Ich beginne diesen Artikel mit einer Entschuldigung für die zweitägige Verspätung in seiner Veröffentlichung. Ich habe nämlich nach Tschechien gereist und den Computer zu Hause vergessen.

Also:

Was tut ein Historiker, wenn er an einen Ort fährt, wo es keine Geschichte gibt? Natürlich – er sucht und findet schlussendlich doch etwas. Wer viel sucht…

So war es mit mir, als wir mit meiner Frau entschieden haben (das Plural verwende ich ein bisschen euphämisch, es handelt sich eher bei dem „wir“ um den „imperiale Plural“ meiner Gattin – meine Zustimmung habe ich aber gegeben, also nicht jammern!) für den Novemberurlaub auf die Insel Fuerteventura zu fahren. Und so haben wir gepackt und sind geflogen.

               Wenn man schon das Glück hat, dass es in jedem seinen Urlaub regnet, ist die beste Lösung irgendwohin zu fahren, wo es gar nicht regnet. Also kommt die Sahara oder Fuerteventura in Frage. Die zweite Alternative ist viel verlockender. Besonders anfangs November, wenn der Ocean seine höchste Wassertemperatur bis zu dreiundzwanzig Grad Celsius hat.

               Fuerteventura ist die älteste der Kanarischen Inseln und liegt der Afrikaküste am nächsten. Möglicherweise deshalb kommt so wenig Feuchtigkeit her. Von Westen fangen den Regen die Insel Gran Canaria und Tenerife ab und von Afrika (der Insel gegenüber liegt die Westsahara) kann man viel Nässe nicht erwarten. Für die Touristen ist aber dieser Zustand absolut ideal. Während des gesamten Aufenthaltes regnete es nicht und obwohl schon November war, bewegten sich die Tagestemperaturen zwischen 21 und 25 Grad im Schatten und Wolken gab es nur in der Früh und das lediglich über dem östlichen Horizont und nur, wenn ich zur Beobachtung des Sonnenaufgangs aufgebrochen bin. Es war zwar frustrierend, aber meine Laune konnte es nicht kaputt machen. Es war nämlich nicht notwendig viel zu früh aufzustehen, die Sonne ging um 7:15 Uhr Ortszeit auf (obwohl schon Winterzeit galt), das heißt um viertel neun der mitteleuropäischen Zeit, also in der Zeit, wenn man bereits ausgeschlafen ist, und ein morgendlicher Spaziergang an der Küste von einem Strand zum anderen ist sicherlich eine gesunde Sache. Für den Körper sowie auch für die Seele. Obwohl man die aufgehende Sonne letztendlich nicht sieht. Um so schöner war der Vollmond.

               Die Insel Fuerteventura bekommt wirklich nur sehr wenig Feuchtigkeit und dementsprechend karg ist die dortige Vegetation. In den Hotels gibt es aber genug Wasser, die Insulaner haben, ähnlich wie die Malteser, gelernt, das Meerwasser zu entsalzen. Sie machen es offensichtlich konsequenter als die Malteser. Im Gegenteil zu Malta habe ich nämlich im Wasser keinen salzigen Geschmack gespürt – für einen Hypertoniker eine beruhigende Tatsache. Dem Wassermangel und dem Mangel an Grün passte sich auch die örtliche Landwirtschaft an. Vor allem durch Ziegenzucht – eine Ziege frisst nämlich absolut alles. Dementsprechend ist die Spezialität der Insel Ziegenkäse „queso majorero“.

Den Käse kann man überall kaufen, er wird auch in jedem Restaurant und in jedem Hotel angeboten. Er ist eine klassische ortspezifische Vorspeise (sowie auch Nachspeise). Zur Zubereitung wird noch immer sehr viel Handarbeit verwendet und er wird nach der Reifungszeit in drei Arten angeboten – als weich (tierno), halb hart (semicurado) und hart (curado). Meiner Meinung nach ist er in allen drei Formen absolut essbar. Sogar meine liebe Gattin, die gedroht hat, dass ich keinen Kuss von ihr mehr erwarten könnte, wenn ich den Käse gegessen hätte, änderte ihre Meinung und gab zu, dass der Käse keinen unangenehmen Geruch hatte und gut schmeckte. Und er macht satt.

               Wenn man auf Fuerteventura einen Ausflug mit einem Reisebüro buchen würde, muss man damit rechnen, dass er eine Ziegenfarm besuchen würde, wo eine Käseverkostung inkludiert ist. Es ist so etwas wie in der Türkei der Besuch einer Teppichfabrik. Wir kauften keinen Ausflug, eine Farm haben wir also nicht besucht, dafür aber das Käsemuseum in der Nähe des Städtchens Antigua. Es ist das „Museo del Queso Majorero“ und neben der Ausstellung zur Käseherrstellung gibt es hier auch einen wunderschönen Kakteenpark.

Ich hatte keine Ahnung, dass es mehr als dreißig Arten von Ziegen gibt. Jetzt weiß ich es, einzeln nennen könnte ich sie trotzdem noch immer nicht. Das Museum erzählt nicht nur über Ziegen und Käse, es gibt hier auch eine multimediale Projektion mit Darstellung der Theorien über die Entstehung der Kanarischen Inseln und mit Bekanntmachung mit der Flora und der Fauna der Insel. Besonders was die Fauna betrifft, hat die Insel aber nicht viel zu bieten – wenn wir die Ziegen nicht dazu zählen.

               Die Inselgeschichte begann für die Europäer im Jahr 1402, als in der Bucht, wo sich heute ein Minihafen „Puorto de la Peňa“ befindet, der Kapitän Jean de Bethencourt mit seinen 53 Männern landete. In Laufe der nächsten zwei Jahre eroberte er die ganze Insel. Die Inselbewohner so genannte „Mojo“, die hier in der Ruhe gelebt hatten, geteilt in zwei Königsreiche, hatten mit ihren Stöcken zum Ziegenantrieb gegen die europäischen Waffen keine Chance. So ließen sich beide Könige Ayoze und Guize lieber taufen und nahmen die Namen Luis und Christian an, in der Hoffnung, dass sie dadurch von der Eindringlingen Ruhe haben würden. Hatten sie nicht. Ihre Statuen stehen auf einer Aussichtsplatform an dem Straßenrand zwischen La Oliva und Betancuria.

Wie weit ihre Darstellung der Realität entspricht, weiß nur der liebe Gott. Einen Einblick in das Leben der Ureinwohner bietet ein Freilichtmuseum La Atalyita bei Pozo Negro an der Ostküste der Insel. Man kann von dem Städtchen Caleta de Fuste (wo sich die größten Salinen zu Gewinnung des Meersalzes befinden – auch mit entsprechendem Museum) oder aus dem Innenland vom Städtchen Antigua hinfahren.

               Gleich neben dem Rastplatz mit den Statuen von Ayoze und Guize oder – wenn Sie möchten – Luiz und Christian – gibt es eine Abzweigung zum Aussichtspunkt „Mirrador morro Vella“. Das Gebäude dort, das seine Entstehung dem berühmten örtlichen Künstler Césare Manrique verdankt, wurde entweder gerade restauriert oder befand sich in einem natürlichen Zerfall. Was von diesen zwei Alternativen zutrifft, konnte ich nicht erfahren, in jedem Fall war es geschlossen. Trotzdem gab es von diesem Aussichtsberg in der Höhe 700 Meter über den Meeresspiegel fantastische Ausblicke über die Berge und bis zum Meer.

               Bethencout gründete in den Bergen oberhalb des Hafens, wo er ans Land ging, die erste Stadt auf der Insel und ernannte sie als ein richtiger Katholik in den Diensten einer katholischen Majestät „Santa Maria de Bethencourt“. Heute heißt diese erste Inselhauptstadt Betancuria und sie ist ein liebes und schönes Nest.

Im Jahr 1403 bestätigte der Papst Benedikt XIII. die Gründung der ersten Pfarre auf der Insel. Benedikt war allerdings ein Gegenpapst, der im Jahr 1415 vom Konstanzer Konzil abgesetzt wurde (was er bis Ende seines Lebens nie anerkannte). Also musste die Dinge der kirchlichen Organisation im Jahr 1424 Papst Martin V., der in Konstanz gewählt wurde und über dessen Legitimität keine Zweifel bestehen, in Ordnung bringen. Aus der Zeit der ersten Eroberer findet man keine Relikte. Im Jahr 1593 wurde die Stadt nämlich trotz ihre in den Bergen versteckte Lage von den berberischen Piraten entdeckt. Sie plünderten die Stadt aus und was sie nicht mitnehmen konnten, zündeten sie an. Die Stadt wurde dadurch vollständig zerstört. Also alle Gebäude im Städtchen inklusiv der Kirche „Iglésia de Santa Maria Imaculata“, also „Die Kirche des unbefleckten Empfängnis der Jungfrau Maria“ sind aus der späteren Zeit, trotzdem sind die Bauten Mitte in Parkanlagen mit Palmen und Kakteen lieb. Sie sind aus dem Vulkanstein mit weißem Mörtel gebaut, ästhetisch kann man nichts einwenden. Und es gibt sogar eine Fontäne, wahrscheinlich gibt es hier doch ein bisschen mehr Wasser als sonst auf der Insel – möglicherweise war es der Grund der Stadtgründung an diesem Ort.

               Bethencourt stammte zwar aus der Normandie und war also ein Franzose, Frankreich war aber nicht imstande ihm bei der Versorgung der Siedler mit Nahrungsmitteln auf der öden Insel zu helfen. Bethencourt fand letztendlich die Unterstützung bei König Heinrich III. von Kastilien, der ihn zum „Herrn der Kanarischen Inseln“ ernannte und die Kolonisierung der Insel förderte. Kastilien war zu dieser Zeit noch lange keine Seemacht (im Gegenteil zu Portugal oder Aragon) und deshalb war für König Heinrich sogar die unfruchtbare Insel verlockend. Nachdem Frankreich im Jahr 1415 die Schlacht bei Azincourt gegen die Engländer verloren hatte, kamen die Besitzungen von Bethencourt in der Normandie unter die englische Herrschaft und er musste dem englischen König seine Treue schwören. Das machte ihn in Kastilien zu „Persona non grata“. Kastilien gab aber seine Ansprüche auf die Kanarischen Inseln nicht mehr auf und nach der Entstehung von Spanien durch Vereinigung von Kastilien und Aragon im Jahr 1515 wurden die Inseln ein Teil des Spanischen Königreiches und blieben es bis heute. Weil die Inseln nördlich des Caps Bojador an der Höhe der Küste der Westsahara liegen, durch die die Grenze der Interessengebiete der Länder der Iberischen Halbinsel führte, mussten die Spanier um diese Insel nicht mit Portugiesen streiten.

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