Die Lipariinseln gehören irgendwie untrennbar zu Sizilien und ein Urlaub auf Sizilien ohne einen Besuch dieser Inselgruppe ist irgendwie unvollständig. Weil meine Gattin an einer starken Kinetose leidet, war klar, dass sie mich bei diesem Ausflug nicht begleiten würde. Es ist mir aber gelungen, meinen Sohn zu überreden, der die Gene seiner Mutter zwar auch geerbt hatte, allerdings in wenig ausgeprägtem Ausmaß und so konnte ich ihn zwar in grüner Farbe aber ohne Erbrechen zurück auf das Festland zurückzubringen. Eine Jause während der Fahrt lehnte er aber strikt ab.

               Liparische Inseln kann man entweder von Messina oder von Milazzo aus besuchen. Wir wählten die zweite Variante, um dem üblichen Verkehrschaos in Messina auszuweichen. Es war eine gute Entscheidung, den Hafen von Milazzo erreicht man problemlos. Auch der Kauf eines Tickets für ein Schnellboot im Touristenbüro im Hafen war kein Problem und bald danach durften wir aufbrechen. Milazzo liegt auf einer langen Halbinsel im Norden Siziliens, über die Stadt ragt, wie über viele anderen sizilianischen und italienischen Städte, eine massive Festung aus der Zeit Friedrichs II., der sein ganzes Königsreich zu einer uneinnehmbaren Festung umgebaut hat. Die Festung von Milazzo spielte dabei eine bedeutende Rolle. 

               Lipari war einmal eine sehr reiche Inselgruppe. Der Grund des Reichtums bereits in der Steinzeit war die Fundstelle von Obsidian, der in der Steinzeit dank seiner Härte und Spaltbarkeit eine entscheidende Rolle spielte und auch das wichtigste Zahlungsmittel war. Die, die die Serie „Game of Throns“ gesehen haben, kennen diesen Stein unter dem Namen „Drachenglas“. Es handelt sich um einen Vulkanstein und die reichen Funde dieses Materials können nur eines bedeuten, nämlich den vulkanischen Ursprung der Insel. Den kann man nicht abstreiten. Die Liparische Inseln gehören als Gipfel der  Vulkane, die über den Meeresspiegel ragen, zu einer tektonischen Spalte, die im Süden mit dem Ätna beginnt und zweihundert Kilometer nördlicher mit dem gleich bedrohlichen Vesuv endet. Von den sieben Vulkanen, also den Liparischen Inseln, sind noch zwei aktiv – Vulcano und Stromboli.

               Vulcano ist normalerweise der erste Halt bei einem Tagesausflug, es liegt nämlich dem Festland am nächsten.

Der eindringliche Gestank von Schwefel und der Rauch, der aus dem Krater aufsteigt, bezeugen, dass der Vulkan noch immer aktiv ist, der letzte vernichtende Ausbruch ereignete sich im Jahr 1890. Schiffe legen im „Porto Levante“ an, das Baden ist an einem schwarzen Strand an der anderen Seite der Insel möglich, was kein Problem darstellt – beide Inselseiten sind nur durch eine Landesenge von wenigen hundert Meter getrennt. Die Halbinsel Vulcanello auf dem nördlichen Ausläufer der Insel erschien nämlich im Jahr 183 vor Christi (damals als eine neue Insel) und im Laufe der Jahrhunderte bildete sich aus der Vulkanasche zwischen ihr und dem Vulcano eine Landesenge, die immer breiter wurde. So gibt es hier heutzutage sogar (kurze) Straßen mit einigen Häusern. Ein Aufstieg zu „Fossa Vucano“ entspricht lediglich 391 Höhemetern, also einer leichten Wanderung, natürlich, wenn man nicht in der Mittagshitze aufbricht. Man könnte sogar zum Kraterboden absteigen, allerdings muss man nicht alles haben.             

               Interessanter ist ein Bad in den Thermalquellen mit Schwefelschlamm. Es ist faszinierend, dass der Boden des Sees wirklich heiß, sogar glühend ist, als ob der Vulkan direkt unter euren Füßen wäre. Ein ganz gutes Gefühl ist das nicht – sollte der Boden aufbrechen, wird man in ein paar Sekunden totgekocht. Die Wassertemperatur beträgt 34 Grad Celsius, also gerade noch angenehme Temperatur, der Schwefelgeruch gibt aber dem Erlebnis eine andere Dimension als in österreichischen Thermen. Leider nahm mein geliebter Sohn auf den Ausflug seine neue (und ziemlich teure) Badehose mit, die gerade für die Gelegenheit unseres Siziliensurlaubs gekauft worden war. Sie war modern, einfach „cool“, das Problem bestand darin, dass man den Schwefelgeruch trotz vielfachen Waschens nie mehr rausgekriegt hat. Das hatte wiederholte unverhältnismäßig lange Vorträge meiner Frau zu Folge, wie das aussieht, wenn man (frau) zwei Männer allein auf einen Ausflug ohne weibliche Aussicht gehen lässt. Silberner Schmuck wird schwarz, der goldene glanzlos. Das habe ich nicht gelesen, sondern erlebt, weil ich vergessen habe, meine Ringe (Ehering und ein silbernen Ring zur silbernen Hochzeit), abzulegen. Hätte ich den Reiseführer sorgfältig gelesen, hätte ich das gewusst und ich konnte mir den Schock ersparen, als ich aus dem Bad gekommen bin. Die gute Nachricht ist, dass das Silber und das Gold nach einer bestimmten Zeit wieder das ursprüngliche Aussehen zurückgewinnen, man braucht aber relativ viel Geduld.

               Die größte Insel der Inselgruppe ist Lipari. Wenn die Bewohnerzahlen auf den anderen Inseln nur Hunderte betragen,  gibt es auf Lipari eine echte Stadt mit ungefähr 12 000 Einwohnern. Seit 2000 sind die Insel Naturerbe UNESCO, was zu Folge hatte, dass der Großteil der Insel Lipari zum Naturpark wurde und weder Obsidian, noch Bimsstein (poröser Stein vulkanischer Herkunft, den alte Römer beim Baden verwendeten, bis in den Zeiten des Kaisers Augustus Seife erfunden worden ist, die der konservative Kaiser gleich mit Luxussteuer belegte und so die Geschäfte der Liparibewohner weiter auf dem laufendem halten konnte) dürfen auf der Insel abgebaut werden.     

               Lipari war reich. Der Reichtum wurde ihm zu Verhängnis. Im Jahr 1544 wurde die Insel vom berühmten Pirat Khair an-Din (Hayredin), genannt Barbarossa, überfallen (bitte nicht mit dem gleichnamigen Kaiser der Stauferdynastie verwechseln). Er eroberte die Insel, die Stadt hat er dem Boden gleichgemacht, die Männer wurden massakriert und die Frauen und Kinder in die Sklaverei verschleppt. Die massive Festung, die über die Stadt emporragt, ist also das Werk der Spanier, die danach die Stadt erneuerten und befestigten.

               Hayredin war eine imposante Persönlichkeit der ersten Hälfte des sechszehnten Jahrhunderts. Er wurde auf der Insel Lesbos in einfachen Verhältnissen in die Familie eines Töpfers geboren. Das Handwerk seines Vaters war ihm zu langweilig und so begab er sich mit seinem Bruder auf Reisen. Es gelang ihm aus dem Nichts eine große Piratenflotte aufzubauen und im Jahr 1516 eroberte und besetzte er die Stadt Alger, was sogar die Hohe Pforte in Istanbul akzeptieren musste, als er sich ihr formal unterstellte. Seit dem Jahr 1533 war Hayredin der Oberkommandant der osmanischen Seemacht mit einer Hauptaufgabe – plündern, plündern und noch einmal plündern. Was er mit großer Begeisterung auch tat. Er eroberte und plünderte viele italienische und dalmatische Städte, nur vor Kotor im Jahr 1539 hat er sich die Zähne ausgebissen, weil die Stadtmauer für ihn uneinnehmbar blieb.  Er brandschatzte an der gesamten italienischen Südküste und im Jahr 1534 eroberte er Tunis. Tunis als eine Basis für eine Piratenflotte konnte aber Kaiser Karl V. nicht tolerieren. Mit Hilfe des Johannitenordens, der nach seiner Vertreibung aus Rhodos seit 1530 auf Malta seinen neuen Wohnsitz fand und des Sklavenaufstandes in der Stadt wurde die Stadt im Jahr 1536 von Karl eingenommen (zu Ehre dieses Sieges wurde in Palermo die „Porta nuova“ gebaut) Hayredin gelang es aber zu fliehen und sein Leben zu retten. Dank dieser kaiserlichen Schlampigkeit konnte er also neun Jahre später Lipari erobern und plündern. Er starb letztendlich als ein reicher und angesehener Mann in Istanbul im Jahr 1546. Die osmanische Dominanz zum See brachen die Christen erst in der Schlacht bei Lepanto im Jahr 1571, also fünfundzwanzig Jahre nach dem Tod von Hayredin Barbarossa.             

               Das neue Kastell auf dem Kap über den Hafen, die Spanier auf den Ruinen der von Barbarossa zerstörten Festung gebaut haben, ist ein imposantes Gebäude, es befindet sich hier das „Museo archeologico eoliano“. Das Museum hat drei Abteilungen, die erste stellt die ältesten Funde von Lipari bis in die römische Zeit aus, in der zweiten Abteilung gibt es die Funde aus der antiken Zeit inklusiv einer Sammlung der Miniaturen der griechischen Theatermasken und in der dritten gibt es Funde aus den anderen Liparischen Inseln. Auch die barocke Kirche „Chieza San Barolo“ stammt aus der Zeit nach dem Wüten Barbarossas, weil die ursprüngliche normannische Kirche dabei unterging. Das Plündern hat nur der Kreuzweg des ehemaligen Klosters mit massiven Steinsäulen in dorischem Stil überstanden. Auf der Akropolis wird fleißig weiter gegraben, aber auch gebaut. Ich konnte nicht abschätzen, aus welchem Jahrhundert dann die neuen Gebäuden sein werden, wenn sie einmal fertig gebaut werden sollten. Sollte Ihnen aber der Reiseführer einflüstern wollen, dass sie aus dem dreizehnten oder fünfzehnten Jahrhudert wären, glauben Sie ihm nicht. Barbarossa hat seine Arbeit immer ordentlich gemacht.

               Die dritte große Insel am Horizont ist Salina. Ihre Form ist so auffällig, dass sie sogar schon in Odyssee ihren Platz fand. Damals hieß die Insel Didyme, also „die Zwillinge“, weil sie von zwei Kratern gebildet wird, die durch ein Tal getrennt sind. Homer schrieb von zwei Sirenen, die durch ihren Gesang die Schiffe vom Schiffbruch an der steinigen Küste der Insel warnen sollten – es handelte sich wahrscheinlich tatsächlich um Pfeifen der Winde, die zwischen den Bergen durch das enge Tal getrieben worden sind. Salina ist durch Anbau von Kapern berühmt, denen unter anderem auch eine heilende und eine potenzsteigende Wirkung nachgesagt wird. Dank der Tatsache, dass sie keine schönen Strände hat, wird die Insel von der Touristenindustrie gemieden wie auch die zwei kleinen und entlegenen Inselchen Filicudi und Alicudi.             

               Was diese drei Inseln erspart geblieben ist, traf voll die kleinste der Liparischen Inseln Panarea.

Diese Insel ist natürlich ein Pflichtstopp auch bei eintägigen Ausflügen, weil es das liparische Monaco oder Porto Cervo ist. Im Sommer gehen hier zahlreiche Luxusjachten der Millionäre vor Anker, die Insel ist das teuerste Pflaster in der Inselgruppe. Nicht umsonst wird Panarea „Die Insel mit der gestohlenen Seele“ genannt. Auf der abgewandten Seite des hohen Felsen, der über das Städtchen emporragt, können die Jachtbesitzer im kristallklaren Wassern baden, für sie kann der Aufenthalt auf der Insel einen bestimmten Zauber haben. Für einen Normalsterblichen ist sie eher langweilig.        

               Für Stromboli sollte man unbedingt einen ganzen Tag – genauer gesagt eine Nacht – reservieren. Der Vulkan auf Stromboli ist noch immer aktiv und die Eruptionen wiederholen sich regelmäßig in ungefähr zwanzigminutigen Intervallen. Natürlich kann man die fließende Lava auch vom Schiff aus beobachten, das die westliche beinahe senkrechte Seite der Insel umfährt. Ein unvergessliches Erlebnis ist aber der Aufstieg zum Krater, von wo aus man die Eruptionen beobachten kann.

Es handelt sich um eine Bergwanderung mit über neunhundert Höhemetern und einen Reiseführer zu nehmen ist eine per Gesetz vorgeschriebene Pflicht. Die ganze Ausrüstung, inklusiv der Taschenlampe und Schuhen, ist nicht notwendig auf Stromboli mitzunehmen, alles kann man leihen, allerding bei Schuhen wäre ich vorsichtig. In geliehenem Schuhwerk beinahe tausend Höhemeter zu bezwingen kann Blasen zu Folge haben – Ihre Füße könnten in Gefahr geraten. Die Vulkanausbrüche, bei welchen die Lava nach einer imposanten lauten Voranmeldung in die Höhe bis zu vierzig Meter hochgeschleudert wird, ist allerdings ein Erlebnis, das man nicht vergisst. Baden kann man auf Stromboli auch, der Strand ist logischerweise ganz schwarz, aber sauber. Im winzigkleinen Städtchen mit engen steilen Gässchen findet man dafür außer Hotels, Souvenirgeschäfte und Restaurants gar nichts.

               Wenn wir Stromboli verlassen haben, können wir auch Sizilien verlassen. Wir schauen das nächste Mal anderswo hin.    

     

Leave a Reply

Your email address will not be published.

This site uses Akismet to reduce spam. Learn how your comment data is processed.