In Porto wird also gearbeitet. Auf den ersten Blick sah es jedoch nicht so aus, was daran liegen konnte, dass wir im Viertel „Ribeira“ am Ufer des Douro (was übersetzt „Goldener Fluss“ bedeutet) angekommen sind, das voller Restaurants und Bars war, in denen sich Einheimische und Touristen mischten, tranken und aßen – auch arbeitende Menschen müssen sich halt irgendwo amüsieren.
Das Land erhielt seinen Namen Portucale nach dem römischen Namen der Stadt „Portus Cale“, und von dort war es nur ein kleiner Schritt zu Portugal. In römischer Zeit hatte die Siedlung jedoch keine große Bedeutung; erst die Westgoten machten sie im Jahr 540 zu einer wichtigen Stadt und zum Sitz eines Bistums.
Eine Stadt auf einem Hügel und dazu noch auf einem steilen Hügel zu bauen, ist gegenüber Touristen sehr rücksichtslos. Das ist jedoch ungefähr alles, was man der Stadt Porto vorwerfen kann. Auf der anderen Seite ist der bischöfliche Palast bei der Kathedrale, der hoch über den Ufern des Douro thront, einfach beeindruckend – anders kann man es nicht beschreiben – und verleiht Porto genau den Charme, der die Menschen dorthin zieht. Und – unter uns – man muss nicht zu Fuß gehen, Porto hat eine U-Bahn, die einen auf den Hügel hinaufbringt – obwohl ein Spaziergang, auch wenn er anstrengend ist, etwas für sich hat. Außerdem haben sich die Einwohner von Porto bereits vor dem Bau der U-Bahn abgesichert, und es führen mehrere Aufzüge in die Oberstadt. Es gibt nicht so viele wie in Lissabon, aber der „Funicular dos Guindais“ bringt den Besucher zur Kathedrale. Oder man kann sich von den alten romantischen Straßenbahnen herumfahren lassen, deren alte Holztüren ihnen einen unwiderstehlichen Retro-Charme verleihen.
Porto liegt am Ufer des Douro. An dem Nordufer. Die Stadt auf dem Südufer ist die eigenständige Gemeinde „Vila Nova de Gaia“. Im Gegensatz zu Lissabon, wo die einzige Brücke über den Tejo täglich einen Verkehrskollaps verursacht, überspannen hier bis zu sechs Brücken den Fluss – und eine siebte ist in Planung. Die beeindruckendste ist natürlich die Brücke des Königs Luis I. mit einer imposanten Spannweite von 172 Metern.
Sie wurde von Gustave Eiffels Partner Théophile Seyrig gebaut und behält daher die für Eiffel typische Metallkonstruktion bei. Man kann auf zwei Ebenen den Fluss überqueren. Der Bau wurde auch persönlich von Eiffel überwacht; sein Büro mit Blick auf den Fluss befindet sich im Gebäude der städtischen Börse. Bis zur feierlichen Eröffnung dieser Brücke im Jahr 1886 wurde der Fluss nur mit Fähre überquert. Im Jahr 1806 wurde zwar die Pontonbrücke „Ponte das Barcas“ eingerichtet, die jedoch 1809 einbrach, als Menschen vor den Bajonetten der französischen Soldaten über den Fluss flohen. Damals ertranken bis zu 4000 Menschen im Douro. Die neueste Brücke ist die „Ponte da Arrábida“ des Architekten Edgar Cardoso. Als sie 1963 feierlich eröffnet wurde, kamen außergewöhnlich viele Politiker und Journalisten zu diesem Ereignis. Alle erwarteten nämlich, dass die Brücke einstürzen würde. Sie stürzte nicht ein und steht bis heute.
Zur Aussichtsplattform vor dem Kloster „Mosteiro da Serra do Pilar“ kann man auch mit der Kabinenseilbahn gelangen. Von dort hat man einen beeindruckenden Blick auf Porto. Von dieser Stelle soll angeblich Herzog Wellington im Jahr 1809 seinen Angriff auf die französischen Stellungen geplant haben, um am 12. Mai 1809 die Franzosen unter dem Kommando von Marschall Soult zu besiegen. Das war während des Krieges mit Napoleon, der Portugal in den Jahren 1807 bis 1811 verwüstete. Portugal hatte sich aufgrund seiner ausgezeichneten Beziehungen zu Großbritannien nicht der Kontinentalsperre angeschlossen und musste daher einer französischen Invasion entgegentreten. Die königliche Familie floh nach Brasilien und den Portugiesen kamen die Engländer unter dem Kommando von Herzog Wellington zu Hilfe. Er übte den Kampf mit den französischen Generälen ein, die er aus Portugal vertrieb, bevor er 1815 bei Waterloo dem großen Meister selbst gegenübertrat – und siegte. Das Denkmal „Monumento aos Heróis da Guerra Peninsular“, das an diesen Krieg erinnert, befindet sich im modernen Stadtteil Boavista westlich des Stadtzentrums, mitten in einem Park.
Auf der Spitze einer hohen Säule, umgeben von Kampfszenen, zertrampelt der englische Löwe den französischen Adler. Gleich daneben befindet sich die moderne Konzerthalle in einem Gebäude in Form eines geschliffenen Diamanten „Casa da Música“ aus dem Jahr 2005. Es soll die beste Konzerthalle der Stadt sein.
Aber zurück zu Vila Nova de Gaia. Hier, gleich hinter dem Kloster, befindet sich auch der Garten „Jardim do Morro“, der 1927 angelegt wurde, sowie die Kellereien, die zur Reifung des Portweins dienen. Der Portwein hat also wenig mit Porto selbst zu tun, vielleicht nur den Namen.
Portwein ist die berühmteste lokale Spezialität. Angeblich entstand er durch einen unglücklichen Zufall, als eine Weinsendung für Indien vom dortigen britischen Vizekönig nicht angenommen wurde und somit zweimal den Äquator überqueren musste. In der Hitze reifte der Wein und bekam seinen spezifischen Geschmack. Ob diese Legende wahr ist oder nicht, die Briten verfielen dem Portwein, und angesichts der großartigen Handelsbeziehungen zwischen den beiden Ländern wurde Portwein zu einem der wichtigsten Exportprodukte Portugals. Natürlich ist er nichts für jemanden mit Sodbrennen Leiden wie mich. Außerdem wird er zu Süßigkeiten empfohlen, was sich mein Magen überhaupt nicht vorstellen kann und brennt noch bevor ich den ersten Bissen gegessen habe – wahrscheinlich vorbeugend. Aber nach entsprechender Vorbereitung mit Pantoprazol habe ich mich doch zu einer Portweinprobe aufgemacht. Portwein gibt es in Weiß und Rot, wobei der rote in Ruby und Tawny unterteilt wird. Ersterer behält seine rote Farbe, während letzterer zu hellbraun oxidiert. Neben dem gewöhnlichen Konsumwein, der etwa 7,50 Euro pro Flasche kostet, gibt es auch zehn-, zwanzig- oder dreißigjährige Weine. Diese sind Mischungen aus verschiedenen Jahrgängen, die im Durchschnitt die auf dem Etikett angegebenen Jahre ergeben. Die Herstellung von Portwein ist eine ganze Wissenschaft, die uns in der Kellerei Burmester ausführlich erklärt wurde, aber selbst mit Übersetzung war es für mich zu anspruchsvoll, um es im Detail zu verstehen und im Gedächtnis zu behalten. Wenn uns der Portwein nicht überzeugt hat, dann tat es der lokale Cognac aus Traubenwein namens Macieira. Er ist köstlich, mit 36 Prozent Alkohol, und er verursacht kein Sodbrennen.
Was das Essen betrifft, ist die lokale Hauptspezialität Kutteln nach Porto-Art „Tripas à Moda do Porto“. Dieses Gericht ist so berühmt, dass die Einwohner von Porto „Tripeiros“, also so etwas wie „Kutteler“ genannt werden – auch wenn sie sich selbst lieber nach dem Stadion des Fußballclubs Boavista Porto „Dragão“ („Drachen“) nennen. (Das Stadion liegt im Nordosten der Stadt und in der Nähe der Endstation der Metrolinie B. Übrigens ist es eine der grundlegenden Bürgerpflichten der Einwohner der Stadt Porto, Fan dieses Vereins zu sein, dessen Namen die Einwohner von Porto viel kreativer gewählt haben als den ihrer eigenen Stadt, die einfach nur „Hafen“ bedeutet.) Zur Entstehung dieser lokalen Spezialität aus Rinderinnereien gibt es bis zu drei Legenden. Die bekannteste besagt, dass als sich im Jahr 1415 die portugiesische Armee unter der Führung von Prinz Heinrich dem Seefahrer in Porto auf den Aufbruch zur Eroberung der Stadt Ceuta vorbereitete (was auch gelang), wurde zur Versorgung der Armee mit Proviant sämtliches Rindvieh in der Umgebung geschlachtet und den Einheimischen nur die Innereien übrigblieben, mit denen sie aber kreativ umgingen. Eine andere Legende besagt, dass die Einwohner von Porto im Jahr 1384 all ihre Vorräte an das von Kastilien belagerte Lissabon schickten, und die dritte, dass während des Bürgerkriegs von 1832 bis 1834 die Lebensmittelversorgung der Stadt so miserabel war, dass die Einheimischen gerne auch zu Innereien griffen. Wie auch immer, in diesem Gericht sind nicht nur Kutteln, sondern auch Schmalz und Wurst, und vor allem – das Gericht muss mit Bohnen gekocht werden, wobei unverantwortliche Gastwirte die Bohnen oft erst zum fertigen Gericht hinzufügen. Daher ist es wichtig, das richtige Restaurant zu finden – auch wenn es etwas teurer ist. Was allerdings nicht einfach ist, diese Gericht bieten bei weitem nicht alle Restaurants an.
Ein weiteres typisches Gericht in Porto ist Francesinha – ein Sandwich mit Fleisch, Schinken und Wurst, überbacken mit Käse in einer pikanten Tomatensauce. Es war ein Essen für die Armen, jetzt ist es zu einer Touristenattraktion geworden – wenn die Kutteln schon so schwer zu bekommen sind.
Am Ufer des Douro steht die Franziskanerkirche. Sie gehört zum Pflichtprogramm. So viel Gold, das überall an den Wänden und Plastiken zu sehen ist, findet man kaum anderswo. Fotografieren ist dort nicht erlaubt, anscheinend haben die Verwalter Angst um die Kameraobjektive, ob sie so viel Gold aushalten und nicht zerbrechen. Angeblich sind es bis zu 200 Kilogramm Gold an den Schnitzereien angebracht. Für die barfüßigen Franziskaner, die sich der Armut verschrieben haben, fast zu viel. So viel Gold kann man offensichtlich sparen, wenn man keine Schuhe kaufen würde. Was sagt ihr dazu, meine Damen?
Im Rahmen der Kirchenführung kann man auch die Katakomben besuchen, in denen – gegen entsprechende Gebühr – reiche Einwohner von Porto begraben sind. Das Kloster selbst ging im Bürgerkrieg von 1832–1834 zugrunde, und da im selben Jahr alle Orden in Portugal verboten wurden, gab es keinen Grund, es wiederherzustellen.
Der Platz des zerstörten Klosters wurde viel praktischer genutzt. Im Jahr 1842 wurde hier der Börsenpalast errichtet. Hier wurden Geschäfte bis 1990 gemacht, als die Börse von Porto mit der von Lissabon fusioniert und in die Hauptstadt verlegt wurde. Heute ist dieses prächtige Gebäude eine Touristenattraktion. Besonders der „Pátio das Nações“ mit den Wappen aller Länder, mit denen die Portugiesen Handel trieben, und dann auch der schönste Raum – der „Arabische Saal“ mit gold-blauen Arabesken, inspiriert vom Königspalast Alhambra in Granada. Hier werden Staatsbesuche in Porto empfangen. Allerdings richtet sich das Pflaster des Bodens nicht direkt auf die Mitte der Eingangstür aus – das genau nach arabischem Brauch, weil „nur Allah vollkommen ist“.
Direkt vor der Börse befindet sich ein Platz mit einer Statue von Heinrich dem Seefahrer, der nach Westen zeigt, sowie eine große Markthalle mit einem roten Dach.
Der Stadt Porto verlieh ihr Aussehen großteils der italienische Architekt Niccolò Nasoni. Die barocken Türme – einschließlich des höchsten „Torre dos Clérigos“ mit seinen 76 Meter höhe(damit handelt sich um den höchste Kirchenturm Portugals und schaffte es sogar auf die 2-Euro Münze aus dem Jahr 2013), der sich über der Stadt erhebt – sowie die weißen Palastwände sind sein Werk und gaben Porto sein typisches Aussehen. Der „Torre dos Clérigos“ ist das eigentliche Wahrzeichen der Stadt und von überall sichtbar. Zur Aussichtsplattform führen 240 Stufen und angeblich bietet sich von dort der schönste Blick auf die Stadt. Aber diese sportliche Leistung ist nicht unbedingt notwendig, sodass Menschen mit Gehproblemen nicht unbedingt traurig sein müssen. Porto ist nämlich auch von unten schön. Im Jahr 1772 wurde Nasoni auch mit dem Bau des Bischofspalastes beauftragt, leider musste der Bischof seinen Palast im Jahr 1832 verlassen. Im Bürgerkrieg wurde er nämlich von den Truppen Pedro IV. als Festung genutzt und der Palast litt natürlich darunter. Trotzdem kann man sich im Rahmen einer halbstündigen Besichtigung mit dem luxuriösen Lebensstil des Bischofs von Porto vertraut machen. Die Stadt war sicherlich nicht arm. Dank Nasoni, der der Stadt eine gewisse Geschlossenheit verlieh, wurde Porto mehrmals als attraktivstes europäisches Reiseziel ausgezeichnet.
Nicht weit vom Palast entfernt steht die Kathedrale Sé. Wie in Portugal üblich, ist es ein romanisches Bauwerk, das an eine Festung erinnert – und ohne Krypta, also nur auf einer Etage gebaut. Innen ist sie jedoch barockisiert, nur das gotische Rosettenfenster erinnert an das ursprüngliche Gebäude. Der große Silberaltar wurde von den Einheimischen vor den Franzosen gerettet, indem sie die Kapelle, in der er sich befindet, einfach zumauerten. Französische Soldaten zerstörten nämlich in ihrem revolutionären Eifer alles, was ihnen in den Kirchen in die Hände fiel – fast wie heute die Russen.
Neben der Kathedrale steht eine Reiterstatue von Vimara Peres, der 868 die Stadt von den Mauren eroberte – noch nicht dauerhaft, aber die Reconquista, also die Rückeroberung der Iberischen Halbinsel von den Arabern, hatte bereits begonnen. Vimara Peres gründete so etwas wie die Grafschaft Portucale und eine kleine Burg Vimaranis, aus der später die erste Hauptstadt der Grafschaft Portugal, Guimarães, wurde.
Die Christen konnten Porto damals jedoch noch nicht halten, 997 eroberten es erneut die Mauren. Endgültig christlich wurde es erst 1050. Um die Statue von Vimara Peres gelangt man zur „Estação de São Bento“, dem Hauptbahnhof von Porto. Er wurde vom Architekten Jorge Colaço im Stil der Belle Époque erbaut, aber er fügte ihm etwas typisch Portugiesisches hinzu – nämlich Azulejos. Portugal ist ein Land der Kacheln. Diese Technik wurde von den Arabern übernommen und in einen eigenen Stil entwickelt. Während auf den arabischen Kacheln – blau-weiß – nur Ornamente und Blumenmuster waren, können die Portugiesen auf Kacheln wichtige Schlachten und andere Ereignisse ihrer Geschichte darstellen. Am Bahnhof São Bento ist unter anderem nicht nur die Eroberung von Ceuta durch Heinrich den Seefahrer, sondern auch einfache Szenen aus dem bäuerlichen und städtischen Leben abgebildet.
Von dort kann man zum Hauptplatz „Avenida dos Aliados“ mit dem Rathaus „Paços do Concelho“ an seinem oberen Ende hinuntergehen. Wenn man an diesem Ort das Gefühl hat, diesen Platz schon einmal gesehen zu haben, dann verrate ich, dass dieses deja-vu der Wenzelsplatz in Prag ist. Gleiche Größe, gleiche Neigung und die Gebäude, die ihn säumen, sind fast identisch mit denen in Prag. Nur statt des Nationalmuseums wird der Platz an seinem höchsten Punkt vom Rathaus gekrönt. Viele Häuser sind jedoch unbewohnt und ungenutzt. Der Grund dafür sind angeblich ungeklärte Eigentumsverhältnisse sowie hohe Kosten für notwendige Renovierungen. Also steht der Wenzelsplatz doch etwas besser da.
Wenn einen die Beine nach dem ständigen Auf und Ab in Porto nicht mehr tragen wollen, kann man auf ein Boot steigen und sich auf dem Fluss unter allen sechs Hafenbrücken herumfahren lassen. Die Fahrt führt auch an den ehemaligen Lagerhäusern vorbei, die heute ein Kongresszentrum beherbergen, und am Kristallpalast mit seinem Park. Der Hauptstadtpark „Parque da Cidade“ befindet sich jedoch am Meer und zu ihm führt eine lange Promenade entlang der Stadtstrände. Es ist fast unglaublich, aber die Portugiesen sind bereit, schon im Mai in die Wellen des Atlantiks zu springen, wenn das Wasser die Temperatur von nicht einmal sechzehn Grad Celsius hat. Sie sind es einfach gewohnt, mir lief allein bei dem Anblick eine Gänsehaut über den Rücken. In diesem Stadtpark direkt am Ozean befindet sich auch das unverzichtbare Oceanário, also das Aquarium, das erste seiner Art in Portugal, eröffnet im Jahr 2009.
Aber den Abend lässt man am besten am Ufer im Viertel Ribeira bei einem Glas Portwein (sofern Ihr Magen es verträgt) oder einem Macieira-Cognac ausklingen. Oder bei einem großartigen Kaffee von italienischer Qualität zu Preisen ab 80 Cent pro Tasse.