Es ist mir ganz klar, dass das antike Rom zu besuchen und die Eindrücke daraus in einem kurzen Text zusammenzufassen, eine Mission ist, die zum Scheitern verurteilt ist. Wo soll man eigentlich beginnen?
Über Artefakte aus antiken Zeiten stolpert man im römischen Zentrum überall, meistens sind sie in neuere Bauten eingebaut und dadurch ziemlich unauffällig, natürlich mit Ausnahme des Kolosseums.
Es gibt aber nicht nur das Kolosseum. In Rom gibt es insgesamt 13 Obelisken, mindestens zwei Siegessäulen, die erwähnenswert sind, drei Siegesbögen, zwei antike Therme, Paläste auf dem Palatin, den „Circus maximus“, das Marcellustheater und die ganze faszinierende „Piazza Navona“ entstand eigentlich auf dem Platz eines ehemaligen römischen Amphitheaters. Natürlich darf man nicht das Pantheon oder das Mausoleum des Augustus vergessen usw. usw. Also, wo soll man beginnen?
Die wichtigste Frage ist nicht wo, sondern wann. Und auf diese Frage gibt es – Gott sei Dank – eine klare Antwort – morgens und so früh wie möglich. Zum Glück kann man ein gemeinsames Ticket zum Besuch des Kolosseums und des Palatins mit dem „Forum Romanum“ an der Kassa bereits am Vortag kaufen – das Ticket ist 48 Stunden gültig. Also, wenn nachmittags vor dem Eingang in den Palatin eine mehr als eine Stunde lange Schlange steht, um neun Uhr morgens hatten wir den ganzen riesigen Komplex für uns allein. Wie die Römer, so auch die Touristen, sind in der Regel Langschläfer. Und so kann man von der Terrasse in dem „Giardino Farnesse“ ein Photo mit dem ganzen „Forum Romanum“ ganz allein machen, ohne von fotografiewütigen Menschenmengen bedrängt zu werden, die unbedingt ihren Besuch in der ewigen Stadt verewigen wollen.
Womit sonst sollte man sich fotografieren lassen, wenn nicht mit dem Zentrum der damaligen Weltmacht, mit dem „Forum Romanum“, wo beinahe tausendjahrelang die Zukunft der Welt bestimmt wurde.
Der Palatin ist eine wunderschöne Aussichtsplattform, man kann bis zum Petersdom im Vatikan sowie auch bis zu Thermen des Caracalla sehen. Direkt zu den Füßen liegt dann der „Circus Maximus“, wo einmal Wagenrennen stattfanden.
Kaiser Domitian hatte allerdings keine Lust, gemeinsam mit dem gemeinen Volk dem Rennen zuzuschauen, er ließ sich also direkt im Palast auf dem Palatin ein privates Stadion für Wagenrennen bauen, es wirkt auch heute noch imposant. Weil der Kaiser aber auch das Spektakel unter dem Palast nicht missen wollte, ließ er die Räume des Palastes so erweitern, dass er aus dem Fenster auch den Wagenrennen im „Circus Maximus“ zuschauen konnte. Später wurde der Palast auf dem Palatin mit privaten Thermen für den Kaiser bereichert, das Wasser wurde hierher in einem imposanten Aquädukt geleitet, der die Hügel Palatin und Caelius überbrückte. Obwohl heute nur die drei unteren Stockwerke des Aquäduktes erhalten geblieben sind, wirkt er trotzdem immer noch imposant.
Die Ruine des Palastes der kaiserlichen Familie der Flavier ist die größte Dominante des Palatinhügels, das Haus des Augustus oder der Livia wirken dagegen sehr bescheiden. Aber gerade das war der geniale Trick des ersten Kaisers – in der Öffentlichkeit wirkte er immer sehr bescheiden, damit er vom Volk geliebt wird. Und er selbst hasste Pracht, seine Gesetze gegen Luxus (sogar die Seife wurde als unangebrachter Luxus stark besteuert) waren berühmt. Die Flavier sind auch für das größte römische Monument verantwortlich, das Kolosseum. Für den Besuch des Kolosseums braucht man feste Nerven, man kann nämlich diese Sehenswürdigkeit niemals allein besuchen. Endlose Warteschlangen unter den Arkaden des Kolosseums, Gedränge und überfüllte Ausschichtsplattformen sind üblich. Natürlich auch hier gilt je früher desto besser, natürlich wenn man den Palatin sowie auch das Kolosseum in den frühen Morgenstunden besuchen will, muss man sich für Rombesuch einfach mehrere Tage einplanen. Der Eindruck ist sicherlich imposant, aber teuer bezahlt. Und nicht nur finanziell. Wichtige Mitteilung – die Kassen, die Eintrittskarten verkaufen, nehmen kein Bargeld, also Kreditkarte nicht vergessen!
An die Flavier erinnert der Titussiegesbogen am Eingang des „Forum Romanum“, den der Kaiser zur Ehrung seines Sieges über die aufständischen Juden bauen ließ. Im Jahr 70 n.Ch. eroberte der damalige Thronfolger Titus Jerusalem und zerstörte den dortigen Tempel so gründlich, dass man ihn nie mehr wiederaufbauen konnte und von ihm lediglich die Klagemauer blieb.
Zu diesem Zeitpunkt konnten die Römer mit dem Glauben an einen einzigen Gott noch nichts anfangen, obwohl in Rom bereits eine immer stärkere christliche Kommunität lebte – von der jüdischen ganz abgesehen. Zwei weitere Siegesbögen erinnern an Kaiser Konstantin den Großen (vor dem Kolosseum) und an Septimus Severus auf dem „Forum Romanum“ unter dem Hügel des Kapitols. Der letzte der Flavier Kaiser Domitian wurde durch seinen gewalttätigen Charakter berühmt, in seiner Zeit kam es zur ersten wirklichen Christenverfolgung (die erste in der Regierungszeit des Kaisers Nero ist eher eine literarische Fiktion des polnischen Schriftstellers Henryk Sienkiewicz. Die Prozesse gegen Christen nach dem Brand von Rom im Jahr 64 n.Ch. waren deutlich weniger blutig, obwohl sie einigen Anführer der damaligen christlichen Gemeinde, wie zum Beispiel den heiligen Paulus, das Leben kosteten). Domitian ließ als der erste die Massenhinrichtungen der Christen als große Spiele für das römische Volk veranstalten, die meisten Christen starben im Amphitheater, wo sich heute die „Piazza Navona“ befindet.
Dieser Platz wird von der Kirche der heiligen Agatha dominiert, die laut einer Legende auf dieser Stelle hingerichtet werden sollte. Nach dieser Legende bekannte sich dieses dreizehnjährige Mädchen leidenschaftlich zum neuen Glauben und bezahlte dafür mit seinem Leben. Weil nach den römischen Gesetzen keine Jungfrau hingerichtet werden durfte, gab es bereits seit der Zeiten Kaisers Tiberius einen Brauch, solche Mädchen vor der Hinrichtung zu vergewaltigen – durch eine solche Hölle mussten schon die Töchter des Prätorianerführers Seianus gehen. Gott entschloss sich aber, die Unschuld der heiligen Agatha zu schützen und ließ auf ihr so dicht Fell wachsen, dass man keinen Freiwilligen fand, der bereit wäre, sie zu entjungfern. Letztendlich sollte sie auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden, aber ihre Gebete waren so stark, dass sie jedes Mal die Flammen erstickten. Der Henker sah keine andere Möglichkeit, als ihr die Kehle durchzuschneiden, damit sie mit beten aufhörte. Ihre Kirche ist heute die Dominante des Platzes, direkt neben der wunderbaren Fontäne von Bernini.
Das „Forum Romanum“ ist eine große Fläche voller Ruinen. Beherrscht wird es von der Maxentiusbasilika, genauer gesagt von ihren rudimentären Resten, die immer noch mit ihren imposanten Dimensionen bestürzt machen. Die Basilika war eigentlich ein Markt und eine Versammlungsstätte für römische Bürger, die spätere Bedeutung einer christlichen Kirche bekam das Wort aus dem gleichen Grund, nur die Christen trafen sich hier nicht wegen Einkäufen, Abstimmungen oder Diskusionen über politische Themen, sondern zum Gottesdienst. Die Kurie nahe dem Kapitol, wo der römische Senat tagte, ist rekonstruiert worden. Das einzige Gebäude auf dem Forum, das in einigermaßen brauchbarem Zustand überlebte, ist der Tempel von Antoninus Pius und seiner Frau Faustina. Und natürlich auch der bereits erwähnte Triumphbogen des Septimius Severus. (Der übrigens in Carnuntum im heutigen Niederösterreich zum Kaiser ausgerufen wurde). Die übrigen Gebäude am Forum wie der Tempel von Kastor und Polux oder der Göttin Vesta, wo die ewige Flamme brannte, sind heute nur Ruinen.
Wenn man das „Forum Romanum“ auf dem Weg um den Tempel von Antoninus Pius und Faustina verlässt, kommt man zu kaiserlichen Foren. Augustus (und vor ihm schon auch Caesar) hatten das Gefühl, dass das „Forum Romanum“ einfach nicht genug Platz bietet. Er baute also in seiner Nähe ein neues Forum. Weil während seiner Regierung nur wenige Kriege geführt worden sind, dafür aber um so mehr Gerichtsprozesse, nannten die Römer sein Forum „Forum der Anwälte“. Und so blieb es auch. Sehr dominant ist das Forum des Kaisers Trajan mit riesigen Markthallen, die diesem Zweck auch heute noch dienen und mit der Trajansäule. Diese unübersehbare Dominante ließ der Kaiser zur Ehre seines Sieges über die Daker, nach dem er die Region des heutigen Rumäniens an das Römische Reich angeschossen hatte. Die vergoldete Statue des Kaisers auf der Säulenspitze teilte das Schicksal aller kaiserlichen Statuen. Im Mittelalter verschwanden sie alle und wurden durch Engel oder Heilige ersetzt.
Heute steht auf der Trajansäule die Statue des heiligen Petrus, die dorthin Papst Sixtus V. unterbringen ließ
Ähnlich war das Schicksal der Statue von Marcus Aurelius auf seiner Siegessäule, die ein Wahrzeichen eines römischen Platzes ist, der sogar seinen Namen nach dieser Säule erhielt „Piazza Colonna“. Anstatt Marcus Aurelius steht auf der Säule, die dieser Kaiser zu Ehre seines Sieges über Markomannen und Quaden, die auf dem Gebiet der heutigen Tschechei und Slowakei lebten, der heilige Paulus. Marcus Aurelius hatte trotzdem ein ungewöhnliches Glück. Seine Reiterstatue blieb erhalten und steht heute vor dem Eingang in die Kapitolinischen Museen. Lange wurde diese Statue nämlich für die Abbildung des Konstantin des Großen gehalten, der von der katholischen Kirche heilig gesprochen wurde (zu diesem Zweck musste die Kirche eine Legende über die Taufe des Kaisers in seinem Sterbebett frei erfinden, weil ein heiliger Heide, egal mit welchen Verdiensten für die Kirche – war einfach „no go“) und Statuen der Heiligen vernichtet man halt nicht. Als man diesen Irrtum entdeckte, erhielten die antiken Denkmäler inzwischen ihren heutigen Status und ihre Vernichtung war nicht mehr „in“. Aus diesem Grund konnte Marcus Aurelius Statue überleben.
Nur ein paar Schritte von seiner Säule auf der „Piazza Colonna“ entfernt, die um das italienische Parlament mit einem weiteren Obelisk vor seiner Fassade führen, befindet sich das Pantheon.
Diesen monumentalen Tempel aller Götter (Also den sieben Götter, die mit den Planeten identifiziert wurden) ließ im Stadtzentrum der Freund des Kaisers Augustus Agrippa bauen, sein derzeitiges Aussehen stammt aus der Zeiten des Kaisers Hadrian und in der neuen Zeit diente er als Grabstätte der italienischen Könige. und auch der geniale Maler Rafael fand hier seine letzte Ruhestätte. Wenn sich Augustus selbst lobte, dass er am Anfang seiner Herrschaft eine Stadt aus Holz übernommen hatte und für seine Nachkommen eine Stadt aus Marmor hinterlassen hat, konnte er sich dafür bei seinen zwei nächsten Freunden Gaius Maecenas und Marcus Vipsanius Agrippa bedanken. Dieser bester Freund von Augustus und später der Gatte seiner Tochter Julia war ein aufrichtiger Kerl ohne Machtambitionen, dafür aber sehr aktiv beim Bau von Aquädukten für die Wasserversorgung der Stadt und vieler Gebäude, die das Gesicht der Stadt wesentlich veränderten. An Augustus selbst erinnert seine Grabstätte, sehr ähnlich der von Hadrian, also der Engelburg, aber viel bescheidener. Für die Öffentlichkeit ist sie nicht zugänglich. Die Ruinen des Mausoleums von Augustus sind heutzutage mit einem Zaun umgeben, die Relikte aus diesem Grabmal werden in einem Museum in seiner Nähe ausgestellt.
Gerade dank Augustus und seiner Freunde blieb aus dem republikanischen Rom nur sehr wenig erhalten. Das Trio Augustus, Agrippa und Maecenas bemühten sich sehr, das Gesicht der Stadt entscheidend zu verändern und aus Rom eine echte „Metropolis“ zu machen. Das gelang ihnen auch großteils. Der zweite große Eingriff war dann der Brand von Rom im Jahr 64, wo die oder der Täter noch immer nicht mit Sicherheit ausgeforscht werden konnte. Vielleicht war es wirklich der Kaiser Nero, der die Architektur der Stadt noch mehr prägen wollte als sein Vorgänger Augustus. Bestraft wurden die Christen nach dem Motto aus dem Film Casablanca „verhaftet die üblichen Verdächtigen“. Sie waren im heidnischen Rom mit ihrer Lehre in jedem Fall verdächtig. Aus dem Werk Neros blieb allerdings nur sehr wenig erhalten. Nicht einmal der neunte Monat im Jahr behielt seinen Namen – nach dem Vorbild Julius Caesar (Juli) und Augustus (August) sollte September Nero heißen. Es blieb nicht so, nach dem Tod des ungeliebten Kaisers erhielt September wieder seinen alten Namen, also einfach „der siebente Monat“ Warum unserer neunter Monat damals der siebente war, das ist eine andere Geschichte. Auch aus der gigantischen Statue Neros, die er vor seinem Palast errichten ließ und die Kaiser Vespasianus entfernen ließ, blieb nur der Name – also Kolosseum. Dieses imposante Gebäude, ohne das Rom wie Paris ohne Eifelturm oder Prag ohne Hradschin wäre, hieß offiziell nach seiner Erbauern Circus Flavius. Weil aber auf der Stelle gebaut worden ist, wo vorher die Neros Statue stand und wegen seiner Größe „Koloss“ hieß, nannten Leute das neue Gebäude im Volksmund Colosseum – und so blieb es auch. Aus dem gigantischen Palast von Neros „Domus aureus“ (das goldene Haus) blieb nur ein Teil der Keller erhalten und der Besuch ist permanent sehr problematisch. Diese Ruinen wurden im Jahr 2003 entdeckt und seitdem werden sie ständig repariert, da hier immer wieder etwas abstürzt.
Aus den Zeiten der römischen Republik, also aus der tiefsten Schicht der römischen Geschichte, blieb wirklich nur sehr wenig erhalten. Die „Kurie“ ist in die heutige Form rekonstruiert worden. Wir wissen allerdings, dass dieses Gebäude auch aus der Zeit des Augustus stammt, weil die alte Kurie einem Brand zu Opfer fiel. Aus diesem Grund wurde Caesar nicht auf dieser Stelle, sondern im Pompeiustheater ermordert, wo das römische Parlament damals vorrübergehend einen Zufluchtsort fand. Das Pompeiustheater blieb nicht erhalten, dafür steht das Marcellustheater (gewidmet dem zu früh verstorbenen Schwiegersohn des Augustus) auch heute noch. Im Mittelalter baute es nämlich die Familie Orsini zu einem befestigten Palast um, weil in Rom es niemals genug Sicherheit und Befestigungen gab.
Der „Circus maximus“ unter dem Palatin diente zwar seinem Zweck bereits in königlichen römischen Zeiten (gegründet wurde er angeblich von König Tarquinius Priscus, der in den Jahren 616 – 579 vor Christus herrschte), und dann die ganze Zeit der römischen Republik, seine derzeitige Gestalt gab ihm aber Caesar im Jahr 46 vor Christi, als das Ende der Republik bereits eingeläutet worden ist. Es wäre nicht Augustus gewesen, wenn er diese römische Dominante nicht noch einmal umgebaut hätte – in erster Linie ließ er hier eine kaiserliche Loge einbauen, da er nicht unter dem einfachen Volk sitzen wollte. Leider wurde der ganze Marmor aus den Tribünen und Sitzen längst von Römern als Baumaterial verwendet, heute sind also die ehemaligen Tribünen grün. Es ist aber noch immer angenehm, sich hier niederzusetzen und zu jausen, oder nur in der Sonne zu liegen.
Möglicherweise bin ich jetzt an den Punkt angelangt, an dem ich meine drei römischen Einblicke beenden sollte. Es ist mir klar, dass ich bei weitem nicht alle Sehenswürdigkeiten der ewigen Stadt beschreiben konnte, nicht einmal die wichtigsten. Aber möglicherweise treffen einige meine Leser die Entscheidung, die italienische Hauptstadt zu besuchen – zumindest, wenn der ganze Wahnsinn von Coronavirus vorbei sein wird.
Es zahlt sich aus.
Damit muss ich meine Berichte über italienische Städte vorübergehend einstellen. Zumindest bis zu meinem nächsten Besuch Italiens. Was aufgrund der derzeitigen Pandemie auch längere Zeit dauern könnte.
Aber zum Schluss kommt in zwei Wochen noch eine Kurzgeschichte aus der Historie des alten Roms und danach könnten wir ein anderes, derzeit ebenso gesperrtes Land besuchen – das Heilige Land, Israel.