Mahé de Labournais erschuf auch eine weitere große Attraktion der Insel. Er hatte nämlich kein Interesse daran, sein Leben in den stinkenden Straßen des Hafens von Port Louis zu verbringen, und ließ sich daher im Jahr 1736 in der Stadt Pamplemousses ein Schloss mit dem vielversprechenden Namen “Mon Plaisier” also “Mein Vergnügen“ oder „Mein Genuss” bauen.
Das Schloss steht dort zwar immer noch (obwohl von den Engländern umgebaut), würde aber die Besucher allein nicht anlocken. Aber der freundliche Gouverneur ließ auf dem 209-Morgengroßen-Grundstück mithilfe von Sklaven aus Madagaskar einen Garten anlegen. Zwar hatte er hier hauptsächlich Obstbäume und ließ Gemüse für seine Küche anbauen, aber 1767 übernahm der wirkliche Biologe Pierre Poivre die Verwaltung und ließ aus dem Gemüsegarten einen botanischen Garten entstehen, der zu einer der wichtigsten Attraktionen der Insel wurde. Bis 1785 ließ Poivre hier 600 verschiedene Pflanzenarten pflanzen. Poivre verdiente sich dafür seine Büste, die sich im Zentrum des Gartens befindet. Hier kann man rosa und weiße Lotusblumen bewundern, Wasserhyazinthen, riesige Wasserlilien aus dem Amazonas, alle Arten von Palmen, sogar eine, die nur alle dreißig Jahre blüht (sie heißt Talipot, und ich hatte Glück, dass sie gerade blühte). Aber es gibt auch Zimtbäume, Nelken, Muskatnuss, Vanille (die nur als Parasit an Bäumen wächst), Brotfrucht, Mango und viele andere Früchte. Mahagoni- und Ebenholzbäume sind ebenfalls vorhanden, sowie der sogenannte “Blutende Baum” mit rotem Harz, das angeblich zur Behandlung von Ekzemen verwendet wird, und natürlich der Baobab. Es lohnt sich auf jeden Fall, neben dem Eintrittsgeld auch für ein kleines Honorar einen Führer zu nehmen. Sie sind meistens Showmänner, die die Besucher wirklich für ein Euro unterhalten. Sie sprechen alle Sprachen, auch wenn der Unterschied schwer zu identifizieren ist. Trotzdem, als er uns zum Schloss mit der Anweisung “Mak foto and kom bak,” schickte, konnte ich seiner Anweisung mehr oder weniger folgen. Französisch kommt den Einheimischen eben doch besser von den Lippen.
Übrigens wird das Pflanzen von Bäumen fortgesetzt. Offensichtlich muss jeder Staatsmann, der Mauritius besucht, nach Pamplemousses gehen und eine Schaufel in die Hand nehmen. Schon 1956 pflanzte Prinzessin Margaret hier einen Baum, 1998 folgte dem Beispiel auch Prinzessin Anne. Außerdem pflanzten hier Indira Gandhi, Nelson Mandela, Francois Mitterand, aber auch der gangsterhafte Präsident von Simbabwe, Mugabe. Und natürlich darf auch der Vater der Nation, Seewoosagur Ramgoolam, nicht fehlen, der hier am 12. März 1973 einen Baum gepflanzt hat. Nach ihm ist der ganze Garten übrigens benannt, also SSRBG (Sir Seewoosagur Ramgoolam Botanischer Garten).
In Pamplemousses ist auch die örtliche Kirche St. Franziskus sehenswert, und auf dem angrenzenden Friedhof liegt der Beichtvater von Kaiser Napoleon, Abbé Buonavita, der Napoleon nach St. Helena begleitete und nach dem Tod des Kaisers nach Mauritius umzog, wo er auch starb. Und Vorsicht, in Pamplemousses gibt es auch das Café “Wiener Walzer”. Neben dem Sacherkuchen wird hier aber auch Curryhühnchen angeboten.
Im Gegensatz zum stark bewohnten Norden und Zentrum der Insel ist der Süden nur sporadisch besiedelt. Vielleicht liegt das daran, dass es hier viel mehr regnet. Luxushotels und Golfplätze finden Sie hier natürlich auch (Der österreichische Film „O Palmenbaum“ wurde im Süden unter dem Berg Le Morne Brabant gedreht.) Im Südwesten befindet sich der Bezirk “Black River”. Der Fluss dieses Namens mündet in Tamarin ins Meer, sein Wasser ist jedoch nicht schwarz. Der Name geht auf eine historische Tatsache zurück. Gerade in der fast unbewohnten Gegend um diesen Fluss suchten entflohene Sklaven von den Zuckerrohrplantagen Zuflucht. Und die Sklaven aus Madagaskar waren – wenn man das heute noch schreiben kann – schwarz. Heute ist der Black River das größte Naturschutzgebiet auf Mauritius.
Und es gibt hier viel zu sehen. Die größte Attraktion ist der hinduistische heilige See Grand Bassin. Im Jahr 1897 hatte der hinduistische Priester Shri Jhummon Giri Gosagne (ich hoffe, ich habe den Namen richtig geschrieben, mit diesen indischen Namen habe ich einige Probleme) die Vision, dass das Wasser im Kratersee im Zentrum der Insel den gleichen heiligen Wert hat wie das Wasser des Ganges, wohin sich Hindus regelmäßig zur rituellen Reinigung begeben. Offenbar hatten die hinduistischen Einwohner der Insel keine Lust, mit dem Schiff nach Indien zum rituellen Bad zu fahren – schließlich konnten sich das nur die Wenigsten leisten. Heutzutage könnten sie viel einfacher nach Kalkutta fliegen, aber sie bevorzugen immer noch die jährliche Pilgerreise zum Grand Bassin. Angeblich versammeln sich hier während des heiligen Frühlingsfestes Maha-Shivaratree binnen einer Woche bis zu 600.000 Menschen. Am Anfang des Geländes stehen riesige Statuen der Götter Shiva und Durga.
Sie sind 34 und 37 Meter hoch, wobei die Durga, die immer mit einem Löwen abgebildet wird, da sie eine Kämpferin gegen alles Böse ist, größer (und jünger) ist. Der heilige See ist ein Stück weiter entfernt, alle Menschen haben einen freien Zugang zu seinem Ufer. Im Gegensatz zu Muslimen hindern Hindus auch ungläubige Touristen nicht am Betreten des Tempels, wo sie sogar den Segen des Priesters erhalten können. Der Priester möchte nur wissen, woher die Person kommt, sein Verhältnis zum Hinduismus interessiert ihn nicht, und dann zeichnet er heilige Zeichen auf die Stirn der Person. Nur Schuhe müssen – genauso wie in einer Moschee vor dem Eingang abgelegt werden. Im See befinden sich Statuen weiterer Götter, auch die Heilige Dreifaltigkeit Trimurti, die den Schöpfer Brahma, den Zerstörer Shiva und den Beschützer Vishnu darstellen. Es gibt angeblich viele Fische im See, aber sie dürfen nicht gefangen werden, sie sind genauso heilig wie das Wasser, in dem sie schwimmen. Auch ein Fisch muss bei seiner Geburt den richtigen Ort wählen können um in Sicherheit zu leben.
Eine weitere Route führt nach „Plaine Champagne“ – eine Hochebene, von der aus die höchsten Berge der Insel aufragen. Sie erreichen jedoch nur eine Höhe von etwas über 800 Metern über dem Meeresspiegel, in Gegenteil zu Reunion gibt es auf Mauritius keine höheren Berge. Aber es reicht. Von der Aussichtsterrasse aus kann man bis zum Meer und zum Wasserfall des Flusses Black River schauen. Dann geht es serpentinenartig in das Dorf Chamarel. Entlang der Straße befindet sich die echte mauritische Flora, die anderswo auf der Insel längst durch importierte Pflanzen ersetzt wurde. Hier dominiert daher noch immer die einzige Palme, die auf der Insel vor der Ankunft der Menschen wuchs – die Flachpalme. Alle anderen, einschließlich der Kokospalme, die auf der Insel am häufigsten vorkommt, sind Importe. Sie gedeihen jedoch hervorragend im lokalen Klima, es gibt so viele Kokosnüsse, dass überall Schilder vor ihnen warnen – “Beware of falling Coconuts”.
Das Dorf Chamarel hat mehrere Attraktionen. Erstens ist es das Dorf, nach dem der bekannteste mauritische Rum benannt wurde. Das allein würde dem Ruf des Dorfes genügen, aber der Mensch lebt nicht nur von Rum. Chamarel ist auch der einzige Ort, an dem Kaffee angebaut wird. Auf der Plantage nahe des Dorfes wird 100% Arabica produziert – das als Souvenir gekauft werden kann, ist aber ziemlich teuer. Die Restaurants in Chamarel bieten einen wunderschönen Blick auf die Westküste, und deshalb machen Touristengruppen hier gerne halt für das Mittagessen. Dann erwartet sie die Hauptattraktion, der „Seven Colored Earths“. Hier hat der Vulkan wirklich schön und kreativ gespielt. Der Boden, der hart genug ist, um auch den Zyklonen zu widerstehen, hat einen hohen Gehalt an Eisen und Aluminium. Diese beiden Metalle, oder genauer gesagt ihre Verbindungen, vermischen sich in verschiedenen Verhältnissen, so dass auf kleinem Raum die unterschiedlichsten Farbtöne entstehen, von Rot über Braun, Violett, Grün, Purpur, Blau und Gelb. Es sollen sieben sein und ich möchte es glauben, aber ich habe auch Grau und Weiß gesehen. Diese zählen vielleicht nicht, sie sind zu gewöhnlich.
Der Anblick ist wirklich erstaunlich. Um es ein wenig aufzulockern, haben die Einheimischen einen Auslauf für riesige Schildkröten eingerichtet (wenn man bei diesen Tieren ihre Bewegung überhaupt als Laufen bezeichnen kann), die nicht einheimisch sind, da die Kolonialherren die ursprüngliche Population dieser Schildkröten auf Mauritius ausgerottet und verspeist haben. Dann kam jedoch Charles Darwin, entschloss sich zu experimentieren und brachte neue riesige Schildkröten von den Seychellen mit. Er wollte wissen, ob sich die Tiere an die neuen Lebensbedingungen anpassen würden. Sie haben sich angepasst, und wie! Sie erreichen bis zu einem Meter Länge und leben 150 Jahre lang. Die ersten, die sich noch an Darwin erinnern könnten und um 1880 nach Mauritius kamen, haben gerade jetzt ihr Alter erreicht und bald erinnert sich niemand mehr an Herrn Charles persönlich.
Im äußersten Südwesten der Insel befindet sich eine große Attraktion – der Berg Le Morne Brabant. Dieser Berg befindet sich auf einer Landzunge, die ins Meer ragt, was ihm einen unverwechselbaren Charme verleiht.
Hier ereignete sich die Tragödie, nämlich der Massenselbstmord der Sklaven im Jahr 1834, als die Engländer ihnen die Freiheit in ihrer unverständlichen Sprache verkündeten. Dieses Ereignis wird hier durch ein Denkmal aus dem Jahr 2009 erinnert. Heutzutage werden auf der Halbinsel ständig neue Hotels gebaut, denn hier gibt es schöne Strände und einen Golfplatz. Die eigentliche Attraktion ist jedoch der Berg, der wie ein unüberwindlicher Felsen über der Halbinsel aufragt. Er kann erklommen werden, ein Weg führt zum Gipfel. Die offizielle Information lautete, dass es erlaubt ist, nur den Weg bis zu einem Aussichtspunkt etwa zweihundert Meter über dem Meer zu besteigen, und zum Gipfel sollte man mit einem Führer gehen. Sogar das Video im Internet sah ziemlich gefährlich aus und verursachte meiner Frau Angst. Sie wies mich darauf hin, dass unser drittes Enkelkind bald in Wien geboren wird und “Opa wird gebraucht.” Also suchte ich nach Hilfe für Familienfrieden und fand einen gewissen Tomáš Naňák, der auf Mauritius lebt und solche Dienstleistungen anbietet – meine Frau konnte sich nämlich nicht vorstellen, dass ich alleine auf den Gipfel klettern würde. Wir kontaktierten das Reisebüro Likexpats, erhielten jedoch die Antwort, dass die Mindestteilnehmerzahl zwei Personen und der Preis auch bei einem Teilnehmer 400 Euro beträgt. Also machte ich mich alleine ohne Führer auf den Weg. Im Gegensatz zu den Gerüchten, die mir im Hotel erzählt wurden, gab es dort kein Verbot, den Gipfel ohne Führer zu besteigen. Es wird nur empfohlen, dass es sich um einen erfahrenen Bergsteiger und kein Kind handelt, der ein angemessenes Schuhwerk und genug Wasser hat. Ich kam zu dem Schluss, dass ich alle erforderlichen Voraussetzungen erfüllte (meine Wanderstiefel habe ich zehn Stunden im Flugzeug transportiert. Sie nahmen die Hälfte meines Koffers ein, und es wäre also schade, sie nicht zu benutzen), und so erklomm ich den Gipfel. Es war eine Wanderung “leicht bis etwas schwer” – auf jeden Fall war “Hilfe der Hände notwendig für den weiteren Fortschritt”.
Aber ich habe in meinem Leben bereits schlimmere Berge bestiegen. Die Belohnung war eine erstaunliche Panoramaaussicht vom Berg über das Land bis zum Meer und zu dem den Insel umgebenden Korallenriff – einfach wie ein Traum, aus dem man nicht aufwachen möchte. Ich wollte von dort nicht weggehen, es war einer der schönsten Bergaufstiege in meinem Leben – vielleicht sogar der allerschönste. Aber meine Flasche mit 1,5 Litern Wasser war knapp bemessen. Bei Temperaturen bis zu dreißig Grad und einer Luftfeuchtigkeit von über neunzig Prozent schwinden die Kräfte schneller als in den Alpen, man schwitzt viel und der Wasserbedarf ist groß. Gott sei Dank breitete sich über meinem Kopf gnädig eine riesige Wolke aus, die die Sonnenhitze dämpfte. Also wenn man nach Mauritius reist, sollte man die Wanderschuhe nicht vergessen. Der Aufstieg, so anstrengend er auch sein mag, lohnt sich auf jeden Fall.
Und – bevor ich es vergesse, ich habe versprochen, noch die romantische Geschichte über das mauritische „Romeo und Julia Paar“ zu erzählen, nämlich in der örtlichen Ausführung über Paul und Virginie. Dieses Versprechen werde ich natürlich einhalten. Die Geschichte erzählt von einer unerfüllten Liebe des armen Jungen Paul und Virginie, des Mädchens aus einer reichen Familie. Sie kannten sich seit ihrer Kindheit, und ihre Kindheitsfreundschaft entwickelte sich zu einer leidenschaftlichen Liebe. Virginies Eltern erschraken jedoch, weil sie für ihre Tochter einen anderen Bräutigam im Sinn hatten als den armen Paul. Sie schickten also ihre Tochter zum Studium nach England und hofften, dass die Jugend darüber hinwegkommen würde. Aber das geschah nicht. Virginie konnte es in England ohne Paul nicht aushalten (vielleicht spielte auch das Wetter eine Rolle, das man wirklich nicht mit dem sonnigen Mauritius vergleichen kann), sie schiffte sich heimlich auf das Schiff namens „Saint Géran“ ein und begab sich damit auf den Weg zu Paul nach Hause. Aber einige Kilometer von der Küste entfernt zerschellte das Schiff, als es auf das Korallenriff fuhr, brach in zwei Hälften und die Besatzung sowie die Passagiere ertranken. Nur neun Menschen überlebten, darunter war nicht Victoria. Paul fand nur ihren Leichnam, und kurz darauf starb er selbst – an einem gebrochenen Herzen.
Diese Geschichte hat sich Mauritius bereits angeeignet und ist Teil seiner Kultur. Das Denkmal von Paul und Virginie findet man in Curepipe und in Port Louis. Die zwei liebenden waren auch im botanischen Garten in Pamplemousses, dort blieb nur der Sockel von ihnen übrig, die Statuen sind jetzt in der Kirche. Hotels und Restaurants tragen ihre Namen, und in der Stadt Tamarin ist sogar die Grundschule nach ihnen benannt.
Die ganze Geschichte hat nur einen Haken: Sie ist nie passiert. Auf dem Schiff Saint Géran mit einem Verdrängungsgewicht von 600 Tonnen, das am 24. März 1744 tatsächlich vor der Nordküste der Insel versank, kamen zwar drei Mädchen ums Leben, aber keines von ihnen hieß Virginie. Die Passagierlisten sind erhalten geblieben. Die neunzehnjährige Marie Anne Mallet, die sechzehnjährige Louise Augustine Callou und die zwölfjährige Jeanne Heléne Neiznein sind gestorben. Aber im Jahr 1768 kam der Schriftsteller Jaques-Henri Bernardin de Saint Pierre auf Mauritius an, und als er von der Schiffstragödie erfuhr, küsste ihn die Muse. Er verfasste also einen Roman über die Tragödie zweier jugendlicher Verliebter, und das im Jahr 1788 veröffentlichte Buch wurde zum Bestseller und anschließend ein integraler Bestandteil der mauritischen Kultur. Wenn interessiert schon, ob Paul und Virginie wirklich gelebt haben?
Glaubt vielleicht jemand wirklich, dass Julia Capulet sich tatsächlich in Romeo Montague verliebt hat?