Die einzige Erklärung für die ewigen Kämpfe im Heiligen Land ist seine strategische Lage in der Verbindung zwischen Asien und Afrika und eigentlich auch Europa. Jeder wollte diese Kreuzung besitzen. Aber keiner war bereit, hier Ampeln einzubauen.
Es schlugen sich hier bereits Ägypter mit Hethitern. (Beide hatten hier nichts zu suchen). Die Schlacht bei Kadesch zwischen Ramses II. und den Hethitern ist die erste detailiert dokumentierte militärische Konfrontation, die beweist, wie wichtig die Beschreibung eines Geschehens ist. Obwohl der Pharao Ramses damals nur eine vollständige Vernichtung seiner Armee verhindern und einen geordneten Rückzug nach Ägypten erreichen konnte, präsentierte er diese Schlacht als einen epochalen Sieg seines Militärgenies und wir sind bereit ihm das auch noch heute zu glauben. Hethiter schrieben über die Schlacht nichts und deshalb verloren sie. Ramses hat ein Denkmal seiner Heldentaten in der Stadt Jaffa.
Dann kamen Juden hierher, diese wurden zuerst von den Assyrern und dann von Babyloniern vertrieben. Sie schafften es immer wieder zurückzukehren und dann sogar auch den Griechen, die hierher unter der Führung des Alexanders Großen kamen, Widerstand zu leisten. Obwohl sich damals in der gesamten bekannten Welt der Einfluss des Hellenismus als der damals höchsten Stufe der Zivilisation verbreitet hat, wehrte sich nur diese einzige Nation verbittert gegen diese Entwicklung und ließ sich unter keinen Umständen hellenisieren. Es war gerade diese eine kleine Nation, die auf ihrem einzigen Gott, auf dem Verbot Menschen, darzustellen und auf den Vorschriften zum Essen und bei Feiern beharrte. Die Juden strapazierten damit ordentlich die Nerven der herrschenden Seleukiden, als diese aber versuchten, diesen unsinnigen barbarischen Widerstand zu brechen, mussten sie erkennen, dass diese Entscheidung falsch war. Die Juden konnten unter der Führung der Brüder Makkabäer ihre Feinde besiegen und ihre Unabhängigkeit erkämpfen, die aber nur bis zur Ankunft der Römer dauern konnte. Im Jahr 70 fiel Jerusalem und der Tempel, der mit riesigem Aufwand von König Herodes erbaut wurde, wurde dem Boden gleich gemacht. Weil die Juden auch danach keine Ruhe gaben und gegen die römische Herrschaft und ihre Versuche, die Juden auf die römische Art zu hellenisieren, unter der Führung Bar Kochbas rebellierten, verlor Kaiser Hadrian die Nerven. Er verbot Juden den Aufenthalt im Land Palästina und vertrieb sie in die Diaspora, die dann beinahe zweitausend Jahre dauern sollte. Ohne Juden konnte dieses Gebiet endlich erfolgreich hellenisiert werden und wurde zu einem normalen Teil des römischen und später dann des byzantinischen Verwaltungssystems. Bis hier im Jahr 614 Perser einfielen und das ganze Land inklusiv aller Kirchen (also beinahe aller, dazu kommen wir aber später) in Asche verwandelten. Die Byzantiner konnten den Krieg mit Persien im Jahr 628 nach 26 Jahren Kampf gewinnen, sie waren aber dadurch so erschöpft, dass sie Arabern, die plötzlich vereint durch einen neuen Glauben – Islam – aus den Wüsten der Arabischen Halbinsel auftauchten, keinen erfolgreichen Widerstand mehr leisten konnten. Im Jahr 635 unterlagen die Byzantiner den Arabern in der Schlacht bei Jarmuk und Palästina wurde für weitere beinahe fünf hundert Jahre arabisch.
Im Jahr 1099 kamen die Kreuzritter des ersten Kreuzzuges, um heilige Stätte aus der moslemischen Macht zu befreien.
Damals hatte Palästina bereits einen symbolischen Wert, und den behielt es bis heute. Die Kreuzritter schufen hier ihr Königsreich, im Jahr 1291 mussten sie aber Palästina definitiv räumen und an die ägyptischen Mameluken übergeben. Die wurden wieder vom türkischen Sultan Sulejman dem Prächtigen im Jahr 1527 besiegt und Palästina wurde türkisch. Nicht einmal der Feldzug Napoleons, der ruhmlos vor den Mauern Akkos sein Ende fand, konnte an dieser Tatsache etwas ändern, bis der erste Weltkrieg, in dem sich die Türken der falschen Seite anschlossen, einen entscheidenden Bruch bedeutete. Die Araber unter der Führung von Oberst Lawrence machten einen Aufstand gegen die türkische Herrschaft, weil sie dafür ein Versprechen der Selbständigkeit für alle arabische Völker (oder Stämme, wenn man die Araber für ein Volk hält) bekamen. Baron Rotschild, der damals als Abgeordneter im britischen Parlament saß, gelang es eine Ausnahme für die Region Palästina zu erwirken und diese wurde zum britischen Mandatsgebiet. Was eine Masseneinwanderung der Juden zu Folge hatte, da diese in Rahmen einer neuen Bewegung – Zionismus, gegründet von einem Wienerjuden Theodor Herzl, in das gelobte Land zurückkehrten. Palästina blieb ein britisches Mandatsgebiet bis zum Jahr 1948, als verstimmte Briten Palästina verließen. Die Sorgen über die Zeit danach machten sich die Vereinten Nationen und diese stimmten bereits im Jahr 1947 über eine Lösung einer Konföderation zwei Staaten – eines arabischen und eines jüdischen – die im Frieden und Freudschaft zusammenleben sollten, ab.
Die Araber lehnten diese Lösung ab und sofort nach dem Abzug der Briten, griffen sie die Juden unter der Führung ehemaliger SS Offizieren an, mit dem Ziel den Holocaust auf dem Gebiet Palästinas fortzusetzen. Der Krieg ging aber für die Araber verloren. Deutsche Offiziere hatten nicht gerade kleine Probleme mit der arabischen Kampfmoral. Wenn sie einer deutschen Einheit einen Befehl zum Angriff gaben, ging diese in den Angriff. Wenn sie das gleiche mit einer arabischen Einheit taten, blieb diese im Schützengraben liegen. Israelis gewannen den Krieg und erweiterten wesentlich das Gebiet, das sie ursprünglich von UNO zugesprochen bekamen – grundsätzlich das Gebiet des heutigen Israels. Im Jahr 1967 versuchten drei arabische Länder diesen „faux pas“ zu korrigieren. Israel erfuhr rechtzeitig von dem geplanten Angriff und griff einen Tag früher an. Der Angriff der Araber wurde nicht nur abgewehrt, Israel besetzte das Land westlich des Flusses Jordan mit Ostjerusalem, die Golanhöhen und die Halbinsel Sinai. Im Jahr 1973 wollte der ägyptische Präsident Anvar Sadat diese Schande gutmachen und griff gemeinsam mit Syrien und Jordanien Israel am Tag des größten jüdischen Feiertages „Jom Kippur“ an. Auch diesmal ohne Erfolg. Israel schloss mit Ägypten Frieden im Jahr 1978, zwanzig Jahre später dann auch mit Jordanien, nur mit Syrien hat es keinen Friedensvertrag bis heute.
Schibli informierte uns über diese Ereignisse aus dem palästinischen Blickwinkel. Über die arabische Ablehnung der Zweistaatslösung von 1947 sagte er kein Wort. Israel vertrieb seiner Meinung nach Palästinenser einfach ohne Grund aus ihrer Heimat. Im Jahr 1967 handelte sich natürlich um eine unverschämte grundlose israelische Aggression und im Jahr 1973 hätten Ägypter Israel bereits vernichtet und die Premierministerin Golda Meier weinte im Telefonat mit Präsident Nixon „Tel Aviv wird fallen“ und dann kamen Amerikaner, und zwangen Ägypter sich zurückzuziehen. Historische Bücher sagen etwas anderes. Weil es den Arabern gelang, die israelische Luftwaffe durch einen Überraschungsangriff am Boden zu vernichten, waren Juden in einer wirklich schwierigen Lage und Golda Meier war sogar bereit, Atomwaffen einzusetzen. Andererseits, die Mobilisierung der israelischen Armee verlief schneller als es sich arabische Führer überhaupt vorstellen konnten (am Tag der Feier „Jom Kippur“ waren die Wege in Richtung Kaserne logischerweise frei) und gerade die Angst vor einem Atomkrieg bewegte die Amerikaner zu einer massiven finanziellen Unterstützung Israels in der Höhe 2,2 Milliarden Dollar – das Wichtigste war, dass Amerikaner Israelis neue Flugzeuge geliefert haben. Danach durfte sich schon General Sharon durch einen überraschenden Selbstmordangriff über den Suezkanal berühmt machen, der den Krieg zu Gunsten Israels entschieden hat.
Araber stellen sich ständig in die Position der Opfer.
Nicht nur Palästinenser, sondern Moslems allgemein. Für alles ist der böse Westen schuld, das den Erfolgen der arabischen Welt im Wege steht. Deshalb können sie niemals eine Selbstreflexion erreichen, eigene Fehler erkennen und korrigieren und dadurch kann es auch zu keiner Besserung ihrer Situation kommen. Aus der Schiblis Erzählungen konnte man diese Einstellung sehr intensiv spüren. Juden wurden von ihm in die Schlechten und die Schlechtesten unterteilt. Der einzige gute Jude war seiner Ansicht nach Jicchak Rabin und der wurde von Juden im Jahr 1995 ermordet.
Wenn man durch das Land reist, kann man die Palästinenser einigermaßen verstehen. Es reicht nur an der achtmeterhohen Mauer vorbei zu fahren, die das Land trennt.
Natürlich kann man die Argumentation Israels verstehen, dass sich das Land vor dem Terror schützen möchte und diese Mauer wäre auch legal – hätte sie Israel nicht großteils auf palästinensischem Gebiet gebaut. Es war für mich schockierend, wie Schibli reagierte, als ich Graffiti auf der palästinensischen Seite der Mauer fotografieren wollte. „Das dürfen Sie nicht, hier darf man nicht fotografieren!“
„Es ist verboten, beim Grenzübergang zu fotografieren, hier gibt es aber keinen.“
„Es ist sicher irgendwo ein Polizist und dann werden Sie eine hohe Strafe zahlen müssen!“
Natürlich gab es dort weit und breit keinen Polizisten, letztendlich befanden wir uns in Zone A in Betlehem – die Reaktion Schiblis erinnerte mich aber an ein sehr ähnliches Erlebnis in Ostberlin im Jahr 1981. Die Ostdeutschen hatten damals eine panische Angst sich der Berliner Mauer nur zu nähern, wie heute die Palästinenser.
Die Israelis sind natürlich Meister der Provokationen. Neben der Mauer, die großteils auf palästinensischem Gebiet verläuft, sind das ihre illegalen Siedlungen.
Also illegal sind sie nach der internationalen Rechtssprechung, nicht aus israelischer Sicht. Das Gebiet von Palästina am Westufer des Jordans wurde im Vertrag zwischen Jassir Arafat und Jicchak Rabin in drei Zonen geteilt, die eine nach der anderen Palästinensern in ihre Verwaltung übergeben werden sollten. In der Zone A sind Städte wie Ramallah, Jericho oder Betlehem. Hier haben die Palästinenser die Zivilverwaltung und Ordnungskräfte inne – also die Polizei, weil sie keine Armee haben dürfen) In der Zone B, die ihnen später übergeben werden sollte und in erster Linie Land betrifft, haben die Palästinenser die Zivilverwaltung, nicht aber die Sicherheit in ihrer Hand. Zone C bleibt in israelischer Macht. Hier darf kein Palästinenser Grund kaufen, ein Jude aber sehr wohl. Diese Zone C gibt es an den Grenzen des Palästinischen Staates, also auch um den Fluss Jordan. Eine Bildung eines vereinten Gebietes des Staates Palästina ist schlicht unmöglich und die Israelis wissen es. Deshalb tun sie, was sie tun.
Gleich ist es mit Ostjerusalem. Nach dem Ende des Krieges von 1948 verlief die Grenze unter der Mauer der Altstadt, die gänzlich zu Palästina gehörte. Israel besaß das neue, moderne Westjerusalem (deshalb gibt es hier die Knesset – das israelische Parlament). Als die israelische Armee Ostjerusalem eroberte, lebte hier kein einziger Jude. Gerade hier werden neue moderne Siedlungen für Juden gebaut. Die Miete für eine Wohnung in Westjerusalem beträgt um 2000 Dollar monatlich, was sich junge Familien nicht leisten können. In Ostjerusalem kostet die Miete nur einen Bruchteil dieser Summe. Deshalb gehen hierher vor allem junge, kinderreiche jüdische Familien. Heute leben in Ostjerusalem neben 300 000 Araber bereits 150 000 Juden – die Tendenz steigend. In einigen Jahrzehnten werden die Juden in Ostjerusalem die Mehrheit darstellen.
Übrigens einen Übergang von israelischem zu palästinischem Gebiet würde man auch ohne Mauer erkennen. Wenn in Israel eine fast unglaubliche Ordnung herrscht – vergeblich würde man nach verworfenem Abfall oder einem Zigarettenstümmel suchen, nach dem Überqueren der Grenze lagen die Abfälle entlang der Straßen, in der Mitte der Fahrbahn standen Kafeeverkäufer und auf den Balkons trocknete die Wäsche. Einfach Orient!
Natürlich kann Israel im Streit mit Palästinensern viel verständlicher argumentieren, einfach mehr europäisch. Ein genialer strategischer Zug war die Räumung des Gazastreifens, der ganz als Zone A an die Palästinenser übergeben wurde. 5000 israelische Siedler wurden gewaltsam abgeschoben. Heute herrscht hier Hamas und schießt Raketen nach Israel und Israel kann vor der ganzen Welt argumentieren – so schaut es aus, wenn man Palästinenser lässt, sich selbst zu regieren – auf der Westbank hält sich die gemäßigte Fatah nur dank israelischer Unterstützung an der Macht und profitiert von ihrer Loyalität. Die Städte wie Ramallah oder Betlehem haben eine der höchsten Lebensqualitäten in der arabischen Welt – sie hassen trotzdem die Juden verbittert.
Das tun offensichtlich auch Palästinenser, die auf dem Gebiet Israels leben und israelische Bürgerschaft besitzen (offiziell sind das 1,2 Millionen Menschen, laut Schibli 2,4 Millionen – Schibli glaubten wir aber immer ziemlich ungern, er ließ sich zum Beispiel nicht ausreden, dass die von Israel besetzten Golanhöhen 18 000 km2 groß sind. Weil das ganze Land Israel 21 000 km2 hat, war ich nicht bereit, ihm das zu glauben und ich machte es richtig – es sind natürlich nur 1800 km2). Diese israelischen Bürger arabischer Nationalität haben alle Rechte wie Juden – mit einer Ausnahme, sie haben keine Wehrpflicht. Der Wehrdienst dauert bei jungen Israelis 3 Jahre bei Männern und 2 Jahre bei Frauen. Wir sahen während unseres Besuches viele Soldaten, interessant war, dass die meisten Instrukteure bei verschiedenen Schulungen Frauen waren – übrigens die Uniformen standen ihnen sehr gut.
Interessant für mich war, dass sich Palästinenser weigerten, den Schekel, also das offizielle Zahlungsmittel Israels, zu akzeptieren. Diese Tatsache war ich bereit in der Westbank zu verstehen, wo Palästinenser wirkliche Probleme haben, die Mauer in Richtung Israel zu überwinden und deshalb hier der amerikanische Dollar eine Parallelwährung und der Euro auch willkommen ist. Wenn aber eine Zahlung in Schekel nicht einmal ein Palästinenser (israelischer Bürger) in Nazareth, also im Gebiet Israels, annehmen wollte, hatte ich dafür kein Verständnis. Sein Argument, er täte das wegen der Inflation, war absolut falsch – der Schekel ist an den Dollar fest gebunden (wie einmal der Schilling an die deutsche Mark) und es kommt zu keinen Kursschwankungen zwischen diesen zwei Währungen. Es handelte sich also um eine rein emotionale Angelegenheit. Und Emotionen im Handel….
Emotionen gibt es in diesem Land im Überfluss. Schon deshalb, weil dieses Land gleich für drei monotheistische Religionen heilig ist – für Juden, Moslem und Christen.
In meinem nächsten Artikel in zwei Wochen möchte ich mich auf die Spuren Christi begeben, also die heiligen Stätte der christlichen Religion besuchen. Wer Interesse hat, sollte mich in zwei Wochen wieder besuchen. Entweder deshalb, weil er dort noch nicht war und will wissen, was ihn dort erwarten würde, wenn die Coronapandemie vorbei ist oder um sich eigene Erinnerungen an seinen Besuch aufzufrischen. Beide werde ich auf meiner Website willkommen heißen.