Wenn man über Frankfurt fliegt, und das kann wegen des dortigen internationalen Flughafens, des größten in Deutschland und einer Umsteigestation für interkontinentale Flüge ziemlich häufig passieren, sieht man, wie sich die Stadt über viele Kilometer überwiegend auf dem nördlichen Ufer des Flusses Main hinzieht und der Blick wird von einer Gruppe Hochhäuser angezogen, die an die Londoner City erinnern. Die Stadt wirkt also von oben wie eine Metropole und dieser Eindruck wird durch einen Spaziergang auf der Promenade entlang des Flussufers verstärkt – Deutsch hört man dort nämlich nur selten. Auch deshalb wird Frankfurt „die kleinste europäische Metropole“ genannt – mit seinen 760 000 Einwohnern gehört es in Deutschland zu den mittelgroßen Städten.

               Die Anfänge der Stadt waren bescheiden. In Unterschied zu dem westlichen Rheinufer, wo eine Reihe Städte infolge der römischen Gründungen stand, gab es auf dem östlichen Ufer nur Urwald, Wildnis und Germanen, vor denen die Römer panische Angst hatten. Das erste Mal wird die Stadt in einer Urkunde Karls des Großen aus dem Jahr 794 bereits unter seinem Namen Franconofurd also fränkische Furt erwähnt. Wenn man heute auf dem Ufer des mächtigen Stroms des Flusses Main steht, versteht man nicht wirklich, wie hier einmal eine wichtige Furt sein konnte. Damals war aber der Fluss viel breiter als heute und bildete zahlreiche tote Flussarme und Sümpfe, aus denen eine Insel ragte, auf der Karl eine Pfalz bauen ließ, also eine Festung, aus der dann sein Enkelsohn Ludwig der Deutsche seine Residenz machte – die Hauptstadt des Reiches – Aachen – lag nämlich im Herrschaftsgebiet seines Bruders Lothar.

               Dank seiner günstigen Lage auf dem Verbindungsweg zwischen Rheingebiet und Ostdeutschland wurde Frankfurt bereits im zwölften Jahrhundert zu einem bedeutsamen Handelszentrum. Der entscheidende Tag, der die Entwicklung der Stadt bis heute bestimmen sollte, kam aber am 11. Juli 1240. An diesem Tag bewilligte Kaiser Friedrich II. der Stadt eine Herbstmesse zu veranstalten und zugleich stellte er mit seinem Geleitbrief alle Geschäftsleute, die zur Messe unterwegs waren, unter seinen persönlichen Schutz. Das war in der Zeit, als die Wälder von Räubern und Dieben nur so wimmelten, ein unbezahlbares Privileg. Mit dem Kaiser wollte sich lieber keiner anlegen, was den Kaufleuten eine bestimmte Sicherheit garantierte. Es handelte sich um die erste Messe in Mitteleuropa und bald strömten Händler aus Italien, Tschechien, aber auch aus Flandern oder Frankreich in die Stadt, um ihre Ware anzubieten. Im Jahr 1330 bewilligte dann Kaiser Ludwig IV. der Bayer der Stadt, die ihn in seinem Kampf gegen den Papst treu unterstützt hatte, das Recht eine Fasten- also eine Frühlingsmesse zu organisieren. Frankfurt wurde definitiv zum deutschen Handelszentrum und blieb es bis heute. Das Frankfurter Messegelände ist gigantisch und beeindruckt den Besucher auch heute noch.

               Vielleicht spielte in der Entscheidung des Reformkaisers Friedrich II. auch die Tatsache eine Rolle, dass gerade hier in Frankfurt sein Großvater Friedrich I. Barbarossa zum deutschen König gewählt wurde, was der Aufstieg der Staufer Dynastie bedeutete. Seit dem Jahr 1147 fanden die Wahlen der deutschen Könige ausschließlich in Frankfurt statt. Die Wahl in dieser Stadt wurde zur Voraussetzung der Wahlgültigkeit und diese Tatsache bestätigte dann Karl IV. in seiner „Goldenen Bulle“ aus dem Jahr 1356. Im Jahr 1372 beförderte dann Karl die Stadt Frankfurt zu einer freien Reichstadt, die formal nur mehr dem Kaiser, also ihm persönlich, untertan war. Das Geld aus der reichen Stadt war für den Herrscher willkommen und stand bei seiner Entscheidung sicherlich – wie immer – „nur“ auf dem ersten Platz.

               Diese Meilensteine in der Stadtgeschichte symbolisieren die Statuen der Kaiser Friedrichs Barbarossa, Ludwigs des Bayer und Karls IV. an der Fassade des Frankfurter Rathauses.

Zu diesen drei Kaisern gesellte sich noch Maximilian II., der erste Kaiser, der sich in Frankfurt nicht nur wählen, sondern sogar auch gleich krönen ließ. (Die Krönung von Papst schaffte bereits Maximilians Vater Ferdinand I. ab.) Maximilian hatte eine sehr reservierte Haltung zu heiligen Reliquien und hatte keine Lust nach Aachen zu reisen, um sich dort über der Erde aus dem Heiligen Land krönen zu lassen, abgesehen von der abscheulichen Tradition, den Schädel Karls des Großen bei der Zeremonie küssen zu müssen. Also fand im Jahr 1562 in Frankfurt die erste kaiserliche Krönung statt. Im Jahr 1742 musste dann Frankfurt sogar als Residenzstadt eines deutschen Kaisers einspringen. Kaiser Karl VII. suchte hier Zuflucht, da sein Land – Bayern – von österreichischen Truppen besetzt war. Er starb hier in seinem Exil im Palast Barckhaus an der Zeil. Typisch für den Frankfurter Handelsgeist ist die Tatsache, dass dieser Palast im Jahr 1908 dem Kaufhaus Wronker weichen musste – das Geld war schon damals wichtiger als die Nostalgie über eine ehemalige kaiserliche Residenz. Es sollte nicht das letzte Mal in der Frankfurter Geschichte sein.

               Im Jahr 1455 begann gerade in Frankfurt am Main die historische Neuzeit. Auf der Messe wurde die Bibel von Johann Guttenberg aus dem nahen Mainz ausgestellt – das erste gedruckte Buch. Der Buchdruck bestimmte entscheidend den weiteren Lauf der Geschichte, Frankfurt nutzte die Tatsache der ersten Präsentation des gedruckten Wortes dazu, dass hier die Frankfurter Buchmesse entstand – sie wird bis heute veranstaltet, seit dem Jahr 1480 zweimal jährlich. Vom Handelszentrum war nur ein kleiner Schritt dazu, dass Frankfurt auch zu einem Finanzzentrum aufstieg. Das blieb es bis heute und was für eines! Neben London ist Frankfurt das bedeutendste Finanzzentrum Europas. Hier residiert nicht nur die Deutsche Bank, aber auch die Europäische Zentralbank (ECU). Weiter die Commerzbank, Ing Di-Ba Bank und natürlich auch die Börse, die wichtigste Börse auf dem Kontinent. Der Brexit stärkte zusätzlich die Stellung von Frankfurt in der Finanzwelt. Also, wer in der Welt des Geldes etwas bedeuten will, kommt an Frankfurt nicht vorbei.

               Aber zurück in die Vergangenheit. Von Bedeutung war das Jahr 1848. Als Folge der Märzrevolution kam es zu ersten deutschen Wahlen und die gewählten Delegaten trafen sich in Frankfurt in der Sankt Pauluskirche, um unter dem Vorsitz des österreichischen Erzherzogs Johann die erste deutsche Verfassung zu erschaffen. (Die Pauluskirche steht im Stadtzentrum zwischen dem Platz Zeil und Goetheplatz bei der U-Bahn-Station Hauptwache). Leider endete diese Versammlung ohne Erfolg. Österreich konnte sich mit seiner „Großdeutschen Lösung“ gegen den Widerstand von Preußen nicht durchsetzen und der preußische König Friedrich Wilhelm IV. lehnte die angebotene deutsche Kaiserkrone ab, weil er sie aus den Händen „der Revolutionäre“ hätte empfangen müssen.

               Frankfurt behielt seine Bedeutung auch in der Nazizeit, von 11 134 Juden, die in dem damaligen Finanzzentrum vor dem Jahr 1933 lebten und hier eine bedeutsame Rolle spielten, überlebten den Krieg nur 367. Unter denen, die in Auschwitz ermordet wurden, war auch Hermann Wronker mit seiner ganzen Familie. Dann aber schlug für die Stadt die Schicksalsstunde – eigentlich zwei Stunden. Am 18. und am 22. März 1944 unternahm die Royal Force zwei vernichtende Luftangriffe, bei denen Frankfurt dem Boden gleich gemacht wurde. Nur die Kirche des Heiligen Bartholomäus, also die Kathedrale, wurde teilweise verschont und blieb als eine Ruine im Ruinenfeld stehen. Vernichtet wurde auch das Kaufhaus Wronker, seine ursprünglichen Eigentümer lebten zu dieser Zeit nicht mehr.

               Wenn in anderen deutschen Städten es Bemühungen gab, die zerstörten Städte zu rekonstruieren (in Dresden dauert dieser Prozess noch an) in Frankfurt wurden in den leeren Flächen günstige Grundstücke für den Bau der Wolkenkratzer für die Banken und weiteren Institute der Finanzwelt gesehen. Die grenzen jetzt nicht nur direkt an die Altstadt, sie dringen sogar in die Altstadt ein und bilden das typische Frankfurter Panorama. Es kommen erstaunlich viele Touristen, um genau das zu sehen, die Amerikaner oder die Briten könnten hier sogar ein Hauch von Heimat spüren – des Manhattans oder der Londoner City.

               Also wenn man in Frankfurt ankommt – es ist leicht mit Flugzeug oder mit Zug erreichbar – dann steigt man am Hauptbahnhof aus und geht immer geradeaus bis zum Platz des berühmtesten in Frankfurt geborenen Mannes Johann Wolfgang Goethe, der hier am 28. August 1749 zur Welt kam. Er erlebte hier seine Kindheit und war hier nach seinem Studium in Leipzig und Straßburg als Anwalt tätig, bis er im Jahr 1775 an den Hof des Fürsten Karl August in Weimar übersiedelte, wo er dann für den Rest seines Lebens blieb.

Goetheplatz

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