Category: Italienische Impressionen

Rom

               Natürlich, wie anders, was wäre schon Italien ohne die „Ewige Stadt“? Das müssen auch die Norditaliener, sogar die Mitglieder der „Liga Nord“ akzeptieren. Einer von ihnen hat mir einmal erklärt, dass Italien zehn Kilometer südlich von Rom sein Ende hätte, das aber nur deshalb, weil Rom die Hauptstadt sei.

               Es ist auffällig, dass Rom, obwohl das Zentrum Italiens, nicht über das höchste Bruttoinhaltprodukt pro Kopf verfügt. Es ist nicht einmal die reichste italienische Provinz, wie es sonst so gut wie in allen europäischen Ländern  der Fall ist. Rom hinkt deutlich hinter Piemont mit Turin, Lombardei mit Mailand und sogar hinter Südtirol nach. Aber Rom ist einfach Rom, es ist etwas, was man sehen muss und deshalb werde ich meine erste Serie der Artikel über italienische Städte hier beenden.

               Die Römer sind ein eigenes Volk und mit dem Rest von Italien haben sie sich nie wirklich identifiziert (übrigens Rom wurde an Italien als das letzte Stück des Landes im Jahr 1870 als Folge der Niederlage des Kaisers Napoleon III. im Krieg gegen Preußen angeschlossen). Bis dahin war Rom unter einem französischen Protektorat (offensichtlich auf Wunsch des Papstes, der den Anschluss an Italien zurecht gefürchtet hatte) und die Italiener mussten die Hauptstadt ihres neuen Königsreiches von Turin nach Florenz verlegen und auf einen günstigen Moment warten. Im Jahr 1870  kam dieser Moment und es konnte nicht einmal der uralte Alexander Dumas helfen, der für die Rettung Roms vor bösen Italienern mit einem geliehenen Kriegsschiff mit einer Kanone und einem hübschen jungen Schiffsmädchen ins See stach. Als er Rom nicht retten konnte, starb er noch im gleichen Jahr.        

               Die Römer haben sich nicht einmal mit der italienischen offiziellen Sprache angefreundet, die zu ihrem Unmut aus dem toskanischen und nicht aus dem römischen Dialekt stammt. Sie pflegen also sehr sorgfältig ihren eigenen Dialekt und lassen sich durch Hochitalienisch nicht beirren. Möglicherweise deshalb wird die Anschrift SPQR, die man auf allen römischen Kanaldeckeln als eine Erinnerung an einstiges Römisches Reich (Senatus populusque Romanus – also Römischer Senat und Volk) vom Rest der Italiener als „Sono pezzi questi Romani“, interpretiert, also frei übersetzt – „Die spinnen die Römer“.      

               Das zeugt von der Tatsache, dass der Rest Italiens die Römer einfach nicht versteht. Einem Römer ist bewusst, dass er in einer Stadt lebt, die die Wiege der derzeitigen Zivilisation war und betrachtet also alle Nicht-Römer als mehr oder weniger zivilisierte Barbaren. Er fühlt also die Verantwortung für den Rest des Landes, lässt sich aber deshalb nicht seine südliche Gelassenheit nehmen. Die Haupteigenschaft eines Römers ist, dass er immer hinter seinem Zeitplan nachläuft (wenn er überhaupt einen hat) Er weiß es und baut diese Tatsache in sein Lebensprogramm ein, ohne dass ihm das Stress oder Kopfschmerzen verursachen könnte. Die Tatsache, dass er in sein Büro spät kommt, kann ihn nicht daran hindern, mit dem Trafikanten zu tratschen, dem gerade der neue Freund seiner Tochter Sorgen macht. Also einfach „Dolce Vita“, wie diese Lebenseinstellung der geniale Federico Fellini definierte. Rom ist einfach Rom und diese Stadt zu erleben ist ein Pflichtprogramm jedes Mitglieds der westlichen, also christlichen Zivilisation.         

               Wenn ich aber einen Artikel über Rom schreiben möchte und dieser sich in einem limitierten Rahmen halten sollte, stehe ich auf einem verlorenen Posten. Weil Rom nicht nur riesig, sondern auch vielfältig ist. Es gibt antikes Rom, mittelalterliches und natürlich auch modernes Rom. Alles ist so unglaublich miteinander verflochten, dass die Stadt einem gordischen Knoten ähnelt, den es unmöglich scheint, aufzuflechten. Die einzige Ausnahme ist das Mussolinis Stadtviertel  E.U.R,  das einen wirklich kompakten Komplex bildet – ein furchtbares Denkmal der faschistischer Architektur, sehr ähnlich der Schöpfung der Nazis oder des sozialistischen Realismus. Zum Glück traute sich nicht einmal Mussolini ein Stadtviertel im Stadtzentrum niederzureißen, um es mit diesem seinen Denkmal zu ersetzen – diese Entscheidung traf er umso leichter, weil die Italiener – wie wir schon wissen – ohnehin sehr ungern etwas niederreißen. Es gibt damit zu viel Arbeit. Sie bauen lieber um. Gott sei Dank.  

               Nichtsdestotrotz traue ich mich nicht, einen zusammenfassenden Artikel über die römische Kultur und die Sehenswürdigkeiten zu schreiben, maximal könnte ich mich um  ein paar subjektive Sondierungen bemühen. Während dreier Besuche der ewigen Stadt kann man nur einen Bruchteil seiner Schönheit kennenlernen, zu seinen Geheimnissen schafft man das in dieser kurzen Zeit überhaupt nicht.                            

Selbstverständlich muss man in Rom Frascati kosten, einen Wein aus Lazio (den Rotwein Cesanese ist etwas schwieriger zu besorgen, er wird im Gegenteil zum Weißwein in dieser Region nur in kleinen Mengen angebaut) aus südlichen Vorstädten Roms und natürlich auch „Gnochi  ala Romana“ oder „Saltinboca“ ausprobieren, ein Naturschweinschnitzel, paniert auf Butter, das, wie der Name sagt, selbst in den Mund springt. Überraschenderweise kann man in Rom für ziemlich akzeptable Preise essen. Die Konkurrenz der Gaststätte ist riesig, man muss nicht unbedingt im ersten „Ristorante“ bleiben, über das man stolpert, auch wenn man bereits das Gefühl hat, durch Hunger zu sterben. „Insider Tipps“ sind dringend wünschenswert, die Qualität der Speisen in verschiedenen Restauranten ist sehr variabel und nicht immer im Einklang mit dem Preis. Wenn man sich entscheidet, auf der „Piazza Navona“ zu Mittag zu essen, muss man akzeptieren, dass man viel für wenig zahlen würde. Man zahlt hier für den Blick auf einen der schönsten römischen Plätze. Aber zum Beispiel in der „Osteria suburana“ im früheren römischen Sündenviertel Subura oder im „Pane e Vino“ in der „Via di Parione“ kann man gut essen, ohne tief in die Tasche greifen zu müssen.

               Wenn man sich für einen Ausflug nach Rom entscheidet, muss man in Kauf nehmen, lange Strecken zu Fuß zurücklegen zu müssen. Das historische Zentrum ist logischerweise ziemlich groß und die Strecke C der U-Bahn, die durch das Zentrum führen sollte, wird wahrscheinlich niemals fertiggebaut. Es wird an ihr bereits jahrzehntelang gearbeitet, aber egal, wohin die Bauleute graben, immer finden sie ein historisches Artefakt und sie haben sofort die Denkmalschutzbehörde am Hals. Also gibt es nur die Strecken „A“ und „B“, die das historische Zentrum des antiken Roms in einer respektablen Entfernung umkreisen. Diese Entfernung muss man dann zum Fuß bewältigen. Aber es ist möglich. Sogar meine achtzigjährige Mutter hat das geschafft, obwohl sie es mit einer Bursitis im Hüftgelenk bezahlte.      

               Ich versuche durch die Zeit zurück zu rudern, also vom modernen zum antiken Rom und ich bitte um Verzeihung, wenn ich aus Versehen den Weg verlassen würde. Das kann nämlich in Rom sehr leicht passieren. Ich versuche also  immer tiefer nach der Art der Archäologen zu graben, also gegen die Zeit zu reisen.

Ich werde meinen Bericht über Rom in drei Blöcke teilen. Heute beginnen wir also mit dem modernen Rom und wir tauchen bis in die Schichten des Höhepunktes der päpstlichen Macht – also in die Zeit von Barock und Manierismus – ein. Das wird sicher für heute genug sein.

Das neueste Gebäude, das eines Besuches wert ist, ist das „Museo Nazionale delle Arti del XXI Secolo“ genannt kurz MAXXI.

Natürlich, die moderne Kunst ist nicht Jedermanns Sache, man findet hier aber auch ältere Kunstwerke, zum Beispiel im „Museo Aristaios“ gibt es Sammlung, die vom Dirigenten, Archäologen, aber auch Psychiater Giuseppe Sinopoli gespendet wurde. Interessanter als die hier untergebrachten Sammlungen ist aber vielleicht sogar das Gebäude selbst, seine avantgarden Formen verdankt es der Architektin Zaha Hadid (1950 – 2016). Besuchen Sie, wenn möglich, das Museum bei schönem Wetter, das schönste Erlebnis ist nämlich ein Espresso auf der Terrasse. Ein Problem ist, dass dieses Museum ziemlich weit vom Stadtzentrum liegt, es ist von der „Piazza di Popolo“  in Richtung Norden zu Fuß noch einen nicht gerade kurzen Weg entfernt. Man kann die Straßenbahn benutzen, nämlich die Linie 2 in Richtung Piazza Mancini.

               Siebzig Jahre vorher wurde die furchtbare Mussolinistadt E.U.R. gebaut. Sie ist eigentlich einen Besuch wert. Es ist im Grund genommen der einzige Werk der faschistischen Architektur, der uns erhalten geblieben ist – wahrscheinlich auch nur deshalb, weil Italiener – im Gegensatz zu Deutschen – wie bereits hundertmal erwähnt, äußerst ungern etwas niederreißen und auch, weil Rom im zweiten Weltkrieg an die Alliierten übergeben wurde, ohne durch Straßenkämpfe beschädigt worden zu sein. Häuser aus Beton mit Reliefs wie aus dem realen Sozialismus und sogar ein Obelisk – nicht aber ein alter ägyptischer, sondern ein neuer. Sollte jemand denken, Mussolini ließ diesen Obelisk bauen, damit in Rom nicht die unglückliche Zahl von 13 Obelisken steht, muss ich ihn enttäuschen – einen Obelisken, der auf Piazza Porta Capena stand, gaben die Italiener an Äthiopien erst im Jahr 2005 zurück.

Von Mussolinis Bescheidenheit zeugt die Tatsache, dass sein Obelisk mit seinen siebzehn Meter Höhe nur der fünft höchste in Rom ist. Die U-Bahn bringt euch zu E.U.R und wieder zurück, wenn Sie genug von dieser Architektur hätten. Was ziemlich schnell passieren könnte.

               Ein weiteres Monument ist um fünfzig Jahre älter als E.U.R und es ist eines der Wahrzeichen Roms „Monumento Nazionale Vittorio Emmanuelle II.“. Es wurde in den Jahren 1885 – 1911 von Architekten Giuseppe Sacconi gebaut und er wertete damit das Zentrum Roms für immer und ewig ab. Außer einer großen Reiterstatue des ersten italienischen Königs, der zu seinem Glück die Fertigstellung dieses Monuments nicht erlebte (er starb im Jahr 1878) gibt es hier auch das „Grab des unbekannten Soldaten“ mit ewiger Flamme und einen „Heimatsaltar“.  Die Römer konnten sich mit diesem Ungeheuer nie abfinden (im Gegenteil zu Franzosen, die sich nach anfänglichen Protesten mit ihrem Eifelturm doch anfreunden konnten oder Österreichern, die nach heftigen Hasstiraden letztendlich ihre Wiener Oper lieben und dort jedes Jahr sogar tanzen.) Die Römer nennen dieses Riesengebäude in Anspielung auf seine Form bis heute „Die Schreibmaschine“.

Das ist genau das, was ich an den Italienern liebe. Sie können sich über sich selbst lustig machen und ihr Humor gegen sich selbst kann auch sehr giftig sein, trotzdem hören sie nicht auf, auf ihr Land, ihre Kultur, Geschichte und Küche stolz zu sein. Es ist ihnen gleichgültig, dass erzählt wird, dass die zwei kürzesten Bücher der Welt das britische Kochbuch und das Buch der italienischen Heldentaten sind. Egal wie viele Kriege die Italiener verloren haben, immer konnten sie nach der Niederlage etwas für sich gewinnen. Die Österreicher werden ihnen niemals Südtirol und schon überhaupt nicht Triest verzeihen, sie können aber nichts mehr ändern. Zwar einigermaßen ironisch, aber trotzdem pompös, das ist das Monument Vittorio Emmanuelle, die Verherrlichung der italienischen Staatlichkeit.    

               Zum Glück hat Rom solche Denkmäler nicht im Überfluss. Wir können gleich um einige Jahrhunderte tiefer eintauchen und beginnen das barocke Rom zu bewundern. Weil Barock, der hier sein Ursprung erlebte, gibt Rom sein dominantes Gesicht. Am Beginn dieser Epoche stand Gian Lorenzo Bernini, der Vater dieses Baustils.           

               Bernini kam nach Rom als achtjähriger Bub mit seinem Vater, den Papst Paul V. Borghese als Baumeister anstellte. Der Papst, der den Anfang des Dreißigjährigen Krieges mitgestaltete und am 3.Dezember 1620 eine feierliche Messe zur Ehre des Sieges der katholischen Waffen am Weißen Berg bei Prag persönlich zelebrierte. Bernini begann für ihn im Jahr 1618 zu arbeiten und bis zum Tod im Jahr 1680 schuf er in Rom eine Reihe Werke, die der heutigen Stadt ihren Charakter verleihen. Die Borghesen prägen das Stadtbild von Rom bis heute dank ihrer Villa auf dem Berg oberhalb der Spanischen Treppe. Das Grundstück ergatterte der Neffe des Papstes Paul V. Scipionne Scafarelli und die Borghesen blieben hier. Es handelt sich um eine Villa mit einem riesigen Park und einer Gallerie von Statuen, wahrscheinlich der schönsten in Rom – unter anderen gibt es hier auch die Statue der schönen Schwester Napoleons, Pauline, die ein Mitglied der Familie Borghese  Camillo geheiratet hat. Pauline ließ sich nackt als Göttin Venus darstellen. In ihrer Zeit war es ein riesiger Skandal, meiner Meinung nach musste sich Pauline für ihr Aussehen sicher nicht schämen.  

Bernini schuf den Baldachin über das Grab des heiligen Petrus im Dom im Vatikan und den gigantischen Säulengang, der den Platz vor der Kirche des heiligen Petrus umrahmt. Als ich mich das erste Mal zu diesem Platz näherte, verstand ich nicht, wie durch das Mitte Roms eine Autobahn laufen könnte. Es gab hier keine, allerdings könnten die Säulen von Bernini locker eine Autobahn tragen, sie rahmen einen der größten und schönsten Plätze Europas ein Auch der Vorraum des Pantheons ist ein Werk von Bernini und natürlich auch die legendäre Fontäne der vier Flüsse auf der „Piazza Navona“.

Bernini arbeitete insgesamt für acht Päpste, am Ende erschwerte ihm das Leben der Neid seiner Kollegen. Er wurde in der Kirche Maria Maggiore begraben. Sein Grab ist einfach und es ist schwer zu finden, nur sein Name auf einer der Stufen, die zur Apsis führen, erinnert an den Platz seiner Ruhestätte. Große Meister brauchen keine großen Grabmäler, ihr Werk spricht ausreichend für sie. Barock, dieser repräsentative Baustil, siegte in Rom dank Bernini.

Der Höhepunkt der barocken Kunst sind weitere bekannte Denkmäler, wie die Spanische Treppe, gebaut für französisches Geld vom König Ludwig XV. Zum Glück wurde das ursprüngliche Projekt, in dem über der Treppe eine riesige Reiterstatue dieses Königs stehen sollte, nicht vollendet (der Papst war dagegen). Heute steht oberhalb der Treppe die französische „Kirche der Heiligen Dreifaltigkeit“.

               Nicht weit von hier gibt es die „Fontana di Trevi“.

Dieses wunderbare Wasserspiel machte vor allem der Film „Dolce Vita“ von Federico Fellini mit Anita Eckberg und Marcello Mastroiani aus dem Jahr 1959 berühmt. Das nächtliche Bad von Anita Eckberg machte das Werk berühmter als alles andere, seitdem ist die Fontäne ein Pflichtprogramm für jeden Besucher Roms und dementsprechend  schaut es dort auch aus. Sollten Sie die mutige Idee haben, in den Nachmittagstunden die Fontäne zu besuchen, bereiten Sie sich auf unglaubliche Menschenmengen, die alle sich unbedingt vor dem Werk der Architekten Nicola Salvi und Giuseppe Pannini, das aus Anlass des Papstes Klement XII. gebaut wurde, ein Photo machen wollen. Von Gruppen, einzelne Personen, Selfie, alles was nur möglich ist und natürlich gibt es hier eine unglaubliche Menge Rosenverkäufer, die euch nicht in Ruhe lassen. In einem Moment habe ich gehofft, sie wären endlich weg – es begann nämlich zu regnen. Die Freude dauerte nur ein paar Augenblicke, dann waren sie wieder zurück, zwar ohne Rosen, dafür aber mit Regenschirmen. Einen Unternehmergeist kann man ihnen nicht abstreiten. Wenn man nur ein bisschen Privatsphäre hier erleben möchte, hier oder auf der Spanische Treppe, gibt es nur eine verlässliche Methode – man muss früh aufstehen. Was in Rom nicht unbedingt bedeutet, um sechs in der Früh wach zu sein. Die Römer sind keine Frühaufsteher. Es reicht, zur Spanischen Treppe um acht Uhr morgens zu kommen, dann hat man ein Photo nur für sich allein.

               Nur ein paar Minuten Spaziergang weiter gibt es Fontäne der Tritonen auf der „Piazza Barberini“, wieder ein Werk des genialen Bernini, diesmal für den Papst Urban VIII. gebaut.

Kommen wir aber noch eine architektonische Schicht tiefer – zum Manierismus. Der Gründer dieses Stils, der die klassische Renaissance verließ und eine neue Maß der Kunst vorgab, war kein anderer als ein weiteres Genie, der (unter anderem) auch in Rom lebte und arbeitete – Michelangelo Buonarotti.  Seine Werke, ähnlich wie die von Bernini, sind ebenso im ganz Rom verstreut, ein der berühmtesten ist natürlich die Pieta in der Kirche des heiligen Petrus. Es ist sein erstes großes Werk, mit dem sich der damals noch junge Künstler den Platz an der Sonne verschaffte. Durch Führung des Schicksals war eines der letzten Werke des bereits mehr als siebzigjährigen Künstlers die Kuppel der Kirche. Gerade die riesigen Kosten, die mit dem Bau des gigantischen Doms über das Grab des heiligen Petrus, mit dem Julius II. begann, die durch einen unverschämten europaweiten Sündenerlassverkauf finanziert wurden, waren der Grund, warum Martin Luther im Jahr 1517 seine Revolte startete. Michelangelo ist aber an vielen anderen Stellen in Rom durch seine Werke anwesend. Natürlich ist das die legendäre Sixtinische Kapelle, also ihre Decke und die Frontseite – die Seitenwände sind mit Fresken anderer Autoren, nämlich der größten Künstler der Renaissance wie Sandro Boticelli, Perugino, Roselllino und weiteren geschmückt. Das Fresko der Schöpfung des Adams ist allerdings ein der berühmtesten Motiven und neben dem David in Florenz wahrscheinlich das bekannteste Werk Michelangelos. Das Jüngste Gericht an der Frontseite der Kapelle malte Michelangelo zwanzig Jahre später – der Gott gönnte ihm für seine Arbeit genug Zeit. Michelangelo beteiligte sich auf entscheidende Weise auch am Bau des wunderschönen „Palazzo Farnesse“, in der Kirche „San Pietro in Vinculi“ im Stadtviertel Subura findet man seinen berühmten Moses, in der Kirche „Santa Maria Minerva“ dann seinen „Auferstehenden Christus“.  Ein echtes Schmankerl ist dann die Kirche „Santa Maria degli Angeli e dei Martiri“ auf der „Piazza della Republica“.

Der damals bereits fünfundachtzigjährige Künstler entschied sich für eine absolut geniale Lösung, als er aus der Ruine der ehemaligen Terme Kaisers Diokletianus eine Kirche bauen sollte. Er entschied sich die hohen Säle des Tepidariums (90 Meter lang, 27 Meter breit und 30 Meter hoch) zu nutzen und baute die Kirche in der Form eines griechischen Kreuzes (Die Arme des griechischen Kreuzes sind im Unterschied zum lateinischen gleich lang), was der Kirche eine fabelhafte Symmetrie verleiht. Von außen geht es um ein unauffälliges Gebäude – Die Fassade bilden die römischen Ruinen – im Inneren gibt es aber ein unbeschreiblich schönes Erlebnis. Johannes Paul II. schenkte der Kirche die „Milleniumsorgel“, bereits vor ihm ließ  Papst Klement XI. in den Boden der Kirche den so genanntes „Meridian“ einbauen, der zu genauer Zeitmessung dienen sollte.

Ich habe Michelangelo immer bewundert. Er war keiner der Künstler, die einen bereits existierenden Kunststill zur Perfektion bringen, wie z.B. Leonardo da Vinci, sondern einer, der neue Räume eröffnete. So erkennt man ein wahres Genie. Michelangelo hatte den Mut, die schroffen obwohl schönen Linien der Renaissance zu verlassen und sich auf einen neuen unerforschten Weg zu begeben. Der dann weiter in Richtung Barock und zu weiterer Entwicklung der menschlichen Schöpfung führte.

Der Artikel jetzt fortzusetzen wäre beinahe eine Sünde. Schließen wir die erste römische Etappe mit Michelangelo, in die nächste Schicht, nämlich in die Stadt der allmächtigen Päpste in der Zeit der Renaissance und Mittelalters, tauchen wir das nächste Mal ein.

Genua

Die Stadt Genua ist heutzutage dadurch bekannt, dass hier Autobahnbrücken abstürzen. Als wir diese Brücke im Jahr 2006 passierten, stürzte sie noch nicht, sie zeigte nicht einmal eine Absicht, es zu tun. Trotzdem ist es möglicherweise eine bessere Idee Genua mit dem Zug zu besuchen, besonders, wenn man auf der Ligurischen Riviera wohnt, oder der „Riviera dei Fiori“ also der „Riviera der Blumen“, wie sie die Italiener schmeichelhaft nennen. Es ist sicher eine bessere Idee, als in der Stadt zu übernachten, die dank ihres Hafens, in dem große Schiffe und Tanker anlegen, reich geworden ist. In diesem Punkt hat Genua heutzutage seinen ehemaligen erbitterten Gegner Venedig weit überwunden, da Venedig zu einer touristischen Attraktion degradiert worden ist und langsam auf den Meeresboden sinkt. Genua bleibt eine bedeutende Stadt, sie ist letztendlich neben Turin, Mailand und Rom die vierte italienische Stadt, die sich zwei Klubs in der ersten italienischen Fußballiga  – Serie A -zu haben, leisten kann. Venedig hat hier keinen.

Der Westbahnhof von Genua „Statione Principe“ ist ziemlich zentral gelegen und ein guter Ausgangpunkt für den Besuch der Altstadt. Sollten Sie von Osten kommen, steigen Sie in „Statione Brignoni“ aus und Sie würden gleich von der Haupteinkaufstrasse der Stadt „Via XX.Settembre“ begrüßt. Hätten Sie eine kaufsüchtige Gattin mit, dann war es das auch schon mit dem Stadtbesuch.

               Es gab Zeiten, als Genua noch berühmter und reicher als heute war, die Stadt gehörte zu den ersten Mittelmeergroßmächten und führte einen erbitterten Kampf um diese Stellung mit seinen Konkurrenten, mit Arabern, Türken, aber vor allem mit seinen italienischen Gegnern Pisa und Venedig. Warum wissen wir über Venedig viel mehr als über Genua? Das hat seinen Grund in den ewigen innenpolitischen Streitereien zwischen den genuesischen Adelsfamilien um die Macht in der Stadt, was letztendlich zum Verlust der Unabhängigkeit führte. Genua konnte – mit Ausnahme der Eroberung von Korsika (die dann die Stadt im Jahre 1755 an Frankreich verkaufte) und des Nordteils von Sardinien, kein solches Imperium aufbauen, wie sein Gegner an der Adria. Seine kaufmännischen Stützpunkte lagen eher auf der Schwarzmeerküste, besonders auf der Krim, obwohl im vierzehnten Jahrhundert es Genua doch noch geschafft hat, einige Insel im Ägäischen Meer bei der heutigen türkischen Küste wie Lesbos oder Chios unter seine Kontrolle zu bringen.

               Die genuesischen Häfen auf der Krim wurden zum Schicksal für ganzes Europa. Im Jahr 1346 entschlossen sich die heimischen Tataren, die reiche genuesische Niederlassung in Kaffa zu erobern. Als die Genueser nicht bereit waren, zu kapitulieren, begannen die Belagerer mit merkwürdigen schwarzen Hauttumoren bedeckte Leichen über die Stadtmauer zu schleudern. Die Genueser haben bei diesem Anblick Angst bekommen, verließen die Stadt auf ihren Schiffen, segelten aber nicht nach Hause, sondern nach Marseille. Pasteurella pestis, also das Bakterium der Pest, transportierten sie bereits mit. Die Folge war die schlimmste Epidemie, die je Europa erlebt hat.

               Wegen seiner Kolonien am Schwarzen Meer musste Genua gute Beziehungen mit dem Byzantinischen Reich pflegen, da dieses Reich die Meeresengen Bosporus und Dardanellen kontrolliert hat. Genua erhielt vom Kaiser den Stadtteil Pera und es waren 700 genuesische Kämpfer, die unter der Führung des Condottieres Giovanni Giustiniani im Jahr 1453 heldenhaft monatelang Konstantinopel in seinem letzten Kampf gegen hundertausende Türken verteidigten.

               In dieser Zeit hatte allerdings Genua seine erste Hochblüte bereits hinter sich. Genua schaffte es zwar, seinen ersten Konkurrenten Pisa in der Schlacht bei Meloria im Jahr 1284 zu vernichten, verlor aber danach selbst den Kampf gegen Venedig in der Schlacht bei Chioggia im Jahr 1380. Danach wechselte in Genua die Herrschaft der Viscontis aus Mailand mit den französischen Königen, bis im Jahr 1528 Andrea Doria die Stadt befreite und zu einem neuen Höhepunkt der Konjunktur brachte. Weil es in der ersten Hälfte des sechzehnten Jahrhundert geschah und in dieser Zeit die Renaissance gerade ihren Höhepunkt erreichte, erklärt diese Tatsache die Menge der architektonischen Juwelen in der Stadt, die gerade aus dieser Epoche stammen. Wie zum Beispiel die atemberaubende Kirche „Santissima Anunciata“, die die Familie Lomellini bauen ließ. Selbstverständlich finden wir in der Stadt auch ältere Bauten, wie zum Beispiel die Stadttore, die ein Teil der Stadtbefestigung waren und zu Verteidigung gegen Kaiser Friedrich Barbarossa im zwölften Jahrhundert gebaut worden sind, wie die „Porta dei Vaca“ oder die „Porta Soprana“, deren hohe Türme gleich neben dem Geburtshaus des berühmtesten Genueser Christoph Kolumbus in den Himmel ragen. Oder das ganze Privatstadtviertel der Familie Doria um den Platz „San Matteo“ (in der Kapelle San Matteo ist der berühmteste genuesischer Herrscher Andrea Doria begraben) wo noch der gotische Stil überwiegt.

               Andrea Doria war eine imposante Persönlichkeit der europäischen Geschichte, es zahlt sich aus, bei ihm länger zu verbleiben, bis wir unsere Reise zu weiteren genuesischen Sehenswürdigkeiten fortsetzen. 

Er wurde im Jahr 1466 geboren, in für Genua schwierigen Zeiten. Seit 1484 wütete nämlich Krieg zwischen Frankreich und Spanien um die Vorherrschaft in Italien, der vom französischen König Karl VIII. ausgelöst worden war. (Wahrscheinlich aus diesem Grund suchte Christoph Kolumbus seine Bestimmung nicht zu Hause, sondern auf der Pyrenäenhalbinsel). Der Krieg legte in seiner Intensität zu, als die Throne beider Weltmächte junge Herrscher bestiegen, König Franz I. in Frankreich und Kaiser Karl V. in Spanien. Doria stand zuerst auf der kaiserlichen Seite, als Karl V. allerdings im Jahr 1522 Genua eroberte, wechselte er in den französischen Dienst und im Jahr 1524 befreite er Marseille aus der kaiserlichen Belagerung. Danach wechselte er wieder die Seiten und wurde zum kaiserlichen Admiral. Angeblich war der Grund, dass der französische König seine Heldentaten unzureichend honorierte. Wenn jemand seinen Verrat rechtfertigen will, findet er immer ein passendes Argument. Wenn er dann auch siegt, gibt es niemanden, der sein Handeln in Frage stellen würde. Doria siegte. Nur am Rande erlaube ich mir eine Notiz, dass im Jahr 1525 Franz I. bei Pavia die entscheidende Schlacht verlor und selbst in Gefangenschaft geriet. Schon aus diesem einfachen Grund konnte er Doria kaum die von ihm verlangte Belohnung auszahlen. Andrea Doria handelte also offensichtlich pragmatisch und stelle sich an die Seite des Siegers. Das ist immer viel angenehmer, als an der Seite des Verlierers zu beharren. Einen Geschlagenen kann man viel einfacher verraten als einen Sieger, besonders, wenn dieser im Gefängnis sitzt. Im Jahr 1528 übernahm Doria unter dem kaiserlichen Schutz die Macht über seine Geburtsstadt, er schrieb die Verfassung um, beendete innere Streitereien, wurde zum Herrscher auf Lebenszeit, gründete eine Herrschaftsdynastie und führte die Stadt zu einer außergewöhnlichen Blüte. Als sein unbeliebter Neffe Gianettino im Jahr 1547 ermordet wurde, behielt er die Regierung in der Stadt bis 1555, als er sich als beinahe neunzigjähriger von der Regierungsgeschäften zurückzog und die Herrschaft über Genua seinem Großneffen Giovanni (dem Sohn vom ermordeten Gianettino) überließ. Er starb im Jahr 1560 im Alter von 94 Jahren. (Übrigens, der Gründer der venezianischen Macht, der Doge Enrico Dandolo, lebte 98 Jahre lang, verwaltete Venedig bis zu seinem Tod und noch in diesem Alter nahm er am Kreuzzug ins Heilige Land teil) 

               Der Großneffe Giovanni Andrea Doria wurde dann in der legendären Schlacht bei Lepanto im Jahr 1571 berühmt, obwohl auf eine einigermaßen merkwürdige Art. Er führte den rechten Flügel der christlichen Flotte an und ließ sich vom türkischen Piraten Ulugh  Ali aus dem Schlachtfeld ausmanövrieren (für sein ziemlich ungeschicktes Manöver wurde er sogar des Verrates beschuldigt) um letztendlich im Finale der Schlacht doch irgendwie zur Schlacht zu stoßen, gerade im Moment, als sich Ulugh Ali nach der Eroberung des Flaggschiffes der Malteserritter Ansprüche auf den Gesamtsieg machte. Doria fiel den siegreichen Türken in den Rücken und zwang sie zur Flucht. In dieser Schlacht kämpften das erste Mal in der Geschichte die verbitterten Feinde Venedig und Genua Seite an Seite. Also „Seite an Seite“ – Venezianer waren auf dem linken Flügel der Flotte und Genueser auf dem rechten, der Admiral und Kommandant der Armee Juan d´Austria steckte zur Sicherheit zwischen diese zwei Streithahne die ganze spanische Flotte und dazu auch alle Schiffe der Malteser. So konnte er verlässlich verhindern, dass sich seine Verbündeten nicht in die Haare gerieten.    

               Der berühmteste Sohn der Stadt Genua ist aber zweifellos Christoph Kolumbus. In seinem Schatten bleibt nicht nur Andrea Doria, aber auch Niccolo Paganini, der allerdings nicht vergessen wurde. Seine berühmte Geige vom Geigermacher Guarniri aus dem Jahr 1743 wird im Museum im Palast Doria Tursi auf der „Via Garribaldi“ aufbewahrt.    

               Das Geburtshaus von Kolumbus ist eine Halbruine in der Nähe von der „Porta Soprana“.

Um die Wahrheit zu sagen, bin ich von der Authentizität dieses Hauses nicht wirklich überzeugt. Die Genueser suchten offensichtlich irgendein Haus aus dem fünfzehnten Jahrhundert und die sind außerhalb des Privatviertels der Familie Doria eine Mangelware. Und es wäre sehr unglaubwürdig, den kleinen Christoph im Palast der Familie Doria geboren werden zu lassen. Übrigens für die, die Zweifel hätten, gibt es ein zweites ebenso verlässlich authentisches Geburtshaus von Christoph Kolumbus in der Stadt Calvi auf Korsika. Aber authentisch oder nicht, natürlich wird es besucht, übrigens die Staue des großen Seefahrers begrüßt den Stadtbesucher gleich, wenn er den Bahnhof „Statione Principe“ verlässt und nach Kolumbus wurde auch der genuesische Flughafen benannt.

Dann ist es notwendig, in die typischen genuesischen Gässchen unterzutauchen. Sie sind extrem eng und von sehr hohen Häusern umgeben (in Genua gab es einfach immer ziemlich wenige Baugründe).

               Genua lebte und lebt dank seines Hafens. Der große, industrielle, liegt südlich der Altstadt, wir hielten uns natürlich in dem Passagierhafen auf, mit dem Schiff, auf dem Roman Polanski im Jahr 1996 den Film „Die Piraten“ drehte und mit einem großen Aquarium.

Das Aquarium wurde zur Ausstellung EXPO im Jahr 1992 gebaut – natürlich zu Ehre des Fünfhundertjahrejubiläums der Entdeckung Amerikas. Wie sonst? Der Besuch im Aquarium von Genua ist natürlich ein Pflichtprogramm und es ist hier wirklich viel zu sehen. Nicht nur die Seehunde, Haie oder Kröten usw., aber auch die Pinguine, die für uns genau so posierten, wie Skipper, Kowalski, Rico und Private aus dem Film Madagaskar.

               In der gleichen Zeit in den Jahren 1992 – 1994 (Genua war 1992 die Kulturhauptstadt Europas) wurde der verfallene Ankerplatz von Architekten zum heutigen großartigen Schaufenster der Stadt umgebaut.

               Der Kai des Hafens ist heute eine breite Promenade, die von Luxushäusern und Palmen umrahmt ist. Sie wäre noch schöner, wenn jemand nicht die Idee gehabt hätte, gerade  hier eine überirdische vierspurige Straße zu führen, aber wie wir bereits wissen, haben die Genueser mit Autobahnen ein kleines Problem. Diese Straße verunstaltet auch den Blick auf das schönste Gebäude auf dem Kai, den legendären „Palazzo San Giorgio“.

Es ist ein atemberaubendes Gebäude, bedeckt von Fresken und war der Sitz der „Banca San Giorgio“, des mächtigsten genuesischen Geldhauses, heute ist es logischerweise der Sitz der italienischen Nationalbank. Gerade in diesem Haus, das in damaligen Zeiten auch als Gefängnis diente, schrieb Marco Polo sein berühmtes Buch „Million“, als er hier nicht ganz freiwillig als Kriegsgefangener nach der venezianischer Niederlage in der Schlacht bei Curzola die Jahre 1298 – 1299 verbringen musste.

               Nur ein Stück weiter rechts (aus dem Blick von der Hafenseite) führt eine Straße bergauf in die Altstadt. Als erstes begrüßt den Besucher die Kathedrale San Lorenzo aus schwarzem und weißem Marmor.

Die Ähnlichkeit mit den Bauten auf der „Piazza dei Miraculi“ in Pisa ist nicht zufällig. Erstens hat sich der sogenannte pisanische romanische Stil über das ganze Tyrrhenische Meergebiet verbreitet, zweitens stammt der Marmor aus den gleichen Steinbrüchen in Carrara an der Grenze zwischen Toskana und Ligurien und dieser wertvolle Stein war einer der vielen Gründe, warum die Genueser für die Pisaner keine Liebe empfinden konnten, bis Pisa nach dem Jahr 1284 das politische Schlachtfeld räumen und die Machstellung Genua überlassen musste. Die Kathedrale hat nur einen Turm, er wurde zwischen den Jahren 1552 – 1557 gebaut. Ich habe keine Ahnung, warum Andrea Doria den Nordturm nicht fertig bauen ließ, wahrscheinlich investierte er das Geld irgendwo anders. Oder hat sein Architekt gekündigt – dazu kommen wir noch. Die Kathedrale ist auch innen sehr reich geschmückt, der größte Schatz wird in der Renaissancekapelle des heiligen Johannes des Täufers aufbewahrt, beide diese Schatzstücke stammen aus dem ersten Kreuzzug, an dem genuesische Matrosen aktiv teilgenommen haben. In der Schatzkammer der Kathedrale findet man eine Schale aus grünem Glas (Sacro catino), erbeutet in Caesarea im Jahr 1101, von der Genueser glauben, es wäre der heilige Gral und in der Kapelle wird dann die Asche des heiligen Johannes des Täufers beherbergt, die nach Genua bereits im Jahr 1098 gebracht worden ist. Die Entscheidung, welche von diesen heiligen Reliquien die Kirche auf wundervolle Weise gerettet hat, als die Kathedrale im Jahr 1941 von einer britischen Fliegerbombe getroffen wurde, die aber nicht explodierte, überlasse ich dem Leser. Die Bombe kann man übrigens auch heute noch in der Kirche bestaunen.

               Nur ein paar Schritte von San Lorenzo, grundsätzlich noch auf dem gleichen Platz (obwohl er mittelweile den Namen auf „Piazza Giacomo Matteoti“ geändert hat) befindet sich der „Palazzo ducale“, ein riesiger Dogenpalast im klassizistischen Stil und die Kirche „Chieza de Gesu“ mit zwei Bildern von Rubens. Nur ein kleiner Stück weiter gibt es das wahre Zentrum von Genua, den großartigen Platz „Piazza dei Ferrari“ mit einer riesigen Fontäne und wunderschönen Häusern im Stil von Neobarock und Klassizismus inklusiv der Oper von Genua „Teatro Carlo Felice“.

Vor ihm haben wir neben der üblichen Reiterstatue von Guiseppe Garribaldi, die in keiner italienischen Stadt fehlen darf, auch einen Eingang ins „Metro“ von Genua gefunden. Genua hat tatsächlich eine U-Bahn obwohl nur mit  einer Linie und acht Stationen, sie wurde im Jahr 1990 in Betrieb genommen. Sie war dringend nötig, Genua zieht sich nämlich entlang der Küste in der Gesamtlänge von 35 Kilometer hin. Wir traten nicht ein und gingen in die „Galleria Mazzini“, einer gläsernen Einkaufpassage, sehr ähnlich der „Passage Vittorio Emanuelle“ in Mailand oder „Umberto I.“ in Turin. Es gäbe die Zeit für einen Kaffee während die Gattin die Schaufenster der Geschäfte bewundern dürfte. Leider mag es meine Frau nicht wirklich, die Schaufenster zu bestaunen, also die Zeit für den Kaffee blieb relativ kurz. Es war notwendig weiter zu gehen.

               Was Genua zu Genua macht, sind seine prächtigen Paläste, der Beweis für den Wohlstand der Stadt im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert. Dann wurde die Stadt zuerst von Ludwig XIV. und dann von Österreichern in die Defensive gedrängt, die Österreicher nahmen Genua sogar im Jahr 1746 ein. Die schönsten Paläste reihen sich einer neben dem anderen gerade in der Straße, die den Namen des berühmtesten italienischen Rebellen Giuseppe Garribaldi trägt. Die Paläste verdanken ihr monumentales Aussehen dem Architekten Galeazzo Alessi und seinen Schülern – übrigens handelt sich bei Alessi um den Architekten, der an der Kathedrale San Lorenzo den einzigen Turm baute. Dann kümmerte er sich offensichtlich nur mehr um seine privaten lukrativen Aufträge und deshalb blieb der zweite Kirchenturm unvollendet. Hier steht der bereits erwähnte „Palazzo Tursi“ oder der „Palazzo Podestá“. Nur ein paar Schritte weiter gibt es den „Palazzo Spinola“, in dem die Nationalgallerie untergebracht ist.                       

    Den schönsten Palast haben wir auf der Rückkehr zum Bahnhof entdeckt. „Palazzo Reale“ steht beinahe direkt am Kai auf der „Via Balbi“, hinter ihm fanden wir einen wunderschönen kleinen Park mit Mosaikboden, Blumen, Palmen und einem Blick zum Hafen – natürlich verstellt durch die vierspurige Autobahn, die direkt um den Hafen verläuft und leider noch nicht abstürzte. In der Zeit, als im „Palazzo Reale“ Savoyische Könige verweilten, gab es dieses Ungeheuer noch nicht.                 

  Aber Achtung, ich hätte fast etwas vergessen. Die Stadt zieht vom Hafen in die Berge, da bereits in den Straßen von Genua die Alpen beginnen. Also bevor man Genua verlässt, bitte nicht vergessen, zu „Largo Zecca“ zu laufen (es ist vom „Palazzo Reale“ nicht weit) und dann mit der Seilbahn zur obersten Station zu fahren. Von hier gibt es der schönste Blick auf die Stadt, die einmal so berühmt war und für italienische Verhältnisse auch heute immer noch ausreichend reich ist.     

Volterra

                Das toskanische Volterra ist ein verstecktes Nest in den toskanischen Bergen. Es ist so versteckt, dass mein erster Versuch im Jahr 2000, die Stadt mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen, scheiterte. Zwischen San Gimignano, wo ich war, gab es nach Volterra keine Eisenbahn und keine Busverbindung und  ein Taxi hätte man in Col Val d´Elsa bestellen müssen, wo es nur einen Taxibetreiber gab und dieser kein Auto frei hatte. Das Problem war, dass ich damals mit meinem damaligen Chef unterwegs war, der zwar ein Auto für unseren Toskanabesuch bestellt hat, den Führerschein aber zu Hause vergaß und ich hatte auch keinen mit. Also musste ich nach Volterra fünf Jahre später mit eigenem Auto fahren.

Wahrscheinlich dank seiner Lage war es die letzte etruskische Stadt, die die römische Herrschaft akzeptieren musste. Und es ist darauf gehörig stolz. Volterra, das sind Etrusker ohne Ende, ob schon in den Museen oder in den Souvenirshops.

               Übrigens der Letzte, der in der Sprache der Etrusker lesen uns schreiben konnte, war angeblich Kaiser Claudius, also seit dieser Zeit sind beinahe zwei tausend Jahre vergangen. So lange ist schon die Sprache des einmal so mächtigen Volkes vergessen. Böse Zungen – besonders der Schriftsteller Robert Graves – unterstellen Claudius, dass seine Hauptmotivation, die Kaiserkrone, nach der er niemals strebte, nach dem Tod seines Neffen Caligula anzunehmen, die Tatsache war, dass zu seinen wissenschaftlichen Vorträgen über die etruskische Kultur niemand kam (möglicherweise auch deshalb, weil er stotterte). Als er Kaiser geworden ist, mussten die Höflinge diese Vorträge besuchen, egal wie sie sich dabei gelangweilten. Nur zu lachen über den stotternden Kaiser war verboten.

               Aber zurück zu Volterra. Seine Lage auf dem Gipfel eines der toskanischen Hügel verleiht ihm ein monumentales Aussehen, nicht umsonst wird Volterra für eine der schönsten toskanischen Städte gehalten – und hier gibt es eine wirklich starke Konkurrenz.

Zu einer Festung wurde es im vierten Jahrhundert vor Christus ausgebaut, als Etrusken bei dem Blick darauf, wie eine ihre Stadt nach der anderen von Römern eingenommen wurde, in der Panik ihre Stadt mit einem sieben Kilometer langen Mauerring umgaben. Und diese Mauer gab den Römern zu schaffen. Im Jahr 79 vor Christus gelang es dem Diktator Sulla endlich nach einer zweijährigen Belagerung die Stadt einzunehmen und der römischen Verwaltung als ein „Municipium“ zu unterstellen. Von der etruskischen Befestigung der Stadt blieb nur ein Tor erhalten – „Porta all´Arco“, alles andere ging in den darauffolgenden Jahrhunderten zugrunde. Bereits im Laufe der ersten hundert Jahre unter der römischen Herrschaft vergaßen die Etrusker sogar ihre Sprache. So blieb es auch, bis der Tourismus im zwanzigsten Jahrhundert die Erinnerung an diese alte imposante Kultur wieder erwachen ließ. Gescheit ließ sich Volterra ein Monopol auf die etruskische Kultur patentieren. Die Stadt kann sich bei ihrem Gelehrten Mario Guarnacci (er lebte in den Jahren 1701 – 1785) bedanken, da er in Volterra mit den Ausgrabungen begann und seine Funde ein Interesse an der alten aber schon seit ewiger Zeit vergessenen Kultur weckten. Das Museum der etruskischen Kultur trägt seinen Namen „Museo Etrusco Guarnacci“

               Bei der Anfahrt zur Stadt fährt man an einer Menge von Manufakturen für die Bearbeitung von Alabaster vorbei. Volterra ist das italienische Zentrum dieser Kunst – oder eher des Handwerkes und in der Stadt darf natürlich ein Alabastermuseum nicht fehlen. Man findet es im Gebäude der Pinakothek, aber auch im Rathaus kann man Gefäße aus Alabaster in  verschiedenen Farben bewundern, von schneeweiß bis rosarot oder beinahe rot.

               Die wichtigsten Gebäude des Stadtzentrums stammen aus dem dreizehnten Jahrhundert, also aus der Blütezeit des mittelalterlichen Volterra, als die Stadt eine prosperierende selbständige Kommune war, bis sie im Jahr 1361 unter Kontrolle des mächtigen Nachbarn Florenz geraten ist.

               Es bleibt für mich ein Rätsel, warum das alljährige Stadtfest, das jeden dritten und vierten Sonntag im August veranstaltet wird, eine Beziehung zum Jahr 1398 hat („Giornata di Festa nell´Anno Domini 1398“). Trotz allen meinen Recherchen konnte ich nicht erfahren, was so Wichtiges in diesem Jahr passieret ist, das die Bürger von Volterra jedes Jahr so intensiv feiern. Sollte das jemand von meinen Lesern wissen, bitte ich um eine Benachrichtigung.

Wir hatten Glück, dass wir gerade an einem solchen Sonntag die Stadt besuchten ohne zu ahnen, was auf uns wartete. Es war sehr vorteilhaft, dass wir Frühaufsteher sind und außerdem meine Frau immer nach dem Abschluss der täglichen Kulturreise noch baden wollte. Also verließen wir unseren Stützpunkt in Marina di Cecina so früh, dass wir erstens keine Probleme bei der Parkplatzsuche hatten und zweitens wir uns in die Stadt einschleichen konnten, noch bevor die Einheimischen die Straßensperren und Kassen bei Stadteingängen einbauen konnten, um danach die Gebühr für den Eintritt in die Stadt zu kassieren. Die logische Folge war, dass wir ohne eine Eintrittskarte die Stadt nicht mehr verlassen und wieder zurückkehren durften, aber es gab keinen Grund zur Klage, es war genug, was wir sehen und bewundern konnten. Umzüge von Männern und Frauen in rot-weiß mit Trommeln und Pfeifen, den Tanz mit Fahnen, die Delegationen der befreundeten Städte wie Prato in den Kostümen mit Bannern und Wappen und mit Armbrüsten und Lanzen. Auf dem Platz vor dem Rathaus gab es dann auch Duelle (die so wage ausgetragen wurden, dass es ein Gefühl hinterlassen hat, dass die Kämpfe ihre Waffen das erste Mal im Leben in der Hand hatten – nicht vergleichbar mit dem traditionellen und im Mitteleuropa etablierten historischen Fechten), Bauchtänzerinnen und zum Schluss eine Schlacht mit gerollten Socken, an der alle Anwesenden teilgenommen haben.

Überall in den Straßen gab es natürlich Vorführungen des mittelalterlichen Handwerkes, aber auch ein Karussell für die Kinder, das von einem Esel getrieben wurde. In den Straßen gab es mit Tüchern abgedeckte Tavernen, für jede Zunft eine, und man aß, wie anders – mit Löffeln aus Holz oder mit den Händen. Zum Essen wurde neben einem Brei aus gekochtem Gemüse auch Schweinsbraten auf Rosmarin serviert mit einem sodbrennengefährlichen Hauswein. Für Euro konnte man dort nichts kaufen, zuerst musste man die europäische Währung in den Wechselstuben für lokale „Il grosso Volterrano“ umtauschen, die Verkäufer akzeptierten ausschließlich diese Währung. (Die man allerdings bis zu zwei Wochen nach dem Fest wieder für Euro umtauschen konnte).

Trotz des ganzen Aufruhrs in den Straßen konnten wir auch die Stadt mit ihren Sehenswürdigkeiten kennenlernen. Der „Palazzo dei Priori“ auf dem Hauptplatz „Piazza dei Priori“ ist ein gigantisches Gebäude aus dem dreizehnten Jahrhundert – angeblich das älteste Rathaus in der Toskana (eine italienische Stadt kann ohne ihres „piú“ einfach nicht existieren).

Es diente als Vorbild dem „Palazzo vecchio“ in Florenz. Zum „Palazzo dei Priori“ führt der kürzeste Weg von dem berühmtesten und ältesten Tor von Volterra „Porta all´Arco“, an dem sich allerdings sein Alter schon deutlich bemerkbar machte.

Im Konferenzsaal des Rathauses, wo heute die gewählten Vertreter der Stadtverwaltung ihre Sitzungen abhalten, ist die Frontwand mit einem wunderschönen Fresko „Kreuzigung Christi“ von Pietro Francesco Florentino bemalt. Kreuzgewölbe mit sehr breiten Bögen aus Marmor und einem fast filigranen Schmuck, sowie auch die Stadtfahnen in einer Ecke des Saales verleihen dem Raum einen würdenvollen Eindruck. Aus einem kleinen Vorraum gibt es dann einen wunderschönen Blick auf den Platz aus der Vogelperspektive. Die gegenüber liegende Seite des Platzes wird vom „Palazzo Pretorio“ mit einem riesigen Turm mit Schweinskopf dominiert. Nach dem Schweinskopf erhielt der Turm seinen Namen „Torre del Porcelino“ (Schweinsturm).

               Die „Catedrale Santa Maria Assunta“ auf der „Piazza San Giovanni“ ist nur ein paar Schritte entfernt. Die Kathedrale wirkt auf den Besucher nicht mehr so imposant, offensichtlich waren die Bürger von Volterra beim Bau der Kirche schon wesentlich knapper bei Kassa. Die Fassade ist aus Backsteinen gebaut worden, nur der Eingang erhielt einen Marmorrahmen und der Glockenturm aus den Backsteinen ist von der Fassade der Kathedrale ziemlich entfernt, als ob er mit der Kirche keinen gemeinsamen Komplex bilden möchte. Das Innere der Kirche ist reicher als das Äußere, die Schiffe sind voneinander durch Säulen mit engen romanischen Bögen getrennt, die Mauern sind durch Streifen aus weißem und rotem Marmor geschmückt. Die Decke im Stil der Renaissance ist vergoldet und die Kanzel ist ein von vier Löwen getragenes gotisches Werk. Über dem Altar glänzt ein prächtiger Baldachin aus Alabaster.  Das Baptisterium steht der Kathedrale gegenüber, hat die klassische Form eines Sechseckes, mit Marmor ist allerdings nur die Frontseite bedeckt, offensichtlich schafften es die Bürger von Volterra mit dem Einzug der Pest und dann der florentinischen Truppen nicht mehr, den Bau zu vollenden. Auch das Innere ist einfach, die Wände sind ohne Schmuck und in der Mitte befindet sich ein Taufbecken aus Marmor.

               Zum etruskischen Museum muss man aus dem Stadtzentrum bergaufwärts an der Kirche des heiligen Augustinus vorbei gehen. Diese Kirche hat eine Barockfassade und ein romanisches Inneres, in ihrer Nähe befindet sich das Foltermuseum und das Museum der sakralen Kunst. Wie sich diese zwei Dinge vertragen, ist schwer zu sagen, es gab allerdings Zeiten in der Menschheitsgeschichte, in denen sie sich sehr nah lagen.  

               Das Alabastermuseum darf in Volterra natürlich nicht fehlen, im Erdgeschoss gibt es Werke aus diesem Material von modernen Künstlern, in den Obergeschoßen gibt es dann ältere Gegenstände und eine nachgemachte Werkstatt für Alabasterbearbeitung.

               Endlich erreichen wir das Ziel, des wegen wir nach Volterra gefahren sind, also das Etruskische Museum Guarnacci. Man wird von einer Sammlung von mehr als sechshundert Urnen begrüßt. Auf den ersten Blick schauen sie alle gleich aus, geschmückt sind sie mit Bildern der Kampfszenen und auf dem Deckel mit einer liegenden Figur. Das berühmteste Grabmal ist eine Terrakotta eines Ehepaares, auf der sich die Eheleutedie in die Augen schauen. Wegen der Urnen und Grabmäler fuhren wir aber nach Volterra nicht. Das einzigartige an der etruskischen Kunst ist die Erzeugung der etruskischen Bronzefiguren. Etrusker hatten ihren eigenen figuralen Stil. Entweder waren sie wirklich so schlank oder war die Schlankheit das Schönheitsideal oder hatten ihre in die Höhe gezogenen, beinahe fadenförmigen, Figuren eine symbolische oder rituale Bedeutung. Das berühmteste Exponat ist eine Votivfigur aus Bronze, so genannte „Ombra della Sera“ also „Abendschatten“. Natürlich wurde sie im Souvenirgeschäft angeboten und selbstverständlich kauften wir sie. Ob sie Glück bringen oder uns wieder nach Volterra locken sollte, wissen wir nicht, Aber, grundsätzlich – warum nicht?  

Auf dem höchsten Punkt einige hundert Meter hinter dem Etruskischen Museum ragt zum Himmel ein runder Turm der „Fortezza Medicea“, also der Medicäerfestung. Die Festung schaut imposant aus, ist aber nicht für die Öffentlichkeit geöffnet. Zu einem Eintrittsticket für die Festung kann nur ein Verbrechen werden, weil sie als Gefängnis dient.      

Wenn man auf der „Via di Castello“ zum Stadtzentrum absteigt, führt dieser Weg auf die „Acropoli etrusca“ mit einer römischen Zisterne. Die ehemalige Akropolis der Stadt wird heutzutage stolz „Parco archeologico“ genannt, alles Interessante wurde aber bereits ausgegraben und befindet sich im Museum, Neben einigen verfallenen etruskischen Gräbern gibt es hier nur mehr einen Spielplatz für Kinder.

               Wenn man noch immer von der Stadt nicht genug hätte, kann man auf die Nordseite gehen, wo man unter den Stadtmauern Reste von einem ehemaligen römischen Theater und einer Therme finden kann. Der schönste Blick auf die Ruinen bietet sich von der Stadtmauer aus, am bestens vom Park „Parco publico il Bastione“, wo es möglich ist, sich nach einem anstrengenden Tag zu erholen, bevor man die Stadt verlässt.

In unserem Fall in Richtung Marina di Cecina, damit meine Frau noch baden konnte.  

               Wer nicht baden möchte und ein bisschen Adrenalin mag, dann sollte er noch zur so genannten „Balze“, also zu Steilabhängen, nahe der Stadt fahren. Bei Felsenabstürzen wurden hier bereits etruskische, römische sowie auch mittelalterliche Siedlungen begraben, das nächste wird die Camaldoleser-Abtei sein, die aus diesem Grund bereits verlassen wurde.

Liparische (Äolische) Inseln

Die Lipariinseln gehören irgendwie untrennbar zu Sizilien und ein Urlaub auf Sizilien ohne einen Besuch dieser Inselgruppe ist irgendwie unvollständig. Weil meine Gattin an einer starken Kinetose leidet, war klar, dass sie mich bei diesem Ausflug nicht begleiten würde. Es ist mir aber gelungen, meinen Sohn zu überreden, der die Gene seiner Mutter zwar auch geerbt hatte, allerdings in wenig ausgeprägtem Ausmaß und so konnte ich ihn zwar in grüner Farbe aber ohne Erbrechen zurück auf das Festland zurückzubringen. Eine Jause während der Fahrt lehnte er aber strikt ab.

               Liparische Inseln kann man entweder von Messina oder von Milazzo aus besuchen. Wir wählten die zweite Variante, um dem üblichen Verkehrschaos in Messina auszuweichen. Es war eine gute Entscheidung, den Hafen von Milazzo erreicht man problemlos. Auch der Kauf eines Tickets für ein Schnellboot im Touristenbüro im Hafen war kein Problem und bald danach durften wir aufbrechen. Milazzo liegt auf einer langen Halbinsel im Norden Siziliens, über die Stadt ragt, wie über viele anderen sizilianischen und italienischen Städte, eine massive Festung aus der Zeit Friedrichs II., der sein ganzes Königsreich zu einer uneinnehmbaren Festung umgebaut hat. Die Festung von Milazzo spielte dabei eine bedeutende Rolle. 

               Lipari war einmal eine sehr reiche Inselgruppe. Der Grund des Reichtums bereits in der Steinzeit war die Fundstelle von Obsidian, der in der Steinzeit dank seiner Härte und Spaltbarkeit eine entscheidende Rolle spielte und auch das wichtigste Zahlungsmittel war. Die, die die Serie „Game of Throns“ gesehen haben, kennen diesen Stein unter dem Namen „Drachenglas“. Es handelt sich um einen Vulkanstein und die reichen Funde dieses Materials können nur eines bedeuten, nämlich den vulkanischen Ursprung der Insel. Den kann man nicht abstreiten. Die Liparische Inseln gehören als Gipfel der  Vulkane, die über den Meeresspiegel ragen, zu einer tektonischen Spalte, die im Süden mit dem Ätna beginnt und zweihundert Kilometer nördlicher mit dem gleich bedrohlichen Vesuv endet. Von den sieben Vulkanen, also den Liparischen Inseln, sind noch zwei aktiv – Vulcano und Stromboli.

               Vulcano ist normalerweise der erste Halt bei einem Tagesausflug, es liegt nämlich dem Festland am nächsten.

Der eindringliche Gestank von Schwefel und der Rauch, der aus dem Krater aufsteigt, bezeugen, dass der Vulkan noch immer aktiv ist, der letzte vernichtende Ausbruch ereignete sich im Jahr 1890. Schiffe legen im „Porto Levante“ an, das Baden ist an einem schwarzen Strand an der anderen Seite der Insel möglich, was kein Problem darstellt – beide Inselseiten sind nur durch eine Landesenge von wenigen hundert Meter getrennt. Die Halbinsel Vulcanello auf dem nördlichen Ausläufer der Insel erschien nämlich im Jahr 183 vor Christi (damals als eine neue Insel) und im Laufe der Jahrhunderte bildete sich aus der Vulkanasche zwischen ihr und dem Vulcano eine Landesenge, die immer breiter wurde. So gibt es hier heutzutage sogar (kurze) Straßen mit einigen Häusern. Ein Aufstieg zu „Fossa Vucano“ entspricht lediglich 391 Höhemetern, also einer leichten Wanderung, natürlich, wenn man nicht in der Mittagshitze aufbricht. Man könnte sogar zum Kraterboden absteigen, allerdings muss man nicht alles haben.             

               Interessanter ist ein Bad in den Thermalquellen mit Schwefelschlamm. Es ist faszinierend, dass der Boden des Sees wirklich heiß, sogar glühend ist, als ob der Vulkan direkt unter euren Füßen wäre. Ein ganz gutes Gefühl ist das nicht – sollte der Boden aufbrechen, wird man in ein paar Sekunden totgekocht. Die Wassertemperatur beträgt 34 Grad Celsius, also gerade noch angenehme Temperatur, der Schwefelgeruch gibt aber dem Erlebnis eine andere Dimension als in österreichischen Thermen. Leider nahm mein geliebter Sohn auf den Ausflug seine neue (und ziemlich teure) Badehose mit, die gerade für die Gelegenheit unseres Siziliensurlaubs gekauft worden war. Sie war modern, einfach „cool“, das Problem bestand darin, dass man den Schwefelgeruch trotz vielfachen Waschens nie mehr rausgekriegt hat. Das hatte wiederholte unverhältnismäßig lange Vorträge meiner Frau zu Folge, wie das aussieht, wenn man (frau) zwei Männer allein auf einen Ausflug ohne weibliche Aussicht gehen lässt. Silberner Schmuck wird schwarz, der goldene glanzlos. Das habe ich nicht gelesen, sondern erlebt, weil ich vergessen habe, meine Ringe (Ehering und ein silbernen Ring zur silbernen Hochzeit), abzulegen. Hätte ich den Reiseführer sorgfältig gelesen, hätte ich das gewusst und ich konnte mir den Schock ersparen, als ich aus dem Bad gekommen bin. Die gute Nachricht ist, dass das Silber und das Gold nach einer bestimmten Zeit wieder das ursprüngliche Aussehen zurückgewinnen, man braucht aber relativ viel Geduld.

               Die größte Insel der Inselgruppe ist Lipari. Wenn die Bewohnerzahlen auf den anderen Inseln nur Hunderte betragen,  gibt es auf Lipari eine echte Stadt mit ungefähr 12 000 Einwohnern. Seit 2000 sind die Insel Naturerbe UNESCO, was zu Folge hatte, dass der Großteil der Insel Lipari zum Naturpark wurde und weder Obsidian, noch Bimsstein (poröser Stein vulkanischer Herkunft, den alte Römer beim Baden verwendeten, bis in den Zeiten des Kaisers Augustus Seife erfunden worden ist, die der konservative Kaiser gleich mit Luxussteuer belegte und so die Geschäfte der Liparibewohner weiter auf dem laufendem halten konnte) dürfen auf der Insel abgebaut werden.     

               Lipari war reich. Der Reichtum wurde ihm zu Verhängnis. Im Jahr 1544 wurde die Insel vom berühmten Pirat Khair an-Din (Hayredin), genannt Barbarossa, überfallen (bitte nicht mit dem gleichnamigen Kaiser der Stauferdynastie verwechseln). Er eroberte die Insel, die Stadt hat er dem Boden gleichgemacht, die Männer wurden massakriert und die Frauen und Kinder in die Sklaverei verschleppt. Die massive Festung, die über die Stadt emporragt, ist also das Werk der Spanier, die danach die Stadt erneuerten und befestigten.

               Hayredin war eine imposante Persönlichkeit der ersten Hälfte des sechszehnten Jahrhunderts. Er wurde auf der Insel Lesbos in einfachen Verhältnissen in die Familie eines Töpfers geboren. Das Handwerk seines Vaters war ihm zu langweilig und so begab er sich mit seinem Bruder auf Reisen. Es gelang ihm aus dem Nichts eine große Piratenflotte aufzubauen und im Jahr 1516 eroberte und besetzte er die Stadt Alger, was sogar die Hohe Pforte in Istanbul akzeptieren musste, als er sich ihr formal unterstellte. Seit dem Jahr 1533 war Hayredin der Oberkommandant der osmanischen Seemacht mit einer Hauptaufgabe – plündern, plündern und noch einmal plündern. Was er mit großer Begeisterung auch tat. Er eroberte und plünderte viele italienische und dalmatische Städte, nur vor Kotor im Jahr 1539 hat er sich die Zähne ausgebissen, weil die Stadtmauer für ihn uneinnehmbar blieb.  Er brandschatzte an der gesamten italienischen Südküste und im Jahr 1534 eroberte er Tunis. Tunis als eine Basis für eine Piratenflotte konnte aber Kaiser Karl V. nicht tolerieren. Mit Hilfe des Johannitenordens, der nach seiner Vertreibung aus Rhodos seit 1530 auf Malta seinen neuen Wohnsitz fand und des Sklavenaufstandes in der Stadt wurde die Stadt im Jahr 1536 von Karl eingenommen (zu Ehre dieses Sieges wurde in Palermo die „Porta nuova“ gebaut) Hayredin gelang es aber zu fliehen und sein Leben zu retten. Dank dieser kaiserlichen Schlampigkeit konnte er also neun Jahre später Lipari erobern und plündern. Er starb letztendlich als ein reicher und angesehener Mann in Istanbul im Jahr 1546. Die osmanische Dominanz zum See brachen die Christen erst in der Schlacht bei Lepanto im Jahr 1571, also fünfundzwanzig Jahre nach dem Tod von Hayredin Barbarossa.             

               Das neue Kastell auf dem Kap über den Hafen, die Spanier auf den Ruinen der von Barbarossa zerstörten Festung gebaut haben, ist ein imposantes Gebäude, es befindet sich hier das „Museo archeologico eoliano“. Das Museum hat drei Abteilungen, die erste stellt die ältesten Funde von Lipari bis in die römische Zeit aus, in der zweiten Abteilung gibt es die Funde aus der antiken Zeit inklusiv einer Sammlung der Miniaturen der griechischen Theatermasken und in der dritten gibt es Funde aus den anderen Liparischen Inseln. Auch die barocke Kirche „Chieza San Barolo“ stammt aus der Zeit nach dem Wüten Barbarossas, weil die ursprüngliche normannische Kirche dabei unterging. Das Plündern hat nur der Kreuzweg des ehemaligen Klosters mit massiven Steinsäulen in dorischem Stil überstanden. Auf der Akropolis wird fleißig weiter gegraben, aber auch gebaut. Ich konnte nicht abschätzen, aus welchem Jahrhundert dann die neuen Gebäuden sein werden, wenn sie einmal fertig gebaut werden sollten. Sollte Ihnen aber der Reiseführer einflüstern wollen, dass sie aus dem dreizehnten oder fünfzehnten Jahrhudert wären, glauben Sie ihm nicht. Barbarossa hat seine Arbeit immer ordentlich gemacht.

               Die dritte große Insel am Horizont ist Salina. Ihre Form ist so auffällig, dass sie sogar schon in Odyssee ihren Platz fand. Damals hieß die Insel Didyme, also „die Zwillinge“, weil sie von zwei Kratern gebildet wird, die durch ein Tal getrennt sind. Homer schrieb von zwei Sirenen, die durch ihren Gesang die Schiffe vom Schiffbruch an der steinigen Küste der Insel warnen sollten – es handelte sich wahrscheinlich tatsächlich um Pfeifen der Winde, die zwischen den Bergen durch das enge Tal getrieben worden sind. Salina ist durch Anbau von Kapern berühmt, denen unter anderem auch eine heilende und eine potenzsteigende Wirkung nachgesagt wird. Dank der Tatsache, dass sie keine schönen Strände hat, wird die Insel von der Touristenindustrie gemieden wie auch die zwei kleinen und entlegenen Inselchen Filicudi und Alicudi.             

               Was diese drei Inseln erspart geblieben ist, traf voll die kleinste der Liparischen Inseln Panarea.

Diese Insel ist natürlich ein Pflichtstopp auch bei eintägigen Ausflügen, weil es das liparische Monaco oder Porto Cervo ist. Im Sommer gehen hier zahlreiche Luxusjachten der Millionäre vor Anker, die Insel ist das teuerste Pflaster in der Inselgruppe. Nicht umsonst wird Panarea „Die Insel mit der gestohlenen Seele“ genannt. Auf der abgewandten Seite des hohen Felsen, der über das Städtchen emporragt, können die Jachtbesitzer im kristallklaren Wassern baden, für sie kann der Aufenthalt auf der Insel einen bestimmten Zauber haben. Für einen Normalsterblichen ist sie eher langweilig.        

               Für Stromboli sollte man unbedingt einen ganzen Tag – genauer gesagt eine Nacht – reservieren. Der Vulkan auf Stromboli ist noch immer aktiv und die Eruptionen wiederholen sich regelmäßig in ungefähr zwanzigminutigen Intervallen. Natürlich kann man die fließende Lava auch vom Schiff aus beobachten, das die westliche beinahe senkrechte Seite der Insel umfährt. Ein unvergessliches Erlebnis ist aber der Aufstieg zum Krater, von wo aus man die Eruptionen beobachten kann.

Es handelt sich um eine Bergwanderung mit über neunhundert Höhemetern und einen Reiseführer zu nehmen ist eine per Gesetz vorgeschriebene Pflicht. Die ganze Ausrüstung, inklusiv der Taschenlampe und Schuhen, ist nicht notwendig auf Stromboli mitzunehmen, alles kann man leihen, allerding bei Schuhen wäre ich vorsichtig. In geliehenem Schuhwerk beinahe tausend Höhemeter zu bezwingen kann Blasen zu Folge haben – Ihre Füße könnten in Gefahr geraten. Die Vulkanausbrüche, bei welchen die Lava nach einer imposanten lauten Voranmeldung in die Höhe bis zu vierzig Meter hochgeschleudert wird, ist allerdings ein Erlebnis, das man nicht vergisst. Baden kann man auf Stromboli auch, der Strand ist logischerweise ganz schwarz, aber sauber. Im winzigkleinen Städtchen mit engen steilen Gässchen findet man dafür außer Hotels, Souvenirgeschäfte und Restaurants gar nichts.

               Wenn wir Stromboli verlassen haben, können wir auch Sizilien verlassen. Wir schauen das nächste Mal anderswo hin.    

     

Cefalú

               Diese Stadt existierte als eine griechische Kolonie bereits in der Frühantike, obwohl sie sich bedeutungsmäßig mit dem nahen Himera oder Panormos nicht messen konnte. Der Name Kephaloidion ist auffällig ähnlich dem heutigen Namen Cefalú und das hat einen bestimmten Grund. Der Grund ist der Felsen, der direkt über die Stadt emporragt. Es ist der „Rocca di Cefalú“, der tatsächlich die Form eines menschlichen Kopfes hat.

Der Felsen ist 271 Meter hoch und wenn Sie Cefalú besuchen würden, müssten Sie ihn natürlich besteigen, sonst wäre der Besuch der Stadt unvollständig und damit ungültig. Nur, bitte, besteigen Sie den Hügel früh vormittags, besonders im Sommer, weil in den frühen Morgenstunden der Weg zum Gipfel im Schatten liegt. Im Moment, wenn Ihnen auf den Kopf die Sommersonne strahlen würde, wird der Weg zum Gipfel verdammt lang. Wir brachen zwar noch vormittags auf, nicht aber in den Morgenstunden. Wir mussten nämlich noch einige Kilometer aus Trapani und durch die Umfahrung um Palermo zurücklegen, was nicht gerade einfach, dafür aber sehr spannend war. Es ist auch notwendig, die Maut auf der Autobahn zu bezahlen. Die Autobahnen auf Sizilien benutzt man zwar kostenlos, das gilt aber nicht für die Autobahn Catania-Palermo, also kostete uns der Ausflug nach Cefalú zusätzlich einen Euro und vierzig Cent.               

               In Cefalú einzuparken ist einfach. Es gibt nur eine Zufahrtsstraße, die Tiefgarage befindet sich direkt neben ihr und die Altstadt dann zu  Fuß zu erreichen, ist wirklich kein Problem. Dann aber ist es notwendig, nach oben zu klettern. Natürlich in einem absolut unpassenden Schuhwerk, unter steigenden Temperaturen und immer heftigeren Protesten meiner lieben Gattin. Wir haben es aber trotzdem geschafft und die Belohnung waren wunderschöne Aussichten. Auf einer Seite auf die schöne Stadt unter den Füßen, auf der anderen auf das Meer mit der Liparischen Inseln.

               Sie steigen aus dem Meer wie blaue Wölkenchen und vom Gipfel des Felsens von Cefalú, wo sich eine Ruine ehemaliger Stadtfestung befindet, kann man sechs von ihnen sehen. Lipari, Vulcano, Salina, Alicudi und Filicudi, in der Ferne merkt man gerade noch die Panarea. Stromboli ist viel zu weit, als die einzige der Liparischen Inseln ist es vom Felsen von Cefalú nicht sichtbar, nicht einmal der Rauch des Vulkans. Der Blick ist atemberaubend, der Aufstieg auf den steilen Hügel zahlte sich aus – also zumindest ich allein war dieser Meinung. Ziemlich allein…

               Auf dem Abstieg wird als das größte Denkmal der Dianatempel präsentiert, angeblich aus dem fünften Jahrhundert vor Christi. Niemand weiß, ob dieser Tempel wirklich dem Kult der Göttin Diana gedient hatte, die Archäologen, die dieses Gebäude aus Stein entdeckt haben, schrieben es der jungfräulichen Göttin zu. Möglicherweise hat diese Entscheidung mit dem allanwesenden Kult der Jungfrau Maria auf Sizilien zu tun.

               Wir stiegen also in die Stadt hinunter und gleich am Fuße des Felsens rettete uns eine Bar mir „Birra Moretti“ das Leben. Die Italiener ahnen, dass ein Mensch in ihrem Klima nach mehr Flüssigkeit verlangt und bieten daher das Bier in den Flaschen 0,66, also zwei Drittel Liter an – glauben Sie mir, dass Sie es auch bräuchten.

               An der anderen Seite des Felsen liegt dem Besucher die Stadt mit einer atemberaubenden Kathedrale zu Füssen.

Es handelt sich um eine der größten romanischen Kathedralen der Welt, die Kathedrale „des heiligsten Erlösers“. Die Kirche ließ der normannische König Roger II.  bauen. Im Jahr 1130 geriet sein Schiff bei der Nordküste Siziliens in einen furchtbaren Sturm und er König schwor, dass er an der Stelle, wo er ans Land kommt, die größte Kathedrale der Welt bauen lassen würde. Er landete in Cefalú und ein Jahr später begannen bereits die Bauarbeiten. Es wurde lange gebaut, weil die Kirche die Maßen eines Fußballfeldes hat – 90 x 40 Meter. Die Fassade wurde erst im Jahr 1240 vollendet, was für die Absichten Rogers II. fatale Folgen hatte. Er bestimmte nämlich, dass die neue Kirche die Grabstätte aller seinen Nachkommen sein sollte. Zum Zeitpunkt seines Todes war die Kirche aber noch nicht fertig und seine Untertanen nahmen also solche Anweisungen nicht besonders ernst. (Das ist eine der Grundeigenschaften der Sizilianer, die Anweisungen ihrer Herrscher nicht wirklich ernst zu nehmen). Sein Nachfolger Wilhelm II., genannt „der Gute“ baute seine eigene Kirche in Monreale auf dem Berg über Palermo und natürlich ließ er sich dort begraben. Friedrich II. ging sogar so weit, dass er den Sarkophag aus Porphyr von Cefalú nach Palermo überführen und in ihm seinen Vater, den Kaiser Heinrich VI. begraben ließ, und das in der Kathedrale von Palermo! Der Bischof von Cefalú regte sich dabei furchtbar auf, aber die Stadt musste sich mit ihrer tatsächlichen Rolle abfinden – sie ist ein liebes, aber doch nur kleines Nest an der Küste – heute lebt hier 14 000 Einwohner. Die Bemühungen Königs Roger wurden hier allerdings nie vergessen, die Haupteinkaufstrasse der Stadt heißt „Corso Ruggero“.

               Vor der Kathedrale, die natürlich die größte Dominante der Stadt ist, gibt es einen schönen Platz voll mit Restaurants – wie sonst in Italien? Der Kirche gegenüber steht das „Municipio“, also das Rathaus in ehemaligem Königspalast Rogers II. Gerade in Cefalú und in diesem Palast rettete sich laut einer Legende König Karl von Anjou während der „Sizilianischen Vesper“. Diese fanden am Ostermontag 30. März 1282 statt. Nach der Niederlage des letzten sizilianischen Königs aus der Familie der Staufen, Manfred, bei Benevent im Jahr 1266 beherrschten den gesamten italienischen Süden und damit auch Sizilien die Anjous. Sie wurden von den Italienern aber als eine fremde – französische – Okkupationsmacht wahrgenommen. Ein Teil der Bevölkerung, besonders aber der Adel, konnte sich mit den neuen Machthabern nie abfinden. Der Aufstand brach vor der Kathedrale von Palermo aus und verbreitete sich auf die ganze Insel – mit Ausnahme Messinas. Jeder, der das italienische Wort „Cicero“ nicht aussprechen konnte – und es schaffte kein Franzose, wurde ohne Gnade umgebracht. Dem Aufstand fielen mehrere Tausend Französen zum Opfer (und ev. auch einige heimische Stotterer) Karl von Anjou hielt sich zufällig zu diesem Zeitpunkt nicht in Palermo auf, er rettete sich durch Überfahrt vom Hafen von Cefalu nach Neapel, wo er – aus Sicherheitsgründen gleich neben dem Hafen – eine uneinnehmbare Festung „Castello Nuovo“ bauen ließ. Man weiß ja nie… Die Sizilianer luden danach den aragonischen König Peter ein, der ein Nachkommen der Hohenstaufen war und er nahm die Einladung gerne an – Sizilien wurde für weitere Jahrhunderte zu einer aragonischen und in weiterer Folge zu einer spanischen Provinz.         

               Die Kathedrale ist unglaublich riesig, ihre Innenausstattung ziemlich inhomogen. Es gibt hier von den griechischen Mosaiken mit Darstellung von Pantokrator in der Apsis, wie es in den romanischen Zeiten der Brauch war, bis zu barocken Verbesserungen alles. J

eder neue Herr baute etwas Neues dazu und das Ergebnis ist sehr fragwürdig. Homogen dafür ist der Kreuzweg im anliegenden Kloster, dieser wurde im frühromanischen Stil mit engen Bögen gebaut, wie es die Normannen von den Arabern übernommen haben. Danach modifizierten sie den Stil im romanischen – damals in der christlichen Welt üblichen – Stil.     

               Über die arabische Vergangenheit der Stadt kann man übrigen in Cefalú an mehreren Stellen stolpern. Es gibt hier zum Beispiel das „Arabische Bad“. Das Wasser fließt aus den Löwenköpfen, man kann sich die Füße waschen (mehr geht nicht) und dann fließt es direkt ins Meer.

               Wenn man von dem Besuch der Stadt genug hat, kann man nur einige Meter weiter zu Stadtstränden gehen. Diese sind sandig, direkt in der Stadt und überraschend sauber. Zu Baden und dabei direkt an die „La Rocca“ schauen, die direkt vor Ihnen emporragt, ist ein schönes Erlebnis.          

     Knapp bevor wir die Altstadt in Richtung Strand verlassen haben, um Cefalú von allen Seite zu genießen, wurde ich durch eine Gedenktafel an einem Eckhaus am Rande der Altstadt, die dem slowakischen Maler Ernest Zmetak gewidmet wurde,  überrascht.

Dieser Künstler verbrachte in Cefalú sehr viel Zeit, da er von der Schönheit der Stadt hingerissen war und er malte hier sehr gern. Er lebte in den Jahren 1919 – 2001., also er würde im vergangenen Jahr 100 Jahre alt werden. Im Jahr 2005 wurde ihm „in memoriam“ eine Ehrenmedaile von der Stadt übergeben und zugleich eine Gedenktafel enthüllt, um seine Verdienste für die Propagation dieses schönen Städtchens unter dem Felsen am Strand zu ehren.              

               Cefalú ist schön und berühmt. Die Folge dieser Tatsache sind Massen amerikanischer Touristen, zahlreiche  Touristenfallen und angepasste Preise. Ich ließ mich von einem perfekt englisch sprechenden Kellner überreden, Fisch zu bestellen. Angeblich frisch gefangene und am Morgen des Tages gekaufte Fische. Möglicherweise waren sie wirklich frisch, gut waren sie allemal. Eine Portion kostete dafür 25 Euro!  

               Wenn die Einfahrt in die Stadt absolut einfach war – auf der einzigen Zufahrtsstraße mit Tiefgarage gleich daneben, das Verlassen der Stadt war gar nicht mehr so simpel. Cefalú bemüht sich offensichtlich, die Touristen so lange wie möglich in seinen Mauern zu halten. Die Zufahrtstraße, die sich als Ausfahrtsstraße logischerweise angeboten hätte, war nämlich eine Einbahnstraße! Die einfachste Lösung, also in der gleichen Richtung die Stadt zu verlassen, wie man gekommen war, war demzufolge nicht möglich. Wenn man den Parkplatz verlassen hat, gab es die Richtungsweisung – gerade einmal und nie mehr! Bereits auf der ersten Kreuzung fehlte ein weiterer Hinweis in Richtung Palermo und man musste sich durch seine Instinkte leiten lassen – wie in Italien und auf Sizilien so oft. Ich entschied mich nach rechts zu fahren, bis heute weiß ich nicht, ob es die richtige Entscheidung war. Wir kämpften uns anschließend durch ein unglaubliches Gewirr enger Gassen durch bis vor die Stadt, wo die Einbahn zu Ende war. Also möglich war es. Man musste nur feste Nerven haben, aber die muss man für eine Autoreise auf Sizilien ohnehin immer einpacken

Palermo

               Wir reisten durch Sizilien zwar mit dem Auto, nach Palermo fuhren wir aber lieber mit dem Bus. Dass es eine richtige Entscheidung war, überzeugten wir uns, als unser Bus hartnäckig versuchte sich ins Stadtzentrum durchzukämpfen und kompromisslos drängte Autos weg, die es wagten, sich vor ihn einzureihen. Ich bin überzeugt, dass ich es nicht geschafft hätte, übrigens schon eine Durchfahrt auf einer dreispurigen (?) Straße um Palermo zwei Tage später war ein ausreichend stressiges Erlebnis. Also die Wahl eines Busses war richtig, obwohl er selbstverständlich mit einer halbe Stunde Verspätung kam und Palermo mit einer Stunde Verspätung erreicht hat. Dafür konnten wir aber den Bus im Zentrum von Palermo ohne körperlichen oder seelischen Schaden verlassen. Diese Tatsache war unbezahlbar, weder mit Geld noch mit Zeit.

               Palermo erfreut sich keines guten Rufes. Ganze Jahrzehnten war es der Stützpunkt der sizilianischen Mafia. (Erinnern Sie sich noch auf die italienische Serie „La Piovra“, auf Deutsch „Die Krake“ mit dem sympathischen und von Frauen geliebten Kommissar Correo Cattani?) Und das, obwohl für die Hauptstadt der Mafia das Städtchen Corleone im Landesinneren gehalten wird. Die Macht der Mafia auf Sizilien schrumpfte aber in den letzten Jahrzehnten wesentlich, sie kann sich keinesfalls mit dem Einfluss von Camorra in Kampanien oder Ndrangetta in Kalabrien messen. Schicksalhaft zeigten sich für die Mafia die Morde an den Untersuchungsrichtern Giovanni Falcone am 23.Mai 1992 und Paolo Borsallino am 19. Juli des gleichen Jahres. Die Mafia überspannte mit diesen Taten den Bogen und die Sizilianer sagten, „es reicht“. Ab diesem Jahr  galt nicht mehr die „Omerta“ also „das Gesetz des Schweigens“, das die Mafiosi die ganze Zeit schützte. Nach den zwei ermordeten Kommissaren wurde der Flughafen von Palermo benannt.

               Von der Schwäche der Mafia zeugt auch das Schicksal des Bürgermeisters von Palermo Leoluca Orlando. Im Jahr 1985 wurde er das erste Mal zum Bürgermeister von Palermo gewählt, damals noch für die Partei „Democratia christiana“. Zu Überraschung aller begann er Ordnung zu machen, womit niemand, nicht einmal im Traum, rechnen konnte. Einer der Anlässe zu seiner Politik war die katastrophale Situation um die Oper von Palermo.

Sie war ein Wahrzeichen der Stadt mit 3200 Sitzplätzen. Gebaut wurde sie am Ende des neunzehnten Jahrhunderts. Dort kam es einmal im Jahr 1977 zum Rohrbruch mit Wasserschaden. Die Firma, die mit der Reparatur des Schadens beauftragt wurde, war an die Mafia gebunden und machte im Gebäude mehr Schaden, den wieder eine weitere Firma – wiederum an Mafia gebunden – reparieren musste. Und so weiter und so weiter… Nach einigen Jahren stiegen die Kosten für die Reparatur in Millionenhöhe und das Gebäude war abrissreif. Orlando schmiss alle beteiligten heimischen Firmen hinaus und beauftragte mit den Arbeiten Unternehmen aus dem Ausland. Infolge dessen wurde er von seiner eigenen Partei im Jahr 1990 verraten und abberufen. Er gründete auf Anhieb eine eigene politische Bewegung „La Rete“, also „Das Netz“ und gewann mit ihr die anstehenden Wahlen. Das „Teatro Massimo“ auf der „Piazza Verdi“ wurde feierlich nach einundzwanzig Jahren im Jahr 1998 wiedereröffnet und gerade diese Feier wurde zum Symbol des Sieges über die Mafia und ihren Einfluss in der sizilianischen Wirtschaft. Leoluca Orlando war in den Jahren 1985 – 2000 ununterbrochen drei Wahlperioden Bürgermeister und da es ihm vorgekommen ist, dass der Kampf gegen Mafia nachgelassen hätte, ließ er sich im Jahr 2013 das vierte Mail wählen.

               Natürlich stand er seit dem Anfang seiner politischen Karriere unter Polizeischutz, aber dass ihn trotzdem die Mafia nicht beseitigen konnte und Orlando lebt – er ist der Bürgermeister und Abgeordneter im italienischen sowie auch im europäischen Parlament – ist für die Mafiabosse eine große Niederlage und Kreditverlust.

               Von der Amtsführung des Leoluca Orlando profitierte nicht nur die Oper von Palermo, die wieder im Betrieb ist, sondern die ganze Stadt. Also ganze – zumindest das Zentrum der Stadt. Die Hauptstraßen wurden endlich renoviert und Palermo wurde zu einer anziehenden Touristendestination. Besonders, da die Kleinkriminalität auf den Straßen, die hier früher blühte, unterdrückt werden konnte. Palermo gilt seit langem nicht mehr zu den zehn italienischen Städten mit der höchsten Kriminalität. Ich muss sagen, dass wir uns die ganze Zeit absolut sicher fühlten.

               Durch die Mitte der Stadt führt   das „Corso Vittorio Emanuelle“. Es ist eine breite Straße, ihr folgend kommt man zur Kathedrale von Palermo und sie endet bei der „Porta Nuova“, einem Tor, das zu Ehre des Kaisers Karl V. und seines Sieges über die Araber in Tunis Im Jahr 1536 gebaut wurde. Die Sizilianer konnten schätzen, dass damit ein wichtiger Stützpunkt der arabischen Piraten (Hayredin Barbarossa) vernichtet wurde.Mittelpunkt der Stadt ist die Kreuzung „Quatro Canti“.

Alle vier Gebäude an den Ecken dieser Kreuzung haben die gleiche Form und bilden so den Eindruck eines Kreises. Die Kathedrale ist ein monumentaler Bau, die allerdings viel besser von außen als von innen aussieht. Von außen ist das ein Juwel der Frühgotik, im Inneren ist sie klassizistisch einfach.

In der Schatzkammer der Kathedrale ist die Kaiserkrone von Konstanze von Aragon ausgestellt, der ersten Gattin des Kaisers Friedrich II. und der einzigen, die der Kaiser krönen ließ. Konstanze war schon vor der Hochzeit mit Friedrich ungarische Königin, nach der Rückkehr nach Sizilien vermittelte Papst Innozenz III. ihre Hochzeit mit dem damals fünfzehnjährigen Friedrich (sie selbst war 25 Jahre alt). Die Ehe war nicht besonders glücklich, der Kaiser akzeptierte trotzdem seine ältere Ehefrau und zeugte mit ihr einen Sohn – den unglücklichen römischen König Heinrich VII. Die Krone ist im byzantinischen Stil ausgeführt, in der Krypta der Kathedrale befinden sich Sarkophage der Bischöfe von Palermo, und in der Kathedrale selbst dann in einem silbernen Schrein die sterblichen Überreste der heiligen Rosalia, der Schutzpatronin von Palermo. Die Heilige lebte in den Jahren 1130 – 1170 als Eremitin auf dem Berg „Monte Pelegrino“, der über den Hafen von Palermo emporragt und der Goethe bei seinem Palermobesuch begeisterte.

               Was allerdings in der Kathedrale von Palermo ein absolutes Unikum ist, ist die Toilette für die Besucher der Kirche. Der Eingang in diese öffentliche Toilette ist diskret hinter einem Altar in einer Seitenkapelle versteckt, beinahe hätte ich nicht geglaubt, dass dort so etwas sein konnte. Es war aber!

               Die Hauptattraktion ist allerdings nicht die Toilette, sondern die Sarkophage des normannischen Königs Roger II., seiner Tochter Konstanze, der Gattin des Kaisers Heinrich VI. und Mutter Friedrichs II. Friedrich selbst befindet sich links vorne, hinter ihm ist der Sarkophag seines Großvaters mütterlicherseits Roger II. In der rechten Reihe sind dann die Eltern des Kaisers Heinrich VI. und Konstanze, der Tochter Rogers II. und Erbin des Sizilianischen Königsreiches.

In den Wänden sind Grabmäler von Wilhelm I. und Konstanze, der ersten Gattin Friedrichs. Die königlichen Sarkophage sind imposant auf Art antiker Tempel gebaut worden, die kaiserlichen werden von Säulen aus dem roten Porphyr getragen, während die königlichen von vergoldeten Marmorsäulen. Damit gleich klar ist, wem die königliche und wem die kaiserliche Würde gehörte. Friedrich ließ sich in Palermo begraben, sein Herz wurde aber in Foggia aufbewahrt, in der Stadt, die er liebte und von der er sein riesiges Reich beherrschte. Das Herz ist verloren gegangen, als sein Palast in Foggia durch ein Erdbeben vernichtet wurde. Seine körperlichen Überreste in Palermo blieben bis heute erhalten.

               Was man in der Kathedrale vermisst, das findet man vielmals im „Palazzo dei Normanni“.

Der Palast ist von außen ein monumentales Gebäude in romanischem Stil, im Inneren ist der „Palazzo reale“ im Renaissancestil umgebaut – diese zwei architektonische Stile harmonieren miteinander gut, von  hier aus herrschten die spanischen Vizekönige. Ein Teil des Palastes ist aber leider klassizistisch umgebaut, die Baustile werden hier wild vermischt, wie wir in Italien und besonders in Süden Italiens gewohnt sind.

               Dann kommt aber der absolute Höhepunkt – die „Capella Palatina“. Im Augenblick, wenn man die Kapelle betritt, wird man vom Glanz des Goldes geblendet. Überall an den Wänden gibt es Gold, Gold und wieder einmal Gold zwischen wunderschönen Mosaiken, natürlich mit Pantokrator in der Apsis. Es ist ein unbeschreibliches Erlebnis, das man nur selten erlebt.

Etwas Ähnliches habe ich wahrscheinlich nur noch im Bernsteinzimmer in „Carsko Selo“ empfunden, in der Sixtinischen Kapelle störten den Eindruck die hunderte anwesende Besucher. Es ist sicherlich eine Absicht, dass die Stühle in der Mitte der „Capella Palatina“ durch Seile unzugänglich gemacht worden sind. Weil wenn sich der Mensch einmal hingesetzt hätte, würde er diesen Raum nie freiwillig verlassen. Im Stehen kommt doch einmal die Müdigkeit und man muss, auch wenn ungern, doch hinausgehen. Trotzdem ist es fantastisch hier für ein paar Minuten stehen zu bleiben, den Atem anzuhalten und die unglaubliche Schönheit des Raumes zu genießen.

               Wenn man den „Palazzo die Normanni“ verlassen hat, braucht man dringend eine seelische Erholung. Die bietet ein Kirchlein „San Giovani degli Eremiti“ in der unmittelbaren Nähe des normannischen Palastes.

Ein kleines Kirchlein mit roten Kuppeln auf dem Platz der ehemaligen Moschee als eine Erinnerung auf die rekatholisierende Tätigkeit des Königs Rogers II, der diese Kirche im Jahre 1132 bauen ließ. Es ist eine Kirche mit vielen arabischen Komponenten und einem großen Garten mit gigantischen Kakteen, Orangebäumen, Palmen und einem arabischen Brunnen im Hof mit arabischem Säulengang – doppelte Säulen mit engen Bögen als eine Erinnerung an die Zeit der Toleranz, als hier alle drei Religionen zusammen im Frieden lebten – die katholische, die orthodoxe und der Islam. Die Kirche kennt noch die Zeiten, als in Palermo im Jahr 1096 die Brüder Roger und Robert Guiscard triumphal einzogen, die örtliche arabische Herrscher zur Kapitulation zwangen. Palermo verdankt den Arabern vieles. Sie haben die Hauptstadt der Insel von Syrakus nach ehemaliges Panormos verlegt, weil diese Stadt ein besserer Stützpunkt für ihre Angriffe in Richtung Italien war.

Übrigens sechs Euro für den Eintritt in ein Kirchlein, in dem seine innere Ausstattung vollständig fehlt, halte ich doch für eine überzogene Gebühr. Zum Glück befindet sich in der Nähe der Kirche ein Restaurant „Villa San Giovanni degli Eremiti“ mit fantastischem frischem, direkt im Restaurant gebackenem Brot, mit gutem Wein und einer hervorragenden Küche.

               Palermo hat eine drei viertel Million Einwohner und die absolute Mehrheit davon ist sehr arm. Das merkt man gleich, wenn man die touristischen Hauptrouten verlässt. Gleich in einer Parallelstraße zum „Corso Vittorio Emanuelle“ unmittelbar neben einer schön rekonstruierten Barockkirche ragen hohe verfallene Wohnhäuser mit halbzerfallenen Balkons und mit Graffiti auf den Wänden empor.

Manche Eingänge signalisieren bereits, dass die Räume hinter ihnen unbewohnbar sind. Dafür stolpert man auf jedem Schritt über Statuen der heiligen Jungfrau Maria, wie überall auf Sizilien ist die Mutter Gottes auch in Palermo ein absoluter Kult.           

               Wenn man zum Plätzchen „Quatro Canti“ zurückkehrt, findet man in einer Nebenstraße das „Municipio“, also das Rathaus und vor ihm  die „Piazza pretoria“ mit der „Fontana Pretoria“. Diese Fontäne wurde ursprünglich für die Stadt Florenz erbaut, im Jahre 1573 kaufte sie aber die Stadt Palermo.

Gleich um die Ecke befindet sich die „Piazza Bellini“. Man muss wissen, dass man sie suchen muss, es zahlt sich aber aus, sie zu finden. Neben der Barockkirche „Chieza Santa Caterina“ ist hier „La Martorana“ auch „Santa Maria dell´Ammiraglio“ genannt, die im Jahre 1143 Georg von Antiochia, der Vizeadmiral der Flotte Rogers II., bauen ließ. In dieser Kirche befindet sich ein Mosaikzyklus aus dem Jahr um 1150, also älter als die Mosaiken im „Palazzo Normanni“. Auch sie glänzen von Gold. In der Vorhalle der Kirche ließ sich der Vizeadmiral selbst verewigen, vergaß aber nicht, die Ehre seinem König zu erweisen. Auf der anderen Seite krönt nämlich Christus persönlich den König. Was kann sich ein Herrscher Besseres wünschen, als einen loyalen Heerführer? Gleich neben „La Martorana“ gibt es eine weitere Erinnerung an die arabische Vergangenheit der Insel, die Kirche „San Cataldo“ mit roten Kuppeln im arabisch-normannischen Stil. Die Normannen waren bei der Machtübernahme über die Insel sehr tolerant und Hauptsache, sie nahmen sich aus allen Einflüssen, die sie auf der Insel fanden, das Beste und das Schönste. Es entstand eine gemischte Kultur, der Grundstein des Wohlstandes, der unter der Regierung der nachdenklichen normannischen Könige ein Jahrhundert halten sollte.            

   Sollten Sie sich bis zu dem „Teatro Massimo“ verirren, gleich daneben gibt es das „Museo archeologico“ mit vielen Kunstwerken, die an die antike Vergangenheit der Insel erinnern, als Sizilien noch die Kornkammer zuerst Griechenlands und dann des Römischen Reiches war. Heute scheint es unwahrscheinlich, aber in der Antike waren Städte wie Syrakus, Himera, Selinunt, Segesta oder Agrigent ein Symbol der Prosperität und des Reichtums.  

               Natürlich kann man in Palermo noch viel mehr sehen, unentbehrlich sind Kirchen des heiligen Dominikus und Franciscus, natürlich auf den verschiedenen Seiten der Altstadt, den Charakter der Stadt kann man angeblich am besten auf dem Markt „Ballaro“ kennenlernen. Allerdings muss man dorthin gleich in der Früh gehen und das haben wir verpasst. Als wir den Markt endlich gefunden haben, schlossen die Verkäufer gerade ihre Buden. Also wenn man die Atmosphäre des palermitanischen Marktes erleben will, muss man gleich in der Früh hin. Und dabei doch auf die Geldbörse aufpassen.

               Vor der Stadtmauer an der Küste gibt es einen schönen Platz zum Ausruhen. Eine breite Promenade mit  viel Grün, mit Bäumen und dem „Monte Pelegrino“ am Horizont. Wenn man dann in die Stadt zurückkehrt, sollte man unbedingt noch die „Villa Giulia“ besuchen, einen Garten an den dann der „Orto botanico“ anschließt. In der Mitte des Gartens gibt es vier symmetrisch aufgestellte farbige Exedren, Sonnenuhr und einige Fontänen.

Goethe besuchte diesen Park und war von ihm so hingerissen, dass er zu seinem Lieblingerholungsplatz wurde. Wir machten es nach ihm, obwohl die Marmorbänke so heiß waren, dass es sehr problematisch war, sich auf sie hinzulegen und sich nach dem anstrengenden Tag in der „Goldenen Muschel“, wie Palermo genannt wird, zu erholen.

Syrakus

               Syrakus war einmal eine der größten Städte der Welt. Nicht umsonst wurde es von Cicero „die schönste griechische Stadt“  genannt. In seinen glorreichsten Zeiten lebten hier eine halbe Million Einwohner. Heute, zweitausend und dreihundert Jahre später, ist das nicht einmal ein Viertel davon. Im Jahr 734 vor Christi erkannten Siedler aus Korinth die geniale Lage der Bucht von Syrakus, wo sich heute der Große Hafen – „Porto Grande“ – befindet und als sie noch dazu auf der Insel Ortigia eine ausgiebige Süßwasserquelle fanden, wurde das Schicksal dieses Ortes entschieden. Die Korinther gründeten hier eine Kolonie. Die Quelle auf der Insel gibt es immer noch, man kann sie finden, wenn man von der Kirche „Santa Lucia alla Badia“ entlang der Straße „Via Picherali“ geht und sie trägt den Namen der Nymphe Arethusa. Diese, einer Legende nach, warf sich auf der Flucht vor dem Flussgott Alpehios auf der Ostküste des Peloponnes ins Meer und tauchte in Ortigia auf, direkt auf der Stelle, wo dann kaltes Quellwasser sprudelte. So zumindest wird diese Geschichte von Vergil beschrieben.

               Bald nach ihrer Gründung expandierte die Stadt auf das Festland hinter der Insel und in der Zeit ihrer größten Blüte war ihre Stadtmauer 22 Kilometer lang. Um sich eine Vorstellung von der Größe des damaligen Syrakus machen zu können, müssen wir bedenken, dass die Festung „Castello Eurialo“, die man von der Straße aus der Richtung Catania sehen kann, ein Teil der Stadtbefestigung war. Nur dann stockt einem der Atem. Syrakus war ein ganzes Jahrtausend die wichtigste Stadt der Insel, bis die Araber die Hauptstadt nach Palermo verlagerten. In den Zeiten des Kaisers Konstans II. also im siebenten Jahrhundert n. Ch., war Syrakus kurz sogar die Hautstadt des Byzantinischen Reiches. Dann wurde es aber von den Arabern erobert und danach mit Hilfe des byzantinischen Admirals Maniacos, nach dem die Festung auf dem südlichsten Ausläufer von Ortigia ihren Namen bekommen hat, von Normanen eingenommen. Syrakus verlor danach immer mehr an Bedeutung, die dann Palermo übernahm.

               Besuchswert ist die Stadt auch heute noch, obwohl sie von ihrer Schönheit aus der Ciceros-Zeit viel eingebüßt hat. Die Altstadt befindet sich auf der Insel Ortigia, Neapolis, also die Neustadt, auf dem Festland. Die wichtigsten archäologischen Funde als Erinnerung an die Zeiten der glorreichen Diktatoren von Syrakus, findet man auf dem Festland in „Parco archeologico“.    

               Das Beeindruckteste davon ist das griechische Theater.

Es ist gigantisch, gebaut aus weißem Marmor mit einem Durchmesser von 138 Meter (zu Vergleich – der Durchmesser des Theaters von Athen hatte nur 100 Meter), mit 61 Reihen von Sitzplätzen für insgesamt 15 000 Besucher (in anderen Quellen fand ich sogar 30 000). Oberhalb des Theaters gibt es im Felsen kleine Höhlen, wo man sich im Schatten ausruhen kann, aus einer davon sprudelt immer noch Wasser wie in den besten Zeiten von Syrakus und fließt in die antiken Kanäle. Damals diente das Wasser zur Erfrischung der Zuschauer, zum Beispiel, als hier die Uraufführung des Theaterstückes „Die Perser“ von Aischylos in Anwesenheit des Autors stattgefunden hat.

               Das römische Amphitheater, das sich nicht weit davon befindet, hat bei weitem nicht diese imposanten Maße. Ob hier die Gladiatorenkämpfe ausgetragen wurden, ist bis heute nicht ganz sicher, aber aus welchem anderen Grund hätte die Römer das Amphitheater besucht? Zwischen dem Theater und Amphitheater sieht man den Altar Hierons II. Der Altar hat unglaubliche Maße von 198×23 Meter und zu Ehre des Zeus wurden hier bis zu 450 Stiere geopfert, die dann die Bewohner der Stadt in Rahmen der Feierlichkeiten verspeist haben. Es wird erzählt, dass Hieron 300 Ochsen schlachten ließ, als der im Jahr 287 v.CH. in Syrakus geborene Archimedes sein berühmtes Gesetz entdeckte. Seitdem zittern alle Ochsen, wenn etwas Neues entdeckt wird.

               Die Stadt hatte sogar zwei Tyrannen mit dem Namen Hieron. Immer waren es geschickte Politiker, die Macht und Reichtum der Stadt vermehren konnten. Hieron I. wurde zum Tyrann im Jahr 478 vor Christi, als er die Macht nach seinem Bruder übernahm – bis dahin herrschte er im naheliegenden Gela. Er schaffte es, die ewig zerstrittenen griechischen Kolonien auf der Insel zu einen und gemeinsam dann  bei Cumae die expandierenden Etrusken zu besiegen. Zur Ehre dieses Sieges ließ Hieron auf der Insel Ortigia einen Tempel der Göttin Athena (Pallas Athena war Göttin eines vernünftig geführten Krieges, die Griechen glaubten, das so etwas wirklich existiert) im monumentalen dorischen Stil bauen. Die Säulen dieses Tempels kann man auch heute in einem sehr guten Zustand bewundern, weil dieser Tempel zum Dom von Syrakus umgebaut wurde und die Säulen die Seitenschiffe der Kirche tragen. Dank dieser Säulen hat die Kirche ihren Namen „Santa Maria delle Collone“ bekommen.   

               Hieron II. lebte zweihundert Jahre später. Er übernahm die Macht in Syrakus im Jahr 269 v.Ch, gerade rechtzeitig, da vier Jahre später der erste punische Krieg zwischen Rom und Karthago ausbrach. Sizilien wurde nämlich zum Zentralpunkt der kriegerischen Handlungen und Hieron zum Segen für seine Stadt, da er sich weitsichtig an die Seite Roms stellte, obwohl es am Anfang überhaupt nicht danach aussah, dass die Römer, die sich in der Seefahrt überhaupt nicht auskannten, die geborenen Seeleute von Karthago besiegen könnten. Es zeigte sich, dass er auf die richtige Karte gesetzt hatte. Rom hat den Krieg im Jahr 241 v.Ch. gewonnen und nahm ganz Sizilien ein. Hieron konnte allerdings als Dank für seine Loyalität  unabhängig von der römischen Macht bleiben und sein Königsreich im Osten der Insel unterlag nicht der römischen Verwaltung. Als im Jahr 218 v. Christi der zweite punische Krieg begann, lebte er noch und er hätte seine Strategie der Zusammenarbeit mir Rom nicht geändert. Er starb aber im Jahr 215 und sein Nachfolger Hieronymus wechselte unter dem Eindruck des Sieges von Hannibal über die Römer bei Cannae die Fronten und trat zu Karthago über. Er wurde zwar noch im gleichen Jahr ermordet, Syrakus hat die propunische Partei aus der Stadt vertrieben und wieder seine Loyalität zu Rom erklärt, aber die Römer konnten sich diese hervorragende Gelegenheit, die letzte unabhängige Enklave auf „ihrem Sizilien“ zu erobern nicht entgehen lassen und sie schickten nach Syrakus eine Armee unter der Führung Generals Marcellus. Wir sollten merken, dass es im Jahr 214.v.Ch war, zwei Jahre nach der vernichtenden Niederlage bei Cannae, als Hannibal in Capua saß und ganz Mittelitalien direkt vor der Toren Roms beherrschte. Für so ein Unternehmen muss man feste Nerven haben und die hatten die Römer wirklich. Allerdings, bei der Belagerung von Syrakus trafen sie auf einen Gegner, mit dem sie offensichtlich nicht gerechnet hatten – auf den Mathematiker und Physiker Archimedes. Der bereits ältere Wissenschaftler amüsierte sich die ganze Zeit durch Erfindungen speziellen Verteidigungsmaschinen, wie zum Beispiel „Die Kralle von Archimedes“ oder verschiedenen Katapulten. Angeblich reichte es mit der Zeit nur einen Ast auf den Mauern hochzuheben und die Römer ergriffen panische Flucht. Sein Meisterstück war das Anzünden der Segel der römischen Flotte im großen Hafen durch Linseneffekt, das er durch polierte Bronzenschilde der Soldaten auf den Mauern erreichte. General Marcellus verlor in diesem Moment seine Nerven und rief, dass er keine Lust hätte, weiter gegen einen einzigen Mathematiker Krieg zu führen.

               Die lange Belagerung führte aber dazu, dass die Aufmerksamkeit der Bürger von Syrakus nachgelassen hat. Wegen Römer, die sich machtlos vor den unüberwindbaren Mauern der Stadt langweilten, waren sie nicht bereit, sich die Angenehmlichkeiten des Lebens entgehen zu lassen, wie die Feier der Göttin Artemis. An dieser Feier wollten unbedingt auch die Wachen der Stadtmauern teilnehmen. Die Römer erfuhren das, und einer kleinen Gruppe römischer Soldaten gelang es, die unbewachte Mauer zu erklimmen und die Stadttore zu öffnen. Die Stadt wurde von Römern eingenommen und dabei starb auch Archimedes. Er wurde von einem römischen Offizier aufgefordert, zu Marcellus zu gehen, gerade, als er dabei war, ein kompliziertes mathematisches Problem zu lösen. Der Römer wurde durch die Antwort von Archimedes „Störe meine Kreise nicht“ sosehr beleidigt, dass er den Alten tötete.

               Neben dem archäologischen Park gibt es einen Steinbruch, aus dem die Steine des griechischen Theaters und vielen weiteren Bauten in der Stadt stammen. Hier arbeiteten Kriegsgefangene (heute ist es ein Park unter dem freien Himmel, aber im Jahr 413 wurde noch unterirdisch gearbeitet). Gerade in diesem Jahr wurden hierher 7000 gefangenen Soldaten des Heeres von Athen zu Zwangsarbeit gebracht. In Griechenland tobte damals der „Peloponnesische Krieg“ zwischen Sparta und Athen um die Macht über das Griechenland und das Schicksal dieses Krieges entschied sich überraschenderweise auf Sizilien vor Syrakus. Syrakus war ein Verbündeter von Sparta, da es sich nicht vor der Seemacht Athen beugen wollte. Sparta war keine Seemacht und brauchte Versorgung mit Nahrungsmitteln und Rohstoffen, die Athen mit seiner Flotte zu unterbinden versuchte. Die Flotte von Syrakus konnte aber Sparta ausreichend versorgen und der Krieg war damit in einer Pattstellung. Deshalb entschied sich der Politiker von Athen, Alkibiades, Syrakus zu brechen und in weiterer Folge dann auch Sparta. Im Jahr 415 v.Ch. stach eine riesige Flotte von 140 Trieren in See in Richtung Sizilien und es folgte eine erfolglose Belagerung der Stadt. Als im Großen Hafen die Flotte von Athen vernichtet wurde, entschieden sich die Athener zum Rückzug. Viel zu spät!. Im Inneren der Insel wurden sie eingekesselt und besiegt. Der Heerführer Nikias wurde hingerichtet und siebentausend Gefangene nach Syrakus überführt, um hier im Steinbruch inmitten der Stadt zu arbeiten.

               Heute ist der Steinbruch ein Park und eine besondere Attraktion ist das so genannte „Ohr des Dionysos“. Es ist eine künstliche Höhle 60 Meter lang und 23 Meter hoch mit einer Breite von fünf bis zehn Metern mit einer unglaublichen Akustik. Laut einer Legende konnte der Tyrann Dionysos dank dieser Höhle auch die stillste Gespräche der Gefangenen abhören.            

               In die Altstadt gelangt man auf dem Weg um eine furchtbare Kirche aus Beton namens „Santuario della Madonna delle Lacrime“ und sie schaut tatsächlich zum Weinen aus.

Man kann aber nichts tun, dieses Ungeheuer ist ein Wahrzeichen des modernen Syrakus. Gleich nebenan befindet sich  die „Basilica di San Giovanni“, berühmt durch ihre Katakomben. Hier lebte die erste christliche Kommunität von Syrakus. Die Kirche wurde mehrmals niedergerissen und wieder aufgebaut, heute ist sie eine Ruine,  nur die erhaltene Krypta des heiligen Marcianus in der Form eines Kreuzes erinnert noch heute an ihren Erbauer, den König von Sizilien und römischen Kaiser Friedrich II.

Der Reiseführer führt euch dann in unterirdische Katakomben, die als Grabstätte, aber auch Versammlungsort, der ersten Christen dienten und deshalb gibt es zwischen unendlichen Gängen auch kleine runde Plätze – es handelt sich wirklich um eine unterirdische Stadt der damals noch in der Illegalität lebenden Christen.   Inmitten der Katakomben führt eine Hauptstraße als Achse der Stadt, auf den Seiten gibt es dann in den Wänden ausgemeißelte Gräber, bedeutende Persönlichkeiten wurden in Sarkophagen begraben, der berühmteste von ihnen ist der so genannte „Adelfia Sarkophag“.        

Die Altstadt auf der Insel Ortigia muss man natürlich besuchen, auch wenn man vom Spazieren durch die Stadt in der Augustsonne bereits mehr als genug hätte. Schmale Gassen bieten übrigens genug Schatten und zahlreiche Restaurants und Bars auch eine Erfrischung.

Über die „Ponte nuovo“ überquert man einen engen Wasserkanal, der den „Großen Hafen“ mit dem Kleinen verbindet und dann kommt man in die alte Stadt mit dem Flair der Vergangenheit. Gleich hinter der Brücke sieht man die Ruine des Apollotempels. Dieser Tempel hat viel durchgemacht und man sieht das auch. Er war einmal ein dorischer Tempel, dann eine byzantinische Kirche,  dann eine arabische Mosche, danach wieder einmal eine Kirche aber diesmal normannisch und zuletzt eine spanische Kaserne. Über den „Corso Matteoti“ kommt man auf den Archimedesplatz mit einer monumentalen Artemisfontäne im Jugendstil.

In der Mitte der Fontäne gibt es eine Statue, wo die Göttin Artemis die bereits erwähnte Nymphe Arethusa in eine Wasserquelle verwandelt – symbolisch wird hier so der Anfang und das Ende der Unabhängigkeit von Syrakus dargestellt. Letztendlich war das gerade die Feier der Göttin Artemis, die dem genialen Mathematiker, auf den Syrakus bis heute sehr stolz ist, den Tod brachte. 

               Um das „Municipium“ herum kommt man auf die „Piazza del Duomo“ mit dem Dom mit großartiger Barockfassade aus dem siebzehnten Jahrhundert und mit einer Treppe mit Statuen des heiligen Petrus und Paulus und auf den ersten Blick schlichtem Inneren.

Das Mittelschiff der Kirche ist nämlich im klassizistischen Stil umgebaut worden, die flache Decke und einige weitere Artefakte lassen aber den ersten Bau aus dem elften Jahrhundert im romanischen Stil vermuten. Die Seitenschiffe werden dafür aber durch monumentale dorische Säulen getragen, die noch an den Tyrannen Hieron I. erinnern. Ich habe genug Zeit, die Betrachtung dieser merkwürdigen aber interessanten Symbiose zu genießen, es war nämlich ein Samstag, in der Kirche wurde gerade eine Hochzeit vorbereitet und meine Frau wollte unbedingt die Braut sehen. Und wie ich schon erwähnt habe, die Sizilianer haben Zeit.      

               Die Quelle der Arethusa ist ein großer ummauerter Teich mit Bäumen, die direkt aus dem Wasser wachsen und mit einer Skulptur, die die Flucht der Nymphe vor dem Flussgott darstellt, die sie hierher gebracht hat. Gleich nebenan gibt es einen kleinen Park mit unglaublich großen Ficusbäumen, ein passender Moment für eine Erholung im Schatten. Nach dem Besuch der Quelle der Arethusa kann man noch einen kleinen Spaziergang zum Großen Hafen unternehmen, wo die Kreuzschiffe vor Anker liegen. Der Hafen ist noch schön und gepflegt, weiter in Richtung der Festung „Castello Maniaco“ wirkt die Stadt (oder zumindest im Jahr 2008 hat sie gewirkt) ziemlich verfallen. Die Häuser waren hier heruntergekommen, die Fenster teilweise zugemauert, offensichtlich ist dieser Teil der Stadt touristisch nicht genug interessant. Die Festung auf dem Kap, die nach dem byzantinischen Admiral benannt wurde, ist nämlich ein militärisches Sperrgebiet und man darf es nicht besuchen.

Die Frage ist, ob wir noch die Energie für den Besuch der Festung hätten, ein Tagesausflug nach Syrakus ist nämlich eine physisch anstrengende Angelegenheit, obwohl wir auch den Besuch der Festung „Castello Euriano“ ausgelassen haben – das hätte meine Frau mit Sicherheit nicht überlebt. Oder ich?

Die Küche in unserem Apartment in San Alesio di Siculo hatte nämlich sie unter Kontrolle und wenn sie böse ist….        

Sizilien – Ostküste

               Wenn man bei der Suche nach einer Unterkunft über einen Satz stolpert, dass ein Hotel eine „sehr gute Eisenbahnverbindung“ bietet, sollte sofort hellhörig werden. Als wir auf diese Art die Unterkunft in San Alesio di Siculo an der sizilianische Ostküste gebucht haben ohne über diesen Satz nachzudenken, hatte es die Folgen, dass die Eisenbahn zwanzig Meter hinter unserem Apartment lief und zwischen uns und ihr war nur der Parkplatz für Autos – nämlich für den Bahnhof direkt vor unseren Fenstern.

               Am Tag war es kein großes Problem, wir waren ohnehin entweder am Strand oder machten wir einen Ausflug. In der Nacht haben wir aber doch bemerkt, dass diese Unterkunft nicht die beste Idee war. Am Tag fuhren die Personalzüge nur sporadisch, hielten im Bahnhof an, um dann wieder kurzatmig zu starten, in der Nacht aber wurden durch die Strecke Catania-Messina Güterzüge geschleust. Diese hielten im Bahnhof von San Alesio di Siculo nicht an, sondern fuhren mit voller Geschwindigkeit durch. Jede Stunde! Wir konnten diese Durchfahrt auf unterschiedliche Art wahrnehmen, wahrscheinlich nach dem Gewicht der transportierten Güter – von mäßigem Zittern, über Bettbewegungen bis zu kleinem Erdbeben, bei dem Schwägerin Hanka um zwei Uhr in der Nacht aus dem Bett stürzte.

               Außer dieses kleinen Makels war die Unterkunft perfekt. Einige große Räume, gut ausgestattete Küche und eine Dachterrasse mit Grill, die einen Blick aufs Meer bot. Nur ein paar Schritte von unserem Apartment entfernt gab es eine Bäckerei, wo wir jeden Morgen frisches Gebäck holten und auf der anderen Seite ein Geschäft mit frischen Fischen. Nur die Gasflasche auf dem Balkon bei der Küche, auf die den ganzen Tag die sizilianische heiße Sonne strahlte, machte mich ein bisschen nervös. Ich überlegte, wie viel eine solche Flasche aushalten konnte, also wie weit das Gas in der Flasche bei den Sommertemperaturen expandierte, bis es explodieren würde. Dieser Faktor bereicherte unseren Urlaub mit einem aufregendem, sogar explosivem Hauch von Abenteuer.      

               Die Vermieter waren sehr nett. Wir kamen beim Hotel „La Grotta“ tief in der Nacht an. Auf unser Klingeln und Schläge auf die Tür reagierte lange Zeit niemand. Als ich aber versucht habe, die Telefonnummer der Vermittlungsagentur zu wählen, kam es im Hotel zu einer Bewegung und dann wurden wir von unseren Gastgebern enthusiastisch empfangen. Sie waren bereit, sogar auf unseren Schwager zu warten, der vergessen hatte, die Autobahn rechtzeitig zu verlassen und einen Umweg über Messina machen musste und so kam er um eins in der Nacht an. Wir schaften es trotz der späten Ankunft, sich bequem einzuquartieren, und so konnten wir die ersten Züge erleben, die uns für den Rest der Nacht den Schlaf unmöglich machten. Als wir dann in der Früh zu den Gastgebern für  notwendige Informationen gekommen sind, saßen diese am Tisch und hatten einen sehr unsicheren Ausdruck im Gesicht. Wir ließen uns über die Bäckerei und den Supermarket informieren, besuchten die Dachterrasse mit Grill und dann plötzlich zogen sie aus einem Versteck unter dem Tisch einige Flaschen Wein und Olivenöl und zwangen uns wortwörtlich diese ganze Last, die wir kaum tragen konnten, kostenlos anzunehmen.

               Den Grund dieser unerwarteten Freundschaft erfuhren wir am Abend vor unserer Abfahrt. Da fragte uns die Haushälterin das erste Mal: „Ihr seid aber keine Deutschen, oder?“ „Nein“, bestätigte ich. „Das habe ich mir gleich gedacht. Die Deutschen sind so zimperlich. Sie kommen, und wenn etwas anders ist, als bei ihnen zu Hause, sind sie gleich bei uns und beschweren sie sich.“ Ich habe es endlich verstanden. Wir waren wahrscheinlich die ersten Gäste, die nach der ersten schlaflosen Nacht nicht geschimpft haben. Deshalb die heiße Freundschaft, der Wein und das Olivenöl. Das alles war für wütende Deutsche vorbereitet, um sie zu beruhigen und zu versöhnen. Wir bekamen dazu noch einen perfekten Espresso. Andererseits, was sollten wir tun? Hätten wir vielleicht durch Schimpfen etwas gewinnen können? Versuchen Sie es, an der Ostküste Siziliens nahe Taormina eine Unterkunft am Strand zu finden!             

               Taormina ist nämlich ein Kult, es ist wie der Tod, alle müssen einmal hin. Und wir waren dort alle. Taormina ist ein historischer Ort, seine strategisch günstige Lage prädestinierte die Stadt, zu einem Stützpunkt zu werden. Es war ursprünglich eine Stadt des Stammes der Sikulen. Sie pflegte gute Beziehungen mit griechischen Kolonisten im Nahen Naxos (heutiges Giardini Naxos) bis die Stadtbewohner die Griechen letztendlich in die Stadt aufgenommen haben. Im vierten Jahrhundert vor Christus übernahmen die Griechen in der Stadt bereits das Kommando. Und bauten das wunderschöne Theater, wegen dem heute alle Touristen die Stadt besuchen wollen.

Die Römer bauten das Theater im zweiten Jahrhundert weiter in die heutige Größe auf – also mit einer Kapazität von 5400 Besuchern. Das Theater ist wirklich fabelhaft. Besonders, weil es den schönsten Blick auf den Vulkan Ätna an Horizont bietet, es war offensichtlich eine Absicht, das Theater so zu bauen, dass der rauchende bedrohliche Berg im Hintergrund der Bühne stand, dieser Blick gab den Vorstellungen sicherlich einen weiteren aufregenden Akzent. Taormina war eine Festung, der letzte Stützpunkt der Byzantiner auf der Insel gegen die Invasion der Araber. Als bereits die ganze Insel in arabischer Macht war, leistete Taormina noch immer Widerstand. Es fiel im Jahr 902 nach Christus, als die byzantinischen Truppen nach Konstantinopel abgerufen wurden. Während zweier antiarabischer Aufstände im zehnten Jahrhundert wurde die Stadt vollständig zerstört und später wieder aufgebaut.

               Taormina erreichte aber danach nie wieder ehemalige Bedeutung. Im zwanzigsten Jahrhundert wurde es aber zu einer Touristenfalle. Im Jahr 1787 entdeckte Taormina auf seiner Sizilienreise Johann Wolfgang Goethe – und es war um Taormina geschehen. Also genauer gesagt, geschehen ist es um Taormina etwas später, als hier „Festivals Taormina Arte“ organisier wurden, dank derer sich in der Stadt Stars wie Greta Garbo, Elisabeth Taylor oder Marlene Dietrich aufgehalten haben – und sie schwiegen nicht darüber! Eine Festung blieb allerdings die Stadt bis heute. Der Parkplatz ist außerhalb der Stadt und man zahlt hier eine unchristliche Parkgebühr – bereits im Jahr 2008 waren es neun Euro. Von dem überfüllten Parkplatz wird man dann mit einem Bus in die Stadt befördert. Außer dem Theater gibt es hier aus antiken Zeiten noch das Odeon und zwei Stadttore – Porta Catania und Porta Messina, die im sechszehnten und siebzehnten Jahrhundert erneuert wurden. Natürlich gibt es hier auch eine Reihe Kirchen – vor allem den Dom „San Nicolo“ mit der Statue von „Centauressa“ – diese merkwürdige Kreatur, die auch das Wappen von Taormina schmückt, hat etwas vom Kentaur mit einem Stierkörper (Taormina liegt auf dem Berg Mons Tauro, also Stierberg) und mit Zepter und Erdkugel in den Händen. Durch die Mitte der Stadt führt eine verhältnismäßig kurze Hauptstraße „Corso Umberto“ und in ihrer Mitte befindet sich die „Piazza 9. Aprile“ mit dem Uhrturm „Torre dell´orologio“, in dem das mittlere Stadttor „Porta Mezzo“, angeblich aus dem zwölften Jahrhundert, eingebaut ist. Zu Füßen liegt Ihnen dann ein riesiger Hafen und der Urlaubsort Letojani.

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Es ist in Taormina prinzipiell genug zu sehen, aber für diese Menschenmenge…

Im Fünfsternhotel Timeo, dass in der Stadt nach dem antiken Theater die beste Adresse ist- und sich gleich bei dem Theater befindet – nahmen wir keinen Drink, obwohl das Hotel eines der weniger war, die nicht überfüllt waren. Ich glaube, das hatte einen Grund.

               Die Sizilianer können sehr kreativ sein. In der Bar am Strand in San Alesio saß ein leicht depressiver junger Mann. Seine Geschäfte liefen offensichtlich nicht nach Plan. Das war kein Wunder. Vom Espresso um achtzig Cent (fabelhafter Qualität) konnte er nicht leben und das Bier um vier Euro kaufte wieder keiner. Als wir allerdings begonnen haben, sein überteuertes Bier zu konsumieren, kostete es zwei Tage später schon fünf Euro.

               Es ist (oder vor elf Jahren war es zumindest) in der Osthälfte der Insel beinahe unmöglich einen Supermarket zu finden. Nach einer langen vergeblichen Suche fuhren wir nach Messina und dort fanden wir wirklich einen. Das GPS hat allerdings nicht vergessen, wieder einmal mit uns zu scherzen, es führte uns durch kaum passierbare Gässchen und letztendlich zu einer Unterführung, wo ich die Seitenspiegel meines kleinen Renaults zuklappen musste, um überhaupt durchzukommen. (Zurückzufahren war nicht möglich, obwohl ich mir das sehr wünschte, aber hinter uns standen bereits, wie es in Italien sogar in den vergessensten Gässchen üblich ist, weitere drei Autos). Messina hat nicht viel zu bieten, die Stadt wurde durch ein Erbeben im Jahr 1908 vollständig zerstört und der historische Stadtkern wurde nicht restauriert. Messina war immer das Tor nach Sizilien. Hier wollte sich der junge fünfzehnjährige Friedrich II. verschanzen, als er die Invasion des Kaisers Otto IV. und seinen eigenen Tod erwartete, in Messina landeten die normannischen Invasionstruppen (auf Einladung des örtlichen Herrschers), die dann die Insel eroberten.             

Auf unser GPS konnten wir uns auf Sizilien wirklich nicht verlassen. Nicht nur, dass es versucht hat, uns umzubringen. Das war bei dem Ausflug in die Stadt „Forza d´Agro“, die auf einem kegelförmigen 420 Meter hohen Berg über das Ionische Meer emporragte. Das GPS meldete plötzlich und voll unerwartet „nach rechts abbiegen“. Das tat es auf der Straße, die den Berg umfuhr und wo es rechts von uns nur eine drei hundert Meter tiefe Kluft gab. Es war ein klarer Mordversuch, blieb aber ohne Erfolg. Das Städtchen „Forza d´Agro“ war ein typisch italienisches Örtchen mit einer normannischen Festung, engen Gassen, einer Kirche mit der Jungfrau Maria und einem schönen Blick auf die Küste tief unter den Füßen und den rauchenden Ätna. Es war aber die erste Warnung, dass das Autofahren auf Sizilien vielleicht nicht ganz einfach sein wird. Und es war auch nicht!        

               Als wir ein Tag später auf der Rückfahrt zu unserer Pension waren, gab ich ihre Adresse ins GPS ein und als wir an einem Wald vorbeigefahren sind, gab die Navigation einen Befehl – „rechts abbiegen“. Ich habe rechts keine Straße gesehen, ich dachte aber zuerst, dass ich sie vielleicht übersehen hätte, also absolvierten wir noch eine Runde in den engen Gässchen, um nach der Einleitung unseres Navigationssystems zu diesem Wald zurückzukehren. Ich fuhr diesmal wirklich im Schritttempo, aber auf der Stelle, wo mir das GPS wieder den Befehl abzubiegen erteilte, war nur Wald, aber keine Straße, nicht einmal ein Pfad. Letztendlich mussten wir unsere Pension aus eigener Kraft ohne technische Hilfsmittel erreichen Das Rätsel der fehlenden Straße entschlüsselten wir mit meinem Sohn zwei Tage später bei einem Spaziergang entlang der Küste. Zuerst gingen wir auf einer Straße, die dann aber abrupt endete. Hier standen verlassene Baumaschinen, es gab hier Löcher im Boden, aber kein Baumaterial. Nur eine Tafel, die uns informierte, dass diese Straße aus den Fonds der Europäischen Union gebaut wird – Termin der Fertigstellung November 2006. Ich erinnere daran, dass es bereits August 2008 war. Auf Sizilien ist das einfach so. Zumindest wurde diese Straße in die Navigationssysteme eingefügt, das ist auch was, oder?

               Auf den Ätna kamen wir problemlos, dieser Berg wurde gekennzeichnet.

Natürlich, er ist neben Taormina die touristische Hauptattraktion. Wir fuhren durch die Lavafelder bis zur Talstation der Seilbahn – glauben Sie es oder nicht, auf Sizilien, also auf dem Ätna, wird im Winter Schi gefahren, obwohl die Schipiste, geglättet zwischen den Lavafeldern und dadurch mit einer braunroten Farbe  schon ein bisschen anders war, als die österreichischen, auf denen im Sommer die Kühen weiden. Aber egal ob anders, wichtig war, sie war da. Die Seilbahn befördert die Touristen viel höher hinauf und dort warten auf sie Kleinbusse, um sie für angemessenes (oder eher unangemessenes) Gebühr bis in die Höhe von 2900 Meter Seehöhe zu bringen, wo schon aus den Kratern Rauch zum Himmel steigt und die Lavasteine in ihrem Kern Temperaturen von einigen Hundert Grad Celsius haben und rötlich glühen. Der Ätna hat das Problem, dass neben dem Hauptkrater auf einem seiner Gipfel in der Höhe 3323 Meter, der giftige Gase und Lava permanent spuckt, er immer wieder auch neue Krater öffnet, und in diesen sammelt sich die explosive Kraft, die sich dann durch immer neue Eruptionen entladet. Deshalb gibt es eine Unmenge Krater auf dem Ätna, an der Stelle von einem von ihnen, einem schönen färbigen und tiefen, stand bis zum Jahr 2001 die Bergstation der Seilbahn mit Restaurant und Parkplätzen für Schifahren liebende Touristen. Das alles flog im Jahr 2001 in die Luft.

Weil aber Seismologen rechtzeitig vor dem Ausbruch gewarnt hatten, kam es zu keinen Verlusten an Menschenleben, sondern nur an Material. Ich möchte nicht die Versicherung leiten, die Bauprojekte in der Region Ätna versichert. Wir gingen um einige Krater herum – zum Hauptgipfel sollte man nur mit einem Bergführer gehen, da die Giftgase, die der Vulkan produziert, einen Bewustseinverlust mit der Folge des Sturzes in den Krater verursachen könnten. Glauben Sie, dass Sie dann dort drinnen niemand suchen würde!

               Ich war ein bisschen enttäuscht, da ich hoffte, über die Lavaströme springen zu dürfen, darauf muss man aber bis zu einer weiteren Eruption warten. Man muss glücklicherweise nicht lange warten, der Ätna bereitet Touristen dieses Vergnügen jede paar Jahre. Ich erinnere mich an den Bruder des Großvaters unserer Schwägerin, der einmal mit achtzig Jahren und mit einem Kardiostimulator auf den Ätna reiste, da der Vulkan gerade wieder einmal explodierte und er hatte Angst, dass er die nächste Eruption nicht mehr erleben würde. In seinem Fall war die Befürchtung wirklich begründet.            

               In der Nordwand des Ätnamassivs befindet sich die Kluft Alcantara. Es ist ein Nationalpark mit einer tiefen Basaltklamm, durch die ein kalter Bach mit Wasserfällen fließt (wirklich ein kalter mit Temperaturen um 16 Grad und das im heißen August). Die Einheimischen bieten hier Canyoning an. Es ist natürlich ein Erlebnis. In einem Neoprenanzug gingen wir zuerst gegen den Strom hoch, um dann stromabwärts hinunter zu rutschen. Von einer Gefahr konnte keine Rede sein, aber ein bisschen Adrenalin wurde schon in den Kreislauf ausgeschüttert, besonders als wir einer italienischen Supermama halfen, die dieses Canyoning allein mit drei Kindern absolvierte.         

               Sizilien bietet also im Osten heiße Steine, eiskaltes (na ja eiskalt –  also eher kaltes) Wasser, natürlich auch Strände mit dunklem Vulkansand und historische Sehenswürdigkeiten. Aber darüber das nächte Mal.       

Sizilien Teil II.

Auf Sizilien lebt man auf der Straße. Kein Wunder, die Wohnungen der Sizilianer sind eher klein und für Empfänge größerer Menschenmengen nicht geeignet. Für Treffen und Sozialleben dient die Straße. Sie tut es in zwei Phasen. Am Tag werden vor die Türen der Häuser Pensionisten geholt. Sie sitzen hier den ganzen Tag auf Stühlen oder in Sesseln und beobachten schweigend die Welt. Nach Sonnenuntergang werden sie von der Straße gebracht. Sie verschwinden in den Häusern und auf die Straße kommt die Jugend. Die ist viel lauter, es ist nichts Außergewöhnliches, kleine spielende Kinder noch nach Mitternacht hier zu treffen

So war das im Süden übrigens immer. Schon die alten Griechen lebten auf der Straße, in der Öffentlichkeit, zu Hause blieben nur die Frauen. Frauen wurde damals das Leben in der Öffentlichkeit – im Unterschied zu heute – untersagt. Trotzdem hatte Sizilien bereits in antiken Zeiten auf der politischen Karte des Mittelmeerraumes eine bedeutsame Stellung.          

Sizilien war in der Antik ein wichtiger Verkehrsknoten und ein begehrtes reiches Land. Griechische Kolonien in Syrakus, Segesta, Selinunt oder Agrigent waren damals schon reiche Städte. Die Griechen mussten allerdings um die Vorherschaft über die Insel mit den Karthaginern kämpfen, eine Vorentscheidung in diesem Kampf brachte die Schlacht bei Himera im Jahr 480 v. Christi, wobei auch der karthaginische Heerführer Hamilkar sein Leben verlor. Karthago gab aber trotzdem keine Ruhe, es nutzte die Kämpfe zwischen der griechischen Städten und im Jahr 409 kam die Rache, die Stadt Himera wurde vernichtet und nie wieder aufgebaut.

               Wir besuchten die antiken historischen Orte – Segesta und Selinunt – im Süden gibt es dann noch Agrigent und im Innenland Enna – die würde ich aber im August lieber nicht besuchen, die sommerliche Hitze ist nur am Meer erträglich. Wir waren hier zwar schon anfangs Juli, aber über die Insel bis ins Mitteleuropa ist gerade eine Hitzewelle gerollt, nach Besuch einer historischen Gedenkstätte war das Baden ein Muss. Segesta des Stammes der Elymen suchte jahrzehntelang einen Weg, den griechischen gehassten Konkurrenten Selinunt zu vernichten. Um die Allianz mit Athen schließen zu können, begann es einen gigantischen Tempel der Göttin  Athena im monumentalen dorischen Stil zu bauen.

Als dann aber die Athener im Jahr 413 v.Ch. ihren Kampf gegen Syrakus verloren haben und ihre ganze Flotte vernichtet wurde, gab es keinen Grund mehr, den Tempel fertig zu bauen, daher blieb er bis heute eine Art eines Potemkinsdorfes. (Wahrscheinlich das älteste  auf der Welt – zweitausend Jahre vor Potemkin.) Segesta verbündete sich mit Karthago und die Karthaginer machten Selinunt dem Boden gleich. Als dann aber während des ersten punischen Krieges auf die Insel Römer einmarschierten, erinnerten sich die Bürger von Segesta, dass sie laut einer Legende eigentlich mit den Römern verwandt sind und wechselten die Seiten. Als Belohnung mussten sie dann, als die Insel wirklich von Römer eingenommen wurde, keine Steuer zahlen. Der Opportunismus zahlte sich schon damals aus und wenn man sich sein Benehmen richtig begründen kann…

               Diese Verwandtschaft mit den Römern entstand, als Flüchtlinge aus Troja im heutigen Castellmare del Guolfo anlegten. Die Frauen aus Troja hatten von der Reise schon genug (möglicherweise waren sie seekrank wie meine Gattin) und sie beschlossen, dass ihre Männer mit weiteren Abenteuern Schluss machen sollten. Sie zündeten im Golf die vor Anker liegenden Schiffe an, nur Aeneas mit seiner Familie gelang die Flucht auf seinem Schiff, mit dem er dann in die Mündung vom Tiber fuhr und danach die Stadt Alba Longa gründete. Er wurde dort König, seine Nachkommen waren dann Jahrhunderte später Romulus und Remus, die Rom gegründet haben. Der Rest der Trojaner, die ihre Schiffe auf diese Art verloren haben, gründete dann die Stadt Segesta. Ob diese Legende wahr ist, oder aus praktischen Gründen frei erfunden wurde, werden wir nicht mehr erfahren, die Bürger von Segesta waren, wie schon gesagt, sehr erfinderisch, wenn es um ihren Profit ging.  

Heute erinnern an die ehemalige Existenz dieser Stadt der unvollendete Tempel und ein atemberaubendes Theater mit dem Blick auf die Landschaft bis zum Meer bei Castellmare de Guolfo, wo einmal die trojanischen Schiffe brannten. Vom Tempel zur Akropolis mit dem Theater, ist es zu Fuß eine halbe Stunde, wenn man in der Zeit hinkommt, wenn die Sonne bereits zu brennen beginnt, zahlt sich aus, ein Ticket für Bus um 3 Euro zu kaufen, der euch dann hinbringt.

               Übrigens nicht weit von Segesta gibt es das Ort Calatafimi. Eigentlich nichts, was man unbedingt sehen müsste, allerdings ist dieses Dorf mit dem Nationalheld Giuseppe Garibaldi verbunden. Nach der Landung mit seinen „Tausend Rothemden“ auf Sizilien traf er gerade hier das erste Mal an das zahlen-  und rüstungsmäßig weit überlegene Heer des sizilianischen Königsreiches und zum Erstaunen allen überlebte er und siegte sogar. Der Weg nach Palermo war frei und damit auch zur Eroberung des italienischen Südens – mit dem die italienische Regierung bis heute nicht weiß, was sie tun soll.

               In Selinunt hatte ich Glück, dass ich mich bei der Anfahrt verirrt habe – die sizilianische Straßenbezeichnung ist offensichtlich nur für Einheimische gemeint und die kennen sich ohnehin aus. Dank des Irrtums wusste ich, dass man vom Tempelbezirk, wo die Eintrittskarten verkauft werden, zu Akropolis mit dem Auto fahren kann.

Deshalb konnten wir mit gutem Gewissen das Angebot, uns um 12 Euro !!! mit einem Kleinbus hinzubringen, ignorieren. Sollte diese Besucherberaubung noch ein Rest der Tradition vom antiken Selinunt sein, begann ich zu verstehen, warum die Bürger von Segesta diese Stadt so hassten und sie gewannen sogar dafür meine Sympathien.           

               Im Sommer zahlt es sich auf Sizilien aus, bereits in der Früh bei den Sehenswürdigkeiten zu sein. Die Strände sind meistens nicht weit entfernt, wie dieser in Selinunt.

Die Sehenswürdigkeiten öffnen ihre Tore um neun Uhr und wir waren regelmäßig unter den ersten Besuchern. (Niemals aber die Allerersten, überall wurden wir von mindestens einem Auto mit tschechischem Kennzeichen überholt, die Tschechen leiden offensichtlich so tief in Süden auf Schlaflosigkeit.) Gegen Mittag, wenn die Sonne das Land heiß machte, konnten wir uns bereits im Meer abkühlen. Der schönste Strand Siziliens ist am Capo di Vito im Nordwesten der Insel,

gut vereinbar mit einem Besuch des Städtchens Erice auf einem kegelförmigen Berg mit einer Festung auf der Spitze und unglaublich schönen Ausblicken.

               Die Preise auf Sizilien waren erschwinglich (mit Ausnahme Cefalú, Taormina oder Erice  – also in den berühmten touristischen Destinationen, die sich bereits der Kaufkraft der Besucher angepasst haben – die Sizilianer, wie ich schon erwähnte, haben eher Zeit als Geld. Außer diese Zentren kann man also ziemlich günstig essen – natürlich, wenn man Melanzani mag, das ist nämlich wahrscheinlich ein untrennbares Teil jeder sizilianischen Mahlzeit.   

               Sogar die Naturliebhaber kommen auf ihre Kosten. Nicht nur auf dem Ätna, wohin man mit dem Auto fahren kann, um dann vom Massentourismus abgefangen und zur heißen Lava gebracht zu werden. Allerdings ist das Bild der strömenden roten Lava auf den Hängen des Berges in der Nacht, wenn man von Catania in Richtung Messina fährt, sehr eindrucksvoll. Der Vulkan hat übrigens sogar mehrmals in der Geschichte die Stadt Catania bedroht, am meistens im Jahr 1669. Dass das „Castelo Ursino“ damals direkt am Meer stand, ist heute kaum zu glauben, die Burg wurde von Lava umströmt und liegt jetzt weit vom Meer entfernt. Die Stadt Catania ist aber nicht besonders schön und damit nicht wirklich besuchswert, ich würde sie also aus meiner Erzählung über Sizilien ausklammern.

Im Westen der Insel gibt es in der Nähe des Städtchens Scopello (na ja, Städtchen, eher ein größeres Dorf, aber was, seien wir ehrlich, ein Dörfchen, also ein Loch) gibt es der Naturpark Zingaro. Einer der Wege führt am Meer vorbei, ist 7 Kilometer lang und unterwegs gibt es zahlreiche Museen zu unterschiedlichen Themen und kleine Strände mit kristallklarem Wasser und wunderschönen färbigen Fischen, die zwischen den Beinen der Besucher schwimmen.

Wir schafften 5 Kilometer hinzulegen, dann kam Mittag und mit ihm Temperaturen um 40 Grad Celsius. Dort fanden wir einen größeren Strand und entschieden wir uns zu warten, bis es abkühlt. Die Entscheidung war eindeutig falsch. Es kühlte nämlich nicht ab. Wir warteten und die Temperaturen stiegen an. Um drei nachmittags war heißer als um zwei, um vier heißer als um drei. Es wurde uns klar – wenn wir unseren Parkplatz erreichen möchten noch bevor der Park seine Tore schloss, mussten wir los. Meine Frau hatte mit dem Überleben auf dem Rückmarsch in der Nachmittagshitze nicht gerade kleine Probleme. Es half nicht einmal die Taktik „Schnell laufen, damit die Hitze früher hinter uns ist.“. Kalte Umschläge und Wasser konnten das tragische Ende nur verschieben, nicht aber verhindern. Gott sei Dank, gibt es auf dem Weg eine Quelle, wo wir unsere rasch schrumpfenden Wasservorräte wieder auffüllen konnten. Vor einem sicheren Tod hat uns ein kaltes Bier „Birra Moretti“ in einer Bar direkt hinter dem Ausgang aus dem Nationalpark gerettet. Also, wenn Sie den Park besuchen möchten, dann gehen sie früh morgens hin, lassen Sie sich durch die wunderschönen kleinen Strände mit den Fischen wie aus einem Aquarium unterwegs nicht verführen, sondern laufen Sie so schnell wie möglich um das andere Ende des Nationalparks noch zu verträglichen Temperaturen zu erreichen. Ins Wasser können Sie dann jederzeit am Rückweg eintauchen – wenn Sie dazu noch Kraft und Lust haben – man muss doch zu den Stränden vom Weg abbiegen und zum  Meer absteigen. Was eigentlich nicht das Schlimmste ist, aber man muss dann wieder zurück auf den Weg hinauf.

Sie können es glauben oder nicht, aber wir haben wirklich eine tschechische Gruppe getroffen, die irgendwann vor sieben Uhr auf den Weg aufbrach, um über die Berggipfel mit einer Höhe von 915 Meter zu gehen. (Man startet auf Seehöhe, also die Höhe des Berges ist zugleich der Höheunterschied) und gingen auf dem Weg am Meer zurück. Sie schauten erstaunlicherweise so aus, dass sie es überleben konnten.        

Ein Jahr nach unserem Besuch gab es im Nationalpark Zingaro einen riesiger Brand, also weiß ich nicht, wie viel von seiner Schönheit übrig geblieben ist.

Also sollte ich in jemandem durch meine Erzählung Lust Sizilien zu besuchen wecken, zögern Sie nicht. Wie ich schon sagte, es ist noch immer Europa, sogar Europäische Union und die Gesetze sind hier grundsätzlich ident mit den unseren. Nur es gibt, um John Travolta aus dem Film „Pulp Fiktion“ zu zitieren „solche kleine Unterschiede“

Übrigens in zwei Wochen geht die Erzählung weiter.

Sizilien I.Teil

               Es ist eigentlich noch Europa, sogar noch die Europäische Union und deshalb gelten hier grundsätzlich die gleichen Gesetze wie bei uns. Nur die Interpretation ist ein bisschen anders. Das kapierte ich spätestens in dem Moment, als mich bei der Durchfahrt durch Palermo plötzlich und gleichzeitig zwei Motorräder überholten, und zwar einer links und der zweite rechts. Nach der Bodenmarkierung konnte man annehmen, dass die Schnellstraße zwei Fahrspuren hätte. Aber wenn sich Palermitaner entscheiden, dass es zu wenig ist, bilden sie spontan eine dritte. Ich würde dringend empfehlen, ihnen das Spiel nicht zu verderben, sie könnten dann nervös oder sogar grantig werden. Übrigens, die Mittellinie gibt es manchmal wirklich, dann aber wieder nicht. Es ist mir ein Rätsel, wie dann der beinahe hundertjährige Opa weiterfuhr, der sich hartnäckig an der Mittellinie als Führungslinie hielt und damit permanent die mittlere Spur bildete. Sonst ist aber das Autofahren auf Sizilien eine relativ ruhige Angelegenheit. Niemand hat es eilig, die Zahl der Autos, besonders in der westlichen Hälfte der Insel, ist eher niedrig und auf den Autobahnen gibt es keine Maut, also man fährt kostenlos. Ausnahme ist die nur die Autobahn A 19 zwischen Catania und Palermo, dort haben wir auf dem Weg nach Cefalu 1,80 Euro bezahlt. Die Sizilianer sind ähnlich rücksichtsvoll wie die Italiener auf dem Festland, oder eher vorsichtig. Weil sie selbst sehr „kreativ“ fahren, erwarten sie, dass die anderen Teilnehmer im Straßenverkehr genau so „deppert“ wie sie selbst sind und passen also auf. Wenn ein Auto eine Delle oder einen Kratzer hat – und das kommt häufig vor – ist es eher ein Parkschaden. Als ich am ersten Tag sah, was auf dem Parkplatz beim Strand in Trapetto vor sich gegangen ist, entschied ich mich, lieber zu Fuß hinzugehen Es war mir klar, dass ich als ein Mitteleuropäer diesen Parkplatz ohne Dauerschaden am Auto und an der Seele niemals verlassen könnte. Sizilianer schaffen das zwar, allerdings für den Preis von Blechschäden am eigenen sowie auch an vielen anderen Autos. Die Polizei versuchte es, in das Chaos Ordnung zu bringen und verteilte fleißig Strafzettel, die die Autobesitzer wieder vor der Abfahrt demonstrativ wegwarfen.

               Als ich dann nach zwei Wochen meinen Fiat Bravo am Flughafen in Palermo zurückgab (nach der Meinung unserer Apartmentvermieterin handelte sich für das Fahren auf Sizilien um ein unsinnig großes Auto), kroch die Vertreterin der Autovermietungsagentur beinahe unter das Fahrzeug, um dann mit ungläubigem Gesicht festzustellen, dass es keinen Schaden am Auto gab. Sie hielt mich in diesem Moment offensichtlich für einen Außerirdischen.

               Das Reisen auf Sizilien hat trotzdem einen bestimmten Zauber. Es ist nicht besonders einfach, das Ziel zu finden, das man erreichen möchte, und Grundkenntnisse der italienischen Sprache sind dabei nicht wirklich hilfreich. Wir suchten unsere Unterkunft in Trapetto und natürlich fanden wir sie nicht. Ich rief die Haushälterin an und diese Dame erklärte mir, dass unser Apartment im Stadtzentrum sei, nahe der alten Kirche. Ich fand es wieder nicht und  kam in den Hafen. Dort saßen einige von der Sonne gebräunten Sizilianer. Ich fragte, wo ich „Chieza vecchia“ finden kann. Sie schüttelten ihre Köpfe, sie haben von dieser Kirche offensichtlich noch nie gehört. Ich versuchte deutlich und langsam zu artikulieren „kieza vekchia“. Sie zuckten die Schulter, dann aber strahlte einer und sagte „á czeca vecza“ und zeigte mir die Richtung. Ich verstand, dass es nicht einfach sein würde. Und es war wirklich nicht. 

               Nach Palermo fuhren wir aber mit dem Bus, Es zahlte sich aus, ich konnte mir wirklich nicht vorstellen, was ich dort mit meinem Auto im Stadtzentrum tun sollte. Natürlich mussten wir auf den Bus beinahe vierzig Minuten warten, wegen so einer Verspätung regte sich aber keiner auf, es gehört zum Lebensstil der Inselbewohner. Die Afrikaner kommentierten einmal den amerikanischen Spruch „time is money“ mit den Worten, dass die Amerikaner Geld haben mögen, sie wieder, also die Schwarzafrikaner, haben dafür Zeit. Die Sizilianer verhalten sich sehr ähnlich. Das Geld haben sie nicht (Nach der Rückkehr vom Urlaub erfuhr ich, dass sich das Land im Bankrott befand und der damalige Ministerpräsident einen Rücktritt des Gouverneurs erwartete), dafür aber genug Zeit. Sogar der Ministerpräsident Monti musste sich mit dem Rücktritt des Gouverneurs gedulden. Ein Kellner in der Bar in Trapetto, der 24 Jahre auf dem Flughafen in Düsseldorf gearbeitet hatte, um jetzt vor zwei Jahren nach Sizilien zurückzukehren, weil ihm das hektische Leben in Deutschland viel zu viel Stress bereitete, erzählte uns, wie schwierig es für ihn nach der Rückkehr war, sich daran zu gewöhnen, dass man bei jedem Treffen und bei jedem Termin eine halbe bis eine ganze Stunde warten musste. Als er fragte, warum man sich nicht zu vereinbarter Zeit treffen konnte, bekam er eine Antwort: „Du musst dich anpassen“. Er passte sich also an.

               Sizilianer haben keine Probleme. Wenn sie Probleme haben, dann wissen sie nichts davon oder wollen es nicht wissen. In erster Linie betrifft das die Entsorgung von Abfällen. Jeden Morgen lassen sie von den Balkonen Sackerl mit Abfällen an einem Spagat nieder und ein Dreiräder, der durch die Gassen fährt, sammelt sie ein. Ich kannte mich in dem System der Mülltrennung nicht ganz aus, also fragte ich unsere Vermieterin. Sie dachte kurz nach und dann sagte sie „Ihr habt aber doch ein Auto.“              

Ich gab es zu und sie erklärte uns: „Dann könnten Sie alles zusammenpacken und wenn Sie die Stadt verlassen, können sie es in einen Container werfen, der am Straßenrand steht.“ Das Problem haben wir ziemlich schnell kapiert. Die Container stehen wirklich dort, sie haben aber eher nur einen hinweisenden oder eher einen symbolischen Wert. Alle sind nämlich hoffnungslos überfüllt und um sie herum hunderte Meter entlang der Straßen türmen sich Säcke mit Abfällen aller Art – wochen-, möglicherweise monatelang bis ein Bagger kommt, der einzig fähig ist, sie wegzuräumen.        

        Palermo ist natürlich besuchswert, aber darüber werde ich andermal schreiben. Aber Palermo ist bei weitem nicht allein. Bereits auf einem Berg im Innenland oberhalb der Stadt steht Monreale. Die Kirche hier ließ Wilhelm II., genannt aus mir unbekannten Gründen „der Gute“, bauen, hundert Jahre nachdem das sein Großvater Roger II. in Palermo tat. Damit hatte Wilhelm bereits ein Vorbild, das unbedingt zu übertrumpfen galt. Dazu wollte dieser, mit seinem aufwändigen Lebensstil bekannter König, den Erzbischof von Palermo in Weißglut bringen. Also gab es genug Motivation, damit das Werk gelang.

Was nämlich an sizilianischen Werken aus der Zeit der Normannischen Könige auffällig ist, ist die Tatsache, dass sie ein Produkt einer unglaublichen gesellschaftlichen und religiösen Toleranz sind. Nicht umsonst sind Sizilianer gerade auf diese Zeit der normannischen Herrschaft stolz und man stolpert über die Spuren dieser Epoche auf jedem Schritt und Tritt. Nicht nur, dass in dieser Zeit Sizilien wirklich ein unabhängiges Königsreich mit der Hauptstadt in Palermo war, aber dank der toleranten Politik ihrer Herrscher wurde es damals zum reichsten Land der damaligen Welt. Um das Rezept dieses Erfolges zu verstehen, müssen wir ein bisschen tiefer in die Geschichte der Insel eintauchen.          

               Sizilien war die Kornkammer des alten Roms. Schon damals gab es hier eine blühende Landwirtschaft und der Sklavenmarkt in Enna war einer der größten im Reich. (Die Sklaven machten mehrmals Aufstände und zweimal im zweiten Jahrhundert vor Christus gelang es ihnen, hier eine unabhängige Republik zu gründen, bis diese von den römischen Legionen niedergeschlagen wurde). Nach dem Fall des Römischen Reiches beherrschten die Insel für ein paar Jahrzehnte die Goten und dann eroberte der berühmte byzantinische Heerführer Belisarius die Insel für seinen Kaiser Justinian. Danach war Sizilien griechisch und Kaiser Konstantin II. versuchte sogar, die Hauptstadt des Byzantinischen Reiches von Konstantinopel nach Syrakus zu verlegen. Es hatte eine bestimmte Logik, weil Sizilien damals gerade in der Mitte des Reiches lag, aber wie es schon mit den logischen Dingen einmal so ist, die Idee wurde nicht umgesetzt. Sizilien wurde zur Peripherie des Reiches und konnte der Invasion der Araber im neunten Jahrhundert nicht statthalten. Die Araber beherrschten die Insel, ließen aber die einheimischen Griechen in Ruhe weiterleben. Sie verlagerten die Hauptstadt von Syrakus nach Palermo, weil der Kontakt nach Osten für sie nicht mehr so wichtig war, wie für ihre Vorgänger und bauten auf der Insel Bewässerungsanlagen. Die Araber kamen aus Tunesien, wo es nur sehr wenig regnete und Bewässerungssysteme für die Landwirtschaft unentbehrlich waren. Weil es auf Sizilien doch viel mehr Regen gab, verwandelten sie die Insel dank ihrer Bewässerungstechnik in ein wahres Paradies. In so ein, dass örtliche Herrscher unter sich zu streiten begonnen haben. Wie man sagt: „Wenn es dem Esel zu wohl wird, geht er aufs Eis tanzen“. Im Jahr 1061 rief der Herrscher von Messina normannische Ritter unter der Führung zwei Brüder Roger und Robert Guiscard von Hauteville zur Hilfe gegen seinen Gegner in Syracus. Diese ehemaligen Wikinger eroberten in einem Handstreich Messina und begannen Stück für Stück die Insel einzunehmen. Sie bekamen zu diesem gottgefälligen Unternehmen den Segen vom Papst höchstpersönlich und dann, als die letzten arabischen Widerstandnesten im Südosten der Insel kapitulierten, wurde Roger zum Graf von Sizilien. Sein gleichnamiger Enkelsohn erreichte dann die Königswürde. Er nutzte ein Schisma in Rom, ließ sich vom Gegenpapst zum König krönen, womit er den wahren Papst wütend machte. Als ihm der Papst den Krieg erklärte, nahm er den Pontifex fest und als Gegenleistung für seine Freilassung ließ er sich die Königskrone auch von ihm bestätigen. Was an den Normanen faszinierend war,-  obwohl sie auf der Insel im Auftrag des Papstes waren, mit der Aufgabe, alles was nur geht, zu christianisieren und das übrige auszurotten – sie ließen alles beim Alten. Die Araber durften weiter in Ruhe ihre Bewässerungsanlagen ausbauen, die Griechen wieder ihre Kirchen mit ihren Mosaiken schmücken, niemand wurde zu etwas gezwungen und alle waren mit dem gegebenen Zustand zufrieden. Die Kirchen aus dieser Zeit sind die Frucht dieser Politik der Toleranz. In Palermo, Monreale oder Cefalu, um nur die drei berühmtesten zu nennen. Der Kreuzgang in Monreale  ist 47×47 Meter groß und jede der hundert Säulen ist anders, keine zwei haben ein gleiches Kapitell.

König Wilhelm hatte übrigens kein Problem damit, mit dem Bau der monumentalen katholischen Kirche einen arabischen Architekten zu beauftragen  und dieser hatte wieder – obwohl ein Moslem – kein Problem, eine katholische Kirche zu bauen und nicht einmal damit, die Kapitell der Säulen mit im Koran verbotenen Motiven zu schmücken. Für einen guten Lohn hat er eine gute Arbeit geleistet. Wir könnten auch noch heute davon lernen.

               Nach Normannen kamen die Staufer, die auch alles beim Alten belassen haben (nur die unruhigen Araber siedelte Kaiser Friedrich II. nach Lucera in Apulien um), im Jahr 1266 – wieder im Auftrag des Papstes – kamen die Franzosen und das hundertjährige Werk der Toleranz war dahin. Die Franzosen verärgerten zwar durch ihr Verhalten die Sizilianer soweit, dass sie  bei der Sizilianischen Vesper im Jahr 1282 alle ermordet worden sind, aber ein zerschlagenes Porzellan kann man nicht mehr zusammenkleben – die Zeit des sizilianischen Wohlstandes war definitiv dahin und sollte nie mehr zurückkehren.

               Soviel zur Einführung des Besuches Siziliens. Nächste Woche geht’s los.