Es ist irgendwie immer besser Maut einzuheben als zu arbeiten. Die Stadt Brixen bot sich schon durch ihre Lage südlich des Brennerpasses, der bereits in den Zeiten des Römischen Reiches der Hauptübergang von Deutschland nach Italien war, für solche Tätigkeit optimal an. Das sicherte ihr einen Wohlstand (ähnlich wie dem nördlich liegenden Innsbruck, das die einzige Brücke über den Fluss Inn kontrollierte oder Verona in Süden, wo sich diese Brennerstrasse nach Italien öffnete). Das die Stadt Brixen (italienisch Bressanone) reich war, merkt man auf Schritt und Tritt. Ebenso merkt man, dass hier der Bischof ein unabhängiger Herr auf seinem Gebiet war und zugleich er auch den Titel eines souveränen Reichsfürsten besaß.
In einer verhältnismäßig kleinen Stadt mit etwas mehr als zwanzigtausend Einwohnern ragt eine ganze Reihe Kirchentürme in den Himmel empor, die über die Vergangenheit der Stadt keinen Zweifel aufkommen lassen. Übrigens auch im Wappen der Stadt ist das Lamm Gottes mit einer Fahne mit rotem Kreuz abgebildet – sollte doch noch jemand Zweifel haben.
Offiziell wurde die Stadt im Jahr 901 gegründet, worauf die „Jahrtausendsäule“ auf einem kleinen Platz vor dem Bischofspalast, die zur Feier des Tausendjahrenbestehens der Stadt im Jahr 1901 aufgestellt wurde, erinnert.
Im Jahr 990 übertrug Bischof Albuin (der später heilig gesprochen wurde) den Bischofsitz von Stift Säben (dieses monumentales Kloster kann man in Klausen bewundern, wenn man von der Autobahn Richtung Bozen in Richtung „Passo di Gardena“, also das „Grödnerjoch“ abbiegt), nach Brixen und diese Stadt blieb dann Bischofsitz bis zum Jahr 1964, als er nach Bozen verlegt wurde.
Die Bischöfe von Brixen standen in den Kämpfen zwischen Päpsten und Kaisern meistens treu auf der kaiserlichen Seite, einer von ihnen wurde dafür sogar mit der Papstwürde belohnt. Bischof Poppo wurde zum Papst – oder besser gesagt zu einem Gegenpapst unter dem Namen Damassus II. gegen den Skandalpapst Benedikt IX. gewählt. Benedikt IX. wurde zweimal aus Rom vertrieben und zweimal kehrte er zurück. Einmal verkaufte er sogar sein Amt, um nach dem Tod seines Nachfolgers wieder zurückzukehren. Kaiser Heinrich III. hatte von seinen Schurkereien die Schnauze voll und ließ im Jahre 1047 den ihm ergebenen Bischof von Brixen Poppo zum Papst wählen. Dieser übernahm das päpstliche Amt am 17.Juli 1048, starb aber bereits nach 23 Tagen, ob an Malaria oder an Gift des unverbesserlichen Benedikt IX, ist nicht geklärt.
An die Päpste mit einer Beziehung zu Brixen erinnern drei Tafeln mit Wappen in der Vorhalle des Domes, neben Damassus II. ist das Pius VI., der nach Brixen im Jahr 1782 kam, um sich von erfolglosen Verhandlungen mit Kaiser Josef II. in Wien, wo er den Kaiser von seinen Reformen abbringen wollte, zu erholen und letztendlich Benedikt XVI. Josef Ratzinger hatte zu Brixen eine sehr enge Beziehung. Im Jahr 1967 nahm er hier als Vortragender an einem Priesterseminar teil und die Stadt gefiel ihm sosehr, dass er hier in den Jahren 1968 – 1976 regelmäßig im Wirtshaus „Stremitzer Grüner Baum“ seinen Sommerurlaub verbrachte. (Das Hotel findet man am anderen Ufer des Flusses Eisack – oder italienisch Isareo, im Stadtviertel Stufes, wenn man die Brücke in der Altstadt überquert und dann nach links abbiegt. Brixen lieg am Zusammenfluss dieses Flüsschens mit der größeren Rienza). Diese Praxis setzte Josef Ratzinger in den Jahren 1978 – 2004 als Kardinal fort und Brixen vergaß er nicht einmal, als er zum Papst gewählt wurde und besuchte die Stadt mehrmals in der Zeit seines Pontifikats. Was für Johann Paul II. Val d´Aosta war, war für Benedikt XVI. Brixen. Er besuchte die Stadt sogar nach seiner Abdankung.
Der Dom von Brixen ist ein monumentaler Bau im Stil des reinsten Barocks.
Es kommt selten vor, dass man ein Gebäude in so einem einheitlichen Stil sehen kann, er wurde in den Jahren 1745 – 1754 gebaut. Es ist eine riesige einschiffige Kathedrale, die mit ihren barocken Merkmalen von innen sowie auch von außen den Besucher blendet, inklusiv zweier hoher Türme und blauer Seitenkapellen, die dem Platz „Piazza del duomo“ zugewandt sind. Im Dom, geschmückt mit Unmengen an Altären, gibt es Grabmäler der Bischöfe von Brixen inklusiv des heiligen Albuins. Das einzige, das ein bisschen stört, ist die Tatsache, dass Eingang und Seitenkapellen blau sind und die Fassade der Kirchentürme gelb, die Farben passen nicht ganz gut zusammen, aber gegen das Geschmack der Architekten…
Durch den italienischen Namen sollte man sich nicht beirren lassen, in Brixen wird fast ausschließlich Deutsch gesprochen, Italienisch spielt hier eine unterordnete Rolle und in den Namen der Straßen und auch in anderen mehrsprachigen Anschriften ist Deutsch fast immer an der ersten Stelle und Italienisch an der zweiten, obwohl Brixen, wie das ganze Südtirol seit 1918 zu Italien gehört. Im Gegenteil zum überwiegend italienischen Meran und gemischten Bozen behielt Brixen seinen deutschen Charakter, obwohl es natürlich auch einen italienischen Namen besitzt, schon erwähnte: Bressanone.
Der Dom ist von weiteren kirchlichen Gebäuden flankiert, auf der rechten Seite ist es der romanische Kreuzgang aus dem Jahr 1200, der in Jahren 1390 – 1510 mit wunderschönen Fresken im Stil der Renaissance geschmückt wurde, auf der linken Seite ist das dann die Pfarrkirche des Erzengels Michael im gotischen Stil – inklusiv eines gotischen Kreuzganges. Das Wahrzeichen der Stadt ist der „Weiße Turm“, der zur Kirche des Erzengels Michael gehört.
Es ist das höchste Gebäude in der Stadt, mit seinen 71 Meter Höhe überragt er alle anderen zahlreichen Türme und er war der Sitz der Feuerwache. Gebaut wurde er um das Jahr 1300, im Jahr 1444 wurde er wie fast die ganze Stadt durch ein Feuer vernichtet. (Die Feuerwache ist wahrscheinlich eingeschlafen). Er wurde neu gebaut und erhielt den Namen „Schwarzer Turm“. Nachdem er eine neue Bedeckung am Ende des sechzehntes Jahrhunderts erhielt, wurde der Name geändert. Später erhielt er ein Kupferdach, das allerdings im ersten Weltkrieg abmontiert wurde, weil das Kupfer zur Kanonenerzeugung benötigt wurde. Er blieb weiß und es steht ihm gut.
Auf dem großen Platz „Piazza del duomo“ befindet sich auch das Rathaus und der „Lebensbrunnen“, ein modernes Werk des südtiroler Künstlers Martin Rainer und stellt die Entwicklung des menschlichen Lebens in einer Spirale dar, die aus der Hand Gottes ausgeht und wieder in sie zurückkehrt.
Die Bischöfe wohnten im Palast Hofburg, den man am Rande der Altstadt findet, umgeben von einem Wassergraben und mehreren Gärten. Die ursprüngliche Burg ließ Bischof Bruno von Kirchberg in den Jahren 1255/1256 bauen. Erwähnungswert ist die Tatsache, dass nach diesem Bischof das fabelhafte Städtchen Bruneck (Brunico) östlich von Brixen heißt, das gerade dieser Bischof gründen ließ, um auch auf dem Wege von Osttirol die Maut kassieren zu können. Das Geld für den neuen Palast war also da. Übrigens nach diesem Herrn heißt auch die Brunogasse (Via Bruno), die zur Hofburg führt. Von der Burg des Bischofs Bruno blieb kaum was erhalten, eigentlich nur die Mauer im Keller. In den Jahren 1595 – 1610 ließen die Bischöfe Andreas von Österreich (der Sohn von Erzherzog Ferdinand von Tirol aus der Skandalehe mit Philippine Welser, geboren auf dem tschechischen Schloss Breznice) und Christoph Andrä von Spaur, die Hofburg zu einem Schloss im Stil der Renaissance umbauen, das mit Statuen der habsburgischen Dynastie bereichert wurde.
Der Palast war der Sitz der Fürstbischöfe bis zur Säkularisation im Jahr 1803, dann war die Erhaltung des Gebäudes viel zu teuer und der Palast wurde nur teilweise bewohnt. Deshalb schenkte der Bischof Josef Gargitter nach Verlegung des Bischofsitzes nach Bozen das Gebäude der Stadt als Diözesanmuseum und diese Funktion hat es bis heute. Neben den repräsentativen Räumen der ehemaligen reichen Bischöfe, des üblichen Kirchenschatzes und Werken der Kirchenkunst, gibt es hier auch eine schöne Krippenausstellung.
Ein anderes Museum – Museum der Pharmazie“ findet man am anderen Ende der Altstadt vor der Brücke über den Eisack auf dem Weg ins Viertel Stufens, dort, gleich hinter der Brücke, wird man von wunderschönen Häusern mit Fresken auf den Mauern und schmalen Gassen begrüßt.
Das Priesterseminar befindet sich am Rand der Altstadt und es ist ein großes Gebäude am Ufer des Eisacks, zu Recht rühmt es sich mit dem Namen „Seminario maggiore“. Hier lernte der zukünftige Papst Benedikt XVI. Brixen kennen und lieben.
Viel unauffälliger ist das „Seminar der englischen Jungfrauen“ Es ist ein kleines Kirchlein im Stil des Klassizismus, im Jahr 2011 wurde es in den Besitz der „Autonomen Provinz Südtirol“ übernommen. Protestanten des augsburgischen Bekenntnisses lesen ihre Messen im Kirchlein „Heiliger Eberhard – wenn man auf dem Zentralparkplatz nahe des Stadtzentrums einparkt, führt der Weg in die Stadt direkt an dieser Kirche vorbei. Das Parken in Brixen in der Nähe der Altstadt ist im Gegensatz zu vielen italienischen Städten absolut unproblematisch und gut gekennzeichnet.
Schön rekonstruiert ist auch das gotische Gebäude vom „Spital zum Heiligen Geist“ aus Ende des vierzehnten Jahrhunderts bei einem der Stadttore (es wurden gleich mehrere erhalten) auf der Straße „Großer Graben“. Und letztendlich ist auch der Stadtfriedhof an der Romstraße besuchswert. Hier wird seit Ende des achtzehnten Jahrhundert bestattet, vom Eingangstor sieht man eine neugotische Kapelle, Arkaden auf beiden Seiten mit hohen Bergen im Hintergrund, auch ein Friedhof kann unter diesen Umständen romantisch aussehen.
In Brixen wurde der berühmteste Südtiroler aus der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg geboren – Reinhold Messner. Der erste Mensch, der alle zwölf Achttausender ohne künstlichen Sauerstoff bestiegen hat (und wie ein österreichischer Satiriker schrieb, sogar die ganze Wiener U-Bahn Linie 6 hinter sich gebracht hat und überlebte – ebenso ohne Sauerstoff). Sein Museum haben wir in Brixen nicht gefunden, dafür gibt es aber ein Mountain Museum mit seinem Namen in fünf verschiedenen Orten in Südtirol, eine davon zum Beispiel im Schloss in Bruneck oder auf dem Kronplatz.
Allerdings der Name Brixen muss jedem Tschechen, der in der Schule nur ein bisschen aufgepasst hat, mit dem Namen Karel Havlicek Borovsky verbunden sein. Sein Werk „Tiroler Elegien“ gehörte zur Pflichtliteratur und wir lernten, wie dieser nationale Held hier im fernen Brixen litt.
Seine Seele litt vielleicht tatsächlich, weil er aus dem politischen Leben ausgeschieden war und die von ihm verlangte Unterschrift, dass er sich nach der Rückkehr nach Tschechien vom politischen Leben fernhalten würde, brach ihn dann wirklich. Auf der anderen Seite handelte sich für den an Tuberkulose leidenden Schriftsteller um einen Heilaufenthalt.
Karel Havlicek wurde nach seiner Ankunft in Brixen im Hotel Elefant untergebracht und auch später, als er sich ein Haus mit Gartenaltan gemietet hatte, damit auch seine Frau und Tochter kommen durften (die ganze Familie von Karel Havlicek litt an Tuberkulose und seine Gattin verstarb noch bevor er nach Hause zurückkehren durfte), bezog er das Essen aus diesem Hotel. Die Spesen für die Reise nach Brixen in der Höhe von 150 Gulden bezahlte das Polizeidirektorium und Karel Havlicek bezog die ganze Zeit seines Aufenthaltes in der gesunden Bergluft in Brixen in regelmäßigen monatlichen Raten 500 Gulden jährlich. Das war in der Zeit, als ein höherer Beamter ein Jahresgehalt 500 – 700 Gulden, ein Lehrer 130 Gulden und ein Arbeiter um 100 Gulden im Jahr verdiente. So viel also zum kaiserlichen Terror.
Havlicek blieb in diesem unfreiwilligen Asyl, das zwar seiner Lunge, nicht aber seiner Seele taugte, vier Jahre. Das Hotel Elefant ist auch heute noch eine der besten Adressen in Brixen.
Es steht an der nordöstlichen Ecke der Stadt – direkt gegenüber der Polizeidirektion (ein bisschen Tradition muss doch bleiben). Es ist ein Viersternluxushotel mit einem eigenen großen privaten Garten, wo Hochzeiten und Veranstaltungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden können. Im Inneren ist das ein Luxus mit einem Hauch historischer Patina, die Räume sind mit Holzschnitzereien geschmückt und überall gibt es Fresken mit Darstellung des historischen Elefanten, der dem Hotel seinen Namen gab. Dieser Elefant namens Soliman war ein Geschenk des portugiesischen Königs Johann III. an Erzherzog Maximilian, den späteren Kaiser Maximilian II. Der Erzherzog kehrte im Jahr 1551 von seinem langen Aufenthalt in Spanien zurück, wo er auch mit der spanischen Infantin Maria – der Cousine des portugiesischen Königs – verheiratet wurde. Der Elefant litt auf der langen Reise auf dem Schiff nach Genua und dann über die Alpen und in Brixen war schon fast sterbend. Ein vierzehntage lange Aufenthalt in der Herberge des Wirtes Andrä Posch brachte ihn wieder auf die Beine und so konnte er letztendlich eine Zielstation in Wien erreichen. Dort verendete er allerdings bald an Folgen einer falschen Fütterung.
Anders gesagt, ich konnte nicht nachvollziehen, warum Karel Havlicek sein Aufenthaltsort in Brixen nicht mochte. Wir tranken zur Ehre des berühmtesten tschechischen Querulanten auf der Hotelterasse ein kleines Bier für einen unverschämten Preis von 5 Euro – allerdings mit dem Wein, den mein Freund Vladimir bestellt hat, war es mit 7 Euro für ein Achtel noch schlechter. Die Preise waren also wirklich in Elefantenhöhe. Aber was würde man schon für einen Nationalhelden nicht tun, oder? Uns hat Brixen im Gegenteil zu Havlicek gefallen, euch wird es sicherlich auch. Brixen ist nicht wirklich Italien, es ist noch immer eher Österreich mit einem Hauch Italiens, gerade das verleiht ihm aber ein interessantes Flair.