In Tschechien ist Passau – historisch gesehen – mit negativen Emotionen verbunden. Im Jahr 1611 lud Kaiser Rudolf II. Passauer Truppen nach Prag zur Hilfe und weigerte sich dann sie zu bezahlen. Die Soldaten wüteten demzufolge in Prag und in Südböhmen, um sich den entgangenen Sold mit Gewalt zu nehmen. Damals rettete die Tschechen der alte Petr Vok von Rosenberg, der die raubenden Truppen auszahlte und sie zogen nach Süden ab. Dieses negative historische Ereignis steht in einem direkten Zusammenhang mit der Zeit, als die Habsburger das erste Mal an der enorm reichen Stadt ihr Interesse zeigten. Im Jahr 1598 ist es ihnen gelungen, den jüngeren Bruder des späteren Kaisers Ferdinand II. Leopold zum Passauer Bischof zu installieren, obwohl der Bursche damals gerade zwölf Jahre alt war. Dreizehn Jahre später verstrickte er sich in die oben beschriebene Prager Angelegenheit. Er wurde niemals zum Priester geweiht, verließ nicht nur Passau, sondern auch den Kirchendienst und heiratete die junge Witwe Katharina Medici. So viel also zu dieser nicht gerade berühmten Episoden in der Passauer Geschichte.

            Aber lassen wir die Emotionen bei Seite.

            Passau, genannt „Drei Flüsse Stadt“, ist nämlich eine der schönsten deutschen Städte. Hier fließt der blaugrüne Inn mit der dunklen Donau zusammen und zu den zwei großen Strömen gesellt sich der kleinere Fluss Ilz. Der Inn wirkt mächtiger als die Donau, weil aber der Fluss den Namen des Stromes bekommt, der seine Richtung hält, geht hier der Inn zu Ende. Der Inn bring tatsächlich weniger Wasser als die Donau, weil er hier die Tiefe von lediglich zwei Metern hat und die Donau sechs Meter tief ist, es ist aber faszinierend zu beobachten, wie Inns helles Wasser den dunklen Strom der Donau verdrängt, weil der Inn wilder ist und das Wasser der Donau ein Problem hat, sich gegen seinen Strom durchzusetzen.

            Passau war immer eine bedeutende Stadt – und eine reiche Stadt. Es ist allerdings nicht durch Arbeit seiner Bürger und von ihnen produzierter Ware reich geworden, sondern das Geschäft mit Salz war die Quelle des Reichtums. Passau war viele Jahrhunderte lang der Umschlagplatz für Salz auf dem Wege von Salzkammergut nach Tschechien. Hier begann  der so genannte „Goldener Pfad“, der in mehreren Richtungen durch den Böhmerwald führte, der älteste von diesen Wegen endete in der Stadt Prachatice. Der Zoll auf Salz, das auf dem Inn transportiert wurde, war die Quelle des Wohlstandes der Stadt. Die Häfen für Schiffe mit Salz sind noch heute am Ufer des Inns entlang der Promenade Innkai unter der Stadtmauer sichtbar.

            An der Stelle von Passau gab es bereits in den römischen Zeiten eine kleine Festung namens Batavis, ein Vorposten des Limes Romanus, der das Römische Reich gegen germanische Angriffe von Norden schützen sollte. Die Römer gaben die Grenze an der Donau Mitte des fünften Jahrhunderts auf und ihre Kastelle verödeten. Im nächsten Jahrhundert kamen hierher germanische Bajuwaren und gründeten auf der Halbinsel am Zusammenfluss eine Burg – den Kern der heutigen Stadt. Bereits im Jahr 739 ist Passau als ein Bischofsitz genannt. Die Sternstunde der Stadt schlug aber im Jahr 1217, als Kaiser Friedrich II. den Bischof von Passau zum Reichsfürsten beförderte, der weiterhin nur dem Kaiser persönlich unterstellt war – so sollte es bis zum Jahr 1803 bleiben. Im Jahr 1225 erhielt Passau die Stadtrechte und dem wachsenden Wohlstand der Stadt stand nichts mehr im Wege. Also fast nichts. Es gab doch ein kleines Problem. Die Bürger der Stadt verstanden sich nämlich mit dem Bischof, der sich auf dem gegenüber liegenden Ufer der Donau seine Burg Oberhaus Veste bauen ließ, nicht besonders gut. Es folgte eine Reihe von Aufständen und Kämpfen, in denen die Bürger versuchten, sich von der kirchlichen Herrschaft zu befreien, es gelang ihnen aber nie. Nach der entscheidenden Schlacht im Jahr 1368, in der 200 Passauer Männer starben, durften diese nicht einmal in der geweihten Erde begraben werden – als Aufständische gegen einen kirchlichen Herrscher befanden sie sich logischerweise in einem Kirchenbann.

            Zum Oberhaus konnte man sich mit einem Bus fahren lassen, der Ticketpreis wurde dann vom Eintrittspreis in die Burg abgezogen. Man kann zur Burg zu Fuß über die Luipoldsbrücke gelangen, deren Bau einmal in Passau ähnliche Proteste auslöste, wie der Bau des Eifelturmes in Paris. Ein berühmter Passauer Schriftsteller, dessen Namen ich leider vergessen habe, hat aus Protest gegen die neue Brücke die Stadt verlassen und ist niemals zurückgekehrt. Danach führt der Weg bergauf auf der Ludwigstiege – es ist ein schöner romantischer Spaziergang, an seinem Ende wird man mit wunderschönen Ausblicken vom Bischofssitz auf die Stadt belohnt. In der Burg gibt es eine schöne und informative Ausstellung über die Stadtgeschichte, man merkt, dass die Zusammenstellung jemand machte, der sich in der Geschichte auskannte und seine Stadt wirklich mochte. Das Niederhaus, das direkt auf dem Zusammenfluss von Donau und Ilz steht, ist im Privatbesitz und ein Besuch ist deshalb nicht gestattet. Über die Festung flatterte eine schweizerische Fahne und weil eine Menge der Kreuzfahrtschiffe, die Touristen auf der Donau transportieren, ebenfalls unter der schweizerischen Fahne fährt, bietet sich ein Zusammenhang an. Sollte ich der Besitzer einer solchen Schiffgesellschaft sein, könnte ich meinen Sitz nicht besser wählen.

Unterhaus mit Oberhaus im Hingtergrund

            Passau trat gleich mehrmals in die europäische Geschichte und ist auf seine Geschichte auch gehörig stolz, man findet ihre Präsentation in der Stadt überall.

            In Passau entstand das Nibelungenlied, die berühmteste altdeutsche Sage. Der Autor blieb zwar unbekannt, es war offensichtlich ein Beamter des Bischofsamtes. Die Tafel über die Entstehung des Epos ist an der Wand des ehemaligen Bischofsamtes in der Nähe des Passauer Doms platziert. Im Rathaus ist dann ein monumentales Bild der Ankunft der Königin Krimhild in die Stadt Passau.

Krimhild war auf dem Weg zum Hunnenkönig Atilla, um ihn zu heiraten und sich seine Hilfe bei der Rache für den Tod ihres ersten Mannes Siegfried zu holen. Zum Treffen mit Atilla kam es in Tulln, dort ist dieses Ereignis mit einem Monument am Donauufer verewigt. Obwohl sich die Geschichte des germanischen Massakers am Rheinufer und dann in der Burg Atillas irgendwo in Pannonien abspielte, die Idee, über die heldenhaften, rachsüchtigen und heimtückischen Burgunden ein Heldenepos zu schreiben, entstand am Zusammenfluss von Donau und Inn.

            In Passau wurde im Jahr 1552 Passauer Vertrag unterschrieben, der Religionsfreiheit im Reich garantieren sollte und er war die Basis für den Beschluss des sogenannten Augsburger Friedens drei Jahre später. Der Leitsatz „Cuius regio, eius religio“, also „wessen Regierung, dessen Religion“ war ein Kompromiss, der die Kämpfe zwischen Katholiken und Protestanten beenden sollte. Dieser Frieden, ein Meisterstück der Diplomatie Kaisers Ferdinand I. (zu dieser Zeit erst nur des tschechischen und ungarischen Königs und österreichischen Erzherzogs – zum Kaiser sollte er dann später nach der Abdankung seines Bruders Karl im Jahr 1556 werden) hielt nur bis zum Jahr 1618 – dann explodierte die angesammelte Spannung und ging in das Grauen des Dreißigjährigen Krieges über, eines der grausamsten Konflikte der Menschengeschichte. Der Passauer Vertrag fand auch seinen Platz auf einem Bild im Passauer Rathaus.

            Die dritte berühmte geschichtliche Episode ist mit dem Aufenthalt Kaisers Leopold I. in der Stadt im Jahr 1683 verbunden.

Dieser hässlichste von allen Habsburgern hat hier geheiratet (diese Hochzeit verdiente sich ein weiteres monumentale Bild im Rathaus gegenüber dem Bild der Königin Krimhild) und durch seine Gebete gelang es ihm angeblich gerade hier, die türkische Expansion und die Eroberung von Wien abzuwehren. Dieser Geschichte ist ein vernichtender Stadtbrand im Jahr 1662 vorausgegangen. Noch bevor es gelang, die Stadt neu zu bauen, feierte hier Leopold I. im Jahr 1676 seine Hochzeit mit Eleonore Magdalena von Pfalz – es war bereits seine dritte Hochzeit, aber gerade aus dieser Ehe gingen beide späteren Kaiser Josef I. und Karl VI. hervor. Aus den beiden früheren Ehen überlebte nämlich von insgesamt sechs Kindern nur eine einzige Tochter ihren ersten Geburtstag. Möglicherweise deshalb war das gerade Passau, wohin sich der Kaiser zurückzog, als sich Wien eine riesige türkische Armee unter der Führung des Großwesirs Kara Mustafa Pascha näherte. In der Zeit, als Wien unter dem Kanonenbeschuss der Belagerer litt, betete „Türken-Poldi“, wie dieser Herrscher noch heute in Österreich genannt wird, in der Kirche „Maria-Hilf“ am rechten Innufer.

Heute ist dieser Stadtteil das einzige Stück Deutschlands am rechten Innufer, der Rest des östlichen Passauer Territoriums fiel im Jahr 1779 in Folge des so genannter „Friede von Teschen“ an Österreich. In der gleichen Zeit, als der Kaiser vor dem Votivbild Mariahilf in Passau kniete, vernichteten die türkischen Kanonenkugeln die Kirche Mariahilf in Wien (das dortige Votivbild Jungfrau Marias gelang es aber zu retten). Dem Kaiser sollte die Jungfrau Maria bei seinem Gebet erscheinen und ihm den Ratschlag gegeben haben, dass gerade die Parole „Mariahilf“ die christliche Armee zum Sieg führen würde. Und diese Parole wurde dann tatsächlich von dem alliierten österreichischen und polnischen Heer gerufen, als dieses die türkischen Belagerer am 12. September 1683 angegriffen und vernichtend geschlagen hat. Damit wurde der türkische Angriff Richtung Westen endgültig gestoppt und beendet. Die Kirche Mariahilf auf dem gleichnamigen Hügel ist ein Pilgerort. Man kann hierher über eine Brücke über den Inn und dann auf 321 Stufen in einem überdachten Gang gelangen. (Angeblich haben die Männer so lange gemeckert, dass es entweder geregnet hat oder zu heiß war, bis ihre gottesfürchtigen Frauen den Weg überdachen ließen). Beim Eingang in den Korridor steht ein schönes frühbarockes Kreuz und in der Kirche kann man das berühmte Votivbild sehen, das angeblich Wien und damit auch das gesamte westliche Christentum gerettet haben soll.

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