Also, wie ich meinen ersten Teil des Artikels über Lucca beendet habe, nicht nur von den Kirchen lebt ein Mensch. In Lucca gab es genug reiche Menschen, die wussten gut zu leben. Für die Öffentlichkeit ist der „Palazzo Mansi“ zugänglich mit innerer Ausstattung im Stil des Rokokos, wo sich die „Pinacoteca Nazionale“ befindet und der „Palazzo Pfanner“ mit einem wunderschönen Garten, der mit zahlreichen Marmorstatuen geschmückt ist.

Felix Pfanner stammte aus dem österreichischen Vorarlberg, seine Familie kam aber aus Bayern und betrieb Bierbrauerei. Im Jahr 1844 wurde der junge Pfanner nach Lucca von Herzog Leopold II. eingeladen. Der Herzog hatte Lust auf gutes Bier, das die Italiener damals noch nicht zu brauen vermochten. Der junge Felix begann mit der Produktion im Keller eines prächtigen Palastes am Rande der Stadt, den sich im siebzehnten Jahrhundert ein Seidenhändler bauen ließ (Lucca war traditionell bekannt durch Erzeugung von Brokaten und später von Stoffen aus Seide). Der Erfolg war groß, die Italiener fanden Vorliebe für das neue Getränk. Pfanner wurde reich und er kaufte später den Palast inklusiv des Gartens (den Garten kann man von der Stadtmauer gut sehen, also nur für seinen Besuch muss man die Eintrittskarte nicht unbedingt kaufen). Die Brauerei Pfanner war im Betrieb bis zum Jahr 1923. Felix selbst starb im Jahr 1892 und beide seine Söhne verließen die familiäre Tradition und wurden Ärzte. Ein wurde zum Psychiater und der zweite zum Chirurgen, aus diesem Grund gibt es heute im Palast eine Ausstellung der historischen medizinischen Instrumente, bei deren Besichtigung einem die Kälte über den Rücken läuft.

               Im Palast Pfanner spielte sich eine schöne obwohl ein bisschen traurige Geschichte ab (noch bevor Felix Pfanner nach Lucca kam). Im Jahr 1692 wohnte hier bei seinem Besuch der Stadt Lucca der dänische Kronprinz Frederik und er verliebte sich in eine einheimische Adelige namens Maria Maddalena Trenta. Im Schlafzimmer, das man besuchen kann, erlebten die zwei Verliebten eine wilde Romanze, leider ohne Happy End. Frederiks Vater Christian V. starb und Frederik wurde nach Hause berufen, um die Regierungsgeschäfte zu übernehmen. Er wurde zum König Frederik IV. von Dänemark und Norwegen. Eine Ehe mit einer Italienerin, obwohl vom Adel, war in der neuen Situation undenkbar. Frederik heiratete Luise von Mecklenburg und Maria Maddalena Trenta trat in ein Kloster ein und wurde None. Die schöne romantische Geschichte hat nur einen Schönheitsfehler. Der dänische König Christian V. starb nämlich im Jahr 1699. Vielleicht flüchtete also der dänische Prinz vor der leidenschaftlichen Maria Maddalena aus anderen Gründen – aber WENN INTERESSIERT ES SCHON?

               Besuchswert ist sicherlich auch der Botanische Garten, der sich in einer Ecke der Altstadt befindet.

Hier gibt es ein Lehrpfad und man kann hier die Zeder von Libanon oder amerikanische Sequoien bewundern, die höchsten Bäume der Welt. Die Sequoie in Lucca ist lediglich zweihundert Jahre alt, also sie ist noch ein Baby. Trotzdem ist es der höchste Baum im Botanischen Garten. Über den See in der Ecke des Gartens erzählt man eine Legende über die schöne Lucida Mansi. Lucida war sehr hübsch, sie stammte aus einer adeligen Familie Samiati. Sie heiratete Vincenzo Diversi, sie wurde aber bald Witwe und heiratete das zweite Mal – den alten und reichen Casparo de Nicolao Mansi. Ihr Leben floss in Partyrausch mit vielen Liebhabern darin, bis sie einmal im Spiegel, in den sie täglich schaute, in ihrem Gesicht eine erste Falte sah, das Zeichen des Altwerdens. Verzweifelt bat sie den Teufel um Hilfe, damit sie weiterhin jung und schön bleiben konnte. Er versprach ihr weitere dreißig Jahre Jugend, wollte dafür aber, wie es schon sein Brauch war, ihre Seele. Als die dreißig Jahre vorbei waren, versuchte Lucida vor dem Teufel zu flüchten, aber nach einem Lauf auf der Stadtmauer holte er sie ein und riss sie in den See im Botanischen Garten. Jedes Jahr am 31.Oktober taucht aus dem Wasser eine brennende Kutsche und man hört furchtbare Schreie Lucidas, bis die Kutsche wieder in Flammen im See untertaucht. Die Legende ist schön, die wirkliche Lucida starb aber nachweislich im Jahr 1649 im Alter von 43 Jahren und wurde im Kapuzinerkloster in der Nähe des Botanischen Gartens, das es heutzutage nicht mehr gibt, begraben. Also stellt sich die Frage – wer taucht eigentlich zu Haloweenzeit aus dem See auf.

               Was wäre allerdings Lucca ohne Giacomo Puccini? Einer der bekanntesten Komponisten wurde hier geboren und blieb mit seiner Geburtsstadt lebenslang verbunden. Sein Geburtshaus ist nur ein paar Schritte von der „Piazza San Michele“ entfernt. Puccini wuchs mit seinen Geschwistern in einer bescheidenen Wohnung in der zweiten Etage des Hauses auf, später kaufte er das ganze Haus. Heute gibt es in seiner damaligen Wohnung ein Museum, das ihm und seiner Schöpfung gewidmet ist. Es gibt hier sein Klavier, sein Diplom aus dem Musiklyceum in Mailand, wo er seine Ausbildung abschloss. Es gibt hier Teile seiner Korrespondenz und seine Bilder und Büsten aus der Zeit als er bereits berühmt war, also nachdem ihm mit der Oper Manon Lescaut der Durchbruch gelungen war – er war damals 35 Jahre alt. Bereits sieben Jahre früher fand er seine Lebenspartnerin. Elvira Bonturi war in dieser Zeit verheiratet, als sie eine leidenschaftliche Affäre mit Puccini hatte und diese blieb nicht ohne Folgen – ein Sohn Antonio kam zur Welt. Elvira verließ wegen des damals noch unbekannten Komponisten ihren Mann, mit der Hochzeit musste sie aber bis zum Jahr 1904 warten, bis ihr erster Mann starb. Elvira hätte die Hochzeit mit Puccini beinahe nicht erlebt. Ein Jahr früher hatte nämlich der leidenschaftliche Autofahrer Puccini einen schweren Unfall, den er nur nach einer mehrmonatlichen Behandlung überstanden hat.

               Es gibt aber nicht nur Puccini. Im Städtchen Collodi, ungefähr siebzehn Kilometer von Lucca in Richtung Pistoia entfernt (Also hinter Montecarlo) begegnet man eine Märchenfigur, die wir alle kennen. Pinocchio, das Männchen aus Holz, dem die Nase wuchs, wenn er log. In Collodi gibt es der „Parco Pinocchio“ als eine Attraktion, wenn man in diese Gegend mit Kindern reist. Es war mir nicht ganz klar, warum sich dieser Park gerade in Collodi befindet. Der Autor von Pinocchio Carlo Lorenzini wurde in Florenz geboren, in Florenz starb er und in dieser Stadt brachte er auch seine legendäre Figur im Jahr 1878 zur Welt. (In Florenz gibt es angeblich auch ein Pinocchio Park, nur bei der Menge anderer Attraktionen in der toskanischen Hauptstadt geht er irgendwie verloren). In Collodi gibt es nichts anderes – die Einheimischen wussten das Pseudonym des Autors, der unter dem Namen Carlo Collodi schrieb, weil in diesem Dorf seine Mutter geboren wurde, zu nutzen. Es handelt sich also im Prinzip um ein Fake, aber die Italiener sind in der Sache PR sehr geschickt. Und wenn es regnet und man weiß nicht, wohin mit den Kindern zu fahren…

               Lucca ist also schön und lieb. Und alt. Nicht nur das römische Forum, auf dem San Michele steht, erinnert an seine uralte Wurzel. Einer der berühmtesten Plätze ist das römische Amphitheater, den die kreativen Italiener mit Häusern bebauten Sie nutzten die Bausubstanz des alten römischen Amphitheaters – jetzt bildet es einen Platz mit Form einer Ellipse.

Damals – also in den römischen Zeiten, schrieb man den Namen der Stadt nur mit einem „c“, also Luca. Bereits im Jahr 177 vor Christi Geburt war Luca eine römische Kolonie, aber nur der Schutz der Kaiser Ludwig IV. und Karl IV.. brachte es unter die bedeutesten Städte der Toskana.

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