Die Geschichte von Montenegro ist kompliziert, aber auch interessant – vor allem aber ziemlich kurz. Trotzdem stößt man auf ältere Relikte, die aus der Zeit des Fürstentums Zeta stammen, das einmal auf dem Gebiet von Montenegro lag oder auf Spuren der venezianischen oder türkischen Herrschaft – das alles verleiht diesem exotischen Land sein spezifisches Flair.

               Montenegro war immer mit seinem mächtigen Nachbarn im Osten – Serbien – verbunden. Deshalb kämpften die Montenegriner auf serbischer Seite in der Schlacht gegen die Türken auf dem Amselfeld im Jahr 1389 und gemeinsam mit ihnen erlitten sie eine katastrophale Niederlage. Es dauerte trotzdem noch mehr als hundert Jahre, bis sie von den Türken beherrscht wurden und auch das niemals vollständig. Der Grund dafür sind die geographischen Verhältnisse – was sollte die Hohe Pforte mit einem Land zwischen hohen Bergen mit einem steinigen unfruchtbaren Boden schon anfangen? Sollten hier türkische Soldaten sterben, nur damit sich jemand vor dem Sultan beugen würde? Die Türken hatten andere Sorgen und die waren die von Venezianern kontrollierte adriatische Küste.

               An der Küste von Montenegro befinden sich vier Städte (die fünfte ist Herzeg Novi, um die zwar damalige Weltmachten auch kämpften, wovon die spanische Festung in dieser Stadt zeugt, diese Stadt erreichte aber nie die Bedeutung ihrer Nachbaren und auch in der heutigen Touristik spielt eine untergeordnete Rolle.) Jede Stadt ist anders und jede hat eine andere Bedeutung. Wir schauen uns also die übrigen vier an.

               Bar ist eine moderne kleine Stadt mit einem industriellen und einem militärischen Hafen, die dank der Eisenbahn, durch die sie mit Beograd verbunden ist, eine ökonomische Schlüsselposition in der montenegrinischen Wirtschaft besitzt.

               Budva ist wahrscheinlich die schönste der montenegrinischen Städte und ist ein inoffizielles Zentrum der Touristik mit einem beeindruckenden Nachtleben.

               Kotor hat ein melancholisches Flair, besonders für Menschen, die auf dem Gebiet der ehemaligen Donaumonarchie aufwuchsen, hier war einmal die österreichische Seemacht stationiert.

               Ulcinj als die südlichste montenegrinische Stadt hat schon einen anderen, eher albanischen Charakter und sie ist ein Zentrum der Badetouristik, besonders auf der „Velika Plaža“ also auf dem „Großen Strand“ südlich der Stadt, der 13 Kilometer lang ist.

               Wir starteten unseren Besuch dieser Städte in Bar, schon deshalb, weil hier der nächste Supermarket und der nächste Bankomat war. Bar ist eine moderne Stadt mit 13 000 Menschenseelen, also klein, aber ziemlich lieb. In Bar gibt es den industriellen Hafen, hier liegt vor Anker aber auch die ganze montenegrinische Militärflotte und den Hafen in Bar (alternativ auch in Kotor) müssen alle privaten Jachten anfahren, um sich hier registrieren zu lassen und die Eintrittsgebühren in das Land zu bezahlen. Bar hat ein winziges Stadtzentrum, zwei riesengroße Kirchen, wobei die orthodoxe wirklich imposant ist.

Es ist ein gigantischer moderner Bau, der in seinem Inneren der orthodoxen Tradition folgend bis zum letzten Zentimeter mit Fresken bedeckt ist. Vor der Kirche befindet sich eine Büste des Königs Nikola I., der Bar für Montenegro im Jahr 1878 eingenommen hat. König Nikola, dem wir noch oft begegnen werden – er war der einzige montenegrinische König – baute in Bar seine Sommerresidenz. Es ist eine elegante Villa in klassizistischem Stil direkt an der Küste inmitten eines kleinen, aber schönen Parks mit einem Restaurant.

Der König hatte dafür nicht viele Orte zu Auswahl. Im Jahr 1878 wurde Montenegro an der Küste lediglich die Stadt Bar zugesprochen, das eroberte Ulcinj mussten sie an die Türken zurückgeben und erhielten es erst im Jahr 1880 wieder zurück. Dafür, um die Türken zum Verlassen von Ulcinj zu zwingen, musste vor der Küste die Flotte der siegreichen Weltmächte ihre Stärke demonstrieren. Der ganze Kai von Bar ist ein großer Park mit Palmen, Restaurants und Kinderspielplatz, es ist dort sehr lieb. Ein bisschen anders schaut es ein paar hundert Meter weiter im Innenland aus, wo Plattenbauwohnhäuser aus der kommunistischen Zeit das Bild der Stadt dominieren.

               Das neue Bar ist nämlich eine ziemlich junge Stadt, die um den ehemaligen Hafen entstanden ist. Die antike Stadt, die Antibari hieß, weil sie an der Küste gegenüber der italienischen Stadt Bari lag, befindet sich in den Bergen und ist von der Küste einige Kilometer entfernt.

So war es der Brauch in der Antike, nicht anders war es in Athen mit Piräus oder in Ephesos mit seinem Hafen. Das alte Bar ist eine monumentale Ruine, weil es in Rahmen der Befreiungskämpfe im Jahr 1878 vollständig zerstört und nie mehr wieder aufgebaut wurde. Die Türken leisteten in der dortigen Festung hartnäckigen Widerstand bis zum bitteren Ende. Die befestigte Ruine ist eines Besuches wert, die mächtige Stadtmauern blieben beinahe unbeschädigt, zum Tor führt ein Gässchen zwischen Geschäften und kleinen Cafés, meistens mit moslemischen Verkäufern, im Alten Bar lebt die moslemische Kommune, die meistens in Norden Montenegros ansässig ist. Davon zeugen auch einige Moscheen, die man in der Stadt unterhalb der Ruinen der Altstadt sehen kann. Die Venezianer schafften es, die Stadt im Jahr 1443 zu erobern, gerade rechtzeitig, um ihre Einnahme durch die Türken zu verhindern. Sie konnten die Stadt allerdings nur bis zum Jahr 1571 halten, dann kamen doch die Türken. Die Mehrheit der Relikte stammt also aus der türkischen Epoche, wie das türkische Bad, der Uhrturm oder ein Aquädukt, mit dem Türken die Festung mit Wasser versorgten. Es ist schwer zu glauben, aber als fast alle modernen Gebäude in der Stadt einem Erdbeben im Jahr 1979 zu Opfer gefallen sind, verursachte dieses bei dem türkischen Aquädukt nicht den geringsten Schaden. Alle Ehre also der türkischen Baukunst dieser Zeit!

Auf dem höchsten Punkt der Stadt gibt es eine Zitadelle mit wunderschönen Aussichten bis zum Meer und auf die Berge, die die Stadt von Süden und von Osten beinahe bedrohlich umzingeln. Bei diesem Blick versteht man, woher Montenegro seinen Namen hat. Im Hof der Festung gibt es eine Zisterne, in der in der Zeit der italienischen Okkupation (1941 – 1944) einige jugoslawischen Freiheitskämpfer von den Italienern ertränkt worden sind. An diese Tatsache erinnert eine Tafel mit einer Aufschrift in zyrillischer Schrift. Die Tatsache, dass ich versucht habe, den Text zu entziffern, brachte eine anwesende Touristin zur Frage, ob ich ein Russe sei. Als ich es verneinte, stellte sich die Dame selbst vor. Sie war eine Russin aus Sankt Petersburg, die in der Zeit, als es in Montenegro noch sehr billig war, ein Apartment in Budva kaufte. Jetzt führte sie ihre Verwandten aus Omsk durch das Land, in dem sie seit dem Apartmentkauf jeden Sommer verbrachte.

               Budva ist nämlich wirklich fest in russischer Hand. Russisch hört man auf jedem Schritt, die Stadt ist die Hauptstadt der montenegrinischen Touristik mit großem Jachthafen und Unmenge von Hotels. Überraschenderweise war es nicht schwierig, ziemlich nahe an dem Stadtzentrum zu parken.

Allerdings auf der Wiese vor der Stadtmauer, wo ich einmal im Jahr 1982 mit meinem finnischen Freund Heikki geschlafen habe, stehen heute Hotels, Hotels und wieder einmal Hotels. Budva ist durch sein Nachtleben berühmt, mit Diskotheken, Restaurants und Bars. Budva war – im Gegensatz zu Bar – bis zum Jahr 1918 österreichisch- Es ist lieb, wie viele z.B. ungarische Worte aus dieser Zeit geblieben sind. Die Altstadt in Podgorica heißt „stary varoš“ (die Neustadt dann logisch „novy varoš“. Varos ist das ungarische Wort für Stadt). Der Strand nahe Budva heißt dann „Bečiči“. Den Zusammenhang versteht man nur, wenn man weiß, dass Wien ungarisch Bécz heißt, also Bečiči ist „kleines Wien“ an der Adriaküste. Von der Tatsache, dass sich hier die Habsburger nicht wirklich willkommen fühlten, zeugt die Festung in der Altstadt von Budva. Auch in Richtung Stadt hat sie keine Fenster, dafür aber zahlreiche Schießscharten, offensichtlich bestand ein Bedarf, sich nicht nur gegen den Feind vor den Mauern sondern auch gegen die eigene Bevölkerung zu schützen. Von den Mauern der Festung gibt es wunderschöne Aussichten. Es ist möglich, eine Eintrittskarte für einen Rundgang auf den Stadtmauern zu kaufen, um am Ende des Weges zu erfahren, dass es keinen Rundgang gibt. Der Spaziergang endet unter der Terrasse eines Luxusrestaurants und man muss den gleichen Weg wieder zurücklegen. Also kann man die Schönheit der Aussichten von den Mauern gleich zweimal genießen. Dabei auch den Blick auf die Insel Sankt Nikola, wo es die schönsten Stadtstrände gibt und wohin die Boote pendeln, um dorthin badesüchtige Touristen zu transportieren. Strände gibt es auch unter den Stadtmauern, wohin man durch ein kleines Tor in den Stadtmauern gelangt oder es gibt auch der große Strand „Slovenska plaža!“ südlich der Altstadt.

               Budva ist sehr schön, weil es vollständig wiederaufgebaut wurde. Nach dem Erdbeben im Jahr 1979 blieben von mehr als 200 Gebäuden in der Altstadt ganze fünfzehn unbeschädigt. Deshalb durften wir damals mit Heikki nicht in die Stadt hinein, weil im Jahr 1982 die Bausubstanz noch viel zu instabil und sturzgefährdet war. UNESCO schlug damals vor, um einer Horrorvorstellung zuvor kommen, dass auf der Stelle der Ruinen das kommunistische jugoslawische Regime Platenbauten bauen würde, die Städte Budva und Kotor in die Liste der Weltkulturerbe aufzunehmen und für eigenes Geld zu erneuern. Die jugoslawische Regierung nahm dieses Angebot dankend an – im Gegensatz zu Dogmatikern in Moskau, Berlin oder Prag war Josip Bros Tito ein Pragmatiker. Die Schönheit des alten Budva war damit gerettet. Durch enge Gassen kämpft man sich bis zum Hauptplatz, der von drei Kirchen umzingelt ist – also durch die katholische Kirche des Heiligen Johann des Täufers, weiter durch die orthodoxe Kirche der Heiligen Dreifaltigkeit. Die älteste Kirche in Budva ist die angeblich aus dem Jahr 840 stammende „Santa Maria in Punta“ und neben ihr ein kleines Kirchlein des heiligen Sava, das mehrmals seinen Besitzer wechselte. Seit dem Jahr 1657 ist es orthodox, aber die Franziskaner, die in ihm bis zu diesem Jahr residierten, durften den Schlüssel der Kirche behalten – man weiß ja nie…

Wir waren zweimal im Restaurant „Dvorište“ essen. Sehr gutes Essen, angemessene Preise und sehr gute nette Bedienung, ich kann es nur empfehlen.

Der schönste Blick auf Budva gibt es von der Straße ins Landesinnere in Richtung Cetinje. Die Straße ist neu und gut ausgebaut und überwindet einen Höheunterschied von 900 Metern. Oben sind schöne Aussichtspunkte, der Blick nach unten auf die Stadt ist einfach atemberaubend.

Unweit von Budva befindet sich die Insel „Sveti Stefan“ (dank eines Dammes, der sie mit dem Festland verbindet, wurde die Insel zu Halbinsel). Dort bekam ich das Gefühl, wie sich Montenegro seit meinem letzten Besuch im Jahr 1982 geändert hat. Damals konnten wir an der Küste unmittelbar gegenüber der Insel in einem Apartment wohnen, und zwar als Studenten für einen annehmbaren Preis, heute wäre so etwas undenkbar. Die ganze Insel ist heute (war allerdings immer schon) ein Luxushotel, wo eine Nacht mit dem Blick aufs Meer 5000 Euro kostet und für ein Zimmer inmitten der Insel man NUR 1000 Euro pro Person und Nacht zahlt. Im Jahr 1982 durfte man die Insel trotzdem besuchen und schauen, wo bestimmte Prominenten wie z.B. die Queen, wohnten) heute geht es nicht mehr. Die Strände, wo wir mit Heikki gebadet haben, sind für die Öffentlichkeit geschlossen, nur wenn sie nicht mit Hotelgästen ausgelastet sind, darf man eine Eintrittskarte für 75 Euro pro Tag kaufen.

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