Über die Altstadt ragt die Zitadelle empor. Diese Festung ließ nach dem Westfälischen Frieden im Jahr 1648 Erzbischof Johann Philipp von Schönborn bauen. (Sollte der Namen jemanden an den amtierenden Erzbischof von Wien, Kardinal Christoph Schönborn erinnern, handelt sich hier um keine zufällige Ähnlichkeit, der Kardinal stammt aus dieser berühmten Kurfürstenfamilie). Nachdem die Festung dem Ansturm der französischen Truppen im Pfälzischen Erbfolgekrieg nicht statthalten konnte, gab ihr das heutige Aussehen Lothar Franz von Schönborn, der hier bis zum Jahr 1729 herrschte.
Im Jahr 1792 nach der Eroberung durch Franzosen wurde aus dem Tor der Festung das Wappen der Erzbischöfe ausgekratzt, heutzutage gibt es in der Festung neben dem bereits erwähnten Drususstein ein Städtisches historisches Museum mit lieben freiwilligen Führern – der Eintrittspreis ist auch freiwillig.
Mit Mainz ist eine der größten Erfindungen der Menschheit verbunden, eine Erfindung, die das Mittelalter beendete und die Neuzeit einläutete – der Buchdruck. Johann Guttenberg (mit eigenem Namen Gensfleisch) war ein mainzer Patrizier. Um die Ehre, der Geburtsort der modernen Zeit zu sein, kämpft Mainz mit Straßburg. In den Jahren 1434 – 1444 oder möglicherweise sogar bis zum Jahr 1448 lebte nämlich Guttenberg in Straßburg und führte dort seine Versuche durch, bei denen er nach einer Legierung für die Erzeugung seiner beweglichen Lettern suchte, die dem Druck der Druckmaschine standhalten könnten. Aus diesem Grund findet man ein Guttenberg-Denkmal auch in Straßburg. Die Stadt behauptet, dass Guttenberg seine Erfindung bereits dort vollendet hatte und nur dann nach Mainz zurückkehrte. Die Tatsache ist, dass er nach seiner Rückkehr nach Mainz von mainzer Bürger Johann Fust einen Kredit in der Höhe 800 Gulden nahm und sich entschied, sein Werk zu realisieren. Es sollte sich um den Druck von 500 Stück Bibel handeln – das Alte- sowie auch das Neue Testament. Das Buch wurde auf der Frankfurter Messe im Jahr 1455 vorgestellt – und veränderte für immer den Lauf der Geschichte. Interessant ist, dass in Frankfurt gerade zu dieser Zeit Aeneas Silvius Piccolomini weilte, der Sekretär des Kaisers Friedrich III. und späterer Papst Pius II. Er erkannte sofort die Bedeutung der neuen Erfindung und versuchte ein kirchliches Monopol für den Buchdruck zu erlangen. Es gelang ihm nicht, gerade der Buchdruck verlieh der Reform von Luther Flügel und schwächte auf entscheidende Weise die Macht der Päpste. Aus ökonomischer Sicht war die Ausgabe der Bibel für Guttenberg eine Katastrophe. Er schätzte falsch die Produktionskosten ab, er ließ über die Alpen das beste Papier aus Italien holen (weil damals in Deutschland noch kein Papier produziert wurde) und die Auflage war bereits vor ihrer Erscheinung ausverkauft, daher war es nicht mehr möglich, den Preis zu erhöhen, um die Betriebskosten abzudecken. Guttenberg war nicht im Stande, Fust seine Investition zurückzuzahlen, beide Herren landeten vor Gericht und Fust gründete einen eigenen Buchdruckbetrieb. Guttenberg spezialisierte sich danach auf Druck von Flugblättern und Ablassbestätigungen, dadurch wurde er letztendlich doch vermögend.
An sein Wirken in der Stadt erinnert das Guttenberg-Museum in einem architektonisch ein bisschen inkompakten Stadtzentrum. Neben schönen historischen Gebäuden und supermodernen gläsernen Einkaufzentren gibt es hier auch formlose moderne Bauten mit Geschäften (am furchtbarsten ist das Kaufhaus Douglas vor dem Stadttheater, das ein echtes Architekturverbrechen ist). Mainz konnte nicht die katastrophalen Schäden, die es im zweiten Weltkrieg erlitten hatte, vollständig beseitigen. Im Museum im Untergeschoß gibt es eine Replik der historischen Druckerei von Guttenberg, hier gibt es auch Vorführungen des Druckes in der ursprünglichen Weise, auf den Geschoßen gibt es dann Darstellung der Buchdruckgeschichte von den Handschriften bis zum Buchdruck und das inklusiv China und Japan, wo die Entwicklung einen eigenen Weg nahm. Die wertvollsten Exponate sind drei Drucke der Guttenberg Bibel aus dem Jahr 1455. Wenn das erste Exemplar dieser Bibel im Jahr 1926 50 000 Reichsmark kostete, wurde die Zweibandbibel im Jahr 1979 in New York für 6 Millionen Mark ersteigert. Der Bürgermeister von Mainz schaute damals nicht auf die Kosten, er wollte um jeden Preis die Bibel in seiner Stadt haben. Die Folge ist ein furchtbares Gedränge um den Tresor, wo die Bibel ausgestellt wird, das Museum war (natürlich noch vor der Corona Krise) immer sehr übervölkert (Ich war dort im Jahr 2018 das vierte Mal und es war dort immer mehr Menschen, besonders Asiaten). Aber ein Besuch zahlt sich trotzdem aus. In dem Souvenirshop kann man Faksimile einzelner Seiten der Guttenberg Bibel kaufen, der Preis schwankt zwischen 35 und 20 000 Euro. Ich habe zwar nicht widerstehen können, habe mich allerdings für die billigere Variante entschieden.
Das Grab von Guttenberg findet man in Mainz nicht. Er wurde im Franziskanerkloster bestattet, das aber dem französischen Beschuss im Jahr 1793 zum Opfer fiel. Unter den Ruinen des Gebäudes verschwand auch das Grab eines der größten Entdecker der Menschengeschichte. Nach Guttenberg trägt auch die örtliche Universität ihren Namen, die im Jahr 1977 fünfhundert Jahre ihres Bestehens feierte, obwohl sie zwischen den Jahren 1802 und 1946 außer Betrieb war (sie wurde aber nicht offiziell aufgelöst).
Um nicht zu vergessen, wo kann man in Mainz gut essen? Gut und in einem interessanten Ambiente! Dann kann ich das „Heilig-Geist-Spital“ nahe dem Rheinufer empfehlen. Das Ufer wird mit drei furchtbaren Gebäuden geschmückt, mit dem Rathaus, mit der Rheingoldhalle als ein großes Konferenzzentrum und zum dritten steht hier das Hotel Hilton. Alle drei verderben unverbesserlich das Stadtbild, wenn man sie vom Fluss her betrachtet. Das Restaurant „Heilig Geist Spital“ ist dagegen hübsch. Ein ehemaliges mittelalterliches Spital für die Kranken und Armen gebaut im gotischen Stil, wurde in ein elegantes Restaurant mit einer sehr guten italienischen Küche umgebaut. Die Seele eines Historikers und die eines Gourmands jubeln bei dem Besuch gemeinsam.
In Mainz gibt es natürlich noch viele weiteren Sehenswürdigkeiten. Es gibt hier die St. Stephan Kirche mit Fenstern, die Marc Chagall entworfen hat. Der Künstler war bei diesem Auftrag im Jahr 1982 bereits 95 Jahre alt, aber das Ergebnis ist berauschend. Die blaue Farbe des Lichtes füllt die ganze Kirche, sogar die Orgel scheint blau zu sein, obwohl es natürlich nicht ist. Die Kirche ist übrigens die älteste in der Stadt, sie wurde bereits im Jahr 990 im Auftrag von Bischof Willigis gebaut.
Es gibt mehr als genug Kirchen in Mainz, nicht umsonst war die Stadt die Residenz des Erzbischofs und Kurfürsten. Die Kirche des Johanns des Täufers direkt neben der Kathedrale gehört jetzt den Protestanten, die Kirche des heiligen Quintinius, die monumentale rein barocke Kirche des Heiligen Petrus, die einen mit feinen Farben der Innenausstattung beeindruckt, oder die Kirche des Klosters der Karmeliten, direkt gegenüber des Hotel Hilton, die im Krieg vollständig vernichtet, aber später im gotischen Stil erneuert wurde. Weniger Glück hatte die Kirche des heiligen Christophorus, nicht weit von den Karmeliten. Nach den Grauen des Krieges blieb von ihr eine Ruine, es wurde lediglich die Kapelle des Heiligen Johannes wieder aufgebaut, der Rest blieb als ein Mahnmal des Schreckens, das der Krieg mit sich brachte und aus dem Hauptschiff der Kirche wurde ein Museum, die den Opfern des Nationalsozialismus gewidmet ist.
Als eine Erinnerung an die ruhmreichen römischen Zeiten von Mogontiacum gibt es in der Stadt römische Steine als Reste eines damaligen Aquädukts. Das „Römisch germanisches Zentralmuseum“ im ehemaligen Kurfürstenpalast neben dem heutigen Landtag ist ein zentrales deutsches archäologisches Institut für die Erforschung der römischen historischen Epoche. Man kann es nicht besuchen, die Ausstellung, die man besuchen kann, wurde in das bereits erwähntes Museum der römischen Schifffahrt übersiedelt. Das Naturhistorische Museum ist besonders durch sein imposantes Gebäude interessant, in dem es sich befindet – es ist ein ehemaliges Kloster der Klarissinnen, das bei der Säkularisation im Jahr 1791 aufgehoben wurde. Von außen ist es ein prächtiges Gebäude einer gotischen Kirche, typisch für damalige Bettlerorden.
Von der Stadtbefestigung blieben einige Tore erhalten, Eisenturm nahe dem Rheinufer und Holzturm im südlichen Stadtteil.
Mainz ist hübsch trotz Narben, die auf seinem Körper das Wüten des Krieges hinterlassen hat. Es hat an seiner Bedeutung nichts verloren, dafür hilft die zentrale Lage am Rhein. In der Zeit nach Wiener Kongress gab es hier eine Zentrale des österreichischen Geheimdienstes, die hier Fürst Metternich gründete. Heute gewinnt die Öffentlichkeit. Im Stadtteil Lerchenberg befindet sich die Zentrale von ZDF (Zweites deutsche Fernseher) Im Jahr 1964 erwarb hier die Stadt Mainz ein Grundstück von der Größe eine Million Quadratmeter und gründete hier die Sendezentrum von ZDF.
Aber auch die Umgebung von Mainz ist sehenswert. Wer Zeit hat, kann auch das erzbischöfliche Schlösschen in Eltville am Rheinufer besuchen. Dieses begann Balduin von Luxemburg zu bauen, als er der Administrator des Erzbistums war, und hier schloss am 26. Mai 1349 Karl IV. Frieden mit seinem letzten Widersacher bei seiner Königswahl, dem todkranken (wahrscheinlich vergifteten) Günther von Schwarzburg. Wenn man am Flussufer sitzt und beobachtet, wie ein Frachtschiff nach dem anderen vorbeifährt, versteht man, welche Bedeutung der Rhein für die deutsche Wirtschaft hatte (und noch immer hat).
Nahe von Mainz befindet sich auch das Stift Eberbach, wo der Film „Der Name der Rose“ mit Sean Connery in der Rolle von William von Baskerwille gedreht wurde. Wenn man das Schlafzimmer der Mönche besucht, das im Film als Skriptorium diente, hat man das Gefühl, als ob die Tür in jedem Moment aufgehen und der große Sir Sean eintreten sollte.
Ungefähr fünfzig Kilometer flussabwärts zwischen endlosen Weinbergen gibt es dann ein Städtchen Bingen, wo die heilige Hildegard tätig war, ein Stück weiter gibt es dann den Felsen, wo die legendäre Lorelei sang und auf dem anderen Ufer dann die Stadt Rüdesheim, der Ort, wo der deutsche Cognac Asbach produziert wird mit einem Viertel der Weinkeller und Bordelle. Übrigens in Rüdesheim aß ich die wahrscheinlich beste Ente mit Orangensauce in meinem Leben.
Im Gebiet des Erzbischofs von Mainz konnte die Reformation, besonders die calvinische, nichts Böses anstellen. Meine Leser haben sicher bereits erkannt, dass Mainz meine Lieblingsstadt in Deutschland ist – und bleibt.