte konnte nicht gestoppt werden. In der ehemaligen Bischofsresidenz befindet sich heute das Universitätsgebäude, und während unseres Besuchs gab es dort eine Ausstellung von Fotografien des berühmten portugiesischen Fotografen Alfredo Cunha, die genau die Ereignisse dieses 25. April dokumentierten – vielleicht, um der Kirche zu trotzen.

Die Kathedrale in Braga ist die älteste in Portugal, ihr Bau begann im 11. Jahrhundert, nachdem es dem König von León gelungen war, den Mauren das Gebiet Minho, den nördlichsten Teil des heutigen Portugals, abzunehmen. Er übertrug dieses Gebiet Heinrich von Burgund, den er zum Grafen ernannte. Und dieser ließ an der Stelle einer ehemaligen Moschee eine Kathedrale im frühen romanischen Stil bauen. Der romanische Stil in Portugal hat seine Besonderheiten, mit denen man überall konfrontiert wird, alle Kirchen haben mit einer einzigen Ausnahme anstelle einer flachen hölzernen Decke ein steinernes Gewölbe und die Portugiesen haben den Bau der unteren Teile der Kirchen, also der Krypten, die sonst zu einer klassischen romanischen Kirche untrennbar gehören, weggelassen. Natürlich ist das Innere der Kathedrale barockisiert, wir sind schließlich auf der Iberischen Halbinsel, wo dieser Stil, der den Sieg der wahren Kirche symbolisiert, sowie auch die Macht und den Reichtum der Kirche demonstriert, die weite Gebiete in Amerika und Asien eroberte und christianisierte, einfach nicht fehlen darf.

Auch der Chor mit den stehenden Uhren ist im barocken Stil gehalten. In der Kirche befindet sich das schön verzierte Grab von Prinz Alfons, dem erstgeborenen Sohn Königs Joao I., des Gründers der zweiten portugiesischen königlichen Dynastie von Avis. (Er regierte von 1385 bis 1433). Der Junge starb im Alter von zehn Jahren, und deshalb folgte seinem Vater Joao sein Zweitgeborener Eduard (auf Portugiesisch Duarte) auf den Thron. Dieser ungewöhnliche Name (normalerweise wimmelt es in der portugiesischen königlichen Genealogie von Alfonsen, Johannen – Joaos – und Peter – Pedros) wurde offensichtlich von seiner Mutter Filippa von Lancaster, die aus England stammte, durchgesetzt. Diese Ehe zwischen König JoaoI. und Filippa war die Grundlage für die ewige Freundschaft zwischen Portugal und Großbritannien, die bis heute besteht. Die Briten bilden immer noch die größte Touristengruppe in den Besuchern des Landes. Aber über die Gründe für diese Verbindung später.


            In der Nebenkapelle „Capela der Reis“ in der Kathedrale, die die Portugiesen Sé nennen (wie alle anderen Kathedralen, es ist nämlich eine Abkürzung für “Sedo episkopalis”, also den Sitz des örtlichen Bischofs), die jedoch nicht öffentlich zugänglich ist, befinden sich die Gräber der Gründer Portugals, Heinrichs von Burgund und seiner Frau Teresa von León, sowie des Erzbischofs Lourenco Vicente (heilig oder selig, das konnte ich nicht herausfinden). Die Legende besagt, dass er an der Seite von König Joao I. in der Schlacht von Aljubarrota im Jahr 1385 gegen die Spanier kämpfte, dort heldenhaft starb und sein unversehrter Körper angeblich zweihundert Jahre nach dieser Schlacht gefunden wurde, der Schlacht, die für Jahrhunderte die Unabhängigkeit Portugals von seinem großen Nachbarn sicherte. In Wirklichkeit starb der Erzbischof im Jahr 1397, aber das weiß ich nur, weil ich keine Ruhe geben kann und es in Wikipedia gefunden habe.

Außerdem befindet sich in der Kathedrale der Gräberraum der Erzbischöfe von Braga. Die Einheimischen behaupten, dass ihr Bistum das älteste der Welt ist, weil es angeblich bereits im Jahr 45 von einem gewissen Pedro de Rates gegründet wurde. (Damals war Braga eine recht bedeutende römische Stadt namens Brackara Augusta). Ich erinnere daran, dass Christus im Jahr 29 gekreuzigt wurde, im Jahr 45 erst der heilige Paulus seine Missionsarbeit startete und der heilige Lukas begann Informationen für sein Evangelium zu sammeln irgendwann um das Jahr 60. Aber ich denke, es lohnt sich nicht, den Bewohnern von Braga ihrem Glauben zu widersprechen. Wenn jemand stolz auf etwas ist, ob es seine Berechtigung hat oder nicht, sollte man es ihm nicht nehmen. Unbestritten ist jedoch der prächtige Marmorsarkophag des Erzbischofs Dom Diego de Sousa aus der Regierungszeit von König Manuel I., also aus der Zeit, als Portugal am reichsten war. Der Erzbischof trug dazu bei, dass ein Teil des damaligen Wohlstands auch nach Braga gelangte und sich dort in architektonischen Elementen des damaligen manuelischen Baustils zeigte – darüber werde ich noch öfter schreiben. Das schönste Beispiel für diese Kunst in der Stadt ist eben der Sarkophag des Erzbischofs und zeugt von der Zeit, als in Portugal das Geld keine Rolle spielte.

Braga ist trotz seines Konservatismus überhaupt keine dunkle Stadt. Im Gegenteil, es ist eine Stadt der Blumen. Dies liegt sicherlich auch daran, dass dieser nördliche Teil Portugals die meisten Niederschläge hat und daher auch am meisten landwirtschaftlich genutzt wird. Die Blumen schmücken sowohl die Freiheitsstraße (Avenida da Liberdade) als auch den Platz der Republik (Praca da Rebublica). Und an diesen Platz mit dem großen Rathaus schließt sich sofort ein langer Park mit viel Grünfläche und vielen Blumen und mehreren Denkmälern an. Eines davon – ziemlich avantgardistisch – erinnert an den Besuch von Papst Johannes Paul II im Jahr 1982 – damals, ein Jahr nach dem Attentat, das er überstanden hatte, hat der Papst den Pilgerort Fátima besucht und dabei auch einen Abstecher nach Braga gemacht. Auch hinter der Universität, dem ehemaligen Erzbischöflichen Palast, gibt es einen schönen Garten im französischen Stil, den „Jardim de Santa Barbara“.

Diese Blumen auf den Straßen und in den Parks werden von modernen Skulpturen durchsetzt, die überraschenderweise gut in den Gesamteindruck passen obwohl sie in einer streng katholischen Stadt zum Beispiel einen Drachen darstellen.

Ein archäologisches Museum mit Artefakten aus der Römerzeit befindet sich in einer etwas abgelegenen Villa namens „Palacio dos Biskanhos“, die im 16. Jahrhundert erbaut wurde und mit für Portugal typischen Azulejos verziert ist, die Jagdszenen darstellen.

Außerdem darf in keiner portugiesischen Stadt ein Fußballverein fehlen, in diesem Fall ist es Sporting Braga, dessen Einheimische (sowohl Männer als auch Frauen) leidenschaftliche Fans sind. Das Stadion ist speziell, da es sich in einem alten Steinbruch befindet, eine Kapazität von 30.286 Plätzen hat (was für eine Stadt mit 192.000 Einwohnern mehr als anständig ist) und dort auch zwei Spiele der Europameisterschaft 2004 ausgetragen wurden.

Aber zurück zu den kirchlichen Dingen, denn trotz der Säkularisierung, die im Jahr 1834 im ganzen Land alle kirchlichen Orden aufhob, prägen sie den Norden Portugals immer noch weitgehend. Zum eigentlichen Juwel der kirchlichen Architektur müssen wir etwa 5 Kilometer außerhalb der Stadt in die nahegelegenen Hügel fahren, wo sich „Bom Jesus de Monte“ (also der Gute Jesus auf dem Berg) befindet. Dieser Wallfahrtsort wurde 1722 in den Bergen hinter Braga vom Erzbischof Rodrigo de Mauro Teles errichtet, der Bau wurde jedoch erst 1811 abgeschlossen.

Es ist ein Kreuzweg im barocken Stil, der Aufstieg zu der (wie in Portugal fast alle Kirchen) Jungfrau Maria geweihten Kirche ist ziemlich anstrengend, aber wer schwache Beine oder Lunge hat, kann eine Seilbahn nutzen, die ihn nach oben bringt, obwohl ihm diese Fahrt keinen Blick auf das schöne Gebäude ermöglicht. Aber der Abstieg ist auf jeden Fall einfacher als der Aufstieg – dieser Hügel, auf dem der “gute Jesus” thront, ist ziemlich steil und erfordert beim Aufstieg einige Anstrengung. Auf den Plattformen der Treppe mit Springbrunnen gibt es viele Symbolik. Die Springbrunnen stellen zum Beispiel die drei göttlichen Tugenden, Glauben, Hoffnung und Liebe dar (im Sinne von “Caritas”, nicht “Eros”), oder auch die fünf Wunden Christi oder die einzelnen menschlichen Sinne (beim “Hören” fließt Wasser aus den Ohren, beim “Sehen” aus den Augen und beim “Riechen” aus der Nase, den “Tastsinn” habe ich irgendwie nicht entdeckt), außerdem gibt es Kapellen, die die Stationen des Kreuzweges darstellen.

Von Braga aus können Ausflüge in Richtung Südosten in die nahe gelegene Stadt Guimaraes unternommen werden, die erste Hauptstadt Portugals, nachdem der Sohn von Heinrich von Burgund und Teresa von León, Alfonso Henriques, sich zum König erklärt und damit die Unabhängigkeit vom Königreich León erlangt hatte (um seine Souveränität vom Papst bestätigt zu bekommen, musste er allerdings noch einige Jahre warten). Die Burg der Stadt Guimaraes schmückt das portugiesische Staatswappen – es ist dort sogar siebenfach dargestellt.

Westlich von Braga liegt das Städtchen Barcelos. Hier entstand die Legende vom portugiesischen Hahn, den man in Portugal überall finden wird – auf Stickereien, Tischdecken oder Taschen.

Barcelos liegt am südlichen Jakobsweg nach Santiago de Compostela. Einst war dort ein Pilger unterwegs und genau als er in der Stadt war, geschah hier ein Mord. Die Einheimischen waren sich sofort sicher, dass der Täter niemand aus der Gegend sein konnte – sie kannten sich schließlich alle gut – und so zeigten sie auf den Fremden. Dieser wurde sofort verhaftet und in einem kurzen Prozess zum Tode verurteilt, obwohl er beteuerte, unschuldig zu sein. Als das Urteil gesprochen wurde, sagte er, dass Hähne über seine Unschuld krähen würden, und das um die Mittagszeit, wenn sie das normalerweise nicht tun. Weil der örtliche Bürgermeister, der auch Richter war, sich vermutlich mit vollem Magen die Hinrichtung ansehen wollte, ließ er sich zum Mittagessen gebratenen Hahn servieren. Und dieser Hahn begann um zwölf Uhr auf seinem Teller zu krähen. Der Richter, entsetzt darüber, einen Unschuldigen verurteilt zu haben, eilte auf den Marktplatz und verhinderte in letzter Minute die Hinrichtung.

Braga war nie die Hauptstadt Portugals. Die erste “Metropole” war Guimaraes, dann übernahm Coimbra den Staffelstab, um ihn dann 1256 an Lissabon abzugeben. Aber Braga ist trotzdem eine historische und bemerkenswerte Stadt und hat für die Portugiesen eine große historische Bedeutung. Vielleicht habe ich deshalb meine literarische Reise nach Portugal gerade hier begonnen. Ich würde Braga jedoch eher zur Entspannung und Erholung nach hektischen Städten wie Porto oder Lissabon in das Reiseprogramm aufnehmen. In der Stadt, in der die Zeit stehen geblieben ist und die dennoch voller Blumen ist, lässt es sich gut ausruhen. Beten müssen Sie dabei nicht unbedingt.

Übrigens passt dazu hervorragend der lokale Wein, der sogenannte “Vinho Verde”, übersetzt bedeutet „der grüne Wein“. Er ist natürlich nicht grün, sondern weiß und leicht. Etwas säuerlich und mit einem Hauch von Luftbläschen wie Prosecco (aber deutlich weniger). Er hat nur etwa 10 Prozent Alkohol und schmeckt gekühlt hervorragend. Wenn man nach Braga kommt, sollte man nicht vergessen, sich ein Glas (oder eine Flasche) zu gönnen. Das passt hervorragend zu dieser blumigen Stadt.

Banská Štiavnica – Schemnitz

Fast jede Nation hat – so etwas wie die letzte Rettung – irgendwo einen Berg, in dem Ritter schlafen, die kommen, wenn es dem Volk am schlimmsten geht, um es zu retten. In der Slowakei gibt es so einen Berg namens Sitno und er befindet sich in der Nähe der Stadt Banská Štiavnica. (Auf Deutsch Schemnitz) Da die Stimmen unter meinen Freunden zunehmen, dass alles “bergab” geht und dass “es nicht schlimmer sein könnte”, was übrigens die letzte Wahl von Robert Fico bestätigt hat, haben wir beschlossen, zum Sitno zu gehen, um zu schauen, was mit den slowakischen Rittern los ist und ob sie bereit sind, loszuziehen. Es wäre wirklich die höchste Zeit!

Die Legende besagt, dass zur Zeit von Fürst Pribina (also noch vor dem Aufblühen des Großmährischen Reiches) auf der Burg Sitno Fürst Stojmír lebte. Er hatte zwei Söhne, Tyr und Želibor. Zwei Söhne und eine Burg, das deutet immer auf Ärger hin. Und so, obwohl Stojmír seine Söhne auf dem Sterbebett ermahnte, zusammenzuhalten, stritten sie gleich nach seinem Tod. Und als ihre Heere sich gegenseitig gegenüberstanden, schlug der Blitz ein, der Berg Sitno spaltete sich und verschlang alle Kämpfer. Und dort sind sie also (im Gegensatz zum tschechischen Berg mit der gleichen Funktion namens Blaník ist es eher unsicher, ob sie schlafen, aber das ist schon auf das unterschiedliche Temperament der zwei Völker zurückzuziehen), und warten darauf, dass sie slowakisches Volk ruft, um es zu retten. Wir übernachteten am See „Počúvadlo“ und machten uns am Morgen auf den Weg zum Berg. Der Aufstieg ist ziemlich einfach (mit einem Höhenunterschied von 340 Metern, also ein etwas anstrengender Spaziergang, zu Beginn etwas steil, dann über die Lichtung Tatranska und teilweise auch über Holztreppen bis zum Gipfel auf einer Höhe von 1009 Metern). Unterwegs gibt es mehrere schöne Aussichtsfelsen, und auf dem Gipfel gibt es einen Aussichtsturm und ein Gasthaus. Zuerst war ich überrascht, dass während die Österreicher Kreuze auf die Gipfel der Berge stellen, katholische Slowaken dort Gasthäuser bauen, aber schließlich entdeckten wir dort auch das Kreuz. Dafür keine sitnianischen Ritter.

 Der Haken könnte sein, dass der Hüter des Berges nur einmal alle sieben Jahre aus dem Zufluchtsort kommt. Er stellt sich auf den Gipfel des Berges und ruft, ob Hilfe benötigt wird. Wenn er keine Antwort erhält, kehrt er in den Berg zurück, und das war es dann. Erstens wissen wir nicht, um welche Uhrzeit er herauskommt. Wahrscheinlich nachts, denn tagsüber gibt es dort so viele Touristen wie auf einer Pilgerreise, und er könnte sich unter ihnen verlieren oder in Panik geraten. Dann ruft er vielleicht nicht laut genug, um im Tal gehört zu werden. Und dieses siebenjährige Intervall ist ziemlich unpraktisch, schon allein deshalb, weil Parlamentswahlen alle vier Jahre stattfinden (In der Slowakei übrigens eher deutlich öfter). Es wäre praktisch, wenn dieser Bergwächter zumindest alle vier Jahre nach den Wahlen herauskommt, nach Bratislava geht und fragt, ob seine Jungs bereits gebraucht werden. Dann könnte sich vielleicht etwas bewegen. Vielleicht könnten die aufgetretenen Reiter in voller Rüstung vor dem Regierungsgebäude etwas bewirken. Obwohl ihre Ausrüstung wahrscheinlich nicht die modernste sein wird, immerhin legt die Legende sie in das frühe neunte Jahrhundert. Aber besser als nichts. Wenn schon die Demonstranten mit dem Premierminister nichts schaffen, könnten zumindest die, wenn auch altmodisch gerüstete Ritter etwas erwirken. Wir haben also keine Ritter gefunden, aber ein Ausflug nach Banská Štiavnica lohnt sich trotzdem. Nicht umsonst gilt es als eines der schönsten slowakischen Städte (immerhin war es im Jahr 1782 nach Bratislava – Preßburg und Debrecen, also vor Buda, die drittgrößte ungarische Stadt mit mehr als zwanzigtausend Einwohnern).

Die Stadt verdankt ihre Bedeutung dem Gold- und Silberbergbau. Bis zur Entdeckung Amerikas war in der Slowakei das größte Goldvorkommen Europas, im besten Jahr 1690 wurden in Schemnitz 605 kg Gold und 29 Tonnen Silber abgebaut. Die drei wichtigsten Städte des ungarischen Bergbaues waren „das goldene Kremnitz – Kremnica“, das silbernde Schemnitz (Banská Štiavnica) und das kupferreiche Neusohl (Banska Bystrica). Die Berge um Schemnitz sind ein Überbleibsel vulkanischer Aktivitäten, und so ist dort viel Wertvolles an die Oberfläche gekommen. Obwohl sich bereits in der Römerzeit ein befestigter Ort in der Nähe von Sitno befand, verlor der Ort später an Bedeutung und tauchte erst im elften Jahrhundert wieder auf. Die Bevölkerung war, wie in allen Bergbaustädten, hauptsächlich deutsch. Die deutschen Siedler kamen hauptschlich nach dem Einfall der Mongolen im Jahr 1241, der eine Entvölkerung der Slowakei zur Folge hatte, auf die Einladung des Königs Bela IV. aus Niedersachsen. Im fünfzehnten Jahrhundert verwickelte sich die Stadt unglücklich in die Kämpfe zwischen zwei Königsanwärter Ladislaus Postumus (dessen Interessen in Oberungarn und damit in der Slowakei von Jan Jiskra von Brandeis vertreten wurden) und Vladislav Jagiello, für den der berühmte Janos Hunyady kämpfte, und im Jahr 1442 wurde sie niedergebrannt und das darauffolgende Erdbeben vollendete das Werk der Zerstörung.

            Obwohl der König Matthias Corvinus durch verschiedene Erleichterungen versuchte, den Bergbau wiederherzustellen und die zerstörte Stadt aufzubauen, musste die Stadt auf ihre Prosperität noch warten.

Sie verdankte einen neuen Aufschwung, wie auch andere slowakische Bergbau-Städte, einer seltsamen Koalition, die im Jahr 1495 von Jakob Fugger, genannt der Reiche (nicht ohne Grund –  er war zu dieser Zeit der reichste Mann Europas und entschied mit seinem Geld sogar über die Wahl des römischen Kaisers), und dem in Leutschau geborenen Johann Thurzo, einem zipser Patrizier und Krakauer Bürger, geschlossen wurde. Nach den ungarischen Gesetzen durfte nämlich die Bodenschätze im Lande kein Ausländer besitzen. Fugger, der nach der Erlangung des Monopols für den europäischen Kupferabbau (zur Zeit der Produktion von Kanonen ein sehr wichtiges Monopol) auch ein Monopol für den Silberabbau (und später auch für Quecksilber, ohne das damals kein Goldabbau möglich war) anstrebte, schloss mit Thurzo zunächst einen Vertrag über den Kupferabbau in Neusohl (Banská Bystrica), den sie dann auf den Silberabbau in der gesamten Slowakei ausweiteten. Thurzo, der in Padua studiert hatte, erfand nämlich ein System zur Entwässerung überfluteter Bergwerke, und so gelang es ihm, den Silberabbau in den bereits stillgelegten Minen wieder aufzunehmen und profitabel zu machen. Natürlich profitierte hauptsächlich Fugger, aber Thurzo blieb genug, um seine Familie in den Adelstand zu erheben (was in Ungarn extrem schwierig – und teuer – war), und einer seiner späteren Nachkommen Georg Thurzo wurde sogar in den Jahren 1610 – 1619 der ungarische Palatin, also der königliche Vertreter in Ungarn.

Banská Štiavnica war also eine reiche Bergbaustadt, und das ist heute noch sichtbar. Ich musste mein Wissen korrigieren, nach dem ich dachte, der steirische Erzherzog Johann hätte in Leoben die erste Bergbau-Universität gegründet. Das ist nicht wahr, seine Großmutter Maria Theresia war ihm voraus, und zwar gerade in Schemnitz zwischen 1763 und 1770.

Gedenktafel zur Gründung der ersten Bergbauuniversität

(Leoben funktioniert jedoch bis heute und ist somit die älteste immer noch funktionierende Bergbauschule). Banská Štiavnica ist wirklich eine schöne Stadt, obwohl sie im Jahr 2023 durch einen Großbrand sehr beschädigt wurde. Das Zentrum umfasst gleich zwei benachbarte Plätze – der Dreifaltigkeitsplatz und der Rathausplatz. Die monumentale Skulptur der Heiligen Dreifaltigkeit als Pestsäule wurde nach der Pestepidemie in den Jahren 1710-1711 errichtet, die derzeitige stammt aber aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts (Es ist bereits die zweite – aber monumentale barocke – Version).

Über dem Platz steht die Alte Burg, eine Burg, die aus einer ehemaligen Kirche umgebaut wurde. In Zeiten der türkischen Gefahr befestigte sich die Stadt und baute ein neues Verteidigungssystem, zu dem neben der Alten Burg auch die Neue Burg auf dem gegenüberliegenden, recht entfernten Hügel gehörte. Das Kalvária von Štiavnica ist berühmt und definitiv einen Besuch wert. Unser österreichischer Freund Heimo bezeichnete den Aufstieg als seine größte sportliche Lebensleistung, aber das zeugt nur über seine völlig unsportliche Natur. Der Kalvarienberg befindet sich auf dem Ostrý vrch (Scharfberg) über Štiavnica und ist von allen Seiten gut sichtbar und natürlich für Touristen attraktiv.

Er wurde von den Jesuiten in den Jahren 1740-1744 erbaut, und man besteigt den Hügel an etwa 22 Kapellen und 3 Kirchen vorbei. Nicht alle sind bereits renoviert, denn während der Kämpfe zwischen der Roten Armee und der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg wurde der Kalvarienberg zerstört. Die Renovierung begann zwar bereits 1953, die Hauptarbeiten folgten in den Jahren 1976-1983, dauern aber bis heute an. Da sie aus privaten Spenden finanziert werden, geht die Arbeit nur langsam voran. Die meisten Kapellen werden von privaten Sponsoren unterstützt – oft bedeutenden einheimischen, wie die Schauspielerin Emília Vašáryová, die Schwester der ehemaligen tschechoslowakischen Botschafterin in Österreich Magda.

Vergessen Sie auf keinen Fall, die Schemnitzerkrippe zu besuchen. Sie ist wunderschön geschnitzt aus Holz mit Motiven aus dem Bergbau und der Verteidigung gegen die Türken, die hier vergeblich die Neuen Burg belagern. So sagt die Legende, es ist mir jedoch nicht gelungen herauszufinden, ob die Türken überhaupt jemals nach Banská Štiavnica kamen, aber jedes Jahr findet im September die Veranstaltung “Die Türken kommen”, die an die erfolgreiche Verteidigung gegen die türkische Invasion erinnern sollte, statt.

Zwei Kilometer hinter der Neuen Burg befindet sich das Bergbau-Museum in der Natur, sicherlich interessant, vor allem für Kinder, und einige Kilometer weiter gibt es den Tajch (aus dem deutschen Teich) Počúvadlo. Er ist nicht nur zum Baden geeignet, sondern es gibt hier auch regelmäßige Auftritte von Musikgruppen, Gulasch- oder Nockerl-Kochwettbewerbe. Es handelt sich um keinen natürlichen See, sondern um einen sogenannten Tajch, der als Energiequelle zum Antrieb von Maschinen zur Entwässerung der Bergwerke von Janos Thurzo gebaut wurde. Er hat also die überfluteten Minen mit Wasserhilfe entwässert, sicherlich eine interessante und damals revolutionäre Idee. Und eine sehr profitable, wie ich schon geschrieben habe. Der Tajch Počúvadlo ist der größte erhaltene zu diesem Zweck gebaute Stausee Europas.

Der Touristenverein in Banská Štiavnica gehört angeblich zu den ältesten in Europa, die Einwohner von Štiavnica selbst setzen ihn sogar gleich nach dem Londoner Verein an die zweite Stelle. Vielleicht ist das wahr, die Wege zum Sitno sind schön angelegt, es gibt hier immerhin eine fünfhundertfünfzigjährige Tradition. Und wenn jemand vom Wandern in den Bergen gelangweilt ist, dann gibt es in der Nähe von Štiavnica noch „Svätý Anton“, das Schloss des letzten bulgarischen Zaren Ferdinand I.

Seine Familie besaß umfangreiche Ländereien in der Slowakei, insbesondere Jagdreviere, zum Beispiel auf der Muráň-Hochebene. Ferdinand I. war nämlich bulgarischer Zar (1887–1908 der Fürst und dann bis 1918, bevor die Bulgaren ihn vertrieben, der Zar), stammte jedoch aus dem deutschen Haus Coburg-Gotha aus Thüringen. Leider schloss er sich im Ersten Weltkrieg der falschen Seite (der deutschen) an, und nach dem Krieg, von seinem Thron vertrieben, verbrachte er seinen Lebensabend im Schloss Svätý Anton. Sein Sohn Boris III. war Zar bis 1943 – im Zweiten Weltkrieg kämpfte er erneut auf der falschen – wieder auf der deutschen – Seite, manche sind einfach unbelehrbar. Zar Ferdinand bestieg unter anderem auch Sitno, aber auch er wartete vergeblich auf die Hilfe der sitnianischen Ritter. Es ist offensichtlich nie so schlimm, dass es nicht noch schlimmer sein könnte und dem Volk – oder dem Zaren – müsste es „am schlimmsten“ gehen, um die Ritter zur Hilfe zu motivieren. Der Zar hatte es übrigens auf Schloss Svätý Anton überhaupt nicht schlecht. Ob die sitnianischen Ritter gegen die Panzer der Roten Armee bestanden hätten, ist übrigens mehr als fraglich. Das Haus Coburg-Gotha war bei der Besetzung europäischer Throne sehr aktiv. Prinz Albert war der Ehemann von Königin Victoria von England, aus dieser Familie stammt auch die belgische Königsdynastie, beginnend mit König Leopold (1790–1865), ebenso auch die letzte portugiesische Dynastie und die Thüringer wilderten sogar in der brasilianischen Kaiserfamilie, wo Prinz August die Prinzessin Leopoldine heiratete. Und dann war da noch diese bulgarische Zarendynastie. Thüringen war für diese ehrgeizigen Adligen einfach zu klein.

Also, wenn Sie nicht wüssten, wohin in den Urlaub und das slowakische Hochgebirge Tatra Ihnen bereits langweilig geworden wäre, ist die Gegend um Štiavnica (mit dem nahegelegenen Kremnica, dem Badeort Sklenné Teplice, aber auch dem etwas weiter entfernten, aber gut erreichbaren Zvolen (Altsohl)oder Banská Bystrica (Neusohl) kein schlechter Tipp. Übrigens, wenn Ihnen der See Počúvadlo zu kalt wäre, ist die Therme Kováčová auch nicht weit entfernt.

Heldenberg-Tulln

Heldenberg befindet sich in Niederösterreich nahe der tschechischen Grenze, und der Haupt-Held, um den es hier geht, ist – oder war – ein Tscheche. In Tschechien immer noch unzureichend geschätzt, aber in Österreich verehrt. Wenn der österreichische Kultkomponist Johann Strauss zu Ehren des siegreichen Generals einen festlichen Marsch komponierte und dieser bis heute bei wichtigen militärischen Ereignissen (aber nicht nur bei ihnen) gespielt wird, spricht das für sich. Nur die Tschechen können ihrem besten Feldherrn, Josef Wenzel Radetzky von Radetz, nicht verzeihen, dass er loyal und treu der Armee diente, der er angehörte, und dem Kaiser, der die Verkörperung des Staates war, den er verteidigte.

Die Beziehung von Josef Wenzel Radetzky zum jungen Kaiser Franz Joseph war außergewöhnlich, der junge Kaiser (der Altersunterschied zwischen ihnen betrug 64 Jahre) bewunderte den alten Marschall und gab ihm sogar das Recht, dass er nach seinem Tod in der Habsburgergruft im Kapuzinerkloster in Wien beigesetzt werden könne, ein Privileg, das sonst nur den Mitgliedern der kaiserlichen Familie vorbehalten war. Eine größere Wertschätzung der Verdienste des Heerführers war wohl kaum möglich. Das Schicksal wollte es anders.

Wenn von Radetzkys militärischen Erfolgen die Rede ist, wird damit vor allem die Niederschlagung des italienischen Aufstands in den Jahren 1848-1849 gemeint, den er in wenigen Tagen so überzeugend brach, dass infolgedessen der piemontesische König Karl Albert von seinem Thron abdankte. Insbesondere sein glänzender Sieg bei Custozza am 24. und 25. Juli 1848 ging in die Geschichte und sogar in die Lehrbücher der Kriegsstrategie ein und inspirierte Johann Strauss zu seinem Radetzkymarsch. Erfolge gegen italienische Truppen werden immer etwas relativiert, ein bekannter Witz besagt, dass die zwei kürzesten Bücher der Welt ein englisches Kochbuch und italienische heroische Sagen sind. Aber abgesehen davon, dass die Österreicher nach Radetzkys Tod in Solferino sogar gegen diese Italiener verloren (obwohl diese zwar von den Franzosen unterstützt wurden, aber immer noch in numerischer Unterzahl waren), war Radetzkys größte militärische Leistung die Völkerschlacht bei Leipzig im Jahr 1813. Obwohl Feldmarschall Karl von Schwarzenberg der Oberbefehlshaber der verbündeten Armee war, die gegen Napoleon kämpfen sollte, war Radetzky der Chef des Generalstabs, der die Schlachtstrategie ausarbeitete. Schwarzenberg’s Aufgabe war es, die verbündeten Armeen zu koordinieren und seine Autorität zu nutzen, um auch die ungehorsamen russischen Generäle dazu zu bringen, der Schlacht nach seinen Vorstellungen beizuwohnen. Radetzkys Aufgabe war es dann, einen Schlachtplan zu erstellen, der es ermöglichen würde, die numerische Überlegenheit der verbündeten Armee auszunutzen. Die bloße numerische Überlegenheit in den Kämpfen gegen Napoleon bedeutete nicht unbedingt eine Garantie für den Sieg (auch bei Austerlitz kämpfte er gegen eine Übermacht). Der kleine Korse konnte den Mangel an Soldaten durch konzentrierte Angriffe auf die Schwachstellen des Feindes und seine ausgezeichnete Nutzung der Artillerie kompensieren. Er erklärte nicht ganz unbegründet von sich selbst, dass: “fünfzigtausend Soldaten und ich, das sind hundertfünfzigtausend Soldaten.”

Aber in Leipzig gelang es ihm nicht, eine Taktik gegen Radetzky zu umzusetzen. Schwarzenbergs Soldaten drängten die Franzosen in die Stadt und ihre Verbündeten, die Polen, in die Elbe und massakrierten sie dort so ordentlich, dass weder die Franzosen noch die Polen sich in den nächsten Jahrzehnten davon erholen konnten.

Die militärische Karriere von Radetzky war sehr lang, auf seinem Grabstein sind 22 Schlachten aufgeführt, an denen er teilgenommen hat. Es begann mit den Türkenkriegen bei Belgrad im Jahr 1796, und die letzte Schlacht war die endgültige Niederlage des piemontesischen Heeres bei Novara im März 1849.

Aber warum liegt der berühmte Marschall dann nicht in Wien in der Kapuzinergruft neben den Kaisern, denen er treu gedient hat, wie es Franz Joseph wünschte? Stattdessen fand er seinen letzten Ruheplatz in Niederösterreich in der Nähe des Dorfes Glaubendorf im Bezirk Hollabrunn.

Dahinter verbirgt sich eine etwas obskure Figur aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, der Unternehmer Joseph Gottfried Pargfrieder.

Er wurde irgendwann zwischen 1787 und 1789 als uneheliches Kind geboren. Er behauptete immer von sich selbst, der uneheliche Sohn von Kaiser Joseph II. zu sein. Im Grunde weiß man jedoch über seine Herkunft überhaupt nichts. Auch die Geburtsdaten variieren, neben dem üblichen 1787 werden auch Jahre 1775 oder 1782 angegeben. Nach einer Version soll er aus einer Affäre von Joseph II. mit einer schönen Jüdin stammen, nach einer anderen war seine Mutter Anna Moser aus Marchfeld, wohin die Habsburger gerne Jagdausflüge machten. Pargfrieder hatte jedoch das Bürgerrecht der Städte Buda und Pest (damals noch zwei Städte), und es gibt sogar eine Theorie, dass er in Brünn in Mähren geboren wurde. Es zahlt sich also überhaupt nicht nach seiner Geburt zu forschen.

Wie dem auch sei, als die Napoleonischen Kriege ausbrachen, erhielt der liebe Pargfrieder plötzlich den Auftrag, die österreichische Armee mit Uniformen und Stiefeln zu versorgen. Das ist etwas, was wir auch heute kennen: Ein gerade gegründetes Unternehmen erhält einen staatlichen Auftrag, und sein Besitzer wird im Schnellschritt märchenhaft reich. Dieser Mann muss also Kontakte zur kaiserlichen Familie gehabt haben. Pargfrieder wurde tatsächlich unglaublich reich, am Ende der Napoleonischen Kriege im Jahr 1815 wurde er als sechstreichster Mann in Österreich registriert – damals lebte er noch in Budapest. Im Jahr 1832 kaufte er das Schloss Wetzdorf in Niederösterreich, das damals dem Verfall nahe war, und ließ es großzügig renovieren.

Im Jahr 1849, nach der Niederlage des ungarischen Aufstands und des Aufstands in der Lombardei, war er so begeistert, dass er beschloss, die österreichische Armee mit einem monumentalen Denkmal zu ehren (er wusste anscheinend immer noch nicht, was er mit seinem verdienten Geld tun sollte). Auf seinem Grundstück errichtete er also den „Heldenberg“. Mit Büsten bedeutender Generäle und Offiziere der österreichischen Armee, an der höchsten Stelle stehen die Büsten des Generalissimus Karl I. Schwarzenberg, des Erzherzogs Karl von Habsburg, Prinz Eugen von Savoyen und Gedeon Laudon (der am 14. Juli 1790 in meiner Heimatstadt Neutitschein starb). Es gibt auch eine Allee deutscher und österreichischer Kaiser – allerdings nur diejenigen, die zum Habsburger Geschlecht gehörten.

Die Allee beginnt mit Rudolf I. Hier entstand jedoch ein kleines Problem, denn Pargfrieder oder derjenige, der das Monument plante, unterschied nicht zwischen Königen und Kaisern (wenn er nur gekrönte Kaiser aufgestellt hätte, wären es wesentlich weniger gewesen). Daher gibt es hier gleich zwei Friedrichs III. Der erste war Friedrich der Schöne, der seinen Kampf um die Herrschaft über Deutschland 1322 in der Schlacht bei Mühldorf gegen Ludwig den Bayern verlor, aber den Titel des römischen Königs behalten durfte, nachdem er versprochen hatte, sich nicht in die Regierungsangelegenheiten von Ludwig einzumischen. Der zweite Friedrich III., ursprünglich Herzog von Steiermark und römischer König von 1440 bis 1493, brachte es tatsächlich zum Kaiser – er wurde als der letzte Kaiser in Rom im Jahr 1453 gekrönt und erhielt den Kaisertitel als Friedrich III. Uninformierte könnten durch die zwei Büsten eines Feschaks und eines verschlafenen, hässlichen Mannes mit dem gleichen Namen irritiert sein, daher diese Erläuterung. Die Allee endet mit der Statue des damals noch jungen Franz Joseph I. Auf beiden Seiten gibt es viele berühmte Generäle der österreichischen und ungarischen Armee. Ich habe vergeblich nach dem Sieger der Schlacht von Weißenberg bei Prag im Jahr 1620 Buquoi gesucht, aber anscheinend habe ich ihn nur übersehen – sein Kollege Dampierre ist dort. Beide wurden im danach folgenden Jahr in Ungarn getötet, mit den Ungaren war niemals zu spaßen.

Alles schön und gut, aber wenn Pargfrieder seinem Denkmal wahre Anziehungskraft verleihen wollte, brauchte er eine prominente Leiche, einen berühmten General, den er auf seinem Grundstück begraben und dessen Grabstätte zum zentralen Punkt des Denkmals machen konnte. Er hatte zwar bereits den Leichnam von General Maximilian von Wimpffen, dem Architekten des ersten Sieges über Napoleon bei Aspern im Jahr 1809, wo er eine ähnliche Rolle wie Radetzky bei Leipzig hatte, nämlich als Chef des Generalstabs. Aber Wimpffen war in Österreich niemandem mehr bekannt, und Pargfrieder brauchte für sein Denkmal einen größeren Fisch. Das Glück war ihm hold. Josef Wenzel Radetzky hatte ein großes Problem. Seine Frau Francesca Gräfin Strassoldo-Graffemberg litt an Spielsucht. Durch ihre Sucht häufte sie unermessliche Schulden an, die der arme Marschall nicht im Stande war zu zahlen. Pargfrieder sah seine Chance. Er besuchte den damals 83-jährigen Marschall in Mailand und unterbreitete ihm sein unmoralisches Angebot. Pargfrieder würde alle Schulden des Marschalls bezahlen und seine weiteren Lebenskosten bis zu seinem Tod finanzieren, dafür würde Radecký aber schon zu Lebzeiten dem Geschäftsmann seinen Leichnam verkaufen, damit er sie mit Pomp auf seinem Heldenberg begraben werden könne. Der Marschall konnte nicht widerstehen, sie schlugen ein, Francesca Radetzky konnte wieder Karten spielen (sie starb 1854, vier Jahre vor ihrem Mann), und Radetzky war versorgt. Pargfrieder hatte sich jedoch etwas verrechnet, Radetzky lebte bis 1858, er wurde also 92 Jahre alt, womit der Wiener Unternehmer bei Vertragsabschluss nicht gerechnet hatte, und die Leiche des Marschalls wurde ihm daher ziemlich teuer (nach einer anderen, weniger interessanten Version der Geschichte unterzeichneten Pargfrieder und Radetzky den Vertrag im Jahr 1857, sieben Monate vor dem Tod des Marschalls, aber die erste Variante gefällt mir besser). Nach Radetzkys Tod in Mailand wurde seine Leiche nach Heldenberg überführt und dort mit Pomp beigesetzt. Kaiser Franz Joseph war verärgert. Ein Jahr später, als die Italiener den Tod des großen Marschalls für nächsten Aufstand nutzten, entschied er sich aus Frustration, die österreichische Armee selbst ins Feld zu führen und erlitt bei Solferino eine katastrophale Niederlage.

Radetzkys Grabmal ist monumental, unter einem großen Obelisken mit dem Gott Apollo an der Spitze und einer Gruppe von drei griechischen Göttinnen Klotho, Lachesis und Atropos, die das Schicksal der Menschen bestimmten, geht es hinter dem Grabmal hinab in die Unterwelt, und am Grab des Marschalls liegen immer noch Kränze der österreichischen Armee und verschiedener Vereine. Die Österreicher ehren ihren großen Krieger, tschechische Kränze allerdings fehlen dort.

Auf der anderen Seite des Grabmals liegt General Wimpffen, an seinem Grab liegen keine Kränze. Der Zweite zu sein, ist nie erfreulich.

Aber Heldenberg ist nicht nur Radetzky und dieses militärische Denkmal. Das würde vielleicht Touristen anlocken, aber nicht genug. Und so gibt es hier bis zu sieben Attraktionen, also ein Ziel für einen ganztägigen Ausflug für die ganze Familie.

Am beeindruckendsten ist die Oldtimer-Sammlung des österreichischen Unternehmers Rudolf Koller. Er kam legal zu seinem Reichtum. Er hatte einfach eine Idee, als er in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts begann, Whirlpools herzustellen. Heute hat er seine Hauptproduktion in Heinrichgraz in Tschechien, erhielt aber trotzdem den Titel Kommerzialrat von der Regierung von Niederösterreich – die Österreicher legen großen Wert auf Titel. Herr Koller feierte im Jahr unseres Besuches, also 2020 seinen achtzigsten Geburtstag, er sollte angeblich immer noch frisch sein und fuhr mit seinen Oldtimern nicht nur durch Niederösterreich. Wie es ihm derzeit geht, konnte ich nirgends erfahren, offensichtlich hält er sich der Öffentlichkeit lieber fern. Seine Sammlung ist einfach erstaunlich. Man findet dort alles, wonach das Herz sich sehnt. Eine ähnliche Sammlung habe ich nur in Monaco aus dem Nachlass von Fürst Rainier III. gesehen, aber sogar das Fiat-Museum in Turin hat keinen so großen Eindruck auf mich gemacht, als die Sammlung in Heldenberg. Ich habe das Gefühl, dass Koller einfach mehr und vor allem interessantere Autos hat.

Vom kaiserlichen Wagen, dem Peugeot des Kaisers Karl, über die ersten Fahrzeuge aus dem späten 19. Jahrhundert (mit einer Leistung von 0,75 PS!!!) bis hin zu Formel-1-Autos. Sogar der Rennwagen von Weltmeister österreichischer Herkunft Jochen Rindt,(er war eigentlich ein Deutscher, lebte aber in Wien und betrachtete sich als Wiener, und so verziehen ihm die Österreicher gerne seine deutsche Staatsangehörigkeit). Es gibt Autos aus allen Jahrzehnten, historisch geordnet. Koller hat offensichtlich eine starke Vorliebe für die tschechische Marke Tatra. Er hat hier mehrere Tatra-Wagen (obwohl der bekannteste Tatra 603 fehlt), während die Konkurrenz – die Marke Škoda  – mit nur einem einzigen Wagen viel schlechter abschneidet.

Natürlich finden wir auch einen Trabant, und meine Frau hat sogar eine Wolga entdeckt, das Auto, das ihr Vater besaß, in das seine ganze achtköpfige Familie auf dem Weg zum Urlaub in Dalmatien passte. Es gibt auch Motorräder hier, es ist einfach ein echtes Erlebnis, sehr geschmackvoll komponiert, so dass man die Entwicklung des Automobilismus wirklich aus der Nähe genießen kann. Es gibt auch absolute Kuriositäten, wie vergoldete Autos von Leuten, die wirklich nicht wussten, was sie mit ihrem Geld anfangen sollten. Natürlich gibt es auch Ferrari und Porsche, und die Ausstellung endet mit modernen Autos von heute, die den Begriff “Oldtimer” nicht mehr verdienen. Wenn jemand historische Autos liebt, sollte er einen Besuch in Rudolf Kollers Sammlung als Pflichtprogramm vormerken. Vielleicht sogar mit einer Führung. Die Herren, die sich um die Sammlung kümmern, sind genauso begeistert wie Koller selbst und singen gerne Loblieder über die ausgestellten Modelle.

Neben dieser Sammlung gibt es auf dem Heldenberg auch das Trainingszentrum der Lipizzaner, also der weißen Pferde einer speziellen Zucht, über die sich Slowenen und Österreicher streiten. Die Slowenen haben ihre österreichischen Nachbarn geärgert, als sie die Lipizzaner auf ihre zwanzig-Cent-Münze gesetzt haben

Weiter gibt es auf dem Heldenberg ein Dorf aus der Steinzeit, das hier ausgegraben und rekonstruiert wurde, wo Kinder Brot backen können, nach der fünftausend Jahre alte Methode.

Dann gibt es die Vorführung von Greifvögeln – die Falkenshow, einen englischen Garten und natürlich – einen Weinkeller. Wir haben zwar die Wachau verlassen, aber Niederösterreich ist ein Weinland auch außerhalb dieses Gebietes – auf dem Heldenberg bieten dreißig Winzer aus der Umgebung ihre Weine an (Stand 2020), in diesem Jahr boten sie 155 verschiedene Weinsorten an, und Interessenten erhalten auch eine fachkundige Führung. Also der Heldenberg ist wirklich besuchswert.

Zum Abendessen sind wir nach Tulln gefahren. Es sind nur 27 Kilometer und diese Stadt an der Donau – eine weitere der historischen Hauptstädte Österreichs – ist auch eines Besuchs wert. Das Parken war kein Problem, es gibt eine Tiefgarage direkt im Zentrum. Tulln ist eine stolze Stadt und hat gleich mehrere Gründe dafür. Es ist der Geburtsort von Egon Schiele, einem der bedeutendsten Maler der österreichischen Moderne. Er lebte von 1890 bis 1918, als er an der Spanischen Grippe starb. Er hatte auch eine enge Beziehung zu Krumau on Südböhmen, woher seine Mutter stammte und wo er auch einige Zeit lebte und arbeitete. In Tulln finden wir sein Museum, seinen Spazierweg und viele Erinnerungen an seine Kindheit und Jugend.

Tulln ist auch die Wirkungsstätte des Architekten Friedensreich Hundertwasser (1928 – 2000), einem der bekanntesten modernen österreichischen Architekten. Hier lebte er zehn Jahre lang auf dem Boot Regentag, das immer noch an seinem ursprünglichen Platz an der Donau verankert ist und dem Künstler als Wohn- und Atelier diente.

Es ist auch laut Nibelungensage der Ort der Begegnung und anschließender Hochzeit der burgundischen Königin Kremhild mit dem Hunnenkönig Attila.

Ein monumentales Denkmal aus dem Jahr 2005, das dieses Ereignis aus dem Nibelungenlied darstellt, schmückt die Donauuferpromenade, daneben befindet sich ein symbolisches Bronzebuch, das nur symbolisch auf einer Seite beschrieben ist, die andere bleibt frei für weitere Geschichten in der Zukunft.

Tulln ist der Ort des ehemaligen römischen Militärlagers Comagene. Von ihm hat sich einer der Wehrtürme erhalten, einen Großteil des ehemaligen Lagers hat die Donau bereits überflutet, dennoch gibt es hier Ausgrabungen und ein Museum, und vieles in der Stadt ist nach dem römischen Kaiser Mark Aurel benannt, der Comagene besuchte (er starb im nahe gelegenen Vindobona, also in Wien). Seine Statue steht vor der Siedlung, die nach ihm benannt wurde, und schaut über die Donau hinweg auf das Gebiet, wo zu seiner Zeit noch die Markomannen lebten, die er als letzte Bedrohung für den römischen Limes Romanus pazifizierte.

Und es gibt die Tullner Gärten. Blumen sind das, worauf die Stadt Tulln gesetzt hat, und es war eine richtige Wette. Der Garten befindet sich westlich des Stadtzentrums in der Nähe des Messegebäudes und verfügt über einen eigenen Parkplatz. Er wurde im Rahmen der Landesausstellung Niederösterreich im Jahr 2008 gegründet und wurde zu einer dauerhaften Attraktion der Stadt Tulln – und es lohnt sich. Ein Besuch in Tulln ohne einen Besuch dieser Gärten gilt angeblich nicht, aber für den Besuch dieses Wunders muss man zahlen, und nicht wenig – der Eintritt kostete damals 15 Euro. Aber wer Blumen mag, kann nicht widerstehen. Es gibt auch einen Aussichtsturm, damit man alles von oben und auf einmal sehen kann. Wenn das alles einem langweilig scheint, kann er zwischen den Beeten auf einem Boot fahren oder sich von einem Touristenzug herumfahren lassen.

Übrigens ist auch die Altstadt von Tulln schön. Ob das Sparkasse-Gebäude, das wir für das Rathaus hielten, oder das Rathaus selbst, aber auch die Kirchen, sei es die gotische Pfarrkirche St. Stephan oder die barocke Minoritenkirche. Das Essen im Restaurant S’Pfandl war auch gut. Also, wenn man an einem Wochenende nichts zu tun hat…

Mallorca II

Vor allem ist das Reisen auf Mallorca erstaunlich einfach. Man steigt in den Bus ein, hält seine Kreditkarte an das Lesegerät neben dem Fahrer (wenn es mehrere Personen gibt, muss man sovielmal halten, wie viele Personen in der Gruppe sind). Beim Ausstieg hält man dann wieder seine Kreditkarte hin, und der Betrag für die Fahrkarte (oder mehrere Fahrkarten) wird von seinem Konto abgebucht. Natürlich wird es einfacher sein, wenn man in der Eurozone lebt, ich habe keine Ahnung, wie viel eine solche Transaktion die Schweden, Dänen, Tschechen oder Ungaren kosten würde, da dort muss die Bank natürlich die Devisen umrechnen. Wenn das meine Leser wissen, teilen Sie es mir bitte mit.

               Man muss also keine Fahrkarte kaufen und damit ist auch der Preis für die Fahrt nach Palma oder Alcúdia oder wohin auch immer primär uninteressant. Ich kann verraten, dass das Reisen auf diese Art wenig kostet und sehr bequem ist. Die Tschechin Lenka in der Hotelrezeption erklärte mir, dass dieses System in Ostrava schon seit Jahren funktioniert und gut funktioniert. Für Besucher der Stadt im Norden Mährens, die ein Papierfahrschein möchten, kann dies jedoch einen Kulturschock bedeuten, wie ich aus den empörten Reaktionen meiner Freunde auf WhatsApp erfahren habe. Ich träume aber, dass es bald in Graz funktionieren würde und damit der ewige Stress, wo kaufe ich eine Fahrkarte für die Fahrt von Dörfla zum Murpark, Geschichte würde.

               Wenn man eine Woche wie wir auf Mallorca ist, hat man nicht so viel Zeit, um die Insel zu erkunden. Im Osten gibt es die Stadt Alcúdia.

Alcudia

Es ist eine Stadt mit erhaltenen Stadtmauern, die ihre Bewohner einst gegen die Piratenangriffe errichteten, denen die Insel jahrhundertelang ausgesetzt war. Die Stadt mutiert tagsüber zu einem großen Markt in den engen Gassen der Stadt und vor dem Tor, abends wird der Ort zu einem großen Restaurant, in dem es schwer ist, einen freien Platz zu finden – vor allem, wenn man nur etwas trinken aber nicht essen möchte.

Also machten wir stattdessen einen Spaziergang entlang der Stadtmauern, das war eine schöne Erfahrung. Ebenso wie die Kirche des heiligen Jakobus. Ursprünglich gotisch, fiel sie im 19. Jahrhundert zusammen und wurde im neugotischen Stil wieder aufgebaut. Und natürlich darf eine Prise Barock in ihrem Inneren nicht fehlen, schließlich sind wir in Spanien.

               Alle drei Jahre findet in Alcúdia am 26. Juli das große Fest „Triennal de Santo Christo“ statt. Im Jahr 1507 begaben sich die Bewohner der Stadt auf eine Prozession zu den Höhlen des heiligen Martin, um Regen herbeizurufen, der die damalige schreckliche Dürre beenden sollte. Sie trugen ein wundersames Kreuz mit Christus, das im gleichen Jahr am 24. Februar Blut und Wasser schwitze. Offensichtlich haben sie auf diese Weise den Regen herbeigerufen, denn seitdem findet alle drei Jahre in Alcúdia eine Prozession statt, zu der Besucher einschließlich hochrangiger Kirchenvertreter aus der ganzen Welt kommen. Das nächste wird 2025 sein.

               Natürlich darf man einen Besuch in Palma de Mallorca, der Hauptstadt der Insel, nicht versäumen. Wir kamen mit dem Bus dorthin, was bequem ist, nur danach muss man bitte direkt unter dem Schwanz des Pferdes der Statue von Jaume I. durchgehen, und so gelangt man direkt in die Altstadt. Wir sind in die falsche Richtung gegangen, was etwa eine halbe Stunde Irrweg in der Neustadt zur Folge hatte.

Jaume I

               Natürlich ist es am schönsten am Meer, wo die Kathedrale „Le Seu“ aufragt, die offiziell der Jungfrau Maria geweiht ist.

Es ist ein riesiges Gebäude, über hundert Meter lang. Es sollte ein Symbol für die Wiederbelebung des Christentums auf der Insel sein, daher ließ Jaume I. bereits im Jahr 1230, gleich nach der Eroberung der Insel, den Grundstein legen. Mit dem Bau begann jedoch erst im Jahr 1306 sein Sohn Jaume II. Da der Bau bis ins 20. Jahrhundert dauerte, wechselten sich dabei viele Architekten und Stile ab. Die Kapelle des Heiligen Bernhard zum Beispiel wurde von Antoni Gaudí entworfen (oder rekonstruiert).

Gaudí ist auch der Autor des Altarleuchters. Es gibt Tickets nur für die Kathedrale oder auch für den Zugang zu den Terrassen, von wo aus man einen Blick von oben auf die Stadt und den Hafen hat. Der Zugang zu den Terrassen wird natürlich streng kontrolliert, damit niemand hineinkommt, der nicht bezahlt hat.

               Direkt neben der Kathedrale befindet sich der Königspalast – der König und der Bischof waren Nachbarn.

Königlicher Palast

Heute verbringt König Felipe VI. mit seiner Familie seinen Urlaub im königlichen Palast, wenn er auf Mallorca weilt. Während seiner Anwesenheit wird das erste Stockwerk, das für den Aufenthalt der königlichen Familie dient, für die Öffentlichkeit geschlossen. Wir hatten Glück, der König mit seiner Frau und den Töchtern war woanders, also konnten wir den Palast in seiner Gesamtheit besichtigen, einschließlich des königlichen Audienzsaals, wo Staatsbesuche vom König empfangen werden.

Das gesamte erste Stockwerk ist mit Tapisserien aus Flandern geschmückt, eine Erinnerung an die Herrschaft von Kaiser Karl V., der offensichtlich gerne auf Mallorca weilte Er wurde aber in den damaligen Niederlanden geboren und dort wuchs er auch auf, daher seine Vorliebe zu Tapisserien aus Flandern. Die Herrschaft scheint ihm nicht so viel Spaß gemacht zu haben, und schließlich trat er zurück und verbrachte den Rest seines Lebens in einem Kloster. Möglicherweise war der Anlass für seinen Rücktritt, dass er nachts und nur in Unterwäsche aus Innsbruck vor seinen Feinden flüchten musste. Vielleicht hätte er es auf Mallorca angenehmer gehabt, hätte nicht resigniert und wäre nicht so früh gestorben. Das Erdgeschoss des Palastes ist gotisch, das Obergeschoss eher im Stil der Renaissance, es gibt auch arabische Bäder, die erstaunlicherweise das System der römischen Bäder genau nachahmen. Aber die Exterieur in Palma sind einfach schöner als die Innenräume. Und das gilt auch für die Stadt, in der man viele Gebäude im spanischen Jugendstil findet, wie das Grand Hotel oder die Häuser „Can Rei“ oder „L’Aquila“ auf der „Placa Marques de Palmer“.

               Das Einkaufen ist wohl nicht so großartig. Meine Frau verschwand auf dem „Placa de Espaňa“, und ich fand sie erst nach über einer Stunde ziemlich frustriert wieder, weil sie nichts Anständiges gefunden und daher nichts eingekauft hatte. Aber es gibt dafür überall viele Lokale zum Sitzen und Trinken und eine Kleinigkeit zu essen. Der Platz „Placa de Cort“ mit einem mehrere hundert Jahre alten Olivenbaum ist erstaunlich und dort befindet sich auch der Sitz des Balearischen Parlaments.

In der Stadt gibt es viele weitere Kirchen wie „San Francisco“ oder „Santa Eulalia“, aber für alle muss man Eintrittskarten kaufen und auch ein Museum mit kirchlichen Zeremonialgegenständen besichtigen, was zeitaufwendig ist. Geld für die Karte hätte ich gehabt, die Zeit nicht, wir waren in der Stadt nur einen einzigen Tag unterwegs.

               Kurz gesagt, wenn man zum ersten Mal und nur kurz auf Mallorca ist, schafft man nicht zu viel. Es lohnt sich, wiederzukommen. Dann kann man Palma mehr genießen – besonders, wenn man bereits weiß, dass man vom Busbahnhof direkt unter dem Schwanz des Pferdes der Statue von Jaume I. durchgehen muss, um in die Altstadt direkt zu gelangen. Aber natürlich gibt es in Palma auch das Aquarium, die Festung „Es Baluard“, die Gärten „de Marivent“ mit Skulpturen von Joan Miró und im Norden der Insel in den Bergen liegt das zauberhafte Städtchen Sóller mit einem botanischen Garten und einer Schmalspurbahn, die einen zum fünf Kilometer entfernten Hafen bringt. Mein Freund Milan hat mir definitiv geraten, ein Auto zu mieten und in diese Berge zu fahren da die Frauen auf dem Beifahrersitz auf kurvenreichen Straßen vor sich hin schweigen. Aber Milan kennt meine Frau nicht. Sie schweigt nicht, sie schimpft und speibt in einer solchen Situation und das ist für den Frieden in der Familie nicht fordernd.

               Es reichte, sie auf einen Ausflug zum Cap Formentor mitzunehmen.

Die Serpentinen dort sind wunderschön. Es geht rauf und runter, die Straßen sind schmal, Busse müssen ausweichen und immer wieder anhalten. Es war schon auffällig, als der Busfahrer in Pollenca alle Passagiere überprüfte, ob sie angeschnallt waren. Er wusste warum. Für Menschen mit Reisekrankheit ist der Norden Mallorcas ein bisschen problematisch. Als wir am Leuchtturm ankamen, von wo aus man in der Ferne sogar die Schwesterinsel Menorca sehen konnte, gefiel es mir dort sehr. Meine Frau hasste mich aber zu diesem Zeitpunkt. Weil der Ausflug meine Idee war. Eine Reisekrankheit mit Migräne ist kein Spaß.

               Trotzdem werden wir wahrscheinlich wieder nach Mallorca kommen. Aber ich fürchte, nach Port de Sóller fahre ich alleine. Egal ob mit dem Auto, dem Bus oder der Schmalspurbahn von Palma aus.

Balearisches Parliament in Palma

Mallorca I

               Zum Schreiben dieses Artikels musste ich mich fast einen Monat lang überreden (und ein beinahe weiteres Jahr hebe ich gebraucht, um es zu publizieren.). Ich bin nämlich überzeugt, dass die meisten meiner Leser diese Insel viel öfter besucht haben als ich und meine Erlebnisse daher bei ihnen nur ein Schulternzucken auslösen würden. Nun ja, ein Neuling in einem Reiseziel, das im Grunde zum Pflichtprogramm eines gebildeten Menschen gehört. Mallorca ist eine der meistbesuchten Inseln der Welt, und vielleicht war das der Grund, warum wir sie so lange gemieden haben.

               Dennoch haben wir uns in vorigem Jahr entschlossen, in den sauren Apfel zu beißen, nur um dann festzustellen, dass er eigentlich gar nicht so sauer ist. Obwohl es hier von Touristen nur so wimmelt – nun ja, wie sieht es in Prag aus, oder im schlimmsten Fall in Krumau oder in Hallstatt? Die Menschen kommen nach Mallorca nicht nur, um zu baden, sondern auch, um die Kultur, die Natur und den Sport zu genießen – es gibt hier Trainingscamps für Tennis und Golf, und natürlich gibt es auch den berühmten Ballermann, wo die Deutschen bis zum Umfallen feiern können. Das alles sind Gesichter einer sonst ziemlich kleinen Insel.

               Für den touristischen Boom verantwortlich ist ein Österreicher, genauer ein Habsburger, und noch genauer gesagt Erzherzog Ludwig Salvator.

Erzherzog Ludwig Salvator

Dieser Habsburger wurde 1847 in Florenz als zweitjüngster Sohn des Großherzogs Leopold II. geboren. Er war der Urenkel von Kaiser Leopold II., dessen zweitältester Sohn Ferdinand nach der Umsiedlung von Leopolds Familie nach Österreich sein Nachfolger auf dem toskanischen Thron wurde. Im Jahr 1859 musste die Familie aufgrund der Risorgimento-Bewegung nach der verlorenen Schlacht von Solferino Italien verlassen – Florenz wurde sogar für eine gewisse Zeit zur Hauptstadt des neu vereinten Italiens. Ludwig Salvator zog mit seinen Eltern auf das Schloss in Brandeis in Böhmen. Dieses Schloss kam im Jahr 1547 im Rahmen von Konfiskationen nach dem ersten Adelsaufstand gegen König Ferdinand I. in den Besitz der Habsburger. Der junge Erzherzog zeigte kein Interesse an einer militärischen Karriere, wie es einem echten Habsburger angemessen gewesen wäre, sondern wurde Wissenschaftler, mit Schwerpunkt Biologe und mit besonderem Interesse an Insekten. Auf seiner Forschungsreise besuchte er 1867 Mallorca und war von der Schönheit ihrer Natur fasziniert. Schon zwei Jahre später veröffentlichte er das monumentale Werk „Die Balearen in Wort und Bild“, das auch heute noch eine Wissensquelle über die Bräuche und natürlichen Bedingungen auf der Insel ist, bevor der Massentourismus hier Einzug hielt. Das Werk wurde bei der Weltausstellung im Paris im Jahr 1878 mit einer Goldmedaille ausgezeichnet. Der Erzherzog kaufte sich auf Mallorca das Haus „Son Marroig“ auf der Halbinsel „Sa Foradada“, das, ich gestehe, schwer aber doch, von der Stadt Port Solér aus zu erreichen ist.

               Aber Ludwig Salvator allein hätte Mallorca nicht so populär machen können. Diesen gebildeten und anscheinend auch humorvollen Intellektuellen mochte auch Kaiserin Sissi, die ihn mehrmals auf Mallorca besuchte. Und als die Kaiserin begann, von den Schönheiten der Insel zu schwärmen, wurde es gleich wieder einmal zum Hit. Die Kaiserin war halt lebenslang eine Trendsetterin. Übrigens sorgte sie im Jahr 1892 für einen Skandal, als sie Weihnachten und ihren 55. Geburtstag (sie wurde am 24. Dezember 1837 geboren) anstelle ihres langweiligen kaiserlichen Ehemanns mit Ludwig Salvator verbrachte, was der verärgerte Kaiser mit folgenden Worten kommentierte: „Ich hoffe, der dicke Luigi kümmert sich ausreichend um dein Wohlergehen.“. Übrigens gerade sein Übergewicht und damit verbundene Elefantiasis führte im Jahr 1915 zum Tod des Erzherzogs auf dem Schloss in Brandeis.

               Der eigentliche Massentourismus auf Mallorca begann dann in den 1960er Jahren, denn auch der Diktator Franco erkannte das Kapital der Insel, und die Einnahmen aus dem Tourismus waren für das politisch isolierte Land mehr als willkommen.

Heute gibt es hier so viele Touristen, dass die Einheimischen anfingen, sich zu wehren. Zum Beispiel, indem sie falsche Wegweiser an Straßen stellen, die die Touristen in die falsche Richtung schicken, oder sie ändern die Angaben der Entfernungen, und statt drei Kilometern erfährt man, dass sein Ziel 50 Kilometer entfernt ist. Die Touristenmassen gehen vielen Einheimischen einfach auf die Nerven. Aber für die Touristenmengen kann vielleicht Großteils auch der auf Mallorca geborene Rafael Nadal verantwortlich gemacht werden, der in seiner Heimatstadt Manacor ein großes Tennis-Trainingszentrum gebaut hat – eine unsere tennisbegeisterte Kollegin konnte sich ein Jahr ohne einen Besuch in Manacor überhaupt nicht vorstellen.

               Mallorca hat jedoch eine viel längere Geschichte. Aufgrund seiner Lage zwischen Hispanien und Gallien, also zwischen Spanien und Frankreich, hatte es genügend Bedeutung, um oft den Besitzer zu wechseln. Zuerst kamen die Römer, die auf der Insel zwei wichtigen Städte gründeten, Palma im Westen und Pollenca im Osten. Die Vandalen plünderten die Insel, aber sie schlossen sie nur formell an ihr Königreich in Afrika an. So konnte sie ohne Probleme von den Byzantinern im Zeitalter von Kaiser Justinian erobert werden. Allerdings war die Insel von Konstantinopel verdammt weit entfernt, und als die Macht Byzanz’ zu schwinden begann, konnten sie die Byzantiner nicht gegen die arabische Expansion verteidigen. Schon zu Beginn des 8. Jahrhunderts waren die Franken hier als Schutzmacht vor arabischen und wikingischen Überfällen tätig, aber im Jahr 903 wurde die Insel letztendlich doch von den arabischen Mauren erobert und dem Emirat Córdoba angegliedert.

               Zum Silvester 1229 mussten die örtlichen arabischen Herrscher vor der Armee Königs Jaume I. von Aragon kapitulieren und ihm die Schlüssel zur Hauptstadt der Insel übergeben, die damals „Medina Mayurka hieß“.

Jaume I

Sein zweitgeborener Sohn Jaume II. machte sich dann im Jahr 1276 selbstständig und schuf aus den Balearischen Inseln ein eigenständiges Königreich. (Darüber wird im Roman „Die Kathedrale des Meeres“ von Ildefonc Falcones berichtet). Während seiner Herrschaft erlebte die Insel ihre schönste Zeit, und die meisten monumentalen Gebäude, einschließlich des königlichen Palastes und der Kathedrale „Le Seu“ in Palma, stammen aus dieser Zeit. Sein Neffe Jaume III. wurde dann in der Schlacht bei Llucmajor von seinem Cousin, aragonischem König Pedro, ermordet, und damit ging die Unabhängigkeit Mallorcas zu Ende.

 In den ersten Jahrzehnten nach der Eroberung war die Mehrheit der Bevölkerung moslemisch. Das das Volk langsam, aber unanhaltsam und ohne Gewalt zum katholischen Glauben übertritt, war Verdienst eines Mannes namens Ramon Llull.

Dieser Priester setzte auf Kommunikation, mehrmals reiste er sogar nach Nordafrika, um dort mit den moslemischen Philosophen zu diskutieren. Er sprach fliesend arabisch, seine Werke schrieb er aber nicht in Latein, wie damals üblich war, sondern im katalanischen Dialekt. Damit gilt er nicht nur als erfolgreicher Missionär aber auch als Gründer der katalanischen Sprache. Sein Denkmal steht in Palma di Mallorca, in der Hand hält er ein Buch. Neben ihm und Raphael Nadal wurde noch der bekannte Bildhauer und Maler Miguel Barceló (geboren 1957).

               Mallorca gehört also zu Spanien, es wird hier allerdings katalanisch gesprochen oder sogar eher der mallorquinische Dialekt, der sich sogar von dem katalanischen unterscheidet. Dass es Unterschiede zwischen den Sprachen auf der Iberischen Halbinsel gibt, habe ich verstanden, nicht nur als mir anstelle des spanischen „solida“ das „sortida“ begegnete, was eher an das französische „sortie“ erinnert, sondern auch daran, dass Jaume die katalanische Form von Jakob ist, was auf Spanisch Diego heißt Wie katalanische Freunde meinem Sohn einmal erklärten, ist Katalanisch zur Hälfte Italienisch und zur Hälfte Französisch, hat aber “überhaupt nichts mit Spanisch zu tun!” Ende des Zitats.

               Es gibt viele Möglichkeiten, wie man einen Urlaub auf Mallorca verbringen kann. Junge Deutsche, die wilde Nächte am Ballermann lieben, werden natürlich in Palma übernachten. Ältere Menschen wie wir und Familien mit Kindern wählen eher den Osten der Insel – die schönsten Strände findet man an der „Playa de Muro“. Auch hier gibt es Hotel neben Hotel, aber die Strände sind öffentlich, und man muss sich eine Liege am Strand von den Einheimischen mieten – die Hotels haben keinen Anspruch darauf. Meine Frau brauchte jedoch keine Liege, als sie einmal ins warme Wasser des Mittelmeers ging, weigerte sie sich, wieder herauszukommen. Unser Hotel war großartig und preiswert, nur hat sich meine liebe Gattin wahrscheinlich bei der Buchung vertan, denn sie wollte ein Hotel ohne Kinder, und es handelte sich in Wirklichkeit um ein Kinderhotel mit vielen kinderfreundlichen Attraktionen und einer Menge Kinder von Windelalter bis zu Jugendlichen. Aber selbst so war es hier sehr bequem mit einem sehr guten Service.

Kairo

„Kairo ist die größte und prächtigste Stadt Ägyptens, der arabischen Welt und Afrikas. Sie hat ihre eigene Atmosphäre, ihren eigenen Charakter, ihren eigenen Zauber. Breite Boulevards mit zehn- und zwanzigstöckigen Gebäuden im modernsten Stil wechseln sich mit verwinkelten Gassen des traditionellen Orients ab. Die Stadt ist geschmückt mit vierhundert Moscheen mit schlanken Minaretten und vierzig Kirchen mit Kreuzen auf den Türmen. Antike Basare in den Gassen liegen neben luxuriösen Geschäftshäusern und malerischen Märkten unter freiem Himmel. Kairo kann mit zwanzig Museen, zehn Theatern, fünf Hochschulen, hundert Parks und Gärten unter Palmen sowie einer der schönsten Uferpromenaden der Welt prahlen.”

Diesen Text schrieb der tschechische Schriftsteller Vojtěch Zamarovský in seinem Buch “Ihre Majestäten die Pyramiden”. Ich gestehe, dass ich Zweifel hatte, ob Zamarovský wirklich die gleiche Stadt besucht hatte wie ich, nämlich Kairo. Aber er war dort im Jahr 1986, als diese Stadt “nur” neun Millionen Einwohner hatte. Heute ist es eine unglaubliche Ameisenkolonie, in der sich zweiundzwanzig Millionen Menschen drängen, und die überwiegende Mehrheit von ihnen ist sehr arm. Dies hat natürlich mit der demografischen Situation zu tun. Als Napoleon im Jahr 1798 nach Ägypten kam, hatte Frankreich 35 Millionen Einwohner, und Ägypten zwei Millionen. Heute hat Frankreich (einschließlich massiver Einwanderung aus der arabischen Welt) 65 Millionen Einwohner, Ägypten 110 Millionen. Ägypten ist zwar ein großes Land mit einer Million Quadratkilometern Fläche, was es auf den 29. Platz weltweit bringt, aber die Bevölkerung drängt sich auf weniger als fünf Prozent dieser Fläche, der Rest ist unbewohnbare Wüste. Die Massen drängen sich also in große Zentren, wo ihr Leben zu einem täglichen brutalen Überlebenskampf wird.

Natürlich, wenn man das moderne Ägypten kennenlernen möchte, sollte man nicht mit einem Reisebüro dorthin fahren. Das haben wir aber getan. Es war also eine Reise nach Ägypten für Anfänger, und ich kann nicht sauer sein, dass wir nur das obligatorische Grundprogramm gesehen haben. Auch wenn unser Führer im Ägyptischen Museum etwas gereizt sagte, dass es für ihn interessant sei, Dinge zu hören, die er normalerweise selbst erzählt. Dann schwieg ich lieber. Aber es war immer noch praktisch, etwas über das alte Ägypten zu wissen. Unser zweiter Führer Mustafa, der uns von Assuan nach Luxor begleitete, war nämlich nicht gerade der fleißigste und gab uns meistens “freie Zeit”, um die Tempel auf eigene Faust zu erkunden, damit er selbst die Zeit im Schatten vor dem Tempel verbringen konnte. Dann waren meine Kenntnisse der ägyptischen Kultur sehr nützlich – ich kann mich rühmen, dass ich zum Beispiel die Kartusche mit dem Namen des Pharaos Ramses lesen kann. Ich werde verraten, dass es ziemlich einfach ist, der Name beginnt logischerweise mit dem Buchstaben “R”, den die alten Ägypter mit einer Sonnenscheibe darstellten, weil diese mit dem Gott Re identifiziert wurde (und Vokale wurden nicht geschrieben). Übrigens war dies der erste Buchstabe, den Jean-Francois Champolion entzifferte, als er das Geheimnis der Hieroglyphen knackte.


            Ein Tourist aus Europa muss sich also mit der Tatsache abfinden, dass er für die von Armut geplagten Ägypter vor allem ein Opfer ist. Nicht Opfer von Raubüberfällen, denn die Kriminalität soll angeblich in Ägypten niedriger sein als in Europa, sondern als Verbraucher von Dienstleistungen, die er meistens gar nicht braucht und will. Sei es der Kauf von Souvenirs, verschiedener Waren (Vorsicht, Kleidung aus der gepriesenen ägyptischen Baumwolle, die auf den Basaren angeboten wird, stammt fast ausschließlich aus China) oder die Fahrt mit dem Taxi oder der Kutsche. Mit Trinkgeld kommt man in die geschlossene koptische Kathedrale genauso wie in den wegen Renovierungsarbeiten geschlossenen Tempel des Gottes Chonsu in Karnak. Einfach gesagt, der Ägypter sieht im bleichen Touristen mit der Kamera um den Hals eine Geldquelle, die ihm das Abendessen sichert. Als wir dort waren, war gerade Ramadan, und die Ägypter durften erst nach Sonnenuntergang essen und trinken, das Mittagessen war also kein Thema. Das galt jedoch nicht ganz. Am ersten Tag haben wir noch mit unserem Führer Hašib ausverhandelt, dass wir nirgendwo zum Mittagessen gehen werden, weil wir auch in der Fastenzeit vor Ostern fasten. Er war davon nicht begeistert, akzeptierte es jedoch unwillig. Am zweiten Tag hat er uns nichts mehr gefragt. Er hat uns einfach mit dem Fahrer zu einem – nicht gerade einladenden – Restaurant gebracht, uns an einen Tisch gesetzt, und bevor wir protestieren konnten, legte das Personal Vorspeisen und dann etwas gegrilltes Hackfleisch und Gemüse vor uns auf den Tisch. Für zwei Portionen und zwei Flaschen Wasser haben wir 38 Euro bezahlt. Das Rätsel des relativ hohen Preises wurde schnell gelöst. Sowohl Hašib als auch der Fahrer nahmen große Plastiktüten voller Essen aus dem Restaurant mit, offensichtlich für das Iftar-Fest während des Ramadans – ich glaube nicht, dass sie etwas bezahlt haben.

            Ich habe festgestellt, dass ich ein verbissener und unangepasster Europäer bin. Wir haben in einem Hotel in der Nähe des Flughafens gewohnt, also weit weg vom Stadtzentrum. Mit dem Taxi könnte man ins Stadtzentrum gelangen. Ein Taxi im Hotel zu bestellen, war kein Problem, aber die Vorstellung, dass ich auch wieder zurückkommen muss, ließ mir den Schweiß auf die Stirn treten. Und dann würde natürlich der Taxifahrer den Preis diktieren. Die Voraussetzung für einen solchen Ausflug ist viel Bargeld, Kreditkarten gelten nicht als Geld. Ein Auto zu mieten und versuchen, ins Stadtzentrum selbständig zu kommen, wäre gleichbedeutend mit einem Selbstmord. Selbst der Reiseführer warnt eindringlich vor solchen verrückten Ideen. Ich schätzte meine Überlebenschancen im Kairo-Verkehr auf etwa dreißig Minuten. Vielleicht hat der Verkehr in der Stadt irgendwelche Regeln, aber wenn es welche gibt, habe ich sie nicht entdeckt – außer, dass man – hauptsächlich – auf der rechten Seite fährt. Vorfahrtrecht gibt es nicht, und an den Kreuzungen gab es zwar Ampeln, aber meiner Meinung nach hatten sie rein dekorativen Charakter. Die Änderung des Lichts an der Ampel hat nichts am Fahren unseres Busses geändert.

Es scheint möglich zu sein, im Stadtzentrum spazieren zu gehen. Ich weiß es nicht, wir haben es nicht geschafft. Aber als wir in Luxor am dortigen Nilufer spazieren gehen wollten, das nur einen halben Kilometer entfernt war, schafften wir es nicht. Durch die Menge der Taxifahrer vor dem Hotel haben wir uns noch irgendwie durchgeschlagen, dann kamen jedoch die Kutscher, die versuchten, uns mit Gewalt in ihre Kutsche zu ziehen. Und als wir Widerstand leisteten, erhielten wir aggressive Beschimpfungen – glücklicherweise auf Arabisch, also weiß ich nicht, wie uns der Kutscher genannt hat – seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, war es sicher nichts Schönes. Es blieb uns nichts anderes übrig, als den Versuch eines Spaziergangs aufzugeben und ins Hotel zurückzukehren. Ich hatte einfach nicht die Nerven oder genug Bargeld in der Geldbörse. Ägyptische Pfund sind bei Kutschern oder Taxifahrern nicht besonders willkommen – sie haben viel lieber Dollar oder Euro. Das liegt an der enormen Inflation. Als Ägypten sich im Jahr 1922 unabhängig machte, übernahm es das britische Pfund als seine Währung. Damals hatte es den Wert von fünf US-Dollar. Der aktuelle Wert des ägyptischen Pfunds beträgt drei US-Cent und sinkt ständig.

So habe ich leider weder den Tahrir-Platz noch die schönste Uferpromenade der Welt gesehen. Und das, obwohl wir dem Nil sehr nahegekommen sind – das Ägyptische Museum liegt im Stadtzentrum, und nur das Hilton Hotel trennt es vom Tahrir-Platz. Ich war nicht ausreichend vorbereitet, um genug Druck auf unseren Hašib auszuüben (ich wusste nicht, dass es SO NAHE ist!). Aber wahrscheinlich hätte selbst eine gründliche Vorbereitung nichts an unserem Schicksal geändert. Hašib hatte eine kranke Hüfte und hatte daher nicht vor, auch nur einen Meter mehr zu gehen als nötig, und die Vorstellung, uns ohne persönliche Aufsicht spazieren zu lassen, war für ihn ein Albtraum. Stattdessen stand der Besuch des Basars auf dem Programm – was ich WIRKLICH nicht gebraucht habe – aber es war schwer, sich in der überfüllten Gasse zu verlaufen, was Hašib, der im Auto geblieben war, die Ruhe behalten ließ.

Kairo blieb für mich also ein Ameisenhaufen von Menschen, die in Häusern leben, die teilweise im Entstehen und teilweise im Verfall begriffen sind, viele von ihnen durchlaufen beide Phasen gleichzeitig. Die Sozialwohnungen von Präsident Nasser (mit dem das sozialistische Lager so herzliche Beziehungen hatte, dass er den Ägyptern den Bau des Assuan-Staudamms ermöglichte) waren schreckliche Löcher.

Sozialwohnungen

In einigen fehlte sogar das Dach, aber an der Wand war immer eine Klimaanlage befestigt. Warum eine Klimaanlage in einer Wohnung, die Löcher in den Wänden hat, war mir nicht ganz klar – aber ich habe viele andere Dinge auch nicht verstanden.

Auf meinen Reisen durch Europa gewöhnte ich mir an, häufig John Travolta aus dem Film “Pulp Fiction” zu paraphrasieren, wo er über die Niederlande sagt: “Es ist dort alles wie bei uns, nur gibt es dort kleine Unterschiede.” Dieses Mal konnte ich diesen Satz jedoch nicht paraphrasieren – es gab keine kleinen Unterschiede, nicht einmal große, es war einfach alles komplett anders. Ich hätte sogar einen Gemüsemarkt besuchen können, aber ihn als “malerischen Markt unter freiem Himmel”, wie Zamarovský es genannt hat, zu bezeichnen, würde ich mich nicht trauen. Der Himmel war zwar hoch, aber ich habe dort nichts Malerisches gesehen – nur eine unglaubliche Menschenmenge.

In Kairo gibt es auch moderne Neubaugebiete (am Stadtrand in der Wüste, da es in Ägypten gesetzlich verboten ist, auf fruchtbarer Erde zu bauen) und sogar Siedlungen mit großen Erholungsparks – in Richtung Gizeh, wohin eine siebenspurige Autobahn führt. Wie viele Bewohner von Kairo sich jedoch einen solchen Luxus leisten können, kann ich nicht abschätzen. Es schien, dass viele dieser Wohnungen leer standen, obwohl die Gebäude fertig waren. Das ist ein ziemlich seltsamer Zustand, die meisten Häuser (auch Hotels) werden nie fertiggestellt. Für ein unfertiges Haus muss nämlich (ähnlich wie in der Türkei oder auch in Griechenland) keine Grundsteuer gezahlt werden. Daher ragen an der Spitze immer Drähte in den Himmel, als Zeichen, dass der Besitzer plant, ein weiteres Stockwerk hinzuzufügen – und das kann Jahre, Jahrzehnte oder vielleicht sogar eine Ewigkeit dauern.

Auf dem Weg ins Zentrum passierten wir die “Stadt der Toten”, also den zentralen Friedhof.

Es erstreckt sich über eine riesige Fläche von mehreren Quadratkilometern – jede Familie hat ihr kleines Haus, in dem sich zwei Massengräber befinden, eines für Männer und eines für Frauen. Männer dürfen also selbst nach dem Tod nicht mit Frauen vermischt werden – vielleicht, damit sie zumindest nach dem Tod etwas Ruhe haben. Diese Häuser unterscheiden sich sehr in Größe und Qualität – einige von ihnen ähneln auffällig Nasser’schen Sozialwohnungen, während bedeutende Männer sich Paläste bauen ließen, sogar mit Moscheen. Über der Stadt der Toten erheben sich viele von ihnen.

Die Dominante des historischen Kairos ist die Festung, die hier der legendäre Herrscher und Eroberer von Jerusalem Saladin (arabisch Salah-al Din) von 1173 bis 1186 errichten ließ.

Die Festung steht noch ein wenig – sie wurde 1992 durch ein Erdbeben beschädigt. Dieses Erdbeben hatte zwar eine Stärke von “nur” 5,8 auf der Richter-Skala, also in Tokio würde sich kein Blatt bewegen, aber in Kairo führte es zu 500 Toten und 50.000 Obdachlosen. Um ehrlich zu sein, schienen mir auch die heutigen Häuser – mit Ausnahme der Gebäude staatlicher Ämter, Museen und Krankenhäuser – nicht besonders erdbebensicher zu sein. Die Ägypter haben es in dreißig Jahren immer noch nicht geschafft, diese Saladin-Festung zu reparieren, sie warten anscheinend darauf, dass es jemand anders für sie tut. Die Dominante ist die sogenannte “Alabastermoschee” oder die Moschee von Muhammad Ali.

Alabastesermoschee

Nein, es handelt sich nicht um den berühmten amerikanischen Boxer, der ursprünglich Cassius Clay hieß, sondern um den Gründer der modernen ägyptischen Königsdynastie. Die Ägypter haben eine zwiespältige Meinung über ihn. Sie sprechen von ihm als “dem Albaner, den die Franzosen nach Ägypten gebracht haben”, können ihm aber nicht absprechen, dass sie diesem Mann viel zu verdanken haben. Vielleicht auch für diese Dominante, die über der Stadt aufragt. Die Verkleidung aus Alabaster, die ursprünglich die ganze Moschee bedecken sollte, ist jedoch unvollendet, weil die Nachkommen dieses Königs nach seinem Tod das ursprüngliche Projekt einfach ignorierten.

Ägypten verlor seine Unabhängigkeit im Jahr 1517, als es von den Türken erobert wurde und Sultan Selim (mit dem Beinamen „der Eroberer“ in der europäischen und „der Dichter“ in der moslemischen Tradition, was sich angeblich nicht widerspricht) den letzten mamelukischen Herrscher Tuman brutal ermorden ließ. Nachdem Ägypten von den französischen Truppen Napoleons erobert wurde – und sie den dort lebenden Arabern zeigten, auf welchem Schatz sie saßen, ohne etwas über seinen Wert zu wissen – und diese dann von den Briten vertrieben wurden, setzte sich in den politischen Kämpfen eben jener “Albaner” Muhammad Ali durch. Im Jahr 1805 lud er die Eliten der Mameluken zu einem Abendessen ein, was die herrschende Kaste der ägyptischen Gesellschaft war, und ließ sie alle massakrieren. Danach balancierte er geschickt zwischen der türkischen Regierung der “Großen Pforte” in Istanbul (weil Ägypten formal ein Teil des Osmanischen Reiches blieb) und den Briten, unter deren Schutz (Protektorat) er seinen Einfluss auf Jordanien und Syrien erweiterte und dessen Armeen sogar mehrmals vor Konstantinopel standen – also vor Istanbul.

So gründete er eine neue ägyptische regierende Königsdynastie, die erst 1952 durch einen Putsch der Offiziere endete, die den letzten König Faruq zwangen abzudanken. Der erste “Präsident” wurde Abdul Nasser mit einer Neigung zum kommunistischen Lager, gefolgt nach seinem Tod von Anwar Sadat, der eine Annäherung an USA suchte und sich mit Israel versöhnte, was ihm das Leben kostete. Nach dem Attentat auf ihn im Jahr 1981 begann die dreißigjährige Ära von Husni Mubarak, die mit dem “Arabischen Frühling” im Jahr 2011 endete. Nachdem die Ägypter bei freien Wahlen islamische Fanatiker unter der Führung des erstmals demokratisch gewählten Präsidenten Mohammed Mursi gewählt hatten, der das Land innerhalb eines einzigen Jahres seiner Amtszeit in politische Isolation und wirtschaftlichen Zusammenbruch führte, übernahm die Armee erneut die Kontrolle. Nachdem General Al Sisi die Uniform abgelegt hatte, wurde er  zum Präsidenten “gewählt”, und sein Bild ist jetzt an allen Ecken und Regierungsgebäuden zu sehen.

In Kairo gibt es wirklich viele große Moscheen. Zum Beispiel die Al-Hasana-Moschee, wo der iranische Schah Reza Pahlavi begraben liegt. Nach seiner Flucht aus dem Iran nach der Revolution von 1978 fand er schließlich Asyl gerade in Ägypten, wo er 1980 an Prostatakrebs starb. Mir hat besonders die Ibn-Tulun-Moschee gefallen, die auch die größte ist. Keine von ihnen ist jedoch für Touristen und erst recht nicht für Christen frei zugänglich, auch nicht barfuß. Fotografieren konnten wir sie von außen.

Normalerweise reist ein gewöhnlicher Tourist nach Kairo, um das ägyptische Museum und die Pyramiden von Gizeh und Sakkara zu besuchen. Dieses Programm haben wir erfolgreich absolviert. Natürlich ist das ägyptische Museum etwas ganz Besonderes.

Man konnte viel über Ägypten lesen und Fotos und Filme anschauen, aber wenn man vor diesem Stuhl steht, auf dessen Lehne die Frau von Pharao Tutanchamun seine Schulter mit Öl einreibt, ist das Erlebnis mit diesen Bildern nicht vergleichbar. Ich hatte dieses Bild des Stuhls vielleicht schon hundertmal auf Fotos gesehen, aber die Realität hat mich dennoch umgehauen. Ich konnte dort fotografieren (im Gegensatz zu dem Saal, in dem die goldene Totenmaske von Tutanchamun ist), aber als ich mir später das Foto ansah, war es eine riesige Enttäuschung. Einige Dinge muss man einfach live sehen.

Das gilt auch für die Pyramiden. Heutzutage stehen sie eigentlich schon in der Stadt oder am Stadtrand (Gizeh ist bereits mit Kairo zu einem Komplex verschmolzen).

Aus der Ferne wirken sie nicht besonders beeindruckend, aber wenn man zu ihnen kommt und ihre Größe begreift (eine Reihe von Steinen, die 17 Tonnen wiegen, in der untersten Reihe ist so hoch wie ein Mensch – nun ja, wie meine Frau, ich überragte sie etwas). Wer will, kann sogar in die Pyramide treten – entweder in die von Cheops (Khufu) oder die von Chefren (Khafre) – die zweite ist billiger und die Tickets leichter zu bekommen.

Im Inneren der Cheops-Pyramide, neben dem Sarkophag des Pharaos, wo der anwesende Araber gerne ein Foto von Ihnen für Trinkgeld macht, befinden sich die Graffiti des ersten Archäologen und Grabräubers Giovanni Belzoni, der hier am 2. März 1818 ankam. Es ist etwas schwieriger sich vorzustellen, wie diese Pyramiden aussahen, als sie neu waren. Ihre Oberfläche war nämlich mit Kalksteinplatten bedeckt, die die Sonne reflektierten und weiß in die Ferne leuchteten, und ihre Spitzen waren mit Gold geschmückt. Außerdem stehen die Pyramiden auf einer Anhöhe über dem Nil-Tal, das Ihnen zu Füßen liegt, mit seinen Palmen, Feldern und Wohngebieten. Eine wirklich atemberaubende Vorstellung. Aber nur eine Vorstellung.

Die berühmte Sphinx ist ein Stück weiter – sie bewachte den Zugang zu den Pyramiden und sollte Diebe abschrecken.

Das ist ihr nicht gelungen. Bei ihr gibt es ein Städtchen voller Geschäfte und Souvenirstände. Von weitem sah das Hotel Cleopatra schön aus. Aus der Nähe, wenn man sieht, wie viel Müll und Schmutz vor seinem Eingang liegt, eher abstoßend.

Die heutigen Ägypter betrachten sich zwar als Nachkommen der antiken Ägypter, die diese unglaublichen Werke gebaut haben, haben jedoch nur sehr wenig mit ihnen gemeinsam. Diese alte Kultur verschwand zuerst unter dem Sand, um dann in die Museen zu wandern, und von der Atmosphäre der einstigen einer der beiden ältesten Kulturen der Welt spürt man nicht viel. Sie werden bald verstehen, dass die Ägypter zu diesen Denkmälern eine rein kommerzielle Beziehung haben, nicht aber die emotionale, die man von den Nachkommen einer uralten Kultur erwarten würde. Die Universität von Kairo hat Fakultäten, die angeblich alle Sprachen der Welt unterrichten – sogar die Fakultät für Bohemistik hat angeblich ganze 198 Studenten. Es geht nur darum, die Sprache gut genug zu lernen, damit der Ägypter Touristen in ihrer Sprache führen kann. Die Ergebnisse sind manchmal zweifelhaft. Unser Führer Mustafa behauptete stolz, Germanistik an der Universität Kairo studiert zu haben. Sein gebrochenes Deutsch entsprach meinem etwa aus den Jahren 1998/1999. Aber es blieb nichts anderes übrig, als zufrieden zu sein. Wir waren Touristen mit einem Standardprogramm – wenn ich mehr wollte, müsste ich wahrscheinlich einen privaten Führer bestellen – und bezahlen. Ich weiß nicht, ob ich es versuchen werde. Auch wenn mich der Tahrir-Platz, die Nilpromenade, das Parlamentsgebäude oder der Palast von König Faruq sehr reizen würden. Oder die zweitgrößte Stadt Ägypten, die Alexandria. Aber nur mit einem eigenen Taxi und ohne Kutschenfahrer.