Der berühmteste der portugiesischen Heiligen, der Heilige Antonius, wird gleich neben der Kathedrale in seiner eigenen Kirche verehrt. Diese wurde 1757, also nach dem Erdbeben, im rein barocken Stil erbaut. Das Geburtshaus des Heiligen Antonius oder zumindest seine geringen Überreste kann man in der Krypta besichtigen. Natürlich war auch Johannes Paul II. hier (denn wie wir wissen, war er überall), ein Bild seines Besuchs aus Azulejos ist im Gang zur Krypta zu sehen.

Kirche des heiligen Antonius

Der Heilige Antonius hat in Lissabon, aber auch in ganz Portugal eine besondere Stellung. 1934 erklärte ihn Papst Pius XI. zum Patron von Portugal. Der Tag des Heiligen Antonius am 13. Juni ist alljährlich das größte Fest in Lissabon, es ist das Fest der Sardinen, die im Juni ausreichend groß und fettig sind, um gegrillt und gegessen zu werden. An diesem Tag werden sie an jeder Ecke gegrillt, und es faszinierte mich, dass die Portugiesen sie auch mit den Innereien aßen, unabhängig von deren Größe. Als wir nach Besteck fragten, bekamen wir einen überraschten Blick, aber schließlich brachte uns der Kellner doch ein Messer und eine Gabel. Am Abend findet dann das Sambafest statt, bei dem die einzelnen Stadtviertel ihre Trachten und Tänze präsentieren. Auch wenn die jungen Damen wesentlich mehr bekleidet sind als ihre Gegenstücke in Brasilien, genauer gesagt sehr züchtig verhüllt, mangelt es ihnen nicht an Temperament. Ich war Zeuge, wie eine Gruppe nach der Prozession auf der „Avenida da Liberdade“ in einen bereitstehenden Bus einstieg. Offensichtlich hatten sie vom Tanzen noch nicht genug, denn der ganze Bus schwankte von links nach rechts und zurück, sodass ich Angst hatte, er könnte umkippen.

Der Heilige Antonius wurde 1195 in Lissabon geboren und beschloss, den christlichen Glauben zu verbreiten. Zunächst wollte er dies mit dem Schwert versuchen, aber sein Gesundheitszustand machte ihm schnell einen Strich durch die Rechnung und verhinderte seine kriegerischen Abenteuer in Nordafrika. Daher entschied er sich, den Glauben durch Worte zu verteidigen, was eine gute Entscheidung war, da er ein äußerst begabter Redner war. Deshalb sind in der Kirche in Padua seine Stimmbänder als heilige Reliquie in einer Glasvitrine ausgestellt. Antonius trat 1220 dem damals neuen Franziskanerorden bei und widmete sich der Hilfe für die Armen sowie der Bekehrung von Ketzern. Sein schlechter Gesundheitszustand holte ihn jedoch ein, und er starb bereits 1231 im Alter von 36 Jahren. Aufgrund des Drucks der einfachen Leute, die dafür sogar nach Rom zogen, wurde er bereits am 30. Mai 1232 von Papst Gregor IX. heiliggesprochen. Dies war der kürzeste Heiligsprechungsprozess in der Geschichte der Kirche und sorgte für erheblichen Unmut beim konkurrierenden Dominikanerorden, da Antonius damit deren Ordensgründer Dominikus überholte, der erst 1234 heiliggesprochen wurde. Auch nach der Heiligsprechung von Dominicus hatten die Franziskaner mit 2:1 mehr Heilige, in der Fußballsprache würde man sagen, durch den Dominicus erreichten die Dominikaner nur einen Anschlusstreffer. 1946 wurde Antonius von Papst Pius XII. zum Kirchenlehrer erhoben.

Das Zentrum der Unterstadt von Lissabon bilden zwei aneinandergrenzende Plätze: die „Praça da Figueira“ mit der großen Reiterstatue von König Joao I., den der Marquês de Pombal als zentrale Markthalle errichten ließ, und die „Praça Pedro IV.“ mit der Statue dieses reformfreundlichen Königs.

Platz Rossio

Letzteren Platz nennt jedoch niemand anders als „Rossio“, nach dem Namen des zentralen Bahnhofs von Lissabon, der sich gleich daneben befindet. Daher sollte man diesen Namen verwenden, wenn man ein Taxi ins Stadtzentrum bestellen möchte, da der Fahrer Probleme haben könnte, zu wissen, wo der „Platz Pedro IV.“ zu finden ist. Die U-Bahn-Station vor dem Bahnhof heißt jedoch „Restauradores“, ebenso wie der Platz davor, der nach den Kämpfern zur Wiederherstellung der Unabhängigkeit Portugals nach sechzig Jahren spanischer Herrschaft benannt ist. Nach dem Aussterben der Dynastie Avis im Jahr 1580 wurde der spanische König Philipp II. aus dem Hause Habsburg König von Portugal. Trotz aller Versprechen degradierten die Habsburger Portugal immer mehr zu einer ihrer Provinzen, was schließlich 1640 zu einem Aufstand führte, an dessen Spitze Herzog Joao aus dem Hause Braganza (in der achten Generation ein Nachkomme Alfonsos, des unehelichen Sohnes von Joao I. aus dem Hause Avis) stand. Dahinter steckte der unglaublich geschickte Intrigant, der französische Premierminister Kardinal Richelieu, dem aufgrund des ständigen Konflikts mit den Habsburgern und Spanien jede Schwächung des Feindes gelegen kam. (Es tobte noch der Dreißigjährige Krieg, in dem die Franzosen zur Verwunderung der ganzen Welt auf der Seite der Protestanten kämpften). Joao IV. verbündete sich geschickt mit den Engländern, den traditionellen Verbündeten der Portugiesen, die jedoch für ihre Hilfe Tanger und Bombay verlangten. Joao IV. schloss ein Bündnis mit englischem König Karl I., nach dessen Niederlage im Bürgerkrieg dann mit Oliver Cromwell und schließlich auch mit Karl II., der 1662 Johanns Tochter Katharina Henrietta heiratete. 1668 gaben die Spanier schließlich auf und erkannten die portugiesische Unabhängigkeit sowie Joaos Sohn Alfons IV. als König von Portugal an.

Der Platz Rossio wird von der Statue Pedros IV. dominiert und in seinem oberen Teil steht das Stadttheater, das den Namen von Pedros Tochter Maria II. trägt. Gleich nebenan befindet sich die interessante Kirche der Dominikaner, die 1241 von Sancho II. gegründet wurde. Sie war nicht nur Ort königlicher Hochzeiten, sondern auch Sitz der Inquisition, die dort Ketzer zum Tode durch Verbrennen verurteilte.

Dominikanerkirche

Die Hinrichtungen fanden direkt vor der Kirche auf dem Rossio statt. Vor dieser Kirche steht ein Denkmal zur Erinnerung an das Judenpogrom vom 19. April 1506. Die Stadt Lissabon errichtete es zum fünfhundertsten Jahrestag des Pogroms im Jahr 2006.

Die Geschichte der portugiesischen Juden ist sehr interessant. Als König Manuel I. sich 1497 um die Hand der Tochter der spanischen katholischen Könige Isabella bemühte, war die Bedingung von Ferdinand von Aragon und Isabella von Kastilien, dass Manuel, wenn er ihre Tochter zur Frau haben wollte, wie sie in Spanien alle Juden aus seinem Land vertreiben musste. Die spanische Krone war zu verlockend, um zu widerstehen, zumal der einzige Sohn Isabellas und Ferdinands, der Thronfolger Infant Juan, 1497 starb. Manuel war jedoch nicht so dumm, sein Land nach spanischem Vorbild zu ruinieren. Er rief die Vorsteher der jüdischen Gemeinde zusammen und traf eine Vereinbarung mit ihnen. Ein Teil der Juden sollte sich zum Schein taufen lassen, wobei Manuel versprach, ein Auge zuzudrücken, wenn sie weiterhin ein traditionelles Leben führten und ihre Riten praktizierten. Damit sie nicht einzeln in die Kirchen zur Taufe gehen mussten, wo ein eifriger Priester nach Aufrichtigkeit des Wunsches nach der Taufe forschen hätte können, machte Manuel seine Juden per königliches Dekret im Jahr 1499 mit einem Schlag zu Christen und verbot ihnen, das Land zu verlassen. Diejenigen, die sich weigerten, sich taufen zu lassen, gingen nach Antwerpen, wo für sie geeignete Bedingungen geschaffen wurden, um den gesamten portugiesischen Handel mit Edelsteinen zu übernehmen – das jüdische Diamantenviertel gibt es in dieser Stadt bis heute. Der Handel lief wie am Schnürchen, und sowohl die Juden als auch König Manuel, der nicht umsonst den Beinamen “der Glückliche” trug, wurden reich. Nur mit der Verbindung zum spanischen Thron hatte der König kein Glück. Seine Frau Isabella starb 1498 bei der Geburt ihres ersten Sohnes Miguel, und der Junge starb ein Jahr später. Manuel versuchte seine Ansprüche auf den spanischen Thron durch die Heirat mit Isabellas jüngerer Schwester Maria zu retten, aber schließlich erbte die ältere Schwester Marias, Johanna (genannt die Wahnsinnige), die spanische Krone und Spanien fiel somit an die Habsburger. Übrigens war das jüngste Kind der katholischen Könige Katharina, die unglückliche erste von sechs Ehefrauen des englischen Königs Heinrich VIII. Ferdinand und Isabella hatten also genug Töchter, nur an Söhnen mangelte es ihnen kritisch.

Trotz Manuels religiöser Toleranz geschah in Lissabon am 19. April 1506 etwas Schreckliches. In der Dominikanerkirche beteten die Menschen für ein Ende der Dürre und der Pest, die das Land plagten. Einer der Betenden sah ein wunderbares Licht aus dem Kreuz in einer der Kapellen kommen, und ein neu getaufter Jude machte sich über dieses Wunder lustig. Die Folgen waren schrecklich. Der städtische Pöbel stürzte sich auf die Neugetauften, denen er ohnehin misstraute und ihren guten wirtschaftlichen Zustand beneidete. Direkt auf dem Rossio wurden Scheiterhaufen errichtet, auf die die gelynchten Neugetauften, tot oder noch lebendig, geworfen wurden. Auf äußerst brutale Weise wurden in drei Tagen etwa 2000 Menschen, Männer, Frauen und Kinder, ermordet. Die Dominikanermönche ermutigten das Volk zu ihren Gewalttaten und riefen zur “Ausrottung der bösen Rasse” auf.

Der König, der wegen der Pest außerhalb der Stadt war, befahl dem Gouverneur, den Aufstand gewaltsam zu unterdrücken. Fünfhundert Täter wurden niedergemetzelt oder hingerichtet, zwei dominikanische Mönche, die als Hauptanstifter identifiziert wurden, wurden erdrosselt und ihre Leichen verbrannt. Die Tätigkeit des Dominikanerordens wurde für mehrere Jahre in Lissabon ausgesetzt. Aber der Schaden konnte nicht mehr gutgemacht werden. Tausende Neugetauften verließen trotz königlichen Verbots das Land.

Denkmal des Pogroms aus dem Jahr 1506, errichtet 2006

Die Dominikanerkirche selbst wurde von Gottes Strafe heimgesucht. Nach Beschädigungen durch ein Erdbeben im Jahr 1531 fiel sie am ersten November 1755 dem Tsunami zum Opfer und wurde völlig zerstört. Sie wurde anschließend im barocken Stil wieder aufgebaut, aber 1959 von einem großen Brand heimgesucht. Danach wurde nur das Gewölbe wieder aufgebaut, weitere Restaurierungsarbeiten fanden nicht statt, und in der Kirche, die seit 1994 wieder in Betrieb ist, sind überall Spuren des Brandes zu sehen: von der Hitze rissige Steine, verkohlte Wände und die fehlende Dekoration der Kirche. Wenn man weiß, was in dieser Kirche geschehen ist und die Schäden als Ausdruck von Gottes Zorn versteht, läuft einem ein kalter Schauer über den Rücken.

Von Rossio führen gerade Straßen zur „Praça do Comércio“, die nach den Handwerken benannt sind, die zur Zeit des Marquês de Pombal dort ausgeübt wurden. Die Hauptstraße ist jedoch die „Rua Augusta“. Hier reihen sich Restaurants aneinander, dazwischen Bars mit Tischen mitten auf der Straße, die zu einer Erfrischung einladen. Kein Wunder, dass sich hier auch ein Souvenirgeschäft der beiden Lissaboner Fußballvereine befindet. Überraschenderweise teilen sie sich das Geschäft, von der unerbittlichen Rivalität also keine Spur. Es ist in den portugiesischen Nationalfarben Rot und Grün gehalten, da Benfica Lissabon rot und Sporting Lissabon grün trägt. Am Eingang thront natürlich die Statue des berühmtesten zeitgenössischen Portugiesen, Cristiano Ronaldo, aber diese Schwäche muss man dem Gastgeberland verzeihen.

Da Lissabon auf hohen Hügeln liegt, haben sich die Stadtbewohner nicht nur mit Straßenbahnen, die steile Hügel erklimmen können, sondern auch mit Aufzügen und Seilbahnen geholfen. Einer davon, der „Elevador da Glória“, bringt Sie zum Aussichtspunkt „Miradouro de São Pedro de Alcântara“, der bekannteste ist jedoch der „Elevador Santa Justa“. Die Metallkonstruktion erinnert nicht zufällig an die Arbeiten von Gustave Eiffel – der Aufzug wurde nämlich von seinem Schüler Raoul Mesnier du Ponsard gebaut.

Elevador Santa Justa

Der Aufzug fährt in 32 Meter Höhe zum „Largo do Carmo“, und von der oberen Station führt eine Metallbrücke für Fußgänger in die Oberstadt, von wo aus man einen großartigen Blick auf das Zentrum von Lissabon hat. Als ich 1999 dort war, gab es oben im Aufzug ein Café, in dem wir zusammen mit der Aussicht auf die Stadt einen großartigen und günstigen portugiesischen Kaffee genossen. Heute ist dort nichts mehr, der Zugang zur oberen Plattform, auf der das Café war, ist geschlossen. Es lohnt sich trotzdem, nach oben zu fahren oder zu Fuß vom Rossio dorthin zu gehen. Oben befindet sich die „Igreja do Carmo“, eine gotische Kirche, die während eines Gottesdienstes beim Erdbeben von 1755 einstürzte, Dutzende von Gläubigen unter ihren Trümmern begrub und nicht wieder aufgebaut wurde. Sie blieb als stummes Mahnmal und Erinnerung an die Ereignisse von 1755. Die Kirche ist ein Denkmal für den berühmten heiligen Feldherrn Nuno Álvares Pereira, den Sieger von Aljubarrota im Jahr 1385. Als er in den Karmeliterorden eintrat, ließ er diese Kirche bauen. Zu dieser Zeit war es die größte Kirche in Lissabon. Heute befindet sich in ihren Trümmern ein archäologisches Museum mit einer Sammlung von Sarkophagen, Statuen und archäologischen Funden aus der Römerzeit und der Zeit der Westgoten.

Igreja do Carmo

Wenn man zu Fuß nach oben geht, dann muss man auf die Gehwege in Lissabon achten. Sie bestehen aus kleinen, glattpolierten, glänzenden Pflastersteinen, die interessante Muster bilden und dem Gehweg das Aussehen verleihen, als wäre er uneben. Es stimmt zwar nicht, aber darauf zu gehen ist dennoch schwierig, besonders in Schuhen mit glatten Sohlen, da es sehr rutschig ist. Zudem geht es ständig bergauf und bergab. Ein junger Mann, den ich umarmte, um mich vor dem Sturz zu retten, war vielleicht etwas überrascht, verstand die Situation aber möglicherweise, als ich ihm mit einem portugiesischen „Obrigado“ dankte.

Die Plätze und Straßen von Lissabon sind mit Jacaranda-Bäumen bepflanzt. Diese Bäume haben violette Blüten. Wenn sie blühen, ist die ganze Stadt wunderschön violett. Normalerweise blühen sie im Juni, wenn Lissabon am schönsten ist. Wir hatten das Glück, dass die Vegetation in diesem Jahr sehr verfrüht war, und so blühten die Bäume – wenn auch noch nicht vollständig – schon im April.

Jacaranda-Baum

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