Als wir die Stadt Florenz im Jahre 1469 verlassen haben, sah sie bereits dem heutigen Stadtbild sehr ähnlich. Aber das Entscheidende fehlte noch. Nicht nur der große Regierungskomplex um den „Palazzo Pitti“ mit „Giardino Boboli“ auf dem linken Ufer des Arnos. Die Medici waren in dieser Zeit dabei, ihre Macht auszuüben und sie zu genießen, hatten aber noch keinen Bedarf, sie zu demonstrieren. Soweit war Lorenzo der echte Enkelsohn des großen Cosimos. Auch die „Fortezza Bassa“ nahe dem Hauptbahnhof war noch nicht da, die Medici hatten noch keinen Bedarf, sich vor dem Hass der Menschenmenge zu fürchten und zu schützen. Aber das Wichtigste, was der Stadt noch fehlte, waren ihre Kulturschätze, Bilder und Statuen der größten Meister, die Florenz zu Florenz machen sollten. Noch kein David vor dem „Palazzo Vecchio“, keine „Pieta“ im Duomo, keine Reiterstatue Cosimos I.und kein Neptunbrunnen auf der „Piazza della Signoria“, oder Statuen in der „Logia dei Lanzi“ (die übrigens noch immer nicht diesen Namen trug). Santa Maria Novella wartete noch auch ihre Fresken und Santa Croce auf  Grabmäler in ihrem Inneren.

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(Auf ihre heutige Fassade sollte sie noch 400 Jahre warten) Und es fehlte – fast symbolisch – auch der „Palazzo Uffizi“, wo die größten Schätze heute großteils ausgestellt sind.

               Dass Florenz zu Kulturhauptstadt Italiens aufgestiegen ist, ist einem Mann zu verdanken, nämlich Lorenzo, der einen Beiname „der Prächtige“ bekam. Dass es aber möglich war, ist nur durch Glück und möglicherweise durch Gottes Fügung passiert.

               Im Jahr 1478 verlor nämlich der Papst mit der aufstrebenden Stadt seine Geduld und entschied sich für ein Verbrechen, dass auf den Stuhl Petri schon für immer einen Schatten werfen sollte. Sixtus IV. sollte damit die Reihe der Verbrecher auf dem päpstlichen Thron beginnen, nach ihm folgten Innozenz VIII., Alexander VI. Borgia und Julius II. della Rovere, die durch ihres Benehmen die Reformationsbestrebungen beflügelten und Männern wie Martin Luther, der einer davon war, notwendige Argumente in die Hände legten.

               Der Papst entsandte Mörder nach Florenz, die Lorenzo und seinen Bruder Giuliano ermorden sollten. Sie erhielten vom Papst bereits eine Absolution, egal, wie sie ihren Verbrechen durchführen würden. In der Stadt standen sie in Verbindung mit der Familie Pazzi, die auf einen Volksaufstand nach dem Tod der „Diktatoren“ hoffte und die Herrschaft in der Stadt an sich reißen wollte. Der Mord war  während der Besichtigung der Kunststätten der Medici vorgesehen. Giuliano, der gerade dabei war, sich von einer lästigen Verletzung zu erholten, kam aber nicht. Die Mörder entschieden sich also für „Plan B“. Die Brüder Medici sollten in der Kirche während der Kommunion ermordet werden, wenn sie knien und damit wehrlos ausgeliefert sein würden. Das war aber sogar für den vom Papst entsandten professionellen Mörder Giovanni Battista Montececcovi zu viel. Er weigerte sich in der Kirche zu morden. Schnell wurden als Ersatz für ihn zwei Priester engagiert, die sich bereit erklärten, den Mord durchzuführen. Ihre Unerfahrenheit in der Handhabung von Dolchen sollte sich für die Verschwörern aber rächen. Giuliano wurde zwar durch neunzehn Stichwunden ermordet, Lorenzo aber nur am Nacken verletzt. Er konnte sich wehren und durch die Sakristei flüchten. Die Mörder von Guiliano verfolgten ihn, Lorenzos Freund Francesco Neri stellte sich aber ihnen in den Weg. Er verlor sein Leben, verschaffte aber Lorenzo genug Zeit zur Flucht.

               Die Verschwörer liefen trotzdem gleich zum Rathaus, um über den Tod beider Medici zu berichten und den Gonfaloniere, also den Bürgermeister, aufzufordern, ihnen die Macht zu übergeben. Der Bürgermeister war aber logischerweise ein Anhänger der Medicipartei. Unter einem Vorwand hielt er die Verschwörer in einem Raum fest und schickte Boten zur Kirche, um sich über die Lage ein Bild zu machen. Als er erfuhr, dass Lorenzo lebte, ließ er seine Gäste an sechs Fenstern des Palastes aufknüpfen. Es folgte eine Hetzjagd auf die Attentäter, nur dank höchstpersönlichem Eingreifen Lorenzos wurden nur achtzig Menschen getötet.

               Der Papst setzte seine Hasskampagne fort, er konfiszierte den ganzen Besitz der Medici in Rom, das alles konnte aber nicht den Aufstieg Lorenzos und seiner Kunstschule, die er finanzierte, aufhalten. Diese Schule produzierte Künstler, die dann Lorenzo nach ganzes Italien exportierte und sie machten die beste Werbung für Florenz. Die besten Bilder aus dieser Zeit befinden sich heute in der Gallerie Uffizi. Es ist umwerfend die Werke größten Meister der Hochrenaissance zu vergleichen. Von einem Punkt aus kann man die „Verkündigung Marias“ von Sandro Botticelli und Leonardo da Vinci sehen und den Blick genießen.

Eines dieser Bilder im Gold strahlend und den Besucher ansprechend, das andere silbrig und kalt, nur dem Autor selbst zugewandt. Aber es gibt hier natürlich nicht nur diese beiden Künstler. Man kann Bilder von Rafael, Perugino oder Tizian und vielen weiterer berühmten Künstler bewundern. Es gab sogar eine Malerin, also eine Frau – für diese Zeit absolut unüblich, die Berühmtheit in bildender Kunst erreichte – das Bild von Artemisia Gentileschi „Judith und Holofernes“ ist in den „Uffizien“ ausgestellt – und es ist eine brutale Angelegenheit – immerhin wurde diese Künstlerin in ihren jungen Jahren brutal vergewaltigt und diese Tatsache verfolgte sie und ihre Kunst das ganze Leben lang

 Die Madonna von Michelangelo Buonarotti ließ bereits eine neue künstlerische Strömung,  den Manierismus, ankündigen. Der „Palazzo Uffizi“, also der Beamtenpalast, besitzt die höchste Dichte an Bildern der Hochrenaissance weltweit. „Primavera“ oder „Die Geburt der Venus“ von Sandro Botticelli hatten aber großes Glück, dass sie nicht vernichtet wurden, eigentlich Glück haben wir, die sie bewundern können.   

               Glück hatten sie auch im Jahr 1993, als die italienische Mafia im Innenhof der „Uffizien“ einen mit Sprengstoff geladenes LKW hochgehen ließ. Neben fünf Tote hatte diese Explosion unreparierbare Schäden an den Kunstwerken verursacht. Eine Reihe von Werken wurde vernichtet oder beschädigt, viele konnten nicht mehr rekonstruiert werden.

Eine größere Gefahr für „Primavera“ oder „Venus“ lauerte aber unmittelbar nach Lorenzos Tod. Gegen Ende von Lorenzos Leben begann nämlich in der Stadt ein Bußprediger namens Girolamo Savonarola zu wirken. Er wurde eigentlich von Lorenzo eingeladen und Savonarola war sein Beichtvater. Lorenzo wurde immer mehr von Gewissenbissen geplagt und fürchtete den Tod. Er war sich nicht sicher, ob er bei allen von ihm ausgesprochenen Todesurteilen gerecht war. Sein Gewissen belasteten auch seine zahlreichen Geliebte, die dieser nicht gerade schöne, aber charmante Mann hatte, weil seine Gattin aus der Familie Orsini nur sehr zögerlich am freizügigen Leben in Florenz teilnahm. Lorenzo ließ also Savonarola freie Hand. Trotzdem bekam er im Moment seines Todes keine Absolution. Savonarola verlangte von ihm nämlich, dass er für sich und seine Nachkommen auf jede Macht in der Stadt verzichten sollte und auf diese Forderung drehte sich Lorenzo nur schweigend zur Wand und starb.

Lorenzo starb im Jahre 1492, zwei Jahre später brach in der Stadt ein Aufstand aus und sein Sohn Pietro wurde mit der ganzen Familie aus der Stadt vertrieben. Die Stadt wurde von Savonarola beherrscht, der dort ein Regime eingeführt hat, das dem „Islamischen Staat“ ähnelte. Unter anderem bedeutete das auch Vernichtung kultureller Kunstwerken. Jedes Bild, auf dem nur eine bisschen nackte Haut zu sehen war, sowie auch unanständige Bücher wie „Dekameron“ von Boccacio, sollten verbrannt werden. Auf der „Piazza della Signoria“ wurde ein zehn Meter hoher Haufen von Bildern und Büchern aufgetürmt, für den ein venezianischer Geschäftsmann 22 000 Dukaten angeboten hat. Es half nicht. Die Kunstwerke wurden verbrannt, nur dank der Tapferkeit mancher Menschen entgingen die Bilder von Sandro Botticelli der Zerstörung.

               Vier Jahre später hatten die Bürger von Florenz Savonarolas Terrorregimes die Nase voll. Er wurde gehängt und seine Leiche öffentlich verbrannt, an den Ort der Hinrichtung erinnert heute eine Steinplatte auf dem Boden nahe der Neptunfontäne. Immerhin hat sich Savonarola als ein Vorläufer der Reformation eine Statue auf dem Lutherdenkmal in Worms verdient. Die Kultur durfte nach seinem Tod wieder in die Stadt zurückkehren, gerade in dieser Zeit entstand im Jahr 1504 der „David“ von Michelangelo, heutiges Wahrzeichen der Stadt. Ohne ihn können wir uns Florenz gar nicht vorstellen. Die Stadt leistete aber auch ohne Savonarola weiter einen erbitterten Widerstand gegen Rückkehr der Medici. Die erlangten aber inzwischen großen politischen Einfluss. Ein Zeichen der Versöhnung zwischen Lorenzo und Papst Sixtus war die Ernennung Lorenzos Sohnes Giovanni zum Kardinal (er war damals gerade 13 Jahre alt). Im Jahr 1513 wurde Giovanni zu Papst Leo X. Ihm folgte auf dem päpstlichen Thron sein Cousin, der Sohn des ermordeten Giulianos Giulio als Papst Klemens VII. Medici eroberten Urbino, wo sie zu Herzögen wurden und Katharina Medici, Tochter des Herzogs von Urbino, Lorenzo, wurde durch Hochzeit mit dem französischen Thronfolger Heinrich im Jahr 1533 zur zukünftigen französischen Königin. Vierzig Jahre später sollte sie in die Geschichte als Anstifterin der Bartholomäusnacht in Paris im Jahr 1572 eingehen. Medici traten in die Gesellschaft der Souveräns, zwischen Könige und Fürsten, sie waren keine Bankierfamilie mehr und waren nicht bereit, das Weiterbestehen der florentinischen Republik in der Form, wie sie unter der Herrschaft von Cosimo und Lorenzo funktionierte, zu tolerieren.                      

Die Medici kamen im Jahr 1530 mit Hilfe der Armee des Kaisers Karl V. zurück in die Stadt. Papst Klemens VII,  bekannte sich stolz zu seinem eigenen Sohn Alessandro ( bis dahin gaben die Päpste ihre Söhne für Neffen aus – von hier stammt das Wort Nepotismus – Nepos heißt in Latein Neffe) und setzte ihn als ersten toskanischen Herzog durch. Der Wüstling freute sich an seinem Glück nicht lange, bereits im Jahr 1537 wurde er ermordet. Er machte seinem Verwandten aus der Nebenlinie der Medici, Cosimo I. Platz, der zum ersten Großherzog der Toskana aufsteigen sollte. Seine Reiterstatue aus Bronze von Giambologna schmückt die „Piazza della Signoria“.

Seine Enkeltochter Maria sollte wieder einmal durch die Hochzeit mit Heinrich IV. zur französischen Königin werden und nach Heinrichs Ermordung herrschte sie dann lange Zeit im Namen ihres unfähigen Sohnes Ludwig XIII. In „San Lorenzo“ ließen sich die neuen Herzöge eine neue fürstliche Kapelle bauen, zwar in der Nähe, aber doch getrennt von ihren Vorfahren, die doch „nur“ gemeine Bürger waren. Weil die Verwaltung des neuen Staates viele Beamten brauchte, ließ Cosimo für sie einen neuen Palast bauen – das Projekt realisierten berühmte Architekten Vasari und Buontalenti. So entstand der Palast „Uffizi“, der jedem Besucher von Florenz ein Begriff ist, weil er im achtzehnten Jahrhundert zu einer Gallerie umgewandelt wurde.

Aus der Zeit des Herrschaftsantritts Cosimos I. stammt auch der Neptunbrunnen auf der „Piazza della Signoria“, ein Werk von Bartolomeo Ammanatis – in die Toskana schaute damit ein wenig (aber wirklich nur ein wenig) Barock. Die Florentiner nennen diesen Brunnen „Il Biancone“ also „der große weiße“.

Nach den erlebten Erfahrungen mit ihrem Volk verließen sich die Medici nicht mehr auf seine Liebe, sondern bauten eine Festung, wo sie sich im Falle von Unruhen und Aufständen zurückziehen konnten. Die Festung heißt „Fortezza da Basso“ und befindet sich in der Nähe des Hauptbahnhofs. Wer sie sehen will, darf sich nicht durch den logischen Zwang, direkt ins Zentrum zu laufen, hinreißen lassen, die Festung ist nämlich auf der anderen Seite.

               Die Medici residierten seit langer Zeit nicht mehr im bescheidenen Palast Medici-Riccardi, sie zogen in den „Palazzo Pitti“ auf dem linken Arnoufer, um damit weit genug vom Stadtpöbel entfernt zu sein. Hinter dem Palast gibt es einen wunderschönen Garten „Giardino di Boboli“ mit einer kleinen Festung „Forte die Belvedere“. Man weiß ja nie…

Heutzutage gibt es im „Palazzo Pitti“ eine der großartigsten Pinakotheken Italiens, vor allem die Werke von Raffaelo Santi (1483 – 1520). Eigentlich in jedem Saal gibt es zumindest ein Bild von diesem Kind Gottes, das im Laufe seines relativ kurzen Lebens Unmenge Bilder schaffen konnte.

Rafael malte nämlich leicht und seine Kunst wurde sehr gefragt, zum Neid seines Konkurrenten Michelangelo, der, getrieben von seinem Genie – viel mehr Werke begonnen als vollendet hat. Das Original seines Davids befindet sich im „Museo Academico“, wo man auch viele seine unvollendeten Statuen in unterschiedlichen Stadien der Bearbeitung sehen kann. Normalerweise ist das „Museo Academico“ von Touristen überfüllt und bei „David“ gibt es das gleiche Gedränge, wie im Louvre bei „Mona Lisa“. Ich hatte aber einmal vor vielen Jahren großes Glück, als eine Firma in Rahmen eines Ultraschallkongresses, an dem ich in Florenz teilnahm, das „Museo Academico“ außerhalb der Öffnungszeiten für die Kongressteilnehmer reservieren ließ. Zu meinem Erstaunen nutzte dieses Angebot nur ein Handvoll Ärzte. Und so durfte ich vor dem David zuerst mit einer Gruppe Kollegen aus Japan und dann ganz allein stehen – ein Augenblick, den man nie vergisst.

               Die Medici starben im Jahr 1737 mit Großherzog Giovanni Gastone aus. Dass wir ihre Kultursammlungen bewundern dürfen, verdanken wir seiner Schwester Anna Maria Ludovica, die die ganze Familiensammlung, die sie vom Bruder geerbt hatte, der Stadt Florenz vermachte und damit den Ruhm der Stadt als Kulturzentrum begründete. Gerade wegen der Kulturschätze, die die Stadt infolge ihres Testaments nicht verlassen durften, kommen die Touristen aus der ganzen Welt massenhaft hierher.

               Die Macht in der Toskana ging an die Habsburger, genauer gesagt an Franz Stephan von Lothringen, der gezwungen wurde, auf sein Herzogtum Lothringen zu verzichten, damit die Franzosen die Ansprüche seiner Gattin Maria Theresia auf die habsburgischen Erblande akzeptierten. (Was sie dann ohnehin nicht taten). Es ist aber notwendig zu sagen, dass die Toskana von seiner Herrschaft profitierte. Er leitete positive Reformen ein, die dann sein Sohn, der spätere Kaiser Leopold II. fortsetzte.

               Die Habsburger mussten die Toskana nach der verlorenen Schlacht bei Solferino im Jahr 1859 verlassen, für eine kurze Zeit wurde Florenz in den Jahren 1865 – 1871 sogar zur Hauptstadt Italiens, bis es diese Würde an Rom abgeben musste.

 Kulturhauptstadt Italiens blieb Florenz aber bis heute.

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