Natürlich kennen wir Aceto Balsamico de Modena und wenn man weiß, dass Luciano Pavarotti in Modena geboren worden ist, kann man sich vorstellen, dass das Essen in dieser Stadt eine ähnlich zentrale Rolle spielt wie in dem nahen Parma. Balsamico unterscheidet sich übrigens durch den Preis, der durch die Reifungszeit bestimmt wird. Die übliche ist ein Jahr alt, aber es gibt auch hundert Jahre altes Balsamico, ich konnte meinen Augen nicht trauen, wenn ich den Preis von 289,90 Euro für 68 Gramm dieses Wunders, also 1 Gramm für 4 Euro sah. Eine lokale Spezialität neben einer Menge Teiggerichte, die mit allen möglichen Zutaten gefüllt sind, sogar auch mit süßem Kürbis, ist Zampone, gefüllter Schweinefuß, der mit pikanten Bohnen und Kartoffelbrei serviert wird. Er ist mit Fett übergossen, schmeckt aber wunderbar, wenn es Pavarotti gern gegessen hätte, dann wundert mich weder sein Gewicht noch der Pankreaskrebs, an dem er starb.

Außen Zampone sind die lokale Spezialität Tortellini und Tortelloni (die sind größer) mit unterschiedlichsten Füllungen, frisch kann man sie am Markt Mercato Albinelli direkt im Stadtzentrum kaufen. Der Lokalwein Lambrusco ist nicht wirklich mein Lieblingswein, er muss (eigentlich für Rotwein ganz unüblich) gekühlt getrunken werden und ist prickelnd. Ein wenig also ein Proseccoeffekt, die etwas schlechtere Qualität wird durch bestimmte Tricks kompensiert. Also langer Rede kurzer Sinn – Lambrusco ist ein roter Prosecco. (Jetzt würde ein Italiener, besonders ein in Modena geborener, einen Krampfanfall kriegen, also, bitte,  diesen Artikel keinem solchen zeigen) Aber Lambrusco gehört zu Modena und Pavarotti war sicher auch nicht abgeneigt, ihn zu trinken. Und wie konnte er danach singen! Also, wenn man schon in Modena ist, gehört Lambrusco zum Pflichtprogramm.

Modena liegt an der Via Emilia, einer Straße, sie älter ist als 2000 Jahre – auch heute geht diese Straße direkt mitten durch das Stadtzentrum. Im Jahr 43 vor Christus, als die Stadt noch Mutina hieß, wurde sie zum Schauplatz einer der entscheidenden Schlachten des römischen Bürgerkrieges. Der Anführer der Demokraten und Attentäter, die Caesar umgebracht hatten, Marcus Iunius Brutus, hat sich hier gegen Marcus Antonius verschanzt und leistete vier Monate lang Widerstand, bis ihm eine Ersatzarmee unter Führung der beiden Konsuln, unterstützt durch eine Privatarmee des damals neunzehnjährigen Oktavianus, des späteren Kaisers Augustus, zur Hilfe kam. Marcus Antonius erlitt eine niederschmetternde Niederlage, Oktavianus schaffte es aber während der Schlacht, beide Konsuls zu beseitigen, die beide unter rätselhaften Umständen das Leben verloren haben (einen von ihnen, der verletzt war, soll Oktavianus eigenhändig umgebracht haben). Danach übernahm er das Kommando über die Armee und anschließend die Macht über Rom. Er einigte sich mit Marcus Antonius, gemeinsam haben die zwei eine Proskriptionsliste erstellt von Menschen, die am bestens getan hätten nicht zu existieren (unter ihnen war Oktavians Verbündete Marcus Iunius Brutus an erster Stelle, Marcus Antonius schrieb dann eigenhändig Cicero, den Tutor und Beschützer Oktavians in die Liste ein, der ihm mit seinen moralisierenden Reden wahnsinnig auf die Nerven gegangen war) und die Geschichte nahm ihren Lauf, an dessen Ende die Gründung des römischen Kaisertums stand.

Danach lebte aber Mutina, das inzwischen zu Modena wurde, ein ruhiges Leben. In der Zeit des Kampfes des Kaisers mit dem Papst stellte es sich lauwarm auf die kaiserliche Seite und nach Aussterben der Staufen im Jahr 1288 übernahm die Familie d´Este aus Ferrara die Macht über die Stadt. Die d´Estes  blieben hier mit einer kurzen Unterbrechung in den Jahren 1308 – 1336 bis zum Jahr 1796, als sie aus der Stadt von Napoleon vertrieben wurde. Sollte euch der Name der Familie bekannt vorkommen, dann natürlich deshalb, weil das letzte Mitglied dieser Familie, der reichste Mensch im ganzen damaligen Italien, seinen ganzen Besitz dem österreichischem Thronfolger Franz Ferdinand, der dann später im Jahr 1914 in Sarajevo erschossen wurde, vermacht hatte. Eine der Bedingungen für die Übernahme der Erbschaft und Nutzung des Namens d´Este war, dass Franz Ferdinand Italienisch beherrschen müsste. Das hat der sprachlich absolut unbegabte Herzog trotz mehrerer vergeblicher Versuche nicht geschafft, den Besitz der Familie hat er trotzdem behalten. Den Namen natürlich auch. Im Jahr 1598 wurde Modena zur Hauptstadt des Herzogtums (d´Este verloren in diesem Jahr Ferarra) und es begann die Blüte der Stadt, von der man die Spuren noch heute auf jedem Schritt sieht.

Der Dom aber, das zentrale Gebäude der Stadt, entstand bereits lange vor der Machtübernahme der Familie d´Este. Der Bau wurde im Jahr der Eroberung von Jerusalem während des ersten Kreuzzuges im Jahr 1099 begonnen und der lombardische Baumeister Lafranco schuf die schönste rein romanische Kirche in Italien, obwohl der Bau erst im Jahr 1322 beendet wurde. Die Dekoration der Fassade ist ein Werk von zwei berühmten Bildhauer der damaligen Zeit Willigelmus, von dem die Reliefs auf der Fassade stammen, die biblische Themen darstellen und Anselmo da Campione, der ein wunderschönes „Letztes Abendmahl“ auf der Brüstung der Apsis schuf. Der Patron der Kathedrale und der Stadt ist der heilige Geminiano, ein ehemaliger Bischof von Modena, der hier wahrscheinlich im Jahre 397 starb. Seine sterblichen Überreste sind eine heilige Reliquie.

Der Glockenturm und derzeit ein Aussichtsturm Girlandina sind ebenso wie der Dom mit prächtigen Marmorplatten verkleidet und wurde gemeinsam mit Dom in die Liste der Weltkulturerbe UNESCO  aufgenommen. Auf die Aussichtsterasse gelangt man nach 191 Stufen, es gibt aber einen Haken, eigentlich zwei. Erstens wird auf den Turm immer nur eine bestimmte Zahl Besucher gelassen, also man kann einige Zeit vor dem Turm warten müssen, zweitens sind die Fenster auf der Aussichtsterasse vergittert, die Photos kann man also nur durch kleine Löcher in vier der Fenster machen. Aber mit ein bisschen guten Willens – es geht.

Mit dem Bau von des Palazzo ducale, also der Residenz der Familie d´Este, wurde im Jahr 1634 begonnen, heutzutage ist hier eine Militärakademie angesiedelt und deshalb ist er nicht der Öffentlichkeit zugänglich.

Die Kultursammlungen der Familie d´Este sind riesig, wie alle andere italienische Herzogsfamilien (Gonzaga, Farnese) waren auch d´Este leidenschaftliche Sammler und die Ergebnisse ihrer Aktivitäten sind im riesigen Gebäude „Palazzo dei Musei“ untergebracht. Römische Ausgrabungen, die Bilder der italienischen Meister und eine riesige Bibliothek. Ein kombiniertes Eintrittsticket gilt für alle Museen außen der Bibliothek, also ein ähnliches System wie in Parma. Fragen Sie mich nicht, warum es so ist.

Aber Modena, das ist Ferrari. Und Ferrari ist in Italien ein absoluter Kult. Enzo Ferrari (1898 – 1988) war in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts ein erfolgreicher Autorennfahrer. Nachdem er seine Kariere beendet hatte, wurde zum Verkäufer der Firma Alfa Romeo und gleichzeitig gründete er eine Automobilgesellschaft Scuderia Ferrari, so etwas wie derzeitige Rennställe, wo er in Rennautos Motoren von Alfa Romeo montierte. Er feierte mit diesem Rennstall beträchtliche Erfolge, besonders solange für seinen Rennstall der „fliegende Mantuaner“ Tazio Nuvolari fuhr. Später zerstritten sich die beiden und Nuvolari wechselte zur Konkurrenz bei Maserati. Aber gerade die „Gebrüder Maserati,(es gab sechs Brüder Maserati und fünf davon haben die Autofirma gegründet),  die vor dem zweiten Weltkrieg die Produktion aus Bologna nach Modena verlegt hatten, entschieden sich im Jahr 1945 nach Bologna zurückzukehren (die Zentrale der Firma blieb aber in Modena). Enzo nutzte das technische und menschliche Potenzial, das Maserati in Maranello zurückgelassen hatte, und gründete eine eigene Autofabrik. Das erste Auto mit dem Emblem des springenden Pferdes verließ den Fließband 1947. (Also im Jahr 2017 feierte Ferrari 70 Jahre seiner Produktion). Im Jahr 1951 gewann Ferrari den ersten Großen Preis in Silverstone in Großbritannien und ein Jahr später feierte Alberto Ascari mit dem Ferarriwagen den ersten Weltmeistertitel und im folgenden Jahr konnte er den Titel sogar verteidigen. Seitdem gewann der Rennstall Scuderia Ferrari 15 Weltmeistertitel und 16 Konstruktärenweltmeistertitel. Nur Michael Schumacher gewann in den Jahren 2000 – 2004 in der Farben Ferrari fünf Meistertitel nacheinander. Ferrari ist in Italien gleicher Kult wie Fußball und ein Italiener, der kein Fan von Ferrari ist, ist kein Italiener. Er kann – absolut ausnahmeweise – sogar einen Deutschen wie Michael Schumacher oder Sebastian Vettel mögen. Die Italiener haben sogar Niki Lauda geliebt und das war schon eine ordentliche Leistung, Lauda war kein wirklicher Sympathieträger. Momentan sind allerdings die  Italiender durch die Dominanz der Marke Mercedes frustriert, heuer funkt aber schon die Hoffnung auf bessere Zeiten.  Enzo Ferrari starb im Jahr 1988 im Alter von 90 Jahren, im Jahr 2002 brachte die Firma ein Model Enzo auf den Markt, um ihrem Gründer die entsprechende Ehre zu erweisen.

Ferrari Museen sind in Modena und in Maranello, wo die Autos produziert werden. Maranello ist von Modena ca. 15 Kilometer entfernt. Es ist möglich, ein kombiniertes Ticket zu kaufen (für 26 Euro) und es gibt auch einen Transportdienst zwischen den zwei Standorten. Aber auch das Museum in Modena allein ist sehenswert. Es ist nicht besonders groß, aber das Erlebnis mit Multimediaprojektionen und Musik ist sehr intensiv. Der Autor des Museums in Modena war der tschechischer Architekt Jan Kaplicky. Was gut für Ferrari war, war nicht gut genug für Prag. Die Durchführung seines Projektes der Nationalbibliothek aus dem Jahr 2007 wollte der damalige tschechische Präsident Vaclav Klaus mit eigenem Körpereinsatz verhindern. Der Bürgermeister Behm unterstütze zwar anfangs das Projekt, letztendlich zog er sich aber unter dem Druck aus der eigenen Partei zurück und das Projekt wurde nie realisiert. Im Jahr 2008 lehnte Kaplicky, dessen Werke in der ganzen Welt stehen, nur nicht in seiner Heimat, eine Auszeichnung des tschechischen Kulturministeriums ab. Ein Jahr später starb er.

Also Modena. Eine Stadt mit einer sehr guten strategischen Lage fürs Kennenlernen der Provinz Emilia Romagna, es ist von hier nicht weit nach Bologna, Parma, Mantova, sogar Verona und Ferrara sind nicht wirklich unerreichbar weit entfernt.

Das einzige Problem, das man allerding grundsätzlich in jeder italienischen Stadt haben könnte  – am Wochenende ist es ohne Reservierung fast unmöglich, einen Platz in einem Restaurant zu finden, um Torteloni, Zampone oder Lambrusco zu kosten. Achtung! In der ganzen Altstadt gibt es keinen Supermarkt, lediglich einige Geschäfte mit Obst und Gemüse und vereinzelt Delikatessenladen. Wahrscheinlich ist das ein Ergebnis des Druckes der Lobby der Restaurants, Tratorien, Osterien und übrigen Esseneinrichtungen.

Von Durst stirbt man in Modena sicher nicht – Bars gibt es auf jedem Schritt und Tritt, der Hunger ist aber nicht ausgeschlossen. Wir hatten Glück, eroberten wir doch in der Trattoria Accademica die letzten zwei freien Plätze. Und wir konnten das legendäre Zampone genießen. Es ist aber sicher von Vorteil, einen Platz voraus zu reservieren.

Ein großer Vorteil von Modena ist das Parken. Direkt im Stadtzentrum, angelegt an die historische  Altstadt, gibt es ein riesiges unterirdisches Parkhaus „Parcheggio del Centro“ unter dem großem Park „Novi Sad“ mit akzeptablen Parkgebühren 90, Cent pro Stunde und 12 Euro für den ganzen Tag. Einen Parkplatz zu finden ist hier überhaupt kein Problem. Und zum Unterschied zum  Parkhaus Goito in Parma ist hier die Einfahrt breit und bequem.

Also, sollten Sie sich für einen Besuch der Provinz Emilia Romagna entschieden haben, ist Modena ein optimaler Ausgangspunkt.

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