Mit ein bisschen Glück und Impfbereitschaft würde man heuer hoffentlich wieder reisen dürfen. So möchte ich meine Serie der Urlaubsdestinationen fortsetzen.

Im Norden von Montenegro befindet sich der größte Fjord in Südeuropa „Kotorski zaliv“ . Wenn man von Norden kommt – und das ist die Regel – kann man die Bucht an ihrer engsten Stelle mit einer Fähre für 4 Euro überqueren, die Bucht zu umfahren ist nämlich eine unendliche Angelegenheit. Von Süden erreicht man Kotor leicht durch einen Tunnel und man kann ein Stück Geschichte erleben, wenn nicht gerade im Hafen der Stadt Kreuzfahrtschiffe anlegen – und das tun sie leider ziemlich häufig. In diesem Fall ist das Städtchen, eingeklemmt zwischen Felsen und Meer in kürzester Zeit hoffnungslos überfüllt. Ich entschied mich für acht Euro einen Aufstieg auf die Stadtmauer zu kaufen, ohne zu ahnen, dass der Weg zur Festung führt, die sich in einer Höhe von 200 Meter über dem Meeresspiegel befindet – Sie ahnen richtig, die Stadt hat eine Meereshöhe von Null.

Die zweihundert Höhemeter in der adriatischen Hitze zu bezwingen ist keine einfache Sache. Ich schaffte es, meine liebe Gattin gab in der Mitte auf. Natürlich gibt es jede paar Meter eine Erfrischungsstation mit einem Montenegriner, der überteuerte gekühlte Getränke verkaufte. Wenn man dann endlich den Gipfel erreicht, wird man von einer Anschrift „Hladna Piča“ begrüßt, Gott sein Dank mit einer englischen Übersetzung „Cold drinks“. Für einen tschechischen Touristen war diese Übersetzung eine sehr wichtige Sache, um zu wissen, was auf ihn in der Festung wartet – „Piča“ auf Tschechisch ist nämlich eine nicht gerade salonkonforme Bezeichnung des weiblichen Geschlechtsorgans. Und „hladna“ bedeutet auf Tschechisch hungrig, also keine besonders schöne Vorstellung. So viel also zur Ähnlichkeit der slawischen Sprachen.

Die Türken belagerten Kotor gleich drei Mal, aber immer erfolglos, was mich nicht überrascht. Wer möchte schon die zweihundert Meter den Felsen hinaufklettern, wenn er dort anstatt von kühlen Getränken von Männern mit geladenen Musketten erwartet würde? Da könnten sie mich auch…

Kotor stellte sich im fünfzehnten Jahrhundert freiwillig unter den Schutz von Venedig und blieb hier bis zum Jahr 1797, als es dann unter die Verwaltung des Österreichischen Kaiserreichs kam. Einmal hat auch der berühmte türkische Pirat Ahmedin Barbarossa versucht, die Stadt einzunehmen, aber auch er biss sich die Zähne aus. Sogar im Jahr 1571, in der Zeit der größten türkischen Offensive, als Cyprus, Bar und Ulcinj in die türkischen Hände fielen, schaffte es Kotor sich erfolgreich zu verteidigen. Bei einem Blick auf seine Stadtmauern, die zwanzig Meter hoch und sechzehn Meter dick sind, wundert man sich eigentlich nicht.

Matrosen von Kotor kämpften auch im Oktober 1571 bei Lepanto, wo die vereinte christliche Flotte unter der Führung von Juan d´Austria die türkische Seemacht endlich brechen konnte. An diese Helden erinnert eine Gedenktafel an der Mauer eines der Paläste von Kotor.  

Die Stadt ist wortwörtlich eingekeilt in einen winzigen Raum zwischen dem Meer und dem Felsen und hat drei Tore, des Nordtor, das Südtor (das schwer zu finden, weil unter dem Felsen versteckt ist und „Glavna gradska vrata“, also Das Haupttor, durch das man den Hafen betritt, und einige Kirchen.

Nordtor von Kotor

Natürlich, dass die größte davon „Sankt Nikola“ orthodox ist, gebaut am Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts in neobyzantinischem Stil, die Fresken im Kircheninneren sind ein Geschenk des Patriarchen von Moskau. Neben dieser großen Kirche gibt es noch eine Dominante, die katholische Kirche des heiligen Trifons. Sie ist eine Erinnerung an die venezianische Vergangenheit der Stadt. Wie auch sonst überall, wo Venezianer in Montenegro waren, hinterließen sie ihre Spuren in der Gestalt des katholischen Glaubens und diese Spuren reichen noch weiter nach Süden nach Nordalbanien in die Region um Skadar. Die leiblichen Überreste des heiligen Trifons wurden nach Kotor anfangs des neunten Jahrhunderts von Konstantinopel gebracht und seitdem ist der Heilige der Patron der Stadt. Seine Gebeine sind in einem Sarkophag in der Kirche aufbewahrt, an dem man Spuren vieler Erdbeben sehen kann, die sich in dieser Gegend ungefähr alle hundert Jahre wiederholen. Die Innenausstattung der Kirche ist nur rudimentär, obwohl Kotor sowie auch Budva im Jahr 1979 von UNESCO in das Weltkulturerbe aufgenommen und dann für das Geld dieser Organisation wiederaufgebaut wurden. Übrigens die Kirche des heiligen Trifons hat schon schlimmere Zeiten überstanden. Bei einem Erdbeben im Jahr 1667 stürzten beide Kirchentürme ein und mussten wieder aufgebaut werden. Von der Terrasse zwischen den Türmen gibt es einen schönen Blick auf den Platz mit dem Gebäude der ehemaligen österreichischen Admiralität. Von hier aus gebärdeten sich Österreicher als Matrosen und in einer Seeschlacht konnten sie sogar gewinnen – über wen sonst, als über die Italiener. Es war im Jahr 1866 in der Schlacht bei Lissa, aber nicht einmal dieser österreichische Sieg konnte etwas an dem Ausgang dieses Krieges ändern, da dieser bei Königsgraz in der Schlacht gegen Preußen entschieden wurde. Die Schiffsglocke des Flaggschiffes der österreichischen Flotte „SMS Erzherzog Ferdinand Max“ befindet sich seit dem Jahr 1975 im Turm der Kirche des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder in Graz.

In Kotor gibt es mehrere kleine liebe Kirchen wie „Sveta Maria Koledata“ oder „Sveti Pavle“ oder gleich neben dem Sankt Nikola eine unauffällige, aber schöne „Sankt Luka“. Über die seefahrerische Tradition von Kotor informiert „Pomorski muzej“ in „Palata Grgutina“ mit Schiffmodellen, der Geschichte der Seefahrt von Kotor und Bilder berühmter Landsleute, die es auf den Weltmeeren weit gebracht haben. Wie zum Beispiel der Admiral Matej Zmajevic, der es bis zum Oberkommandanten der russischen Kriegsflotte gebracht hat. Er wurde zwar nicht direkt in Kotor, sondern in dem nicht weit entfernten Perast geboren, die Menschen von Kotor halten ihn aber eigentlich für einen gebürtigen Kotoraner). Der Hauptplatz gleich hinter dem Tor in den Hafen heißt zwar offiziell „Trg oktobarskej revolucie“ also „Platz der Oktoberrevolution“, die Kotoraner kennen ihn aber eher als „Trg Oružia“, also „Waffenplatz“.

Die Dominante ist der Uhrturm, den hier die Venezianer am Anfang des siebzehnten Jahrhunderts errichten ließen, über ddem Tor sieht man als eine Erinnerung an die Einnahme von Kotor durch die jugoslawischen Partisanen im Jahr 1944 dann einen Zitat von Tito „Fremdes wollen wir nicht, Unseres geben wir nicht ab“.

Im Hafen kann man einen Bootausflug in die Bucht kaufen, wobei man auch die Halbinsel Luštica mit der alten österreichischen Festung Mamula besuchen kann. Diese Festung wird gerade in ein Luxushotel umgebaut. Man kann auch die unterirdischen Katakomben in den Höhlen besuchen, wo österreichische U-Boote ihr Versteck fanden und wo man noch heute österreichischen kaiserlichen Wappen als eine Erinnerung an diese Zeiten finden kann. Zu meinem Erstaunen hatten alle Reisebüros, die diese Ausfluge anboten, gleiche Abfahrtzeiten und zwar um elf vormittags und um drei nachmittags, nichts dazwischen. Was in der Praxis bedeuten müsste, dass alle Schiffe gleichzeitig in See stechen und dann gleichzeitig ans Ziel kommen. Im Programm war auch das Baden im Meer. So etwas kennen wir schon von La Maddalena auf Sardinien, also danke, brauche ich nicht. Obwohl für mich der Besuch alter österreichischen Arsenale verlockend war.

Die südlichste Küstenstadt Montenegros ist Ulcinj, ehemaliges Dolcinea. Erinnert euch der Name an etwas? Zum Beispiel an die Traumschönheit von Don Quijote Dulcinea? Nein, es ist kein Zufall, in Ulcinj verbrachte Miguel Cervantes fünf Jahre in Gefangenschaft der Piraten und der Name der Stadt inspirierte ihn offensichtlich, um der unerreichten schönen Dame in seinem Roman den Namen zu verleihen.

Heute gibt es hier natürlich das Hotel „Dulcinea“ und eine Statue von Cervantes in einem Hotel namens „Palata Venezia“, wo er angeblich gefangen gehalten wurde – damals gab es auf dieser Stelle sicherlich noch kein Luxushotel. Ulcinj war ein Piratennest, so etwas wie adriatische Tortuga. Im Jahr 1571 fiel es in türkische Hände, was einer der Gründe für die christliche Gegenoffensive war, die mit der Niederlage der türkischen Seemacht bei Lepanto geendet hat. Die Küste von Montenegro blieb dann türkisch bis zum Jahr 1878, Ulcinj selbst wurde nach längerem hin und her letztendlich im Jahr 1880 von der Türkei an Montenegro abgetreten.

Ulcinj ist sehr malerisch und vollständig auf den Fremdverkehr orientiert. Die Altstadt ragt auf einem Felsen über dem Stadtstrand und vielen Gassen mit Geschäften, Hotels und Appartements empor.

Auf dem höchsten Punkt der Altstadt gibt es dann eine Festung mit Museum. Der Vorteil für Touristen sind hier ziemlich niedrige Preise. Die meisten Gäste der überwiegend moslemischen Ortsbevölkerung sind nämlich Albaner aus dem Kosovo und ihre Kaufkraft ist nicht sehr groß. Zu meiner Überraschung parkten in den Straßen von Ulcinj nicht wenige Autos mit amerikanischen Kennzeichen, besonders aus den Staaten New York und New Jersey. Die Albaner kehren offensichtlich nach Hause auch mit ihren auf der anderen Seite des Atlantiks gekauften Fahrzeugen zurück. Übrigens, es waren gerade die Albaner aus der Ulcinjregion, die die entscheidende Kraft bei der Volksabstimmung über die Unabhängigkeit Montenegros von Serbien waren. Während die slawischen Montenegriner mehrheitlich für Verbleib in der serbisch-montenegrinischen Föderation gestimmt haben, die Albaner im Süden des Landes waren in 80% der Stimmen für die Abspaltung. Das war dann entscheidend.

Das Baden direkt in Ulcinj würde ich nicht unbedingt empfehlen. Der Strand ist überfüllt, die Frauen baden hier nach dem muslimischen Brauch angezogen.

Aber nur ein paar Kilometer südlich der Stadt gibt es einen langen, langsam abfallenden Sandstrand, ideal für das Baden auf die Art, die meine Frau liebt. Es gibt mehrere Zufahrten zu diesem Strand und seine einzelnen Teile haben unterschiedliche Namen wie „Pearl Beach“, „White Beach“ oder sogar „Copa Cabana“. Und alle sind sehr schön.

Am südlichsten Ende dieses Strandes, fünfzehn Kilometer südlich vom Ulcinj, gibt es dann in der Mündung des Flusses Bojana der berühmte FKK Camp mit dem Strand Ada Bojana, wo bereits einige Filme gedreht wurden. Die besten Zeiten hat allerdings diese Anlage schon hinter sich und sie ist bereits sanierungsbedürftig geworden.

Übrigens, sollten Sie Ulcinj besuchen und in die Altstadt aufsteigen, kann ich Ihnen das Restaurant Antigona empfehlen. Es ist ein neugebautes Restaurant auf einer Terrasse über das Meer mit einem atemberaubenden Ausblick.

Die Preise sind, wie es in Ulcinj der Brauch ist, erschwinglich, wir aßen und tranken mit meiner Frau für einen Gesamtpreis von 20 Euro. Die Bedienung war höchst professionell und der Restaurantbesitzer, ein junger Mann namens Albert, sprach vielleicht alle Sprachen der Welt, um seinen Gästen das Gefühl zu übermitteln, dass sie willkommen seien und von ihm persönlich betreut werden. Es bleibt nur zu hoffen, dass der liebe Albert durch die Coronakrise gut durchgekommen ist und seine Dienste auch weiter anbieten kann.

Montenegro ist natürlich nicht nur die Küste, sondern auch das Innenland. Danach hat doch das Land seinen Namen bekommen. Aber darüber das nächste Mal.

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