„Bologna rosa“, also das rote Bologna, wird die Stadt genannt und das hat gleich zwei Gründe. Den ersten versteht man, wenn man die Stadt vom Dach der Kirche des heiligen Petronius aus betrachtet, also beinahe aus der Vogelperspektive. (Übrigens, auf diese Aussichtsplattform brachte mich ein sehr vertrauensunwürdiger Lift, den in der Woche die Arbeiter nutzten, um das Dach der Kirche zu reparieren und am Wochenende diente der gleiche Lift zur Beförderung der Touristen zur Aussichtsplattform). Weil, noch bevor ich den Lift betreten durfte, drei Dokumente unterschreiben musste, in denen ich einverstanden war, dass ich den Lift nur auf eigene Gefahr betrat und der Liftbetreiber für gar nichts haftete, hatte ich während der Fahrt ein mulmiges Gefühl im Bauch, aber es passierte nichts Schlimmes. Die Aussicht war atemberaubend. Die Häuser sind wirklich aus roten Backsteinen und ohne Anstrich gebaut, was der Stadt ein kompaktes Bild in rotem Ton verleiht.
Über den zweiten Aspekt zeugen hunderte Fotografien an der Mauer des Rathauses. Es sind Fotografien der Partisanen, die hier im Kampf gegen den italienischen Faschismus das Leben verloren, insbesondere in der Zeit der sogenannten „Norditalienischen Republik“, als Mussolini nur mehr eine Marionette der deutschen Nationalsozialisten war. Bologna war immer eine Stütze der italienischen Linken, entweder der Sozialdemokraten oder in angespannten Zeiten auch der Kommunisten. Auch Benito Mussolini machte mit Bologna eine schlechte Erfahrung. Der Attentäter Anteo Zamboni, der versuchte, ihn am 31. Oktober 1926 zu erschießen, stammte aus Bologna und wählte zum Attentat gerade seine Geburtsstadt. (Zamboni war 15 Jahre alt und wurde gleich nach dem Attentat gelyncht).
Warum die bolognesische Politik traditionell nach links ausweicht, ist wahrscheinlich die Folge der Menge junger Menschen, die hier leben und studieren. Wie Wilson Churchill einmal gesagt hat: „Wer mit zwanzig kein Sozialist ist, hat kein Herz, wer mit vierzig noch immer ein Sozialist ist, hat keine Vernunft“. In Bologna lebt eine riesige Menge zwanzigjähriger Menschen, was mit der Tatsache zu tun hat, dass es hier die älteste europäische Universität gibt. Eigentlich existiert von ihr – im Gegenteil zu den Universitäten in Neapel oder Padua, die um den zweiten und dritten Platz ringen (lassen wir Pavia zur Seite, über dieses Problem habe ich bereits geschrieben), keine Gründungsurkunde und damit kann man kein genaues Datum feststellen, wann die erste Hochschule auf dem Kontinent entstanden ist. Irgendwann am Ende des 11. Jahrhunderts schlossen sich einige örtlichen Schulen zusammen und so ist die erste Universität entstanden. Im 19. Jahrhundert wurde das Datum im Jahr 1088 festgelegt, eigentlich etwas willkürlich, da die Urkunde fehlte. Es wurde hier Jus, Medizin, natürlich Theologie und die freien Künste unterrichtet, heutzutage hat die Universität 23 Fakultäten mit 100 000 Studenten. Sollten Sie sich aber für das Studium in Bologna entscheiden, müssten sie auf eine Sache aufpassen.
Das Wahrzeichen von Bologna sind zwei schiefe Türme, die man gut von der „Piazza Maggiore“ aus sehen kann.
Der Turm in Pisa ist im Vergleich mit den Schwestern (oder Cousinen) von Bologna gerade wie eine Kerze. Der höhere der Türme „Torre degli Asinelli“ hat eine Höhe von 100 Meter und weicht um 1,3 Meter nach rechts. Wenn ein Student seine Spitze auf 498 Stufen erklimmen würde, rückte der Studienabschluss in unerreichbare Ferne. Der kleinere Turm „Torre Garisenda“ ist nur 48 Meter hoch, dafür aber beträgt seine seitliche Abweichung ganze 3,2 Meter – nach links. Wie ich schon sagte – in Bologna hat alles eine Neigung, nach links abzuweichen, inklusiv der Politik. Die zwei Türme sind nur die auffälligsten von vielen anderen. Es sind die Türme der adeligen Paläste, die sich die erhabenen Familien bauen ließen, als sie vom Bürgertum gezwungen wurden, aus ihren Burgen am Lande in die Stadt umzuziehen. Die Türme waren ein Zeichen der Erhabenheit der Bewohner des Hauses, natürlich auch ein Verteidigungsaspekt und nicht zuletzt auch ein Phallussymbol. Ursprünglich gab es in der Stadt 180 solche Türme, heute gibt es noch immer fünfzehn davon.
Natürlich habe ich mich gleich beim Betreten des Stadtzentrums aufgeregt. Furchtbar aufgeregt! Die Hauptattraktion der Stadt ist nämlich der Neptunbrunnen auf einem Platz, der sogar nach ihm den Namen trägt.
Die Statue wurde vom Bildhauer Giambologna im Jahr 1566 geschaffen und zur Zeit, als ich die Stadt besucht habe, wurde sie natürlich repariert oder restauriert, sie war also von einem Gerüstmantel umhüllt und nicht sichtbar. Ich knirschte mit den Zähnen und war neugierig, wie Bologna diesen Verrat kompensieren könnte. Die Stadt hat aber, Gott sei Dank, viel Weiteres zu bieten.
Die Dominanten der Stadt sind drei Gebäude, die Kirche des heiligen Petronius, der „Pallazo del Re Enzo“ und der „Palazzo communale“, also das Rathaus. Alle drei sind so riesig, dass man vor ihnen atemlos stehen bleibt.
Beginnen wir mit dem Palast des Königs Enzio.
Es passiert nur sehr selten, dass ein Gebäude den Namen nach seinem prominentesten Gefangenen bekommt. Der Palast direkt im Zentrum der Stadt hat eine interessante Geschichte, besonders interessant ist dann sein Name. Enzio war ein unehelicher Sohn des Kaisers Friedrich II. und sein bester Heerführer. Eine bestimmte Zeit, als er die Erbin der Provinz Gallura auf Sardinien geheiratet hatte, nannte er sich „König von Sardinien“. Weil aber der Papst diese Ehe niemals billigte, wurde aus dem Königstitel letztendlich nichts. Sein Vater ließ ihn Norditalien verwalten und Enzio machte sein Job erfolgreich und erbarmungslos. Bologna war immer im päpstlichen Lager, es lag letztendlich im Kirchenstaat. Die Bürger von Bologna waren also Guelfen und hatten mit Ghibellinen und mit ihrem Anführer Enzio nicht gerade kleine Probleme. Und dann hatten sie ein unerwartetes Glück. Am 26.Mai 1249 wurde Enzio in einem unbedeutenden Scharmützel bei Fossalta unweit von Modena vom Heer der Stadt Bologna gefangen genommen. Der Kaiser bot unglaubliches Lösegeld an, er war bereit, die ganze Stadt mit einem Ring aus Silber zu umgeben, wenn sein Sohn freigelassen würde. Die Bolognesen, die sich die mögliche Rache des freigelassenen Enzio gut vorstellen konnten, blieben für alle kaiserliche Angebote taub. Enzio blieb in der Gefangenschaft bis zu seinem Tod am 14. März 1272. Es war aber ein bequemes Gefängnis. Er bewohnte einen Palast, der damals noch „Palazzo nuovo“ geheißen hat, er musste also nur vor kurzer Zeit fertiggestellt worden sein. Enzio durfte dort Feiern veranstalten und Besuche empfangen – auch die weiblichen. Damen haben ihn gern besucht, da Enzio in sich poetische Begabung entdeckte und im Stil der gerade damals entstehenden Renaissance dichtete, also nach der „Scuola nuova siciliana.“ Es blieben uns zwar nur seine melancholischen Sonette über den Untergang des Hauses Hohenstaufen erhalten (der letzte Staufe, Enzios Neffe Konradin wurde im Jahr 1268 in Neapel hingerichtet, Enzio selbst wie auch der König von Sizilien Manfred und seine Kinder waren unehelich und damit nicht offiziell Mitglieder der Familie), aber die neue sizilianische Schule dichtete sehr häufig über die Liebe und dieses Thema mied Enzio sicher nicht. Nach seinem Tod tauften die Bologneser den Palast auf „Palazzo del Re Enzo“ um, sie sprachen also ihren Gefangenen sogar mit seinem Königstitel an, der von ihrem Herrn, dem Papst, nie akzeptiert wurde.
Auf der anderen Seite des Platzes gegenüber dem „Palazzo Re Enzo“ steht die größte Kirche in Bologna, die Kirche des heiligen Petronius.
Der heilige Petronius, der Patron der Stadt, war Bischof von Bologna in den Jahren 432 – 450. Sein Grab befindet sich in der Kirche, die er selbst gegründet hatte, also in der Kirche des heiligen Stephanus, sein Name trägt aber die größte Kirche der Stadt. (In der zumindest der Kopf des Heiligen als die heilige Reliquie aufbewahrt ist). Auf den ersten Blick sind an dem Dom von Bologna zwei Sachen auffällig. Es ist nur das Erdgeschoß mit Marmorplatten verkleidet, höher auf der Fassade sind nur mehr Backsteine zu sehen (natürlich in rot). Und was das Auffälligste ist, die Kirche hat kein Querschiff. Alle Kirchen wurden immer in der Form eines Kreuzes gebaut, der „Heilige Petronius“, obwohl er ein gigantischer fünfschiffiger Bau ist, hat kein Querschiff. Beide Aspekte, die ich nannte, geben dem Menschen ein Gefühl, das die Kirche nicht fertiggestellt wurde. Und der Bau ist wirklich nie vollendet worden. Die Bologneser wollten nämlich die größte Kirche in Italien bauen, größer als die Kirche des heiligen Petrus in Rom. Im Jahr 1509 wurde aber die Stadt vom Papst Julius II. eingenommen, also gerade von dem Papst, der die Kirche des heiligen Petrus in Vatikan bauen ließ und Michelangelo zwang, ihm die Sixtinische Kapelle auszumalen. Julius II. vertrieb aus der Stadt die herrschende Familie Bentivoglio (eigentlich kam er seine „geliebten“ Untertannen zu schützen, die gegen die Familie Bentivoglio einen Aufstand angezettelt hatten, geschlagen wurden und nicht mehr wussten, was sie tun sollten). Sie riefen den Papst zu Hilfe und der machte dem Eifer bei dem Bau ein rasches Ende. Er durfte natürlich nicht zulassen, dass seine Kirche in Rom übertroffen würde. Er machte es taktisch richtig. Er verbot die Fortsetzung des Baus nicht, aber an der Stelle, an der das Querschiff gebaut werden sollte, ließ er das Gebäude der Universität bauen. Und das wars! Die Reste der Bausubstanz, aus der das Querschiff entstehen sollte, sind auch heute noch sichtbar, das Universitätsgebäude im Stil der Renaissance mit Arkadenhof, mit Wappen der Rektoren an den Wänden, mit einer riesigen Bibliothek (Biblioteca communale) und Teatro anatomico, steht aber bis heute.
Das „Teatro anatomico“ aus dem Jahr 1563 ist ein Saal, in dem öffentliche Obduktionen stattgefunden haben. Die Decke wurde symbolisch mit dem Bild des Heilungsgottes Apollo geschmückt. In der Mitte steht der Obduktionstisch aus Marmor, unter dem Baldachin an der Wand gibt es den Sitz des Rektors. Der Baldachin wird von zwei männlichen hautlosen, aus Holz geschnittenen Figuren getragen. Die Obduktionen fanden unter der Aufsicht eines Priesters der Inquisition statt, der jeder Zeit die Obduktion abbrechen durfte, wenn sie seiner Meinung nach nicht der Lehre der katholischen Kirche entsprach. In den Wänden stehen Bänke aus Zedernholz, der Raum ist sehr schön. Die hier ausgestellten Dokumente bezeugen, dass hier seit dem Jahr 1732 die erste Frau in der Position eines Universitätsprofessors, Laura Bassi, tätig war.
Der heutige Sitz der Universität befindet sich immer noch im Stadtzentrum, ist aber in Richtung der Peripherie verschoben, er ist im Palazzo Poggi und das gesamte Viertel um diesen Palast ist voll mit Graffiti, Poster und Anzeigen für Veranstaltungen der Studenten. Man merkt, dass das ganze Universitätsviertel wirklich den Studenten gehört. Bologna ist auf seine Universität sehr stolz und Studenten genießen hier viele Privilegien und erfreuen sich vieler Toleranz.
Aber zurück zur Kirche des Heiligen Petronius, oder dazu, was aus ihr vollendet wurde. Trotz Eingriffe der Päpste Julius II. und Pius IV. ist es immer noch die fünftgrößte Kathedrale der Welt – zumindest behaupten das die Bologneser. Es ist eine fünfschiffige Kirche im gotischen Stil, das Innere macht den Besucher atemlos. Historisch am meisten interessant ist aber die erste Kapelle links. Hier fand am 24. Februar 1530 die letzte Krönung eines römischen Kaisers statt. Karl V. hat keine große Lust zu seiner Krönung nach Rom zu reisen, drei Jahre zuvor wurde Rom nämlich von seinen Soldaten furchtbar geplündert (Sacco di Roma) und er fürchtete, dass er demzufolge in der Stadt am Tiber nicht gerade große Popularität genoss. Im Jahr 1529 schlossen der Kaiser und der Papst den „Frieden von Barcelona“ der auch durch Heirat ihrer unehelichen Kinder besiegelt wurde. Die Tochter des Kaisers, Margarete, heiratete den Herzog von Urbino Lorenzo, den „Neffen“ des Papstes Klement VII., von dem alle wussten, dass er ein Sohn des Papstes war. Ein Teil des Friedensvertrages legte auch die Verpflichtung des Papstes zur Krönung des Kaisers fest, deshalb kam Karl nach einem längeren Stopp in Mantua nach Bologna.
Später ließ sich kein Kaiser mehr vom Papst krönen. Karls Bruder Ferdinand I. hatte keine wirklich harmonischen Beziehungen zu den Herren in Vatikan und nannte sich also einfach „gewählter römischer Kaiser“, und in dieser Praxis folgten ihm dann alle folgenden Herrscher des römischen Reiches. Der Papst wurde zu einer kaiserlichen Krönung nur noch von Napoleon Bonaparte im Jahr 1804 wieder einmal eingeladen.
Das dritte Gebäude auf der „Piazza Maggiore“ ist der „Palazzo communale“, also das Rathaus. Es ist ein unglaublich riesiges Gebäude, das ein ganzes Stadtviertel einnimmt.
Mit Innenhöfen, einzelnen Palästen, natürlich alles in roter Farbe. Bramante baute hier eine Treppe, auf der in das erste Obergeschoß Menschen auf Pferden reiten konnten, man konnte sogar dort mit Kutschen fahren. Das Rathaus wurde nach der Einnahme der Stadt durch die päpstliche Armee gebaut, deshalb gibt es im ersten Obergeschoß die Kapelle Farnese mit wunderschönen Fresken, die an diese einflussreiche päpstliche Familie, die später in Parma und Piacenza herrschte, erinnern. An der Fassade des Rathauses sind Fotos der Partisanen, die im Kampf gegen Mussolini starben, aber auch eine Gedenktafel an die Opfer der Massaker auf Korfu und Kefalonia, wo die Deutschen als eine Rache für italienischen Verrat alle gefangene italienische Soldaten ermordeten. (Wer den Film Corellis Mandoline sah, weiß, welches furchtbare Verbrechen der Nazis es war)
Aber auch wenn wir die Piazza Maggiore verlassen, kann man in Bologna noch immer sehr viel sehen. Zum Beispiel die Kirche des heiligen Stephanus die „Basilica di Santo Stefano“.
Es handelt sich eigentlich um vier miteinander verbundene Kirchen aus dem 5. bis 11. Jahrhundert (ursprünglich gab es hier sieben von ihnen). Es sind die „Chieza del Crocefisso“, wo es den Eingang in den Komplex gibt und wo die Knochen des Gründers der Kirche, des heiligen Petronius, liegen (also außer des bereits erwähnten Kopfes). Dann geht man durch die „Chiesa del Santo Sepolcro“, die ursprünglich ein Baptisterium war, was man an dem sechseckigem Grundriss erkennen kann. Neben ihr steht die „Cortile di Pilato“ mit einem Becken, in dem Pontius Pilatus nach der Urteilsspruch über Christus seine Hände waschen sollte (das Becken stammt zwar aus dem achten Jahrhundert, ich würde aber in Bologna nicht laut darüber sprechen). Die „Chieza della Trinitta“ ist mit der „Chieza Santi Vitale e Agricola“ verbunden, die aus römischen Zeiten stammt, es könnte sich hier also wirklich um eine Kirche handeln, die der heilige Petronius persönlich gegründet hat. Vor diesen Kirchen gibt es einen romantischen Platz die „Piazza San Stefano“. Ein Aperolspritz kam hier auf 5 Euro. Im Preis ist also auch der romantische Blick ufn die Kirchen und schöne herumstehende Gebäude inbegriffen.
In Bologna gibt es auch die Kirche des heiligen Dominikus. Der Gründer des Ordens der Predigermönche starb hier am 6.August 1221 und ist in der Kirche, die seinen Namen trägt, auch begraben. Wer das bescheidene Grabmal von Franziskus in Assisi gesehen hat, versteht, welchen Unterschied es zwischen diesen zwei konkurrierenden Orden gab, auch welches Verhältnis zu ihnen die offizielle kirchliche Macht pflegte. Die Dominikaner als „Geheimpolizei des Papstes“ wurden „Domini canes“ also „Hunde des Herren“ anstatt „Dominicani“ genannt und genossen die Gunst des Papstes. Das Grabmal des heiligen Dominikus ist riesig und an ihm arbeiteten die berühmtesten Künstler der Renaissance, wie Nicolo Pisano, der das Grabmal entworfen hat und des Manierismus. Auch der damals noch junge Michelangelo trug zwei Engelstatuen und die Statue des heiligen Petronius bei.
Paradox ist, dass in der gleichen Kirche wie dieser päpstliche Heilige auch der Erzhäretiker Enzio, der Sohn des von den Päpsten meistgehassten Kaisers, begraben ist. Wie sich die zwei verstehen, ist für mich ein Rätsel, allerdings wurden in der Kirche keine heftigen seismischen Aktivitäten registriert, die dafür sprechen würden, dass die zwei streiten würden oder sogar handgreiflich wären. Nicht weit von hier steht die Kirche des heiligen Franziskus mit dem Grab des Papstes Alexander V., einer der ersten Bauten im französischen gotischen Stil in Italien.
Auf dieser Stelle ein kurzer Abstecher zum Michelangelo. In Bologna schuf er noch ein sein Werk, eigentlich eines seinen größten. Im Auftrag Papstes Julius II., als dieser Bologna erobert hatte, schuf Michalangelo seine riesige Statue mit Tiara und Zepter, die vor die Kirche des heiligen Petronius aufgestellt wurde. Sie wurde am 21. Februar 1508 eingeweiht, Michelangelo verließ nachher Bologna in Richtung Rom, um die Decke der Sixtinischen Kapelle auszumalen. Die Statue Julis II. findet man aber in Bologna nicht mehr. Drei Jahre später zerschlugen sie Bürger von Bologna, die gegen den Papst einen Aufstand begannen. Nicht einmal Werke eines Genies sind vor einer Revolution sicher.
Aber nicht nur durch die Kulturdenkmäler lebt der Mensch und schon überhaupt nicht in Bologna. Bologna ist eine Stadt, die für Shopping einfach geschaffen worden ist – ich hoffe, liebe Damen, dass Sie gerade jetzt Ihre Ohren gespitzt haben. Es gibt kaum eine Straße ohne Bogengänge, ihre Gesamtlänge in der Stadt beträgt 37,6 Kilometer!!!
Die meisten sind mit Fresken geschmückt, die Hauptsache aber, überall gibt es Geschäfte, Cafés, Delikatessenläden und Konditoreien, also von einem Geschäft in einen Cafe, dann in das nächste Geschäft, also wer ein Bummeln durch Geschäfte und Boutiquen liebt, ist hier absolut richtig. Ein schöneres Ambiente zu diesem Zweck findet man nirgends. Am dichtesten sind die Geschäfte im Viertel „Quadrilatero“ konzentriert, in ehemaligem römischem Bologna, als die Stadt noch Bononia hieß. Sollten jemandem die Geschäfte und Boutiquen in den Bogengängen zu teuer oder zu langweilig vorkommen, dann kann er ein paar hundert Meter vom Zentrum weitergehen (natürlich vom Unwetter durch einen Bogengang geschützt) und zwar zum Flohmarkt auf dem „Platz des achten August“ – „Piazza otto Agosto“.
Auf einem riesigen Platz wird wirklich alles Mögliche verkauft und zwar zu Preisen zwischen 3 und 5 Euro. Es fehlt keine einzige gefälschte berühmte Marke, egal ob Handtaschen, Schuhe oder Uhren. Bitte aber auf die Geld- und Handtaschen aufpassen, nicht einmal zahlreiche anwesende Polizisten haben hier alles unter Kontrolle. Der Flohmarkt machte Bologna weit über ihre Grenzen berühmt, aus der Nähe beobachtet alles der unverzichtbare Garibaldi aus dem Sattel seines Pferdes. Einen Bogengang gibt es auch auf dem gesamten 3,6 km langen Weg, der von der „Porta Saragossa“ auf den Hügel hinter der Stadt führt, wo die Kirche „Santa Maria de Luca“ steht. Von hier gibt es atemberaubende Ausblicke nicht nur auf die Stadt, aber auch auf den Apennin und bei klarer Sicht kann man angeblich von hier auch die Alpen sehen. Als wir dort waren, gab es keine ganz klare Sicht, also mussten wir uns mit einem Blick auf die roten Dächer der Stadt mit den dominanten Kirchen zufriedengeben. Es war trotzdem wunderschön. Die hier stehende Kirche ist durch die Ikone der Maria mit dem Kind (Beata vergine di san Luca) berühmt, die einer Legende nach Evangelist Lucas höchstpersönlich gemalt haben sollte.
Die Öffnungszeiten der Kirche entsprachen keinesfalls der Angaben im touristischen Führer, also kamen wir in die Kirche fünf Minuten vor zwölf, als die Kirche geschlossen werden sollte und die Ikone haben wir ganze zehn Sekunden sehen dürfen. Einer Karbonanalyse zu Folge wurde ihr Alter auf zwölftes Jahrhundert bestimmt, aber die byzantinischen Reliquienverkäufer waren – wie bekannt – sehr erfinderisch und die Stadt Bologna hatte zu dieser Zeit viel zu viel Geld. Es beruhigte mich, dass es sich um eine Fälschung handelte. Sollte der Kollege Lucas (Arzt und Schriftsteller) auch noch ein begabter Maler sein, wäre mir das wirklich einfach zu viel.
Um nicht zu vergessen, Bologna ist eine italienische Stadt, also zum Schluss etwas über das Essen. Natürlich gibt es eine bekannte Spezialität. Aber bitte „Spagetti bolognese“ dürfen Sie überall auf der Welt verlangen nur nicht in Bologna! Original sind nämlich Tagliatelle (ev. noch Fettucini) bolognese, also breitgeschnittene Nudelsorten, die das Fleischragu mit der typischen Soße besser aufnehmen. Ich bestellte unter dem Bogengang „Palazzo Re Enzo“ „tagliatelle bolognese“ ohne ins Menu zu schauen und verdiente dafür ein liebes Lächeln der Kellnerin – in ihren Augen wurde ich gerade in die zivilisierte Gesellschaft aufgenommen. Möglicherweise verdiente ich mir das Lächeln durch meine Anrede „Signorina bella“. Weil meine Frau anwesend war, konnte das Mädchen keine unanständige Gedanken oder Angebote von mir erwarten und hübsch war es allemal. Sie brachte zu den Nudeln auch eine große Portion des geriebenen Parmesans. Als ich nach dem guten Essen noch zwei „Espressi“ bestellte, habe ich sie offensichtlich vollkommend gewonnen. Der Zucker stand auf dem Kaffeespiegel genau die vorgeschriebenen fünf Sekunden, bis er zum Boden sank. Die Welt kann manchmal wirklich schön sein.
In diesem Augenblick habe ich Bologna den Neptun verziehen. Ich komme noch einmal ihn anzuschauen. Übrigens habe ich es nicht geschafft, das Museum der Stadtgeschichte zu besuchen und eine Menge weiterer Verlockungen. Meine Frau übrigens, obwohl sie offiziell Shopping hasst, ist dem Zauber von Bologna auch erlegen.