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Heldenberg-Tulln

Heldenberg befindet sich in Niederösterreich nahe der tschechischen Grenze, und der Haupt-Held, um den es hier geht, ist – oder war – ein Tscheche. In Tschechien immer noch unzureichend geschätzt, aber in Österreich verehrt. Wenn der österreichische Kultkomponist Johann Strauss zu Ehren des siegreichen Generals einen festlichen Marsch komponierte und dieser bis heute bei wichtigen militärischen Ereignissen (aber nicht nur bei ihnen) gespielt wird, spricht das für sich. Nur die Tschechen können ihrem besten Feldherrn, Josef Wenzel Radetzky von Radetz, nicht verzeihen, dass er loyal und treu der Armee diente, der er angehörte, und dem Kaiser, der die Verkörperung des Staates war, den er verteidigte.

Die Beziehung von Josef Wenzel Radetzky zum jungen Kaiser Franz Joseph war außergewöhnlich, der junge Kaiser (der Altersunterschied zwischen ihnen betrug 64 Jahre) bewunderte den alten Marschall und gab ihm sogar das Recht, dass er nach seinem Tod in der Habsburgergruft im Kapuzinerkloster in Wien beigesetzt werden könne, ein Privileg, das sonst nur den Mitgliedern der kaiserlichen Familie vorbehalten war. Eine größere Wertschätzung der Verdienste des Heerführers war wohl kaum möglich. Das Schicksal wollte es anders.

Wenn von Radetzkys militärischen Erfolgen die Rede ist, wird damit vor allem die Niederschlagung des italienischen Aufstands in den Jahren 1848-1849 gemeint, den er in wenigen Tagen so überzeugend brach, dass infolgedessen der piemontesische König Karl Albert von seinem Thron abdankte. Insbesondere sein glänzender Sieg bei Custozza am 24. und 25. Juli 1848 ging in die Geschichte und sogar in die Lehrbücher der Kriegsstrategie ein und inspirierte Johann Strauss zu seinem Radetzkymarsch. Erfolge gegen italienische Truppen werden immer etwas relativiert, ein bekannter Witz besagt, dass die zwei kürzesten Bücher der Welt ein englisches Kochbuch und italienische heroische Sagen sind. Aber abgesehen davon, dass die Österreicher nach Radetzkys Tod in Solferino sogar gegen diese Italiener verloren (obwohl diese zwar von den Franzosen unterstützt wurden, aber immer noch in numerischer Unterzahl waren), war Radetzkys größte militärische Leistung die Völkerschlacht bei Leipzig im Jahr 1813. Obwohl Feldmarschall Karl von Schwarzenberg der Oberbefehlshaber der verbündeten Armee war, die gegen Napoleon kämpfen sollte, war Radetzky der Chef des Generalstabs, der die Schlachtstrategie ausarbeitete. Schwarzenberg’s Aufgabe war es, die verbündeten Armeen zu koordinieren und seine Autorität zu nutzen, um auch die ungehorsamen russischen Generäle dazu zu bringen, der Schlacht nach seinen Vorstellungen beizuwohnen. Radetzkys Aufgabe war es dann, einen Schlachtplan zu erstellen, der es ermöglichen würde, die numerische Überlegenheit der verbündeten Armee auszunutzen. Die bloße numerische Überlegenheit in den Kämpfen gegen Napoleon bedeutete nicht unbedingt eine Garantie für den Sieg (auch bei Austerlitz kämpfte er gegen eine Übermacht). Der kleine Korse konnte den Mangel an Soldaten durch konzentrierte Angriffe auf die Schwachstellen des Feindes und seine ausgezeichnete Nutzung der Artillerie kompensieren. Er erklärte nicht ganz unbegründet von sich selbst, dass: “fünfzigtausend Soldaten und ich, das sind hundertfünfzigtausend Soldaten.”

Aber in Leipzig gelang es ihm nicht, eine Taktik gegen Radetzky zu umzusetzen. Schwarzenbergs Soldaten drängten die Franzosen in die Stadt und ihre Verbündeten, die Polen, in die Elbe und massakrierten sie dort so ordentlich, dass weder die Franzosen noch die Polen sich in den nächsten Jahrzehnten davon erholen konnten.

Die militärische Karriere von Radetzky war sehr lang, auf seinem Grabstein sind 22 Schlachten aufgeführt, an denen er teilgenommen hat. Es begann mit den Türkenkriegen bei Belgrad im Jahr 1796, und die letzte Schlacht war die endgültige Niederlage des piemontesischen Heeres bei Novara im März 1849.

Aber warum liegt der berühmte Marschall dann nicht in Wien in der Kapuzinergruft neben den Kaisern, denen er treu gedient hat, wie es Franz Joseph wünschte? Stattdessen fand er seinen letzten Ruheplatz in Niederösterreich in der Nähe des Dorfes Glaubendorf im Bezirk Hollabrunn.

Dahinter verbirgt sich eine etwas obskure Figur aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, der Unternehmer Joseph Gottfried Pargfrieder.

Er wurde irgendwann zwischen 1787 und 1789 als uneheliches Kind geboren. Er behauptete immer von sich selbst, der uneheliche Sohn von Kaiser Joseph II. zu sein. Im Grunde weiß man jedoch über seine Herkunft überhaupt nichts. Auch die Geburtsdaten variieren, neben dem üblichen 1787 werden auch Jahre 1775 oder 1782 angegeben. Nach einer Version soll er aus einer Affäre von Joseph II. mit einer schönen Jüdin stammen, nach einer anderen war seine Mutter Anna Moser aus Marchfeld, wohin die Habsburger gerne Jagdausflüge machten. Pargfrieder hatte jedoch das Bürgerrecht der Städte Buda und Pest (damals noch zwei Städte), und es gibt sogar eine Theorie, dass er in Brünn in Mähren geboren wurde. Es zahlt sich also überhaupt nicht nach seiner Geburt zu forschen.

Wie dem auch sei, als die Napoleonischen Kriege ausbrachen, erhielt der liebe Pargfrieder plötzlich den Auftrag, die österreichische Armee mit Uniformen und Stiefeln zu versorgen. Das ist etwas, was wir auch heute kennen: Ein gerade gegründetes Unternehmen erhält einen staatlichen Auftrag, und sein Besitzer wird im Schnellschritt märchenhaft reich. Dieser Mann muss also Kontakte zur kaiserlichen Familie gehabt haben. Pargfrieder wurde tatsächlich unglaublich reich, am Ende der Napoleonischen Kriege im Jahr 1815 wurde er als sechstreichster Mann in Österreich registriert – damals lebte er noch in Budapest. Im Jahr 1832 kaufte er das Schloss Wetzdorf in Niederösterreich, das damals dem Verfall nahe war, und ließ es großzügig renovieren.

Im Jahr 1849, nach der Niederlage des ungarischen Aufstands und des Aufstands in der Lombardei, war er so begeistert, dass er beschloss, die österreichische Armee mit einem monumentalen Denkmal zu ehren (er wusste anscheinend immer noch nicht, was er mit seinem verdienten Geld tun sollte). Auf seinem Grundstück errichtete er also den „Heldenberg“. Mit Büsten bedeutender Generäle und Offiziere der österreichischen Armee, an der höchsten Stelle stehen die Büsten des Generalissimus Karl I. Schwarzenberg, des Erzherzogs Karl von Habsburg, Prinz Eugen von Savoyen und Gedeon Laudon (der am 14. Juli 1790 in meiner Heimatstadt Neutitschein starb). Es gibt auch eine Allee deutscher und österreichischer Kaiser – allerdings nur diejenigen, die zum Habsburger Geschlecht gehörten.

Die Allee beginnt mit Rudolf I. Hier entstand jedoch ein kleines Problem, denn Pargfrieder oder derjenige, der das Monument plante, unterschied nicht zwischen Königen und Kaisern (wenn er nur gekrönte Kaiser aufgestellt hätte, wären es wesentlich weniger gewesen). Daher gibt es hier gleich zwei Friedrichs III. Der erste war Friedrich der Schöne, der seinen Kampf um die Herrschaft über Deutschland 1322 in der Schlacht bei Mühldorf gegen Ludwig den Bayern verlor, aber den Titel des römischen Königs behalten durfte, nachdem er versprochen hatte, sich nicht in die Regierungsangelegenheiten von Ludwig einzumischen. Der zweite Friedrich III., ursprünglich Herzog von Steiermark und römischer König von 1440 bis 1493, brachte es tatsächlich zum Kaiser – er wurde als der letzte Kaiser in Rom im Jahr 1453 gekrönt und erhielt den Kaisertitel als Friedrich III. Uninformierte könnten durch die zwei Büsten eines Feschaks und eines verschlafenen, hässlichen Mannes mit dem gleichen Namen irritiert sein, daher diese Erläuterung. Die Allee endet mit der Statue des damals noch jungen Franz Joseph I. Auf beiden Seiten gibt es viele berühmte Generäle der österreichischen und ungarischen Armee. Ich habe vergeblich nach dem Sieger der Schlacht von Weißenberg bei Prag im Jahr 1620 Buquoi gesucht, aber anscheinend habe ich ihn nur übersehen – sein Kollege Dampierre ist dort. Beide wurden im danach folgenden Jahr in Ungarn getötet, mit den Ungaren war niemals zu spaßen.

Alles schön und gut, aber wenn Pargfrieder seinem Denkmal wahre Anziehungskraft verleihen wollte, brauchte er eine prominente Leiche, einen berühmten General, den er auf seinem Grundstück begraben und dessen Grabstätte zum zentralen Punkt des Denkmals machen konnte. Er hatte zwar bereits den Leichnam von General Maximilian von Wimpffen, dem Architekten des ersten Sieges über Napoleon bei Aspern im Jahr 1809, wo er eine ähnliche Rolle wie Radetzky bei Leipzig hatte, nämlich als Chef des Generalstabs. Aber Wimpffen war in Österreich niemandem mehr bekannt, und Pargfrieder brauchte für sein Denkmal einen größeren Fisch. Das Glück war ihm hold. Josef Wenzel Radetzky hatte ein großes Problem. Seine Frau Francesca Gräfin Strassoldo-Graffemberg litt an Spielsucht. Durch ihre Sucht häufte sie unermessliche Schulden an, die der arme Marschall nicht im Stande war zu zahlen. Pargfrieder sah seine Chance. Er besuchte den damals 83-jährigen Marschall in Mailand und unterbreitete ihm sein unmoralisches Angebot. Pargfrieder würde alle Schulden des Marschalls bezahlen und seine weiteren Lebenskosten bis zu seinem Tod finanzieren, dafür würde Radecký aber schon zu Lebzeiten dem Geschäftsmann seinen Leichnam verkaufen, damit er sie mit Pomp auf seinem Heldenberg begraben werden könne. Der Marschall konnte nicht widerstehen, sie schlugen ein, Francesca Radetzky konnte wieder Karten spielen (sie starb 1854, vier Jahre vor ihrem Mann), und Radetzky war versorgt. Pargfrieder hatte sich jedoch etwas verrechnet, Radetzky lebte bis 1858, er wurde also 92 Jahre alt, womit der Wiener Unternehmer bei Vertragsabschluss nicht gerechnet hatte, und die Leiche des Marschalls wurde ihm daher ziemlich teuer (nach einer anderen, weniger interessanten Version der Geschichte unterzeichneten Pargfrieder und Radetzky den Vertrag im Jahr 1857, sieben Monate vor dem Tod des Marschalls, aber die erste Variante gefällt mir besser). Nach Radetzkys Tod in Mailand wurde seine Leiche nach Heldenberg überführt und dort mit Pomp beigesetzt. Kaiser Franz Joseph war verärgert. Ein Jahr später, als die Italiener den Tod des großen Marschalls für nächsten Aufstand nutzten, entschied er sich aus Frustration, die österreichische Armee selbst ins Feld zu führen und erlitt bei Solferino eine katastrophale Niederlage.

Radetzkys Grabmal ist monumental, unter einem großen Obelisken mit dem Gott Apollo an der Spitze und einer Gruppe von drei griechischen Göttinnen Klotho, Lachesis und Atropos, die das Schicksal der Menschen bestimmten, geht es hinter dem Grabmal hinab in die Unterwelt, und am Grab des Marschalls liegen immer noch Kränze der österreichischen Armee und verschiedener Vereine. Die Österreicher ehren ihren großen Krieger, tschechische Kränze allerdings fehlen dort.

Auf der anderen Seite des Grabmals liegt General Wimpffen, an seinem Grab liegen keine Kränze. Der Zweite zu sein, ist nie erfreulich.

Aber Heldenberg ist nicht nur Radetzky und dieses militärische Denkmal. Das würde vielleicht Touristen anlocken, aber nicht genug. Und so gibt es hier bis zu sieben Attraktionen, also ein Ziel für einen ganztägigen Ausflug für die ganze Familie.

Am beeindruckendsten ist die Oldtimer-Sammlung des österreichischen Unternehmers Rudolf Koller. Er kam legal zu seinem Reichtum. Er hatte einfach eine Idee, als er in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts begann, Whirlpools herzustellen. Heute hat er seine Hauptproduktion in Heinrichgraz in Tschechien, erhielt aber trotzdem den Titel Kommerzialrat von der Regierung von Niederösterreich – die Österreicher legen großen Wert auf Titel. Herr Koller feierte im Jahr unseres Besuches, also 2020 seinen achtzigsten Geburtstag, er sollte angeblich immer noch frisch sein und fuhr mit seinen Oldtimern nicht nur durch Niederösterreich. Wie es ihm derzeit geht, konnte ich nirgends erfahren, offensichtlich hält er sich der Öffentlichkeit lieber fern. Seine Sammlung ist einfach erstaunlich. Man findet dort alles, wonach das Herz sich sehnt. Eine ähnliche Sammlung habe ich nur in Monaco aus dem Nachlass von Fürst Rainier III. gesehen, aber sogar das Fiat-Museum in Turin hat keinen so großen Eindruck auf mich gemacht, als die Sammlung in Heldenberg. Ich habe das Gefühl, dass Koller einfach mehr und vor allem interessantere Autos hat.

Vom kaiserlichen Wagen, dem Peugeot des Kaisers Karl, über die ersten Fahrzeuge aus dem späten 19. Jahrhundert (mit einer Leistung von 0,75 PS!!!) bis hin zu Formel-1-Autos. Sogar der Rennwagen von Weltmeister österreichischer Herkunft Jochen Rindt,(er war eigentlich ein Deutscher, lebte aber in Wien und betrachtete sich als Wiener, und so verziehen ihm die Österreicher gerne seine deutsche Staatsangehörigkeit). Es gibt Autos aus allen Jahrzehnten, historisch geordnet. Koller hat offensichtlich eine starke Vorliebe für die tschechische Marke Tatra. Er hat hier mehrere Tatra-Wagen (obwohl der bekannteste Tatra 603 fehlt), während die Konkurrenz – die Marke Škoda  – mit nur einem einzigen Wagen viel schlechter abschneidet.

Natürlich finden wir auch einen Trabant, und meine Frau hat sogar eine Wolga entdeckt, das Auto, das ihr Vater besaß, in das seine ganze achtköpfige Familie auf dem Weg zum Urlaub in Dalmatien passte. Es gibt auch Motorräder hier, es ist einfach ein echtes Erlebnis, sehr geschmackvoll komponiert, so dass man die Entwicklung des Automobilismus wirklich aus der Nähe genießen kann. Es gibt auch absolute Kuriositäten, wie vergoldete Autos von Leuten, die wirklich nicht wussten, was sie mit ihrem Geld anfangen sollten. Natürlich gibt es auch Ferrari und Porsche, und die Ausstellung endet mit modernen Autos von heute, die den Begriff “Oldtimer” nicht mehr verdienen. Wenn jemand historische Autos liebt, sollte er einen Besuch in Rudolf Kollers Sammlung als Pflichtprogramm vormerken. Vielleicht sogar mit einer Führung. Die Herren, die sich um die Sammlung kümmern, sind genauso begeistert wie Koller selbst und singen gerne Loblieder über die ausgestellten Modelle.

Neben dieser Sammlung gibt es auf dem Heldenberg auch das Trainingszentrum der Lipizzaner, also der weißen Pferde einer speziellen Zucht, über die sich Slowenen und Österreicher streiten. Die Slowenen haben ihre österreichischen Nachbarn geärgert, als sie die Lipizzaner auf ihre zwanzig-Cent-Münze gesetzt haben

Weiter gibt es auf dem Heldenberg ein Dorf aus der Steinzeit, das hier ausgegraben und rekonstruiert wurde, wo Kinder Brot backen können, nach der fünftausend Jahre alte Methode.

Dann gibt es die Vorführung von Greifvögeln – die Falkenshow, einen englischen Garten und natürlich – einen Weinkeller. Wir haben zwar die Wachau verlassen, aber Niederösterreich ist ein Weinland auch außerhalb dieses Gebietes – auf dem Heldenberg bieten dreißig Winzer aus der Umgebung ihre Weine an (Stand 2020), in diesem Jahr boten sie 155 verschiedene Weinsorten an, und Interessenten erhalten auch eine fachkundige Führung. Also der Heldenberg ist wirklich besuchswert.

Zum Abendessen sind wir nach Tulln gefahren. Es sind nur 27 Kilometer und diese Stadt an der Donau – eine weitere der historischen Hauptstädte Österreichs – ist auch eines Besuchs wert. Das Parken war kein Problem, es gibt eine Tiefgarage direkt im Zentrum. Tulln ist eine stolze Stadt und hat gleich mehrere Gründe dafür. Es ist der Geburtsort von Egon Schiele, einem der bedeutendsten Maler der österreichischen Moderne. Er lebte von 1890 bis 1918, als er an der Spanischen Grippe starb. Er hatte auch eine enge Beziehung zu Krumau on Südböhmen, woher seine Mutter stammte und wo er auch einige Zeit lebte und arbeitete. In Tulln finden wir sein Museum, seinen Spazierweg und viele Erinnerungen an seine Kindheit und Jugend.

Tulln ist auch die Wirkungsstätte des Architekten Friedensreich Hundertwasser (1928 – 2000), einem der bekanntesten modernen österreichischen Architekten. Hier lebte er zehn Jahre lang auf dem Boot Regentag, das immer noch an seinem ursprünglichen Platz an der Donau verankert ist und dem Künstler als Wohn- und Atelier diente.

Es ist auch laut Nibelungensage der Ort der Begegnung und anschließender Hochzeit der burgundischen Königin Kremhild mit dem Hunnenkönig Attila.

Ein monumentales Denkmal aus dem Jahr 2005, das dieses Ereignis aus dem Nibelungenlied darstellt, schmückt die Donauuferpromenade, daneben befindet sich ein symbolisches Bronzebuch, das nur symbolisch auf einer Seite beschrieben ist, die andere bleibt frei für weitere Geschichten in der Zukunft.

Tulln ist der Ort des ehemaligen römischen Militärlagers Comagene. Von ihm hat sich einer der Wehrtürme erhalten, einen Großteil des ehemaligen Lagers hat die Donau bereits überflutet, dennoch gibt es hier Ausgrabungen und ein Museum, und vieles in der Stadt ist nach dem römischen Kaiser Mark Aurel benannt, der Comagene besuchte (er starb im nahe gelegenen Vindobona, also in Wien). Seine Statue steht vor der Siedlung, die nach ihm benannt wurde, und schaut über die Donau hinweg auf das Gebiet, wo zu seiner Zeit noch die Markomannen lebten, die er als letzte Bedrohung für den römischen Limes Romanus pazifizierte.

Und es gibt die Tullner Gärten. Blumen sind das, worauf die Stadt Tulln gesetzt hat, und es war eine richtige Wette. Der Garten befindet sich westlich des Stadtzentrums in der Nähe des Messegebäudes und verfügt über einen eigenen Parkplatz. Er wurde im Rahmen der Landesausstellung Niederösterreich im Jahr 2008 gegründet und wurde zu einer dauerhaften Attraktion der Stadt Tulln – und es lohnt sich. Ein Besuch in Tulln ohne einen Besuch dieser Gärten gilt angeblich nicht, aber für den Besuch dieses Wunders muss man zahlen, und nicht wenig – der Eintritt kostete damals 15 Euro. Aber wer Blumen mag, kann nicht widerstehen. Es gibt auch einen Aussichtsturm, damit man alles von oben und auf einmal sehen kann. Wenn das alles einem langweilig scheint, kann er zwischen den Beeten auf einem Boot fahren oder sich von einem Touristenzug herumfahren lassen.

Übrigens ist auch die Altstadt von Tulln schön. Ob das Sparkasse-Gebäude, das wir für das Rathaus hielten, oder das Rathaus selbst, aber auch die Kirchen, sei es die gotische Pfarrkirche St. Stephan oder die barocke Minoritenkirche. Das Essen im Restaurant S’Pfandl war auch gut. Also, wenn man an einem Wochenende nichts zu tun hat…

Mallorca II

Vor allem ist das Reisen auf Mallorca erstaunlich einfach. Man steigt in den Bus ein, hält seine Kreditkarte an das Lesegerät neben dem Fahrer (wenn es mehrere Personen gibt, muss man sovielmal halten, wie viele Personen in der Gruppe sind). Beim Ausstieg hält man dann wieder seine Kreditkarte hin, und der Betrag für die Fahrkarte (oder mehrere Fahrkarten) wird von seinem Konto abgebucht. Natürlich wird es einfacher sein, wenn man in der Eurozone lebt, ich habe keine Ahnung, wie viel eine solche Transaktion die Schweden, Dänen, Tschechen oder Ungaren kosten würde, da dort muss die Bank natürlich die Devisen umrechnen. Wenn das meine Leser wissen, teilen Sie es mir bitte mit.

               Man muss also keine Fahrkarte kaufen und damit ist auch der Preis für die Fahrt nach Palma oder Alcúdia oder wohin auch immer primär uninteressant. Ich kann verraten, dass das Reisen auf diese Art wenig kostet und sehr bequem ist. Die Tschechin Lenka in der Hotelrezeption erklärte mir, dass dieses System in Ostrava schon seit Jahren funktioniert und gut funktioniert. Für Besucher der Stadt im Norden Mährens, die ein Papierfahrschein möchten, kann dies jedoch einen Kulturschock bedeuten, wie ich aus den empörten Reaktionen meiner Freunde auf WhatsApp erfahren habe. Ich träume aber, dass es bald in Graz funktionieren würde und damit der ewige Stress, wo kaufe ich eine Fahrkarte für die Fahrt von Dörfla zum Murpark, Geschichte würde.

               Wenn man eine Woche wie wir auf Mallorca ist, hat man nicht so viel Zeit, um die Insel zu erkunden. Im Osten gibt es die Stadt Alcúdia.

Alcudia

Es ist eine Stadt mit erhaltenen Stadtmauern, die ihre Bewohner einst gegen die Piratenangriffe errichteten, denen die Insel jahrhundertelang ausgesetzt war. Die Stadt mutiert tagsüber zu einem großen Markt in den engen Gassen der Stadt und vor dem Tor, abends wird der Ort zu einem großen Restaurant, in dem es schwer ist, einen freien Platz zu finden – vor allem, wenn man nur etwas trinken aber nicht essen möchte.

Also machten wir stattdessen einen Spaziergang entlang der Stadtmauern, das war eine schöne Erfahrung. Ebenso wie die Kirche des heiligen Jakobus. Ursprünglich gotisch, fiel sie im 19. Jahrhundert zusammen und wurde im neugotischen Stil wieder aufgebaut. Und natürlich darf eine Prise Barock in ihrem Inneren nicht fehlen, schließlich sind wir in Spanien.

               Alle drei Jahre findet in Alcúdia am 26. Juli das große Fest „Triennal de Santo Christo“ statt. Im Jahr 1507 begaben sich die Bewohner der Stadt auf eine Prozession zu den Höhlen des heiligen Martin, um Regen herbeizurufen, der die damalige schreckliche Dürre beenden sollte. Sie trugen ein wundersames Kreuz mit Christus, das im gleichen Jahr am 24. Februar Blut und Wasser schwitze. Offensichtlich haben sie auf diese Weise den Regen herbeigerufen, denn seitdem findet alle drei Jahre in Alcúdia eine Prozession statt, zu der Besucher einschließlich hochrangiger Kirchenvertreter aus der ganzen Welt kommen. Das nächste wird 2025 sein.

               Natürlich darf man einen Besuch in Palma de Mallorca, der Hauptstadt der Insel, nicht versäumen. Wir kamen mit dem Bus dorthin, was bequem ist, nur danach muss man bitte direkt unter dem Schwanz des Pferdes der Statue von Jaume I. durchgehen, und so gelangt man direkt in die Altstadt. Wir sind in die falsche Richtung gegangen, was etwa eine halbe Stunde Irrweg in der Neustadt zur Folge hatte.

Jaume I

               Natürlich ist es am schönsten am Meer, wo die Kathedrale „Le Seu“ aufragt, die offiziell der Jungfrau Maria geweiht ist.

Es ist ein riesiges Gebäude, über hundert Meter lang. Es sollte ein Symbol für die Wiederbelebung des Christentums auf der Insel sein, daher ließ Jaume I. bereits im Jahr 1230, gleich nach der Eroberung der Insel, den Grundstein legen. Mit dem Bau begann jedoch erst im Jahr 1306 sein Sohn Jaume II. Da der Bau bis ins 20. Jahrhundert dauerte, wechselten sich dabei viele Architekten und Stile ab. Die Kapelle des Heiligen Bernhard zum Beispiel wurde von Antoni Gaudí entworfen (oder rekonstruiert).

Gaudí ist auch der Autor des Altarleuchters. Es gibt Tickets nur für die Kathedrale oder auch für den Zugang zu den Terrassen, von wo aus man einen Blick von oben auf die Stadt und den Hafen hat. Der Zugang zu den Terrassen wird natürlich streng kontrolliert, damit niemand hineinkommt, der nicht bezahlt hat.

               Direkt neben der Kathedrale befindet sich der Königspalast – der König und der Bischof waren Nachbarn.

Königlicher Palast

Heute verbringt König Felipe VI. mit seiner Familie seinen Urlaub im königlichen Palast, wenn er auf Mallorca weilt. Während seiner Anwesenheit wird das erste Stockwerk, das für den Aufenthalt der königlichen Familie dient, für die Öffentlichkeit geschlossen. Wir hatten Glück, der König mit seiner Frau und den Töchtern war woanders, also konnten wir den Palast in seiner Gesamtheit besichtigen, einschließlich des königlichen Audienzsaals, wo Staatsbesuche vom König empfangen werden.

Das gesamte erste Stockwerk ist mit Tapisserien aus Flandern geschmückt, eine Erinnerung an die Herrschaft von Kaiser Karl V., der offensichtlich gerne auf Mallorca weilte Er wurde aber in den damaligen Niederlanden geboren und dort wuchs er auch auf, daher seine Vorliebe zu Tapisserien aus Flandern. Die Herrschaft scheint ihm nicht so viel Spaß gemacht zu haben, und schließlich trat er zurück und verbrachte den Rest seines Lebens in einem Kloster. Möglicherweise war der Anlass für seinen Rücktritt, dass er nachts und nur in Unterwäsche aus Innsbruck vor seinen Feinden flüchten musste. Vielleicht hätte er es auf Mallorca angenehmer gehabt, hätte nicht resigniert und wäre nicht so früh gestorben. Das Erdgeschoss des Palastes ist gotisch, das Obergeschoss eher im Stil der Renaissance, es gibt auch arabische Bäder, die erstaunlicherweise das System der römischen Bäder genau nachahmen. Aber die Exterieur in Palma sind einfach schöner als die Innenräume. Und das gilt auch für die Stadt, in der man viele Gebäude im spanischen Jugendstil findet, wie das Grand Hotel oder die Häuser „Can Rei“ oder „L’Aquila“ auf der „Placa Marques de Palmer“.

               Das Einkaufen ist wohl nicht so großartig. Meine Frau verschwand auf dem „Placa de Espaňa“, und ich fand sie erst nach über einer Stunde ziemlich frustriert wieder, weil sie nichts Anständiges gefunden und daher nichts eingekauft hatte. Aber es gibt dafür überall viele Lokale zum Sitzen und Trinken und eine Kleinigkeit zu essen. Der Platz „Placa de Cort“ mit einem mehrere hundert Jahre alten Olivenbaum ist erstaunlich und dort befindet sich auch der Sitz des Balearischen Parlaments.

In der Stadt gibt es viele weitere Kirchen wie „San Francisco“ oder „Santa Eulalia“, aber für alle muss man Eintrittskarten kaufen und auch ein Museum mit kirchlichen Zeremonialgegenständen besichtigen, was zeitaufwendig ist. Geld für die Karte hätte ich gehabt, die Zeit nicht, wir waren in der Stadt nur einen einzigen Tag unterwegs.

               Kurz gesagt, wenn man zum ersten Mal und nur kurz auf Mallorca ist, schafft man nicht zu viel. Es lohnt sich, wiederzukommen. Dann kann man Palma mehr genießen – besonders, wenn man bereits weiß, dass man vom Busbahnhof direkt unter dem Schwanz des Pferdes der Statue von Jaume I. durchgehen muss, um in die Altstadt direkt zu gelangen. Aber natürlich gibt es in Palma auch das Aquarium, die Festung „Es Baluard“, die Gärten „de Marivent“ mit Skulpturen von Joan Miró und im Norden der Insel in den Bergen liegt das zauberhafte Städtchen Sóller mit einem botanischen Garten und einer Schmalspurbahn, die einen zum fünf Kilometer entfernten Hafen bringt. Mein Freund Milan hat mir definitiv geraten, ein Auto zu mieten und in diese Berge zu fahren da die Frauen auf dem Beifahrersitz auf kurvenreichen Straßen vor sich hin schweigen. Aber Milan kennt meine Frau nicht. Sie schweigt nicht, sie schimpft und speibt in einer solchen Situation und das ist für den Frieden in der Familie nicht fordernd.

               Es reichte, sie auf einen Ausflug zum Cap Formentor mitzunehmen.

Die Serpentinen dort sind wunderschön. Es geht rauf und runter, die Straßen sind schmal, Busse müssen ausweichen und immer wieder anhalten. Es war schon auffällig, als der Busfahrer in Pollenca alle Passagiere überprüfte, ob sie angeschnallt waren. Er wusste warum. Für Menschen mit Reisekrankheit ist der Norden Mallorcas ein bisschen problematisch. Als wir am Leuchtturm ankamen, von wo aus man in der Ferne sogar die Schwesterinsel Menorca sehen konnte, gefiel es mir dort sehr. Meine Frau hasste mich aber zu diesem Zeitpunkt. Weil der Ausflug meine Idee war. Eine Reisekrankheit mit Migräne ist kein Spaß.

               Trotzdem werden wir wahrscheinlich wieder nach Mallorca kommen. Aber ich fürchte, nach Port de Sóller fahre ich alleine. Egal ob mit dem Auto, dem Bus oder der Schmalspurbahn von Palma aus.

Balearisches Parliament in Palma

Mallorca I

               Zum Schreiben dieses Artikels musste ich mich fast einen Monat lang überreden (und ein beinahe weiteres Jahr hebe ich gebraucht, um es zu publizieren.). Ich bin nämlich überzeugt, dass die meisten meiner Leser diese Insel viel öfter besucht haben als ich und meine Erlebnisse daher bei ihnen nur ein Schulternzucken auslösen würden. Nun ja, ein Neuling in einem Reiseziel, das im Grunde zum Pflichtprogramm eines gebildeten Menschen gehört. Mallorca ist eine der meistbesuchten Inseln der Welt, und vielleicht war das der Grund, warum wir sie so lange gemieden haben.

               Dennoch haben wir uns in vorigem Jahr entschlossen, in den sauren Apfel zu beißen, nur um dann festzustellen, dass er eigentlich gar nicht so sauer ist. Obwohl es hier von Touristen nur so wimmelt – nun ja, wie sieht es in Prag aus, oder im schlimmsten Fall in Krumau oder in Hallstatt? Die Menschen kommen nach Mallorca nicht nur, um zu baden, sondern auch, um die Kultur, die Natur und den Sport zu genießen – es gibt hier Trainingscamps für Tennis und Golf, und natürlich gibt es auch den berühmten Ballermann, wo die Deutschen bis zum Umfallen feiern können. Das alles sind Gesichter einer sonst ziemlich kleinen Insel.

               Für den touristischen Boom verantwortlich ist ein Österreicher, genauer ein Habsburger, und noch genauer gesagt Erzherzog Ludwig Salvator.

Erzherzog Ludwig Salvator

Dieser Habsburger wurde 1847 in Florenz als zweitjüngster Sohn des Großherzogs Leopold II. geboren. Er war der Urenkel von Kaiser Leopold II., dessen zweitältester Sohn Ferdinand nach der Umsiedlung von Leopolds Familie nach Österreich sein Nachfolger auf dem toskanischen Thron wurde. Im Jahr 1859 musste die Familie aufgrund der Risorgimento-Bewegung nach der verlorenen Schlacht von Solferino Italien verlassen – Florenz wurde sogar für eine gewisse Zeit zur Hauptstadt des neu vereinten Italiens. Ludwig Salvator zog mit seinen Eltern auf das Schloss in Brandeis in Böhmen. Dieses Schloss kam im Jahr 1547 im Rahmen von Konfiskationen nach dem ersten Adelsaufstand gegen König Ferdinand I. in den Besitz der Habsburger. Der junge Erzherzog zeigte kein Interesse an einer militärischen Karriere, wie es einem echten Habsburger angemessen gewesen wäre, sondern wurde Wissenschaftler, mit Schwerpunkt Biologe und mit besonderem Interesse an Insekten. Auf seiner Forschungsreise besuchte er 1867 Mallorca und war von der Schönheit ihrer Natur fasziniert. Schon zwei Jahre später veröffentlichte er das monumentale Werk „Die Balearen in Wort und Bild“, das auch heute noch eine Wissensquelle über die Bräuche und natürlichen Bedingungen auf der Insel ist, bevor der Massentourismus hier Einzug hielt. Das Werk wurde bei der Weltausstellung im Paris im Jahr 1878 mit einer Goldmedaille ausgezeichnet. Der Erzherzog kaufte sich auf Mallorca das Haus „Son Marroig“ auf der Halbinsel „Sa Foradada“, das, ich gestehe, schwer aber doch, von der Stadt Port Solér aus zu erreichen ist.

               Aber Ludwig Salvator allein hätte Mallorca nicht so populär machen können. Diesen gebildeten und anscheinend auch humorvollen Intellektuellen mochte auch Kaiserin Sissi, die ihn mehrmals auf Mallorca besuchte. Und als die Kaiserin begann, von den Schönheiten der Insel zu schwärmen, wurde es gleich wieder einmal zum Hit. Die Kaiserin war halt lebenslang eine Trendsetterin. Übrigens sorgte sie im Jahr 1892 für einen Skandal, als sie Weihnachten und ihren 55. Geburtstag (sie wurde am 24. Dezember 1837 geboren) anstelle ihres langweiligen kaiserlichen Ehemanns mit Ludwig Salvator verbrachte, was der verärgerte Kaiser mit folgenden Worten kommentierte: „Ich hoffe, der dicke Luigi kümmert sich ausreichend um dein Wohlergehen.“. Übrigens gerade sein Übergewicht und damit verbundene Elefantiasis führte im Jahr 1915 zum Tod des Erzherzogs auf dem Schloss in Brandeis.

               Der eigentliche Massentourismus auf Mallorca begann dann in den 1960er Jahren, denn auch der Diktator Franco erkannte das Kapital der Insel, und die Einnahmen aus dem Tourismus waren für das politisch isolierte Land mehr als willkommen.

Heute gibt es hier so viele Touristen, dass die Einheimischen anfingen, sich zu wehren. Zum Beispiel, indem sie falsche Wegweiser an Straßen stellen, die die Touristen in die falsche Richtung schicken, oder sie ändern die Angaben der Entfernungen, und statt drei Kilometern erfährt man, dass sein Ziel 50 Kilometer entfernt ist. Die Touristenmassen gehen vielen Einheimischen einfach auf die Nerven. Aber für die Touristenmengen kann vielleicht Großteils auch der auf Mallorca geborene Rafael Nadal verantwortlich gemacht werden, der in seiner Heimatstadt Manacor ein großes Tennis-Trainingszentrum gebaut hat – eine unsere tennisbegeisterte Kollegin konnte sich ein Jahr ohne einen Besuch in Manacor überhaupt nicht vorstellen.

               Mallorca hat jedoch eine viel längere Geschichte. Aufgrund seiner Lage zwischen Hispanien und Gallien, also zwischen Spanien und Frankreich, hatte es genügend Bedeutung, um oft den Besitzer zu wechseln. Zuerst kamen die Römer, die auf der Insel zwei wichtigen Städte gründeten, Palma im Westen und Pollenca im Osten. Die Vandalen plünderten die Insel, aber sie schlossen sie nur formell an ihr Königreich in Afrika an. So konnte sie ohne Probleme von den Byzantinern im Zeitalter von Kaiser Justinian erobert werden. Allerdings war die Insel von Konstantinopel verdammt weit entfernt, und als die Macht Byzanz’ zu schwinden begann, konnten sie die Byzantiner nicht gegen die arabische Expansion verteidigen. Schon zu Beginn des 8. Jahrhunderts waren die Franken hier als Schutzmacht vor arabischen und wikingischen Überfällen tätig, aber im Jahr 903 wurde die Insel letztendlich doch von den arabischen Mauren erobert und dem Emirat Córdoba angegliedert.

               Zum Silvester 1229 mussten die örtlichen arabischen Herrscher vor der Armee Königs Jaume I. von Aragon kapitulieren und ihm die Schlüssel zur Hauptstadt der Insel übergeben, die damals „Medina Mayurka hieß“.

Jaume I

Sein zweitgeborener Sohn Jaume II. machte sich dann im Jahr 1276 selbstständig und schuf aus den Balearischen Inseln ein eigenständiges Königreich. (Darüber wird im Roman „Die Kathedrale des Meeres“ von Ildefonc Falcones berichtet). Während seiner Herrschaft erlebte die Insel ihre schönste Zeit, und die meisten monumentalen Gebäude, einschließlich des königlichen Palastes und der Kathedrale „Le Seu“ in Palma, stammen aus dieser Zeit. Sein Neffe Jaume III. wurde dann in der Schlacht bei Llucmajor von seinem Cousin, aragonischem König Pedro, ermordet, und damit ging die Unabhängigkeit Mallorcas zu Ende.

 In den ersten Jahrzehnten nach der Eroberung war die Mehrheit der Bevölkerung moslemisch. Das das Volk langsam, aber unanhaltsam und ohne Gewalt zum katholischen Glauben übertritt, war Verdienst eines Mannes namens Ramon Llull.

Dieser Priester setzte auf Kommunikation, mehrmals reiste er sogar nach Nordafrika, um dort mit den moslemischen Philosophen zu diskutieren. Er sprach fliesend arabisch, seine Werke schrieb er aber nicht in Latein, wie damals üblich war, sondern im katalanischen Dialekt. Damit gilt er nicht nur als erfolgreicher Missionär aber auch als Gründer der katalanischen Sprache. Sein Denkmal steht in Palma di Mallorca, in der Hand hält er ein Buch. Neben ihm und Raphael Nadal wurde noch der bekannte Bildhauer und Maler Miguel Barceló (geboren 1957).

               Mallorca gehört also zu Spanien, es wird hier allerdings katalanisch gesprochen oder sogar eher der mallorquinische Dialekt, der sich sogar von dem katalanischen unterscheidet. Dass es Unterschiede zwischen den Sprachen auf der Iberischen Halbinsel gibt, habe ich verstanden, nicht nur als mir anstelle des spanischen „solida“ das „sortida“ begegnete, was eher an das französische „sortie“ erinnert, sondern auch daran, dass Jaume die katalanische Form von Jakob ist, was auf Spanisch Diego heißt Wie katalanische Freunde meinem Sohn einmal erklärten, ist Katalanisch zur Hälfte Italienisch und zur Hälfte Französisch, hat aber “überhaupt nichts mit Spanisch zu tun!” Ende des Zitats.

               Es gibt viele Möglichkeiten, wie man einen Urlaub auf Mallorca verbringen kann. Junge Deutsche, die wilde Nächte am Ballermann lieben, werden natürlich in Palma übernachten. Ältere Menschen wie wir und Familien mit Kindern wählen eher den Osten der Insel – die schönsten Strände findet man an der „Playa de Muro“. Auch hier gibt es Hotel neben Hotel, aber die Strände sind öffentlich, und man muss sich eine Liege am Strand von den Einheimischen mieten – die Hotels haben keinen Anspruch darauf. Meine Frau brauchte jedoch keine Liege, als sie einmal ins warme Wasser des Mittelmeers ging, weigerte sie sich, wieder herauszukommen. Unser Hotel war großartig und preiswert, nur hat sich meine liebe Gattin wahrscheinlich bei der Buchung vertan, denn sie wollte ein Hotel ohne Kinder, und es handelte sich in Wirklichkeit um ein Kinderhotel mit vielen kinderfreundlichen Attraktionen und einer Menge Kinder von Windelalter bis zu Jugendlichen. Aber selbst so war es hier sehr bequem mit einem sehr guten Service.

Kairo

„Kairo ist die größte und prächtigste Stadt Ägyptens, der arabischen Welt und Afrikas. Sie hat ihre eigene Atmosphäre, ihren eigenen Charakter, ihren eigenen Zauber. Breite Boulevards mit zehn- und zwanzigstöckigen Gebäuden im modernsten Stil wechseln sich mit verwinkelten Gassen des traditionellen Orients ab. Die Stadt ist geschmückt mit vierhundert Moscheen mit schlanken Minaretten und vierzig Kirchen mit Kreuzen auf den Türmen. Antike Basare in den Gassen liegen neben luxuriösen Geschäftshäusern und malerischen Märkten unter freiem Himmel. Kairo kann mit zwanzig Museen, zehn Theatern, fünf Hochschulen, hundert Parks und Gärten unter Palmen sowie einer der schönsten Uferpromenaden der Welt prahlen.”

Diesen Text schrieb der tschechische Schriftsteller Vojtěch Zamarovský in seinem Buch “Ihre Majestäten die Pyramiden”. Ich gestehe, dass ich Zweifel hatte, ob Zamarovský wirklich die gleiche Stadt besucht hatte wie ich, nämlich Kairo. Aber er war dort im Jahr 1986, als diese Stadt “nur” neun Millionen Einwohner hatte. Heute ist es eine unglaubliche Ameisenkolonie, in der sich zweiundzwanzig Millionen Menschen drängen, und die überwiegende Mehrheit von ihnen ist sehr arm. Dies hat natürlich mit der demografischen Situation zu tun. Als Napoleon im Jahr 1798 nach Ägypten kam, hatte Frankreich 35 Millionen Einwohner, und Ägypten zwei Millionen. Heute hat Frankreich (einschließlich massiver Einwanderung aus der arabischen Welt) 65 Millionen Einwohner, Ägypten 110 Millionen. Ägypten ist zwar ein großes Land mit einer Million Quadratkilometern Fläche, was es auf den 29. Platz weltweit bringt, aber die Bevölkerung drängt sich auf weniger als fünf Prozent dieser Fläche, der Rest ist unbewohnbare Wüste. Die Massen drängen sich also in große Zentren, wo ihr Leben zu einem täglichen brutalen Überlebenskampf wird.

Natürlich, wenn man das moderne Ägypten kennenlernen möchte, sollte man nicht mit einem Reisebüro dorthin fahren. Das haben wir aber getan. Es war also eine Reise nach Ägypten für Anfänger, und ich kann nicht sauer sein, dass wir nur das obligatorische Grundprogramm gesehen haben. Auch wenn unser Führer im Ägyptischen Museum etwas gereizt sagte, dass es für ihn interessant sei, Dinge zu hören, die er normalerweise selbst erzählt. Dann schwieg ich lieber. Aber es war immer noch praktisch, etwas über das alte Ägypten zu wissen. Unser zweiter Führer Mustafa, der uns von Assuan nach Luxor begleitete, war nämlich nicht gerade der fleißigste und gab uns meistens “freie Zeit”, um die Tempel auf eigene Faust zu erkunden, damit er selbst die Zeit im Schatten vor dem Tempel verbringen konnte. Dann waren meine Kenntnisse der ägyptischen Kultur sehr nützlich – ich kann mich rühmen, dass ich zum Beispiel die Kartusche mit dem Namen des Pharaos Ramses lesen kann. Ich werde verraten, dass es ziemlich einfach ist, der Name beginnt logischerweise mit dem Buchstaben “R”, den die alten Ägypter mit einer Sonnenscheibe darstellten, weil diese mit dem Gott Re identifiziert wurde (und Vokale wurden nicht geschrieben). Übrigens war dies der erste Buchstabe, den Jean-Francois Champolion entzifferte, als er das Geheimnis der Hieroglyphen knackte.


            Ein Tourist aus Europa muss sich also mit der Tatsache abfinden, dass er für die von Armut geplagten Ägypter vor allem ein Opfer ist. Nicht Opfer von Raubüberfällen, denn die Kriminalität soll angeblich in Ägypten niedriger sein als in Europa, sondern als Verbraucher von Dienstleistungen, die er meistens gar nicht braucht und will. Sei es der Kauf von Souvenirs, verschiedener Waren (Vorsicht, Kleidung aus der gepriesenen ägyptischen Baumwolle, die auf den Basaren angeboten wird, stammt fast ausschließlich aus China) oder die Fahrt mit dem Taxi oder der Kutsche. Mit Trinkgeld kommt man in die geschlossene koptische Kathedrale genauso wie in den wegen Renovierungsarbeiten geschlossenen Tempel des Gottes Chonsu in Karnak. Einfach gesagt, der Ägypter sieht im bleichen Touristen mit der Kamera um den Hals eine Geldquelle, die ihm das Abendessen sichert. Als wir dort waren, war gerade Ramadan, und die Ägypter durften erst nach Sonnenuntergang essen und trinken, das Mittagessen war also kein Thema. Das galt jedoch nicht ganz. Am ersten Tag haben wir noch mit unserem Führer Hašib ausverhandelt, dass wir nirgendwo zum Mittagessen gehen werden, weil wir auch in der Fastenzeit vor Ostern fasten. Er war davon nicht begeistert, akzeptierte es jedoch unwillig. Am zweiten Tag hat er uns nichts mehr gefragt. Er hat uns einfach mit dem Fahrer zu einem – nicht gerade einladenden – Restaurant gebracht, uns an einen Tisch gesetzt, und bevor wir protestieren konnten, legte das Personal Vorspeisen und dann etwas gegrilltes Hackfleisch und Gemüse vor uns auf den Tisch. Für zwei Portionen und zwei Flaschen Wasser haben wir 38 Euro bezahlt. Das Rätsel des relativ hohen Preises wurde schnell gelöst. Sowohl Hašib als auch der Fahrer nahmen große Plastiktüten voller Essen aus dem Restaurant mit, offensichtlich für das Iftar-Fest während des Ramadans – ich glaube nicht, dass sie etwas bezahlt haben.

            Ich habe festgestellt, dass ich ein verbissener und unangepasster Europäer bin. Wir haben in einem Hotel in der Nähe des Flughafens gewohnt, also weit weg vom Stadtzentrum. Mit dem Taxi könnte man ins Stadtzentrum gelangen. Ein Taxi im Hotel zu bestellen, war kein Problem, aber die Vorstellung, dass ich auch wieder zurückkommen muss, ließ mir den Schweiß auf die Stirn treten. Und dann würde natürlich der Taxifahrer den Preis diktieren. Die Voraussetzung für einen solchen Ausflug ist viel Bargeld, Kreditkarten gelten nicht als Geld. Ein Auto zu mieten und versuchen, ins Stadtzentrum selbständig zu kommen, wäre gleichbedeutend mit einem Selbstmord. Selbst der Reiseführer warnt eindringlich vor solchen verrückten Ideen. Ich schätzte meine Überlebenschancen im Kairo-Verkehr auf etwa dreißig Minuten. Vielleicht hat der Verkehr in der Stadt irgendwelche Regeln, aber wenn es welche gibt, habe ich sie nicht entdeckt – außer, dass man – hauptsächlich – auf der rechten Seite fährt. Vorfahrtrecht gibt es nicht, und an den Kreuzungen gab es zwar Ampeln, aber meiner Meinung nach hatten sie rein dekorativen Charakter. Die Änderung des Lichts an der Ampel hat nichts am Fahren unseres Busses geändert.

Es scheint möglich zu sein, im Stadtzentrum spazieren zu gehen. Ich weiß es nicht, wir haben es nicht geschafft. Aber als wir in Luxor am dortigen Nilufer spazieren gehen wollten, das nur einen halben Kilometer entfernt war, schafften wir es nicht. Durch die Menge der Taxifahrer vor dem Hotel haben wir uns noch irgendwie durchgeschlagen, dann kamen jedoch die Kutscher, die versuchten, uns mit Gewalt in ihre Kutsche zu ziehen. Und als wir Widerstand leisteten, erhielten wir aggressive Beschimpfungen – glücklicherweise auf Arabisch, also weiß ich nicht, wie uns der Kutscher genannt hat – seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, war es sicher nichts Schönes. Es blieb uns nichts anderes übrig, als den Versuch eines Spaziergangs aufzugeben und ins Hotel zurückzukehren. Ich hatte einfach nicht die Nerven oder genug Bargeld in der Geldbörse. Ägyptische Pfund sind bei Kutschern oder Taxifahrern nicht besonders willkommen – sie haben viel lieber Dollar oder Euro. Das liegt an der enormen Inflation. Als Ägypten sich im Jahr 1922 unabhängig machte, übernahm es das britische Pfund als seine Währung. Damals hatte es den Wert von fünf US-Dollar. Der aktuelle Wert des ägyptischen Pfunds beträgt drei US-Cent und sinkt ständig.

So habe ich leider weder den Tahrir-Platz noch die schönste Uferpromenade der Welt gesehen. Und das, obwohl wir dem Nil sehr nahegekommen sind – das Ägyptische Museum liegt im Stadtzentrum, und nur das Hilton Hotel trennt es vom Tahrir-Platz. Ich war nicht ausreichend vorbereitet, um genug Druck auf unseren Hašib auszuüben (ich wusste nicht, dass es SO NAHE ist!). Aber wahrscheinlich hätte selbst eine gründliche Vorbereitung nichts an unserem Schicksal geändert. Hašib hatte eine kranke Hüfte und hatte daher nicht vor, auch nur einen Meter mehr zu gehen als nötig, und die Vorstellung, uns ohne persönliche Aufsicht spazieren zu lassen, war für ihn ein Albtraum. Stattdessen stand der Besuch des Basars auf dem Programm – was ich WIRKLICH nicht gebraucht habe – aber es war schwer, sich in der überfüllten Gasse zu verlaufen, was Hašib, der im Auto geblieben war, die Ruhe behalten ließ.

Kairo blieb für mich also ein Ameisenhaufen von Menschen, die in Häusern leben, die teilweise im Entstehen und teilweise im Verfall begriffen sind, viele von ihnen durchlaufen beide Phasen gleichzeitig. Die Sozialwohnungen von Präsident Nasser (mit dem das sozialistische Lager so herzliche Beziehungen hatte, dass er den Ägyptern den Bau des Assuan-Staudamms ermöglichte) waren schreckliche Löcher.

Sozialwohnungen

In einigen fehlte sogar das Dach, aber an der Wand war immer eine Klimaanlage befestigt. Warum eine Klimaanlage in einer Wohnung, die Löcher in den Wänden hat, war mir nicht ganz klar – aber ich habe viele andere Dinge auch nicht verstanden.

Auf meinen Reisen durch Europa gewöhnte ich mir an, häufig John Travolta aus dem Film “Pulp Fiction” zu paraphrasieren, wo er über die Niederlande sagt: “Es ist dort alles wie bei uns, nur gibt es dort kleine Unterschiede.” Dieses Mal konnte ich diesen Satz jedoch nicht paraphrasieren – es gab keine kleinen Unterschiede, nicht einmal große, es war einfach alles komplett anders. Ich hätte sogar einen Gemüsemarkt besuchen können, aber ihn als “malerischen Markt unter freiem Himmel”, wie Zamarovský es genannt hat, zu bezeichnen, würde ich mich nicht trauen. Der Himmel war zwar hoch, aber ich habe dort nichts Malerisches gesehen – nur eine unglaubliche Menschenmenge.

In Kairo gibt es auch moderne Neubaugebiete (am Stadtrand in der Wüste, da es in Ägypten gesetzlich verboten ist, auf fruchtbarer Erde zu bauen) und sogar Siedlungen mit großen Erholungsparks – in Richtung Gizeh, wohin eine siebenspurige Autobahn führt. Wie viele Bewohner von Kairo sich jedoch einen solchen Luxus leisten können, kann ich nicht abschätzen. Es schien, dass viele dieser Wohnungen leer standen, obwohl die Gebäude fertig waren. Das ist ein ziemlich seltsamer Zustand, die meisten Häuser (auch Hotels) werden nie fertiggestellt. Für ein unfertiges Haus muss nämlich (ähnlich wie in der Türkei oder auch in Griechenland) keine Grundsteuer gezahlt werden. Daher ragen an der Spitze immer Drähte in den Himmel, als Zeichen, dass der Besitzer plant, ein weiteres Stockwerk hinzuzufügen – und das kann Jahre, Jahrzehnte oder vielleicht sogar eine Ewigkeit dauern.

Auf dem Weg ins Zentrum passierten wir die “Stadt der Toten”, also den zentralen Friedhof.

Es erstreckt sich über eine riesige Fläche von mehreren Quadratkilometern – jede Familie hat ihr kleines Haus, in dem sich zwei Massengräber befinden, eines für Männer und eines für Frauen. Männer dürfen also selbst nach dem Tod nicht mit Frauen vermischt werden – vielleicht, damit sie zumindest nach dem Tod etwas Ruhe haben. Diese Häuser unterscheiden sich sehr in Größe und Qualität – einige von ihnen ähneln auffällig Nasser’schen Sozialwohnungen, während bedeutende Männer sich Paläste bauen ließen, sogar mit Moscheen. Über der Stadt der Toten erheben sich viele von ihnen.

Die Dominante des historischen Kairos ist die Festung, die hier der legendäre Herrscher und Eroberer von Jerusalem Saladin (arabisch Salah-al Din) von 1173 bis 1186 errichten ließ.

Die Festung steht noch ein wenig – sie wurde 1992 durch ein Erdbeben beschädigt. Dieses Erdbeben hatte zwar eine Stärke von “nur” 5,8 auf der Richter-Skala, also in Tokio würde sich kein Blatt bewegen, aber in Kairo führte es zu 500 Toten und 50.000 Obdachlosen. Um ehrlich zu sein, schienen mir auch die heutigen Häuser – mit Ausnahme der Gebäude staatlicher Ämter, Museen und Krankenhäuser – nicht besonders erdbebensicher zu sein. Die Ägypter haben es in dreißig Jahren immer noch nicht geschafft, diese Saladin-Festung zu reparieren, sie warten anscheinend darauf, dass es jemand anders für sie tut. Die Dominante ist die sogenannte “Alabastermoschee” oder die Moschee von Muhammad Ali.

Alabastesermoschee

Nein, es handelt sich nicht um den berühmten amerikanischen Boxer, der ursprünglich Cassius Clay hieß, sondern um den Gründer der modernen ägyptischen Königsdynastie. Die Ägypter haben eine zwiespältige Meinung über ihn. Sie sprechen von ihm als “dem Albaner, den die Franzosen nach Ägypten gebracht haben”, können ihm aber nicht absprechen, dass sie diesem Mann viel zu verdanken haben. Vielleicht auch für diese Dominante, die über der Stadt aufragt. Die Verkleidung aus Alabaster, die ursprünglich die ganze Moschee bedecken sollte, ist jedoch unvollendet, weil die Nachkommen dieses Königs nach seinem Tod das ursprüngliche Projekt einfach ignorierten.

Ägypten verlor seine Unabhängigkeit im Jahr 1517, als es von den Türken erobert wurde und Sultan Selim (mit dem Beinamen „der Eroberer“ in der europäischen und „der Dichter“ in der moslemischen Tradition, was sich angeblich nicht widerspricht) den letzten mamelukischen Herrscher Tuman brutal ermorden ließ. Nachdem Ägypten von den französischen Truppen Napoleons erobert wurde – und sie den dort lebenden Arabern zeigten, auf welchem Schatz sie saßen, ohne etwas über seinen Wert zu wissen – und diese dann von den Briten vertrieben wurden, setzte sich in den politischen Kämpfen eben jener “Albaner” Muhammad Ali durch. Im Jahr 1805 lud er die Eliten der Mameluken zu einem Abendessen ein, was die herrschende Kaste der ägyptischen Gesellschaft war, und ließ sie alle massakrieren. Danach balancierte er geschickt zwischen der türkischen Regierung der “Großen Pforte” in Istanbul (weil Ägypten formal ein Teil des Osmanischen Reiches blieb) und den Briten, unter deren Schutz (Protektorat) er seinen Einfluss auf Jordanien und Syrien erweiterte und dessen Armeen sogar mehrmals vor Konstantinopel standen – also vor Istanbul.

So gründete er eine neue ägyptische regierende Königsdynastie, die erst 1952 durch einen Putsch der Offiziere endete, die den letzten König Faruq zwangen abzudanken. Der erste “Präsident” wurde Abdul Nasser mit einer Neigung zum kommunistischen Lager, gefolgt nach seinem Tod von Anwar Sadat, der eine Annäherung an USA suchte und sich mit Israel versöhnte, was ihm das Leben kostete. Nach dem Attentat auf ihn im Jahr 1981 begann die dreißigjährige Ära von Husni Mubarak, die mit dem “Arabischen Frühling” im Jahr 2011 endete. Nachdem die Ägypter bei freien Wahlen islamische Fanatiker unter der Führung des erstmals demokratisch gewählten Präsidenten Mohammed Mursi gewählt hatten, der das Land innerhalb eines einzigen Jahres seiner Amtszeit in politische Isolation und wirtschaftlichen Zusammenbruch führte, übernahm die Armee erneut die Kontrolle. Nachdem General Al Sisi die Uniform abgelegt hatte, wurde er  zum Präsidenten “gewählt”, und sein Bild ist jetzt an allen Ecken und Regierungsgebäuden zu sehen.

In Kairo gibt es wirklich viele große Moscheen. Zum Beispiel die Al-Hasana-Moschee, wo der iranische Schah Reza Pahlavi begraben liegt. Nach seiner Flucht aus dem Iran nach der Revolution von 1978 fand er schließlich Asyl gerade in Ägypten, wo er 1980 an Prostatakrebs starb. Mir hat besonders die Ibn-Tulun-Moschee gefallen, die auch die größte ist. Keine von ihnen ist jedoch für Touristen und erst recht nicht für Christen frei zugänglich, auch nicht barfuß. Fotografieren konnten wir sie von außen.

Normalerweise reist ein gewöhnlicher Tourist nach Kairo, um das ägyptische Museum und die Pyramiden von Gizeh und Sakkara zu besuchen. Dieses Programm haben wir erfolgreich absolviert. Natürlich ist das ägyptische Museum etwas ganz Besonderes.

Man konnte viel über Ägypten lesen und Fotos und Filme anschauen, aber wenn man vor diesem Stuhl steht, auf dessen Lehne die Frau von Pharao Tutanchamun seine Schulter mit Öl einreibt, ist das Erlebnis mit diesen Bildern nicht vergleichbar. Ich hatte dieses Bild des Stuhls vielleicht schon hundertmal auf Fotos gesehen, aber die Realität hat mich dennoch umgehauen. Ich konnte dort fotografieren (im Gegensatz zu dem Saal, in dem die goldene Totenmaske von Tutanchamun ist), aber als ich mir später das Foto ansah, war es eine riesige Enttäuschung. Einige Dinge muss man einfach live sehen.

Das gilt auch für die Pyramiden. Heutzutage stehen sie eigentlich schon in der Stadt oder am Stadtrand (Gizeh ist bereits mit Kairo zu einem Komplex verschmolzen).

Aus der Ferne wirken sie nicht besonders beeindruckend, aber wenn man zu ihnen kommt und ihre Größe begreift (eine Reihe von Steinen, die 17 Tonnen wiegen, in der untersten Reihe ist so hoch wie ein Mensch – nun ja, wie meine Frau, ich überragte sie etwas). Wer will, kann sogar in die Pyramide treten – entweder in die von Cheops (Khufu) oder die von Chefren (Khafre) – die zweite ist billiger und die Tickets leichter zu bekommen.

Im Inneren der Cheops-Pyramide, neben dem Sarkophag des Pharaos, wo der anwesende Araber gerne ein Foto von Ihnen für Trinkgeld macht, befinden sich die Graffiti des ersten Archäologen und Grabräubers Giovanni Belzoni, der hier am 2. März 1818 ankam. Es ist etwas schwieriger sich vorzustellen, wie diese Pyramiden aussahen, als sie neu waren. Ihre Oberfläche war nämlich mit Kalksteinplatten bedeckt, die die Sonne reflektierten und weiß in die Ferne leuchteten, und ihre Spitzen waren mit Gold geschmückt. Außerdem stehen die Pyramiden auf einer Anhöhe über dem Nil-Tal, das Ihnen zu Füßen liegt, mit seinen Palmen, Feldern und Wohngebieten. Eine wirklich atemberaubende Vorstellung. Aber nur eine Vorstellung.

Die berühmte Sphinx ist ein Stück weiter – sie bewachte den Zugang zu den Pyramiden und sollte Diebe abschrecken.

Das ist ihr nicht gelungen. Bei ihr gibt es ein Städtchen voller Geschäfte und Souvenirstände. Von weitem sah das Hotel Cleopatra schön aus. Aus der Nähe, wenn man sieht, wie viel Müll und Schmutz vor seinem Eingang liegt, eher abstoßend.

Die heutigen Ägypter betrachten sich zwar als Nachkommen der antiken Ägypter, die diese unglaublichen Werke gebaut haben, haben jedoch nur sehr wenig mit ihnen gemeinsam. Diese alte Kultur verschwand zuerst unter dem Sand, um dann in die Museen zu wandern, und von der Atmosphäre der einstigen einer der beiden ältesten Kulturen der Welt spürt man nicht viel. Sie werden bald verstehen, dass die Ägypter zu diesen Denkmälern eine rein kommerzielle Beziehung haben, nicht aber die emotionale, die man von den Nachkommen einer uralten Kultur erwarten würde. Die Universität von Kairo hat Fakultäten, die angeblich alle Sprachen der Welt unterrichten – sogar die Fakultät für Bohemistik hat angeblich ganze 198 Studenten. Es geht nur darum, die Sprache gut genug zu lernen, damit der Ägypter Touristen in ihrer Sprache führen kann. Die Ergebnisse sind manchmal zweifelhaft. Unser Führer Mustafa behauptete stolz, Germanistik an der Universität Kairo studiert zu haben. Sein gebrochenes Deutsch entsprach meinem etwa aus den Jahren 1998/1999. Aber es blieb nichts anderes übrig, als zufrieden zu sein. Wir waren Touristen mit einem Standardprogramm – wenn ich mehr wollte, müsste ich wahrscheinlich einen privaten Führer bestellen – und bezahlen. Ich weiß nicht, ob ich es versuchen werde. Auch wenn mich der Tahrir-Platz, die Nilpromenade, das Parlamentsgebäude oder der Palast von König Faruq sehr reizen würden. Oder die zweitgrößte Stadt Ägypten, die Alexandria. Aber nur mit einem eigenen Taxi und ohne Kutschenfahrer.

Ideologische Quellen des russischen Faschismus

Meine Leser wissen, dass ich mich bereits mit dem Thema befasst habe, woher der aktuelle Faschismus in Russland kommt (der Imperialismus war hier immer, danach musste ich nicht suchen). In meinem letzten Artikel habe ich Alexander Isayevich Solzhenitsyn als den Vater des russischen Faschismus bezeichnet. Aber ich selbst habe gespürt, dass etwas nicht vollständig war. Ja, Solzhenitsyn tritt in seinen späten Werken als Faschist und Antisemit auf, der nach Diktatur und Revanchismus ruft. Aber Solzhenitsyn war “nur” ein Schriftsteller, und er traf sich mit Wladimir Putin nachweislich nur zweimal. Also habe ich meine Suche nicht beendet.

Entscheidend hat mir das Buch des Professors der Yale University, Timothy Snyder, “Der Weg in die Unfreiheit” (The Road to Unfreedom), geholfen, aus dem ich mir erlauben werde, mehrmals zu zitieren, auch wenn es größtenteils Zitate von russischen Ideologen sind, die er zitiert, also handelt sich um Zitate aus zweiter Hand.

Dank ihm habe ich also den ideologischen Vater des russischen Faschismus, Iwan Iljin, kennengelernt. Iljin wurde ähnlich wie Lenin in einer aristokratischen Familie geboren, allerdings direkt in Moskau, also nicht im damaligen politischen, sondern spirituellen Zentrum Russlands, voller Klöster, Mönche und Propheten, was ihn offensichtlich für sein ganzes Leben geprägt hat. Für die Moskauer war Sankt Petersburg immer eine von westlicher Kultur verdorbene Stadt, der russische kulturelle Geist residierte in Moskau. Iljin war von der Idee der Besonderheit der russischen Nation begeistert, stand zur Zeit der bolschewistischen Revolution logischerweise auf der Seite der “Weißen”. Im Jahr 1922 wurde er nach seiner Verhaftung durch die Tscheka zusammen mit 160 weiteren Intellektuellen auf dem sogenannten “Philosophenschiff” ins Exil geschickt. Das waren Menschen, die Lenin ins Exil schickte, damit er sie nicht erschießen musste. Unter Stalin hätten sie dieses Glück nicht mehr gehabt. Iljin lebte von 1922 bis 1938 in Berlin, weil seine Mutter eine Deutsche war (wieder eine Ähnlichkeit mit Wladimir Iljitsch Lenin), er sprach und schrieb sehr gut Deutsch und setzte auch im Exil seine Publikationsarbeit fort. Er feierte den Aufstieg Hitlers zur Macht und nannte ihn „Retter Europas“, wurde jedoch 1934 verhaftet und mit einem Publikationsverbot belegt. Es ist möglich, dass dies auf Druck aus Russland geschah; Deutschland und Russland waren bis 1941 Verbündete und die Länder kamen diplomatisch sehr gut miteinander aus. Im Jahr 1938 emigrierte Iljin nach Genf, wo er im Schweizer Exil in Vergessenheit geriet und im Jahr 1954 starb. Nach der Niederlage des deutschen Nationalsozialismus konzentrierte er sich auf die Bewunderung faschistischer Regime von Franco in Spanien und Salazar in Portugal.

Die Hauptaxiome seiner Werke sind:

  1. Die Verherrlichung von Willen und Gewalt anstelle von Vernunft und Recht
  2. Die Förderung der Rolle des Führers, der durch das Mysterium mit “seinem Volk” verbunden ist
  3. Die Hypothese, dass die Globalisierung (die erste Globalisierung der Weltwirtschaft fand in den Jahren 1880–1914 statt, also in Ilyins Jugend) ist eine jüdische Verschwörung zur Unterdrückung der nationalen Identität – Hitlers Verfolgung der Juden hat er in seinen Schriften begrüßt. Nach Iljin war das Universum unter der göttlichen Totalität großartig, die vor der Erschaffung der Welt existierte. Gerade durch die Schöpfung leugnete allerdings Gott die absolute Wahrheit, also sich selbst, und räumte seine dominante Position aus, und deshalb muss ein Erlöser kommen, der diese perfekte Totalität wiederherstellen wird. Dazu ist das russische Volk vorherbestimmt, das auf wundersame Weise der von Fakten und Leidenschaften bestimmten historischen Entwicklung entkommen ist und in der Ewigkeit unberührt geblieben ist. Iljin hielt Fakten und Leidenschaften für sinnlos und unmoralisch; seiner Meinung nach sollten Fakten dem historischen Kontext untergeordnet werden.”


            Die verkommene Welt muss durch Gewalt geheilt werden, und zwar durch Russland unter der Führung eines starken Führers, der die Demokratie in ein bloßes Ritual der Zustimmung verwandeln wird. Dem Volk freie Wahl zu erlauben, war für Iljin, als würde man einem Embryo erlauben zu entscheiden, welche Tierart es werden möchte. Die Welt ist nicht sie selbst, wenn sie nicht von russischen Werten gelenkt wird. Die Menschen in dieser Welt müssen aufhören, als Individuen zu existieren, denn Individualität ist die Quelle der Fehlerhaftigkeit der Welt. Insbesondere die Mittelklasse hasste Iljin am meisten, weil die Hoffnung auf den sozialen Aufstieg des Einzelnen seiner Meinung nach die Menschen zu der schlechtesten Sorte macht. Nach seiner Auffassung war die Nation ein lebender Organismus. Eine einzelne Zelle im Körper kann weder ihren Platz noch ihre Aufgaben wählen. Unter “Gesetz” verstand Iljin die Beziehung zwischen den Launen des Erlösers und bedingungslosem Gehorsam der anderen. Die Pflicht der russischen Massen besteht darin, jeden Gedanken des Erlösers als gesetzliche Pflicht zu betrachten. Die Russen haben jedoch eine einzigartige geistige Eigenschaft, die es ihnen ermöglicht, ihren eigenen Verstand zu unterdrücken und dem “Gesetz des Herzens” zu folgen.

Nun fragen Sie sich wahrscheinlich, warum ich Sie mit diesem Geschwätz mehr als eine ganze Seite Text ermüde. Jeder vernünftige Mensch muss doch verstehen, dass dies unrealisierbare Unsinnigkeiten sind. Fehler! Putin hat Iljins Ideale übernommen und versucht sie seit über zehn Jahren erfolgreich umzusetzen. Beweise? Nun gut, hier sind sie:

Im Jahr 2005 ließ Putin die sterblichen Überreste von Iljin von der Schweiz zum Donskoy-Kloster in Moskau überführen und dort feierlich beisetzen. (Zusammen mit den sterblichen Überresten von General Denikin) An der Beerdigung nahm nicht nur er teil, sondern auch der Patriarch der gesamten Russischen Kirche Alexius II. und zum Beispiel auch Regisseur Mikhail Mikhalkov, der Sohn des Komponisten, der die Melodie der sowjetischen (und damit auch der heutigen russischen) Hymne schuf. Dieser war offenbar der Initiator der gesamten Aktion.

Im Jahr 2009 legte Putin Blumen auf Iljins Grab, begleitet von seinem Beichtvater Tikhon Shevkunov, der rechten Hand von Patriarch Alexius und dem Mann, der Putin für die Inkarnation von Fürst Wladimir I. erklärt hat, der von 978 bis 1015 die Kiewer Rus regierte und nach russischem Verständnis durch seinen Übertritt zum Christentum die russische Geschichte eingeleitet hat (die Taufe fand auf der damals byzantinischen Krim statt – daher hat die Halbinsel für Putin eine so zentrale Bedeutung).

Im Jahr 2012 zitierte Putin Iljins Texte im Radio, im Jahr 2013 bei einem Treffen des Valdai-Clubs und im Jahr 2014 erhielten alle Gouverneure, wichtigen Beamten und Funktionäre der Partei “Einiges Russland” Iljins Werk “Unsere Aufgaben” als Anleitung zum Verständnis der Geschichte und der russischen Rolle darin.

Der Vorsitzende der Partei „Vereinigtes Russland“ Dmitri Medwedew empfahl die Schriften von Iljin der russischen Jugend als Pflichtlektüre und Iljin wurde sogar von dem Vorsitzenden des russischen Verfassungsgerichtes zitiert, obwohl er selbst den Rechtstaat dezidiert abgelehnt hatte.

In diesem Kontext scheinen Iljins Geschwätz überhaupt nicht irrelevant zu sein, denn seine Ideen sind offensichtlich die bestimmende ideologische Vision der gegenwärtigen russischen Politik. Also lassen Sie uns fortfahren:

Das Wort “Ukrainer” schrieb Iljin immer nur in Anführungszeichen, weil er an die Existenz der Ukrainer nicht glaubte. Das Wort “Ukrainer” kann seiner Meinung nach nur ein tödlicher Feind Russlands verwenden, weil er damit einen Teil des russischen Körpers herausreißen will. Die russische Expansion nach Sibirien und in Mitteleuropa war nur “Selbstverteidigung”. Russland ist das ewige Opfer einer “kontinentalen Blockade”. Dank seiner jungfräulichen Unschuld kann Russland nichts Unrechtes tun; Unrecht kann nur an ihm begangen werden. Fakten spielen dabei keine Rolle, und historische Verantwortung existiert nicht. Die russische Rechtswidrigkeit ist daher eine patriotische Tugend.

Russland benötigt nach Iljin also einen Retter, der durch das ‘ritterliche Tugend’ des Vergießens von Blut der Anderen eine Erlösung bringt und die Macht gewinnt. Ein faschistischer Putsch ist ein Akt der Erlösung, der erste Schritt zur Rückkehr zur universellen perfekten Totalität. Russland ist die einzige Quelle der göttlichen Totalität. Gott bedeutet den ewigen Kampf gegen die Feinde der göttlichen Ordnung auf Erden. Der Retter wird Fakten beseitigen, Leidenschaften manipulieren und Mythen schaffen, wenn er den Angriff auf den von ihm erkannten Feind befiehlt. Ein echter Faschist verachtet Politik, die sich um die Gesellschaft kümmert, um ihre Interessen, Bedürfnisse, Vorlieben und Vorstellungen von der Zukunft.

Alles in allem ergibt sich daraus, dass Krieg gerechtfertigt ist, wenn die spirituellen Errungenschaften der Nation bedroht sind, was immer der Fall ist, solange der Individualismus nicht vollständig ausgelöscht ist.

Das reicht meiner Meinung nach als Beispiel aus. Kriegen Sie auch schon Gänsehaut, wie ich? Halten Sie durch, es wird schlimmer, eigentlich viel schlimmer.

Aus der Ablehnung des Individualismus, den die Russen unter dem Einfluss von Iljins Lehren als eine tödliche Bedrohung sehen und der das Prinzip der Demokratie ist, entsteht der Hass gegen den Westen. Der Westen wird vom politischen System Russlands nicht gehasst, weil er etwas gegen Russland unternehmen würde, sondern einfach, weil er existiert. Natürlich wird dieser Hass bei einfachen Russen, also Empfängern der Propaganda, durch Neid auf den Lebensstandard jenseits der russischen Grenze gewürzt. Aber dies allein würde nicht als ideologische Rechtfertigung für Aggression ausreichen.

Der zweite Pfeiler der gegenwärtigen russischen Ideologie ist der Eurasismus. Dieser entstand zwar bereits in den Zwanziger- oder Dreißigerjahren des zwanzigsten Jahrhunderts, aber sein hauptsächlicher zeitgenössischer Verfechter ist Alexander Dugin. Laut Dugin kann Russland nichts Unrechtes tun, weil es kein Rechtsstaat ist. Der Versuch, hier Demokratie einzuführen, wäre ein Angriff auf seine Souveränität.

Gemäß den Idealen des Eurasismus (Eurasien ist der Raum vom Pazifik bis zum Atlantik oder, wie es Dmitrij Medwedew benutzt, von Wladiwostok bis Lissabon) ist Russland berechtigt, seinen Nachbarn seine eigene Variante von Frieden zu bringen. Nationen existieren nicht, sie sind eine Erfindung des Westens. Nur die russische Zivilisation ist die Quelle der Brüderlichkeit. In dieser Zivilisation gibt es keine Nationen, keine nationalen Minderheiten, nur das Prinzip der Identifikation von Freund und Feind, das sich nur aus der gemeinsamen Kultur ableitet.

Die Stabilität des Staates in einer normalen Gesellschaft wird durch Recht und das Nachfolgeprinzip gewährleistet. Russland vermisst beide diese Merkmale, der brüchige Staat funktioniert nur auf dem Prinzip der Korruption. Nach Dugin wird der gesellschaftliche Erfolg nicht am Wohlstand und an der Freiheit gemessen, sondern an der Einstellung zur Sexualität und Kultur.

Bereits im Jahr 2010 äußerte Putin (damals Premierminister) die Idee, dass Russland nicht in der Lage sei, europäische Werte für seine Integration ins Europa anzunehmen, Europa sei also verpflichtet, im Interesse der Integration russische Werte anzunehmen. Im Jahr 2011, als er sich wieder um das Präsidentenamt bewarb und erstmals Gewalt gegen Demonstrationen gegen gefälschte Wahlen einsetzte, äußerte er erstmals das Konzept der Eurasischen Union.

Nach diesem Projekt wird Russland Staaten vereinen, deren Mitgliedschaft in der EU sich als unpraktikabel erweist, und alle Staaten willkommen heißen, die aus der Union austreten. Die Eurasische Union wird neue Mitglieder ohne lästige Bedingungen integrieren, die mit der EU-Mitgliedschaft verbunden sind, also ohne die Verpflichtung zur Rechtsstaatlichkeit oder freien Wahlen. Wer nicht in Eurasien eintritt, unterstützt den Separatismus. Im Jahr 2012 verschärfte Putin dies, indem er erklärte, dass das Projekt der Eurasischen Union eine Methode sei, die EU aufzulösen, und Russland in dieser Union die Führungsrolle übernehmen und zum Gravitationszentrum werden wird. Nach einer der Gründerideen von Eurasien, Carl Schmitt, kann Eurasien von jedem beherrscht werden, der es erobern kann.

Hier kommt die Theorie des dritten russischen Denkers Lew Gumiljow (1912–1992) ins Spiel, der den Russen mongolische Wurzeln zuschrieb, die sie vor dem westlichen Verfall schützen und gleichzeitig die Legitimation für Aggression im Namen der Rettung der Welt darstellen.”

Diese Gedanken von Iljin, Dugin und Gumiljow verbindet neben Putin selbst auch sein Propagandist Prochorow, der ein ständiger Gast in russischen Staatsmedien war. Da die Russen praktisch täglich diese Gedanken hören, verändert sich ihre Denkweise logischerweise vollständig. Bedenken Sie, dass 90 Prozent der Russen ihre Informationen nur aus staatlichen Fernsehsendern beziehen. Das Internet spielt hier (auch aufgrund gezielter ‘Trolling’-Aktivitäten) bisher eine untergeordnete Rolle.

Europa wird in ihren Augen zu einem Abscheu, das gelernt hat, abscheuliche Dinge mit schönen Namen zu bezeichnen. Russland wurde absichtlich mit der AIDS-Krankheit infiziert, weil es sich in seiner Unschuld niemals damit hätte anstecken können. Die Welt wird von einer jüdischen Verschwörung kontrolliert, die vor allem die sogenannten ‘Meeresvölker’, also die USA und Großbritannien, beherrscht hat. Russland ist verpflichtet, zumindest die kontinentalen Völker vor dieser Verschwörung zu retten. Damit verbunden ist die Verschwörung der Homosexuellen, die die Geburtenrate einschränken und die Völker zum Untergang führen wollen. Durch die Ablehnung von Fakten gemäß Iljins Lehren hat die russische Ideologie einen unendlich großen Raum für Lügen geöffnet. Jede Aussage wird daher nicht nach ihrer Wahrheit, sondern nach ihrer Nützlichkeit beurteilt.

Es ist interessant, dass die gesamte gegenwärtige russische Politik extrem antisemitisch ist (z.B. die Dämonisierung von Trotzki oder gute Kontakte zur Hamas), obwohl ein großer Teil der gegenwärtigen russischen Oligarchen jüdischer Herkunft ist (einschließlich Putins gutem Freund und angeblichem ‘Besitzer’ von Putins Palast am Schwarzen Meer, Arkadij Rotenberg). Es liegt also im Ermessen des ‘Retters’, ‘böse Juden’ von den ‘guten’ zu unterscheiden. Es ist offensichtlich, dass selbst die ‘Guten’ dann seinem Willen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert sind.

Wie ein anderer zeitgenössischer russischer Ideologe Surkov schrieb: ‘Die Säulen der russischen Staatsmacht sind Zentralisierung, Personalisierung und Idealisierung.’ In Wirklichkeit basiert das Funktionieren der russischen Gesellschaft auf Korruption; ohne sie würde der fragile Staat in sehr kurzer Zeit zusammenbrechen.

Die Russen, die sich unterbewusst der Schwächen ihres Landes bewusst sind, haben jedoch ihren Retter gefunden. Putin wird einerseits als Held aus seiner KGB-Vergangenheit dargestellt (obwohl er dort nichts Heldenhaftes getan hat, aber sein Bild wird oft mit dem legendären russischen Spion Stierlitz aus der beliebten Serie ‘Siebzehn Augenblicke des Frühlings’ in Verbindung gebracht, Putin hat dem Schauspieler, der Sterlitz dargestellt hat, persönlich einen Orden verliehen). Der Mönch Tichon kam dann mit der Theorie der Reinkarnation des Kiewer Fürsten Wladimir. Es spielt keine Rolle, dass Wladimir tatsächlich Waldermar hieß (in der altrussischen Tradition dann Wolodymyr) und kein Slawe, sondern ein skandinavischer Wikinger war.

Glauben Sie mir jetzt endlich, dass Wladimir Wladimirowitsch tatsächlich beabsichtigte, bei der Feier seines siebzigsten Geburtstags Blumen zur Statue des großen Wladimir in Kiew niederzulegen, von dem er seine Wiedergeburt sei? Und dass dies der Grund für das Timing der russischen Intervention in die Ukraine war? Putin enthüllte eine Statue von Wladimir dem Großen am 4. November 2016 auch in Moskau, aber das ist irgendwie nicht dasselbe. An dem Ort, an dem der ehemalige Wikingerfürst tätig war, in Kiew, steht seine Statue bereits seit 1853.

Russische Ideologie ist voller Widersprüche, aber solange die Menschen nicht darüber nachdenken (und das ist ihnen verboten worden), macht das nichts. So bekennen sich die Russen zum Pan-Slawismus, aber aufgrund der Verdorbenheit des Westens schützt sie ihr mongolischer Ursprung als Schutzschild, und sie betrachten einen schwedischen Wikinger als Gründer ihres Staates. (Übrigens hat Waldermar es mit dem Christentum auch nicht so ernst gemeint; ursprünglich versuchte er es mit dem Islam, aber als der byzantinische Kaiser die Bedingung für die Heirat von Waldermar/Volodymyr mit seiner Tochter Anna die Taufe stellte, ließ er sich taufen.)

Die Russen haben einen überzeugten Faschisten und Bewunderer Hitlers, Iljin, zum Hauptideologen gemacht, erklären sich jedoch selbst zu Kämpfern gegen den Faschismus. Wenn sie jemanden als Faschisten bezeichnen würde, würden sie dies als Rechtschreibfehler betrachten, ohne zu bemerken, dass man es ernst meinen könnte.

Von dem Vorsitzenden des russischen Höchstgerichtes wird ein Autor zitiert, der den Rechtstaat abgelehnt hatte.

Iljin, der von den Tschekisten aus Russland verbannt wurde, wird mit viel Pomp von einem KGB-Offizier begraben, also einer Nachfolgeorganisation der Tscheka, und von einem KGB Agenten, und niemand wundert sich darüber. Immerhin ist die Tscheka, die für Millionen Tote in ganz Russland verantwortlich ist, bereits vollständig rehabilitiert, und ihrem Gründer Dserschinski werden in Russland Denkmäler errichtet.

Die Russen sind besessen von der Idee „des dritten Roms“ nach Rom und Konstantinopel soll Moskau das dritte Zentrum der europäischen Kultur werden – die Ähnlichkeit mit dem „Dritten Reich“ ist nicht zufällig.

Aber worin besteht die größte Gefahr des russischen Modells und des Exports seiner Ideologie? Während in den 1990er und 2000er Jahren der Einfluss auf die Gesellschaft unter dem Einfluss des hohen Lebensstandards im Westen von Westen nach Osten gerichtet war, hat sich der Kurs seit Anfang der 2010er Jahre unter dem Einfluss gezielter russischer Propaganda geändert. Der Osten beeinflusst heute den Westen viel stärker als umgekehrt – das beste Beispiel war die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten im Jahr 2016. Aber die größte Gefahr besteht darin, dass amerikanische Oligarchen das russische oligarchische Kleptokratiesystem mögen. Über dem Gesetz zu stehen, unantastbar zu sein und nur von der Gnade des Führers abhängig zu sein, ist besser, als vor Gerichten und Finanzbehörden Angst zu haben.    Die Oligarchen in Russland haben eine Position ähnlich den ehemaligen russischen Fürsten, amerikanische Milliardäre würden gerne eine ähnliche Position in den USA haben. Daher gründeten die Koch-Brüder (Oligarchen) die Tea Party und verwandelten allmählich die Republikanische Partei in eine Partei mit autoritärem Prinzip, die immer mehr faschistische Züge annimmt. Die Leugnung von Fakten wurde übrigens aktiv von Donald Trump betrieben. Seine ‘alternativen Fakten’ als Synonym für Lügen wurden akzeptiert und die amerikanischen Massen lehnten sie deshalb nicht ab. Die Lüge wurde zu einem legitimen und akzeptablen politischen Mittel. Wenn dieses Führungsmodell in Amerika durchgesetzt würde, wäre dies für Russland ein riesiger Sieg. Dann stünde nichts mehr im Wege, die Welt aufzuteilen, und das Projekt Eurasien würde in greifbare Nähe rücken.

Allerdings, wenn Russland, erschöpft von seinen phantastischen Vorstellungen, sein eigentlicher geopolitischer Gegner nicht verschlingt, und das ist China. Dieser schaut bisher nur zu und profitiert (hat derzeit genug eigene Probleme).

Leider spielt das Europa in dieser Kräftemessung eine absolut untergeordnete Rolle eines machtlosen Beifahrers.

Mauritius II

Mahé de Labournais erschuf auch eine weitere große Attraktion der Insel. Er hatte nämlich kein Interesse daran, sein Leben in den stinkenden Straßen des Hafens von Port Louis zu verbringen, und ließ sich daher im Jahr 1736 in der Stadt Pamplemousses ein Schloss mit dem vielversprechenden Namen “Mon Plaisier” also “Mein Vergnügen“ oder „Mein Genuss” bauen.

Das Schloss steht dort zwar immer noch (obwohl von den Engländern umgebaut), würde aber die Besucher allein nicht anlocken. Aber der freundliche Gouverneur ließ auf dem 209-Morgengroßen-Grundstück mithilfe von Sklaven aus Madagaskar einen Garten anlegen. Zwar hatte er hier hauptsächlich Obstbäume und ließ Gemüse für seine Küche anbauen, aber 1767 übernahm der wirkliche Biologe Pierre Poivre die Verwaltung und ließ aus dem Gemüsegarten einen botanischen Garten entstehen, der zu einer der wichtigsten Attraktionen der Insel wurde. Bis 1785 ließ Poivre hier 600 verschiedene Pflanzenarten pflanzen. Poivre verdiente sich dafür seine Büste, die sich im Zentrum des Gartens befindet. Hier kann man rosa und weiße Lotusblumen bewundern, Wasserhyazinthen, riesige Wasserlilien aus dem Amazonas, alle Arten von Palmen, sogar eine, die nur alle dreißig Jahre blüht (sie heißt Talipot, und ich hatte Glück, dass sie gerade blühte). Aber es gibt auch Zimtbäume, Nelken, Muskatnuss, Vanille (die nur als Parasit an Bäumen wächst), Brotfrucht, Mango und viele andere Früchte. Mahagoni- und Ebenholzbäume sind ebenfalls vorhanden, sowie der sogenannte “Blutende Baum” mit rotem Harz, das angeblich zur Behandlung von Ekzemen verwendet wird, und natürlich der Baobab. Es lohnt sich auf jeden Fall, neben dem Eintrittsgeld auch für ein kleines Honorar  einen Führer zu nehmen. Sie sind meistens Showmänner, die die Besucher wirklich für ein Euro unterhalten. Sie sprechen alle Sprachen, auch wenn der Unterschied schwer zu identifizieren ist. Trotzdem, als er uns zum Schloss mit der Anweisung “Mak foto and kom bak,” schickte, konnte ich seiner Anweisung mehr oder weniger folgen. Französisch kommt den Einheimischen eben doch besser von den Lippen.

Der weiße Lotus

Übrigens wird das Pflanzen von Bäumen fortgesetzt. Offensichtlich muss jeder Staatsmann, der Mauritius besucht, nach Pamplemousses gehen und eine Schaufel in die Hand nehmen. Schon 1956 pflanzte Prinzessin Margaret hier einen Baum, 1998 folgte dem Beispiel auch Prinzessin Anne. Außerdem pflanzten hier Indira Gandhi, Nelson Mandela, Francois Mitterand, aber auch der gangsterhafte Präsident von Simbabwe, Mugabe. Und natürlich darf auch der Vater der Nation, Seewoosagur Ramgoolam, nicht fehlen, der hier am 12. März 1973 einen Baum gepflanzt hat. Nach ihm ist der ganze Garten übrigens benannt, also SSRBG (Sir Seewoosagur Ramgoolam Botanischer Garten).

In Pamplemousses ist auch die örtliche Kirche St. Franziskus sehenswert, und auf dem angrenzenden Friedhof liegt der Beichtvater von Kaiser Napoleon, Abbé Buonavita, der Napoleon nach St. Helena begleitete und nach dem Tod des Kaisers nach Mauritius umzog, wo er auch starb. Und Vorsicht, in Pamplemousses gibt es auch das Café “Wiener Walzer”. Neben dem Sacherkuchen wird hier aber auch Curryhühnchen angeboten.

Im Gegensatz zum stark bewohnten Norden und Zentrum der Insel ist der Süden nur sporadisch besiedelt. Vielleicht liegt das daran, dass es hier viel mehr regnet. Luxushotels und Golfplätze finden Sie hier natürlich auch (Der österreichische Film „O Palmenbaum“ wurde im Süden unter dem Berg Le Morne Brabant gedreht.) Im Südwesten befindet sich der Bezirk “Black River”. Der Fluss dieses Namens mündet in Tamarin ins Meer, sein Wasser ist jedoch nicht schwarz. Der Name geht auf eine historische Tatsache zurück. Gerade in der fast unbewohnten Gegend um diesen Fluss suchten entflohene Sklaven von den Zuckerrohrplantagen Zuflucht. Und die Sklaven aus Madagaskar waren – wenn man das heute noch schreiben kann – schwarz. Heute ist der Black River das größte Naturschutzgebiet auf Mauritius.

Und es gibt hier viel zu sehen. Die größte Attraktion ist der hinduistische heilige See Grand Bassin. Im Jahr 1897 hatte der hinduistische Priester Shri Jhummon Giri Gosagne (ich hoffe, ich habe den Namen richtig geschrieben, mit diesen indischen Namen habe ich einige Probleme) die Vision, dass das Wasser im Kratersee im Zentrum der Insel den gleichen heiligen Wert hat wie das Wasser des Ganges, wohin sich Hindus regelmäßig zur rituellen Reinigung begeben. Offenbar hatten die hinduistischen Einwohner der Insel keine Lust, mit dem Schiff nach Indien zum rituellen Bad zu fahren – schließlich konnten sich das nur die Wenigsten leisten. Heutzutage könnten sie viel einfacher nach Kalkutta fliegen, aber sie bevorzugen immer noch die jährliche Pilgerreise zum Grand Bassin. Angeblich versammeln sich hier während des heiligen Frühlingsfestes Maha-Shivaratree binnen einer Woche bis zu 600.000 Menschen. Am Anfang des Geländes stehen riesige Statuen der Götter Shiva und Durga.

Die Göttin Durga

Sie sind 34 und 37 Meter hoch, wobei die Durga, die immer mit einem Löwen abgebildet wird, da sie eine Kämpferin gegen alles Böse ist, größer (und jünger) ist. Der heilige See ist ein Stück weiter entfernt, alle Menschen haben einen freien Zugang zu seinem Ufer. Im Gegensatz zu Muslimen hindern Hindus auch ungläubige Touristen nicht am Betreten des Tempels, wo sie sogar den Segen des Priesters erhalten können. Der Priester möchte nur wissen, woher die Person kommt, sein Verhältnis zum Hinduismus interessiert ihn nicht, und dann zeichnet er heilige Zeichen auf die Stirn der Person. Nur Schuhe müssen – genauso wie in einer Moschee vor dem Eingang abgelegt werden. Im See befinden sich Statuen weiterer Götter, auch die Heilige Dreifaltigkeit Trimurti, die den Schöpfer Brahma, den Zerstörer Shiva und den Beschützer Vishnu darstellen. Es gibt angeblich viele Fische im See, aber sie dürfen nicht gefangen werden, sie sind genauso heilig wie das Wasser, in dem sie schwimmen. Auch ein Fisch muss bei seiner Geburt den richtigen Ort wählen können um in Sicherheit zu leben.

Die hinduistische Trinitas, Brahma, Vishna und Schiva

Eine weitere Route führt nach „Plaine Champagne“ – eine Hochebene, von der aus die höchsten Berge der Insel aufragen. Sie erreichen jedoch nur eine Höhe von etwas über 800 Metern über dem Meeresspiegel, in Gegenteil zu Reunion gibt es auf Mauritius keine höheren Berge. Aber es reicht. Von der Aussichtsterrasse aus kann man bis zum Meer und zum Wasserfall des Flusses Black River schauen. Dann geht es serpentinenartig in das Dorf Chamarel. Entlang der Straße befindet sich die echte mauritische Flora, die anderswo auf der Insel längst durch importierte Pflanzen ersetzt wurde. Hier dominiert daher noch immer die einzige Palme, die auf der Insel vor der Ankunft der Menschen wuchs – die Flachpalme. Alle anderen, einschließlich der Kokospalme, die auf der Insel am häufigsten vorkommt, sind Importe. Sie gedeihen jedoch hervorragend im lokalen Klima, es gibt so viele Kokosnüsse, dass überall Schilder vor ihnen warnen – “Beware of falling Coconuts”.

Das Dorf Chamarel hat mehrere Attraktionen. Erstens ist es das Dorf, nach dem der bekannteste mauritische Rum benannt wurde. Das allein würde dem Ruf des Dorfes genügen, aber der Mensch lebt nicht nur von Rum. Chamarel ist auch der einzige Ort, an dem Kaffee angebaut wird. Auf der Plantage nahe des Dorfes wird 100% Arabica produziert – das als Souvenir gekauft werden kann, ist aber ziemlich teuer. Die Restaurants in Chamarel bieten einen wunderschönen Blick auf die Westküste, und deshalb machen Touristengruppen hier gerne halt für das Mittagessen. Dann erwartet sie die Hauptattraktion, der „Seven Colored Earths“. Hier hat der Vulkan wirklich schön und kreativ gespielt. Der Boden, der hart genug ist, um auch den Zyklonen zu widerstehen, hat einen hohen Gehalt an Eisen und Aluminium. Diese beiden Metalle, oder genauer gesagt ihre Verbindungen, vermischen sich in verschiedenen Verhältnissen, so dass auf kleinem Raum die unterschiedlichsten Farbtöne entstehen, von Rot über Braun, Violett, Grün, Purpur, Blau und Gelb. Es sollen sieben sein und ich möchte es glauben, aber ich habe auch Grau und Weiß gesehen. Diese zählen vielleicht nicht, sie sind zu gewöhnlich.

Der Anblick ist wirklich erstaunlich. Um es ein wenig aufzulockern, haben die Einheimischen einen Auslauf für riesige Schildkröten eingerichtet (wenn man bei diesen Tieren ihre Bewegung überhaupt als Laufen bezeichnen kann), die nicht einheimisch sind, da die Kolonialherren die ursprüngliche Population dieser Schildkröten auf Mauritius ausgerottet und verspeist haben. Dann kam jedoch Charles Darwin, entschloss sich zu experimentieren und brachte neue riesige Schildkröten von den Seychellen mit. Er wollte wissen, ob sich die Tiere an die neuen Lebensbedingungen anpassen würden. Sie haben sich angepasst, und wie! Sie erreichen bis zu einem Meter Länge und leben 150 Jahre lang. Die ersten, die sich noch an Darwin erinnern könnten und um 1880 nach Mauritius kamen, haben gerade jetzt ihr Alter erreicht und bald erinnert sich niemand mehr an Herrn Charles persönlich.

Im äußersten Südwesten der Insel befindet sich eine große Attraktion – der Berg Le Morne Brabant. Dieser Berg befindet sich auf einer Landzunge, die ins Meer ragt, was ihm einen unverwechselbaren Charme verleiht.

Hier ereignete sich die Tragödie, nämlich der Massenselbstmord der Sklaven im Jahr 1834, als die Engländer ihnen die Freiheit in ihrer unverständlichen Sprache verkündeten. Dieses Ereignis wird hier durch ein Denkmal aus dem Jahr 2009 erinnert. Heutzutage werden auf der Halbinsel ständig neue Hotels gebaut, denn hier gibt es schöne Strände und einen Golfplatz. Die eigentliche Attraktion ist jedoch der Berg, der wie ein unüberwindlicher Felsen über der Halbinsel aufragt. Er kann erklommen werden, ein Weg führt zum Gipfel. Die offizielle Information lautete, dass es erlaubt ist, nur den Weg bis zu einem Aussichtspunkt etwa zweihundert Meter über dem Meer zu besteigen, und zum Gipfel sollte man mit einem Führer gehen. Sogar das Video im Internet sah ziemlich gefährlich aus und verursachte meiner Frau Angst. Sie wies mich darauf hin, dass unser drittes Enkelkind bald in Wien geboren wird und “Opa wird gebraucht.” Also suchte ich nach Hilfe für Familienfrieden und fand einen gewissen Tomáš Naňák, der auf Mauritius lebt und solche Dienstleistungen anbietet – meine Frau konnte sich nämlich nicht vorstellen, dass ich alleine auf den Gipfel klettern würde. Wir kontaktierten das Reisebüro Likexpats, erhielten jedoch die Antwort, dass die Mindestteilnehmerzahl zwei Personen und der Preis auch bei einem Teilnehmer 400 Euro beträgt. Also machte ich mich alleine ohne Führer auf den Weg. Im Gegensatz zu den Gerüchten, die mir im Hotel erzählt wurden, gab es dort kein Verbot, den Gipfel ohne Führer zu besteigen. Es wird nur empfohlen, dass es sich um einen erfahrenen Bergsteiger und kein Kind handelt, der ein angemessenes Schuhwerk und genug Wasser hat. Ich kam zu dem Schluss, dass ich alle erforderlichen Voraussetzungen erfüllte (meine Wanderstiefel habe ich zehn Stunden im Flugzeug transportiert. Sie nahmen die Hälfte meines Koffers ein, und es wäre also schade, sie nicht zu benutzen), und so erklomm ich den Gipfel. Es war eine Wanderung “leicht bis etwas schwer” – auf jeden Fall war “Hilfe der Hände notwendig für den weiteren Fortschritt”.

Aber ich habe in meinem Leben bereits schlimmere Berge bestiegen. Die Belohnung war eine erstaunliche Panoramaaussicht vom Berg über das Land bis zum Meer und zu dem den Insel umgebenden Korallenriff – einfach wie ein Traum, aus dem man nicht aufwachen möchte. Ich wollte von dort nicht weggehen, es war einer der schönsten Bergaufstiege in meinem Leben – vielleicht sogar der allerschönste. Aber meine Flasche mit 1,5 Litern Wasser war knapp bemessen. Bei Temperaturen bis zu dreißig Grad und einer Luftfeuchtigkeit von über neunzig Prozent schwinden die Kräfte schneller als in den Alpen, man schwitzt viel und der Wasserbedarf ist groß. Gott sei Dank breitete sich über meinem Kopf gnädig eine riesige Wolke aus, die die Sonnenhitze dämpfte. Also wenn man nach Mauritius reist, sollte man die Wanderschuhe nicht vergessen. Der Aufstieg, so anstrengend er auch sein mag, lohnt sich auf jeden Fall.

Und – bevor ich es vergesse, ich habe versprochen, noch die romantische Geschichte über das mauritische „Romeo und Julia Paar“ zu erzählen, nämlich in der örtlichen Ausführung über Paul und Virginie. Dieses Versprechen werde ich natürlich einhalten. Die Geschichte erzählt von einer unerfüllten Liebe des armen Jungen Paul und Virginie, des Mädchens aus einer reichen Familie. Sie kannten sich seit ihrer Kindheit, und ihre Kindheitsfreundschaft entwickelte sich zu einer leidenschaftlichen Liebe. Virginies Eltern erschraken jedoch, weil sie für ihre Tochter einen anderen Bräutigam im Sinn hatten als den armen Paul. Sie schickten also ihre Tochter zum Studium nach England und hofften, dass die Jugend darüber hinwegkommen würde. Aber das geschah nicht. Virginie konnte es in England ohne Paul nicht aushalten (vielleicht spielte auch das Wetter eine Rolle, das man wirklich nicht mit dem sonnigen Mauritius vergleichen kann), sie schiffte sich heimlich auf das Schiff namens „Saint Géran“ ein und begab sich damit auf den Weg zu Paul nach Hause. Aber einige Kilometer von der Küste entfernt zerschellte das Schiff, als es auf das Korallenriff fuhr, brach in zwei Hälften und die Besatzung sowie die Passagiere ertranken. Nur neun Menschen überlebten, darunter war nicht Victoria. Paul fand nur ihren Leichnam, und kurz darauf starb er selbst – an einem gebrochenen Herzen.

Paul und Virginia

Diese Geschichte hat sich Mauritius bereits angeeignet und ist Teil seiner Kultur. Das Denkmal von Paul und Virginie findet man in Curepipe und in Port Louis. Die zwei liebenden waren auch im botanischen Garten in Pamplemousses, dort blieb nur der Sockel von ihnen übrig, die Statuen sind jetzt in der Kirche. Hotels und Restaurants tragen ihre Namen, und in der Stadt Tamarin ist sogar die Grundschule nach ihnen benannt.

Die ganze Geschichte hat nur einen Haken: Sie ist nie passiert. Auf dem Schiff Saint Géran mit einem Verdrängungsgewicht von 600 Tonnen, das am 24. März 1744 tatsächlich vor der Nordküste der Insel versank, kamen zwar drei Mädchen ums Leben, aber keines von ihnen hieß Virginie. Die Passagierlisten sind erhalten geblieben. Die neunzehnjährige Marie Anne Mallet, die sechzehnjährige Louise Augustine Callou und die zwölfjährige Jeanne Heléne Neiznein sind gestorben. Aber im Jahr 1768 kam der Schriftsteller Jaques-Henri Bernardin de Saint Pierre auf Mauritius an, und als er von der Schiffstragödie erfuhr, küsste ihn die Muse. Er verfasste also einen Roman über die Tragödie zweier jugendlicher Verliebter, und das im Jahr 1788 veröffentlichte Buch wurde zum Bestseller und anschließend ein integraler Bestandteil der mauritischen Kultur. Wenn interessiert schon, ob Paul und Virginie wirklich gelebt haben?

Glaubt vielleicht jemand wirklich, dass Julia Capulet sich tatsächlich in Romeo Montague verliebt hat?

Schladming und sein “night race”

Schladming ist eine Stadt in der Obersteiermark am Fluss Enns, genauer gesagt an dem Zusammenfluss dieses Flusses mit dem Bergbach Talbach. Heutzutage ist es als Skigebiet bekannt und populär. Aber Schladming hat eine viel ältere Geschichte.

Die Stadt entstand bereits im elften Jahrhundert als Bergbausiedlung, die im Jahr 1322 Stadtrechte erhielt. Im Dachsteingebirge oberhalb der Stadt wurde Silber, Kupfer, Blei und später auch Kobalt und Nickel abgebaut, was der Stadt, ebenso wie die Zölle auf dem Handelsweg im Einzugsgebiet der oberen Enns, einen gewissen Wohlstand brachte. Aber die Stadt wurde in die Bauernkriege von 1524–1526 verwickelt und am 3. Juli 1525 besiegten genau hier die Bauerntruppen das Heer der Stände und sie besetzten die Stadt. Anschließend eroberten und zerstörten die Truppen von König Ferdinand I. noch im gleichen Jahr die Stadt. Der König entzog der Siedlung daraufhin die Stadtrechte, die Schladming erst nach langen vierhundert Jahren im Jahr 1925 zurückerhielt. Die verbliebene Siedlung erhielt 1629 unter dem Druck des Dreißigjährigen Krieges die Erlaubnis von Kaiser Ferdinand II. zur Wiederherstellung der Befestigungsanlagen. Die Stadtmauern oder genauer gesagt ihre Überreste haben sich bis heute erhalten und sind bei einem Spaziergang durch die Stadt ein unübersehbares Artefakt.

Stadtmauer aus dem 17.Jahrhundert

Auch wenn die Steiermark gewaltsam katholisiert wurde, hielt gerade die Region Ramsau und Schladming hartnäckig am evangelischen Glauben fest. Dies wurde durch die Tatsache ermöglicht, dass in der rauen Bergregion niemand wirklich leben wollte, besonders als der Bergbau nach kostbaren Metallen langsam nachließ und die Gegend verarmte. Deshalb wurden die Protestanten hier mehr oder weniger geduldet, auch wenn sie politisch oder wirtschaftlich nicht unterstützt wurden. Das Leben hier war hart. Heute machen die Katholiken in Schladming nur 55 Prozent der Bevölkerung aus (sie haben ihre Pfarrkirche St. Achaz (Achatius oder Agatus) im Stil der Spätgotik mit einem barocken Altar),

Die katholische Kirche st.Agatius mit dem Stadttor

und die Evangelischen stellen mit ungewöhnlichen 34 Prozent in der Steiermark eine bedeutende Minderheit dar (sie haben ihre Pfarrkirche St. Peter und Paul, gebaut in den Jahren 1852 – 1862 – ein evangelisches Pfarramt wurde hier gleich nach dem Tolleranzpatent des Kaisers Josef II. im Jahr 1781 errichtet).

Die Evangelische Kirche mir dem Pfarramt

Die Geschichte der Reformation und Gegenreformation sowie des Bergbaus unter dem Dachstein kann im Bergbaumuseum in der Innenstadt erkundet werden – der Museumsbesuch ist mit der Sommercard kostenlos.

Das Stadtmuseum

Auch die Gründung der städtischen Brauerei im Jahr 1909 als “Erste Alpen-Volksbrauerei” half nur wenig, um den Wohlstand wiederherzustellen.

Im Jahr 1884 ließ sich hier August, Prinz von Sachsen-Gotha, ein Jagdschloss errichten. Lassen Sie uns kurz bei dieser Person verweilen. Das Haus Coburg-Gotha gehörte zu den deutschen Adelsfamilien, die zwar nur in Zwergstaaten in Thüringen herrschte, war aber mit fast allen königlichen Familien in Europa und darüber hinaus verschwägert. Prinz Albert von Sachsen-Coburg-Gotha war der Ehemann der britischen Königin Victoria, Augusts Mutter Clementine d’Orléans war die Tochter des französischen Königs Ludwig Philipp. August reiste nach Brasilien und heiratete dort Leopoldine, die Tochter des brasilianischen Kaisers Pedro II. Sie gebar ihm zwei Söhne, starb aber bereits im Alter von 23 Jahren an Typhus. August ließ die Kinder in der Obhut der brasilianischen Großeltern und begann zu reisen und das Leben zu genießen. Sein Freund Gustav de Vernouillet (nach dem in Schladming auch eine Straße benannt ist) lud ihn zur Jagd nach Schladming ein. Von der Schönheit der örtlichen Natur verzaubert, ließ Prinz August hier im Jahr 1884 ein Jagdschloss errichten.

Das Rathaus

Er starb im Karlsbad im Jahr 1907. Im Jahr 1889 wurde Kaiser Pedro in Brasilien durch einen Militärputsch gestürzt. Augusts Sohn August Leopold segelte gerade um die Welt und trat daher in österreichische Dienste, als ihm seine Großmutter Clementine eine Hochzeit mit Karoline von Habsburg-Toskana vermittelte. Die Hochzeitsreise führte nach Schladming, daher trägt heute die Madonna in der katholischen Kirche St. Achaz auf der linken Seite an der Seitenwand Carolines Hochzeitskleid.

Die Madona mit dem Hochzeitkleid der Prinzessin Karoline

Im Jahr 1917 verlegte August Leopold den Familiensitz nach Schladming. Die Stadt kaufte das Schloss 1940 und machte es zu ihrem heutigen Rathaus. Die Nazis machten auch vor den vornehmsten Adelsfamilien nicht halt. Augusts zweitgeborene Tochter Marie, die körperlich und geistig behindert war, wurde im Jahr 1941 im Rahmen des Euthanasieprogramms auf Schloss Hartheim bei Linz vergast. Seit 2022 erinnert eine Gedenktafel vor dem Rathaus an diese “brasilianische” Geschichte.


            Dort, wo Not herrscht, muss man eine Idee haben, wie man sie besiegen kann. Die Einheimischen entschieden sich nach dem Zweiten Weltkrieg richtig für die Förderung des Tourismus. Bereits im Jahr 1908 wurde hier der “Wintersportverein” gegründet, und im Jahr 1953 wurde der erste Skilift auf der Planai errichtet, die sich über der Stadt bis auf eine Höhe von 2000 Metern über dem Meeresspiegel erstreckt. Im Jahr 1973 fanden hier erstmals Weltcuprennen statt (der berühmte Franz Klammer gewann und im Jahr 1981 der noch berühmtere – die Österreicher mögen mir zu verzeihen – Ingemar Stenmark). Im Jahr 1982 gelang es Schladming zusammen mit der nahe gelegenen Gemeinde Haus im Ennstal die Skiweltmeisterschaft zu organisieren.

Aber wie sollte ein kleines Dorf in der österreichischen Steiermark mit berühmten Zentren wie Kitzbühel in Tirol, St. Moritz oder Wengen in der Schweiz oder Val d’Isère in den Savoyer Alpen mithalten? Weder durch Infrastruktur, Schwierigkeitsgrad der Pisten noch durch Sponsorenbeiträge, insbesondere von der Region Steiermark.

Aber wenn man eine wirtschaftliche Katastrophe abwenden und im Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit bleiben möchte, muss man eine Idee haben. Etwas Besonderes anbieten, etwas, das es anderswo nicht gibt, und so die Massen anziehen. Die Einheimischen hatten diese Idee, besonders Hans Grogl, der Vorsitzende des WSV Schladming. Er schlug ein Projekt vor, etwas, was es im Weltcup noch nicht gab – das nächtliche Rennen, also Rennen bei künstlicher Beleuchtung. Die Wochenenden waren bereits durch protektionistische Standorte besetzt, da die Vormittagsrennen an Samstagen oder Sonntagen Zuschauer garantierten. Grogl schlug also vor, dass man am Dienstag Rennen fahren könnte. Sicher, aber am Dienstagvormittag wird niemand kommen, die Leute sind schließlich bei der Arbeit. Aber wenn es abends mit einer entsprechenden Party verbunden wäre? Etwas bis dahin Ungehörtes, aber die Idee gefiel, besonders dem langjährigen Präsidenten des österreichischen Skiverbandes, Peter Schröcknadel. Dieser Nestor des österreichischen Skisports war erstaunliche 31 Jahre lang von 1990 bis 2021 Präsident des österreichischen Skiverbandes und trat (nicht gerne) nur kurz vor seinem achtzigsten Geburtstag zurück. In den Jahren 2009-2012 war er sogar Präsident des Welt-Skiverbandes. Obwohl ihm immer wieder Intrigen und Korruption vorgeworfen wurden, war er interessiert an originellen Ideen, die die Attraktivität des Skifahrens für Zuschauer und Fernsehübertragungen steigern und damit den finanziellen Gewinn erhöhen könnten.

Am 26. Januar 1995 unterzeichneten Hans Grogl und Peter Schröcknadel einen Kooperationsvertrag, und am 30. Januar 1997 fand unter dem Jubel von begeisterten 27.000 Zuschauern das erste nächtliche Slalomrennen statt. Die Wahl der Strecke an einem steilen Hang direkt über der Stadt war ein genialer Schachzug, ebenso wie die Wahl des Slaloms als der einzigen Disziplin (die Abfahrt wäre zu lang gewesen und die Zuschauer hätten wenig gesehen, außerdem wäre es sehr schwierig gewesen, die gesamte Piste von der Planai aus ausreichend zu beleuchten).

In dem ersten Rennen siegte der damals praktisch unbesiegbare Alberto Tomba, die einheimischen Österreicher mussten sich mit dem zweiten Platz von Thomas Stangassinger zufriedengeben. Im nächsten Jahr wiederholte Tomba den Sieg, wieder vor dem Österreicher und dem heutigen Kommentator des österreichischen Fernsehens, dem lokalen Helden aus Schladming, Thomas Sykora. Im Jahr 1999 durften sich die Österreicher schließlich über einen heimischen Sieger freuen, es gewann der legendäre Benjamin Raich nach einem wahnsinnigen Ritt in der zweiten Runde, da er nach der ersten auf dem Platz 23 war. Er wiederholte den Sieg zwei Jahre später. Im Jahr 2000 gewann sein Landsmann Mario Matt, und das heimische Publikum blieb auf einer euphorischen Welle. Die meisten Titel, nämlich vier, holte neben dem bereits erwähnten Benjamin Reich auch noch der Norweger Henrik Kristoffersen.

Schladming ist zu einem Pilgerort für Skisportfans geworden, und im Jahr 2008 entschied die Internationale Skiföderation (Schröcknadel wurde erst ein Jahr später zu ihrem Präsidenten gewählt), dass Schladming erneut die Weltmeisterschaft im alpinen Skisport ausrichten könne. In diesem Jahr ersetzten also die Weltmeisterschaftsrennen im Slalom das Nachtrennen, und im Slalom, als der königlichen Disziplin von Schladming, siegte der Einheimische Marcel Hirscher und bei den Frauen die damals 18-jährige Mikaela Shiffrin – es war ihre erste von vielen Goldmedaillen bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen. Und weil es nie genug Spektakel geben kann, wurden im Jahr 2023 zum Slalom noch das Rennen im Riesentorlauf hinzugefügt, und so erstreckte sich die Party über zwei Tage.

Nun, zu meinem letzten Geburtstag schenkten mir mein geliebter Sohn und seine Frau Tickets für das diesjährige “Night Race”. Freunde warnten mich. Es soll dort angeblich nur kalt und nass sein (vom Bier, das betrunkene Zuschauer um sich herum verschütten). Was soll ich dort machen, wenn ich kein Bier trinke? Obwohl das Schladminger Bier nicht schlecht ist, verursacht es bei mir trotzdem das Sodbrennen. Aber einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul. Trotzdem habe ich durchgesetzt, dass mich gerade mein Sohn begleiten wird, damit er weiß, was er angerichtet hat.

Natürlich mit dem Plan, diese Tage mit Skifahren zu füllen. Das Gebiet Planai ist wirklich großartig, nicht nur wegen des Panoramas des Dachsteins. Es verbindet vier Skigebiete: Hauser Kaibling, Planai, Hochwurzen und Reiteralm. Die Reiteralm ist der Haupttrainingshang des österreichischen nationalen Schiteams, aber von diesen vier Hängen hat mich dieser am wenigsten angesprochen. Vielleicht auch deshalb, weil es nicht ganz einfach ist, von dort nachmittags wieder zurückzukommen, wenn die Temperaturen über null Grad liegen. Der nasse Schnee bildet in dem unteren Teil der Piste fast unüberwindliche Haufen zwischen den ausgefahrenen eisigen Spuren und wird zu einem wahren Beinbrecher.  Schladming liegt nämlich nur 745 Meter über dem Meeresspiegel, was angesichts der stetig steigenden Lufttemperaturen zunehmende Probleme mit der Erhaltung der Pisten in ihrem unteren Teil mit sich bringt. Oft schmilzt hier bei hohen Temperaturen der Schnee, und wenn es oben auf der Planai schneit, regnet es unten, was der Schneequalität auch nicht zuträglich ist. Aber gerade der Höhenunterschied von 1300 Metern vom Gipfel bis ins Tal, mit dem steilen Hang am Schluss ist verlockend. In Schladming ist es kein Problem, an einem Tag 10.000 Höhenmeter zu fahren – obwohl ich hier nur 9997 Meter erreicht habe und auf die zehntausend warten musste, bis ich nach Saalbach-Hinterglemm kam. Um ehrlich zu sein, von diesen vier Hängen mag ich den Hauser Kaibling am meisten, aber auf keinen Fall sollte man morgens mit Piste Nummer eins nach Haus ins Tal abfahren. Einmal habe ich das gemacht und wir sind dort beinahe eine Stunde stecken geblieben. Haus liegt nämlich am nächsten zu Graz und Wien und von dort starten demzufolge die meisten Tagesbesucher ihren Schitag. Wenn man vor neun Uhr ankommt, ist es in Ordnung, gegen zehn Uhr landet man in einer riesigen und aggressiven Menschenmenge, die darauf wartet, den Berg mit Gondel hinaufzufahren.

Aber dann gibt es natürlich die legendäre Berghütte “Schafalm” unter dem Gipfel der Planai mit einer “Apre Ski” Party. Es gab hier jahrelang ein besonderes Privileg, dass hier bis sieben Uhr abends gefeiert werden konnte (und das sehr intensiv mit viel Alkohol): Dann fuhren die Partygänger die Piste nach Schladming hinunter, also diese 1300 Höhenmeter, um dann entweder in der runden Bar am Fuße des Hanges unter der Piste oder direkt in der Tenne bei der Diskothek zu landen. Dort hat mir offensichtlich jemand im betrunkenen Zustand meine vor dem Gebäude abgestellten Skier gestohlen. Na ja, gestohlen, sagen wir eher entwendet. Er hat ihre Qualität wahrscheinlich im Rausch nicht gesehen, also hat er sie eher entsorgt und mich dazu gezwungen, endlich neue Skier zu kaufen, wie ich es schon seit Jahren vorhatte.

Die Strecke wurde zu dieser Zeit ab 17 Uhr nicht mehr als Abfahrtspiste, sondern als “Route” gekennzeichnet. Das erforderte starke Nerven. Ich blieb einmal auf der Schafalm, um den Sonnenuntergang zu genießen. Der war tatsächlich erstaunlich schön, aber dann machte ich mich sofort auf den Weg ins Tal. Ich wollte die Gelegenheit nutzen, dass man auch nach Sonnenuntergang noch eine Weile sehen kann.  Na ja, oben konnte man noch etwas sehen, aber unten im Tal? Es war stockdunkel, obwohl es hier künstliche Beleuchtung gab. Und die Piste war nach einem ganzen Tag auch nicht mehr besonders gut befahrbar. Kurz gesagt, ich hatte keine Kontrolle über meine Schi mehr, was mich jedoch viel weniger beunruhigte als die Tatsache, dass es allen anderen, die mit mir ins Tal fuhren, genauso ging. Jeder von ihnen war lebensgefährlich – zumindest für mein Leben. Aber ich habe überlebt.

Nach den neuesten Informationen ist dieses Wahnsinn bereits beendet worden und Schaffalm schließt bereits um 16 Uhr.

Die Berge um Schladming laden übrigens auch im Sommer zu Bergtouren ein, aber darüber habe ich bereits in meinem Artikel über Ramsau geschrieben (ich glaube, ich habe sogar zwei solche Texte publiziert). Die Seilbahnen fahren von Haus und Schladming auf die Planai. Insbesondere der Aufstieg vom Hauser Kaibling zum Höchststein ist ein echtes Bergerlebnis Ich werde ihn nicht vergessen, denn auf dem Abstieg habe ich mir die Bänder am Ringfinger meiner rechten Hand gerissen, was mir seitdem das Schreiben am Computer erheblich erschwert. Aber es hat sich gelohnt.

Es ist wichtig, bei der Wahl der Sommerunterkunft herauszufinden, ob der Vermieter die sogenannte “Sommercard” anbietet, die die kostenlose Nutzung der Seilbahnen ermöglicht – eine Seilbahn pro Tag, aber das reicht völlig aus.

Aber zurück zum “Night Race”. Die Stadt verwandelt sich in diesen Tagen in eine große Party mit vielen Souvenirläden, Imbissständen und einer großen Diskothek auf dem vor dem Rathausplatz.

Mit der Zeit rückt das Skifahren irgendwie in den Hintergrund. Ich glaube, die meisten Teilnehmer hatten keine Ahnung, wer dieses Jahr eigentlich gewonnen hat. Das ist jedoch nicht das Wichtigste, weder für die Teilnehmer noch für die Organisatoren. Obwohl der unermüdliche Kommentator sechs Stunden lang die Stimmung machen konnte. Es geht vor allem darum, den Menschen Geld abzuzocken, deshalb kostet der nächtliche Bus, der die Zuschauer zu ihren Hotels und Apartments bringt, doppelt so viel als tagsüber (6 Euro statt 3). Und ein Klimaticket ist nicht valid.

Ja, zu der Zeit, als ich diesen Artikel veröffentliche, habe ich das diesjährige Nachtslalom bereits hinter mir. Marco Odermatt und Linus Strasser haben gewonnen, und ich habe überlebt. Zwar im eiskalten Regen verkühlt und mit einer ausgekugelten Schulter, aber dafür kann das Night Race wirklich nichts, dafür ist mein Alter und mein übermäßiger Ehrgeiz verantwortlich. Aber ich bin weder erfroren noch wurde ich mit Bier übergossen. Es hat sich also gelohnt.

Formularbeginn

Mauritius I

Die Insel ist für den Winterurlaub wie geschaffen – auf Mauritius ist nämlich während unserer Winterzeit Sommer. Bitte versuchen Sie nicht, wie meine Frau, im November auf Mauritius warme Winterkleider für die Enkelinnen zu kaufen. Ihre Bemühungen wurden nur mit ungläubigem Kopfschütteln belohnt, auch wenn wir in Port Louis ein etwa zweijähriges Kind mit einer warmen Mütze gesehen haben. Der ideale Beginn des Sommers ist also im November (dortiger Mai), denn mögliche Zyklone treten erst auf, wenn der Indische Ozean Temperaturen über 26 Grad erreicht, was normalerweise erst gegen Ende Dezember der Fall ist. Aber selbst von einem Zyklon wird man nicht am Strand überrascht, denn auf Mauritius gibt es ein sehr gutes Frühwarnsystem. Allerdings ist es auch nicht der ideale Urlaub, wenn draußen ein Sturm wütet und man einige Tage im Hotel verbringen müsste. Also am besten im November oder Anfang Dezember hinfliegen.

Mauritius ist von einem Korallenriff umgeben, was gleich mehrere Vorteile hat. Erstens gelangen Haie nicht durch das Riff, was den Badegästen ein Sicherheitsgefühl gibt. Es erreichen auch keine Wellen das Ufer, weil das Riff wie ein zuverlässiger Wellenbrecher wirkt. Das ist wiederum ideal für meine Frau, die gerne badet. Sie nennt das „člupkanie“, was schwer ins Deutsch zu übersetzen ist. Man könnte das als Genießen des Aufenthaltes im warmen Wasser beschreiben, vom Schwimmen ist diese Tätigkeit allerdings sehr weit entfernt. Und schließlich ist es eine ideale Situation für Touristen, die gerne tauchen. In jedem Hotel gibt es eine Tauchschule, und Boote bringen begeisterte Taucher zum besagten Korallenriff, damit sie sich erfreuen können. Übrigens ist das Wasser zwischen dem Ufer und dem Riff am Nachmittag bei Ebbe so flach, dass man fast bis zum Riff auf dem Meeresboden gehen kann. Es wird jedoch empfohlen, Badeschuhe zu tragen, da es am Boden Seeigel gibt und auch die harten Korallen sind nicht gerade angenehm zu betreten. Es ist auch ziemlich sinnlos, Muscheln am Strand zu suchen, denn dort gibt es keine, höchstens Bruchstücke von Korallen. Die Muscheln oder Korallen dürfen übrigens nicht von Mauritius ausgeführt werden, auch wenn man sie im Laden gekauft hat und dies beim Zoll nachweisen kann. Selbst dann werden die Muscheln oder Korallen beschlagnahmt, und man erhält auch noch eine saftige Strafe.

Etwas schlechter als Schwimmer haben es Surfer, aber auch sie finden Destinationen, wo sie auf Wellen stoßen. Das ist in der Nähe der Stadt Tomatin an der Westküste der Fall, wo der Black River ins Meer mündet. Das hat anscheinend zur Folge, dass das Riff hier unterbrochen ist und somit Wellen entstehen, die angeblich für den Spaß der Surfer ausreichen. Es gibt auch einen Campingplatz, aber der Strand selbst lädt nicht gerade zum Baden ein. Zumindest mich hat er nicht gelockt.

Der Strand von Tamarin

Was sollen aber Besucher auf Mauritius tun, die auch andere Interessen als das Baden im warmen Wasser des Indischen Ozeans haben? Also Menschen wie mich! Überraschenderweise finden auch sie genügend Aktivitäten, sie müssen nicht einmal auf einem der sieben Golfplätze spielen, die auf der Insel ganzjährig im Beitrieb sind. Ich habe jedoch genug Golfer gesehen. Die Problematischen, die alle Schläger mitgebracht haben und dann auf eine besondere Behandlung bestanden, sowie auch die Problemlosen, die sich einfach die Ausrüstung vor Ort ausleihen. Ich denke, die zweite Variante ist einfacher, zumindest hat mir das eine Kollegin aus Kärnten gesagt, die neben mir im Flugzeug saß.

Die Insel hat grundsätzlich zwei Hauptstädte. Die offizielle Hauptstadt ist Port Louis, aber das ist nur die Metropole für die arbeitende Klasse. Die Stadt selbst hat 150.000 Einwohner, weitere 200.000 pendeln hierher täglich zur Arbeit. Dies führt jeden Morgen zu unglaublichem Verkehrsstau auf den Zufahrtsstraßen (und nachmittags auf den Ausfahrtsstraßen). Die Mauritier gehen zwar mit der Zeit ziemlich nachsichtig um, aber das alltägliches Verkehrschaos ist oft sogar für ihre belastbaren Nerven zu viel. Reiche Leute wohnen daher lieber in Curepipe. Die Stadt liegt etwas abseits von der Küste, auf einem Hügel um einen erloschenen Vulkan. Dort befinden sich Luxusvillen, Residenzen und die meisten Botschaften, vor allem die französische und die britische, um nur die beiden wichtigsten zu nennen. Damit diese Privilegierten nicht mit dem Auto nach Port Louis fahren müssen, wurde in den letzten drei Jahren eine Verbindung mit einem Schnellzug zwischen diesen Städten geschaffen. Die Einheimischen nennen es stolz “Metro”, obwohl es nirgendwo unterirdisch fährt. In Port Louis hat es Haltestellen am Hafen an der sogenannten “Watterfront”, dem modernsten Teil der Stadt, der durch zwei Unterführungen mit der “Harbourfront” verbunden ist, wo sich Banken und die wichtigsten Unternehmen und Behörden in Hochhäusern befinden.

Port Luis Watterfront

Damit ist also für den Komfort der Wohlhabenden gesorgt, die einfache Bevölkerung kämpft täglich auf den überfüllten Autobahnen am Stadteingang.

Die Einheimischen behaupten, dass dieser Schnellzug in Zukunft die ganze Insel verbinden soll, aber in Curepipe scheint der Bau irgendwie ins Stocken geraten zu sein. Vielleicht fehlt das Geld oder die Motivation. Oder beides. Obwohl die Insel nicht groß ist, erfordern Transporte eine gewisse Zeit und die damit verbundene Geduld. Die durchschnittliche Reisegeschwindigkeit beträgt etwa 30 Kilometer pro Stunde, sodass man bei der Fahrt vom Flughafen nach Port Louis, das etwa 45 Kilometer entfernt ist, mit anderthalb Stunden rechnen muss. Auch Taxifahrer halten sich an die vorgeschriebene Geschwindigkeit, da Strafen für Geschwindigkeitsüberschreitungen vor Ort ziemlich drakonisch sind. Sie beginnen bei 2000 Rupien, das ist 40 Euro, was bei einem durchschnittlichen Gehalt von 18.000 Rupien ziemlich viel ist. Und es gibt keine Toleranz, es muss also auch für eine Überschreitung der Geschwindigkeit um nur einen einzigen Kilometer gezahlt werden.

In Curepipe wird Touristen der erloschene Vulkankrater gezeigt, der sich auf einem Hügel unterhalb der Wetterstation befindet.

Es ist ein frequentierter Treffpunkt aller von Reisebüros organisierten Ausflügen. Zum Pflichtprogramm gehört auch der Besuch der Manufaktur für Erzeugung der Schiffsmodelle. Die Modelle werden hier von Hand hergestellt, und man wird durch die Werkstatt geführt, um dazu verleitet zu werden, zumindest eines der Modelle zu kaufen. Neben Titanic oder Victory gibt es auch Black Bird aus den „Pirates of the Caribbean“. Außerdem wird man wahrscheinlich nicht um den Besuch des Betriebes für Weinerzeugung „Takamaka“ herumkommen. Auf Mauritius kann nämlich keine Weinrebe angebaut werden, der heimische Wein wird also aus Trauben aus Südafrika hergestellt – und ist entsprechend teuer. Daher suchte der Unternehmer Alexander nach Früchten, aus denen er Wein machen könnte, und stieß auf Litschi. Der Wein reift hier drei bis sechs Monate, für einen verwöhnten Österreicher wie mich, der trockenen Wein liebt, war das jedoch nichts, was ich bereit war zu kaufen, es war für mich zu süß und ich fühlte mich von Sodbrennen gefährdet. Allerdings die mit uns reisenden Deutschen, die liebliche Weine mögen, kauften den Wein in großen Mengen ein.

Nach Port Louis können Sie auch mit dem Bus gelangen. Die Busverbindung ist gut und günstig. Für zwei Personen von Flic en Flac nach Port Louis zahlten wir 88 Rupien, also ein Euro und vierzig Cent. Für beide Personen zusammen wohlbemerkt! Im Bus sieht man auch das, was für Mauritius typisch ist – eine Überbeschäftigung. Neben dem Fahrer gab es auch einen Schaffner, der Ihnen Tickets verkaufte, aber dann stieg auch eine Kontrolleurin ein, die unsere Tickets überprüfte und durchbohrte. Was ich jedoch leider nicht verstanden habe, war das Busbahnhofsystem in Port Louis. Es gibt zwei Busbahnhöfe, den nördlichen und den südlichen. Da wir aus dem Süden kamen, nahm ich natürlich an, dass der Bus uns am südlichen Bahnhof absetzen würde. Aber weit verfehlt, er brachte uns zum nördlichen. Dann war allerdings die Sucherei nach einer passenden Rückfahrtverbindung zu unserem Wohnort für einen Fremden wie mich nicht gerade einfach. Ich habe lieber aufgegeben und bin zurück mit dem Taxi gefahren.

Dennoch gibt es in der Nähe des nördlichen Busbahnhofs den zentralen Markt, der definitiv einen Besuch wert ist. Obst und Gemüse aller Art, Fisch und in einem anderen Teil dann Kleidung und alles, woran man gar nicht denken würde. Ich habe herausgefunden, dass Litschi einen gewissen Kultwert unter den Früchten der Insel hat.

Natürlich ist es gut und süß, ebenso wie die Marmelade, die daraus hergestellt wird. Das Obst wird in ganzen Büscheln verkauft, ist aber für die Einheimischen ziemlich teuer. Litschibäume sind leicht zu erkennen, sie sind nämlich mit Netzen gegen Insekten und Vögel bedeckt. Das süße Obst lockt sie nämlich an, und sie würden es auffressen. So kommen sie nicht heran. Weil der mauritische Taxifahrer “Bird” wie “Bat” aussprach, hatte ich ein kleines Problem zu verstehen, gegen wen die Menschen diese Früchte schützen. In normalem Englisch wird so schließlich eine Fledermaus genannt.

Nicht weit vom Markt entfernt liegt das chinesische Viertel, die Chinesen machen etwa 3 Prozent der Bevölkerung aus. Erstaunlicherweise befindet sich ausgerechnet im chinesischen Viertel die größte Moschee der Stadt, Jummah. Warum gerade dort, weiß ich nicht. In der Stadt gibt es auch ein Naturkundemuseum, in dem das Skelett des legendären Dodos zu sehen ist, die Kirche St. Louis mit der Statue des heiligen König Ludwig IX. von Frankreich – eines leidenschaftlichen Sammlers von Reliquien, die in Paris in der Saint Chapel aufbewahrt werden – im Park vor der Kirche und Fort Adelaide. Diese Festung wurde von den Engländern erbaut, nachdem sie Mauritius erobert hatten, um es gegen eine erneute Übernahme durch die Franzosen oder andere Angreifer zu sichern.

Fort Adelaide

Die Festung erhielt den Namen der Frau von König William IV. (dieser Monarch schaffte 1834 die Sklaverei in seinen Kolonien ab und verursachte somit gewaltige Probleme den örtlichen französischen Bauern), wird jedoch im Allgemeinen als “Citadelle” bezeichnet. Da jedoch später niemand mehr daran dachte, Mauritius zu erobern, blieb die Festung nutzlos. Na ja, nicht ganz. Von dort aus bietet sich nämlich ein schöner Blick auf die Stadt, sodass sich der Aufstieg lohnt. Eine Aussichtsplattform hätte allerdings gereicht. Von dort aus ist auch die riesige Rennstrecke “Marsfeld” sichtbar, auf der von März bis November Pferderennen stattfinden.

Die Hauptattraktionen der Stadt befinden sich jedoch in der Waterfront. Zum einen gibt es seit 2021 das „Odysseo-Aquarium“. Jede große Hafenstadt der Welt muss doch ein Aquarium haben und Mauritius hält Schritt mit dem Trend. In zwei Millionen Litern Wasser in 45 Aquarien auf einer Fläche von 5500 m2 kann der Besucher 200 Arten des Indischen Ozeans sehen. Es gibt hier auch Haie, die sich aufgrund des Korallenriffs sonst Mauritius nicht nähern können.

Odysseo

Als Erinnerung an problematische Zeiten in der Geschichte der Insel gibt es in diesem Stadtteil das Sklaverei-Museum im alten Militärkrankenhaus und gleich daneben „Aapravasi Ghat“, das ein Aufnahmezentrum für Arbeiter aus Indien war. Hier mussten sie sich registrieren lassen, und hier wurden ihnen die entsprechenden Dokumente ausgestellt. Das Gebäude diente auch als Quarantänestation, die alle Ankommenden für 48 Stunden durchlaufen mussten, bevor sie zu ihren Arbeitsplätzen auf den Plantagen gebracht wurden. Die Kapazität der Einrichtung betrug 600 Personen, oft waren dort aber mehr als tausend Menschen untergebracht. Die Briten brachten insgesamt 420.000 Menschen von Indien auf die Insel, deshalb bilden heutzutage die Hindus und Muslime aus dem heutigen Pakistan und Bangladesch die Mehrheit der Bevölkerung. Zwischen den modernen Gebäuden der Waterfront befindet sich im Hauptpostgebäude von 1868 das Postmuseum sowie das „Museum der Blauen Mauritius“. Letzteres erhielt das Privileg, ein eigenes Museum zu bekommen. Dank dieser Briefmarke trat Mauritius ins Bewusstsein der Bewohner unseres Planeten. In diesem Museum findet der Geschichtsliebhaber neben der Geschichte der postalischen Beziehungen der abgelegenen Insel zur umgebenden Welt und der Geschichte der Entstehung dieser berühmten Marke auch eine sehr interessante Beschreibung der Geschichte der Insel sowie die Namen der wichtigsten Persönlichkeiten, die mit der Geschichte der Insel verbunden sind. Mauritius, die Blaue und die Rote, sind natürlich auch hier, aber sie werden nur zehn Minuten pro Stunde beleuchtet – angeblich, damit sie nicht durch die Wirkung des Lichtes verblassen.

Im Gebäude des Museums befindet sich auch eine Dauerausstellung, die der romantischsten Inselgeschichte von Paul und Virginie gewidmet ist. Mit dieser Geschichte möchte ich jedoch den Besuch der Insel beenden und bitte daher den Leser um etwas Geduld.

Die Straße „Queen Elizabeth“ führt durch das Zentrum der Stadt auf der einen Seite und die Bisoondyal-Straße auf der anderen Seite des kleinen Parks, wo Statuen bedeutender Persönlichkeiten von Mauritius stehen. Gleich am Hafen gibt es die Statue des wichtigsten Gouverneurs der Insel Mahé de Labourbonais.

Mahé de Labournais

Die Straße endet am ehemaligen Sitz des britischen Gouverneurs, wo heute die Inselregierung ihren Sitz hat. Vor dem Gebäude steht jedoch immer noch die Statue von Königin Victoria und direkt gegenüber dann die Statue von William Newton, einem bedeutenden lokalen Politiker aus der britischen Kolonialzeit. Neben ihnen gibt es vom Hafen bis zu diesem Regierungsgebäude zahlreiche weitere Statuen bedeutender mauritischer Politiker. Alle sehen in ihren Anzügen irgendwie gleich aus, halten meist freundlich ihre Hände vor sich zu ihrem Volk ausgestreckt, es sei denn, sie halten über dem Kopf ein Verfassungsbuch.

Königin Victoria

Ich glaube, es reicht für heute, in zwei Wochen kehren wir auf die Insel noch einmal zurück.

Dodo hat es nicht überlebt – Geschichte- Kurzfassung der Insel Mauritius

Mark Twain schrieb, dass Gott zuerst diese Insel und dann nach diesem Muster das Paradies schuf. Mark Twain konnte allerdings die Insel in einem solchen Zustand meinen, bevor sich Menschen dort niederließen, genauso wie im Paradies, wo Ruhe und Frieden herrschten, bevor Adam und Eva begannen, an Äpfeln zu naschen. Mark Twain war jedoch ein Schriftsteller und hatte daher eine blühende Fantasie. Er konnte sich die Insel also vorstellen, wie sie aussah, als die Menschen noch nichts von ihr wussten.

Als der Portugiese Diogo Fernandes Pereira sie im Jahr 1507 entdeckte, lebte dort noch kein einziger Mensch. Die Insel war von Urwald bedeckt, und dort lebte der harmlose Dodo-Vogel, der aufgrund des Fehlens natürlicher Feinde nicht einmal das Fliegen gelernt hatte. Die Portugiesen nannten die Insel “Ilha do Cisne” also die “Schwaneninsel”, wahrscheinlich nach dem Dodo, der mit etwas Fantasie als überdimensionaler Schwan betrachtet werden konnte.

Die Portugiesen hatten jedoch wichtigere Aufgaben, als sich um ein unbewohntes Stück Land mitten im Indischen Ozean zwischen Afrika und Indien zu kümmern. Im Jahr 1598 landete der niederländische Admiral Van Waywyck auf der Insel und benannte sie nach dem Prinzen Moritz von Nassau, dem damaligen Anführer des niederländischen Aufstands gegen die spanische Herrschaft, da es den Spaniern nach mehreren fehlgeschlagenen Versuchen endlich gelang, seinen Onkel Wilhelm I. von Oranien (genannt Der Schweiger) umzubringen. Auf die Insel kam der niederländische “Marco Polo” Jan Huygen van Linschotten, der seinen Spitznamen erhielt, weil er faszinierend über die neu entdeckten Länder schreiben konnte.

Aber die Niederländer kamen auf die Insel Mauritius im Dienst der Ostindien-Handelsgesellschaft, einer Aktiengesellschaft (eine der ersten ihrer Art weltweit, da die Niederländer die Kraft von diversifiziertem Kapital erkannten). Die Holländer hatten also keine Absicht, die Länder, die sie besuchten, zu kolonisieren. Sie waren zu dieser Zeit eigentlich noch kein eigenständiger Staat, sondern bis 1648 lediglich rebellische Provinzen des spanischen Königreichs, und sie hatten wirklich nicht die geringste Lust, irgendwo eine spanische Flagge zu hissen. Aber die East India Company, für die die Holländer arbeiteten, war ein Handelsunternehmen, dessen Erfolg im Handel mit den Ureinwohnern lag. Wie sollten sie jedoch mit Ureinwohnern auf einer unbewohnten Insel handeln, auf der es keinen einzigen Vertreter dieser Art gab? Die Holländer fällten also wertvolles Ebenholzholz im Dschungel, verzehrten den armen Dodo, der sich vor ihnen nicht verstecken konnte, und segelten wieder ab.

Zwischen 1715 und 1723 wurde die Insel von den Franzosen besetzt, die im Gegensatz zu den Niederländern sehr gerne neu entdeckte Länder kolonisierten. Sie nannten die Insel wenig einfallsreich “L’ile de France” oder “Die Französische Insel”. Eine nahe gelegene Schwesterinsel, 170 Kilometer entfernt, nannten sie “L’ile de Bourbon”, also „Die Bourboninsel“.

L´ille de Bourbon (Reunion) links, L´ille de France (Mauritius)rechts

Dem setzten sie 1793 ein Ende, als sie dem König aus der Bourbon Dynastie – Ludwig XVI.  – den Kopf abschlugen. Unter den gegebenen Umständen passte der Name der Insel nicht mehr, und so benannten sie ihn im März 1793 in “La Reunion” um, welchen Namen sie bis heute trägt. Die Franzosen kannten also damals genauso wenig Mangel an Nationalismus wie heute. Der einzige ordentliche Hafen auf der Insel “L’ile de France” in einer tiefen Bucht erhielt den Namen „Port Louis“ nach dem damaligen König Ludwig XV., aber die Franzosen nannten ihn selbst „Port Nord Ouest“, also „Nordwesthafen“. Wahrscheinlich wollten sie den König nicht durch ein Kaff mit wenigen Hütten beleidigen, das seinen Namen tragen sollten. Die Franzosen erkannten jedoch, dass die Insel sich gut zum Anbau von Zuckerrohr eignete, und mit den Händen von Sklaven, die aus dem nahegelegenen Madagaskar gebracht wurden, machten sie sich an die Arbeit. Sie taten dies mit echtem französischem Charme und damit verbundenen typischen Sinn für Chaos.

L ´ille der France

Am 4. Juni 1735 landete der neue Gouverneur Bernard Francois Mahé de La Bourdonnais auf der Insel. Er fand die Insel im Chaos und in Anarchie vor und beschloss, etwas dagegen zu unternehmen. Er regierte mit eiserner Hand, schaffte Ordnung, baute Hafendocks und Lager, begann mit dem Bau von Straßen und weiterer Infrastruktur und überzeugte sogar die französischen Plantagenbesitzer davon, dass Ordnung eine gute und vorteilhafte Sache ist. Als Belohnung steht seine Statue in „Port Luis“ gleich am Hafen auf der Hauptstraße.

Im Jahr 1742 schickte er die ersten Siedler auf die damals unbewohnten Seychellen, weshalb die Hauptinsel der Seychellen nach ihm den Namen Mahé erhielt.

Der Wohlstand der Insel begann jedoch die Engländer zu provozieren. Sie betrachteten es als ungerecht, dass die Franzosen auf halbem Weg von Afrika nach Indien gleich zwei Inseln besaßen und sie keine einzige. Nach langem Rangeln nutzten sie die Zeit der napoleonischen Kriege für einen entscheidenden Angriff. Diese Kriege wurden nicht nur auf dem Festland im Europa, sondern auch auf dem Meer geführt, und dort, im Gegensatz zum Festland, zog Napoleon besonders nach der Schlacht von Trafalgar im Jahr 1805, bei der er fast seine gesamte Flotte verlor, den Kürzeren. Im November 1810 erschien eine britische Flotte vor Port Louis und begann, die Stadt zu belagern. Beide Seiten hatten ein wenig Schwierigkeiten, sich zu motivieren, um zu erklären, warum sie sich eigentlich am anderen Ende der Welt bekämpfen sollten. Es gibt eine überlieferte gereizte Konversation zwischen zwei Schiffskapitänen, bei der der englische Kapitän den Franzosen vorwarf: “Ihr Franzosen kämpft nur fürs Geld, wir Briten kämpfen für die Ehre.” Darauf antwortete der Franzose: “Richtig, wir kämpfen beide um das, was uns am meisten fehlt.”

Schließlich stellte sich heraus, dass die Motivation der Briten doch größer war, und am 3. Dezember 1810 kapitulierte die französische Garnison. Im Friedensvertrag versprachen die siegreichen Briten der lokalen Bevölkerung, dass sie ihre Sprache, Bräuche, Religion, Gesetze und Besitztümer behalten könnten. Er versprach auch, dass kein Franzose eingesperrt und die französischen Soldaten ein freier Abzug gewährleistet werde. Die lokale Bevölkerung akzeptierte dies dankbar und spricht noch heute Französisch. Neben hinduistischen Tempeln und Moscheen gibt es auch katholische Kirchen wie die Kirche St. Louis in Port Louis. Im Jahr 1814 wurde die Insel nach Napoleons Niederlage endgültig dem Vereinigten Königreich übergeben. Die Briten konnten es jedoch nicht akzeptieren, dass die Insel weiterhin “Französische Insel” hieß, und so erinnerten sie sich an die längst vergessene holländische Bezeichnung der Insel, und sie erhielt den heutigen Namen Mauritius. Sowohl die lokalen Kreolen als auch die Franzosen haben im Laufe der Zeit gelernt, ihre Insel „L´ille de Maurice“ zu nennen.

Die lokale Bevölkerung hat sich mit den neuen Herren arrangiert, vor allem, weil sie nicht in ihre Angelegenheiten eingriffen. Den Briten ging es tatsächlich hauptsächlich um den Hafen, den sie entsprechend ausgebaut haben. Die Bewohner sprechen daher auch heute noch untereinander Französisch (oder Kreolisch, einen französischen Dialekt, das allerdings nur unter Freunden verwendet wird; sonst kommuniziert man unter sich auf Französisch), nur offizielle Schilder ab Behördenhäusern oder Verkehrsschilder sind in Englisch geschrieben. Die Einheimischen sind jedoch bereit, in dieser Sprache mit Touristen zu kommunizieren. Geschäft ist Geschäft, und außerdem handelt es sich um die Amtssprache, in der auch der Schulunterricht geführt wird. Außergewöhnlich begabte Kinder haben auch die Möglichkeit, an Universitäten im Vereinigten Königreich zu studieren, wobei die Kosten vom Staat Mauritius übernommen werden.

Die Briten waren zufrieden, dass die Insel ihnen gehörte und ihre Schiffe sicher im Hafen anlegen konnten, um neue Vorräte für weitere Fahrt nach Indien oder Südafrika aufzuladen und Zucker und Obst zu kaufen, was der Insel einen außergewöhnlichen Wohlstand brachte. Die Briten verfassten ihre Verordnungen und Gesetze in Englisch, das niemand verstand oder verstehen wollte, und daher ignorierten die Einheimischen mit gutem Gewissen diese Gesetze, und so waren alle zufrieden und lebten in seliger Symbiose.

Die einzigen, die dafür bezahlten, waren die ehemaligen Sklaven. In unruhigen kriegerischen Zeiten gelang es ihnen, von den Plantagen zu fliehen, wo sie unmenschlicher Arbeit ausgesetzt waren, und sie versteckten sich in der Gegend des Berges Le Morne Brabant im Süden der Insel.

Le Morne Brabant

Als die Briten die Sklaverei abschafften (im Jahr 1807 verboten sie den Sklavenhandel im gesamten Imperium und im Jahr 1833 dann auch den Besitz von Sklaven in den Kolonien), fiel ihnen nichts Besseres ein, als Soldaten zu schicken, um diese erfreuliche Botschaft den geflohenen Sklaven mitzuteilen. Aber als die Sklaven bewaffnete Soldaten sahen, die ihnen etwas in einer Sprache zuriefen, die niemand verstand, kamen sie zu dem Schluss, dass sie entdeckt wurden und dass sie zurück auf die Plantagen gebracht werden würden. In Panik begingen sie Massenselbstmord, indem sie von den Hängen des Berges sprangen. Heute erinnert ein Denkmal an dieses Ereignis.

Die Abschaffung der Sklaverei brachte den lokalen Plantagenbesitzern jedoch erhebliche Probleme, da niemand da war, um das Zuckerrohr zu ernten. Sie baten daher ihre britischen Herren, etwas dagegen zu unternehmen. Diese beschlossen, in Indien, das sie bereits beherrschten, neue Arbeitskräfte zu finden. Die Inder konnten einen Arbeitsvertrag für fünf bis zehn Jahre unterschreiben. Das geschah noch bei ihnen zu Hause, wo sie keine Ahnung über die Folgen ihrer Unterschrift haben konnten. Danach wurden sie nach Mauritius gebracht. Zwei Tage mussten sie in einem Aufnahmelager im Hafen verbringen – heute ist aus diesem Gebäude das „Appravasi Ghat Museum“ geworden. Die Kapazität des Zentrums betrug zwar 600 Personen, aber oft waren dort zugleich mehr als tausend Menschen.

Es war eine Art der Quarantäne. Dort wurden ihre Papiere bearbeitet, und sie konnten danach zur Arbeit auf die Plantagen gebracht werden. Es war ein Experiment, das die britische Regierung im Jahr 1834 im gesamten Empire gestartet hatte, und Mauritius sollte der Testballon sein. Das Experiment gelang, und die Briten rekrutierten danach in Indien Arbeitskräfte praktisch für das gesamte Imperium. Die Plantagenbesitzer waren jedoch nicht daran gewöhnt, ihren Arbeitern Gehälter zu zahlen, und taten dies nur widerwillig und mit Verzögerung, wenn überhaupt. Daher führten die Briten bereits 1842 das Amt des Bevollmächtigten für Einwanderer, den “Protector of Immigrants”, ein. Es war kein leichter Job. In den Jahren 1860–1885 musste dieses Amt 110 940 Beschwerden bearbeiten, von denen etwa 80,000 als berechtigt anerkannt wurden. Es handelte sich größtenteils um nicht gezahlte Löhne. Zwischen 1834 und 1920 kamen so 450,000 Inder auf die Insel, heute machen Menschen indischer Herkunft 62 Prozent der 1,3 Millionen Einwohner der Insel aus. Einige von ihnen sind Muslime, aber wie mir ein Taxifahrer erklärte, handelt es sich um Muslime aus dem heutigen Pakistan (damals ein Teil des britischen Kaiserreichs Indien). Sie haben kein Problem damit, mit ihren hinduistischen Nachbarn Rum zu trinken, (die gegenseitigen Animositäten zwischen diesen zwei Volksgruppen in der alten Heimat haben sich nach Mauritius offensichtlich nicht übertragen) obwohl dies der Prophet einst verboten hat, und sie haben daher keine sündigen Gedanken an Terrorismus oder sogar Selbstmordanschläge. Das bringt mich auf die Gefährlichkeit der Abstinenz – nicht nur die Selbstmordterrorristen aber auch zum Beispiel Hitler waren Abstinenten. Das droht auf Mauritius nicht. Der Rum ist auf der Insel nämlich ein Nationalgetränk, und kein Fest kommt ohne ihn aus. Die Einheimischen trinken jedoch weißen Rum mit verschiedenen Zusätzen, während der goldene Rum für Touristen und den Export bestimmt ist. Er schmeckt hervorragend. Muslime aus arabischen Ländern, die den Rum natürlich verachten würden, bilden auf der Insel nur eine vernachlässigbare Minderheit.

Der Wohlstand der Insel endete abrupt im Jahr 1869. Die Insulaner konnten nichts dafür, aber in diesem Jahr wurde der Suezkanal eröffnet, und der Weg nach Indien verkürzte sich dadurch für britische Schiffe entscheidend. Aus einem wichtigen Stützpunkt im Indischen Ozean wurde die Insel zu einem uninteressanten Ort am Ende der Welt an der Grenze der Wahrnehmbarkeit.

Der einzige Glücksfall war, dass am 21. September 1847 der örtliche Postmeister James Stuart Brownrigg die Anordnung zur Herstellung von zwei Briefmarken erließ. Eine Einpennyrote für den Postverkehr in Port Louis und Umgebung und eine Zweipennyblaue für die gesamte Insel. Die Marken wurden von Joseph Osmond Barnard graviert, der leider (und für Philatelisten zum Glück) vergesslich und schwerhörig war und daher anstelle des üblichen “post paid” den Text “post office” auf die Marken gravierte. Weil die Frau des Gouverneurs, Lady Gomm, Einladungen zu einem Ball verschicken wollte, der am 30. September stattfinden sollte, gab es keine Zeit mehr, den Fehler zu korrigieren. So wurden die Einladungen mit diesem weltberühmtesten Druckfehler verschickt. Da es schade war, die Marken wegzuwerfen, wurden alle 500 Marken beider Serien verbraucht. So entstand auch der legendäre “Brief nach Bordeaux”, auf dem beide Marken nebeneinanderstehen und zu einer der größten philatelistischen Kuriositäten aller Zeiten wurden. Dank dieser beiden Marken kennt die vergessene Insel im Indischen Ozean die ganze Welt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wuchs in allen Teilen des britischen Empires die Unabhängigkeitsbewegung der einzelnen Kolonien. Mauritius war in dieser Bewegung nicht besonders aktiv. Ehrlich gesagt konnten sich die lokalen Politiker eine eigenständige Existenz ohne politische und wirtschaftliche Unterstützung Londons nicht vorstellen. An der Spitze der Labour Party, der stärksten politischen Partei auf Mauritius, stand der in England ausgebildete Arzt indischer Herkunft, Seewoosagur Ramgoolam.

Man nennt ihn auch – wenn auch ein wenig passend – den mauritischen Gandhi. Im Gegensatz zu seinem Vorbild engagierte er sich zusammen mit seinen politischen Freunden für den Verbleib der Insel im „Britisch Empire“, und auch seine Ernennung zum Ritter durch Königin Elisabeth II. im Jahr 1965 änderte nichts daran. Aber die Briten hatten bereits genug von verlustreichen Kolonien, und so beschlossen sie 1968, sich von allen außer strategisch notwendigen Kolonien wie zum Beispiel Hongkong zu trennen. (Etwas auf die Art wie die Kinder aus dem bequemen „Hotel Mama“ zu jagen). Sir Seewoosagur Ramgoolam wurde also – ob er wollte oder nicht – zum nationalen Helden und zum Vater der Nation. Und er blieb es auch nach seinem Tod im Jahr 1985. Auf der Insel gibt es viele Orte, die nach ihm benannt sind, zum Beispiel der internationale Flughafen im Südosten der Insel, das Krankenhaus im Nordwesten oder der botanische Garten in Pamplemousses. Überall, wo die Abkürzung SSR im Namen vorkommt, sucht man nach Sir Seewoosagur Ramgoolam.

Die Briten gingen, und es blieb von ihnen nicht viel übrig. Nicht einmal Rugby, sonst der Nationalsport echter Männer in allen Ländern des Commonwealth, setzte sich hier durch. Es wird Fußball gespielt. Die überwältigende Mehrheit der Touristen sind Franzosen, die Briten bilden hier eine vernachlässigbare Minderheit – es gibt hier wahrscheinlich sogar mehr Tschechen oder Slowaken als Briten. (Von Deutschen oder Österreichern überhaupt zu schweigen) Vielleicht kann man das Teetrinken als englische Tradition bezeichnen (Kaffee wird hier wenig getrunken und nur an einem Ort im Süden der Insel auf einer Plantage im Ort namens Chamarel angebaut, der allerdings vor allem durch seinen Rum bekannt ist). Das markanteste Erbe der britischen Herrschaft ist der Linksverkehr. Autos tauchten nämlich genau zu der Zeit auf, als hier die Briten herrschten. Kurz nach der Unabhängigkeitserklärung begann der Tourismus zu blühen, und die Briten vergaßen ihre ehemaligen Untertanen nicht – in unserem Hotel La Pirogue gibt es eine königliche Suite (Royal Suits), die im Jahr 1994, also zwei Jahre nach der Ausrufung der Republik durch die Bewohner der Insel, feierlich vom Gatten der abgesetzten Quen, Prinz Philip und seinem Sohn Edward eröffnet wurde. Nachdem die Europäische Union aufhörte, die Zuckererzeugung aus dem Zuckerrohr (für viele europäischen Zuckerfabriken zu spät) zu subventionieren, gingen auf der Insel die meisten Zuckerfabriken von den ehemaligen dreißig Firmen bankrott, lediglich noch vier sind in Betrieb. Aber Zuckerrohr bleibt weiterhin das Hauptlandwirtschaftsprodukt, und die Mauritier haben sich auf die Herstellung von Rum umgestellt, der hier das Hauptgetränk ist. Echter Rum muss nämlich aus Zuckerrohr hergestellt werden, und deshalb musste zum Beispiel der tschechische Rum, der aus Zuckerrüben hergestellt wurde, in „Tuzemák“ umbenannt werden, was alle tschechischen Konsumenten dieses beliebten Getränkes sehr schmerzte und ihr Misstrauen gegenüber der weltweiten Globalisierung und EU wachsen ließ. So viel also kurz zu der Geschichte der Insel Mauritius. Nächste Woche werde ich versuchen zu beschreiben, was hier alles zu sehen ist. Der Dodo tritt hier nur als Souvenir auf, er ist aber überall präsent. Der echte hat die Zerstörung seines Paradieses jedoch nicht überlebt.

Aber… Joanne Kathleen Rowling, die Autorin von Harry Potter, schreibt in ihrem Buch “Phantastische Tierwesen”, dass der Dodo, den sie jedoch Didicawl nennt, magische Fähigkeiten entwickelt hätte, um zu verschwinden und an einem anderen Ort wieder aufzutauchen, was es ihm das Überleben ermöglicht hat. Allerdings hat die Internationale Zauberergemeinschaft diese Tatsache den Muggeln, also uns Nicht-Zauberern, nicht mitgeteilt, um uns im Glauben zu halten, dass der Dodo ausgestorben ist und damit wir uns gegenüber anderen gefährdeten Arten rücksichtsvoller verhalten als gegenüber diesem sympathischen ungeschickten Vogel, der neben Rum und der zweipennyblauen Briefmarke zum Symbol der Insel Mauritius geworden ist.

Also, wer weiß…?

Dodo

Wem gehört das Palästina II

Nach dem Ersten Weltkrieg verstärkte sich der Zustrom jüdischer Siedler nach Israel deutlich. Die einzelnen Phasen der Einwanderung werden Alijah genannt, da sie ihre eigenen Besonderheiten hatten. Die sogenannte vierte Alijah brachte in den Jahren 1924–1931 80.000 Einwanderer aus Russland und Polen nach Palästina.

Die eigentliche Welle war jedoch die fünfte Alijah in den Jahren 1932–1938, als etwa 200.000 jüdische Flüchtlinge aus Österreich und Deutschland in Palästina Zuflucht vor dem nationalsozialistischen Regime suchten. Sie hatten nicht viele Alternativen, da die USA in diesen Jahren Einwanderungsquoten einschränkten und europäische Länder sich hartnäckig gegen Flüchtlinge aus Deutschland wehrten. Diese Einwanderungswelle jedoch erregte den Unmut der örtlichen Araber und beunruhigte die britischen Verwaltungsbehörden, da die Situation außer Kontrolle zu geraten drohte. Daher erließen die Briten am 17. Mai 1939 das sogenannte “Weiße Buch”, das die jüdische Einwanderung und die Möglichkeit der Grundstücksverkäufe an jüdische Siedler einschränkte. Im Grunde genommen verschlossen sie damit die Türen allen Juden, die vor der nationalsozialistischen “Endlösung” fliehen wollten.

Dennoch setzte die Einwanderung nach Palästina in den Jahren 1939–1947 illegal fort. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs blieben Hunderttausende Juden in Europa, die den Holocaust überlebt hatten, aber niemand wollte sie. Wenn ihre Häuser und Wohnungen nicht den Bombardierungen zum Opfer gefallen waren, wurden sie beschlagnahmt, hatten neue Besitzer, die nicht bereit waren auszuziehen – übrigens hatten sie meistens auch keine Alternativen, wo sie wohnen konnten. Bei den überlebenden Juden handelte es sich meist um junge Menschen, die die Hölle der Konzentrationslager überlebt hatten und daher nicht gerade zimperlich waren. Sie waren bereit, sich ihr neues Schicksal zu erkämpfen. Die Briten, die ein Desaster ahnten, versuchten verzweifelt, dieser neuen Einwanderungswelle Einhalt zu gebieten – sie richteten Konzentrationslager auf Zypern ein, um die Flüchtlinge festzuhalten. Die palästinensischen Araber drohten bereits offen mit Gewalt, wenn diese neuen Einwanderer in Palästina ankommen sollten.

            In Palästina wuchs währenddessen die Spannung zwischen den jüdischen Siedlern und der britischen Verwaltung. Die Juden bildeten militante Gruppen wie Lechi und Irgun, deren Ziel die einseitige Ausrufung eines jüdischen Staates war. Die Briten waren sich der Explosivität der Situation bewusst, griffen jedoch nicht allzu glücklich ein. Am “Schwarzen Samstag”, auch “Schwarzer Sabbat” genannt, am 29. Juni 1946 verhafteten die Briten über 2700 Personen und konfiszierten eine Vielzahl von Waffen. In einem einzigen Kibbuz namens Jagur fanden sie 300 Gewehre, 100 Mörser und 400.000 Patronen. Jüdische Widerstandskämpfer antworteten am 22. Juli mit einem Bombenanschlag auf das Hotel King David in Jerusalem, dem Sitz der britischen Verwaltung.

Bei dem Angriff kamen 92 Menschen ums Leben, darunter 28 Briten. Die britische Verwaltung erkannte definitiv, dass sie die Situation nicht unter Kontrolle hatte und auch nicht haben würde. Außerdem fühlten sich die Briten als Schutzmacht für die jüdischen Siedler und versuchten, die Spannungen zwischen ihnen und den lokalen Arabern zu mildern. Die Briten waren jedoch zutiefst beleidigt von der jüdischen “Undankbarkeit” und beschlossen, die Juden ihrem Schicksal zu überlassen.

Anfang des Jahres 1947 wussten die Briten endgültig nicht weiter und übergaben das palästinensische Problem der Organisation der Vereinten Nationen. Zu dieser Zeit lebten etwa 600.000 Juden und 1.200.000 Araber in Palästina.

Jüdische Siedlungen im Palästina um das Jahr 1947

Gemäß der Resolution 181 der UN sollte Palästina in zwei Teile aufgeteilt werden, in einen palästinensischen und einen jüdischen Teil. Die Juden erhielten zwar die Mehrheit des Territoriums, nämlich 56,47%, aber der Schein trügt, da zu diesem Gebiet auch die Negev-Wüste gehörte, die damals unbewohnbar war. Im Wesentlichen sollte der israelische Staat in drei mehr oder weniger getrennten Enklaven liegen, die nur durch schmale Korridore miteinander verbunden waren. Der größte Teil des bewohnbaren Landes wurde den Palästinensern zugesprochen. Jerusalem sollte unter internationaler Verwaltung stehen, also keinem der zwei Staaten gehören.

Die Resolution wurde am 29. November 1947 verabschiedet, bei der Abstimmung stimmten 33 Staaten, einschließlich der USA, der Sowjetunion, Frankreich und auch Tschechoslowakei für diese Lösung mit zwei Staaten. Dreizehn Länder sprachen sich dagegen aus, und ein warnendes Zeichen war die Tatsache, dass alle arabischen Staaten ohne Ausnahme dagegen stimmten. Zehn Länder enthielten sich der Stimme, darunter neben China auch Großbritannien. Die Resolution sah vor, dass das britische Mandat spätestens am 1. August 1948 enden sollte, und souveräne jüdische und palästinensische Staaten sollten zwei Monate später, also am 1. Oktober 1948, ausgerufen werden.

Die Dinge nahmen jedoch ihren eigenen Lauf. Die Briten verließen Palästina bereits im Frühjahr 1948, durchsuchten noch vor ihrer Abreise jüdische Häuser und Kibbuzim und beschlagnahmten Waffen, obwohl sie wussten, was die Juden in der arabischen Umzingelung erwartete. Aber die Beleidigung schien offensichtlich zu groß zu sein. Die Israelis waren nicht bereit bis Oktober zu warten und erklärten bereits am 14. Mai 1948 einen unabhängigen souveränen Staat Israel auf dem von den UNO zugeteilten Gebiet. Am nächsten Tag griffen Armeen aller umliegenden arabischen Staaten den neuen Staat an, mit dem Ziel, die Juden zu massakrieren oder ins Meer zu treiben und Palästina vollständig von ihnen zu säubern. Die arabischen Einheiten wurden hauptsächlich von geflohenen Kommandeuren der deutschen Armee aus dem Zweiten Weltkrieg befehligt. Aber auch sie konnten die Kampfmoral ihrer Einheiten nicht genug steigern, um die entschlossenen Juden zu besiegen. Der Krieg endete mit einer katastrophalen Niederlage der arabischen Armeen, und die Israelis besetzten große Teile des ursprünglich den Palästinensern zugewiesenen Gebiets. 750.000 Palästinenser (also die Mehrheit der 1 200 000 im Palästina lebenden Arabern) flohen in die umliegenden Länder, wo die örtlichen Regierungen sie jedoch nie in die Gesellschaft integrierten und sie jahrzehntelang in Flüchtlingslagern vegetieren ließen.

In 1967, Israel occupied the remaining 22% of historic Palestine: the West Bank and Gaza (as well as large sections of Syria and Egypt). Since then Israel has transferred many of its citizens to Jewish settlements, (colonies, which are illegal according to the fourth Geneva Convention). Today 40% of the West Bank is off-limits to Palestinians, as they are not allowed to live in Israeli settlements, drive on Israeli-only roads connecting these settlements, or even live or travel through security zones, surrounding the settlements. ANSA/PASSIA ++ NO SALES, EDITORIAL USE ONLY ++

            In den Jahren 1948–1951 zogen unter dem Eindruck dieses triumphalen Sieges 690.000 neue jüdische Einwohner aus arabischen Ländern, Polen und Rumänien nach Israel, wodurch sich die Zahl der Juden in Palästina verdoppelte. Israel bekannte sich von Anfang an zur Tradition westlicher Demokratie, es gab allerdings Probleme mit der Einführung einer offiziellen Sprache. Die am häufigsten verwendete Sprache war Deutsch, und es wurde erwogen, es als Amtssprache einzuführen. Aufgrund der möglichen Diskriminierung anderer Gruppen wurde jedoch entschieden, das längst vergessene Hebräisch als Amtssprache einzuführen. Also die Sprache der Bibel, die jedoch sogar zu Christi Zeiten in Palästina nicht mehr gesprochen wurde (Christus selbst sprach Aramäisch). Es war eine heldenhafte Tat, dass sich die neuen Bewohner das Hebräisch aneigneten und es bis heute sprechen.

            Am 25. Januar 1949 fanden die ersten Wahlen zum israelischen Parlament (Knesset) statt. Der erste Premierminister wurde Ben Gurion und der Präsident Chaim Weizmann, der Mitverfasser der Balfour-Deklaration von 1917. Am 23. Januar 1950 wurde West-Jerusalem zur Hauptstadt des neuen Staates erklärt, was eine klare Provokation war und der Resolution 181 widersprach, die für Jerusalem einen neutralen Status unter internationaler Kontrolle vorsah. In den Jahren 1955–1957 zogen weitere 100.000 Juden aus den Ländern Nordafrikas nach Israel, aus denen sie von der arabischen Bevölkerung vertrieben worden waren.

            Die Araber haben sich nie mit ihrer beschämenden Niederlage von 1948 abgefunden. Die Beziehungen zum neuen Nachbarn waren von Provokationen und Konflikten geprägt, die mehrmals in verheerende Kriege mündeten.                   


            Das erste Mal geschah dies im Jahr 1956, als Israel mit Unterstützung von Großbritannien und Frankreich aktiv an den Kämpfen um den Suezkanal teilnahm. Dieser war vom ägyptischen Präsidenten Nasser verstaatlicht worden, und die Fahrt von israelischen Schiffen wurde verboten. Die israelischen Streitkräfte erreichten erstmals den Suezkanal, zogen sich jedoch nach einer Resolution der Vereinten Nationen, die diesen Angriff verurteilte, auf ihr Gebiet zurück.

Am 5. Juni 1967 griff Israel die Flughäfen der umliegenden arabischen Staaten an, die große Kampfverbände an die israelische Grenze verlegten und mit einem weiteren Krieg drohten. Innerhalb von sechs Tagen gelang es Israel, die Armeen von Ägypten, Syrien und Jordanien zu besiegen und Ost-Jerusalem, palästinensisches Gebiet am Westufer des Jordan und die syrischen Golanhöhen zu besetzen.

            Im November 1967 forderte die UNO Israel auf, sich auf die Demarkationslinie vor dem 5. Juni 1967 zurückzuziehen, was de facto die territoriale Besetzung von 1948 legalisierte und offiziell die bis heute bestehenden Staatsgrenzen festlegte.

Ein weiterer Krieg, der sogenannte “Jom-Kippur-Krieg”, weil er am Tag des größten jüdischen Feiertages, dem Jom Kippur, am 6. Oktober 1973 begann, war der brutalste aller Konflikte. Israel war nicht auf einen Angriff vorbereitet und die Technik sowie auch die Munition gingen schnell zur Neige. Premierministerin Golda Meir (geboren in Kyïv in heutiger Ukraine) soll sogar die Möglichkeit des Einsatzes von Atomwaffen in Betracht gezogen haben, obwohl Israel offiziell keine besaß. Erst eine Woche nach Kriegsbeginn begannen die USA, militärisches Material nach Israel zu liefern, und dann gelang ein Gegenangriff, bei dem Israel alle angreifenden Armeen zurückdrängte und die Sinai-Halbinsel bis zum Suezkanal besetzte. Der Krieg dauerte diesmal drei Wochen, Israel verlor 3000 Soldaten, auf der anderen Seite kamen Zehntausende Ägypter und Syrer ums Leben. Am Ende des Krieges standen israelische Truppen 100 Kilometer von Kairo und 65 Kilometer von Damaskus entfernt.

Seit diesem Krieg verstärkte Israel seine Bemühungen, mit seinen Nachbarn Friedensverträge abzuschließen. Dies gelang nach und nach. Im Jahr 1979 wurde unter der Schirmherrschaft der USA ein Friedensvertrag mit Ägypten unterzeichnet (was dem ägyptischen Präsidenten Anwar Sadat das Leben kostete, er wurde von islamischen Fanatikern ermordet), am 26. Oktober 1994 unterzeichnete auch der jordanische König Hussein einen Frieden. Im Jahr 1982 kam es zu einem weiteren Krieg im Libanon. Die Palästinensische Befreiungsorganisation hatte in Beirut ihr Hauptquartier und versuchte von dort aus Israel anzugreifen – am 3. Juni drang Israel in den Libanon ein und am 11. Juni eroberte es Beirut – Yassir Arafat und seinen Männern wurde erlaubt, nach Tunesien zu fliehen, während libanesische christliche Milizen unter dem tatenlosen Zuschauen israelischer Soldaten in den Flüchtlingslagern Sahra und Shatilla 1000–3000 Palästinenser massakrierten. Dieser Krieg führte zur Gründung der schiitischen Milizen Hisbollah im Libanon, die seitdem das Land kontrollieren und für Israel eine dauerhafte Bedrohung darstellen, insbesondere weil sie mit dem Iran verbunden sind, der sogar die Zerstörung des Staates Israel in seiner Verfassung verankert hat.

            Verhandlungen mit den Palästinensern über eine neue Aufteilung des Gebiets liefen praktisch dauerhaft. Je länger sie aber dauern, desto schlechter wird die Situation für die Palästinenser – sie sind es jedoch, die Friedenspläne hartnäckig ablehnen.

            Im Jahr 1993 einigten sich schließlich Yassir Arafat und Premierminister Yitzhak Rabin auf die Einrichtung einer palästinensischen Selbstverwaltung als ersten Schritt zur Gründung eines unabhängigen palästinensischen Staates. Dieser Schritt bedeutete das Ende der ersten Intifada, des palästinensischen Widerstandkampfes, der bereits seit 1987 dauerte. Beide Staatsmänner erhielten 1994 dafür überraschend den Friedensnobelpreis. Es war jedoch Rabin, der sein Entgegenkommen gegenüber den Palästinensern mit dem Leben bezahlte – am 4. November 1995 wurde er in Tel Aviv von einem radikalen israelischen Siedler erschossen.


            Das Problem bei der Beendigung des Konflikts und der Suche nach einem Modus Vivendi stellen jedoch immer mehr israelische Siedlungen im Westjordanland dar, die eindeutig gegen internationales Recht verstoßen. Selbst die Mauer, die Israel zum Schutz vor terroristischen Angriffen auf der Grenze zu palästinensischem Gebiet errichtet hat, wäre akzeptabel, wenn sie nicht größtenteils auf palästinensischem Gebiet gebaut worden wäre.

Radikale auf beiden Seiten benötigen einander gegenseitig, und der Frieden rückt einmal näher, einmal entfernt er sich wieder.

            Der Friedensplan von Ehud Olmert aus dem Jahr 2008, der einen Gebietstausch (etwa 5,8 Prozent des Westjordanlandes auf dem israelischen Gebiet gegen jüdische Siedlungen in der Umgebung von Jerusalem vorsah), die Teil Israels werden sollten, wurde vom palästinensischen Führer Mahmud Abbas sofort abgelehnt. Eine weitere Chance war damit vereitelt.

Olmert-Plan

            Ein großes Problem entstand auch im Jahr 1987, als die erste Intifada begann – nämlich die radikale Hamas-Bewegung, die sich vom Muslimbruderschaft abgespalten hatte und deren erklärtes Ziel die Zerstörung Israels ist. Die Hamas hat jegliche Friedensverhandlungen vereitelt. Sie begrüßte die terroristischen Angriffe in New York am 11. September 2001 und als im Jahr darauf Friedensgespräche zwischen Israelis und Palästinensern von der Fatah-Bewegung (gemäßigter Teil der Palästinensischen Befreiungsorganisation) begannen, vereitelte die Hamas diese Verhandlungen durch Eskalation terroristischer Angriffe. Die Hamas gewann 2006 die einzigen Wahlen im palästinensischen Gebiet im Gazastreifen (im Westjordanland gewann die Fatah), und im Jahr 2007 entledigte sie sich durch einen blutigen Putsch der Fatah im Gazastreifen. Am 12. Juni 2007 ermordete die Hamas die politische Führung der Fatah im Gazastreifen und übernahm die vollständige Kontrolle über das Gebiet. Der internationale Plan, den Gazastreifen zu einem Hauptseehafen im Nahen Osten zu machen, etwas ähnlich wie Singapur, was Wohlstand für dieses Gebiet bedeuten würde, stieß auf den Widerstand der Hamas. Für ihren Plan benötigt diese Bewegung eine verarmte und daher radikalisierte Bevölkerung, die bereit ist, Opfer zu bringen, weil sie nichts zu verlieren hat.

            Leider kam es in der Zwischenzeit auch auf israelischer Seite zu Radikalisierung. Aufgrund fundamentalistischer Siedler hat sich die politische Szene Israels deutlich nach rechts verschoben. Wenn das moderne Israel als ein linkes (fast kommunistisches) Experiment begann, ist das heutige demokratische System viel mehr von rechts bedroht – der Staat wird faschistisch. Nach Jahren gemäßigter Regierungen, die nach Kompromissen mit den Palästinensern suchten, kam die rechte Partei von Benjamin Netanjahu an die Macht. Er verstrickte sich in Korruptionsskandale, und als ihm Gefängnis drohte, war er bereit, eine Regierung auch mit den schlimmsten israelischen Radikalen zu bilden – ein Minister seiner Regierung, Amichai Elijahu von der Jewish Power Party, schlug vor, den Gazastreifen mit einem Atomangriff zu zerstören. Der Bau weiterer und weiterer Siedlungen im Westjordanland sowie Angriffe auf die dortige palästinensische Bevölkerung erreichten bisher ungekannte Intensität.

            Und dann kam der 7. Oktober 2023 und der bestialische Angriff der Hamas auf Israel, der zu einem weiteren blutigen Krieg führte.

            Der Frieden ist so weit entfernt wie noch nie zuvor. Und solange Menschen an der Macht sind, die keinen Frieden wollen, sondern im Gegenteil von Kriegen profitieren – sei es politisch oder wirtschaftlich – wird er sich nicht nähern.

            Palästina gehört den Menschen, die dort leben, egal wann sie gekommen sind oder auf welche Vorfahren sie sich berufen. Sie müssten sich nur an den Verhandlungstisch setzen und bereit sein, sinnvolle Kompromisse einzugehen. Aber solche Menschen gibt es derzeit nicht. Auf keiner Seite.

            Dennoch ist es hauptsächlich der arabische Hass, der den Friedensgesprächen im Wege steht. Hass, der aus Neid und dem Gefühl der Ohnmacht stammt.

Golda Meir sagte einmal: “Wenn die Araber die Waffen niederlegen, wird Frieden sein. Wenn die Israelis die Waffen niederlegen, werden sie getötet. Frieden wird herrschen, wenn die Araber ihre Kinder mehr lieben als Israel hassen werden.”

            Diese Zeit ist jedoch noch nicht gekommen und wird wahrscheinlich noch lange nicht kommen.