Mit Passau ist auch das Schicksal der seligen Gisela verbunden. Sie ist hier in der Kirche Heiligenkreuz bestattet, in einem Kloster in Niederburg, wo sie Äbtistin war. Ihr Grab ist ein Pilgerort für viele ungarische Stadtbesucher. Gisela war die Gattin des ersten ungarischen Königs Stephan und nach seinem Tod zog sie sich nach Passau zurück, wo sie zur Äbtistin wurde. In der Tat sollte die selige Gisela eigentlich einigermaßen frustriert sein. Ihr Ehemann Stephan, ihr Sohn Emmerich, ihr Bruder Heinrich und sogar auch ihre Schwägerin Kunigunde wurden alle ein nach dem anderen heiliggesprochen, sie blieb die Einzige aus der ganzen Familie, die „nur“ selig wurde. Wahrscheinlich haben die Passauer vergessen, dieses Versäumnis dem Papst Johann Paul II. zu melden. Er hätte sich so eine Gelegenheit zum Stadtbesuch sicher nicht entgehen lassen und in die kaiserliche Familie im Himmel hätte Ruhe einkehren können. Gisela hätte sich die Heiligsprechung sicher mehr als ihr Bruder, der machtgierige Kaiser Heinrich II. verdient. Wenn jemand einen Spitznahmen „der Zänker“ hat, passt es nicht unbedingt zur Heiligsprechung. Gisela und ihr Bruder Heinrich waren Kinder Herzogs Heinrich von Bayern, genannt „der Streitbare“ (sie hatten die Streitlust offensichtlich in der Familie), des jüngeren Bruders des Kaisers Otto II. Heinrich schaffte es sich gegen seinen Gegenkandidaten Hermann von Schwaben geschickt zu behaupten und dann mischte er sich ordentlich auch in die tschechische Politik ein, als er tschechische Fürsten nach Belieben eingesetzt und abgesetzt hat. Als auf dem tschechischen Thron ein schwerer Alkoholiker Vladivoj vom polnischen Fürst Boleslaw Chrobry eingesetzt wurde, lief dieser zum Kaiser und ließ sich im Jahr 1002 mit dem Fürstentum belehnen. Dadurch wurde Böhmen für viele weitere Jahrhunderte ein Teil des Römischen Reiches. Vladivoj soff sich ein Jahr später zu Tode und Heinrich intrigierte zwischen den Premyslidenbrüdern Jaromir und Oldrich, wobei er seinen treuen Verbündeten Jaromir fallen ließ, als er ihm nicht mehr von Nutzen sein konnte. Der Hauptgegner des Kaisers war aber der polnische König Boleslaw Chrobry, gegen den der Heilige viele Kriege führte. Kaiser Heinrich, der keinesfalls mit heiligen Mitteln herrschte, wurde im Jahr 1146 heiliggesprochen, als bereits der Stamm der Staufer an der Macht war. Wahrscheinlich wollte der Papst die Staufer mit dem Kult ihren Vorgängers aus dem konkurrierenden bayerischen Stamm provozieren. Ein skurriles Detail der Heiligsprechung war die Tatsache, dass die Ehe Heinrichs mit Kunigunde kinderlos blieb. Es wurde behauptet, dass es die Folge eines Schwures der Kaiserin jungfräulich zu bleiben war und dass der Kaiser mir seiner Gattin wie „Bruder und Schwester“ lebten. Natürlich kann man es glauben, ob aber eventuell dahinten eine nicht operierte Phimose oder andere sexuelle Orientierung des Herrschers war, erfahren wir wahrscheinlich nicht mehr. In jedem Fall war die Keuschheit des kaiserlichen Ehepaares der Hauptgrund für ihre Heiligsprechung. Natürlich abgesehen von williger Hilfe des Kaisers dem Papst Benedikt VIII. gegenüber, der von Normanen in Süditalien bedrängt war. Übrigens gerade um sich diese Hilfe zu erkaufen, schob der Papst in das Glaubensbekenntnis das Wort „Filioque“ ein, das seit der Zeit des Karls des Großen in seinem Reich (aber nur dort, nicht in Rom und überhaupt nicht in Konstantinopel) verwendet wurde. Das hat einige Jahrzehnte später das Schisma zwischen der westlichen und östlichen Kirche zu Folge gehabt.
Aber zurück zu der seligen Gisela. Sie hat ihre Arbeit in Ungarn sehr gut erledigt, sie brachte ihren Mann zur Taufe (aus Geiza wurde Stephan) und zur Einführung des Christentums in seinem Königreich und nach seinem Tod (der Sohn Emmerich starb bei einem Jagdunfall noch vor seinem Vater) ging sie nach Passau in ihr Heimatland Bayern – geboren wurde sie im nahen Regensburg. Dort wurde sie, wie schon gesagt, Äbtistin. Ihre sterblichen Überreste wurden im Jahr 1908 exhumiert, heute ist ihr Grab das Ziel von tausenden Pilgern aus Ungarn und herum liegen viele Kränze und hängen viele ungarische trikoloren. Ich glaube, es ist richtig so, obwohl sie „nur“ selig ist. Sie hat sich das verdient.
Mehr als durch das Feuer wurde Passau immer durch das Hochwasser bedroht. Egal ob das Wasser von den Bergen mit dem Inn oder aus Deutschland mit der Donau kommt, die Gefahr vom Hochwasser ist immer anwesend, das letzte Mal wurde die Stadt von einer Flut im Jahr 2013 betroffen. Es war nicht das erste Mal, obwohl die Spuren dieser Überflutung an den Passauer Häusern noch jahrelang sichtbar blieben, vielen von ihnen fehlte noch Jahre später, als wir die Stadt besucht haben, der Putz bis zum ersten Stock. Es war aber nicht die schlimmste Flut in der Geschichte, wie die Aufzeichnungen auf dem Passauer Rathaus zeigten. Am höchsten war das Wasser im Jahr 1501, als der Inn mit der Donau noch vor der Stadt zusammenflossen und das Stadtzentrum wie eine Insel aus den Flutwellen ragte.
Passau verlor seinen Wohlstand durch den Verlust des Salzmonopols. Es wurde ihm von den bayerischen Herzögen entzogen, denen natürlich so ein Einkommen willkommen war. Im Jahr 1803 verlor dann Passau in Rahmen der Säkularisierung des Römischen Reiches unter dem Einfluss von Napoleon und den Ideen der französischen Revolution definitiv seine Selbständigkeit und es wurde zu einem Teil des neuentstandenen Bayerischen Königsreiches. Die Passauer lösten ihre Frustration vom Verlust ihrer Privilegien wirklich seltsam. Dem König Maximilian I., der aus Passau eine bedeutungslose Bezirksstadt seines Königreiches machte, bauten sie vor dem Dom eine riesige Statue – sie wurde von dem „dankbaren Passauer Volk“ gestiftet. Wofür das Volk so dankbar war, konnte ich nicht erforschen, die Arschkriecherei ist aber offensichtlich eine universale menschliche Eigenschaft.
Passau als eine Bischofresidenz musste natürlich eine ganze Reihe von Kirchen haben. Neben dem monumentalen Dom in Stil des Barocks, der Kirche Heiligenkreuz mit den sterblichen Überresten der seligen Gisela und der bereits erwähnten Kirche Mariahilf am rechten Innufer sind das zum Beispiel ein großes Gebäude der Kirche des Heiligen Pauls am Donauufer oder ein interessantes kleines turmloses Kirchlein des Heiligen Salvators im Viertel Ilzstadt. Hier, eingebaut in einen Berg über dem Fluss, stand bis zum Jahr 1477 eine jüdische Synagoge. In diesem Jahr wurden Juden beschuldigt, die heilige Hostie mit einem Messer durchbohrt zu haben. Die Beschuldigten wurden auf dem Scheiterhaufen verbrannt, der Rest der jüdischen Kommune wurde aus der Stadt verbannt und die Synagoge abgerissen. In den Jahren 1479 – 1495 bauten hier die Bürger das Kirchlein des Heiligen Salvators als ein Zeichen der Reue über diese Tat.
In Passau kann man natürlich noch viel mehr sehen. Besonders die Atmosphäre der Gässchen zwischen beiden Flüssen, die Promenaden entlang der Flussufer, die Erinnerungen an die berühmte Geschichte der Stadt, die man auf jedem Schritt begegnet – wie zum Beispiel die Erinnerung an den Besuch der bayerischen Prinzessin Elisabeth, die in Passau einen Halt auf ihrer Reise nach Wien machte, wo sie den österreichischen Kaiser Franz Josef heiraten und dadurch zur legendären Kaiserin Sissi werden sollte.
Fahren Sie bitte, hin. Passau ist wunderschön und das Essen und Bier sind auch sehr gut – einfach bayerisch.