Nur fünfundzwanzig Kilometer von Bled entfernt findet man einen weiteren See, der allerdings ein absoluter Gegensatz vom touristisch erschlossenen Bled ist. Wenn Bled eine Kuranstalt und eine dazu gebaute mondäne Stadt ist, Bohinj ist ein naturbelassener See.
Also ein Platz zum Entspannen und zum Wandern. Bohinjsee (Wocheiner See auf Deutsch) befindet sich bereits im Nationalpark Triglav, der Bled noch diskret auslässt – damit hier viel und ohne Aufsicht der Naturschützer gebaut werden darf.
Bohinj liegt nahe des Savaursprungs. Der Fluss Sava hat allerdings zwei Ursprünge und auch zwei Flussarme, die Sava Dolinka (die durch Kranjska Gora fließt) und die Sava Bohinjka. Beide Flüsse vereinigen sich in der Nähe vom Bledsee.
Wenn man also zum Ursprung der Sava Bohinjka fahren möchte, müsste man ungefähr fünfundzwanzig Kilometer von Bled durch ein enges Tal nach Westen fahren, wobei der Fluss unzählige Male auf Brücken überquert werden muss. Dann erreicht man das Dorf Stara Fužina mit dem Hotel Jezero auf dem Platz „Ribčev Laz“. Man steht an der Stelle, wo der Fluss Sava den Bohinj See verlässt. Um zum Flussursprung zu kommen, muss man am Südufer bis zu einem verstreuten Ort Ukanz weiterfahren. Dort gibt es einen Parkplatz und von dort kann man einen Spaziergang entlang des Flusses Savica machen – natürlich, wenn man an der Mautstelle eine Gebühr bezahlt hat. Der Weg führt durch einen Wald mit für diese Gegend typischem Kalkfelsen – genannt Karst. Die Karstlandschaft ist typisch für einen großen Teil der Julischen Alpen. Das Wasser befindet sich nicht auf der Oberfläche, die karg aussieht, sondern tief im Gestein. Man marschiert auf einem gut gepflegten Wanderweg hoch über die Schlucht des Flusses Savica, bis man zu seinem Ursprung kommt.
Der Fluss entspringt aus dem Felsen hoch über einem See mit künstlichem Damm und bildet einen beeindruckenden Wasserfall. Ganz zum See kann man nicht kommen, der Weg ist durch einen Zaun gesperrt, bei einer Aussichtsplatform ist also Schluss. Und hier befindet sich auch ein Gedenkstein an einen prominenten Besucher dieses Ortes aus den Zeiten, als dieses Land noch zu Österreich-Ungarn gehörte. Den Ursprung der Sava besuchte niemand geringerer als der begeisterte Bergsteiger und Wanderer, „der steierische Prinz“ Erzherzog Johann. Er besuchte diesen Platz am 8.Juli 1807, er war hier aber nicht als Tourist, sondern als Geologe. Es handelte sich um eine Erforschung der Wasserquellen, die für die Region essenziell waren.
Die Region war in ihrer Geschichte sehr umkämpft, im ersten Weltkrieg wurde zum Bohinjsee eine Schmalspurbahn zum Transport des Kriegsmaterials gebaut, das dann an die Front in den Bergen zu den dort stationierten österreichischen Truppen weiterbefördert wurde. Wenn man die Berge anschaut, glaubt man nicht, dass man hier erbitterte Kämpfe führen konnte. Diese blutigen Kämpfe spielten sich auf der westlichen Seite der Berge Rombon und Krn ab. Zwei Jahre lang in insgesamt elf Offensiven versuchten die Italiener, die am 23.Mai 1915 Österreich-Ungarn Krieg erklärten, diese Berge im Sperrfeuer zu erklimmen, bis sie eine Gegenoffensive der österreichischen und deutschen Truppen bei Caporetto (heute Kobrid) bis an den Fluss Piava zurückdrängte. Auf der österreichisch-deutschen Seite kämpften unter anderen Erwin Rommel (damals Leutnant, der mit seiner Einheit mit Hilfe des Giftgases als erster die italienischen Linien durchbrach) oder der zukünftige österreichische Premierminister Engelbert Schuschnigg, auf der italienischen Seite nahmen an den Kämpfen Benito Mussolini oder der damals neunzehnjährige Ernest Hemingway teil (der seine Erlebnisse in seinem ersten Roman „A Farewel to Arms“ beschrieb und dadurch weltberühmt geworden ist).
Wenn man mehr über diese Ereignisse erfahren möchte, dann sollte man das Museum in Kobrid besuchen. Das Sočatal gehört nicht direkt zum Nationalpark, in den Ortschaften Bovec, Kobrid und Tolmin kann man aber Unterkunft buchen und ein Rafting auf dem wilden Fluss Soča (italienisch Isonzo) genießen. Oder mit der Gondel auf den Berg Veliki Kanin fahren und dort wandern (im Winter ist es ein Skigebiet), in Tolmin dortige Schluchten begehen oder den riesigen Wasserfall Boca nahe Bovec bewundern.
Unterwegs beim Aufstieg zur Boca findet man einen Artillerieposten aus dem ersten Weltkrieg und versteht nicht, wie die Soldaten die Kanonen zu diesem Posten hoch über das Tal schleppen konnten. Dazu war der Winter 1916/1917 extrem schneereich, es fiel bis zu elf Meter Schnee, was viele Lawinen und damit verbundene Todesopfer zur Folge hatte. Die Natur spielte also das grausame Spiel des Todes mit. Heute ist sie wunderbar.
Nach dem ersten Weltkrieg fiel das Sočatal an Italien. Aus dieser Zeit sieht man noch Bunker und Grenzposten auf dem Pass Vrsic. Bohinj sowie auch Bled blieben ein Teil des „Königsreiches der Slowenen, Serben und Kroaten“. Als am 6. April 1941 Jugoslawien von den deutschen Truppen besetzt wurde, wurde die Region um Bohinj ein Teil des Deutschen Reiches. Nach Ende des Krieges kam Bled und Bohinj zurück an Jugoslawien, das Sočatal blieb bis 1947 unter anglo-amerikanischer Verwaltung, dann wurde es ebenfalls an Jugoslawien angeschlossen.
Der Bohinjsee ist 4,2 Kilometer lang, 1 Kilometer breit und 45 Meter tief. Am südlichen Ufer führt eine Straße, das nördliche Ufer ist nur für Wanderer zugänglich. Schön sind die Kirchen „Sveti Duh“, direkt am südlichen Seeufer unter dem Berg Vogel und „Sveti Janez“ im Ort Stara Fužina.
Im Inneren der Kirche findet man romanische, gotische sowie auch barocke Elemente, wertvoll ist das Fresko des heiligen Christophorus an der Fassade der Kirche. Im Mittelalter glaubte man, dass ein Blick an den Heiligen Christophorus vor Unglück schützen konnte, zumindest für einen Tag. Beim gefährlichen Leben in einer Bergregion war das offensichtlich vonnöten.
Es gibt eine Abzweigung von der Straße am nördlichen Seeufer zum Aussichtsberg Vogel. Es handelt sich um ein Skigebiet auf dem 1922 Meter hohen Berg (der Name bedeutet auf Slowenisch „das Eck“). Eine Gondel bringt die Besucher auf einen wunderschönen Aussichtsberg, von wo aus man den ganzen Bohinj See von oben betrachten kann. Direkt auf der anderen Seeseite ragt das Massiv des slowenischen heiligen Berges Triglav empor. Von Norden, also von der österreichischen Seite, schaut dieser Gipfel ziemlich unspektakulär aus, nur von Süden erkennt man seine Größe und seine atemberaubende Schönheit. Interessant war die Tatsache, dass je weiter man sich beim Wandern auf dem Vogel vom Triglavmassiv entfernte, desto größer und bedrohlicher er aussah. Plötzlich habe ich verstanden, warum dieser Berg, der es auf die Staatsflagge Sloweniens geschafft hat, diesem Volk so heilig ist und warum die Slowenen einen unwiderständlichen Drang verspüren, seinen Gipfel zu besteigen.
Auf den Gipfel des Triglavs aufzusteigen ist für einen wahren Slowenen eine beinahe religiöse Pflicht, vergleichbar mit der Pilgerfahrt eines Moslems nach Mekka. Das erste Mal wurde der Berg im Jahr 1778 bezwungen – ein Denkmal für die Bergsteiger, die es geschafft haben, (Lovrenc Willomitzer, Luka Korošec, Stefan Rožič und Matija Kos) befindet sich im „Ribčev Laz“ neben der Bushaltestelle. Am 26. Juni 1991 in Frühmorgenstunden bestieg eine Gruppe Bergsteiger den Gipfel und hisste hier die slowenische Fahne auf – das war der Tag der Unabhängigkeitserklärung Sloweniens.
Es gibt zwei Möglichkeiten, den Triglav zu erklimmen. Wir wählten den kürzeren, obwohl steileren Weg von Norden, da man von dieser Seite den Triglav in einem Tag besteigen kann. Der Ausgangspunkt befindet sich bei „Aljažev Dom“ im Ort Mojstrana.
Die Hütte bekam ihren Namen nach dem Triglav-Pfarrer aus dem Dorf Dovje, einem Autor, Komponisten und Kämpfer für den Erhalt der Region in slowenischen Händen. Von dort kann man den klassischen Weg über Prag wählen oder – wenn man noch ein bisschen mehr Katecholamine braucht – kann man den „Tominšek Steig“ nehmen. Obwohl auch der klassische Weg über Prag genug Adrenalin bietet und steile Kletterpassagen hat – alle allerdings gut gesichert. „Aljažev dom“ befindet sich auf einer Seehöhe von 1002 Meter, also gibt es zum Gipfel in der Höhe 2864 Meter einen Höheunterschied von mehr als 1800 Meter. Also nichts für Schwächlinge.
Im frühen Nachmittag erreichten wir die Hütte „Triglavski Dom na Krederici“ und warteten bis 15 Uhr, da man ab dieser Zeit eine Übernachtung buchen konnte.
Die Hütte hat insgesamt 140 Betten, wir bekamen drei Plätze auf Stockbetten in einem Raum mit weiteren 22 Menschen. Das hatte eine Horrornacht zur Folge, da einer der Gäste an einem extremen Schlaf Apnoe Syndrom litt und sehr laut schnarchte – eigentlich eher am Ersticken war. In der Reihe der Schlafenden konnte ich allerdings diesen gefährdeten Menschen trotz mehrstündiger Bemühung nicht identifizieren, schlafen konnte ich jedenfalls keine Minute. Als aber in der Früh keine Leiche im Bett liegen blieb, war meine Erleichterung groß.
Nach der Buchung der Übernachtung konnten wir unseren Ausflug hoch zum Gipfel fortsetzen. Der Reiseführer schreibt, dass der Aufstieg von der Hütte zum Gipfel 30 bis 90 Minuten dauern kann. Die Aufstiegszeit ist vom Gegenverkehr abhängig – meistens ist er in den Nachmittagsstunden sehr stark. Der Aufstieg ist mit Eisenstiften, Seilen und Ketten gesichert (das hat dem Triglav den Spitznamen „Stachelschwein“ gebracht). Je näher zum Gipfel, desto häufiger begrüßten uns entlang der Aufstiegsroute Gedenktafel mit den Namen der Toten, die bei der Besteigung des Berges verstorben sind. Es gibt Hunderte davon, was nicht gerade motivierend und beruhigend wirkt. Bei den meisten wurde als Todesursache „strela ubila“ angegeben, sie wurden also vom Blitz erschlagen. Bei Unwetter ist der Weg nämlich wirklich gefährlich, man hängt an den Eisenketten, die natürlich wie Blitzableiter fungieren, und man hat kaum eine Möglichkeit dem Blitz auszuweichen. Sowie auch bei schönem Wetter den absteigenden Touristen. Man geht zuerst auf den „Mali Triglav“ und dann auf einem schmalen aber mit Seilen gut gesichteten Grad zum Gipfel.
Die Belohnung für die Anstrengung und den Mut sind unglaublich schöne Aussichten. Der Triglav ist ein Solitär, mitte im Gebirge Julische Alpen und bietet berauschende Blicke ins Sočatal bis zur Adria und weit nach Österreich bis zum Dachsteinmassiv. Auf der Spitze gibt es einen kleinen Blechturm, den so genannten „Aljažev stolp“, der hier im Jahr 1895 installiert wurde. In den kommunistischen Zeiten war er rot gestrichen und mit einem fünfzackigen Stern geschmückt, seit dem Ende dieser Ära ist er nur mehr bescheiden grau.
Die Königstour auf den Triglav gibt es aber freilich vom Süden. Sie ist viel schöner und erlebnisreicher, allerdings auch viel länger und der Höhenunterschied ist brutal. Der Ausgangspunkt beim Bohinj See bei „Ribčev Laz“ liegt nämlich nur 530 Meter über den Meeresspiegel. Also beträgt der gesamte Höhenunterschied stolze 2334 Meter. Sogar zur Krederica ist das 2000 Meter. Es wird also empfohlen, diesen Weg auf zwei Tage zu verteilen. Es gibt einige Möglichkeiten unterwegs zu übernachten. Es gibt unterwegs mehrere Berghütten, wie zum Beispiel „Vodnikov dom“, „Koča na Planine pri Jazeru“ „Koča pri Triglavskih jezerih“ oder „Zasavska koča na Prehodavcih“. Im Unterschied zum „Triglavski dom na Kredarici“ ist aber die Bettenzahl in diesen Unterkünften bescheiden, es wäre empfehlenswert, die Übernachtung im Vorfeld zu reservieren. Zusätzlich sind diese Hütten meistens nur in den Monaten Juni bis September bewirtschaftet, manche haben aber in der übrigen Jahreszeit einen offenen Winterraum.
Von Süden ist der Weg – vorausgesetzt, das Wetter spielt mit – schöner – er führt durch Almen und um die Seen bis man das Hochgebirgsgelände erreicht. Über die Teufelsbrücke in Stara Fužina, entlang des Flusses Mostnica mit engen Schluchten und Wasserspielen. Dann durch „Voje“, das ist ein breites grünes Tal mit Almbetrieb. Später wird es steiler, aber im Unterschied zum Aufstieg von Norden, hat man von Süden den Triglav ständig vor sich und kann den Blick auf den Riesen genießen.
Und dann kommt als Belohnung der Blick vom Gipfel des schönsten Berges der Julischen Alpen, für die Slowenen ohnehin des schönsten Berges weltweit.