Als wir beschlossen, unseren Urlaub im Jahr 2018 in Albanien zu verbringen, wussten wir nicht, dass wir Zeugen zweier historischer Momente werden würden. Zum einen war das die Geburt des albanischen Massentourismus und zum anderen der kälteste Juni in der Geschichte Albaniens (obwohl hier erst seit etwa sechzig Jahren Temperaturen aufgezeichnet werden). Vor allem das zweite historische Ereignis hat uns überhaupt nicht erfreut, meine Frau noch weniger als mich.
Was Punkt eins betrifft, denke ich, dass Menschen, die dieses Land in den letzten zehn Jahren besucht haben, davon sprechen können, und auch diejenigen, die es in den kommenden Jahren besuchen werden. Die Entstehung der albanischen Tourismusindustrie ist nämlich ein langwieriger und schmerzhafter Prozess, der sich wahrscheinlich noch viele Jahre hinziehen wird. Ich hoffe nur, dass er letztendlich doch spontan entsteht und zu keiner gefährlichen Zangengeburt wird.
Albanien hat viel Italienisches in sich. Dies ist sicherlich eine Folge des langanhaltenden Einflusses, als Albanien zwischen den Weltkriegen unter der Herrschaft seines ersten (und letzten) Königs Zogu I. im Grunde ein italienisches Protektorat war, bevor Mussolini im März 1939 beschloss, es militärisch zu besetzen und zu einer italienischen Provinz zu machen. Neben vielen italienischen Wörtern wie dem schönen langobardischen Wort für Bier “birra” oder den Geschäftszeiten “orari” ist es vor allem das Aussehen der albanischen Mädchen und Frauen. Genau wie in Italien ist für sie “fare la bella figura” lebenswichtig, also gehen sie wunderschön gekleidet und gestylt aus, offensichtlich von derselben Maxime geleitet, mit der italienische Mütter ihre Töchter erziehen: “Du musst immer so aus dem Haus gehen, dass du jederzeit den Mann deines Lebens treffen könntest.” Für Männer wie mich ist das natürlich eine Augenweide, und albanische Mädchen sind offensichtlich das Schönste, was man in diesem Land sehen kann.
Außerdem gibt es überall einen echten guten italienischen Espresso für einen lächerlichen Preis von 70 Cent (Stand Jahr 2018) und ein italienisches Cornetto gehört zum Frühstück in Albanien gleich wie in Italien.
Aber auch viele andere Dinge sind sehenswert. Allerdings habe ich auch stressige Momente erlebt.
Es wurde mir zum Verhängnis, was mir bereits während meines Militärdienstes von Leutnant Fürstenzeller vorgeworfen wurde, nämlich dass ich keine Augen im Hinterkopf habe. Deshalb wurde ich nicht rechtzeitig genug gewarnt, als eine Reporterin des albanischen Fernsehens mit einem Kameramann auf mich zukam, um mich nach meinen albanischen Erfahrungen zu befragen. Ich hoffe nur, dass mein schwaches Englisch, das sich durch das Überraschungsmoment noch weiter verschlechterte, diesem Team ausreichte, um das Interview mit mir „ad acta“ zu legen und nicht irgendwo zu veröffentlichen. Denn als sie mich fragte, was mir in Albanien am besten gefallen hat, fiel mir nichts anderes ein, als den Pool und die Parks zu loben und den Sonnenuntergang über der Adria.
Ich erinnerte mich in diesem stressigen Moment nicht daran, das Wichtigste zu erwähnen (es ist mein lebenslanger Fluch, dass ich immer gute Ideen habe, aber immer zu spät): nämlich die freundliche und hilfsbereite Art des Personals und der Albaner im Allgemeinen. Sie sind wie Kinder, ein wenig ungeschickt, aber nett und ohne die Absicht, jemandem zu schaden. Mit einem liebenswerten Lächeln tun sie alles für einen Fremden, erwarten nichts dafür, und wenn Sie ihnen sogar nur ein symbolisches Trinkgeld geben, fällt es ihnen nicht schwer, auf Deutsch „danke“ oder sogar auf Tschechisch „děkuji“ zu sagen.
Die Albaner betrachten sich als Nachkommen der Illyrer, der ursprünglichen Bevölkerung, die die Westküste des Balkans vor der römischen Invasion im dritten Jahrhundert vor Christus bewohnte. Diese Theorie ist für sie ein Dogma, an dem nicht gezweifelt werden darf. Solche Zweifel sind strafbar. Ihre Königin Teuta leistete im Jahr 229 vor Christus einen erbitterten Widerstand gegen die Römer, die nach der Eroberung Italiens Appetit auf Gebiete jenseits der Adria bekamen.
Ich muss zugeben, dass mich diese Theorie über den Ursprung albanischen Nation nicht angesprochen hat. Die Albaner belegen sie mit der Übereinstimmung zeitgenössischer albanischer Taufnamen mit den Namen auf illyrischen Grabstelen, die Frage ist jedoch, ob der Schwanz hier nicht mit dem Hund wedelt.
Geben heutige Albaner ihren Kindern diese Namen, weil es eine über zweitausendjährige Tradition ist, oder um zu beweisen, dass sie Nachkommen jenes heldenhaften illyrischen Volkes sind? Dennoch wird die Figur des Anführers des illyrischen Aufstandes gegen die römische Herrschaft in den Jahren 6-9 n. Chr., namens Bata, hier als erster Skanderbeg gefeiert, und seine riesige Statue befindet sich im historischen Museum von Tirana.
Gegen diese illyrische Theorie werde ich einige Gegenargumente vorbringen, wobei ich mich derzeit außerhalb des Gebiets Albaniens befinde und es mir daher – hoffentlich – erlauben kann.
Über albanische Stämme wird erstmals im elften Jahrhundert berichtet, und erst nach dem Zusammenbruch des Byzantinischen Reiches im Jahr 1204 wurden sie zur eigentlichen herrschenden Kraft, als das Despotat von Epirus entstand, wo die Albaner eine bewaffnete Macht bildeten. Die Albaner lebten traditionell und leben eigentlich immer noch in einer gewissen Clan-Gesellschaft. Jedes Tal wurde von einem Klan beherrscht, dessen Häuptling weitgehend unabhängig von zentraler Macht war. Dieses System entstand genau zur Zeit des Despotats von Epirus, als die zentrale Macht weitgehend zerfiel. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein solches politisches System zu Zeiten des zentralisierten Römischen Reiches möglich gewesen wäre. Außerdem kann ich mir nicht vorstellen, dass die Illyrer nicht hellenisiert oder latinisiert worden wären, wie es praktisch allen Völkern erging, die unter die Herrschaft Roms gerieten. Daher müsste ihre Sprache entweder vom Lateinischen abgeleitet sein oder zumindest starke Elemente der im Römischen Reich dominierenden Sprachen, insbesondere des Griechischen, aufweisen – aber das ist nicht der Fall. Selbst für “Meer” hat das Albanische ein eigenes Wort “det”. Eine Reihe italienischer Wörter, die ins Albanische gelangten, wie “birra” oder “Orari”, sind modernen Charakters und kamen zwischen den Weltkriegen aus Italien hierher. Im zehnten Jahrhundert war die Bevölkerung Albaniens zweifellos zum großen Teil (wenn nicht sogar vollständig) slawisch. Davon zeugt die Mission der Schüler von Konstantin und Methodius genau in diesem Gebiet. Der heilige Naum ist in Ohrid an der Grenze zwischen Albanien und Mazedonien in einem heute rein albanischen Gebiet begraben (das bis nach Skopje reicht). Übrigens wurde Mutter Teresa, die berühmteste Albanerin, nach der sogar der Flughafen in Tirana benannt ist, in Skopje geboren, also auf dem Gebiet des heutigen Mazedoniens. Also streiten sich die slawischen Mazedonier mit Albanern über Mutter Teresa und mit Griechenland über Alexander den Großen (Denkmäler von beiden befinden sich in Skopje und reizen so die griechischen Nachbarn). Der heilige Gorazd hat sein Grab in der albanischen Stadt Berat in Zentralalbanien, und die Stadt wurde zum Ziel slowakischer Pilger, die kommen, um ihn zu verehren. Sowohl Naum als auch Gorazd haben zur Entwicklung der altkirchenslawischen Sprache beigetragen – Gorazd war sogar einer von vier Männern, die in Rom im Jahr 867 die Messe in Altkirchenslawischem lesen durften, und war der erste – und letzte – Nachfolger von dem heiligen Methodius im Amt des Erzbischofs im Großmährischen Reich. Mit der albanischsprachigen Bevölkerung würde er sich wahrscheinlich nicht verständigen können.
Aber lassen wir die Suche nach den Wurzeln des albanischen Volkes und schauen wir, was in ihrem Land besucht werden kann. Es gibt ziemlich viel zu sehen, besonders Denkmäler aus der frühen Antike. Diese können wir in Albanien an drei Orten bewundern: in Durrës, Apollonia und Butrint.
Aber darüber sowie auch über die Hauptstadt und andere Orte im Lande beginne in 2 Wochen zu berichten.