Diese Stadt löst in mir zwei Assoziationen aus. Erstens, es ist die Stadt, an der man auf der Autobahn vorbeirast, um schnell zum Meer zu kommen, man will sich hier nicht aufhalten lassen. Zweitens ist das der Schinken, der allerdings nicht unmittelbar mit Udine verbunden zu tun hat, sondern mit einem Städtchen San Daniele, das 25 Kilometer von Udine entfernt ist und am Fluss Tagliamento liegt. Dort wird jedes Jahr ein großes Schinkenfest organisiert, zu dem Menschen aus aller Welt kommen. Natürlich deshalb, weil der Prosciutto aus San Daniele wieder einmal „piú“ also der beste auf der Welt ist (bitte, sagen Sie so etwas vor niemanden, der aus Parma stammt).
Wenn Sie also ein großer Prosciutto-Fan sind, mutig genug, und Sie wollen für die Weltmeisterschaft im Autoparken trainieren, fahren Sie unbedingt hin. Neben dem Schinken gibt es in San Daniele noch Räucherforellen, die Kathedrale, die der Stadt den Spitznamen „ friualinische Sienna“ gebracht hat und eine Bibliothek mit vielen alten Manuskripten. Es wäre vielleicht sogar besser, in einer weniger überlaufenen Zeit hinzufahren, im Ort gibt es 27 prosciuttofici, die man besuchen kann, um zu erfahren, wie dieses Wunder von Schweinschinken produziert wird.
Aber zurück nach Udine. Das hat viel mehr zu bieten, übrigens hat die Stadt nie ganz verdaut, dass sie nicht mehr die Hauptstadt der Provinz Friaul-Venetien ist – der Sitz der regionalen Regierung wurde nach Triest verlegt, was die Bewohner von Udine bis heute als eine große Ungerechtigkeit empfinden. Die Provinz, die auch eine eigene Sprache hat – es wird hier furlanisch gesprochen – ist seit 1963 eine der vier autonomen Regionen Italiens mit eigener Regierung, einem Parlament und einem Budget (neben Sizilien, Sardinien und Südtirol). Deshalb findet man überall mindestens zweisprachige Aufschriften in Italienisch und Furlanisch, aber häufiger drei- oder sogar viersprachige, da hier auch eine deutsche und eine slovenische Minderheit leben.
Im Augenblick, in dem man den Hauptplatz „Piazza della Liberta“ von Udine betritt, hat man das Gefühl, dass man diese Gebäude schon irgendwo gesehen hat.
Und man hat recht. Der Uhrturm ist eine genaue verkleinerte Kopie des gleichen Turmes auf dem Markusplatz in Venedig, gleich wie dort mit zwei Mauren, die die dort aufgestellte Glocke läuten. Udine gehörte seit dem Jahr 1420 zur Republik Venedig und man merkt es auf jedem Schritt und Tritt. Auch das alte Rathaus, „Loggia del Lionello“, ist ein prächtiges Beispiel der venezianischen Gotik und aus diesem Teil des Rathauses kommen Hochzeitspaare heraus.
Nicht aus dem neuen Ausgang des Rathauses auf der anderen (hinteren) Seite des gigantischen Komplexes. Im zwanzigsten Jahrhundert war den Udinesern das Rathaus zu klein und so ließen sie ein neues dazu bauen. Vollendet wurde es im Jahr 1932 im Stil, der an sozialistischen Realismus erinnert – es ist verblüffend, wie sich die faschistische und kommunistische Architektur ähneln – ein totalitäres System ist einfach ein totalitäres System egal ob es von links oder von rechts des politischen Spektrum kommt) Zum Glück ist der Neubau des neuen Rathauses nicht gut sichtbar und verdirbt den Eindruck nicht. Vom Hauptplatz aus kann man ihn, Gott sei Dank, überhaupt nicht sehen.
Am Hauptplatz gibt es eine Menge Sehenswürdigkeiten. Direkt am Weg zum Schloss steht die Friedenstatue, die den Frieden von Campoformio symbolisiert. Diesen Frieden schloss Napoleon mit dem geschlagenen Österreich in Campo Formio (manchmal wird auch der Name Campoformio oder Campoformido) verwendet nahe Udine am 17. Oktober 1797. Durch diesen Vertrag hörte die Serenissima, also die Republik von Venedig, auf zu existieren und wurde zur Provinz Österreichs. Es sollte ein Ersatz für die verlorene Lombardei sein, aus der der französische General Bonaparte einen Satelitenstaat von Frankreich, so genannte Cisalpinische Republik, bildete. Der Ort, wo Napoleon sein Hauptlager aufschlug, war die „Villa Manin“, der Wohnsitz des letzten Dogen von Venedig, und man findet sie 9 Kilometer südwestlich von Udine. Sie ist besuchswert, schon ihres großen wunderschönen Parks wegen.
Dem Rathaus gegenüber steht ein Portikus im Stil der Renaissance „Porticato di San Giovanni“ aus dem sechzehnten Jahrhundert, bereichert mit dem bereits erwähnten Uhrturm mit zwei Mauren, die Gott sei Dank die „politic corectniss“ noch nicht befahl zu beseitigen, weil sie als ein Beweis für die Versklavung der Afrikaner durch Venezianer gedeutet werden könnten. Die Schwarzen konnten in venezianischen Diensten allerdings auch große Karriere machen, erinnern wir uns an Othello, der unter der venezianischen Flagge Cypern gegen die türkische Invasion verteidigt und aus Eifersucht seine geliebte wunderschöne Gattin Desdemona in der Stadt Famagusta erwürgt hat. An die venezianische Epoche von Udine erinnern auch die Säulen auf dem Hauptplatz, die den Markuslöwen und die Statue der Justitia, sowie auch die Statuen von Herkules und Caco aus dem 18. Jahrhundert tragen.
Natürlich, wenn man in einer Stadt ist, die zu Republik von Venedig gehörte, muss man die Spuren von Andrea Palladio suchen, weil, wie ich schon erwähnte, in der venezianischen „Ferra Terma“ gibt es kaum eine größere Stadt, in der dieser großen Architekt in seiner Bautätigkeit keine Spuren hinterlassen hätte. Auf dem Hauptplatz von Udine baute Palladio das Tor auf dem Weg zum Schloss, so genanntes „Arco Bollani“ aus dem Jahr 1556, in der Stadt entdeckt man aber auch den „Palazzo Antonini“, gebaut zu gleicher Zeit, in dem heutzutage Italienische Nationalbank untergebracht ist.
Der Dom ist vom Hauptplatz in Sichtweite. Ein monumentaler sechseckiger Turm und hinter ihm eine gigantische Kathedrale mit einer wunderschönen gotischen Fassade. Zumindest diese ließen die Udineser ohne irgendwelche gewaltigen Veränderungen, das Innere der Kirche entging solchen „Verbesserungen“ nicht mehr. Im Turm ist ein Museum des heiligen Blasius untergebracht (San Biaggo). Leider hat dieses Museum so ungewöhnliche Öffnungszeiten, dass es mir noch nicht gelungen ist, es zu besuchen um zu erfahren, welche Beziehung dieser Heilige, der im dritten Jahrhundert in Syrien lebte und durch einen Märtyrertod starb, zu Udine hat.
Udine hat übrigens einen eigenen Heiligen. Luiggi Scrosoppi (er lebte in den Jahren 1804 – 1884) wurde im Jahr 2001 heilig gesprochen – vom wenn sonst als von Johann Paulus II. Im Jahr 2010 wurde er im österreichischen Pörtschach vom Bischof von Gurk Alois Schwarz (inzwischen wurde dieser umstrittenen Bischof dank zahlreicher Skandale nach St.Pölten versetzt. Das Wüten seiner Freundin, die er zur Vorgesetzten einer katholischen Stiftung, die er selbst gegründet hat, gemacht hatte, ist nämlich unerträglich geworden) zum Patron der Fußballer und Fußballerinen ernannt. Nicht, das der heilige Luigi irgendwann in seinem Leben den Fußball berührt hätte (er kümmerte sich eher um arme Mädchen), aber die Fußballer hatten angeblich bis zu diesem Zeitpunkt noch keinen Patron und so haben sie jetzt dank der Initiative des österreichischen Bischofs einen zugeteilt bekommen. Der arme Luigi kann wirklich nichts dafür. Sein Bildnis hängt natürlich in der Kathedrale gleich neben der Statue des Papstes Pius IX. Dieser Papst erhob Udine zum Erzbischofstum, das direkt nur dem Papst unterstellt war und die dankbare Stadt ließ ihm dafür eine Statue im Dom errichten.
Über die Stadt ragt ein großes Schloss im Stil der Hochrenaissance empor.
Es wurde von den Patriarchen von Aquileia errichtet, die Udine zu ihrem Sitz auswählten, als ihnen das kleine Aquilea nicht mehr gefallen hat. Der Bau wurde von einem Schüler Rafaels Giovanni da Udine im Jahr 1517 begonnen (dieser Meister schmückte mit seinen Fresken auch den Ehrensaal, in dem sich früher das Parlament der Region Friuli traf), beendet wurde er von Francesco Floriani. Bis zum Jahr 1797 war das Schloss der Sitz des venezianischen Statthalters, heute ist hier das „Museo civil“ untergebracht. Umgeben von riesigen Bäumen in einem schönen Park und mit einem hervorragenden Blick auf die Stadt ist es sicher besuchswert. Die Kirche „Chiesa di Santa Maria al Castello“ mit ihren schönen Fresken wird gerade renoviert, der goldene Erzengel Gabriel auf der Spitze des Kirchenturmes ist eine schöne Dominanz des gesamten Schlossareals. Im Museum gibt es eine Ausstellung über die Vereinigung Italiens und natürlich auch die Pinakothek mit Bildern von Tiepolo oder Caravaggio, sowie auch ein Museum friulanischer Fotographie. Es ist mir gelungen, den Alarm auszulösen, als ich das Schloss durch den Notausgang in Richtung Schlosspark verlassen wollte, der sich inklusiv des Schlossrestaurants auf einer Terrasse hinter dem Schloss befindet. Also probieren Sie das lieber nicht. Obwohl sich die Italiener als sehr tolerant zeigten und ich das Schloss ohne Geldstrafe durch den Hauptausgang verlassen durfte
An der Rückseite des Schlosses gibt es die grüne Seite von Udine. Ausgedehnte Parkanlagen „Giardino Grande“ „Loris Fortuna“ und „Ricasoli“, wo das Parken problemlos möglich ist und gerade der Parkplatz am „Giardino Grande“ ist ein günstiger Ausgangspunkt zum Kennenlernen der Stadt. Wenn man von hier auf der Treppe zum Schloss heraufsteigt, sieht man eine Erinnerungstafel an den Gründer der Esperantosprache Ludwik Zamenhof, den so genannten „Doctor Esperanto“. Der wirkte zwar nicht persönlich in Udine, dafür war aber sein großer Bewunderer und Nachfolger Achille Tellini (1866 – 1938) ein gebürtiger Udineser, der in der Stadt geboren wurde und hier auch starb.
Etwas seitlich liegt das „Museo diocesano e galleria del Tiepolo“ im ehemaligen Erzbischofspalast. Das Museum erinnert ans Wirken eines anderen berühmten Mannes aus Udine. Giovanni Battista Tiepolo (1696 – 1770) gehörte zu den größten Meistern des späten Barocks und seines Überganges zum Rokoko. In seinen jungen Jahren schaffte er als venezianischer Bürger in Venedig und Udine, später verbreitete sich sein Ruhm in die ganze damalige Welt – eines seiner berühmtesten Werken ist das Fresko „Die Hochzeit von Friedrich Barbarossa mit Beatrix von Burgund“ in Würzburg. Im „Museo diocesano“ kann man seine frühen Werke bewundern – es zahlt sich aus hinzugehen.
Wenn man in der Stadt genug gelaufen ist, zahlte sich aus, auf dem Platz „Piazza Giacomo Matteoti“ mit der Kirche des Jakob des Älteren auszuruhen.
Der ehemalige Platz „Piazza San Giacomo“ erhielt seinen derzeitigen Namen nach Giacomo Matteoti, einem Politiker der italienischen Linken, der im Jahr 1924 von Mussolinis Faschisten ermordet wurde. (Was beinahe zu Mussolinis Sturz geführt hätte, letztendlich aber seine Diktatur festigte). Ein viereckiger Platz war einmal der Hauptmarkt der Stadt und damit auch der zentrale Platz. Er verleiht durch die Reihen dichtgebauter Häuser ein Gefühl der Geschlossenheit. Mit seinen Arkaden und einer Menge Cafés und Bars liegt er ein bisschen seitlich der Hauptstraße, er öffnet sich vor Ihnen wie eine angenehme Überraschung und verlockt Menschen, hier länger zu verweilen.
Natürlich, noch die Frage, was kann man in Udine typisches essen (außer Schinken natürlich. Die Überraschung war groß, wenn ich hier, in Italien eine echte Sliwowitz entdeckte. Das ist offensichtlich die Folge des Friedens in Campo-Formio. Etwas gutes haben die Italiener von Österreich (eigentlich von dem böhmischen Teil der Monarchie) doch übernommen.
Udine ist also besuchswert. Wenn Sie das nächste Mal vorbeifahren und ein Gefühl hätten, eine Pause machen zu müssen um auszuruhen, machen Sie einen Stop gerade hier. Sie werden es nicht bereuen.