Eigentlich heißt die Stadt auf deutsch Mantua, aber wenn sie in Italien nach Mantua fragen, wird sie kein Italiener verstehen (wollen). Unter uns können wir sie aber weiter Mantua nennen, mit der Hoffnung, dass kein Italiener je diesen Artikel lesen wird.
Laut einer Legende ist Mantua angeblich auf einer Insel mitten in den Gewässern entstanden, diese waren die Tränen von Prophetin Manta. Sie war die Tochter eines Priesters und Propheten und ihre Tränen verliehen dem Wasser magische Kräfte. Manta heiratete Tiberius den König von Toscana. Ocmus, ihr gemeinsamer Sohn, gründete dann im See eine Stadt, der er den Namen seiner Mutter gab. Soweit die Legende.
Mantua hat den Ruf eine der schönsten Städte Italiens zu sein und überhaupt die schönste in der Tiefebene des Flusses Po. Zu recht. „Schuld“ daran ist erstens die geographische Lage, die sie mit drei Seen umkreist (Lago superiore, Lago di mezzo und Lago inferiore), die eigentlich alle eine Erweiterung des Flusses Mincio, kurz vor seiner Mündung in den Po, sind. Und zweitens Bauaktivitäten der Familie Gonzaga, die die Stadt seit dem Jahr 1328 beherrschte, als sie aus der Stadt die diktatorische Familie Bonacolsi vertrieb (natürlich mit blutiger Gewalt). Dieses Ereignis wird auf dem Bild von Domenico Morone, in Salla della Stemma, in Palazo ducale dargestellt. Die Gonzagas haben sich immer richtig politisch orientieren können und sparten nicht mit Geld, wenn es notwendig war. Karl IV. erhob sie im Jahr 1362 zu Grafen, Sigismund 1433 zu Markgrafen und in den Zeiten von Kaiser Karl V. schafften Sie es bis zum Herzogtitel (höher ging es gar nicht mehr). Sie hielten sich abseits der Konflikte im Norditalien auf und waren auch wirtschaftlich sehr erfolgreich dank Pferdezucht, die in ganz Italien berühmt war. Und nicht nur in Italien. Ein Pferd von Gonzaga zu haben war etwas Ähnliches wie heute der Besitz eines Ferraris. Und wer von den damaligen Reichen und Schönen wollte das nicht haben? Die Gonzagas verdienten sich dadurch eine goldene Nase, und investierten das Geld in die Verschönerung ihrer Stadt. Das Ergebnis kann sich sehen lassen.
Giuseppe Verdi ließ die Geschichte seiner Oper „Rigoletto“ in Mantua spielen. Das Haus mit einer Statue dieses buckeligen Hofnarren findet man vor „Palazzo Ducale“, auf dem Platz Sordello. Heute ist hier ein Informationsbüro für Touristen.
Das Zentrum der Stadt, obwohl es sich am Stadtrand befindet, ist zweifellos Palazzo ducale. Warum der Eintritt ins „Castello San Giorgio“ und „Corte Nuova“ vormittags ist und ins „Cortile d´Onore“ nachmittags, weiß ich nicht. Die Eintrittskarte ist aber für beide Teile des Palastes gültig. Möglicherweise wäre es für den Besucher auf einmal auch einfach zu viel. So bekommt man die Möglichkeit, in der Mittagspause die Eindrücke zu verarbeiten und sich in einem der vielen Bars und Restaurants auf der „Piazza Sordello“ vor dem Palast zu erfrischen. Der ganze Palast hat insgesamt acht Komplexe, die nach und nach zwischen dem dreizehnten und siebzehnten Jahrhundert entstanden sind. Er hat mehr als 500 Räume und Säle und 34 000 m2 Wohnfläche! Sie lesen richtig, mehr als drei Hektar!!! Dazu gibt es auch noch 15 Höfe und Gärten.
Das Herz der Burg ist „Castello San Giorgio“, dies ist der älteste Teil des Palastes, als diese noch der Verteidigung diente. Ludovico Gonzaga ließ hier in „Camera degli Sposi“ von seinem Hofmaler Andrea Mantegna einen Zyklus der Freskos herstellen, der ihn selbst mit seiner ganzen Familie sowie auch sein Treffen mit seinem Sohn und Kaiser Friedrich III. vor Mailand darstellt. Auf dem Familienbild entdeckte ich auch eine kleine Person die eine Beziehung zu Graz hat, nämlich Prinzessin Pauline de Gonzaga. Diese arme Seele litt an Knochentuberkulose. In Folge dieser Erkrankung hatte sie einen Buckel und auch sonst war sie keine Schönheit. Sie war einfach unvermählbar (auf dem Fresko ist sie sehr realistisch dargestellt). Ihre verzweifelte Mutter Barbara von Brandenburg (laut dem Fresko auch keine wirkliche Schönheit) veröffentlichte, in der Bemühung doch einen Bräutigam für ihre Tochter zu finden, die Höhe der Mitgift, das ihre Tochter bekommen würde. Das rief Kaiser Friedrich III. auf den Plan. Er wurde zwar spöttisch „Erzschalfmütze“ genannt, da er weder kämpfen noch herrschen vermochte und ständig mittellos war, aber in einer Sache war er ein wahrer Meister und das war die Heiratspolitik. Dank der Vermählung seines Sohnes Maximilian mit der Erbin von Burgund Maria und danach durch Verbindung seines Enkelsohnes Phillip mit Johanna von Spanien gründete er das habsburgische Imperium, über das die Sonne nie untergegangen ist. Jetzt roch er wieder seine Chance. Seit dem Jahr 1382 gehörte der Hafen Triest zu den habsburgischen Ländereien. Mit den anderen habsburgischen Ländern hatte er aber auf dem Festland keine Verbindung. Zwischen Triest und Kärnten bzw. Windischer Mark (dies liegt im heutigen Slowenien), die bereits habsburgisch waren, gab es die Grafschaft Görz. Mit den Grafen von Görz hatten die Habsburger einen Vertrag abgeschlossen, dass im Falle vom Aussterben einer der beiden Familien, die andere den gesamten Besitz erben würde. Der damalige Graf Leonhard war ein Lebemensch, bekannt durch seinen verschwenderischen Lebensstil, er war permanent insolvent und bedroht in seinen Schulden unter zu gehen. Dies hätte aber gefährlich werden können, wenn er seine Ländereien in höchste Not verkaufen hätte wollen, den dann wäre nichts aus dem Vertrag mit den Habsburgern geworden. Friedrich hat sich ausgerechnet, dass Paulina Gonzaga nie Kinder haben würde, ihr Geld könnte aber Leonhard von Görz gut gebrauchen. Der Plan ging auf. Leonhard heiratete Paulina mit ihrer großen Mitgift (und verschwendete es gleich wieder), die Ehe blieb kinderlos, die Grafschaft Görz fiel nach seinem Tod an die Habsburger und blieb ein Teil ihres Imperiums bis 1918. Die Truhen, in welchen die Mitgift nach Görz transportiert wurde, kann man im Grazer Dom bewundern, sie bewahren heilige Reliquien, die Papst Paul V. Erzherzog Ferdinand (später Kaiser Ferdinand II.) im Jahre 1617 geschenkt hat auf. Leonhard verkaufte nämlich sogar die Truhen an Mönche aus dem Kloster in Millstättersee und von dort kamen sie nach Graz.
Die Gonzagas heirateten übrigens permanent in die besten Familien Europas. Sie hatten unverschämt viel Geld für die Mitgift ihre Töchter und sie waren bereit zur Nachsicht bei der Mitgift der Bräute aus den permanent insolventen kaiserlichen Familien, wenn die wieder nach Mantua verheiratet wurden. Kaiser Ferdinand I. schaffte es sogar gleich zwei seiner Töchter so zu verheiraten. Der Arme hatte übrigens 12 Töchter und es war schwierig für alle passende Bräutigame zu finden! Zuerst verheiratete er seine Tochter Katharina mit Francesco III. von Gonzaga. Als dieser starb, verheirate er sofort die nächste Tochter, Eleonore, mit seinem Nachfolger Guglielmo. Sein Sohn Ferdinand von Tirol, wählte zu seiner zweiten Gattin (nach seiner ersten morganatischer Ehe mit Philippine Welser) Anna Katharina Gonzaga, die Tochter seiner eigenen Schwester Eleonore. Diese sollte dem Herzog von Tirol einen Sohn gebären, der die Herrschaft in der Habsburgerfamilie übernehmen und so der Throneintritt vom Neffen des Ferdinands von Tirol, ebenso Ferdinand von der Steiermark verhindern sollte. Der Onkel hatte nämlich nicht gerade eine schmeichelhafte Meinung über die Fähigkeiten seines Neffen (zu recht, wie sich später zeigte, als dieser Neffe Europa in den Dreißigjährigen Krieg stürzte). Der Plan ging nicht auf, denn Anna Katherina gebar dem bereits älteren Lebemensch Ferdinand nur drei Töchter. Noch einmal versuchte zumindest Kaiser Mathias dem jungen steierischen Narr ein Hindernis in den Weg zu stellen und heiratete eine der Töchter von Ferdinand und Anna Katharina namens Anna (also die eigene Cousine ersten Grades). Zu diesem Zeitpunkt diagnostizierten aber die Ärzte beim Monarch bereits „impotentia totalis“. Es half nichts, Ferdinand aus der Steiermark bestieg den Kaiserthron und der Weg zur größten Katastrophe der europäischen Geschichte war frei. Und auch Ferdinand, jetzt Kaiser Ferdinand II. nahm zu seiner zweiten Frau Eleonora Gonzaga, die Enkelin seiner eigenen Tante Eleonore.
Ferdinand II. war auch die Ursache des größten Unheils in der Geschichte von Mantua. Mantua war eine der größten Katastrophen des dreißigjährigen Krieges. Gerade in der Zeit, als Ferdinand dank dem Wallenstein den dänischen König besiegt hatte und sich auf dem Höhepunkt seiner Macht fühlte, starb die Familie Gonzaga in der Manneslinie aus. Obwohl zwei Mitglieder der Familie, Ferdinand und Vincenzo, auf die Kardinalwürde verzichteten um Nachkommen zu zeugen und so die Zukunft der Familie retten zu dürfen, gelang es ihnen nicht und im Jahr 1627 starb der Stamm der Gonzagas in der Hauptlinie aus. Der letzte Herrscher Vincenzo sicherte sich dadurch ab, dass er das ganze Herzogtum seinem entfernten Verwandten Karl aus der französischen Linie Gonzaga-Nevers vererbte. Dieser hatte wirklich den größten Anspruch auf das gerade freigewordene Herzogtum. Aber Ferdinand, seit 1622 mit einer Schwerster der letzten Gonzagas verheiratet, fühlte sich als ein unantastbarer und unbesiegbarer Herrscher des gesamten Europas und entschied Mantua als freies Lehen auszurufen (was sie im grundegenommen auch tatsächlich war) und beschenkt mit diesem reichen Stück Land seinen Favoriten Ferrante II., Gonzaga aus der spanischen Linie (wie ich schon gesagt habe, die Gonzagas waren verschwägert in ganz Europa). Die kaiserlichen Berater warnten den Monarchen dringlich vor diesen Schritt, weil Karl ein Franzose war und hinter ihm der mächtige Kardinal Richelieu stand, der ungeduldig auf einen passenden Vorwand gewartet hatte, um in den Krieg zu ziehen und etwas für sein Land zu gewinnen. Ferdinand, der sonst seinem Kanzler Ulrich von Eggenberg immer brav gehorchen hatte, blieb stur und setzte sein Vorhaben durch. Die Folge war der Eintritt von Frankreich in den dreißigjährigen Krieg, der dadurch weitere zwanzig Jahre dauerte. Der mantuanische Erbfolgekrieg dauerte von 1627 bis 1631. Die kaiserliche Armee unter der Führung eines gebürtigen Mantuaner, General Rambalto Collalto, eroberte am 18.Juli 1630 Mantua und plünderte die Stadt fürchterlich aus. Letztendlich musste aber der Kaiser, dessen Soldaten auf zwei Fronten kämpften mussten (den im Jahr 1630 landete in Pommerien der schwedische König Karl Gustav und begann seinen siegreichen Feldzug durch Deutschland) akzeptieren, dass der neue Herzog von Mantua der französische Kandidat Karl I. von Gonzaga Nevers würde. Das hatte aber nicht zur Folge, dass sich Frankreich aus dem Krieg zurückziehen wollte. Es begann die letzte, zerstörerischste, Phase des Krieges.
Aber zurück zu dem Fresko in „Camera degli Sposi“. Der Maler Andrea Mantegna hat, wie gesagt, in seinen Werken die Realität sehr genau abgebildet (die Gattin von Ludovico Gonzaga Barbara von Brandenburg schaut fürchterlich aus). In eine der Wände hat er sein Autoportrait eingebaut. Er erreichte großes Reichtum, sein großes Haus am Stadtrand ist heute ein Museum und er fand sogar eine Braut, aus einer Patrizierfamilie, die ihm die Tür in die Kreisen der Stadtnobilität eröffnet hat. Natürlich erfährt man, dass „Camera degli Sposi“ der schönste Raum auf der ganzen Welt ist. Ein Italiener kann von seinem „piú“ nicht loslassen. Andrea Mantegna ist der Schöpfer eines wichtigen Kunstwerkes in Mantua, nämlich der Kirche des heiligen Andreas „Chiesa di San Andre“ auf dem Platz „Piazza delle Erbe“. Es ist ein der ersten Kirchen, gebauten im Stil der Renaissance. Es ist eine einschiffige Basilika mit hohen Renesainsbögen und kantigen Pfeiler und mit einem Architrav nach dem Vorbild der römischen Tempel. Es handelte sich zu dieser Zeit um einen vollkommen neuen und revolutionären Baustil. Sehr viele Renaissancekirchen gibt es übrigens nicht, der Mensch hat sich in der Zeit der Renaissance vom Gott zu sich selbst gewendet. In der Kirche wird eine ziemlich obskure Reliquie aufbewahrt, die sich in der Krypta unter der Kirche befindet. Man kann sie, im Rahmen einer Führung besuchen, die zweimal am Tag stattfindet. Es handelt sich um das heilige Blut Christi, durchmischt mit dem Boden aus dem Berg Golgota. Nach einer Legende sammelte der Soldat Longinus, der die Seite Christi mit einem Speer durchbohrte, das ausgeflossene Blut und auch den Boden in den es einsickerte auf. Als er dann in Mantua starb, wurde diese blutige Erde dann eingegraben. Das erste Mal wurde sie im Jahr 804 entdeckt, als das Bischofstum von Mantua gegründet worden war, und das zweite Mal im Jahr 1048. Wer will, darf es glauben. In jedem Fall wird diese heilige Reliquie jedes Jahr am Karfreitag in einer großen Prozession durch die Stadt getragen. Wie schon Kaiser Friedrich II. gesagt hatte: „Der Phantasie der byzantinischen und venezianischen Kaufmänner wurde keine Grenze gesetzt“.
Duomo auf dem Platz „Piazza Sordello“ ist neben der Kirche San Andre beinahe bedeutungslos. Es handelt sich um eine chaotische Mischung aller möglichen Baustils vom romanischem bis zum Klassizismus. Die Mantuaner haben mit dem Bau der Kirche im Jahr 1131 begonnen, aber im achtzehnten Jahrhundert entwerteten sie dann das Gebäude mit einer Barockfasade. Vielleicht ist ja jemand einer anderen Meinung, ich aber halte den Dom von Mantua einfach für hässlich und es reicht ihn, nur nebenbei, mit einem Auge zu betrachten.
Ansonsten ist in Mantua alles sehr schön. Im Saal „Sala del Pisanello“ wurden Freskos vom Meister Pisanello, aus dem vierzehnten Jahrhundert, entdeckt und eine Gedenktafel erinnert daran dass in diesem Saal der unsterbliche Pagannini gespielt hat. Im neuen Palast gibt es wunderschöne Freskos an den Wänden und auf der Decke und auch Bilder von Paul Rubens, der für die Gonzagas in den Jahren 1605 – 1607 gearbeitet hat und für sie ein Monumentalbild der Heiligen Dreifaltigkeit malte. Nebenbei erzeugte er auch ein Portrait des letzten Gonzaga, Vincenzo, in seinen jungen Jahren.
Etwas entlegen, außerhalb des historischen Zentrums der Stadt, steht „Palazzo Te“. Dieses Palais wurde von einem Schüler Raffaelos, Giulio Romano, in der Zeit gebaut als dort noch eine Insel des Flusses Mincio war. Einmal stand ja die ganze Stadt Mantua auf einer Insel. Der Herzog Federico II. Gonzaga ließ dieses Palais als seine Sommerresidenz außerhalb der damaligen Stadtmauern in den Jahren 1525 – 1535 bauen. Es ist ein echtes Juwel der Baukunst der Renaissance mit Fischteichen, Gärten und Kolonaden. Später ließ sich, gerade durch dieses Palais, Ludwig XIV. zum Bau von Versailles und Maria Theresia zum Bau von Schönbrunn inspirieren. Die Fresken von Giulio Romano sind erstaunlich. Besonders der Saal der Giganten, in dem der Fall der Giganten die für Jupiter seine Blitze geschmiedet hatten, geschildert wird. Wunderschön ist auch der Saal des Amors und der Psyche. In der Tradition der Renaissance schmückte Giulio Romano die Wände des Gebäudes nicht mit christlichen sondern mit griechischen mythologischen Motiven. Im Jahr 1530 wurde auch Mantua, von Kaiser Karl V. auf seiner Krönungsreise nach Bologna, besucht. Sein Besuch ist im Palais Te detailliert dokumentiert und man findet hier sogar das feierliche Menü! Leider nur auf Italienisch.
Auf dem „Piazza delle Erbe“ kann man auch noch die Rotunde San Lorenzo aus dem elften Jahrhundert mit den Resten von Freskos und Statuen besuchen. Das Rathaus mit Torre dell´ Orologio, also mit einer astronomischen Uhr, aus dem fünfzehnten Jahrhundert gibt es ebenfalls zu bewundern. Diese wurde vom Mathematiker, Astrologen und Mechaniker Bartolomeo Manfredi konstruiert.
Mantua blieb im Besitz der Familie Gonzaga bis zum Jahr 1707. In diesem Jahr wurde sie im Rahmen des Spanischen Erbfolgekrieges von österreichischen Truppen eingenommen und die Österreicher blieben hier mit einer Unterbrechung bis 1866. Deshalb wird in Castello Can Giorio auch ein Reisebesteck von Maria Theresia ausgestellt, wahrscheinlich hat sie es hier vergessen. Im Jahr 1796 zog aber durch Norditalien ein junger General namens Napoleon Bonaparte durch und hinterließ hier eine Verwüstung. Obwohl die Französen vom russischen General Suvorov vertrieben worden sind, kamen sie bald wieder. Nach dem Sieg bei Austerlitz im Jahr 1805 schloss Napoleon Mantua dem französischen Kaiserreich an. Für die Österreicher hat die Stadt einen bitteren Beigeschmack, hier ist der Tiroler Nationalheld Andreas Hofer hingerichtet worden. Andreas Hofer ist es gelungen die, bis dahin unbesiegbaren Franzosen, gleich mehrmals zu besiegen (seine erste Niederlage in einer Feldschacht erlitt Napoleon bei Aspern, im Jahr 1809, und sein Bezwinger Erzherzog Karl hat aus diesem Grund eine Statue auf dem Heldenplatz in Wien). Die glorreichsten Siege feierte Andreas Hofer auf dem Bergisel bei Innsbruck, wo heute die Sprungschanze steht auf der jedes Jahr der dritte Bewerb der „Vierschanzentournee“ ausgetragen wird. Nach dem Wiener Kongress kamen die Österreicher nach Mantua zurück, aber nach der verlorenen Schlacht bei Königsgraz, im Jahr 1866, mussten sie Mantua auch mit Venedig, an den Verbündeten der siegreichen Preußen, nämlich Italien, wieder abtreten. Heute ist das kleine Mantua (47 000 Einwohner) eine der meistbesuchten Städte Italiens.
Jeden Herbst findet hier ein Treffen der Oldtimer zu Ehre des berühmtesten Sohnes der Stadt in der modernen Geschichte statt. Er hieß Tazio Nuvelari, genannt „der fliegende Mantuaner“ der in den dreißiger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts als ein unbesiegbarer Autofahrer galt. Er fuhr für den Rennstall Scuderia, bis er nach einem Streit mit dem Gründer dieses Rennstalls, Enzo Ferrari, zur Konkurrenz bei Masseratti wechselte. Zwei „Hähne in einem Stall“ vertrugen sich auch schon damals nicht. Zur Zeit dieses Oldtimerrennens, aber nicht nur zu dieser Zeit, kämpft Mantua mit einem Parkplatzmangel. Also, sollten Sie Lust bekommen diese zauberhafte Stadt die am Fluss Mincio liegt zu besuchen, stehen Sie lieber früh auf.
Aber auch Damen kommen in Mantua auf ihre Kosten. Man kann hier sogar am Sonntag shoppen. Als ich mit meiner Frau nach Mantua gereist bin, an einem Sonntag, vereinbarten wir, dass zumindest dieser eine Tag ausschließlich der Kultur gewidmet wird. Das Shoppen, das sonst immer ein fester Bestandteil unseres täglichen Ablaufs war, wollten wir auslassen. Ich habe nämlich gehofft, dass die Geschäfte im katholischen Italien am Sonntag geschlossen haben. Aber weit gefehlt! Die Geschäfte auf „Piazza delle Erbe“ waren offen. Und in einem davon haben wir ein Kleid für unsere fünfjährige Enkeltochter, gerade so eines das wir gesucht haben, gefunden. Sie sollte nämlich am kommenden Samstag als Jungfer zu einer Hochzeit gehen, daher war der Kauf eines passenden Kleides eine der Prioritäten unseres italienischen Urlaubes. Das Kleid hatte genau die richtige Größe für ein fünfjähriges Kind, wir haben es gekauft und waren glücklich. Besonders ich sehnte mich im Glück, im Glauben, dass ich das Sonntagsshopping hinter mir hätte.
Ich habe mich zu früh gefreut. Als ich zu meiner Frau, von einer Phototour um die Mantua, zurückkehrte (Mantua ist am schönsten beim Blick über das Wasser, also über die Seen des Flusses Mincio und die sind breit genug, um für ein gutes Foto ziemlich weit laufen zu müssen), sagte meine Frau, wir hätten ein Problem. Wir haben ein Kleid in Größe 110 cm gekauft, unsere liebe Enkelin ist aber inzwischen unkontrolliert auf 116 cm gewachsen und brauchte daher Größe 120, also nach italienischen Maßen ein Kleid für ein sechsjähriges Kind (ich weiß nicht, warum dort die Kinder so klein sind). Ich habe sofort verstanden dass, in erster Linie, ich jetzt ein Problem hatte. Als mir meine Frau erklärte, dass wir zurück in das Geschäft gehen müssen und ich der Verkäuferin, die nach einem guten italienischen Brauch kein Wort Englisch sprach, erklären müsse, worum es ging. Ich spürte kalten Schweiß auf dem Rücken. Mit meinem gebrochenen Italienisch sollte ich so eine komplizierte Sache erklären?
Ich brachte alle Kräfte und meine gesamten italienischen Kenntnisse zusammen und erklärte der Verkäuferin, dass meine Gattin mit meiner Tochter telefoniert hatte und unsere Enkelin, für die das Kleid als Geschenk gemeint war, war mehr gewachsen als wir ahnen konnten und wir ein um eine Nummer größeres Kleid bräuchten. Die Verkäuferin sagte, das wäre kein Problem, daraus habe ich angenommen, dass sie mich verstanden hatte und sie ging zum Kleiderständer. Dort hat sie dann, nach meiner Erwartung festgestellt, dass sie kein Kleid in der richtigen Größe hätte. Meine schüchterne Frage, ob wir das Geld zurückhaben könnten, beantwortete sie mit einem scharfen „non´e possibile“. Dann begann sie uns die unterschiedlichsten Kleider anzubieten. Das Problem lag darin, dass alle gut für den Kindergarten oder für einen Spielplatz wären, nicht aber für eine Hochzeit. „Sag ihr, dass es für eine Hochzeit ist“, sagte meine Frau. Ich war gerührt. Das Wort „Hochzeit“ ist sicherlich eines der ersten im Wortschatz, wenn man eine fremde Sprache selbst lernt. Das schlimmste war aber die Tatsache, dass ich wusste, ich kannte das Wort (es gibt doch die Oper „Figaros Hochzeit“ und den Originaltitel der Oper hatte ich schon oftmals gehört).
Aber Sie kennen das sicher. Wenn Sie sich dringend an etwas erinnern wollen, geht es einfach nicht. Ich probierte es mit Noce, Noca, aber keiner hat mich verstanden. Da ich ein moderner Mensch bin (oder zumindest glaube ich es zu sein), habe ich unbemerkt das Wörterbuch auf meinem Handy aktiviert und gab das Wort Hochzeit ein. Das Handy antwortete, dass es „Matrimonium“ bedeutet. Ich zweifelte. Etwas hat mir gesagt, dass Matrimonium eine Ehe bedeutet. Hätte ich es verwendet, hätte die Verkäuferin denken können, dass wir unsere fünfjährige Enkelin verheiraten wollten und dann wären Zweifel über unsere Religion aufgekommen. Ich wurde stur und sagte das Wort nicht. Letztendlich haben wir ein schönes Kleid für den Kindergarten gekauft und sogar mir ein paar Strümpfen. Es war zwar nicht das Richtige aber auch nicht unbedingt das Falsche.
Als ich ins Auto eingestiegen bin, erinnerte ich mich auf „le nozze de Figaro“, aber es war zu spät. Das Wort „le nozze“ vergesse ich jetzt natürlich nie mehr (auch wenn es sich um ein Plural handelt) und dass obwohl ich das Wort nie mehr brauchen werde. Übrigens das Wort „Matrimonium“ hätte ich auch verwenden können. Es bedeutete beides, Ehe sowie auch Hochzeit.
Mantua ist einfach schön. Man kann dort sehr gut shoppen. Auf keinen Fall lassen Sie diese Stadt bei einem Italienbesuch aus.