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Leipzig II

Die Universität hatte immer ihren Sitz im Augusteon am Rande des Stadtzentrums, nach dem Krieg ließen hier die Kommunisten einen neuen Campus bauen, wobei sie die Sankt Pauls Kirche, die seit der Gründung der Universität ihren zentralen Punkt und Aula darstellte (obwohl die Universität offiziell bei der Kirche des heiligen Thomas gegründet wurde), niederreisen ließen. In der Fassade der neuen Universität, die im Jahr 2004 fertiggestellt wurde, ließ der Architekt Erick van Ereraat das Motiv der Kirchenfassade wieder beleben – es wirkt sehr interessant und modern – die Leipziger Universität ist schon nur aus diesem Grund besuchswert.

            Das ursprüngliche Gebäude wurde bei der Bombardierung Leipzigs im zweiten Weltkrieg vernichtet. Leipzig hatte trotzdem großes Glück, dass die Alliierten sich entschieden, Dresden anstatt Leipzig dem Boden gleichzumachen, Leipzig war nämlich das ursprüngliche Ziel dieses Angriffs). Trotzdem erlebte die Stadt insgesamt 14 Luftangriffe und die Gegend um Augustusplatz litt am meistens. Deshalb steht hier heute eine Oper im Stil der kommunistischen Architektur aus dem Jahr 1960 (wirkt aber mit ihrem neoklassizistischen Stil gar nicht so übel wie man es erwarten würde) und das Gewandhaus aus dem Jahr 1981, dieses moderne Konzerthaus befindet sich auf der anderen Seite des Platzes.

            Leipzig hatte nach dem zweiten Weltkrieg Pech. Am 18.April 1945 zogen amerikanische Einheiten in die Stadt (ob sie die Stadt besetzten oder befreiten, wird bis heute diskutiert, es geht dabei um den Blickwinkel). Die Amerikaner traten aber anschließend das ganze westliche Sachsen und Thüringen im Austausch für Westberlin an die Russen ab und am 2.Juli 1945 zog in die Stadt die Rote Armee ein. Leipzig wurde so zum Teil Ostdeutschlands, also der russischen Besatzungszone, und anschließend der Deutschen Demokratischen Republik, die im Jahr 1949 gegründet wurde.

            In Leipzig wurde der bereits erwähnte Anführer der erfolglosen deutschen kommunistischen Revolution im Jahr 1918 Karl Liebknecht geboren, später auch der ostdeutsche Diktator in den Jahren 1949 – 1971 Walter Ulbricht, einer der Hauptprotagonisten des militärischen Einsatzes des Warschauer Paktes in der Tschechoslowakei im Jahr 1968. In der Stadt lebte auch Klara Zetkin, deren Initiative wir den Internationalen Frauentag am 8.März verdanken.

            Die Stadt hatte immer aufgrund ihrer Industrie eine starke rote Tradition. Paradoxerweise begann das kommunistische Regime in Deutschland gerade in Leipzig zu bröckeln. In keiner anderen Stadt gibt es so viele Museen und Expositionen, die sich mit dem kommunistischen Regime und seinem Untergang beschäftigen wie in Leipzig. Gleich neben der Mädlerpassage gibt es eine Dauerausstellung im „Zeitgeschichtliches Forum“ und dem Besucher ist auch die ehemalige STASI Zentrale zugänglich. Auch im Museum der Stadtgeschichte wird der kommunistischen Episode ein großer Raum eingeräumt. Die Bürger von Leipzig sind nämlich stolz darauf, dass sie es waren, die dem kommunistischen Regime den entscheidenden Todesstoß verpasst haben. Sie waren immer ein bisschen anders. Wo sonst wäre es möglich, dass eine Punkkapelle namens „Wutanfall“ ihren Unterschlupf und Konzertmöglichkeit in der Sakristei der Kirche des heiligen Nikolaus finden könnte? Gerade diese Kirche mit ihren feinen Farben der Innenwände – rosarot und hellgrün – die an die Frauenkirche in Dresden erinnern, sollte beim Fall der kommunistischen Regime in Ostdeutschland eine entscheidende Rolle spielen.

            Alles hat ganz harmlos begonnen. Im Jahr 1980 wurde die so genannte „Dekade der Friedentoleranz“ ausgerufen. Seit dem Jahr 1981 trafen sich jeden Montag um fünf Uhr nachmittags Menschen zu einem Gebet für den Weltfrieden. Unter der biblischen Parole: „Dann schmieden wir Pflugscharen aus ihren Schwertern“ (Micha 4,3), eine Parole, die auch die kommunistische Propaganda so gerne benutzte.

            Jetzt aber schlug STASI Menschen, die einen Aufkleber mit diesem Text trugen, sie wurden verhaftet und stundenlang verhört. Trotzdem kamen zum Gebet immer mehr Leute. Was mit einigen Dutzend Menschen begann, wuchs von Hunderten zu Tausenden. Im Mai 1989 erlaubten sich Leipziger Aktivisten die Wahlergebnisse zu kontrollieren und konnten feststellen, dass die „Einheitliche Kandidatenliste“ nicht die angekündigten 96,8 Prozent sondern nur knapp über 90 Prozent Stimmen bekam. Für die, die dem Regime noch immer vertrauten, war der Nachweis der Wahlfälschung ein herber Schlag. Als dann das chinesische Regime am 3.Juni 1989 auf dem „Platz am Tor des himmlischen Friedens“ in Peking über 2000 Studenten massakrierte und die ganze Welt im Angesicht diese Gräueltat erstarrte, gab es auf der ganzen Welt nur zwei Regierungen, die der chinesischen Führung offiziell gratulierten. Es war Kim Ir Sen von Nordkorea und Erich Honecker in der DDR. Diese sinnlose Geste erschütterte auch die letzten Treuen und die Menschenmenge in der Kirche des heiligen Nikolaus wuchs an. Am 4.September verlangte der Bürgermeister von Leipzig vom Pfarrer der Kirche des Heiligen Nikolaus, mit den Gebeten aufzuhören. Dieser lehnte es ab.

            Für 9.Oktober 1989 bereitete die Kommunistische Regierung eine abschreckende Aktion. Sie warnte im Radio und im Fernseher alle Bürger von Leipzig vor dem Kirchenbesuch. Die Kommunisten gaben bekannt, dass sie 10 000 Polizisten und Soldaten mobilisierten und dass diese einen Schießbefehl erhielten. Ich erfuhr, dass 10 000 Feldbetten für die Verwundeten und 20 000 Blutkonserven bereitgestellt wurden. Die deutsche Regierung bereitete also ein echtes Massaker nach dem chinesischen Vorbild vor. Trotzdem erschienen am 9.Oktober zum Gebet 70 000 Menschen. Mit den Kerzen in den Händen füllten sie die Straßen von Leipzig. Das Regime wagte es nicht, auf die Menschen zu schießen, die in einer Hand eine Kerze hielten und mit der anderen Hand das Licht vor dem Wind schützten. Es wäre schwer zu behaupten, dass die Demonstranten Zusammenstöße mit der Polizei durch Steinwerfen ausgelöst haben. So nämlich hieß die im Voraus vorbereitete offizielle Begründung des Einsatzes. Dazu – der Schießbefehl kam aus dem gehassten Berlin – der Leipziger Kommandeur wurde plötzlich zum Leipziger Patrioten und ließ die Sicherheitskräfte zurückziehen. Der Protest blieb ohne Blutvergießen. Am 23, Oktober waren dann in den Straßen von Leipzig sogar 320 000 Menschen. Am 9.November fiel die Berliner Mauer. Die Gebete in der Kirche Sankt Nikolaus finden auch heutzutage jeden Montag um 5 Uhr statt – als eine Erinnerung, aber auch als Streben nach einem Weltfrieden, dieses Streben ist heutzutage aktueller denn je.

            Leipzig kann sich über eine Mangel an Kriegsgeschehen in seiner Nähe nicht beschweren. Seine Lage auf der Kreuzung zwei wichtigen Straßen “Via imperialis” und „Via regia“ machte aus der Stadt nicht nur ein Handelszentrum und nach dem Jahr 1945 auch ein Finanzzentrum Ostdeutschlands, sondern auch einen Platz zahlreicher kriegerischen Auseinandersetzungen. Während des Dreißigjährigen Krieges fanden vor der Stadtmauer von Leipzig sogar drei große Schlachten statt, zweimal bei Breitenfeld (1630 und 1642) und einmal bei Lützen (1632). Besonders die Schlacht bei Lützen war schicksalhaft. Der österreichische Heerführer Wallenstein hat zwar die Schlacht verloren, aber der schwedische König und genialer Stratege Gustav Adolf starb in der Schlacht.

            Das berühmteste militärische Ereignis in dieser Gegend war aber mit Sicherheit die „Völkerschlacht“ am 16. – 19. Oktober 1813. In dieser größten Schlacht der napoleonischen Kriege gelang es dem Generalissimus Karl von Schwarzenberg den französischen Kaiser Napoleon zu bezwingen und das auf so eine vernichtende Art, dass sich Frankreich von diesem Schlag nie mehr erholte. Während dieser drei Tage starben vor der Mauer von Leipzig 90 000 Soldaten (zum Vergleich, Leipzig selbst hatte damals gerade 90 000 Einwohner). Übrigens die Sachsen haben wieder einmal auf der falschen Seite gekämpft – also in der französischen Armee. Die Sachsen haben ohnehin eine seltene Eigenschaft, immer auf der Seite der Verlierer zu kämpfen und wenn sie sich einmal der siegreichen Armee anschlossen – das war bei Breitenfeld im Jahr 1630 – flüchteten sie bereits nach dem Beginn der Schlacht und blieben 20 Kilometer hinter der Kampflinie stehen. Also erfuhren sie von dem Sieg der Schweden über den kaiserlichen General Tilly (der in der Schlacht verwundet wurde und bald danach an den Folgen der Verletzung in Leipzig starb) nur vom Hören. In Leipzig starb übrigens an den Folgen seiner Verletzungen aus der Schlacht bei Lützen auch der berühmte General der Kavallerie Pappenheim (der seine Pappenheimer gut kannte) und zuletzt ertrank hier am 18.Oktober 1813 der polnische Marschall Poniatowski – es liegen hier also viele Kriegshelden begraben. Im Jahr 1813 machten das die Sachsen doch gescheiter. In dem entscheidenden Moment der Schlacht beim Dorf Propstheida wechselten sie die Seiten und begannen auf die überraschten Französen zu schießen. Also es gibt nichts Besseres, als einen verlässlichen Verbündeten zu haben.

            Heute steht an der Stelle des ehemaligen Dorfes ein riesiges „Völkerschlachtdenkmal“.

Es wurde hier im Jahr 1913 für die Feier des hundertsten Jahrestages der Schlacht erbaut und in der Anwesenheit des deutschen Kaisers Wilhelm II. feierlich eröffnet. Zu dieser Zeit stürzte sich die Welt gerade in die nächste Katastrophe, die schlimmer als die vorherige sein sollte. Diese Tragödie begann im Jahr 1914 und endete durch Besetzung von Leipzig von den amerikanischen Soldaten am 28. April 1945.

            Leipzig kann sich mit seiner Schönheit sicherlich nicht mit Dresden, Lübeck oder Aachen messen. Historisch hat aber viel zu bieten und genau so auch, was die Kultur betrifft. Es wird hier regelmäßig die Buchmesse veranstaltet, die Konzerte im Gewandhaus auf dem Augustusplatz sind dank der Bach- und Mendellsohntradition von weltbesten Musikern besucht.

            Der Fußballklub RB Leipzig spielt in der Bundesliga und in den europäischen Wettbewerben. Übrigens war Leipzig im Jahr 1903 (damals noch unter einem anderen Namen) der erste deutsche Fußballmeister. Seinen Aufstieg aus der vierten deutschen Liga verdankt der Klub dem österreichischen Unternehmer Didi Mateschitz, dem Besitzer der Firma Red Bull. Das Fußballstadion am Ufer des Flusses Elser heißt also Red Bull Arena. Der Klub darf aber offiziell diesen Namen nicht tragen – das deutsche Gesetz verbietet den Klubs die Namen ihren Sponsoren zu präsentieren. Die einzige Ausnahme ist Bayer Leverkusen, weil dieser Klub als Klub der Angestellten des Pharmagiganten entstand, der einmal in den Gründungszeiten durch Aspirin berühmt wurde. Der Trick von Mateschitz, die Abkürzung RB, dass die Fußballer auf ihren Trikots tragen, als „RasenBallsport“ zu interpretieren, ließ Emotionen in der deutschen Fußballwelt hochgehen, aber wie schon der Fernseher-Kommentator knapp vor dem Aufstieg von RB Leipzig in die Bundesliga resigniert sagte: „Wir können sie hassen, aber in ihrem Erfolg und Aufstieg können wir sie nicht hindern.“

            Also warum eigentlich nach Lepzig fahren? Es ist nicht so weit, die Stadt ist interessant und für Shopping günstig. Nur bitte, wenn Sie dort sind, versuchen Sie lieber keine lokalen Spezialitäten. Man kann dort gut und für vernünftige Preise essen, die Stadt hat nämlich genug Restaurants mit internationaler Küche. Zum Schluss – entweder als Einladung oder als Warnung präsentiere ich die Liste der berühmtesten sächsischen Spezialitäten.

  • Quarkkeulchen – Top 1.
  • Sächsische Flecke – Top 2.
  • Leipziger Allerlei – Top 3.
  • Sächsisches Feuerfleisch – Top 4.
  • Pulsnitzer Lebkuchen – Top 5.
  • Leipziger Lerchen – Top 6.
  • Der Dresdner Christstollen – Top 7.
  • Leipziger Räbchen – Top 8

Also Mahlzeit und gute Reise.

Leipzig I

            Mein Sohn lacht immer über die Tatsache, dass die Tschechen für jede Stadt in Europa einen eigenen Namen haben müssen, mit dem Original sind sie nie zufrieden. So ist aus Wien Vídeň, aus Graz Štýrský Hradec, aus Konstanz Kostnice und aus Koppenhagen Kodaň. Manchmal ist aber der tschechische Name der richtige und ursprüngliche (wie es auch bei Konstanz der Fall ist – im Altdeutsch hieß die Stadt Kostnitz). Bei Leipzig ist es auch so. Der ursprüngliche Name der Gemeinde war Lipsk, also in der serbischen Sprache ein Ort, wo „Lipy“ also Linden wachsen. Die ganze nördliche Seite des Erzgebirges wurde zu dieser Zeit von den Serben bewohnt, bevor sie von den deutschen Kaisern Heinrich I. und einem Sohn Otto I verdrängt wurden. Seitdem sind aber mehr als tausend Jahre vergangen und die slawische Vergangenheit Sachsens spiegelt sich nur mehr in zahlreichen slawischen Ortsnamen. Angeblich aber auch in der Schönheit der dortigen Frauen, wie mir ein einheimischer Taxifahrer in Dresden erklärte.

            In Leipzig war ich das erste Mal im Jahr 1982 und ich habe nach Hause ein Bild einer grauen depressiven unschönen Industriestadt gebracht, die ich nie mehr besuchen wollte. Das Schicksal wollte es aber anders. Zuerst besuchte mein Sohn Leipzig und nach einer Nacht, die er in der Moritzbastei (in der ehemaligen Stadtbefestigung errichteten Studenten der Leipziger Universität einen Klub und einen Ort, wo Diskotheken stattfinden) verbrachte, pochte er darauf, dass ich unbedingt noch einmal hinfahren müsste, um meine Meinung zu korrigieren.

            Ich tat es. Ich habe die Stadt besucht und meine Meinung korrigiert, obwohl nur teilweise. Leipzig wird die Schönheit von Dresden, München oder Aachen niemals erreichen. Es wirkt irgendwie inhomogen, zwischen historischen Häusern steht moderne Architektur kombiniert mit den Häusern aus der kommunistischen Vergangenheit der Stadt. An der Schönheit hat die Stadt dadurch viel eingebüßt.

So war es aber immer, die Stadt ist immer im Schatten von Dresden oder Meißen gestanden, sie war nie eine Residenz-, dafür aber immer eine Handelsstadt. Zwei Privilegien des Kaisers Maximilian I. aus den Jahren 1497 und 1507 verliehen der Stadt das Recht, Messen zu organisieren und Leipzig wurde so zum ostdeutschen Frankfurt am Main. Das echte Frankfurt war nämlich für die Kaufleute mit schlechter Anbindung an das Rhein/Main Flusssystem nur mühsam erreichbar. Wenn also nach Frankfurt die Ware auf dem Wasserweg transportiert wurde, nach Leipzig geschah es auf dem Landweg. Aus diesem Grund wurden die Paläste im Stadtzentrum mit sehr breiten Einfahrten in den Innenhof gebaut, damit ein vollbeladener Wagen einfahren konnte und die Ladung nicht auf der Straße umgelagert werden müsste. Heute wurden diese Einfahrten in charmante Passagen im Stadtzentrum umgebaut.

            In Leipzig war und ist eine Universität. Sie entstand im Jahr 1409 aus einem guten Grund und mit sehr guten Voraussetzungen für ihre Prosperität. Am18.Januar 1409 hat der tschechische König Wenzel IV. in Kuttenberg ein Dekret erlassen, das die Verhältnisse auf der Karlsuniversität in Prag gründlich veränderte. Bis dahin hatten ausländische Studenten und Lehrer in Prag bei Abstimmungen drei Stimmen und die Tschechen nur eine. Ab jetzt sollten die Tschechen drei Stimmen haben und alle Ausländer zusammen nur eine.  In Folge dieser Veränderung verließen Prag viele deutsche (aber auch polnische und viele andere) Professoren und Studenten – die Mehrheit von ihnen ging nach Leipzig, das auf die neue Situation flexibel mit einer Gründung der eigenen Universität am 2.Dezember 1409 reagierte. Jede neue Universität – das gilt bis heute – hat das Hauptproblem, gute Lehrer zu gewinnen. Leipzig hatte dieses Problem also nicht, hier ließen sich sofort die besten Professoren aus Prag nieder. Im Jahr 1519 fand in Leipzig die so genannte Leipziger Disputation zwischen dem katholischen Gelehrten Johann Eck und Martin Luther und seinen Freunden statt. Auch diese Tatsache bezeugt, dass Leipzig bereits damals ein anerkanntes Bildungszentrum Sachsens war. Luther mochte diese Stadt nie (er nannte Leipzig „Sodoma und Gomora“) es gelang ihm die Stadt für seine Lehre durch eine leidenschaftliche Rede in der Kirche des Heiligen Thomas im Jahr 1539 zu gewinnen. Trotzdem ist es gerade das Leipziger Museum der Stadtgeschichte im Alten Rathaus, das den Ehering der Gattin Luthers, Katharina von Bora, besitzt.

            An der Leipziger Universität studierten viele berühmten Menschen, vor allem in den Jahren 1765 – 1768 Johann Wolfgang Goethe. Seine Statue, die ihn als einen jungen Studenten darstellt, steht vor dem schönen Rokokogebäude der Börse.

            Gerade aus diesem Grund platzierte der große Dichter eine der Szenen seines Doktor Faust Dramas in den Auerbachkeller in der Mädlerpassage, wo wahrscheinlich der Lebemann Goethe nicht wenige Gläser während seines Studentenlebens leerte. Ich habe lange Zeit nicht verstanden, warum es diese Szene im „Faust“ überhaupt gibt, – aus meiner Sicht wirkt sie dort künstlich und überflüssig. Nur als ich Bescheid über die stürmischen jungen Jahre Johann Wolfgangs in Leipzig erfuhr (und er konnte wirklich leben!), dämmerte mir, warum Mephistopheles dieses Lokal besuchen musste. Übrigens Mephisto ist der Name einer Bar in dieser Passage sowie auch auf dem Leipziger Hauptplatz.

            Das Lokal Auerbachkeller, geschmückt beim Eingang mit Statuen von Doktor Faust, Mephisto und den Studenten, die in diesem Drama auftreten, ist natürlich eine Attraktion der Stadt, geschmückt mit Motiven aus Faust.

Die typische sächsische Küche würde ich aber nicht unbedingt probieren. Also ich habe es natürlich ausprobiert und erfahren, dass sie nur für Menschen mit einer sehr guten Verdauung geeignet ist. Kraut und Kartoffel sind allanwesend, der Geruch vom sauren Kraut schlägt in die Nase gleich beim Eintreten in dieses berühmte Wirtshaus und die sächsische Ernährung kann in den Gedärmen eine explosive Mischung bilden.

            Goethe lässt hier seine Studenten folgende Sätze sagen:

Will keiner trinken? Keiner lachen?
Ich will euch lehren Gesichter machen!

Ihr seyd ja heut wie nasses Stroh,

Und brennt sonst immer lichterloh.

            Goethe besuchte dieses Wirtshaus offensichtlich sehr gerne.

            Weitere berühmten Absolventen der Universität waren Richard Wagner, Karl Liebknecht oder Angela Merkel. Sie als eine Studentenaktivistin half die Moritzbastei auszugraben, ein Ort der besuchswert ist. Dieser Teil der Stadtbefestigung war nach der Bombardierung des zweiten Weltkrieges unter Trümmern begraben. Die Studenten der Universität wählten diesen Ort im Jahr 1974 aus und nach acht Jahren Ausgrabungen und Reparaturarbeiten eröffneten sie hier im Jahr 1982 eine Bar und eine Diskothek – in diesem Jahr besuchte die Moritzbastei auch meine Gattin, die damals ihre Famulatur in Leipzig machte.

            Richard Wagner war durch seinen Antisemitismus bekannt – möglicherweise auch deshalb wurde er zum Kultautor des Naziregimes. Er wurde zum Antisemiten gerade in Leipzig. Er kam in Leipzig in armen Verhältnissen zur Welt, sein Vater starb als der kleine Richard ein Jahr alt war. Mit der Mutter und dem Stiefvater war er viel unterwegs und im Jahr 1827 kehrte er nach Leipzig zurück. In Jahr 1831 begann er sein Studium an der Universität – er studierte Musik. Zur gleichen Zeit war Felix Mendelssohn-Bartholdy der Star der Leipziger Musikwelt, er wirkte in Leipzig in den Jahren 1835 – 1841. Mendelssohn Bartholdy stammte aus einer reichen jüdischen Familie und durch seinen Ruhm, seine Erziehung und seinen Reichtum waren für ihn alle Türe der Leipziger höher Gesellschaft geöffnet. Wagner dagegen kämpfte mit dem harten Schicksal und versuchte vergeblich mit seinem strahlenden Vorbild gleichzuziehen. Nach der katastrophalen Premiere seines ersten Werkes „Das Liebeverbot oder die Novize“ verließ der frustrierte Wagner Leipzig und ging nach Königsberg in der Überzeugung, dass seine Kariere in seinem Geburtsort eine jüdische Verschwörung zunichte gemacht hätte. Er hörte bis Ende seines Lebens nicht auf, die Juden zu hassen.

            Übrigens das erste, was Nazis nach der Machtergreifung im Jahr 1933 in Leipzig entfernten, war die Statue von Mendelssohn – Bartholdy, die vor der Fassade der Kirche des Heiligen Thomas stand. Heute steht sie dort wieder und bei der Feier „200 Jahre von der Geburt des Komponisten“ wurde nach ihm auch die Fassade der Kirche benannt.

            Wenn man aber über Leipzig und Musik spricht, sollte man in erster Linie an Johann Sebastian Bach denken.

Dieser höchste Meister der Barockmusik war nämlich seit dem Jahr 1723 siebenundzwanzig Jahre lang der Chormeister in der Kirche des heiligen Thomas und ist seit 1950 in dieser Kirche auch bestattet. In Leipzig waren auch Robert Schumann, Franz Liszt oder Hector Berlioz tätig, alle in der für Wagner so schicksalhafter Zeit um 1840, als in die Stadt Schumann einzog – sein Haus ist als sein Museum erhalten.

Passau II

            Mit Passau ist auch das Schicksal der seligen Gisela verbunden. Sie ist hier in der Kirche Heiligenkreuz bestattet, in einem Kloster in Niederburg, wo sie Äbtistin war. Ihr Grab ist ein Pilgerort für viele ungarische Stadtbesucher. Gisela war die Gattin des ersten ungarischen Königs Stephan und nach seinem Tod zog sie sich nach Passau zurück, wo sie zur Äbtistin wurde. In der Tat sollte die selige Gisela eigentlich einigermaßen frustriert sein. Ihr Ehemann Stephan, ihr Sohn Emmerich, ihr Bruder Heinrich und sogar auch ihre Schwägerin Kunigunde wurden alle ein nach dem anderen heiliggesprochen, sie blieb die Einzige aus der ganzen Familie, die „nur“ selig wurde. Wahrscheinlich haben die Passauer vergessen, dieses Versäumnis dem Papst Johann Paul II. zu melden. Er hätte sich so eine Gelegenheit zum Stadtbesuch sicher nicht entgehen lassen und in die kaiserliche Familie im Himmel hätte Ruhe einkehren können. Gisela hätte sich die Heiligsprechung sicher mehr als ihr Bruder, der machtgierige Kaiser Heinrich II. verdient. Wenn jemand einen Spitznahmen „der Zänker“ hat, passt es nicht unbedingt zur Heiligsprechung. Gisela und ihr Bruder Heinrich waren Kinder Herzogs Heinrich von Bayern, genannt „der Streitbare“ (sie hatten die Streitlust offensichtlich in der Familie), des jüngeren Bruders des Kaisers Otto II. Heinrich schaffte es sich gegen seinen Gegenkandidaten Hermann von Schwaben geschickt zu behaupten und dann mischte er sich ordentlich auch in die tschechische Politik ein, als er tschechische Fürsten nach Belieben eingesetzt und abgesetzt hat. Als auf dem tschechischen Thron ein schwerer Alkoholiker Vladivoj vom polnischen Fürst Boleslaw Chrobry eingesetzt wurde, lief dieser zum Kaiser und ließ sich im Jahr 1002 mit dem Fürstentum belehnen. Dadurch wurde Böhmen für viele weitere Jahrhunderte ein Teil des Römischen Reiches. Vladivoj soff sich ein Jahr später zu Tode und Heinrich intrigierte zwischen den Premyslidenbrüdern Jaromir und Oldrich, wobei er seinen treuen Verbündeten Jaromir fallen ließ, als er ihm nicht mehr von Nutzen sein konnte. Der Hauptgegner des Kaisers war aber der polnische König Boleslaw Chrobry, gegen den der Heilige viele Kriege führte. Kaiser Heinrich, der keinesfalls mit heiligen Mitteln herrschte, wurde im Jahr 1146 heiliggesprochen, als bereits der Stamm der Staufer an der Macht war. Wahrscheinlich wollte der Papst die Staufer mit dem Kult ihren Vorgängers aus dem konkurrierenden bayerischen Stamm provozieren. Ein skurriles Detail der Heiligsprechung war die Tatsache, dass die Ehe Heinrichs mit Kunigunde kinderlos blieb. Es wurde behauptet, dass es die Folge eines Schwures der Kaiserin jungfräulich zu bleiben war und dass der Kaiser mir seiner Gattin wie „Bruder und Schwester“ lebten. Natürlich kann man es glauben, ob aber eventuell dahinten eine nicht operierte Phimose oder andere sexuelle Orientierung des Herrschers war, erfahren wir wahrscheinlich nicht mehr. In jedem Fall war die Keuschheit des kaiserlichen Ehepaares der Hauptgrund für ihre Heiligsprechung. Natürlich abgesehen von williger Hilfe des Kaisers dem Papst Benedikt VIII. gegenüber, der von Normanen in Süditalien bedrängt war. Übrigens gerade um sich diese Hilfe zu erkaufen, schob der Papst in das Glaubensbekenntnis das Wort „Filioque“ ein, das seit der Zeit des Karls des Großen in seinem Reich (aber nur dort, nicht in Rom und überhaupt nicht in Konstantinopel) verwendet wurde. Das hat einige Jahrzehnte später das Schisma zwischen der westlichen und östlichen Kirche zu Folge gehabt.

            Aber zurück zu der seligen Gisela. Sie hat ihre Arbeit in Ungarn sehr gut erledigt, sie brachte ihren Mann zur Taufe (aus Geiza wurde Stephan) und zur Einführung des Christentums in seinem Königreich und nach seinem Tod (der Sohn Emmerich starb bei einem Jagdunfall noch vor seinem Vater) ging sie nach Passau in ihr Heimatland Bayern – geboren wurde sie im nahen Regensburg. Dort wurde sie, wie schon gesagt, Äbtistin. Ihre sterblichen Überreste wurden im Jahr 1908 exhumiert, heute ist ihr Grab das Ziel von tausenden Pilgern aus Ungarn und herum liegen viele Kränze und hängen viele ungarische trikoloren. Ich glaube, es ist richtig so, obwohl sie „nur“ selig ist. Sie hat sich das verdient.

            Mehr als durch das Feuer wurde Passau immer durch das Hochwasser bedroht. Egal ob das Wasser von den Bergen mit dem Inn oder aus Deutschland mit der Donau kommt, die Gefahr vom Hochwasser ist immer anwesend, das letzte Mal wurde die Stadt von einer Flut im Jahr 2013 betroffen. Es war nicht das erste Mal, obwohl die Spuren dieser Überflutung an den Passauer Häusern noch jahrelang sichtbar blieben, vielen von ihnen fehlte noch Jahre später, als wir die Stadt besucht haben, der Putz bis zum ersten Stock. Es war aber nicht die schlimmste Flut in der Geschichte, wie die Aufzeichnungen auf dem Passauer Rathaus zeigten. Am höchsten war das Wasser im Jahr 1501, als der Inn mit der Donau noch vor der Stadt zusammenflossen und das Stadtzentrum wie eine Insel aus den Flutwellen ragte.

            Passau verlor seinen Wohlstand durch den Verlust des Salzmonopols. Es wurde ihm von den bayerischen Herzögen entzogen, denen natürlich so ein Einkommen willkommen war. Im Jahr 1803 verlor dann Passau in Rahmen der Säkularisierung des Römischen Reiches unter dem Einfluss von Napoleon und den Ideen der französischen Revolution definitiv seine Selbständigkeit und es wurde zu einem Teil des neuentstandenen Bayerischen Königsreiches. Die Passauer lösten ihre Frustration vom Verlust ihrer Privilegien wirklich seltsam. Dem König Maximilian I., der aus Passau eine bedeutungslose Bezirksstadt seines Königreiches machte, bauten sie vor dem Dom eine riesige Statue – sie wurde von dem „dankbaren Passauer Volk“ gestiftet. Wofür das Volk so dankbar war, konnte ich nicht erforschen, die Arschkriecherei ist aber offensichtlich eine universale menschliche Eigenschaft.

            Passau als eine Bischofresidenz musste natürlich eine ganze Reihe von Kirchen haben. Neben dem monumentalen Dom in Stil des Barocks, der Kirche Heiligenkreuz mit den sterblichen Überresten der seligen Gisela und der bereits erwähnten Kirche Mariahilf am rechten Innufer sind das zum Beispiel ein großes Gebäude der Kirche des Heiligen Pauls am Donauufer oder ein interessantes kleines turmloses Kirchlein des Heiligen Salvators im Viertel Ilzstadt. Hier, eingebaut in einen Berg über dem Fluss, stand bis zum Jahr 1477 eine jüdische Synagoge. In diesem Jahr wurden Juden beschuldigt, die heilige Hostie mit einem Messer durchbohrt zu haben. Die Beschuldigten wurden auf dem Scheiterhaufen verbrannt, der Rest der jüdischen Kommune wurde aus der Stadt verbannt und die Synagoge abgerissen. In den Jahren 1479 – 1495 bauten hier die Bürger das Kirchlein des Heiligen Salvators als ein Zeichen der Reue über diese Tat.

            In Passau kann man natürlich noch viel mehr sehen. Besonders die Atmosphäre der Gässchen zwischen beiden Flüssen, die Promenaden entlang der Flussufer, die Erinnerungen an die berühmte Geschichte der Stadt, die man auf jedem Schritt begegnet – wie zum Beispiel die Erinnerung an den Besuch der bayerischen Prinzessin Elisabeth, die in Passau einen Halt auf ihrer Reise nach Wien machte, wo sie den österreichischen Kaiser Franz Josef heiraten und dadurch zur legendären Kaiserin Sissi werden sollte.

            Fahren Sie bitte, hin. Passau ist wunderschön und das Essen und Bier sind auch sehr gut – einfach bayerisch.

Passau I

            In Tschechien ist Passau – historisch gesehen – mit negativen Emotionen verbunden. Im Jahr 1611 lud Kaiser Rudolf II. Passauer Truppen nach Prag zur Hilfe und weigerte sich dann sie zu bezahlen. Die Soldaten wüteten demzufolge in Prag und in Südböhmen, um sich den entgangenen Sold mit Gewalt zu nehmen. Damals rettete die Tschechen der alte Petr Vok von Rosenberg, der die raubenden Truppen auszahlte und sie zogen nach Süden ab. Dieses negative historische Ereignis steht in einem direkten Zusammenhang mit der Zeit, als die Habsburger das erste Mal an der enorm reichen Stadt ihr Interesse zeigten. Im Jahr 1598 ist es ihnen gelungen, den jüngeren Bruder des späteren Kaisers Ferdinand II. Leopold zum Passauer Bischof zu installieren, obwohl der Bursche damals gerade zwölf Jahre alt war. Dreizehn Jahre später verstrickte er sich in die oben beschriebene Prager Angelegenheit. Er wurde niemals zum Priester geweiht, verließ nicht nur Passau, sondern auch den Kirchendienst und heiratete die junge Witwe Katharina Medici. So viel also zu dieser nicht gerade berühmten Episoden in der Passauer Geschichte.

            Aber lassen wir die Emotionen bei Seite.

            Passau, genannt „Drei Flüsse Stadt“, ist nämlich eine der schönsten deutschen Städte. Hier fließt der blaugrüne Inn mit der dunklen Donau zusammen und zu den zwei großen Strömen gesellt sich der kleinere Fluss Ilz. Der Inn wirkt mächtiger als die Donau, weil aber der Fluss den Namen des Stromes bekommt, der seine Richtung hält, geht hier der Inn zu Ende. Der Inn bring tatsächlich weniger Wasser als die Donau, weil er hier die Tiefe von lediglich zwei Metern hat und die Donau sechs Meter tief ist, es ist aber faszinierend zu beobachten, wie Inns helles Wasser den dunklen Strom der Donau verdrängt, weil der Inn wilder ist und das Wasser der Donau ein Problem hat, sich gegen seinen Strom durchzusetzen.

            Passau war immer eine bedeutende Stadt – und eine reiche Stadt. Es ist allerdings nicht durch Arbeit seiner Bürger und von ihnen produzierter Ware reich geworden, sondern das Geschäft mit Salz war die Quelle des Reichtums. Passau war viele Jahrhunderte lang der Umschlagplatz für Salz auf dem Wege von Salzkammergut nach Tschechien. Hier begann  der so genannte „Goldener Pfad“, der in mehreren Richtungen durch den Böhmerwald führte, der älteste von diesen Wegen endete in der Stadt Prachatice. Der Zoll auf Salz, das auf dem Inn transportiert wurde, war die Quelle des Wohlstandes der Stadt. Die Häfen für Schiffe mit Salz sind noch heute am Ufer des Inns entlang der Promenade Innkai unter der Stadtmauer sichtbar.

            An der Stelle von Passau gab es bereits in den römischen Zeiten eine kleine Festung namens Batavis, ein Vorposten des Limes Romanus, der das Römische Reich gegen germanische Angriffe von Norden schützen sollte. Die Römer gaben die Grenze an der Donau Mitte des fünften Jahrhunderts auf und ihre Kastelle verödeten. Im nächsten Jahrhundert kamen hierher germanische Bajuwaren und gründeten auf der Halbinsel am Zusammenfluss eine Burg – den Kern der heutigen Stadt. Bereits im Jahr 739 ist Passau als ein Bischofsitz genannt. Die Sternstunde der Stadt schlug aber im Jahr 1217, als Kaiser Friedrich II. den Bischof von Passau zum Reichsfürsten beförderte, der weiterhin nur dem Kaiser persönlich unterstellt war – so sollte es bis zum Jahr 1803 bleiben. Im Jahr 1225 erhielt Passau die Stadtrechte und dem wachsenden Wohlstand der Stadt stand nichts mehr im Wege. Also fast nichts. Es gab doch ein kleines Problem. Die Bürger der Stadt verstanden sich nämlich mit dem Bischof, der sich auf dem gegenüber liegenden Ufer der Donau seine Burg Oberhaus Veste bauen ließ, nicht besonders gut. Es folgte eine Reihe von Aufständen und Kämpfen, in denen die Bürger versuchten, sich von der kirchlichen Herrschaft zu befreien, es gelang ihnen aber nie. Nach der entscheidenden Schlacht im Jahr 1368, in der 200 Passauer Männer starben, durften diese nicht einmal in der geweihten Erde begraben werden – als Aufständische gegen einen kirchlichen Herrscher befanden sie sich logischerweise in einem Kirchenbann.

            Zum Oberhaus konnte man sich mit einem Bus fahren lassen, der Ticketpreis wurde dann vom Eintrittspreis in die Burg abgezogen. Man kann zur Burg zu Fuß über die Luipoldsbrücke gelangen, deren Bau einmal in Passau ähnliche Proteste auslöste, wie der Bau des Eifelturmes in Paris. Ein berühmter Passauer Schriftsteller, dessen Namen ich leider vergessen habe, hat aus Protest gegen die neue Brücke die Stadt verlassen und ist niemals zurückgekehrt. Danach führt der Weg bergauf auf der Ludwigstiege – es ist ein schöner romantischer Spaziergang, an seinem Ende wird man mit wunderschönen Ausblicken vom Bischofssitz auf die Stadt belohnt. In der Burg gibt es eine schöne und informative Ausstellung über die Stadtgeschichte, man merkt, dass die Zusammenstellung jemand machte, der sich in der Geschichte auskannte und seine Stadt wirklich mochte. Das Niederhaus, das direkt auf dem Zusammenfluss von Donau und Ilz steht, ist im Privatbesitz und ein Besuch ist deshalb nicht gestattet. Über die Festung flatterte eine schweizerische Fahne und weil eine Menge der Kreuzfahrtschiffe, die Touristen auf der Donau transportieren, ebenfalls unter der schweizerischen Fahne fährt, bietet sich ein Zusammenhang an. Sollte ich der Besitzer einer solchen Schiffgesellschaft sein, könnte ich meinen Sitz nicht besser wählen.

Unterhaus mit Oberhaus im Hingtergrund

            Passau trat gleich mehrmals in die europäische Geschichte und ist auf seine Geschichte auch gehörig stolz, man findet ihre Präsentation in der Stadt überall.

            In Passau entstand das Nibelungenlied, die berühmteste altdeutsche Sage. Der Autor blieb zwar unbekannt, es war offensichtlich ein Beamter des Bischofsamtes. Die Tafel über die Entstehung des Epos ist an der Wand des ehemaligen Bischofsamtes in der Nähe des Passauer Doms platziert. Im Rathaus ist dann ein monumentales Bild der Ankunft der Königin Krimhild in die Stadt Passau.

Krimhild war auf dem Weg zum Hunnenkönig Atilla, um ihn zu heiraten und sich seine Hilfe bei der Rache für den Tod ihres ersten Mannes Siegfried zu holen. Zum Treffen mit Atilla kam es in Tulln, dort ist dieses Ereignis mit einem Monument am Donauufer verewigt. Obwohl sich die Geschichte des germanischen Massakers am Rheinufer und dann in der Burg Atillas irgendwo in Pannonien abspielte, die Idee, über die heldenhaften, rachsüchtigen und heimtückischen Burgunden ein Heldenepos zu schreiben, entstand am Zusammenfluss von Donau und Inn.

            In Passau wurde im Jahr 1552 Passauer Vertrag unterschrieben, der Religionsfreiheit im Reich garantieren sollte und er war die Basis für den Beschluss des sogenannten Augsburger Friedens drei Jahre später. Der Leitsatz „Cuius regio, eius religio“, also „wessen Regierung, dessen Religion“ war ein Kompromiss, der die Kämpfe zwischen Katholiken und Protestanten beenden sollte. Dieser Frieden, ein Meisterstück der Diplomatie Kaisers Ferdinand I. (zu dieser Zeit erst nur des tschechischen und ungarischen Königs und österreichischen Erzherzogs – zum Kaiser sollte er dann später nach der Abdankung seines Bruders Karl im Jahr 1556 werden) hielt nur bis zum Jahr 1618 – dann explodierte die angesammelte Spannung und ging in das Grauen des Dreißigjährigen Krieges über, eines der grausamsten Konflikte der Menschengeschichte. Der Passauer Vertrag fand auch seinen Platz auf einem Bild im Passauer Rathaus.

            Die dritte berühmte geschichtliche Episode ist mit dem Aufenthalt Kaisers Leopold I. in der Stadt im Jahr 1683 verbunden.

Dieser hässlichste von allen Habsburgern hat hier geheiratet (diese Hochzeit verdiente sich ein weiteres monumentale Bild im Rathaus gegenüber dem Bild der Königin Krimhild) und durch seine Gebete gelang es ihm angeblich gerade hier, die türkische Expansion und die Eroberung von Wien abzuwehren. Dieser Geschichte ist ein vernichtender Stadtbrand im Jahr 1662 vorausgegangen. Noch bevor es gelang, die Stadt neu zu bauen, feierte hier Leopold I. im Jahr 1676 seine Hochzeit mit Eleonore Magdalena von Pfalz – es war bereits seine dritte Hochzeit, aber gerade aus dieser Ehe gingen beide späteren Kaiser Josef I. und Karl VI. hervor. Aus den beiden früheren Ehen überlebte nämlich von insgesamt sechs Kindern nur eine einzige Tochter ihren ersten Geburtstag. Möglicherweise deshalb war das gerade Passau, wohin sich der Kaiser zurückzog, als sich Wien eine riesige türkische Armee unter der Führung des Großwesirs Kara Mustafa Pascha näherte. In der Zeit, als Wien unter dem Kanonenbeschuss der Belagerer litt, betete „Türken-Poldi“, wie dieser Herrscher noch heute in Österreich genannt wird, in der Kirche „Maria-Hilf“ am rechten Innufer.

Heute ist dieser Stadtteil das einzige Stück Deutschlands am rechten Innufer, der Rest des östlichen Passauer Territoriums fiel im Jahr 1779 in Folge des so genannter „Friede von Teschen“ an Österreich. In der gleichen Zeit, als der Kaiser vor dem Votivbild Mariahilf in Passau kniete, vernichteten die türkischen Kanonenkugeln die Kirche Mariahilf in Wien (das dortige Votivbild Jungfrau Marias gelang es aber zu retten). Dem Kaiser sollte die Jungfrau Maria bei seinem Gebet erscheinen und ihm den Ratschlag gegeben haben, dass gerade die Parole „Mariahilf“ die christliche Armee zum Sieg führen würde. Und diese Parole wurde dann tatsächlich von dem alliierten österreichischen und polnischen Heer gerufen, als dieses die türkischen Belagerer am 12. September 1683 angegriffen und vernichtend geschlagen hat. Damit wurde der türkische Angriff Richtung Westen endgültig gestoppt und beendet. Die Kirche Mariahilf auf dem gleichnamigen Hügel ist ein Pilgerort. Man kann hierher über eine Brücke über den Inn und dann auf 321 Stufen in einem überdachten Gang gelangen. (Angeblich haben die Männer so lange gemeckert, dass es entweder geregnet hat oder zu heiß war, bis ihre gottesfürchtigen Frauen den Weg überdachen ließen). Beim Eingang in den Korridor steht ein schönes frühbarockes Kreuz und in der Kirche kann man das berühmte Votivbild sehen, das angeblich Wien und damit auch das gesamte westliche Christentum gerettet haben soll.

Frankfurt am Main II

Vom Goetheplatz geht man weiter zur Station Hauptwache und biegt nach rechts. Mit der Besichtigung der Altstadt kann man in einer Stunde fertig sein.

               Der Hauptplatz wurde erfolgreich rekonstruiert. Hier steht das historische Rathaus Römerberg. In den Jahren 1405 – 1408 wurde hier das Rathaus aus zwei Häusern „Römer“ und „Goldener Schwann“ errichtet und am Ende des neunzehnten Jahrhunderts nach Zukauf weiterer sechs Patrizierhäusern vom Architekten Max Meckel im neugotischen Stil umgebaut. Vor dem Rathaus steht ein Brunnen mit der Statue der „Justitia“.

               Auf dem Hauptplatz steht auch die Nikolauskirche. Die erinnert in ihrem Inneren an den Weg Martin Luthers nach Worms im Jahr 1521. Es gibt einen Pilgerweg Martin Luthers von Eisenach nach Worms, ein Pilgerort auf diesem Weg ist auch Frankfurt. Luther wurde in Frankfurt sehr freundlich empfangen, letztendlich wurden seine Bücher hervorragend verkauft, nur im Jahr 1520 verkaufte ein Buchhändler in Frankfurt 1400 seiner Schriften – für diese Zeit war das ein enormer Umsatz – zu Vergleich die Auflage von der Guttenbergs Bibel betrug 500 Stück). Im Jahr 1533 führte die Stadt die Lehre Luthers ein und bis zum neunzehnten Jahrhundert konnten die Katholiken trotz der anerkannten Bekenntnisfreiheit das Frankfurter Bürgerrecht nur in sehr seltenen Fällen gewinnen – sie mussten dafür sehr viel Geld haben.

               Die Hauptkathedrale ist die Bartholomäuskirche. Ein monumentales gotisches Gebäude nur ein paar Schritte vom Hauptplatz entfernt wirkt in seinem Inneren verhältnismäßig bescheiden. Auf seiner Wand gibt es eine Gedenktafel seines Erbauers, des Architekten Madern Gerthener, der aber die Vollendung des Baus nicht mehr erlebte.

               Viel mehr blieb von der mittelalterlichen Stadt nicht erhalten, mit der Ausnahme des Eschenheimerturmes, des einzigen Turmes der Stadtbefestigung, wo es heute ein Restaurant gibt. 

Von den alten Palästen blieb der Palast Thurn und Taxis stehen, komisch eingepresst zwischen moderne Glashäuser. Diese sind übrigens überall, nicht nur in der Finanzcity. Die Kaufmeile gibt es in der Galeria Kaufhof Hauptwache – Shopping darf beim Besuch von Frankfurt nicht fehlen und die Besucherinnen der Stadt loben es sehr.

               Die Museen befinden sich auf dem anderen, also südlichen, Mainufer. Über den Main führen mehrere Brücken und zwei Stege für Fußgänger. Einer davon endet gerade beim Museum, wo in der Zeit meines Busches eine Renoir-Ausstellung war, der zweite Steg ist der legendäre Eiserner Steg, der am Rande der Altstadt beginnt. Er wurde im Jahr 1868 gebaut und verbindet das historische Stadtzentrum mit dem Stadtviertel Sachsenhausen auf dem anderen Mainufer. Dass dieses Stadtviertel seinen Namen nach einer Sachsenkolonie bekommen hätte, die hier Karl der Große als seine Gefangene ansiedeln sollte, ist nur eine Legende.

               Im Gegensatz von Museen, die auf das südliche Ufer verbannt wurden – mit der Ausnahme des Geburtshauses von Goethe, das ebenfalls in ein Museum verwandelt wurde und des Struwwelpetermuseums, das dem Buch von Frankfurter Psychiater Heinrich Hoffmann aus dem Jahr 1844 gewidmet ist, das Generationen von Kindern Angst vor ihren bösen Taten einjagen sollte, hat Frankfurt zwei Opernhäuser und beide auf dem richtigen – also nördlichen – Ufer. Die Alte Oper wurde im Jahr 1880 gebaut. Die geplanten Baukosten von 2 Millionen Gulden wurden von den sonst so sparsamen Frankfurter Bürgern so großzügig überzogen, dass Kaiser Wilhelm, der die feierliche Eröffnung beiwohnte, angeblich jammern sollte „Das kann ich mir nicht leisten!“

               Außer dieses historischen Gebäudes hat Frankfurt noch eine Oper in der Nähe von der City neben dem Weg von Hauptbahnhof in die Stadt. Sie wurde im Jahr 1963 gebaut und als sie durch eine Brandstiftung im Jahr 1987 ausgebrannt war, wurde sie im Jahr 1992 erneuert.

               Zum Besuch einer Stadt gehört natürlich auch das Essen. Mit meiner üblichen Neugier suchte ich nach örtlichen Spezialitäten. Neben den Käsebrezeln, die überall angeboten werden, sind sehr populär die „Mettbrötchen“, das sind Brötchen für Schnellimbiss mit faschiertem frischem Fleisch und Zwiebel.

               Allerdings wer Frankfurt besucht, sollte unbedingt die legendäre „Grüne Soße“ kosten. Keine Angst, sie schmeckt nicht schlecht, eigentlich schmeckt sie nach nichts. Was in Betracht ihrer Zusammenstellung wie ein Wunder wirkt. Der Grund wird von sieben Kräuter gebildet: das sind der Boretsch, der Kerbel, die Kresse, die Petersilie, die Pimpinelle (auch Bibernelle genannt) der Sauerampfer und der Schnittlauch. Es wird normalerweise mit hartgekochten Eiern und Kartoffel serviert, ich habe mich für die Variante des „Frankfurterschnitzels“ entschieden. Das ist eigentlich das übliche Wiener Schnitzel (sehr dünn geklopft) eben mit der grünen Soße.

               Der Ursprung dieser geheimnisvollen Mischung ist unbekannt. Eindeutig falsch ist die Legende, nach der die Soße Goethes Mutter Aja erfunden haben soll. Entweder brachten das Rezept nach Frankfurt im sechszehnten Jahrhundert französische Hugenotten oder katholische Handelsmänner aus Lombardei im achtzehnten Jahrhundert. Aufgrund des fehlenden Geschmacks dieser Spezialität würde ich eher die Hugenotten, also die Folgenmänner Calvins – dahinten vermuten. Die Gründe für diese meine Hypothese habe ich in meinem Artikel „Calvin ist an allem Schuld“ erörtert.

               Zum Trinken gibt es in Frankfurt den legendären Apfelwein.

Ein Fass mit Apfelwein

Bereits im Jahr 1754 erhielten die Frankfurter Bürger die Schankerlaubnis, dieses derbe Getränk aus sauren Äpfeln (sogar die Holzäpfel dürfen verwendet werden) zu verkaufen. Seit diesem Jahr ist sein Verkauf auch versteuert. Das Getränk hat 5-7% Alkohol und man soll es bei einem Frankfurter Besuch unbedingt ausprobieren. Gerüstet mit einer Tablette Pantoprazol muss man davor keine Angst haben.

               Die aufmerksamen Leser wurden wahrscheinlich hellhörig, wenn man den Zusammenhang Frankfurt – Wien bemerkte. Natürlich – es geht um die legendären Würstchen, die in Wien „Frankfurter“ heißen und in Deutschland allgemein „Wiener“ als ob sich niemand zu der Spezialität bekennen möchte. Die Wirklichkeit ist viel einfacher. Das Rezept wurde in Wien von Metzger Johann Georg Lahner erfunden, der aus Frankfurt stammte. Deshalb entstand in Wien der Name „Frankfurter Würstel“. In Deutschland wurden aber diese Würstchen durch das Urteil des Berliner Gerichtes im Jahr 1955 für eine „lokale Spezialität“ erklärt, also darf der Name Frankfurter Würstchen in Deutschland nur in Frankfurt benutzt werden, genauer gesagt, dürfen so nur Würstchen genannt werden, die in Frankfurt produziert wurden. Aus diesem Grund verhalf sich der Rest Deutschlands damit, dass diese Spezialität nach der Stadt genannt wird, wo sie entstanden ist – also „Wiener Würstchen“. In Österreich ist dann die Gerichtsentscheidung eines deutschen Gerichtes irrelevant und so können sie dort weiterhin „Frankfurter“ genannt werden. Aber Hauptsache, sie schmecken gut!

               Frankfurt ist nicht dazu da, um hier das Leben zu genießen, sondern um hier das Geld zu verdienen. Das Geld kann man dann viel angenehmer ausgeben, zum Beispiel in der nahen Hauptstadt des Landes Hessen, in Wiesbaden. Also, wenn man genug davon verdient hat…

               Übrigens, es gibt neben den Würsteln noch eine Verbindung zwischen Frankfurt und Österreich, nämlich den Fußball. Der traditionelle Klub Eintracht Frankfurt hat offensichtlich eine Schwäche für österreichische Trainer. Der Klub hat sein Stadion am südlichen Mainufer auf der Strecke vom Stadtzentrum zum Flughafen, man kann es mit der S-Bahn erreichen. Nicht verwunderlich ist die Tatsache, dass der Platz, wo die Spiele ausgetragen werden, Deutsche Bank Park heißt. Der Klub hat gute, sowie auch schlechte Zeiten, erlebt. Neben dem deutschen Meistertitel aus dem Jahr 1959 und UEFA Pokal aus dem Jahr 1980, erlebte er in den Jahren 1996 – 2012 ein „Pater noster“ Phänomen, wann er immer wieder in die zweite Liga abstieg und um den Aufstieg zurück in die Bundesliga kämpfen musste. In den letzten Jahren allerdings blüht Eintracht Frankfurt wieder auf. Nach dem ersten österreichischen Trainer Adi Hütter übernahm heuer den Klub der Salzburger Oliver Glassner, der Eintracht Frankfurt bis zum Europa League Titel geführt hat. Nach 42 Jahren versetzte er also die Frankfurter Fans wieder in den Siegesrauschzustand. Also Österreich begegnet man hier nicht nur beim Würstelessen.

Frankfurt am Main I

               Wenn man über Frankfurt fliegt, und das kann wegen des dortigen internationalen Flughafens, des größten in Deutschland und einer Umsteigestation für interkontinentale Flüge ziemlich häufig passieren, sieht man, wie sich die Stadt über viele Kilometer überwiegend auf dem nördlichen Ufer des Flusses Main hinzieht und der Blick wird von einer Gruppe Hochhäuser angezogen, die an die Londoner City erinnern. Die Stadt wirkt also von oben wie eine Metropole und dieser Eindruck wird durch einen Spaziergang auf der Promenade entlang des Flussufers verstärkt – Deutsch hört man dort nämlich nur selten. Auch deshalb wird Frankfurt „die kleinste europäische Metropole“ genannt – mit seinen 760 000 Einwohnern gehört es in Deutschland zu den mittelgroßen Städten.

               Die Anfänge der Stadt waren bescheiden. In Unterschied zu dem westlichen Rheinufer, wo eine Reihe Städte infolge der römischen Gründungen stand, gab es auf dem östlichen Ufer nur Urwald, Wildnis und Germanen, vor denen die Römer panische Angst hatten. Das erste Mal wird die Stadt in einer Urkunde Karls des Großen aus dem Jahr 794 bereits unter seinem Namen Franconofurd also fränkische Furt erwähnt. Wenn man heute auf dem Ufer des mächtigen Stroms des Flusses Main steht, versteht man nicht wirklich, wie hier einmal eine wichtige Furt sein konnte. Damals war aber der Fluss viel breiter als heute und bildete zahlreiche tote Flussarme und Sümpfe, aus denen eine Insel ragte, auf der Karl eine Pfalz bauen ließ, also eine Festung, aus der dann sein Enkelsohn Ludwig der Deutsche seine Residenz machte – die Hauptstadt des Reiches – Aachen – lag nämlich im Herrschaftsgebiet seines Bruders Lothar.

               Dank seiner günstigen Lage auf dem Verbindungsweg zwischen Rheingebiet und Ostdeutschland wurde Frankfurt bereits im zwölften Jahrhundert zu einem bedeutsamen Handelszentrum. Der entscheidende Tag, der die Entwicklung der Stadt bis heute bestimmen sollte, kam aber am 11. Juli 1240. An diesem Tag bewilligte Kaiser Friedrich II. der Stadt eine Herbstmesse zu veranstalten und zugleich stellte er mit seinem Geleitbrief alle Geschäftsleute, die zur Messe unterwegs waren, unter seinen persönlichen Schutz. Das war in der Zeit, als die Wälder von Räubern und Dieben nur so wimmelten, ein unbezahlbares Privileg. Mit dem Kaiser wollte sich lieber keiner anlegen, was den Kaufleuten eine bestimmte Sicherheit garantierte. Es handelte sich um die erste Messe in Mitteleuropa und bald strömten Händler aus Italien, Tschechien, aber auch aus Flandern oder Frankreich in die Stadt, um ihre Ware anzubieten. Im Jahr 1330 bewilligte dann Kaiser Ludwig IV. der Bayer der Stadt, die ihn in seinem Kampf gegen den Papst treu unterstützt hatte, das Recht eine Fasten- also eine Frühlingsmesse zu organisieren. Frankfurt wurde definitiv zum deutschen Handelszentrum und blieb es bis heute. Das Frankfurter Messegelände ist gigantisch und beeindruckt den Besucher auch heute noch.

               Vielleicht spielte in der Entscheidung des Reformkaisers Friedrich II. auch die Tatsache eine Rolle, dass gerade hier in Frankfurt sein Großvater Friedrich I. Barbarossa zum deutschen König gewählt wurde, was der Aufstieg der Staufer Dynastie bedeutete. Seit dem Jahr 1147 fanden die Wahlen der deutschen Könige ausschließlich in Frankfurt statt. Die Wahl in dieser Stadt wurde zur Voraussetzung der Wahlgültigkeit und diese Tatsache bestätigte dann Karl IV. in seiner „Goldenen Bulle“ aus dem Jahr 1356. Im Jahr 1372 beförderte dann Karl die Stadt Frankfurt zu einer freien Reichstadt, die formal nur mehr dem Kaiser, also ihm persönlich, untertan war. Das Geld aus der reichen Stadt war für den Herrscher willkommen und stand bei seiner Entscheidung sicherlich – wie immer – „nur“ auf dem ersten Platz.

               Diese Meilensteine in der Stadtgeschichte symbolisieren die Statuen der Kaiser Friedrichs Barbarossa, Ludwigs des Bayer und Karls IV. an der Fassade des Frankfurter Rathauses.

Zu diesen drei Kaisern gesellte sich noch Maximilian II., der erste Kaiser, der sich in Frankfurt nicht nur wählen, sondern sogar auch gleich krönen ließ. (Die Krönung von Papst schaffte bereits Maximilians Vater Ferdinand I. ab.) Maximilian hatte eine sehr reservierte Haltung zu heiligen Reliquien und hatte keine Lust nach Aachen zu reisen, um sich dort über der Erde aus dem Heiligen Land krönen zu lassen, abgesehen von der abscheulichen Tradition, den Schädel Karls des Großen bei der Zeremonie küssen zu müssen. Also fand im Jahr 1562 in Frankfurt die erste kaiserliche Krönung statt. Im Jahr 1742 musste dann Frankfurt sogar als Residenzstadt eines deutschen Kaisers einspringen. Kaiser Karl VII. suchte hier Zuflucht, da sein Land – Bayern – von österreichischen Truppen besetzt war. Er starb hier in seinem Exil im Palast Barckhaus an der Zeil. Typisch für den Frankfurter Handelsgeist ist die Tatsache, dass dieser Palast im Jahr 1908 dem Kaufhaus Wronker weichen musste – das Geld war schon damals wichtiger als die Nostalgie über eine ehemalige kaiserliche Residenz. Es sollte nicht das letzte Mal in der Frankfurter Geschichte sein.

               Im Jahr 1455 begann gerade in Frankfurt am Main die historische Neuzeit. Auf der Messe wurde die Bibel von Johann Guttenberg aus dem nahen Mainz ausgestellt – das erste gedruckte Buch. Der Buchdruck bestimmte entscheidend den weiteren Lauf der Geschichte, Frankfurt nutzte die Tatsache der ersten Präsentation des gedruckten Wortes dazu, dass hier die Frankfurter Buchmesse entstand – sie wird bis heute veranstaltet, seit dem Jahr 1480 zweimal jährlich. Vom Handelszentrum war nur ein kleiner Schritt dazu, dass Frankfurt auch zu einem Finanzzentrum aufstieg. Das blieb es bis heute und was für eines! Neben London ist Frankfurt das bedeutendste Finanzzentrum Europas. Hier residiert nicht nur die Deutsche Bank, aber auch die Europäische Zentralbank (ECU). Weiter die Commerzbank, Ing Di-Ba Bank und natürlich auch die Börse, die wichtigste Börse auf dem Kontinent. Der Brexit stärkte zusätzlich die Stellung von Frankfurt in der Finanzwelt. Also, wer in der Welt des Geldes etwas bedeuten will, kommt an Frankfurt nicht vorbei.

               Aber zurück in die Vergangenheit. Von Bedeutung war das Jahr 1848. Als Folge der Märzrevolution kam es zu ersten deutschen Wahlen und die gewählten Delegaten trafen sich in Frankfurt in der Sankt Pauluskirche, um unter dem Vorsitz des österreichischen Erzherzogs Johann die erste deutsche Verfassung zu erschaffen. (Die Pauluskirche steht im Stadtzentrum zwischen dem Platz Zeil und Goetheplatz bei der U-Bahn-Station Hauptwache). Leider endete diese Versammlung ohne Erfolg. Österreich konnte sich mit seiner „Großdeutschen Lösung“ gegen den Widerstand von Preußen nicht durchsetzen und der preußische König Friedrich Wilhelm IV. lehnte die angebotene deutsche Kaiserkrone ab, weil er sie aus den Händen „der Revolutionäre“ hätte empfangen müssen.

               Frankfurt behielt seine Bedeutung auch in der Nazizeit, von 11 134 Juden, die in dem damaligen Finanzzentrum vor dem Jahr 1933 lebten und hier eine bedeutsame Rolle spielten, überlebten den Krieg nur 367. Unter denen, die in Auschwitz ermordet wurden, war auch Hermann Wronker mit seiner ganzen Familie. Dann aber schlug für die Stadt die Schicksalsstunde – eigentlich zwei Stunden. Am 18. und am 22. März 1944 unternahm die Royal Force zwei vernichtende Luftangriffe, bei denen Frankfurt dem Boden gleich gemacht wurde. Nur die Kirche des Heiligen Bartholomäus, also die Kathedrale, wurde teilweise verschont und blieb als eine Ruine im Ruinenfeld stehen. Vernichtet wurde auch das Kaufhaus Wronker, seine ursprünglichen Eigentümer lebten zu dieser Zeit nicht mehr.

               Wenn in anderen deutschen Städten es Bemühungen gab, die zerstörten Städte zu rekonstruieren (in Dresden dauert dieser Prozess noch an) in Frankfurt wurden in den leeren Flächen günstige Grundstücke für den Bau der Wolkenkratzer für die Banken und weiteren Institute der Finanzwelt gesehen. Die grenzen jetzt nicht nur direkt an die Altstadt, sie dringen sogar in die Altstadt ein und bilden das typische Frankfurter Panorama. Es kommen erstaunlich viele Touristen, um genau das zu sehen, die Amerikaner oder die Briten könnten hier sogar ein Hauch von Heimat spüren – des Manhattans oder der Londoner City.

               Also wenn man in Frankfurt ankommt – es ist leicht mit Flugzeug oder mit Zug erreichbar – dann steigt man am Hauptbahnhof aus und geht immer geradeaus bis zum Platz des berühmtesten in Frankfurt geborenen Mannes Johann Wolfgang Goethe, der hier am 28. August 1749 zur Welt kam. Er erlebte hier seine Kindheit und war hier nach seinem Studium in Leipzig und Straßburg als Anwalt tätig, bis er im Jahr 1775 an den Hof des Fürsten Karl August in Weimar übersiedelte, wo er dann für den Rest seines Lebens blieb.

Goetheplatz

Teneriffa

Wenn man in den Urlaub nach Süden fliegt, also ziemlich weit nach Süden, sogar in die Nähe des Äquators, konkret auf die Kanarische Inseln und ganz konkret auf Teneriffa, erwartet man irgendwie, dass dort schönes Wetter sein wird. Besonders im Süden der Insel. Teneriffa ist nämlich, was das Klima betrifft, zweigeteilt. In den grünen Norden, wo Bananen und alle möglichen Arten von Obst angebaut werden, damit sie Touristen verzehren können, weil es hier manchmal regnet. Und in den trockenen unfruchtbaren Süden, wo es überhaupt keinen Regen gibt. Aus diesem Grund nutzen diesen Teil der Insel Touristen zu ihrem Aufenthalt, deshalb ist der Hauptflughafen der Insel nicht im Norden in der Nähe der Hauptstadt Santa Cruz de Tenerife – dort gibt es natürlich auch einen Flughafen, aber auf dem landen nur örtliche – verstehe spanische – Airlines und billige Fluggesellschaften wie Ryanair – sondern im Süden. Hier gibt es den Flughafen der Königin Sophie. Weil es in dem größten touristischen Zentrum der Insel Playa de las Américas – statistisch gesehen – fünf Tage im Jahr regnet.

               So gesehen, haben wir in dieser Destination beinahe den ganzjährigen Wasservorrat verbraucht. Wir verließen Wien, wo die Sonne strahlte und das Thermometer zwanzig Grad im Schatten zeigte – wie Christa Kummer gesagt hatte, viel zu warm für die Jahreszeit – es war Ende März. Auf Teneriffa wurden wir von Kälte und Regen empfangen und er hielt bis Dienstag an. (Weitere Tage waren nur mehr bewölkt, aber das Wasser im Himmel ist ausgegangen, also den hundertjährigen Rekord von fünf Regentagen in Serie haben wir nicht überwinden können. Ehrlich gezählt, Samstag bis Dienstag sind vier Tage, wann kommt der fünfte, ist schwer zu prophezeien, in jedem Fall sollte jeder weitere Tourist, der heuer in diese Destination fliegen würde, in ziemlicher Sicherheit sein, im Himmel könnte nicht mehr viel Wasser übrig sein. Also während wir unsere liebe Not mit einem Urlaubsprogramm hatten, provozierten uns unsere Kinder mit Nachrichten über die Sonne und Wärme zu Hause in Wien und in der Steiermark. Natürlich kam es letztendlich zu einer Wende – auf Teneriffa hörte der Regen auf und in Wien begann es zu regnen und es kühlte sich ab – das war am Freitag, also einen Tag vor unserer Rückkehr.

               Die ersten Tage hatte ich so eine Art von „deja vu“. Ich überlegte, wo ich schon so einen Urlaub erlebt hatte. Am Montag erinnerte ich mich – es war auf dem Island. Dort gab es aber ein umgekehrtes Verhältnis. Als ich einen Isländer im Regenmantel fragte, ob es auf der Insel auch manchmal schönes Wetter gibt, antwortete er trocken: „Ja, das gibt es. Fünf Tage im Jahr, die gab es vorige Woche.“

               Ich erlebte doch sogar den kühlsten Sommer in Albanien in den letzten hundert Jahren (also genauer gesagt, seit Anfang der Aufzeichnungen und die begannen irgendwann um 1850) also sollte ich gewöhnt sein. Ein bisschen jammern gehört aber zur mitteleuropäischen Kultur, also warum sollte ich das auslassen? Wir hatten doch im Hotel einen Pool mit aufgewärmtem Meereswasser, und zwar auf neunundzwanzig Grad und dann ist es eigentlich egal, ob es einem auf den Kopf regnet – das Problem ist nur beim Verlassen des Pools, das Wasser von oben ist nämlich kühler.

               Von solchem Wetter wird man gezwungen, ein Auto zu mieten und loszufahren, um die Insel mit Hilfe von einem Regenschirm zu erkunden. Das taten wir auch. Zwei Tage wanderten wir an der Küste zu Fuß, zwei Tage fuhren wir durch die Insel mit gemietetem Auto. Klasse „C“, wohlbemerkt, obwohl ich um die Klesse „B“ angesucht habe, weil mir das „C“ für die Straßenverhältnisse zu groß vorkam. War es nicht, die Straßen auf Teneriffa waren in einem überraschend guten Zustand. Die Klasse „B“ wurde aber nicht für Tagesausflüge angeboten. Warum, habe ich nicht erfahren. Einfach nicht angeboten!

               Der Fußtourismus ist zwischen La Caleta und Los Christanos möglich.

In Los Christianos gibt es einen Hafen, von dem Fähren zu La Gomera fahren, das 40 Minuten Schifffahrt entfernt ist und wo regelmäßig Christoph Kolumbus einen Stopp auf seinen Reisen nach Amerika machte, weil die Witwe des Gouverneurs seine Geliebte war. Zweimal fährt auch eine Fähre nach La Palma, die Insel, die heuer durch einen Vulkanausbruch verwüstet wurde. Natürlich wäre diese Insel ein verlockendes Ziel, der Weg hin dauert aber drei Stunden und die Fähre fährt nur zweimal am Tag, und zwar um halb zwei nachmittags und um acht abends. Das mach einen Tagesausflug praktisch unmöglich.

               Die Küstenpromenade hat zwei Teile. Den längeren von Plaza del Duque über Playa de los Amerikas bis zu Los Christianos und er ist zehn Kilometer lang. Der Weg ist bis zum letzten Meter mit Geschäften, Bars und Restaurants verbaut. Der zweite Teil in Richtung Norden nach La Caleta ist ein bisschen romantischer mit einem Hauch von Natur. Ein luxuriöses Einkaufzentrum gibt es eben auf dem „Plazza del Duque“ (Also auf dem Herzogsplatz) ein größeres gibt es aber in Playa de las Americas.

Es heißt Siammail und befindet sich direkt an der Autobahnausfahrt 73. Nur einen Kilometer weiter, bei der Ausfahrt 74, gibt es einen Aqua Park. Das ist für die, deren Kinder den Aufenthalt auf der Insel langweilig finden. Der Yachthafen Puerto Cristobal Colon ist von Plaza del Duque nur ungefähr einen Kilometer entfernt und hier werden verschiedene Attraktionen angeboten, wie zum Beispiel die Wal- oder Delphinen Beobachtung. Ob man dann so ein Säugetier wirklich sehen kann, ist natürlich Glücksache. Teneriffa liegt aber tatsächlich auf den Wegen, auf denen sich die Wale bewegen.

               Erfrischungsmöglichkeiten gibt es unterwegs auf der Küste mehr als genug und die gute Nachricht ist der Bierpreis. Kleines Bier vom örtlichen Bier Dorada (Caňa) kostet ein Euro, ein großes (Jarra) 1,50 bis 2 Euro. Es hat wahrscheinlich etwas mit der Ausnahmeregelung der Mehrwertsteuer, die EU den Kanarischen Inseln gewährt hat zu tun, es ist aber in jedem Fall eine liebe Überraschung.

               Das Meerwasser im Ozean hatte achtzehn Grad, also lockte nicht wirklich zum Baden (meine liebe Gattin verlangt MINDESTENS 25 Grad – also ein Bad im Meer auf Teneriffa kommt für sie ganzjährlich nicht in Frage, weil hier das Wasser im besten Fall (der könnte im Oktober kommen) knappe 23 Grad erreicht und das ist für sie noch immer zu wenig.

               Eine echte Geschichte erwartet euch auf Teneriffa auch nicht. Die Spanier entdeckten die Insel gegen Ende des fünftzehnten Jahrhunderts und begannen sie zu erobern (sie nennen es Kolonisierung), trotzdem gibt es auf der Insel mehr als genug, was man sehen möchte.

               Zum Vulkan El Teide brachen wir gleich am ersten Tag auf, als sich die Sonne blicken ließ.

Die Idee war zwar gut, aber wenig originell. Ähnlich wie wir dachte nämlich die Mehrheit der auf der Insel anwesenden Touristen. Also trafen wir auf der Hochebene Las Caňadas fast alle, was unerwartete adrenalingeladene Situationen zu Folge hatte, besonders bei der Suche nach einem Parkplatz. Ich bin sehr stolz, dass ich letztendlich immer einparken konnte, ohne dem ausgeborgten Auto oder dem Besitz der anderen gröbere Schäden zuzufügen. Alle drängten sich nämlich in einer verzweifelten Bemühung irgendwohin ihr Auto abzustellen, ohne dass es einen Platz gäbe.

               Teneriffa entstand irgendwann vor sieben Millionen Jahren bei einem Vulkanausbruch, als es aus dem Meeresboden hervorgebrodelt ist. Die Insel entstand nicht auf einmal, es gab mehrere Eruptionen. Zum Beispiel das Gebirge Teno im Nordwesten der Insel, wo alle Touristen, die sich auf der Insel befinden, unbedingt das malerische Dorf Masca besuchen möchten (alle natürlich gleichzeitig, was wieder einmal die gleichen Probleme wie die oben beschrieben mit Parken zu Folge hat) war lange Zeit eine eigenständige Insel, bis es weitere Eruptionen mit dem Hauptkrater El Teide verbunden haben.

               Der Hauptkrater des Vulkans Las Caňadas hat 16 Kilometer im Durchmesser und ist von Bergen umsäumt – also mit den Resten des ursprünglichen Vulkans und bildet einen 45 Kilometer langen Kreis. Das ist wirklich eindrucksvoll. Ein kleines Stück des Kraterbodens – flach und mit dünnwachsender Vegetation bedeckt – kann man in der Nähe des Aussichtspunktes Los Roques sehen, sein Rest wurde von den jüngeren Lavaströmen bedeckt. Die bisher letzte Eruption ereignete sich im Jahr 1798 – schwarze Massen der relativ frischen Lava sind gut identifizierbar. Interessant ist, dass die Lava verschiedene Farben hat, sie kann schwarz, gelb, dunkelorange oder ockergelb sein, nach ihren Farben erhielten die Vulkane ihre Namen, wie „Montaňa Mostaza“ also „Senfberg“ oder Montaňa Blanca (Weißer Berg), obwohl er sicher nicht weiß ist. Alles ist durch den riesigen Kegel El Teide überschattet. Er ist mit seinen 3718 Meter der höchste Berg Spaniens (obwohl es die Spanier aus dem Festland nicht akzeptieren wollen und sie zwingen den Touristen die Information auf, dass der höchste Berg Sierra Nevada (3482m Seehöhe) ist. Die ECHTEN Spanier, die Andalusien für eine afrikanische Provinz halten, werden dann schwören, dass die Pyrenäen mit ihren 3404 Meter Seehöhe natürlich am höchsten sind. El Teide ist ein junger Vulkan, er entstand inmitten des alten Kraters Las Caňadas vor zweihunderttausend Jahren. Bis zur Höhe von 3550 Meter kann man mit einer Gondelbahn fahren, natürlich nur, wenn sie im Betrieb ist. Als wir dort waren, war sie es nicht, obwohl die Sonne strahlte. Oben gab es angeblich viel zu starken Wind. Ich war bereits es zu glauben. Als ich nämlich eine nur kleine Aussichtsanhöhe bestiegen hatte, hat mir der Wind meine Kappe weggeblasen. Aber auch von unten ist der Berg schön, die Karten für die Gondelbahn kann man ausschließlich im Internet kaufen und es ist nicht ganz einfach – möglicherweise gibt es dabei Schwierigkeiten nur für Analogmenschen, wie ich es einer bin. Der Aufstieg auf den Gipfel von El Teide ist nur mit einem Reiseleiter möglich und man muss ihn vier Monate vorausbestellen. Der Höhenunterschied, den man überwinden muss, beträgt 1300 Meter und das in der Seehöhe von beinahe 4000 Meter, wo die Sauerstoffsättigung ziemlich sinkt. Es ist also ohne vorherige Akklimatisierung ein anstrengendes Unternehmen. Aus den Hängen des El Teide steigen noch immer schwefelhaltige heiße Dämpfe mit einer Temperatur bis zu 85 Grad auf als Beweis, dass es irgendwo tief im Vulkaninneren noch immer keine Ruhe gibt.

               Die Lava hat wertvolle Metalle ausgespült, die in Las Caňadas in der Nähe der Minen San José gefördert wurden, aber auch Nährstoffe, die die Vulkanerde sehr fruchtbar machen. Der Wein wird bis in die Seehöhe von 1000 Meter angebaut, wie im Dorf Vilaflor, das Obst reift in den Glashäusern das ganze Jahr lang, das einzige Problem ist der Wassermangel. Großteil des Nutzwassers wird durch das Entsalzen des Meereswassers gewonnen, was ihm ein Hauch von Fischgeschmack und einen leicht salzigen Geschmack verlieht.

               Wenn man in eine Stadt fahren möchte, die attraktivste Destination ist Puorto de la Cruz im Norden der Insel. Es war einmal der Umlageplatz von Zuckerrohr, das hier nach der Besetzung der Insel durch Spanier angebaut wurde. Im neunzehnten Jahrhundert kamen Engländer hierher und bekamen eine Idee, hier Bananen anzubauen. Das brachte der Insel Prosperität und nach den erfolgreichen Bananenunternehmern begannen auch andere reiche Engländer hierher umzuziehen oder zumindest kurze Erholung zu suchen. Es entstanden die ersten Hotels und Villen im Kolonialstil, die man hier immer noch sehen kann. Der spanische Kolonialstil des Häuserbaus kann man in La Orotava sehen, in einem Tal mit vielen Quellen nördlich von Puerto de la Cruz, wo ursprünglich das Zuckerrohr angebaut wurde, es war das Tal mit der größten Menge zur Verfügung stehenden Wassers – heute wimmelt es sich hier von Touristen, die die Originalhäuser mit Holzbalkons sehen möchten, zumindest die, die das große Erdbeben im Jahr 1704 überlebt haben. Bananenplantagen befinden sich manchmal direkt in der Ortsmitte, wie in dem Städtchen Icod de la Vinos, wo man die „Casa de Plátanos“ besichtigen könnte.

„Plátano“ bedeutet zu meiner großen Überraschung „Banane“. Wir kennen Platanen in einer anderen Bedeutung und auch diese Bäume waren dort überall und sehr groß und imposant. Nach dem Wörterbuch, in das ich geschaut habe, haben die Spanier für Platanen und Bananen das gleiche Wort. Fragen Sie mich nicht, warum und wie sie dann das Obst von dem Baum unterscheiden können.

               Der berühmteste Baum auf der Insel ist der „Drachenbaum“. Es ist eigentlich eine Palmenart. Wenn man ihm einen Ast abschneidet – und das taten die Ureinwohner oft, weil der Harz dieses Baumes, das im Licht dunkelbraune Farbe gewinnt, für heilende Substanz gehalten wurde und die Ureinwohner aus ihm Heilgetränke und Salben bereiteten – wächst schnell nach wie einem Drachen der abgeschlagene Kopf. Deshalb bekam der Baum den poetischen lateinischen Namen „Dracanea Drago“.

Im Städtchen Icod de la vinos gibt es den ältesten Drachenbaum auf der Insel. Er ist fünf hundert Jahre alt, der Umfang seines Stammes beträgt sechs Meter. Er ist siebzehn Meter hoch und man kann ihn gut von der Terrasse der örtlichen Kirche sehen und fotografieren. In der Kirche des Heiligen Marcus gibt es das angeblich weltweit größte Filigrankreuz aus Silber, ein Geschänk des Gouverneurs von Havanna. Auch die schon genannte „Casa de Plátanos“ ist in der unmittelbaren Nähe und in diesem Städtchen wurde auch an die Touristen gedacht. Nicht nur, dass der Weg zu den örtlichen Attraktionen tadellos markiert ist, aber in ihrer unmittelbaren Nähe gibt es auch eine Tiefgarage und die Parkzeit wird nach Minuten abgerechnet, also absolut gerecht.

               Der größte Anziehungspunkt auf der Insel ist „Loro Parque“ in Puerto de la Cruz, vielleicht deshalb hat dieser Tierpark seine Werbung auf der Heckenscheibe jedes Mietautos auf der Insel. Obwohl „Loro“ Papagei bedeutet und es gibt dort wirklich hunderte Arten von dieser Vogelart, Loro Parque hat viel mehr als Papageien zu bieten. Er ist ein riesiger Tierpark und er bietet ein Programm für den ganzen Tag an. Kinder werden sicher alle drei Shows besuchen wollen, nämlich die Seehunde, Delphine und Papageien, nur für Besuch dieser drei Shows muss man den Besuch des Parkes auf mindestens vier Stunden ausdehnen.

Aber langweilig wird es dort nicht. Es gibt ein riesiges Aquarium, wo man durch einen Tunnel gehen kann und die Fische fast berühren könnte, große Menge von Pinguinen inklusiv der großen Kaiserpinguine, es gibt aber auch Löwen, Tiger, Panther oder Gorillas, also alles, was zu einem guten Tierpark gehört. Nur kein Panda, hier hat Schönbrunn doch die Nase vorne. Das Parken ist direkt im Gelände bei der Einfahrt oder in den umliegenden Straßen möglich.

               Es gibt einfach auf Teneriffa zu viel zu sehen. Ich werde noch einmal zurückkehren müssen. Mindestens, wenn der Regen aufhört und die Gondelbahn auf El Teide funktionieren würde. Dann bleibt zum Besuch noch der Botanische Garten in Puerto de la Cruz (leider auf dem anderen Ende der Stadt als Loro Parque), die Kathedrale in Candelaria mit einer Wunderstatue der Jungfrau Maria. Die Statue ist zwar ein „fake“, weil als das Original, das noch vor der Ankunft der Spanier auf die Insel angespült und von den Einheimischen verehrt wurde, von einer Flut ins Meer gespült wurde. Im Jahr 1827 fertigte der Künstler Fernando Éstevez eine Kopie an und zu der wird jetzt gepilgert. Die Kathedrale der Patronin der Kanarischen Inseln sollte man unbedingt besuchen. Ich schaffte es nicht, meine Frau wollte baden. Das verdammte Wasser im Hotelswimpool hatte die schon erwähnten neunundzwanzig Grad. Natürlich gibt es noch die Umgebung von La Laguna im Nordosten der Insel und die „Höllenkluft“ Barranco del Inferno nahe dem Dorf Adeje und sicher auch viel mehr.

               Ein Besuch dieser Insel ist einfach zu wenig. Und wer möchte sich stressen lassen? Die Einheimischen sicher nicht und mit ihrer Ruhe stecken sie bald auch die Besucher an.

               Mein Gott, wann habe ich das letzte Mal in meinem Leben bis halb neun geschlafen?

Aachen II

Die Kirche wurde von Karl dem Großen als ein riesiges Oktagon konzipiert und es ist voll mit Symbolik (bereits das Achteck symbolisiert den achten Tag der Schöpfung, also das Jüngste Gericht und mit ihm die Vollendung der Vollkommenheit.)

Diejenigen, die schon bei meinem Artikel über Köln bei der Beschreibung der dortigen heiligen Reliquien, die in der Stadt so eine wichtige Rolle spielten, den Kopf geschüttelt haben, werden jetzt wahrscheinlich mit der Stirn gegen die Wand schlagen. Karl ließ sich nämlich bei der Gelegenheit der Einweihung der Kirche vom Patriarchen von Jerusalem heilige Reliquien von unbezahlbarem Wert schicken. Es sind ausnahmeweise keine Knochen – in einem prächtigen vergoldeten Reliquiar befinden sich: Die Windel Jesu und sein Lendentuch vom Tag der Kreuzigung, das Kleid der Jungfrau Maria und das Tuch, in dem der Kopf des heiligen Johannes des Täufers eingewickelt war. Schon genug gelacht? Dann dürft ihr weiterlesen.

Also jetzt zur Symbolik dieser Kleiderstücke. Die Windel Jesu und sein Lendentuch symbolisieren die Geburt und den Tod, also den Kreislauf des menschlichen Lebens. Das Kleid Marias dann die Mutterschaft, also das Leben vor dem Leben und das Tuch des Johannes Täufers überbrückt den Neuen mit dem Alten Testament.

Die Stoffe werden seit dem Jahr 1349 (wieder einmal hatte der luxemburgisch-tschechischer deutscher Kaiser Karl IV. seine Finger im Spiel) jede sieben Jahre öffentlich ausgestellt. Und sie zeigen keine Zeichen eines Verfalls, obwohl sie nach der Karbonanalyse tatsächlich aus dem ersten Jahrhundert stammen – und das ohne jegliches Konservierungsmittel – das grenzt wirklich an einem Wunder.

In der Kirche gibt es noch ein Reliquiar – mit den Knochen ihres Gründers Karls des Großen. Dieser großer Verbreiter des Christentums – er verbreitete es mit Feuer und Schwert, wer sich nicht taufen ließ, verlor sofort seinen Kopf wie zehntausende unzähmbare und unnachgiebige Sachsen – wurde am 29.12.1165 vom Papst Paschalis III. auf das Ansuchen Kaisers Friedrich Barbarossas heiliggesprochen. Paschalis war allerdings ein Gegenpapst nach dem Willen des Kaisers – Barbarossa konnte nämlich das tatsächliche Oberhaupt der Kirche, den Papst Alexander III., nicht leiden. Karl der Große gilt also als heilig im deutschsprachigen Raum – genauer gesagt im Bereich des ehemaligen mittelalterlichen Römischen Reiches, von der allgemeinen katholischen Kirche ist er aber als ein Heiliger nicht anerkannt. Auf dem prächtigen vergoldeten Reliquiar gibt es eine Darstellung von 16 Königen, den Nachfolgern des Karls bis zu Friedrich II. – das Reliquiar schenkte dem Dom nämlich gerade dieser Enkel Barbarossas am Tag seiner Krönung am 27. Juli 1215. Interessant ist, dass die Analyse der Knochen bewies, dass sie wirklich von einer einzigen Person stammen und diese am Ende des achten Jahrhunderts lebte – es könnte sich also wirklich um die leiblichen Überreste Karls handeln. Der Leichnam war 184 cm groß, gehörte also für seine Zeit einem wirklich großen Mann. Er ist aber im Reliquiar nicht komplett, ein wichtiger Teil der Leiche fehlt – dazu kommen wir noch und hier hat wieder einmal Karl IV. seine Spielchen getrieben. Barbarossa war bei der Heiligsprechung Karls des Großen anwesend und er schenkte bei dieser Gelegenheit der Kirche einen gigantischen 265 Kilogramm schweren Leuchter, der von der Decke an einer 27 Meter langen Kette hängt. Die Kette ist gleich wie der Leuchter ein Original aus dem Jahr 1165 und wird in Richtung Kirchendecke breiter, um auszusehen, als ob sie in der gesamten Länge immer gleich dick wäre. Ihre 240 Glieder wiegen insgesamt 330 Kilogramm, also mehr als der Leuchter selbst. Auch der Leuchter ist voll mit Symbolik, er stellt das himmlische Jerusalem mit acht großen und acht kleinen Türmen und 48 Kerzen dar.

Der wichtigste Gegenstand in der Kirche ist der Krönungsstuhl der römischen Könige.

Im Dom wurde der Sohn Karls des Großen, Ludwig der Fromme, als der erste König gekrönt und diese Tradition wurde dann von Otto I. wiederbelebt. Seit dieser Zeit wurde zum römischen Herrscher nur der König anerkannt, der auf diesem Thron in der Kathedrale in Aachen vom Kölner Erzbischof mit der Krone, die Otto für diese Gelegenheit anfertigen ließ, gekrönt wurde. Diese Krone befindet sich heutzutage in der Schatzkammer der Hofburg in Wien. Es gab insgesamt dreißig Krönungen, die letzte spielte sich im Jahr 1531 ab, als Ferdinand I. zum deutschen König gekrönt wurde. Sein Sohn Maximilian II. hatte zu heiligen Reliquien eine distanzierte Stellung und seinem Enkel Rudolf II. war Aachen zu weit, um so eine Reise zu unternehmen. So starb diese Tradition am Ende des sechzehnten Jahrhunderts.

Um den Sinn für die Symbolik zu verstehen, müssen wir uns mit dem Thron länger beschäftigen. Der Thron ist nämlich selbst eine Reliquie. Die Marmorplatten, aus denen er gebaut ist, stammen angeblich aus der Kirche des Heiligen Grabes in Jerusalem. Das ist durchaus möglich, die Platten haben tatsächlich einen antiken Ursprung, auf einer von ihnen gravierten nämlich die römischen Legionäre das Spielbrett für ein in der damaligen Zeit beliebtes Brettspiel ein. Damit aber der Akt der Krönung noch mehr Symbolik hätte, wurde unter den Thron ein Beutel mit der mit dem Blut des ersten christlichen Märtyrers des heiligen Stefan durchtränkte Erde – also die Erde aus dem Heiligen Land – gelegt. Der König wurde also somit auf heiligem Boden gekrönt. Nur dann durfte der Kölner Erzbischof dem König die Krone Karls, also eigentlich Ottos I. auf das Haupt setzen, die speziell für diese Gelegenheit aus Nürnberg gebracht wurde. Die Krönungsinsignien der römischen Könige wurden auf zwei verschiedenen Plätzen aufbewahrt. In Nürnberg lag die Krone, das Kreuz, die heilige Lanze, der Reichsapfel, das Schwert, das Zepter und das Gefäß für das Weihwasser. In Aachen wurden dann der Beutel mit dem Blut des heiligen Stephans, das Reichsevangeliar und die Säbel Karls des Großen aufbewahrt.

Heute ist die Kirche mit Mosaiken geschmückt, die hier nach der Beseitigung der barocken Dekoration im neunzehnten Jahrhundert erschaffen wurden. In der Zeit Karls war die ganze Kirche weiß ausgemalt und lediglich die Metallartefakte wie die Geländer waren vergoldet. Es strahlten also in dem Kircheninneren nur zwei Farben – Weiß und Gold – die Farben des Heiligen Stuhls in Rom und damit eine klare kaiserliche Provokation im Kampf um die Vorherrschaft über die Welt. Wie schon gesagt, Karl mochte den Papst Alexander nicht.

Es ist unbedingt notwendig auch die Schatzkammer in Aachen zu besuchen. Auch hier finden wir Spuren Karls IV. Dieser Kaiser war nämlich der Namensvetter des Gründers des mittelalterlichen Weströmischen Reiches, und zwar nach langen 461 Jahren. Seit dem Tod Karls III., des Dicken im Jahr 888 gab es keinen weiteren Karl auf dem römischen Thron. Der Name war nämlich im deutschsprachigen Raum unüblich und auch Karl IV., eigentlich mit eigenem Namen Wenzel, nahm diesen Namen bei seiner Firmung in Frankreich an, wo sein Pate sein Onkel, der französische König Karl IV. der Schöne, war. Karl IV. schenkte der Schatzkammer zwei Reliquiare. Ein davon in einer traditionellen Form eines Gebäudes mit gotischen Türmen. Es ist dadurch interessant, dass der Autor hier vollkommen falsch den Dom in Aachen dargestellt hat – offensichtlich kannte er ihn nur vom Hören und das Reliquiar erstand im fernen Prag. Das zweite Reliquiar ist eine äußerst skurrile Angelegenheit. Es ist wahrscheinlich die berühmteste Büste der Welt. Sie stellt Karl den Großen mit einer Krone auf dem Haupt dar. Gerade mit dieser Krone wurde Karl IV. im Jahr 1349 zum römischen König gekrönt – nur danach landete sie auf dem Haupt der Büste seines berühmten Vorgängers. Die richtige Krone Ottos I. hatten damals nämlich die Söhne von Karls Vorgänger, Ludwig IV. des Bayern, im Besitz und wollten sie nicht herausgeben. Aber wie sollte man die Krönung mit einer Krone, die das Haupt der Gründer des Weströmischen Reiches nachträglich getragen hat, anzweifeln? Der Deckel der Büste ist abklappbar und drinnen befindet sich der Schädel Karls des Großen. Durch die Initiative Karls IV. wurde jeder neue angehende römische König in den Toren der Stadt Aachen mit dieser Büste empfangen. Er musste den Deckel abklappen und den drinnen versteckten Schädel küssen. Ein bisschen skurril und sicherlich nicht gerade hygienisch, aber das konnte keinen einzigen Königskandidaten zur Verweigerung dieser Zeremonie ermutigen. Bis zu Maximilian II.  

Neben diesen Reliquiaren gibt es in der Schatzkammer auch andere Schätze, unter ihnen auch „Der Tschechische Flügelaltar“ mit Darstellung des heiligen Wenzel. Nach Aachen kam es irgendwann in der Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts, als in Tschechien Georg von Podiebrad herrschte, der dauernd mit dem Papst im Streit bezüglich seiner Rechtsgläubigkeit lag. Keine Ahnung, warum gerade zu dieser Zeit ein Reliquiar aus Prag nach Aachen kam. Aber es gab in dieser Zeit in Böhmen auch eine reiche katholische Opposition, die sich nach politischer Unterstützung von Gott und Kaiser sehnte und bereit war, diesbezüglich etwas zu investieren.

In der Empfangshalle des Rathauses in Aachen überraschte mich das Bild des Sohnes Karls IV. Sigismunds. Er ist auf der Wand, das dem Bild Karls des Großen gegenüber liegt, dargestellt. Ich habe keine Ahnung, warum gerade er so geehrt wurde. Vielleicht war die Wand im neuen Gebäude gerade frei. Oder hat sich es dieser Kaiser irgendwie verdient, ich weiß aber nicht wodurch.

 Den Namen Karls des Großen trägt auch der Karlspreis oder genauer seit 1988 „Internationaler Karlspreis zu Aachen“, den diejenige Person oder Organisation verliehen bekommt, die sich am meisten für die Vereinigung Europas eingesetzt hat. So wie der Kaiser das ganze damalige Europa unter seinem Zepter vereinigen versuchte. Die Preisträger sind manche großen Europäer, 1954 Konrad Adenauer, 1955 Winston Churchill, aber auch Nicht-Europäer, wie im Jahr 1959 George Marschall, der Vater des Wiederaufbauplanes Europas. Aus den neueren Zeiten dann 1987 Henry Kissinger, 1988 Helmut Kohl und Francois Mitterand und 1991 Vaclav Havel. 1995 ging dieser Preis an Franz Vranitzky, offensichtlich für seinen Verdienst für Beitritt Österreichs zu EU. 2008 wurde Angela Merkel mit diesem Preis geehrt, die Preisträger aus dem Jahr 2020 sind die Anführer der weißrussischen Opposition der letzte Preisträger aus dem Jahr 2021 ist der rumänische Präsident Klaus Johannis.

Aachen ist beeindruckend und sehr schön. Besonders für Geschichteliebhaber ist die lange Reise in diese Stadt viel wert. Aachen ist nicht wirklich nah, es liegt nämlich nah an der Grenze dreier Länder – es gibt hier einen Dreiländerpoint Deutschland, Niederlande und Belgien (dieser Punkt mit 322 m über dem Meeresspiegel ist zugleich der höchste Berg der Niederlande. Wenn ihr also Niederlande von oben schauen möchtet….

Aachen I

            Aachen verdankt seinen Ruhm einer Schwäche eines starken Mannes. Kaiser Karl der Große hatte nämlich für das frühe Mittelalter eine seltsame Vorliebe – er hat nämlich sehr gern gebadet.

            Als er dann einen Ort suchte, von dem er sein ausgedehntes Reich regieren könnte, suchte er ihn natürlich in seiner geographischen Mitte (deshalb ist auch heute die Hauptstadt Europas Brüssel, das von Aachen nicht weit entfernt ist), entscheidend für seine Wahl waren aber warme Quellen, die hier aus dem Boden sprudelten und die bereits in den römischen Zeiten berühmt waren.  Sie wurde laut einer Legende vom römischen Legionär namens Granus Severus entdeckt (der historisch nicht belegt ist), deshalb hieß die Stadt in den römischen Zeiten Aquae Grani.

Die Quellen haben übrigens eine heilende Wirkung, lässt euch nicht durch eine Aufschrift verirren, auf der steht, dass es sich nicht um Trinkwasser handelt. Ich war wirklich erschrocken, als ich diese Aufschrift entdeckte, da ich bereits das Wasser in größeren Mengen gekostet hatte (erstens war ich durstig, zweitens neugierig). Ich stellte mir sofort vor, welche Folgen dieser Genuss für mich haben könnte, wenn das Wasser durch irgendwelche todbringenden Bakterien verscheucht wäre. Meine Sorgen waren umsonst. Die Angabe, dass es sich nicht um Trinkwasser handelt, ist nicht deshalb hier, weil das Wasser verschmutzt oder infiziert wäre, sondern weil es als Medikament registriert ist. Also kein Trinkwasser, dafür ein therapeutisches Produkt. Man kann es also ohne Sorge trinken. Es hat einen intensiven Geschmack, es ist relativ salzig und stinkt nach Schwefel. Es sprudelt auf der Kolonnade im Elisenbrunnen und erhält Natrium, Kalium Phosphat und Schwefel. Seine Temperatur an der Quelle ist 53 Grad Celsius, also man musste das Wasser für den kaiserlichen Bad abkühlen. Was einfacher war, als wenn man es aufwärmen hätte müssen.

            Karl ließ hier Ende des achten Jahrhunderts eine kaiserliche Pfalz bauen und dank seiner rheumatischen Probleme verbrachte er hier die letzten sieben Jahre seines Lebens. Die Pfalz macht noch heute einen imposanten Eindruck, sie wird durch den geräumigen Katchhof gebildet, gerahmt auf dem oberen Rand von dem monumentalen Gebäude des Rathauses und auf dem unteren von dem noch größeren Dom. Beide Gebäuden sind imposant und ergänzen sich hervorragend. Beim Eintritt in den Katchhof stockt dem Besucher der Atem. Zum 1200 Jahre Jubiläum des Todes Karls des Großen (er starb im Jahr 814) wurde ein historisches Zentrum Carlemagne eingerichtet, wo ein Besucher seine Reise durch die Geschichte von Aachen beginnen sollte. Ich begann sie nicht, das Personal war gerade auf einem Betriebsausflug (man schrieb das Jahr 2016 und es war noch vor Corona, das mit solchen, für Touristen unakzeptablen Veranstaltungen einen Schluss machte). Ich musste es also akzeptieren, es blieb mir mehr Zeit, um die Schönheit der Stadt zu bewundern. Es gab nämlich mehr als genug zu sehen auch ohne das Museum des großen Karls.

            Das Rathaus ist auf jeden Fall besuchswert. Es ist ein riesiges gotisches Gebäude, es wurde im Jahr 1349 vollendet und steht an der Stelle des ehemaligen Palastes Karls.

Hier, im ersten Stockwerk, tafelten römische (eigentlich deutsche) Könige nach ihrer feierlichen Krönung. Der Palast verkam aber mit der Zeit, der König, der als der letzte in den alten Räumlichkeiten aß, war Rudolf von Habsburg. Er schaffte es, das ganze feierliche Festmahl in einer Stunde zu verzehren, wobei er die ganze Zeit mit Sorge die Decke beobachtete, die mit einem Einsturz drohte und mit dem Staub aus den lockeren Backsteinen dem König seine Suppe verfeinerte. Die Bürger der Stadt entschieden also das verfallene Gebäude im Jahr 1330 abzureißen (keine weiteren Herrscher nach Rudolf trauten sich dort zu essen) und bauten an seiner Stelle ein neues Rathaus. Den Saal für die feierlichen Gastmähler der frischgekrönten Könige bauten sie aber wieder, es war für die Stadt lebenswichtig, dass diese Tradition wiederbelebt wurde – der Saal befindet sich im ersten Stock und er ist atemberaubend, Mit seiner Größe 45 x 18,5 Meter und mit 100 gotischen Bögen gehörte er zu den größten Europas. An den Wänden gibt es 5 Fresken aus dem Leben Karls des Großen, drei weitere wurden im zweiten Weltkrieg vernichtet. Als erster schmauste in dem neuen Sal der Namensvetter Karls des Großen, Kaiser Karl IV. nach seiner Krönung im Jahr 1349 – diesem Herrscher begegnen wir in Aachen noch mehrmals.

Königssaal im Rathaus

            Aachen war die einzige deutsche Stadt, die von den Alliierten noch im Jahr 1944 eingenommen wurde. Nach schweren sechs Wochen dauernden Kämpfen ist es gelungen, die Stadt am 21. Oktober 1944 einzunehmen. Die Front stabilisierte sich dann hier für eine lange Zeit, das nicht weit entfernte Köln wurde erst Ende März 1945 erobert. Mit der Besetzung von Aachen ist eine Geschichte verbunden, die für mich fast unglaubwürdig klang. Die Amerikaner suchten nach der Einnahme der Stadt eine Person, die sie als den Bürgermeister einsetzen könnten. Sie fanden sie in Franz Oppenhof, einem katholischen Nazigegner. Er nahm die Sache eher diktatorisch als demokratisch in die Hand, er feierte aber mit seinem Zugang unübersehbare Erfolge. Im Winter 1944/1945 ist es ihm gelungen das Krankenhaus wieder in Betrieb zu nehmen, die Wasserversorgung wurde wiederhergestellt und es begann der Verkehr und die Infrastruktur zu funktionieren. Damit hat er sein Todesurteil besiegelt. Wenn ihn die Nazis hinter der Front im Herbst 1944 nur bedrohten und warteten, dass er sich selbst und die neue Besatzungsmacht durch Misserfolge diskreditierten und „das erbitterte Volk“ ihn mitsamt seinen amerikanischen Beschützern vertreiben würde, seine Erfolge hatten eine Entscheidung zu Folge, den „Verräter und Kollaborateur“ physisch zu liquidieren. Am 25. März 1945, also nur sechs Wochen vor dem Kriegsende, wurde Oppenhof von einem Fallschirmjägerkommando SS ermordet, die Himmler mit dieser Aufgabe hinter die Front entsandte.

Im unteren Teil der Pfalz steht der Dom, den Karl der Große erbauen ließ.

Es wird eine Legende erzählt, wonach es die Bürger der Stadt mit dem Bau nicht eilig hatten und die Mittel, die der Kaiser für den Bau zu Verfügung gestellt hatte, zu anderen Zwecken verwendeten. Dann hat der Kaiser unerwartet seinen Besuch der Stadt angekündigt und in der Stadt brach Panik aus. Karl war bekanntlich nicht zimperlich, wenn es um die Bestrafung des Ungehorsams ging. Wenn er böse war, konnte er sehr grausam sein und jetzt mussten die Bürger mit seinem Zorn rechnen. In diesem Moment der Verzweiflung erschien in der Stadt ein Bettler, der die Vollendung der Kirche in einem einzigen Tag versprach. Allerdings mit der Bedingung, dass die erste Seele, die die neue Kirche betritt, ihm gehören würde. Er war der Teufel persönlich. In der Angst vor dem zornigen Kaiser sahen die Bürger keine andere Wahl als diesem Angebot zuzustimmen. Am nächsten Tag war der Dom fertig. Die Bürger von Aachen fanden aber eine Lösung aus dem Schlamassel herauszukommen. Wenn der Teufel damit gerechnet hatte, dass als erster die Kirche der Kaiser persönlich oder zumindest der Erzbischof betreten würde, haben die Bürger eine Wölfin in die Kirche getrieben. Der Teufel warf sich auf sie und als er erkannte, dass er überlistet wurde, lief er mit einem furchtbaren Schrei aus der Kirche heraus. Er schlug die Tür hinter sich so stark zu, dass auf dem Klopfer sein Daumen blieb und die Tür bis heute einen Riss rechts unten hat. Die Wölfin aus Bronze steht dann direkt in der Eintrittshalle der Kirche. Ihre Anwesenheit auf dieser Stelle ist bereits im Jahr 1320 belegt.

Köln II – die Neuzeit

Die Universität in Köln wurde im Jahr 1388 gegründet, interessant daran ist, dass es sich um die erste Universität handelte, die aus der Initiative der Bürger und nicht des Herrschers entstand und die Stadt finanzierte sogar ihren Betrieb. Das reiche Bürgertum wurde nämlich überheblich und war nicht bereit, die Herrschaft ihres Landherren, des kölner Erzbischofs, ohne weiteres hinzunehmen. Der erste Konflikt im Jahr 1258 konnte noch der bereits erwähnte Albertus Magnus schlichten, im Jahr 1262 entflammte aber dieser Konflikt mit voller Intensität erneut. Dazu wird folgende Legende erzählt. Zwei Prälaten, angestiftet von Erzbischofs Engelbert II. von Falkenburg, luden den Bürgermeister Hermann Grin zum Frühstück. Sie teilten ihm aber nicht, dass er selbst die Hauptspeise sein sollte. Als er den Saal betrat, ließen sie einen ausgehungerten Löwen auf ihn los. Der tapfere Bürgermeister verlor nicht die Schlagfertigkeit. Er wickelte seinen Mantel um die Hand, steckte ihn dem Raubtier in die Kehle und stach es dann mit seinem Schwert nieder. Die Prälaten wurden gehängt, der Erzbischof aus der Stadt getrieben. Ein Bürgermeister namens Hermann Grin existierte zwar nachweislich nicht, die Szene seines Kampfes mit dem Löwen ist aber ein dankbares Motiv und ein Relief mit ihrer Darstellung findet man im Rathaus im sogenannten „Löwenhof“ sowie auch im Stadtmuseum.

Das Faktum ist aber, dass die Erzbischöfe auf die Macht in ihrer Stadt nach der Schlacht bei Woringen im Jahr 1288 verzichten mussten. Im Besitz der kölner Erzbischöfe blieb nur der Stadtteil Deutz auf dem rechten Rheinufer.

Weil die Universität in Köln dank ihres fundamentalen Katholizismus zu einer Bastion des Konservatismus wurde, wurde sie im Jahr 1794 nach Einnahme der Stadt durch die französische Revolutionsarmee aufgelöst und musste auf ihre Neugründung bis 1919 warten. In der Stadt wurden trotzdem zahlreiche berühmten Männer geboren oder sie wirkten hier. An der Jesuitenschule unterrichtete Georg Simon Ohm. Es wurde hier der Komponist Jacques Offenbach geboren, der zwar nur später während seines Aufenthaltes in Paris berühmt wurde, ein Denkmal in Köln hat er aber trotzdem. Nikolaus August Ott erfand hier den Viertaktmotor, ein Prototyp des Motors, der heute in jedem PKW seinen Platz hat, solange er nicht mit Strom angetrieben ist. Im Jahr 1848/1849 wirkte hier, und wollte die Revolution führen, ein bestimmter Karl Marx, hier wurde auch der Nobelpreisträger Heinrich Böll geboren. Böll war ein der wenigen Autoren aus dem Westen, der seiner kritischen Einstellung zum Kapitalismus wegen seine Bücher sogar in den kommunistischen Ländern vor dem Jahr 1989 publizieren durfte.   

Natürlich darf man nicht das Kölnische Wasser vergessen. Wer würde es nicht kennen? Für meine Großmutter war jedes männliche Parfum einfach „kolinska“. Im Jahr 1709 begann Johann Maria Farina sein Riechwasser unter dem Namen „Aqua mirabilis“ also „Das Wunderwasser“ zu verkaufen.

Er selbst behauptete, dass er einen Duft „frisch wie ein italienischer Morgen“ erfunden hätte (Es wurde zwar von seinem Landsmann Giovanni Paolo de Feminis erfunden, der aber offensichtlich vergessen hat, sich seine Erfindung patentieren zu lassen.) und seine Kunden waren bereit ihm es zu glauben. „Aqua mirabilis“ wurde nicht nur als Parfum verkauft, sondern auch als Heilwasser, es wurde auch bei Krankheiten der Haustiere verwendet und sollte sogar gegen Pest geholfen haben. Seinen heutigen Namen bekam das Wasser von französischen Offizieren im Siebenjährigen Krieg, die sich gegen den unerträglichen Gestank in der von ihnen eingenommenen Stadt mit den im Parfum eingetauchten Taschentüchern schützten und die Erfindung Farinas „Eau de Cologne“ benannten. Diese schützende Wirkung des Kölner Wassers für die Nase war in allen damaligen Städten willkommen und aus dem Wasser wurde ein sehr profitabler Exportartikel. Das Patent für seine Produktion erhielt letztendlich der kölner Geschäftsmann Wilhelm Mühlens. Seit dem Jahr 1810, als Napoleon verboten hatte, das „Eau de Cologne“ als Heilwasser zu verkaufen, funktioniert es nur mehr als Parfum – aber funktioniert noch immer.

Der bekannteste Bürger von Köln in der Neuzeit war wahrscheinlich Konrad Adenauer, der Gründer des modernen Deutschlands und ein der Hauptkonstrukteure des vereinten Europas. Aus diesem Grund ist er auch ein Preisträger des Karlspreises, der in dem nicht weit entfernten Aachen jedes Jahr verliehen wird. Adenauer erhielt ihn im Jahr 1954. Adenauer war der Bürgermeister von Köln in den Jahren 1919 – 1933, bis er aus dem Amt von Nationalsozialisten vertrieben wurde. Danach zog er sich zurück und blieb eine Privatperson. Nach der Einnahme von Köln durch die Amerikaner wurde er wieder in sein Amt eingesetzt und  in den Jahren 1949 – 1963 war er der erste Kanzler des Nachkriegsdeutschlands.

Es ist nur logisch, dass der Pazifist Adenauer gerade aus Köln stammte. Die Ausrufung der Deutschen Republik im Jahr 1918 begrüßte er mit den Worten, dass dieser Akt das Ende des preußischen Militarismus bedeutete. Köln hatte es nie eilig, sich in irgendwelche militärischen Angelegenheiten einzumischen. Im Dreißigjährigen Krieg hielt es eine strenge Neutralität, daher erlitt es kaum Schaden – im Gegensatz zu Deutz, das von den Schweden erobert und vernichtet wurde, weil der Erzbischof sich logischerweise auf der katholischen Seite geschlagen hat. Die Kölner konnten auch bedeutend besser mit der französischen als mit der preußischen Verwaltung umgehen, die nach dem Jahr 1815 in Folge des Wiener Kongresses der französischen (1794 – 1814) folgte. Sie kämpften übrigens in der Völkerschlacht bei Leipzig in der Armee Napoleons, weil Frankreich damals den Rhein als seine Ostgrenze erreichte (wovon schon Ludwig XIV. träumte und viel Böses in dieser Region anrichtete.) Der „Misjö Amman“ (Monsieur Amtmann) war den Bürger von Köln viel sympathischer als der „Herr Schnurbartkowski“ – diesen Spitznamen bekamen die Preußen wegen ihrer Vorliebe einen Schnurbart zu tragen. Erst nach den siegreichen Kriegen gegen Österreich im Jahr 1866 und anschließend gegen Frankreich 1871 konnten sich die Kölner mit dem deutschen Staat identifizieren. Ein bisschen französisch sind sie aber trotzdem geblieben.  In Köln gibt es 4000 Bars und Restaurants, was die höchste Dichte der Gasthäuser auf die Bevölkerungszahl in Europa ergibt.

Möglicherweise aus diesem Grund war Konrad Adenauer, von der Natur her ein Pazifist, bereit, de Gaulle, einem Soldaten mit Körper und Seele, die Hand zu reichen, damit sich das Schrecken eines vernichtenden Krieges in Europa nie mehr wiederholen konnte. Der EGKS Vertrag (Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl), den sechs damaligen europäischen Staaten unterschrieben – neben Deutschland und Frankreich auch Belgien, Niederlande, Luxembourg und Italien – aus dem Jahr 1957, war der Grundstein der heutigen Europäische Union. Adenauer hat sich sein Denkmal, das in Köln neben der Kirche der Heiligen Apostel steht, sicher verdient.

Köln ist seit langer Zeit keine katholische Bastion mehr. Die Preußen brachten Protestantismus in die Stadt, die Katholiken bilden in der Stadt eine 44% Minderheit. 12 Prozent der Bevölkerung bekennt sich zum Islam – und das sind Angaben aus dem Jahr 2013, also noch vor der Flüchtlingskrise aus dem Jahr 2015!  Wenn aber die absolute Mehrheit der türkischen Frauen, die hierher in den siebziger Jahren, als Deutschland billige Arbeitskräfte für seine Fabriken suchte, eingewandert sind, keine Kopftücher trugen (Kopftuch zu tragen wurde in der Türkei vom Präsidenten Atatürk sogar verboten) rennen heutige moslemische Frauen durch die kölner Straßen mit den Kopftüchern auf dem Haupt und in den traditionellen Mänteln, die bis zum Boden reichen. Die Zeiten haben sich geändert und ich bin mir nicht sicher, ob zu Besserem.

Die Kölner passen aber vor allem auf ihre Lebensqualität auf, sie bekennen sich aber auch zu alten Traditionen. Wenn man sich in Köln ein Bier bestellt, erlebt man eine Überraschung. Das Bier „Kölsch“ ist durchaus trinkbar, wird aber in zwei Deziliter großen (eigentlich kleinen) Gläsern – Stangen – serviert. Es ist deshalb so, weil das „Kölsch“ nach einem Rezept aus dem Jahr 1516 gebraut wird nach der Anordnung des Kaisers Maximilian I. (der Köln sehr mochte und mehrmals besuchte) nur in diesen Gläser angeboten werden darf.

Angeblich deshalb, weil, wenn es länger steht und lüftet, nicht mehr trinkbar ist. Man kann das glauben, muss man aber nicht, ich war nicht bereit, das Bier so lange stehen zu lassen, um sich darin Klarheit zu verschaffen. Wenn man Bier in einem anderen Gasthaus bestellt, bekommt auch ein übliches Krügel. Vom Preis her kommt das auf das gleiche Geld, nur die Kellner in den Kölner Brauhäusergaststätten müssen viel schneller laufen. Entscheidend ist der Strich auf dem Bierdeckel – wie viele Striche, soviel zahlt man. Wenn der Kellner im Stress vergessen hat, einen Strich zu machen, hat er Pech. Wenn man von dem Bier bereits genug hat, legt man den Deckel auf das Glas. Das ist ein Zeichen, dass man kein weiteres Bier will. Sonst kriegt man das nächste gleich, wenn man das vorige ausgetrunken hat – es ist doch klar, dass man mit einer „Stange“ den Durst nicht stillen kann. Aber aufpassen! Wenn man mit den Gläsern mit Kölsch anstoßen will, dann tut man das mit dem Glasboden, nie – wie sonst üblich ist – mit dem oberen Glasrand. Es gibt zwar keine Gefahr, dass die „Stange“ dadurch zerbrechen könnte, aber so ein Anstoßen gilt in Köln als unanständig.

Das Lebensmotto der Kölner Bürger nämlich lautet: „Wenn wir schon einmal leben müssen, dann zumindest gut.“

Sympathisch, oder?

Übrigens, die „Kölner card“ zu kaufen, zahlt sich nicht wirklich aus, wenn man vorhat, sich im Stadtzentrum zu bewegen. Die Ermäßigungen in den Museen waren nur marginal, der einzige Vorteil war die Benutzung der U-Bahn und der öffentlichen Verkehrsmittel. Was man aber für den Besuch des historischen Stadtzentrums nicht unbedingt braucht.