Der Berg Zion wird von der Kirche Maria Himmelfahrt dominiert. Nach der christlichen Tradition stieg sie gerade von diesem Ort in den Himmel, laut einer anderen Überlieferung passierte es in Ephesos im Kleinasien. (Dort gibt es auch eine Pilgerkirche zur Ehre der Jungfrau Maria) Auf dem Berg Zion ließ Kaiser Wilhelm auf seiner Pilgerreise nach Palästina im Jahr 1910 eine monumentale Kirche bauen. Er ließ damals in Jerusalem insgesamt vier Kirchen bauen, zwei für Katholiken und zwei für Protestanten, diese auf dem Berg Zion, die der Jungfrau Maria gewidmet ist, ist logischerweise katholisch.
Gegenüber dem Tempelberg steht der Ölberg. In keinem Fall empfehle ich mit einem eigenen Fahrzeug hinzufahren. Wenn dort irgendwelche Verkehrsregel gelten, dann ist es mir nicht gelungen, sie zu entziffern – außer dem Rechte des Stärkeren. Hier einen Parkplatz zu suchen ist eine absolut verrückte Idee und sie ist nur für Lebensmüde geeignet. Es zahlt sich aus, sich mit Taxi hinfahren zu lassen. Hier, auf dem Ölberg, beginnt die Prozession am Palmsonntag, also der Weg, den Jesus mit seinen Jüngern auf dem ausgeliehenen Esel zum Goldenen Tor ging, durch das er Jerusalem betrat. An der Prozession am Palmsonntag nehmen bis zu 20 000 Pilger teil. Es ist sicherlich nichts für Menschen mit Agoraphobie. Übrigens, es gibt auf diesem Weg mehr als genug Menschen auch an anderen Tagen ohne die Palmsonntagsprozession. Heutzutage kann natürlich der Weg in die Stadt nicht durch das Goldene Tor führen. Man muss das Tal Cedron (oder Kidrun) überqueren und dann die Stadt durch ein anderes Tor betreten – oder sich mit dem Taxi zur Altstadt hinfahren lassen.
Die Hänge des Ölberges sind mit jüdischen Gräbern dicht bedeckt. Gerade im Tal Cedron vor den Mauern von Jerusalem sollte das Jüngste Gericht stattfinden und es gibt viele, die dabei die Ersten sein wollen. Für einen Grab auf dem Hang des Ölberges werden Unsummen bis zu einer halben Million Dollar bezahlt. Eine „Pole position“ kostet halt etwas. Obwohl – ich hätte es nicht so eilig. Die Erfahrung sagt, dass Richter im Prozessverlauf eher nachsichtiger werden und im Himmel gibt es genug Platz für alle. Übrigens – in der Hölle auch.
Der Pilgerweg auf dem Ölberg beginnt bei der Kirche „Paternoster“ (Vater unser). Nirgends in der Bibel wird beschrieben, wo Jesus seine Jünger dieses Grundgebet des neuen Glaubens, das durch seine Einfachheit genial ist, gelehrt hat: Vater unser im Himmel, dein Name werde geheiligt, dein Reich komme, dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf der Erde. Gib uns heute das Brot, das wir brauchen. Und erlass uns unserer Schulden, wie auch wir sie unseren Schuldnern erlassen haben. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern rette uns vor dem Bösen (Matthäus 6, 9-13, modifiziert und etwas verkürzt auch Lukas 11, 2-4))
Matthäus erwähnt den Ort gar nicht, Lukas schreibt nur es geschah „an einem Ort“. Es ist merkwürdig, dass Markus dieses Gebet gar nicht erwähnte. Sollte Markus tatsächlich der Sekretär des heiligen Petrus gewesen sein und die Erinnerungen seines Meisters aufgeschrieben haben, wäre es möglich gewesen, dass er dieses Gebet nicht kannte? Entstand es vielleicht doch später? Oder war es Petrus nicht wert, es zu erwähnen? So oder so, „Vater unser“ ist eine schöne Kirche im gotischen Stil aus der Zeit der Kreuzfahrer über einer Höhle, wo angeblich dieses Gebet das erste Mal gesprochen wurde (wahrscheinlich entschied darüber wieder einmal die Kaisermutter Helena). Die Kirche ist mit einem schönen Garten voll mit blühenden Rosen umgegeben. Überall gibt es Tafeln mit dem Text des Gebetes in allen Weltsprachen. Im Inneren der Kirche, im Kreuzgang, sowie auch im Garten. Den deutschen Text findet man im Kreuzgang, wie auch den tschechischen, dieser ist an der Wand in unmittelbarer Nähe von Latein, Griechisch und Arabisch. Die Slowaken schafften das sogar direkt ins Kircheninneren. Der einzige Wermuttropfen für sie könnte sein, dass sich ihre Tafel in der direkten Nachbarschaft des ungarischen Textes befindet. Diese zwei Nationen lebten einfach eintausend Jahren in einem Staat, sie bekamen in der Kirche also Plätze nebeneinander zugeteilt, ob das ihnen gefällt oder nicht.
Von der Kirche steigt man ab zum Cedrontal. Auf dem Weg gibt es ein Kirchlein „Dominus flevit“ (Der Herr weint) auf dem Ort, wo Jesus über das Schicksal Jerusalems weinte, da er wusste, dass die Stadt vernichtet würde. Als er näher kam und die Stadt sah, weinte er über sie und sagte: Wenn doch auch du an diesem Tag erkannt hättest, was dir Frieden bringt. Jetzt aber bleibt es vor deinen Augen verborgen. Es wird eine Zeit für dich kommen, in der deine Feinde rings um dich einen Wall aufwerfen, dich einschließen und von allen Seiten bedrängen. Sie werden dich und deine Kinder zerschmettern und keinen Stein auf dem anderen lassen, denn du hast die Zeit der Gnade nicht erkannt. (Lukas 19,41-44)
Es steht hier ein entzückendes Kirchlein in der Form eines Tropfens oder eigentlich einer Träne, ein Werk des italienischen Architekten Antonio Barluzzi. Eröffnet wurde es im Jahr 1955, als der Ölberg noch zu Ostjerusalem gehörte und damit unter arabischer Verwaltung stand. Gleich nebenan steht die orthodoxe Kirche der Maria Magdalena mit goldenen Kuppeln, eine Dominante beim Blick auf den Ölberg von der Moschee Al Aqsa aus. Diese Kirche ließ auf diesem Ort der russische Zar Alexander III. bauen. Von der Kirche „Dominus flevit“ gibt es wunderschöne Blicke auf Jerusalem mit dem Felsendom und dem zugemauerten Goldenen Tor, aber auch auf die Hänge des Ölberges, bedeckt mit tausenden Gräbern der ungeduldigen Juden.
Dann führt der Weg ins Tal in den Garten Getsemani. Dieser Garten wurde als der Ort der Gefangennahme Christi in drei Evangelien beschrieben ( Markus, Matthäus und Lukas), nur Johannes nennt ihn nicht mit dem Namen, sondern er schreibt über einen Garten hinter dem Bach Cedron, was allerdings geographisch mit dem Garten von Getsemani übereinstimmt. Das verleiht dem Ort eine unbezweifelbare Authentizität. Einige der Olivenbäume sind tatsächlich zweitausend Jahre alt und mussten also die Geschehnisse des damaligen Freitagsmorgens erleben. Dem Menschen läuft es bei dem Anblick dieser stummen Zeugen kalt über den Rücken. Im Garten steht eine Kirche „Allen Nationen“ (Auch genannt „Kirche des Leidens des Herren“ – „Basilica agoniae domini“). Sie hat fünfzehn Kuppeln, weil so viele Nationen sich an den Kosten für den Bau dieser Kirche beteiligten. Der Architekt war wieder einmal Antonio Barluzzi, die Kirche wurde im Jahr 1924 fertiggestellt. Vor dem Altar, umrahmt mit einem niedrigen Geländer in der Form der Dornkrone, gibt es einen Felsen, auf dem Christus betete. Die erste Kirche über diesen Felsen ließ Kaiser Theodosius bauen, auch diese Kirche fiel dem Persischen Einfall im Jahr 614 zu Opfer. Die Nachfolgekirche der Kreuzfahrer verschwand irgendwann im vierzehnten Jahrhundert, also ist die heutige Kirche bereits das dritte Gebäude auf dem Ort, wo Jesu Schweiß zu Blut wurde.
Vater, wenn du willst, nimmt diesen Kelch von mir! Aber nicht mein, sondern dein Wille soll geschehen. Da erschein ihm ein Engel vom Himmel und gab ihm Kraft. Und er betete in seiner Angst noch inständiger und sein Schweiß war wie Blut, das auf die Erde tropfte. (Lukas 22, 42 – 44)
Diesem Felsen kann man sich nähern und ihn berühren sowie direkt auf dem Ort, wo Jesus betete, auch ein Gebet sprechen. Obwohl ein Felsen in den Evangelien nicht direkt erwähnt wurde, ist es ein logischer Ort, da auf dem Stein seine Jünger kaum schlafen konnten, von denen er sich zum Gebet entfernte. Alle Darstellungen Christi, wie er in Getsemani betet, zeigen ihn auf einem Stein, also kann man glauben, dass es gerade an diesem Ort geschah. Wenn man es glaubt, ist das Gefühl faszinierend.
Direkt unter dem Garten ist dann der Cedron und dann gibt es einen Aufstieg zu den Toren von Jerusalem. Dorthin, zum Kreuzweg und nach Betlehem, wo Jesus geboren wurde, schauen wir in zwei Wochen.