Category: Artikel auf Deutsch

Fuerteventura II

Der Strand, auf dem Bethencourt ans Land ging, ist ein der meistens besuchten Orte auf der Insel. Es ist das Gebiet von Ajuy, man erreicht es auf einer sehr guten Straße vom Ort Pájara oder zu Fuß auf einem historischen Pfad von Betancuria. In Pájara gibt es eine schöne Kirche „Iglésia der Nuestra Seňora de Regia“ mit einer Fassade mit aztekischen Motiven und mit einem vergoldeten Altar in ihrem Inneren. Die Kirche ist aber nicht immer offen. Das Städtchen ist gepflegt und die Straßenbeleuchtung leuchtet tags und nachts. Bereits anfangs November wurde die Weihnachtsdekoration installiert, die Bewohner wollten offensichtlich nichts einem Zufall überlassen. Was wäre, wenn das Weihnachten heuer früher kommen würde.

               In Ajuy gibt es den winzig kleinen bereits erwähnten Hafen „Puorto de la Peňa“ mit vielen Restaurants und dem Menu in beinahe allen Sprachen der Welt, zu meiner Überraschung wurden hier nicht die für Spanien so typischen Tapas angeboten. Der Ort ist durch seinen schwarzen, mit Vulkansand bedeckten, Strand berühmt. Er heißt „Playa de los Muertos“, also „Der Strand der Toten“.

Möglicherweise deshalb, weil von hier der Tod kam. Ob bereits mit Bethencourt oder doch später mit den berberischen Piraten, ist Sache der Auslegung. „Puorto de la Peňa“ war der Hafen der Hauptstadt Betancuria, auch heute noch kann man auf einem Pfad in einem Bergtal von der Stadt zum Hafen absteigen. Der Hafen lebte (oder besser gesagt vegetierte) ganze Jahrhunderte von Kalkerzeugung. Von den Kalkfelsen, die über den schwarzen Strand emporragen, wurde außerordentlich reiner Kalk gewonnen, hier gebrannt und anschließend auf die anderen Kanarischen Insel exportiert. Die Öfen zum Kalkbrennen sind auch heute noch sichtbar, sind aber natürlich seit langer Zeit bereits außer Betrieb. Am Ende eines halbkilometerlangen Spazierganges auf einem zerklüfteten Riff gibt es zwei Höhlen „Cuevas de Ajuy“.

Sie befinden sich auf der Seehöhe, also muss man zu ihnen auf steilen Treppen absteigen und beim Übergang von einer zu der zweiten Hölle muss man auch ein bisschen klettern. Also feste Schuhe sind gegen Sandalen oder Strandschlapfen im Vorteil. Vom Riff gibt es atemberaubende Blicke auf den Strand und das Meer, es zahlt sich also aus, hier einen Spaziergang zu machen. Deshalb machen das auch beinahe alle Inselbesucher.

               Die Straßen auf der Insel sind übrigens in einem sehr guten Zustand, sie sind offensichtlich noch relativ neu mit einer kompakten asphaltierten Fahrbahn. Mit bestimmten Ausnahmen, wie zum Beispiel die Straße zwischen Betancuria und Pájara, sind sie auch breit genug, dass zwei entgegenfahrende Fahrzeuge problemlos ausweichen können. Zwischen Corralejo und „Puerto del Rosario“ wird sogar eine Autobahn gebaut. Im Betrieb sind derzeit zwar nur sechs Kilometer, aber alle Städtchen und Dörfer auf der Insel sind mit einem gut befahrbaren Straßennetz mit Asphaltbelag verbunden.

               Betancuria war die Inselhauptstadt bis 1834, dann übergab es das Primat an das Städtchen Antigua, das aber Hauptstadt nur ein Jahr lang geblieben ist. In Folge der schwierigen Naturbedingungen, infolge deren die Bevölkerung ständig auf der Kippe zur Hungernot balancierte, hat der letzte Landesherr im Jahr 1800 das Handtuch geworfen und ist nach Tenerife übersiedelt. Die Inselverwaltung übernahm das Militär, zum Herrn der Insel wurde der örtliche Oberst, der seinen Sitz im Städtchen La Oliva hatte. So wurde La Oliva im Jahr 1835 zur weiteren Inselhauptstadt, bis es im Jahr 1956 die Stafette an Puerto del Rosario abgab. Zu dieser Zeit waren die ökonomischen Voraussetzungen bereits entscheidend und ein Hafen eignete sich am bestens, zum ökonomischen Schwerpunkt der Insel zu werden. Die Angst vor den Piraten ist bereits verschwunden und im Jahr 1879 musste das Heer auf die Verwaltung der Insel verzichten. In La Oliva gibt es eine schöne Kirche und die Villa der Oberste „Casa de los Coroneles“, von der sie über die Insel siebzig Jahre lang herrschten. Der kleine Palast wurde in der Zeit unseres Besuches gerade rekonstruiert und damit nicht für die Öffentlichkeit zugänglich. Also konnten wir nicht erfahren, wie die militärischen Diktatoren auf der von Armut und Hunger geplagten Insel lebten. Im neunzehnten Jahrhundert flüchtete die Hälfte der Bevölkerung auf das Festland nach Spanien. Dann kam aber in den siebziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts der Fremdverkehr und brachte allmählich den Wohlstand mit sich auf die Insel.

               Fuerteventura sind Vulkankrater, Vulkankrater und manchmal zur Abwechslung noch einmal Vulkankrater.

Die jüngsten von ihnen sind 50 000 Jahre alt und befinden sich im Norden der Insel beim Städtchen Corralejo. Im Unterschied zur Nachbarinsel Lanzarote, wo die Vulkane noch im achtzehnten Jahrhundert wüteten, ist Fuerteventura also ziemlich ruhig.  Trotzdem ist die Erde praktisch nur aus Lavagestein gebildet, wenn wir die sandigen Strände an der Küste nicht in Betracht ziehen – besonders dann das ausgedehnte Gebiet der Sanddünen im Nordosten der Insel bei Corralejo. Diese Dünen sind ein beliebtes Ausflugsziel für die Touristen sowie auch für die Einheimischen – auf der Insel leben insgesamt 140 000 Einwohner und Fuerteventura, von der Größe her die zweitgrößte der Kanarieninseln, ist damit die am dünnsten besiedelte. Weil wir in Corralejo wohnten, konnten wir die Dünen zu Fuß erreichen – mit einem etwas schnelleren Gang dauerte der Spaziergang hin ein bisschen mehr als eine halbe Stunde.

Die Schönheit der mit spärlicher Vegetation bewachsenen Dünen störten nur die Körper außerordentlich hässlicher Nudisten. Oben ohne bei Frauen wird toleriert, ein großer Gewinn war es aber – ehrlich gesagt – mit spärlichen Ausnahmen nicht.

               Die Stadtstrände in Corralejo sind nicht wirklich schön, besonders dann vormittags bei Ebbe, wenn sich das Meer hunderte Meter zurückzieht und seinen felsigen Grund entblößt. Es ist in erster Linie ein Paradis für die Surfer, es gibt hier gleich mehrere Surfschulen. Nachmittag bei der Flut kommt das Wasser zurück und das Baden ist sehr gut möglich, auf den Stadtstrand wird aber eine Unmenge von Meeresalgen angespült, was zum Baden nicht gerade einladend ist.

Aber nur ein paar Minuten weiter der Küste entlang gibt es kleine schöne Strände mit weißen, an Popcorn erinnernden, Steinen und dort kann man sehr wohl baden. Die schönsten Strände sollte es im Süden der Insel um „Morro Jable“ geben, das ist aber vom Norden der Insel doch ziemlich weit. Vielleicht also das nächste Mal.

               Auf manche der Vulkane führen markierte touristische Wege. Es ist zum Beispiel die „Montagna de Tindaya“ bei La Oliva und direkt über Corralejo ragt bedrohlich der Vulkankrater „Volcano Bayoyu“ empor.

Er gebärdet sich bedrohlich, ist es aber nicht. Abgesehen von der Tatsache, dass er das letzte Mal Lava vor 50 000 Jahren gespuckt hat, kann man ihn ganz einfach besteigen. Aus der Stadt ist es nur vier Kilometer und der Höhenunterschied beträgt 290 Meter. Die Fauleren dürfen mit dem Auto bis zum Fuß des Berges in den Nationalpark „Malpaís del Bayuyo y Mascona“ fahren und damit sich den Weg wesentlich verkürzen. Ich machte mich bereits nach dem Frühstück auf den Weg und so konnte ich die atemberaubenden Aussichten vom Vulkangipfel in den Krater sowie auch auf Corralejo, die mit zahlreichen Kratern geschmückte Landschaft, die Insel Lobos und Lanzarote beinahe eine halbe Stunde allein genießen. Danach stürmten gegen Mittag plötzlich Touristen den Gipfel von allen Richtungen und ich trat den taktischen Rückzug an. Der Rückzug führte auf einer Schuttböschung hinunter, feste Schuhe schadeten also sicher nicht – obwohl manche deutschen Touristinnen in den Sandalen unterwegs waren – ich habe lieber niemandem verraten, dass ich ein Arzt bin.

               Die Vulkankrater bilden eine kontinuierliche Reihe, was imposant wirkt, der letzte der Krater ragt aus dem Meer empor und heißt „Isla de Lobos“. Auf diese Vulkaninsel nahe Fuerteventura kann man mit einem Wassertaxi fahren und wenn man sich langweilt, auch den Krater besteigen.

               Vom Hafen in Corralejo bieten gleich drei Gesellschaften einen Transfer zur Nachbarinsel Lanzarote an – der Weg dauert dreißig Minuten und auf der anderen Seite wartet ein bezaubernder Hafen „Playa Blanca“ mit einer langen Promenade, einem zauberhaften Stadtzentrum und unglaublich sauberem fischreichen Wasser auf dem Stadtstrand. Das ist aber schon eine andere Insel, übrigens der Hauptlieferant von Wein, der auf Fuerteventura nicht angebaut wird. Der Wein aus Lanzarote ist gut, das Klima dort muss also günstiger sein, wir sahen, wie eine Fähre ein Auto voll mit Ziegen hinübergeführt hat – sie freuten sich offensichtlich auf eine bessere Weide beim Nachbarn.  Zwischen den Fähren der Gesellschaften Fred Olsen, Armas und Fast Ferry gibt es keine wesentlichen Unterschiede, lediglich Fast Ferry transportiert keine Fahrzeuge. Aber bitte, den Personalausweis nicht vergessen, ohne einen Reisepass oder andere „Identity card“ verkauft euch niemand ein Ticket für die Fähre – obwohl beide Insel zum demselben Land und in weiterer Folge zu EU gehören. Das Taxi zum Hotel und zurück kostete allerdings bloß acht Euro, also war es keine Tragödie und die Fähren fahren in Halbstundentakt.

               Fuerteventura ist ein Ort zum Abschalten. Es herrscht hier Ruhe, die Insulaner leben langsam (obwohl sie sich bei der Bedienung der Gäste ziemlich schnell bewegen) und lassen sich nicht stressen. Wenn sie nach der Rechnung in einer Bar verlangt haben, dann bitte, schön gelassen auf die Rechnung warten! Jeder Versuch, den Prozess zu beschleunigen, ist sinnlos und wird als unanständig gewertet. Die Folge ist nur eine beruhigende Geste des Kellners, die Zahlung wird aber dadurch nicht schneller abgewickelt. Im Vergleich mit dem übervölkerten Teneriffa und dem ein bisschen hektischen Gran Canaria ist Fuerteventura trotz des wachsenden Tourismus immer noch eine Oase der Ruhe. Wenn die Ruhe nicht durch vom Ocean wehende Winde gestört wird. Die könnten nämlich ordentlich stark sein – deshalb gibt es hier auch so viele Surfer. Der Reiseführer wird ihnen einreden wollen, dass diese Winde es in 50 000 Jahren geschafft haben, die Berge, die ursprünglich 3500 Meter hoch sein sollten, auf die heutigen 800 Meter Seehöhe abzuschleifen.

               Ich bin mir nicht sicher, ob es stimmen kann, so viel hat es doch nicht geblasen. Wir hatten Glück. Unsere Ruhe wurde von nichts gestört.

Fuerteventura I

Ich beginne diesen Artikel mit einer Entschuldigung für die zweitägige Verspätung in seiner Veröffentlichung. Ich habe nämlich nach Tschechien gereist und den Computer zu Hause vergessen.

Also:

Was tut ein Historiker, wenn er an einen Ort fährt, wo es keine Geschichte gibt? Natürlich – er sucht und findet schlussendlich doch etwas. Wer viel sucht…

So war es mit mir, als wir mit meiner Frau entschieden haben (das Plural verwende ich ein bisschen euphämisch, es handelt sich eher bei dem „wir“ um den „imperiale Plural“ meiner Gattin – meine Zustimmung habe ich aber gegeben, also nicht jammern!) für den Novemberurlaub auf die Insel Fuerteventura zu fahren. Und so haben wir gepackt und sind geflogen.

               Wenn man schon das Glück hat, dass es in jedem seinen Urlaub regnet, ist die beste Lösung irgendwohin zu fahren, wo es gar nicht regnet. Also kommt die Sahara oder Fuerteventura in Frage. Die zweite Alternative ist viel verlockender. Besonders anfangs November, wenn der Ocean seine höchste Wassertemperatur bis zu dreiundzwanzig Grad Celsius hat.

               Fuerteventura ist die älteste der Kanarischen Inseln und liegt der Afrikaküste am nächsten. Möglicherweise deshalb kommt so wenig Feuchtigkeit her. Von Westen fangen den Regen die Insel Gran Canaria und Tenerife ab und von Afrika (der Insel gegenüber liegt die Westsahara) kann man viel Nässe nicht erwarten. Für die Touristen ist aber dieser Zustand absolut ideal. Während des gesamten Aufenthaltes regnete es nicht und obwohl schon November war, bewegten sich die Tagestemperaturen zwischen 21 und 25 Grad im Schatten und Wolken gab es nur in der Früh und das lediglich über dem östlichen Horizont und nur, wenn ich zur Beobachtung des Sonnenaufgangs aufgebrochen bin. Es war zwar frustrierend, aber meine Laune konnte es nicht kaputt machen. Es war nämlich nicht notwendig viel zu früh aufzustehen, die Sonne ging um 7:15 Uhr Ortszeit auf (obwohl schon Winterzeit galt), das heißt um viertel neun der mitteleuropäischen Zeit, also in der Zeit, wenn man bereits ausgeschlafen ist, und ein morgendlicher Spaziergang an der Küste von einem Strand zum anderen ist sicherlich eine gesunde Sache. Für den Körper sowie auch für die Seele. Obwohl man die aufgehende Sonne letztendlich nicht sieht. Um so schöner war der Vollmond.

               Die Insel Fuerteventura bekommt wirklich nur sehr wenig Feuchtigkeit und dementsprechend karg ist die dortige Vegetation. In den Hotels gibt es aber genug Wasser, die Insulaner haben, ähnlich wie die Malteser, gelernt, das Meerwasser zu entsalzen. Sie machen es offensichtlich konsequenter als die Malteser. Im Gegenteil zu Malta habe ich nämlich im Wasser keinen salzigen Geschmack gespürt – für einen Hypertoniker eine beruhigende Tatsache. Dem Wassermangel und dem Mangel an Grün passte sich auch die örtliche Landwirtschaft an. Vor allem durch Ziegenzucht – eine Ziege frisst nämlich absolut alles. Dementsprechend ist die Spezialität der Insel Ziegenkäse „queso majorero“.

Den Käse kann man überall kaufen, er wird auch in jedem Restaurant und in jedem Hotel angeboten. Er ist eine klassische ortspezifische Vorspeise (sowie auch Nachspeise). Zur Zubereitung wird noch immer sehr viel Handarbeit verwendet und er wird nach der Reifungszeit in drei Arten angeboten – als weich (tierno), halb hart (semicurado) und hart (curado). Meiner Meinung nach ist er in allen drei Formen absolut essbar. Sogar meine liebe Gattin, die gedroht hat, dass ich keinen Kuss von ihr mehr erwarten könnte, wenn ich den Käse gegessen hätte, änderte ihre Meinung und gab zu, dass der Käse keinen unangenehmen Geruch hatte und gut schmeckte. Und er macht satt.

               Wenn man auf Fuerteventura einen Ausflug mit einem Reisebüro buchen würde, muss man damit rechnen, dass er eine Ziegenfarm besuchen würde, wo eine Käseverkostung inkludiert ist. Es ist so etwas wie in der Türkei der Besuch einer Teppichfabrik. Wir kauften keinen Ausflug, eine Farm haben wir also nicht besucht, dafür aber das Käsemuseum in der Nähe des Städtchens Antigua. Es ist das „Museo del Queso Majorero“ und neben der Ausstellung zur Käseherrstellung gibt es hier auch einen wunderschönen Kakteenpark.

Ich hatte keine Ahnung, dass es mehr als dreißig Arten von Ziegen gibt. Jetzt weiß ich es, einzeln nennen könnte ich sie trotzdem noch immer nicht. Das Museum erzählt nicht nur über Ziegen und Käse, es gibt hier auch eine multimediale Projektion mit Darstellung der Theorien über die Entstehung der Kanarischen Inseln und mit Bekanntmachung mit der Flora und der Fauna der Insel. Besonders was die Fauna betrifft, hat die Insel aber nicht viel zu bieten – wenn wir die Ziegen nicht dazu zählen.

               Die Inselgeschichte begann für die Europäer im Jahr 1402, als in der Bucht, wo sich heute ein Minihafen „Puorto de la Peňa“ befindet, der Kapitän Jean de Bethencourt mit seinen 53 Männern landete. In Laufe der nächsten zwei Jahre eroberte er die ganze Insel. Die Inselbewohner so genannte „Mojo“, die hier in der Ruhe gelebt hatten, geteilt in zwei Königsreiche, hatten mit ihren Stöcken zum Ziegenantrieb gegen die europäischen Waffen keine Chance. So ließen sich beide Könige Ayoze und Guize lieber taufen und nahmen die Namen Luis und Christian an, in der Hoffnung, dass sie dadurch von der Eindringlingen Ruhe haben würden. Hatten sie nicht. Ihre Statuen stehen auf einer Aussichtsplatform an dem Straßenrand zwischen La Oliva und Betancuria.

Wie weit ihre Darstellung der Realität entspricht, weiß nur der liebe Gott. Einen Einblick in das Leben der Ureinwohner bietet ein Freilichtmuseum La Atalyita bei Pozo Negro an der Ostküste der Insel. Man kann von dem Städtchen Caleta de Fuste (wo sich die größten Salinen zu Gewinnung des Meersalzes befinden – auch mit entsprechendem Museum) oder aus dem Innenland vom Städtchen Antigua hinfahren.

               Gleich neben dem Rastplatz mit den Statuen von Ayoze und Guize oder – wenn Sie möchten – Luiz und Christian – gibt es eine Abzweigung zum Aussichtspunkt „Mirrador morro Vella“. Das Gebäude dort, das seine Entstehung dem berühmten örtlichen Künstler Césare Manrique verdankt, wurde entweder gerade restauriert oder befand sich in einem natürlichen Zerfall. Was von diesen zwei Alternativen zutrifft, konnte ich nicht erfahren, in jedem Fall war es geschlossen. Trotzdem gab es von diesem Aussichtsberg in der Höhe 700 Meter über den Meeresspiegel fantastische Ausblicke über die Berge und bis zum Meer.

               Bethencout gründete in den Bergen oberhalb des Hafens, wo er ans Land ging, die erste Stadt auf der Insel und ernannte sie als ein richtiger Katholik in den Diensten einer katholischen Majestät „Santa Maria de Bethencourt“. Heute heißt diese erste Inselhauptstadt Betancuria und sie ist ein liebes und schönes Nest.

Im Jahr 1403 bestätigte der Papst Benedikt XIII. die Gründung der ersten Pfarre auf der Insel. Benedikt war allerdings ein Gegenpapst, der im Jahr 1415 vom Konstanzer Konzil abgesetzt wurde (was er bis Ende seines Lebens nie anerkannte). Also musste die Dinge der kirchlichen Organisation im Jahr 1424 Papst Martin V., der in Konstanz gewählt wurde und über dessen Legitimität keine Zweifel bestehen, in Ordnung bringen. Aus der Zeit der ersten Eroberer findet man keine Relikte. Im Jahr 1593 wurde die Stadt nämlich trotz ihre in den Bergen versteckte Lage von den berberischen Piraten entdeckt. Sie plünderten die Stadt aus und was sie nicht mitnehmen konnten, zündeten sie an. Die Stadt wurde dadurch vollständig zerstört. Also alle Gebäude im Städtchen inklusiv der Kirche „Iglésia de Santa Maria Imaculata“, also „Die Kirche des unbefleckten Empfängnis der Jungfrau Maria“ sind aus der späteren Zeit, trotzdem sind die Bauten Mitte in Parkanlagen mit Palmen und Kakteen lieb. Sie sind aus dem Vulkanstein mit weißem Mörtel gebaut, ästhetisch kann man nichts einwenden. Und es gibt sogar eine Fontäne, wahrscheinlich gibt es hier doch ein bisschen mehr Wasser als sonst auf der Insel – möglicherweise war es der Grund der Stadtgründung an diesem Ort.

               Bethencourt stammte zwar aus der Normandie und war also ein Franzose, Frankreich war aber nicht imstande ihm bei der Versorgung der Siedler mit Nahrungsmitteln auf der öden Insel zu helfen. Bethencourt fand letztendlich die Unterstützung bei König Heinrich III. von Kastilien, der ihn zum „Herrn der Kanarischen Inseln“ ernannte und die Kolonisierung der Insel förderte. Kastilien war zu dieser Zeit noch lange keine Seemacht (im Gegenteil zu Portugal oder Aragon) und deshalb war für König Heinrich sogar die unfruchtbare Insel verlockend. Nachdem Frankreich im Jahr 1415 die Schlacht bei Azincourt gegen die Engländer verloren hatte, kamen die Besitzungen von Bethencourt in der Normandie unter die englische Herrschaft und er musste dem englischen König seine Treue schwören. Das machte ihn in Kastilien zu „Persona non grata“. Kastilien gab aber seine Ansprüche auf die Kanarischen Inseln nicht mehr auf und nach der Entstehung von Spanien durch Vereinigung von Kastilien und Aragon im Jahr 1515 wurden die Inseln ein Teil des Spanischen Königreiches und blieben es bis heute. Weil die Inseln nördlich des Caps Bojador an der Höhe der Küste der Westsahara liegen, durch die die Grenze der Interessengebiete der Länder der Iberischen Halbinsel führte, mussten die Spanier um diese Insel nicht mit Portugiesen streiten.

Prekmurje

Als ich das erste Mal erfuhr, dass wir nach Moravske Toplice  in die Therme fahren sollten, habe ich auf der Karte gesucht, wo sich dieser Ort befindet. Ich machte das natürlich auf die altmodische Art – mein Sohn würde einen Lachkrampf bekommen – auf der Autokarte von Jugoslawien aus dem Jahr 1994. Und ich habe auf dieser Karte diesen Ort gar nicht gefunden. Obwohl ich ungefähr wusste, wo ich suchen sollte. Nämlich in der Nähe von Murska Sobota auf dem linken Murufer. Aber dort war einfach solches nicht zu finden.

               O.k. ich habe mich also modernisiert und das Internet eröffnet und dort das Dorf gefunden. Es hat ganze 719 Bewohner mit den anderen insgesamt achtundzwanzig angeschlossenen Ortschaften kommt es sogar auf ganze 6200 Menschen.

               Wenn man aber Moravske Toplice besucht, sieht man gleich, dass der dortige Wohlstand jung ist. Im Jahr 1960 entschied das sozialistische Jugoslawien, damals unter der Tito-Herrschaft – nach Erdöl zu suchen. Keine Ahnung, warum man sich entschieden hat, gerade in diesem Ort zu bohren, allerdings wurde in der Tiefe von 1400 Meter anstatt Öl heißes Wasser gefunden.  Die Einheimischen haben sofort ihre Chance begriffen und schon im Jahr 1962 gab es dort ein erstes Schwimmbecken mit warmem Thermenwasser. Die Slowenen waren immer sehr unternehmungsfreundlich, unvergleichbar mehr als alle anderen sieben Subjekten des damaligen Jugoslawiens (es gab sechs föderative Republiken und zwei autonome Regionen und das ganze Konglomerat wurde manchmal „Die Schneewittchen und sieben Zwerge“ genannt, wobei Slowenien die Rolle von Schneewittchen übernommen hat).

               Heute gibt es in der Ortschaft mehrere Vier- und Fünfsternenhotels und eine große Therme T 3000 mit einer riesigen Rutsche – die Einheimischen behaupten, dass es sich um die größte Rutsche in Mitteleuropa (eventuell in ganz Europa) handeln sollte. Es ist gut möglich, ich habe sie nur von Ferne gesehen und es ist mir kalt über den Rücken gelaufen. So ein Monstrum habe ich noch nicht gesehen – allerdings war ich natürlich nicht überall. Gott sei Dank bin ich alt genug, um eine glaubwürdige Ausrede zu haben, sie nicht benutzen zu müssen.

               Die Hotels Termal (wahrscheinlich das älteste gleich neben der Therme) Livada (das größte) Ajda und Vivat (ein bisschen entfernt aber um so ruhiger) bieten die Unterkunft für Hunderte von Gästen – der Aufenthalt ist deutlich billiger als im 20 Kilometer entfernten Bad Radkersburg. Neben den Hotels gibt es hier auch ein großes Apartmentdorf „Prekmurska Vas“ und es darf natürlich auch ein achtzehn Löcher Golfplatz nicht fehlen – er ist in unmittelbarer Nähe zu den Thermen. Es wird einfach auf Luxus gesetzt, und die Wette geht auf.

               Wir wohnten im Hotel Vivat (die Wahl wurde dadurch vereinfacht, dass eine Mitarbeiterin meiner Frau, die liebe Sarah, gerade aus Moravske Toplice stammt). Die Unterkunft in einem Zimmer mit Balkon war sehr gut, dass Essen tadellos und das Baden im „Weißen Wasser“ – das ist eine Quelle, die in der Tiefe von 900 Meter angebohrt wurde und 24 Liter Wasser mit einer Temperatur von 55 Grad pro Sekunde liefert, oder im „Schwarzen Wasser“ aus der Tiefe von 1257 Meter mit einer Temperatur von 66 Grad – diese Quelle ist weniger ausgiebig und liefert lediglich 2 Liter Wasser pro Sekunde. Natürlich werden beide Quellen abgekühlt auf eine sehr angenehme Temperatur von 32 Grad in einem großen Schwimmbecken oder auf 39 Grad in einem kleinen. Das war das „Schwarze Wasser“, das allerdings gar nicht schwarz war, wahrscheinlich wurde es entfärbt.

               Natürlich konnte ich es nicht auslassen, einen Spaziergang durch das Dorf zu machen und ich habe mit Erstaunen festgestellt, dass der Ort calvinistisch ist. Die Kirche „Des guten Hirten Jesus“ ist einfach, besonders in ihrem Inneren wie es die calvinistische Konfessionirten JesusH

 vorschreibt. In einem anderen Ortsteil Bogojina baute sogar der berühmteste slowenische Architekt Jože Plečnik eine Kirche. Offiziell heißt sie „Christi-Himmelfahrt Kirche“, bekannt ist aber als „Die weiße Taube“.

               Die calvinische Gegenwart des Ortes brachte mich dazu, in der Geschichte der Region zu recherchieren. Ich entdeckte dabei, was ich noch nicht wusste. Slowenien gab es offiziell bis zum Jahr 1918 nicht. Als im Jahr 1918 „Das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen“ entstand, wurde der slowenische Teil dieses Neugebildes aus der Windischen Mark um Ljubljana, aus der Grafschaft Celje und aus der Südsteiermark gebildet. Die Städte am Meer von Koper bis zu Piran erhielten die Slowenen nach dem zweiten Weltkrieg, als Istrien von Italien zu Jugoslawien kam und Papa Josip Bros Tito die Beute zwischen seine Kinder Kroatien und Slowenien teilte (ohne den Slowenen einen Korridor in das freie Gewässer zu schenken). Alle diese Ländereien waren einmal ein Teil von österreichischen Kronländern und damit überwiegend katholisch. Nur mit einer Ausnahme und das war eben Prekmurje

. Dieses kleines Stück Landes auf dem linken Murufer, also „Übermurgebiet“. Ungarisch Muravidék gehörte nämlich zum Ungarischen Königreich. Deshalb haben hier die Ortschaften nicht nur slowenische, sondern auch ungarische Namen. Moravske Toplice heißen auf Ungarisch Alsómarác oder auch Toplitz, die Hauptstadt der Region Murska Sobota hieß einmal Muraszombat.

               Das ganze winzig kleine Gebiet hat nur 950 Quadratkilometer und es leben hier 76 000 Einwohner. Wie ich schon schrieb, das Zentrum der Region befindet sich in Murska Sobota, wo es die Bezirkshauptmannschaft, das Krankenhaus und ein Schloss gibt, der nördliche Teil der Region in Richtung zur ungarischen Grenze heißt Goričko, ist hügelig und er wurde zu einem nationalen Naturpark erklärt. Der höchste Berg ist zwar lediglich 417 Meter hoch, es gibt hier aber viele Radfahrerwege, um die dortige Natur auf einem Fahrrad genießen zu können. Das Zentrum von Goričko ist ein Städtchen mit einem einfachen Namen „Grad“ also „Burg“ – die Burg gibt es dort tatsächlich und sie dominiert die ganze Landschaft.

               Im Jahr 1918 kam es zum Zerfall der Österreichisch-ungarischen Monarchie. Im ungarischen Teil ergriff im März 1919 der Kommunist Béla Kun die Macht. Im Land herrschte „der rote Terror“, viele besser situierten Ungaren und ungarische Intellektuellen wählten die Flucht aus dem Land. Sie waren bereit, alles Mögliche gegen die kommunistische Macht zu unternehmen, sogar die separatistischen Tendenzen der auf dem ungarischen Gebiet lebenden nationalen Minderheiten zu unterstützen. Im April 1919 gründeten sie in Wien unter der Führung von Graf Bethlén ein „Antikommunistisches Komitee“.

               Am 29. Mai 1919 wurde auf dem Balkon des Hotels Dobray in Murska Sobota (heutiges Hotel Zvezda) eine unabhängige Murrepublik ausgerufen.

Der Initiator war Vilmos Tkalecz, ein slowenischer Offizier der österreichischen Armee. Die Deklaration enthielt auch einen Appell an die ungarische Regierung, das Recht auf Selbstbestimmung der Nationen zu respektieren. In diesem Fall waren es die Slowenen, die in dieser Region eine Mehrheit darstellten. Letztendlich war dieses Recht einer der wichtigsten Punkte des Programms von Lenin und er war wieder das Vorbild für Kun. Béla Kun hat aber in diesem Fall sein großes Vorbild in Sankt Petersburg und seine Lehre in diesem Punkt ignoriert und schickte nach Prekmurje die Armee. Tkálecz hatte lediglich 600 bewaffnete Männer. In sechs Tagen wurden sie nach Österreich verdrängt und dort in Feldbach in einem Gefangenlager entwaffnet und interniert. Dieses eintagsfliegelanges Leben der Murrepublik war aber doch ein Anlass, dass in Trianon im Jahr 1920 entschieden wurde, dass diese Region von Ungarn getrennt sein sollte. Sie wurde zwar nicht selbständig, sondern wurde in den slowenischen Teil des neu gegründeten Königreiches aufgenommen, das später zum Jugoslawien wurde.

               Die Ungaren vergaßen diese Willkür der Siegesmächte nicht. Gleich danach, als die deutschen Truppen Jugoslawien im Jahr 1941 überfielen und die jugoslawischen Armee nach bloß elf Tagen der Kämpfe kapitulierte, besetzte Ungarn als der Verbündete Hitlers das Prekmurje und gliederte es wieder in den ungarischen Staat ein. Den Rest von Slowenien teilten sich Deutschland (Südsteiermark und die Region um Kranjska Gora) und Italien (Socatal und Ljubljana).

               Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges kam Prekmurje zurück nach Jugoslawien und nach der Unabhängigkeitserklärung des neuen Slowenischen Staates im Jahr 1991 blieb es dort als ein der fünf Regionen Sloweniens.

               Von der ungarischen Geschichte blieb hier der örtliche Dialekt, in dem es viele ungarische Elemente gibt, zum Beispiel ungarische Nachnahmen – gleich nach der Grenze zu Österreich begrüßte uns „Gostelnica Vörös“ – die calvinistische Religion und einige Einflüsse in der örtlichen Küche.

               Vor allem das „Bograč“, das dem ungarischen Gulasch zu verdächtig ähnelt. Nicht also dem, was wir für ungarisches Gulasch halten und mit Knödel essen. Das echte ungarische Gulasch wird aus Rindfleisch mit Kartoffeln, Zwiebel, Knoblauch und Paprika gekocht, ob dazu auch Kümmel, Lorbeerblätter, Majoran und Tomatenmark gehören, weiß ich nicht, im Borač sind sie aber auf jeden Fall erhalten.

               Eine andere örtliche Spezialität ist „Bujta Repa“ und die ist aus meiner Sicht wieder dem russischen Borschtsch ähnlich. Es wird angeblich am ersten Tag der Schweinschlatung zu Mittag gegessen, neben den sauren Rübe und den Schweinsripperln gehört hierher die Hirse, der Zwiebel, der Knoblauch, das Butterschmalz, das Mehl, weiters geriebener Paprika, Pfeffer, Lorbeerblätter und Majoran.

               Die ECHTE SPEZIALITÄT aus der Region ist allerdings die „Gibanica“ und da sind wir schon wieder bei typischer slawischer Küche. Dieser ordentlich süße Kuchen hat acht Schichten. Eine davon ist aus Topfen, die zweite aus Nüssen, die dritte aus geriebenen Äpfeln mit Zimt und die vierte aus Mohn. In die letzte wird neben der Sahne auch der Weißwein beigemischt und das nicht wenig. Diese Schichten werden mit Blätterteig getrennt, nur die unterste Schicht wird aus Mürbteig gemacht.

               Also wenn Sie Perkmurje besuchen – und das ist wirklich keine schlechte Idee, kann man Bograč oder Bujta Repa vielleicht meiden, aber wenn man keine Gibanica gegessen hat, war man  einfach nicht hier. Der Besuch gilt nicht. Obwohl diese Mahlzeit ordentlich süß ist und satt macht – die Sahne entfaltet ihre Wirkung.

               Übrigens, wenn Sie sich entscheiden sollten, auf diesem Weg gewonnene Kalorien wieder auszugeben, in jedem Hotel kann man Fahrräder mieten. Der Nationalpark Goričko lockt mit seiner Natur und heißt willkommen. Die Fahrradwege an den Straßen entlang sind entweder fertig oder werden gebaut. Die Slowenen bemühen sich wirklich, die Gäste anzulocken.

Ein Seniorenmassensterben – die Grippeepidemie 2022/2023

  

Ich muss wieder einmal einen meinen Irrtum gestehen. Weil ich zwei Jahre lang keinen einzigen Grippefall behandeln musste, habe ich das Grippe-Virus als eine ausgestorbene biologische Art abgeschrieben. Ich habe einfach das Aussterben dieser Virenart – die wahrscheinlich niemand, vielleicht die Wissenschaftler ausgenommen, nachweinen würde – für einen Kollateralschaden der Covid-Pandemie und der Maßnahmen gegen Covid 19 Virus gehalten.

               Wo sollte das arme Virus überleben? Sicher nicht auf einem Baum oder in einem Ameisenhaufen, nicht einmal unter der Erde kann es das schaffen, es braucht zu seinem Leben und Vermehrung die menschliche Schleimhaut – die wurde zwei Jahre lang durch Masken geschützt und diesen Schutz konnte das arme Virus nicht überwinden. Ich habe ihm bereits ein Grab geschaufelt und wollte eine Kerze auf seinem Grab anzünden – und da erschien die Bestie plötzlich aus dem nichts und wie! Wütend, aggressiv und tödlich.

               Wir wissen im Krankenhaus nicht, was wir tun sollten. So viele Grippefälle haben wir noch nie gehabt und unsere Alten sterben wie Fliegen am Winteranfang. Es sterben mehr alten Menschen als an Covid, was damit zusammenhängt, dass sie derzeit überhaupt nicht geschützt werden.  In Covidzeiten gab es „lock down“, es gab keine Besuche in den Altersheimen, also gab es nur eine sehr minimale Übertragungsmöglichkeiten des tödlichen Virus. Covid schaffte es sogar diese Verteidigungsmaßnahmen durchzubrechen, die arme Grippe war dagegen machtlos. Dann aber stiegen in die Sache die Soziologen und Psychologen ein. Manche wollten habilitieren, manche sehnten sich nach einer Präsentation in den Medien. Sie publizierten Studien, in denen sie sehr beeindruckend das extreme Leiden der armen Pensionisten feststellten, die keine Besuche von Kindern und Enkelkindern empfangen durften und sie beschrieben, in welche Depressionen sie dadurch verfallen sind. Demzufolge fällt niemandem ein, in einem Altersheim oder in einem Krankenhaus Besuche zu verbieten. Und wenn es ihm auch einfallen sollte, versucht er so schnell wie möglich diese Idee zu vergessen. Niemand will auf den Titelseiten der Zeitungen wie ein blutrüstiger Sadist, der seinen Schützlingen Besuche von den mit Grippe angesteckten Kindern und Enkelkindern verwehren wollte, dargestellt werden. Demzufolge sind die Bewohner der Seniorenheime nicht mehr depressiv, anstatt dessen sind sie tot. Dazu kommt, dass der Patientenansturm auf ein von der Pandemie sehr beschädigtes und geschwächtes Gesundheitssystem trifft. Viele Pfleger und Schwester sind gegangen, viele Ärzte folgten ihnen, es gibt gesperrte Betten und ganze Abteilungen. Die Verteidigungslinie ist ausgedünnt.

               So viele Tote haben wir auf unserer Abteilung noch nie gehabt, während eines Weekends starben acht Patienten, sechs davon mit dem Grippevirus im Körper. Im Kühlraum haben wir lediglich vier Plätze, ich habe keine Ahnung, wo die anderen auf ihr Begräbnis gewartet haben.

               Natürlich waren das alles Leute, die bereits vorher schwer krank waren. Chronische obstruktive Bronchitiden, Asthma, Herzschwäche, Demenz. Diese Leute hatte aber Covid ebenso im Visier – trotzdem hat es nicht geschafft, so viele und so schnell umzubringen. Die Krankheitsverläufe sind für uns bisher unbekannt und sehr dramatisch. Das erste Symptom ist häufig – und nicht nur bei alten Menschen – Bewusstlosigkeit, also eine Synkope, häufig noch vor dem ersten Fieberschub. Nach so einem Ereignis eilen die Familienangehörigen mit dem Betroffenen ins Krankenhaus, wo er im Warteraum die dort sitzenden und nichts ahnenden Patienten anstecken, die dort auf eine Untersuchung aus anderen Gründen warten. Schon die Tatsache, dass sie im Warteraum eines Krankenhauses sitzen, zeugt davon, dass es sich nicht um gesunde Leute handelt, und das Virus kann sich austoben. Viele unsere Patienten verfallen in Rahmen der Grippeinfektion ins Delirium, also in einen Verwirtheitzustand.  In dem toben sie, sie verweigern jede Therapie, sie spucken, schlagen herum und versuchen zu flüchten. Viele können diesen Zustand nicht einmal mit Hilfe von Medikamenten überwinden. Sie stürzen, brechen sich den Oberschenkel oder erleiden eine intrakraniale Blutung – die Prognose ist dann ziemlich hoffnungslos. Wir haben keine Kapazität, alle diese Patienten auf der Intensivstation zu behandeln und dort zu warten, bis sich ihre Verwirrtheit und der Zwang zur Bettflucht beruhigt. Die gerontologische Abteilung der Psychiatrie ist sinnlos zu kontaktieren, die systemisierten Betten reichen sogar in den normalen Zeiten nicht aus und die Krankenschwestern aus diesen Abteilungen wurden aus Verzweiflung auf die infektiösen Abteilungen zur Hilfe überstellt, wo sie sich schnell selbst angesteckt haben.

               Es ist ein ziemlich verzweifelter Kampf, mancher deliranter Zustand bessert sich nicht einmal nach Wochen, eine Normalisierung des psychischen Zustandes erleben also viele von diesen Patienten nicht mehr. Die Grippe räumt also die Seniorenheime konsequenter als es Covid tat. Viele Patienten, die stationär aus anderen Gründen waren, steckten sich bei dem Besuch ihrer Verwandten an. In den Zeiten vor Corona wurde in so einer Situation einer Epidemie ein Besuchsverbot erlassen. Aus dem höher eingeführten Grund traut sich das jetzt niemand – es wird allerdings darüber bereits seit Wochen nachgedacht…

               Natürlich fallen unserer Krankenschwestern krankheitsbedingt aus, auf der Intensivstation erkrankten an Grippe fast zugleich acht von ihnen, die übrigen arbeiteten praktisch ohne freie Tage um die Ausfälle zu kompensieren. Ich ziehe den Hut ab vor ihnen. Auch einige unsere Kollegen hat es erwischt.

               Die politische Hexenjagd gegen Impfungen von Herrn Kickl und Frau Belakowitsch brachte ihre Früchte. Ungefähr acht Prozent der Bewohner von Österreich sind gegen Grippe geimpft. (Ehrlich zugegeben, vor der Coronazeiten war es nicht viel besser) Ich gebe zu, dass ich im Fall der heurigen Grippeimpfung auch anfangs skeptisch war. Das Vakzin wird aus den Stämmen der isolierten Viren aus der letzten Saison mit der Berücksichtigung der erwarteten Mutationen produziert. Woher sollten die Produzenten das Material für ein wirksames Vakzin in zwei Jahren ohne Grippe gewinnen?

               Ich habe einige wichtigen Details übersehen. Es gab doch ein Paar Grippefälle. In Wien gab es in der gesamten Saison 2021/2022 3000 Fälle, in Berlin waren es 743 Fälle. Interessant war die Karte von Deutschland. Im Westen gab es die Grippe kaum, die meisten Grippefälle gab es in Ostdeutschland mit Schwerpunkt Sachsen.

               Was mir wirklich entgangen ist, war die Grippeepidemie im Sommer 2022 in Australien. Dort gibt es nämlich Winter, wenn es bei uns Sommer gibt und es ist nur die Frage, ob sie dort in der Entwicklung des Virus ein halbes Jahr vor uns (dann wirkt die aus dortigen Viren gewonnenes Vakzin gut) oder hinter uns (dann wirkt es eben nicht) sind. Heuer waren die Australier offensichtlich vor uns.

               Der Verlauf der Epidemie in Australien war nämlich fast identisch mit der derzeitigen Entwicklung bei uns. Die Epidemie fing früher als üblich an und erreichte ihren Gipfel bereits Ende Mai und Anfang Juni (normalerweise ist es Ende Juli). Sie betraf 212 573 Menschen (ein Jahr früher war es 435 Fälle in dem ganzen Land mit 25 Millionen Einwohnern). In dem gesamten Land starben in Zusammenhang mit der Grippe 246 Menschen, in den Krankenhäusern wurden 1581 Menschen aufgenommen, davon 6,5% auf die Intensivstationen. Im Jahr 2019, also ein Jahr vor dem Ausbruch der Covid-Pandemie, war es noch schlimmer. Es erkrankte ein viertel Million Menschen und 590 davon starben. Also man konnte das Material für die Vakzin für den Winter 2023 bei uns sehr wohl finden. Das aktuelle Vakzin hat nach Angaben des Hygieneinstitut eine Antigenkompatibilität (also gewährleistet den Schutz) gegen 97,4% der Influenza A Fälle (Typ H1N1) und 93,9% gegen den Typ H3N2. Die Fälle, die wir behandeln, sind ausschließlich Influenza Typ A, was der heurigen Statistik entspricht. Es gab Jahre, als diese Übereinstimmung lediglich 15% ausmachte, so ein Vakzin schützte natürlich nicht. Heuer ist die Situation günstig, leider bekamen die Impfgegner Gehör, was zu Folge hunderte Tote hat. Die niedrigen Totenzahlen in Australien wundern mich, sollte es so gehen wie bisher wird Australien in dieser Disziplin sogar von unserem Bezirk mit 80 000 Einwohnern eingeholt. In Australien waren aber vor allem Kinder und Jugendliche krank, bei uns sind das die Senioren, fragen Sie nicht warum.

               Damit die Lage in den Krankenhäusern nicht zu einfach wäre, hat jemand einen dreifachen diagnostischen PCR-Test aus den Schleimhäuten erzeugt, also gleichzeitig für Covid, Influenza und RSV Virus – Respiratorisch Synzytial Virus. Dieses haben wir nie bevor getestet und die Kranken mit diesem Virus nicht isoliert. Jetzt müssen wir das machen. Also getrennt müssen die Patienten mit Covid, die mit Influenza und die mit RSV liegen. Wie wir das mit unseren 60 Betten für 80 000 Einwohner machen sollen, sagt uns niemand. Zwischenzeitlich hatten wir kein einziges Zimmer für Patienten ohne Viren. In einem befreundeten Krankenhaus hat der Direktor entschieden, dass man verschiedene Infektionen nicht mischen darf, dafür aber ganz wohl die Geschlechter. In einem Zimmer liegen also Männer mit Frauen – aber mit dem gleichen Virus. Herr Direktor glaubt wahrscheinlich, dass seine Klientel keine unanständigen Gedanken mehr hat und im Falle der Erkrankung dann schon überhaupt nicht. Er könnte sich ziemlich irren, zumindest nach der Erzählung einer meinen guten Bekannten, die Direktorin in einem Seniorenheim ist. Das müssen wir aber dem Schicksal überlassen, die Viren lassen keine Alternative zu.

               Bereits seit Jahren gibt es ein Medikament, dass die Vermehrung von Viren blockieren und damit die Dauer der Erkrankung verkürzen und die Symptome lindern kann. Bei vielen immun geschwächten Alten könnte es das Leben retten. Man muss dazu aber rechtseitig kommen.  Das Medikament muss man binnen ersten 48 Stunden ab den ersten Symptomen verabreichen, sonst wirkt es nicht. Was nicht so einfach ist. Man muss es zum Hausarzt schaffen, der muss den Test haben und machen und dann das Medikament Tamiflu verschreiben.

               Also entschied ich mich den Schutz gegen das heimtückische Virus in eigene Hände zu nehmen. Man kann nämlich gleich vier Verteidigungslinien bilden.

  1. Der Respirator. Wenn die FFP-Masken zwei Jahre lang verlässlich gegen Grippe schützen konnten, schaffen sie das auch jetzt. Ich empfehle ihre Benutzung allen gefährdeten Menschen. Natürlich ist das Internet bereits voll mit den Informationen über ihre Schädlichkeit, wie man die eigenen Gifte im Körper hält, weil man sie nicht ausatmen kann. Ich trage die FFP2 Maske in der Arbeit (ich gebe zu, dass meine Begeisterung dafür sich in Grenzen hält, sie wirkt aber, also ist sie zu akzeptieren). Ich nehme sie in die Straßenbahn oder in den Bus mit und beobachte, ob jemand in meiner Nähe hustet oder rote Augen hat. Dann setze ich sie an.
  2. Der Sliwowitz war immer ein guter Schutz vor Infektionen, natürlich der von eigenen Zwetschen gebrannte und er muss über fünfzig Prozent Alkohol haben. Das überwindet kein Virus. Natürlich handelt sich um ein Stamperl und nicht um eine Flasche täglich. Die Flasche übersteht das Virus zwar nicht, der Patient aber auch nur schwer.
  3. Die Impfung. Heuer wahrscheinlich doch wirksam. Die, die an die Verschwörungstheorien von Frau Belakowitsch glauben, kann ich beruhigen. Es handelt sich um kein RNA-Vakzin, vor dem die Verschwörungstheoretiker eine panische Angst haben, weil sie um ihre DNA fürchten. Obwohl genau diese Leute diese Änderung eher als eine Chance betrachten sollten. Es ist ein Vakzin der alten Schule. Auch die Nebenwirkungen mit hohem Fieber und Muskelschmerzen, die bei älteren Vakzinen häufig waren, treten heutzutage kaum auf.
  4. Wenn man dann noch Tamiflu von der Apotheke abholen könnte, wird es nicht schaden das zur Hand zu haben, sollte plötzlich ein hohes Fieber eintreten eventuell auch mit einem Kollaps und kurzer Bewusstlosigkeit.

Durch diese Barrieren kommt das Virus nicht durch, ähnlich wie die Russen bei Bachmut, zumindest glaube ich daran. Ich warne allerdings davor, die Verteidigung nur auf die Linie zwei zu reduzieren.

Ich halte euch die Daumen, dass das Virus euch meidet.

Zahlung im Ausland – ein schmutziges Spiel der Banken

               Seit Jahren wehren sich tschechische Banken gegen den Beitritt zum Euroraum und behalten starrsinnig die tschechische Krone. Obwohl diese Tatsache die Inflation erhöht, obwohl sich dadurch die an Export orientierten Firmen schwertun, da sie von dem Wechselkurz abhängig sind und sich zusätzlich gegen die Risiken des Wechselkurses versichern müssen.

               Aber die Banken machen herrliche Gewinne. Besonders, wenn sie Touristen ausnehmen können. Also bitte, aufpassen, um die Räuber in den Banken nicht mit Ihrem Geld zu futtern.

               Es begann vor einigen Jahren. Bei Abhebung des Geldes von Bankomaten erschien bei zwei tschechischen Banken die Alternative „Mit Umrechnung“ oder „Ohne Umrechnung“. Wer auf „Mit Umrechnung“ geklickt hat, zahlte zusätzliche 10% der abgehobenen Summe. Es gab Aufregung im Internet, besonders auf dem Facebook, mit der Bitte, diesen Blödsinn abzuschaffen. Die Folge war, dass es alle tschechischen Banken eingeführt haben.

               Inzwischen hat sich es sich in allen Ländern verbreitet, allerdings haben sich die Regel geändert und sie werden raffinierter.

               Wenn man jetzt mit einer österreichischen Karte in Tschechien zahlt, kommt die Frage: „Mit Euro zahlen“ oder „mit Kronen zahlen“. Wenn man Euro wählt (was einem mit einem Konto in Euro Währung logisch vorkommt), zahlt man zusätzlich nicht mehr 10%, sondern sogar 13,5%. Bei derzeitigem Kurs 24,75 Kronen für Euro wird im Wechselkurs 21,50 gewechselt. Also unbedingt immer in der örtlichen Währung zahlen – es kommt viel billiger.

               Bei einem Bankomaten ist das noch perfider. Bei Geldabhebung kommt wieder die gleiche Frage, ob man das Geld in Kronen oder in Euro abheben möchte. Wenn man Euro wählt, kommt die Information, dass es in dem Kurs 21,50 abgehoben wird, also mit einem Zuschlag von 13,5%. Wenn man Kronen wählt, kommt sofort bedrohlich die Information, dass in diesem Fall die Bank 169 Kronen (umgerechnet 6,50 Euro) Gebühr berechnet. Trotzdem ist diese Option bei Summen größer als 50 Euro günstiger.

               Also IMMER IN DER ÖRTLICHEN WÄHRUNG zahlen.

               Es scheint günstiger mit Karte als in bar zu zahlen, wenn man das Geld von tschechischen Bankomaten abheben müsste.

               Es wäre sicherlich einfacher, ein Konto in einer tschechischen Bank zu haben und dorthin das Geld zu überweisen. Allerdings verlangt die tschechische Bank eine Gebühr für den Empfang des Geldes! Man wird also für die Überweisung von Devisen an eine tschechische Bank gehörig bestraft.

               Schon verstanden, warum es die starke Lobby der Bankier gibt, die sich gegen Euro mit Händen und Füßen wehrt? Es geht wieder einmal nur ums Geld. Dass die Touristen angefressen nach Hause fahren? Wurscht, es zählt nur der Gewinn im nächsten Quartal.

               Also würde man glauben, am besten gar nicht hinfahren, um nicht über den Tisch gezogen zu werden!

               Wenn Sie aber glauben, dass die österreichischen Banken fairer sind, irren Sie gewaltig. Auf Sparkonten bleiben – unbeachtet der rasenden Inflation von 10% und steigender Zinsen auf Kredite – die Zinsen bei 0,01%, also bei null. So lukriert man die „unerwartet hohe Gewinne“, gegen deren Versteuerung sich die Banken mit Händen und Füßen wehren.

               Der Satz des Kaisers Vespasian „Das Geld stinkt nicht“ bekommt einen neuen Sinn. Es stinkt zwar zum Himmel, man sucht aber die Quelle des Gestanks nicht beim Geld.

               Übrigens günstig für die Zahlung im Ausland ist die Besorgung der Zahlkarte Revolut. Hier wird ohne Wechselgebühren in allen Währungen gezahlt. Die Gebühren selbst sind überschaubar. Man muss allerdings vor dem Ausflug in ein Nicht-Euro Land das Geld auf das Konto überweisen, um dort die Mittel zur Verfügung zu haben.  

Mit dieser Empfehlung an alle Reisenden verabschiede ich mich für dieses Jahr von meinen Lesern.

Ich wünsche allen frohe Weihnachten und gutes Neues Jahr.

Auf Wiedersehen im Jahr 2023

Bohinjsee und Triglav

               Nur fünfundzwanzig Kilometer von Bled entfernt findet man einen weiteren See, der allerdings ein absoluter Gegensatz vom touristisch erschlossenen Bled ist. Wenn Bled eine Kuranstalt und eine dazu gebaute mondäne Stadt ist, Bohinj ist ein naturbelassener See.

Also ein Platz zum Entspannen und zum Wandern. Bohinjsee (Wocheiner See auf Deutsch) befindet sich bereits im Nationalpark Triglav, der Bled noch diskret auslässt – damit hier viel und ohne Aufsicht der Naturschützer gebaut werden darf.

               Bohinj liegt nahe des Savaursprungs. Der Fluss Sava hat allerdings zwei Ursprünge und auch zwei Flussarme, die Sava Dolinka (die durch Kranjska Gora fließt) und die Sava Bohinjka. Beide Flüsse vereinigen sich in der Nähe vom Bledsee.

               Wenn man also zum Ursprung der Sava Bohinjka fahren möchte, müsste man ungefähr fünfundzwanzig Kilometer von Bled durch ein enges Tal nach Westen fahren, wobei der Fluss unzählige Male auf Brücken überquert werden muss. Dann erreicht man das Dorf Stara Fužina mit dem Hotel Jezero auf dem Platz „Ribčev Laz“. Man steht an der Stelle, wo der Fluss Sava den Bohinj See verlässt.  Um zum Flussursprung zu kommen, muss man am Südufer bis zu einem verstreuten Ort Ukanz weiterfahren. Dort gibt es einen Parkplatz und von dort kann man einen Spaziergang entlang des Flusses Savica machen – natürlich, wenn man an der Mautstelle eine Gebühr bezahlt hat. Der Weg führt durch einen Wald mit für diese Gegend typischem Kalkfelsen – genannt Karst. Die Karstlandschaft ist typisch für einen großen Teil der Julischen Alpen. Das Wasser befindet sich nicht auf der Oberfläche, die karg aussieht, sondern tief im Gestein. Man marschiert auf einem gut gepflegten Wanderweg hoch über die Schlucht des Flusses Savica, bis man zu seinem Ursprung kommt.

Der Fluss entspringt aus dem Felsen hoch über einem See mit künstlichem Damm und bildet einen beeindruckenden Wasserfall. Ganz zum See kann man nicht kommen, der Weg ist durch einen Zaun gesperrt, bei einer Aussichtsplatform ist also Schluss. Und hier befindet sich auch ein Gedenkstein an einen prominenten Besucher dieses Ortes aus den Zeiten, als dieses Land noch zu Österreich-Ungarn gehörte. Den Ursprung der Sava besuchte niemand geringerer als der begeisterte Bergsteiger und Wanderer, „der steierische Prinz“ Erzherzog Johann. Er besuchte diesen Platz am 8.Juli 1807, er war hier aber nicht als Tourist, sondern als Geologe. Es handelte sich um eine Erforschung der Wasserquellen, die für die Region essenziell waren.

               Die Region war in ihrer Geschichte sehr umkämpft, im ersten Weltkrieg wurde zum Bohinjsee eine Schmalspurbahn zum Transport des Kriegsmaterials gebaut, das dann an die Front in den Bergen zu den dort stationierten österreichischen Truppen weiterbefördert wurde. Wenn man die Berge anschaut, glaubt man nicht, dass man hier erbitterte Kämpfe führen konnte. Diese blutigen Kämpfe spielten sich auf der westlichen Seite der Berge Rombon und Krn ab. Zwei Jahre lang in insgesamt elf Offensiven versuchten die Italiener, die am 23.Mai 1915 Österreich-Ungarn Krieg erklärten, diese Berge im Sperrfeuer zu erklimmen, bis sie eine Gegenoffensive der österreichischen und deutschen Truppen bei Caporetto (heute Kobrid) bis an den Fluss Piava zurückdrängte. Auf der österreichisch-deutschen Seite kämpften unter anderen Erwin Rommel (damals Leutnant, der mit seiner Einheit mit Hilfe des Giftgases als erster die italienischen Linien durchbrach) oder der zukünftige österreichische Premierminister Engelbert Schuschnigg, auf der italienischen Seite nahmen an den Kämpfen Benito Mussolini oder der damals neunzehnjährige Ernest Hemingway teil (der seine Erlebnisse in seinem ersten Roman „A Farewel to Arms“ beschrieb und dadurch weltberühmt geworden ist).

               Wenn man mehr über diese Ereignisse erfahren möchte, dann sollte man das Museum in Kobrid besuchen. Das Sočatal gehört nicht direkt zum Nationalpark, in den Ortschaften Bovec, Kobrid und Tolmin kann man aber Unterkunft buchen und ein Rafting auf dem wilden Fluss Soča (italienisch Isonzo) genießen. Oder mit der Gondel auf den Berg Veliki Kanin fahren und dort wandern (im Winter ist es ein Skigebiet), in Tolmin dortige Schluchten begehen oder den riesigen Wasserfall Boca nahe Bovec bewundern.

Unterwegs beim Aufstieg zur Boca findet man einen Artillerieposten aus dem ersten Weltkrieg und versteht nicht, wie die Soldaten die Kanonen zu diesem Posten hoch über das Tal schleppen konnten. Dazu war der Winter 1916/1917 extrem schneereich, es fiel bis zu elf Meter Schnee, was viele Lawinen und damit verbundene Todesopfer zur Folge hatte. Die Natur spielte also das grausame Spiel des Todes mit. Heute ist sie wunderbar.

               Nach dem ersten Weltkrieg fiel das Sočatal an Italien. Aus dieser Zeit sieht man noch Bunker und Grenzposten auf dem Pass Vrsic. Bohinj sowie auch Bled blieben ein Teil des „Königsreiches der Slowenen, Serben und Kroaten“. Als am 6. April 1941 Jugoslawien von den deutschen Truppen besetzt wurde, wurde die Region um Bohinj ein Teil des Deutschen Reiches. Nach Ende des Krieges kam Bled und Bohinj zurück an Jugoslawien, das Sočatal blieb bis 1947 unter anglo-amerikanischer Verwaltung, dann wurde es ebenfalls an Jugoslawien angeschlossen.

               Der Bohinjsee ist 4,2 Kilometer lang, 1 Kilometer breit und 45 Meter tief. Am südlichen Ufer führt eine Straße, das nördliche Ufer ist nur für Wanderer zugänglich. Schön sind die Kirchen „Sveti Duh“, direkt am südlichen Seeufer unter dem Berg Vogel und „Sveti Janez“ im Ort Stara Fužina.

Sveti Duh

Im Inneren der Kirche findet man romanische, gotische sowie auch barocke Elemente, wertvoll ist das Fresko des heiligen Christophorus an der Fassade der Kirche. Im Mittelalter glaubte man, dass ein Blick an den Heiligen Christophorus vor Unglück schützen konnte, zumindest für einen Tag. Beim gefährlichen Leben in einer Bergregion war das offensichtlich vonnöten.

               Es gibt eine Abzweigung von der Straße am nördlichen Seeufer zum Aussichtsberg Vogel. Es handelt sich um ein Skigebiet auf dem 1922 Meter hohen Berg (der Name bedeutet auf Slowenisch „das Eck“). Eine Gondel bringt die Besucher auf einen wunderschönen Aussichtsberg, von wo aus man den ganzen Bohinj See von oben betrachten kann. Direkt auf der anderen Seeseite ragt das Massiv des slowenischen heiligen Berges Triglav empor. Von Norden, also von der österreichischen Seite, schaut dieser Gipfel ziemlich unspektakulär aus, nur von Süden erkennt man seine Größe und seine atemberaubende Schönheit. Interessant war die Tatsache, dass je weiter man sich beim Wandern auf dem Vogel vom Triglavmassiv entfernte, desto größer und bedrohlicher er aussah. Plötzlich habe ich verstanden, warum dieser Berg, der es auf die Staatsflagge Sloweniens geschafft hat, diesem Volk so heilig ist und warum die Slowenen einen unwiderständlichen Drang verspüren, seinen Gipfel zu besteigen.

               Auf den Gipfel des Triglavs aufzusteigen ist für einen wahren Slowenen eine beinahe religiöse Pflicht, vergleichbar mit der Pilgerfahrt eines Moslems nach Mekka. Das erste Mal wurde der Berg im Jahr 1778 bezwungen – ein Denkmal für die Bergsteiger, die es geschafft haben, (Lovrenc Willomitzer, Luka Korošec, Stefan Rožič und Matija Kos) befindet sich im „Ribčev Laz“ neben der Bushaltestelle.  Am 26. Juni 1991 in Frühmorgenstunden bestieg eine Gruppe Bergsteiger den Gipfel und hisste hier die slowenische Fahne auf – das war der Tag der Unabhängigkeitserklärung Sloweniens.

               Es gibt zwei Möglichkeiten, den Triglav zu erklimmen. Wir wählten den kürzeren, obwohl steileren Weg von Norden, da man von dieser Seite den Triglav in einem Tag besteigen kann. Der Ausgangspunkt befindet sich bei „Aljažev Dom“ im Ort Mojstrana.

Aljažev Dom

Die Hütte bekam ihren Namen nach dem Triglav-Pfarrer aus dem Dorf Dovje, einem Autor, Komponisten und Kämpfer für den Erhalt der Region in slowenischen Händen. Von dort kann man den klassischen Weg über Prag wählen oder – wenn man noch ein bisschen mehr Katecholamine braucht – kann man den „Tominšek Steig“ nehmen. Obwohl auch der klassische Weg über Prag genug Adrenalin bietet und steile Kletterpassagen hat – alle allerdings gut gesichert. „Aljažev dom“ befindet sich auf einer Seehöhe von 1002 Meter, also gibt es zum Gipfel in der Höhe 2864 Meter einen Höheunterschied von mehr als 1800 Meter. Also nichts für Schwächlinge.

               Im frühen Nachmittag erreichten wir die Hütte „Triglavski Dom na Krederici“ und warteten bis 15 Uhr, da man ab dieser Zeit eine Übernachtung buchen konnte.

Triglavski Dom na Krederici

Die Hütte hat insgesamt 140 Betten, wir bekamen drei Plätze auf Stockbetten in einem Raum mit weiteren 22 Menschen. Das hatte eine Horrornacht zur Folge, da einer der Gäste an einem extremen Schlaf Apnoe Syndrom litt und sehr laut schnarchte – eigentlich eher am Ersticken war. In der Reihe der Schlafenden konnte ich allerdings diesen gefährdeten Menschen trotz mehrstündiger Bemühung nicht identifizieren, schlafen konnte ich jedenfalls keine Minute. Als aber in der Früh keine Leiche im Bett liegen blieb, war meine Erleichterung groß.

Nach der Buchung der Übernachtung konnten wir unseren Ausflug hoch zum Gipfel fortsetzen. Der Reiseführer schreibt, dass der Aufstieg von der Hütte zum Gipfel 30 bis 90 Minuten dauern kann. Die Aufstiegszeit ist vom Gegenverkehr abhängig – meistens ist er in den Nachmittagsstunden sehr stark. Der Aufstieg ist mit Eisenstiften, Seilen und Ketten gesichert (das hat dem Triglav den Spitznamen „Stachelschwein“ gebracht). Je näher zum Gipfel, desto häufiger begrüßten uns entlang der Aufstiegsroute Gedenktafel mit den Namen der Toten, die bei der Besteigung des Berges verstorben sind. Es gibt Hunderte davon, was nicht gerade motivierend und beruhigend wirkt. Bei den meisten wurde als Todesursache „strela ubila“ angegeben, sie wurden also vom Blitz erschlagen. Bei Unwetter ist der Weg nämlich wirklich gefährlich, man hängt an den Eisenketten, die natürlich wie Blitzableiter fungieren, und man hat kaum eine Möglichkeit dem Blitz auszuweichen. Sowie auch bei schönem Wetter den absteigenden Touristen. Man geht zuerst auf den „Mali Triglav“ und dann auf einem schmalen aber mit Seilen gut gesichteten Grad zum Gipfel.

Triglav Gipfel

               Die Belohnung für die Anstrengung und den Mut sind unglaublich schöne Aussichten. Der Triglav ist ein Solitär, mitte im Gebirge Julische Alpen und bietet berauschende Blicke ins Sočatal bis zur Adria und weit nach Österreich bis zum Dachsteinmassiv. Auf der Spitze gibt es einen kleinen Blechturm, den so genannten „Aljažev stolp“, der hier im Jahr 1895 installiert wurde. In den kommunistischen Zeiten war er rot gestrichen und mit einem fünfzackigen Stern geschmückt, seit dem Ende dieser Ära ist er nur mehr bescheiden grau.

               Die Königstour auf den Triglav gibt es aber freilich vom Süden. Sie ist viel schöner und erlebnisreicher, allerdings auch viel länger und der Höhenunterschied ist brutal. Der Ausgangspunkt beim Bohinj See bei „Ribčev Laz“ liegt nämlich nur 530 Meter über den Meeresspiegel. Also beträgt der gesamte Höhenunterschied stolze 2334 Meter. Sogar zur Krederica ist das 2000 Meter. Es wird also empfohlen, diesen Weg auf zwei Tage zu verteilen. Es gibt einige Möglichkeiten unterwegs zu übernachten. Es gibt unterwegs mehrere Berghütten, wie zum Beispiel „Vodnikov dom“, „Koča na Planine pri Jazeru“ „Koča pri Triglavskih jezerih“ oder „Zasavska koča na Prehodavcih“. Im Unterschied zum „Triglavski dom na Kredarici“ ist aber die Bettenzahl in diesen Unterkünften bescheiden, es wäre empfehlenswert, die Übernachtung im Vorfeld zu reservieren. Zusätzlich sind diese Hütten meistens nur in den Monaten Juni bis September bewirtschaftet, manche haben aber in der übrigen Jahreszeit einen offenen Winterraum.

               Von Süden ist der Weg – vorausgesetzt, das Wetter spielt mit – schöner – er führt durch Almen und um die Seen bis man das Hochgebirgsgelände erreicht.  Über die Teufelsbrücke in Stara Fužina, entlang des Flusses Mostnica mit engen Schluchten und Wasserspielen. Dann durch „Voje“, das ist ein breites grünes Tal mit Almbetrieb. Später wird es steiler, aber im Unterschied zum Aufstieg von Norden, hat man von Süden den Triglav ständig vor sich und kann den Blick auf den Riesen genießen.

               Und dann kommt als Belohnung der Blick vom Gipfel des schönsten Berges der Julischen Alpen, für die Slowenen ohnehin des schönsten Berges weltweit.

Bled II

Die Dominante von Bled, die auf einem hundertvierzig Meter hohem Kalkfelsen über den wunderschönen blauen See mit unglaublich sauberem Wasser emporragt, ist die Burg. Ihre roten Dächer sieht man bereits von ferne und verliert sie während des Aufenthaltes im Ort praktisch nie aus den Augen. Die erste Burg ließ hier der Erzbischof von Brixen bereits im Jahr 1011 bauen, der Felsen lud dazu so beeindruckend ein, dass man einfach nicht widerstehen konnte. Damals hieß der Ort noch Veldes und dieser Name wird in deutschen Texten verwendet. In den Jahren 1511 und 1690 wurden die Burg sowie auch die Stadt von einem Erdbeben schwer beschädigt, also das aktuelle Aussehen der Festung ist das Ergebnis eines Nachbaus nach diesen Katastrophen und es ist ein Mix von Renaissance- und barocken Baustil.

Zur Burg kann man mit dem Auto fahren oder auf einem Pfad vom See aufsteigen – man muss dabei natürlich die 140 Höhemeter überwinden. Es zahlte sich aus, obwohl man für den Eintritt in die Burg 13 Euro zahlen musste (Stand im Jahr 2021) Von den Burgterrassen gibt es nämlich unglaublich schöne Aussichten auf den See und die umliegende Landschaft. Man kann das Museum im Barockflügel der Burg besuchen, wo die Geschichte der Region dokumentiert ist.

Aber aufpassen, nicht übersehen! Ein Teil der Eintrittskarte ist auch ein Gutschein für eine Weinverkostung im Burgkeller. Der örtliche Wein „Zelen“ sprach mich nicht wirklich an, der „Sauvignon blanc“ war aber hervorragend. Slowenische Weine haben einen deutlichen Obstgeschmack. Obwohl sie trocken sind, behalten sie etwas größere Menge vom Restzucker. Es gibt hier natürlich viel mehr Weinsorten zur Verkostung, wir hatten mit meiner Frau aber halt nur zwei Gutscheine. Einmal vor vielen Jahren vertratschte ich mich in diesem Keller mit einem Slowenen, der als Franziskanermönch verkleidet war (wir haben Bled in Rahmen einer gastroenterologischen Fortbildung besucht) und meine österreichische Gruppe fuhr inzwischen mit dem Bus fort. Aber Verständigung mit den Slowenen ist kein größeres Problem und sie sind hilfsbereit. Also brachten sie mich zum Hotel, und ich war dort sogar früher als die Gruppe im Bus, wo inzwischen eine Panik ausbrach, als mein Kollege auf dem Sitz neben mir meine Abwesenheit bemerkte.

Der Seeufer ist achteinhalb Kilometer lang, es handelt sich also um einen zweistündigen Spaziergang, wenn man eine Runde um den See machen will (wir wollten es). Der öffentliche Strand ist an dem von der Stadt am meisten entfernten Platz. Man kann natürlich mit dem Auto hinfahren, für das Parken muss man aber natürlich wieder einmal zahlen. Das Wasser im See ist unglaublich sauber und Ende September war es noch immer warm genug, um baden zu können. Also Badeanzug mitnehmen!

Wenn man ein begeisterter Fischer ist und im See fischen will, kann man ein Boot mit einer Lizenz zum Fischen beim Verein „Ribiška družina Bled“, also „Fishing club Bled“ kaufen. Der Sitz dieses Vereines ist am nördlichen Seeufer ungefähr einen Kilometer von der Stadt Bled entfernt. Am südlichen Ufer gibt es eine Piste mit einer Sommerrodelbahn, also jedem nach seinem Geschmack – natürlich, wenn man Geld hat.

Inmitten des Sees gibt es eine Insel mit einem ehemaligen Kloster (Blejski otok). Man kann sie mit einem Motorboot für 12 Euro pro Person besuchen oder viel mehr stilvoll mit einem Holzboot sogenanntem „Pletna“.

Der Ruderer (Pletnar) bringt Sie dann zur Insel, es gibt drei Einstiegstellen. Der Beruf des Pletnars ist auch heute noch ein angesehener Beruf, in der Zeit der Kaiserin Maria Theresia wurden Lizenzen für diese Tätigkeit an die Bauer am See vergeben und werden seitdem von Generation zur Generation vererbt. Die Fahrkarte kostete fünfzehn Euro, sie war also nicht wesentlich teurer als das Motorboot. Die Pletnars sind also so etwas wie die Gondoliere in Venedig und man kann offensichtlich von diesem Beruf gut leben. Interessant, dass der Preis für den Transfer zur Insel von allen drei Einstiegstellen gleich war, obwohl die Entfernung sehr unterschiedlich ist. Manche Ruderer müssen also für ihr Geld viel härter arbeiten als die anderen. Nach der Ankunft auf der Insel muss man 99 Stufen überwinden, um zur Kirche zu gelangen. Es wird ein Besuch des Glockenturmes empfohlen, wo sich eine Glocke befindet, die dem Besucher beim Läuten seine Wünsche erfüllen sollte. Es war mir nicht klar, warum ich während des ganzen Tages das Läuten lediglich sechsmal gehört habe, obwohl in dieser Zeit hunderte Touristen zur Insel transportiert wurden. Die Erklärung erwartete mich auf der Insel. Für einen Besuch des Glockenturmes (auch mit einem Besuch der Kirche, wo aber gerade eine bayerische Hochzeit stattfand) hätte man 12 Euro zahlen müssen. Also was zu viel ist, ist einfach zu viel.

Das Glück herauszufordern ist also in Bled nicht kostenlos, man kann das aber grundsätzlich als eine Investition für die Zukunft betrachten. Wir investierten nicht, obwohl uns unser Pletnar ganze fünfzig Minuten für den Besuch der Insel eingeräumt hatte und außer der Kirche und des Glockenturmes gab es auf der Insel gar nichts. Also eine klassische Touristenfalle. Wir bestellten einen Kaffee und Eis und beobachteten die bayerischen Hochzeitgäste. Der Besuch der Insel war trotzdem schön – und er gehört einfach unzertrennlich zum Besuch von Bled.

Im Städtchen selbst gibt es einige große Hotels, die größten sind „Hotel Park“, „Rikli Balance Hotel“ und „Hotel Toplice“. Weiters gibt es dort viele Apartments und einige Vilen, gebaut im Stil der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts. Am Bau dieser Gebäude beteiligten sich damalige Spitzenarchitekten der Österreichisch-ungarischen Monarchie, wie Franz Ritter. von Neumann, Paul Rikli, Raimund Jeblinger oder Wilhelm Bäumer oder auch Architekten aus der Region Friuli wie Andrej Tolazzi oder Alberto Valli. Beim Aufbau von Bled beteiligten sich auch tschechische Architekten Josef Hronek oder Jaromír Hanuš. Das reich im Jugendstill geschmückte Kaffeehaus des Hotels Toplice überlebte leider die Hotelrenovierung nicht. Direkt am Seeufer gibt es die „Vila Prešeren“, ein zauberhaftes Relikt aus den ruhmreichen Zeiten von Bled. Es gibt hier ein hervorragendes Restaurant. Der Fisch mit Polenta, die mit Trüffelöl verfeinert wurde, war einfach göttlich – die Preise dann zu unserer großen Überraschung absolut erschwinglich. Die Bedienung war ebenfalls tadellos, also kann ich die „Vila Prešeren“, die auch als ein Hotel funktioniert, mit gutem Gewissen weiterempfehlen. Am südlichen Seeufer gibt es einige Privatvilen wie zum Beispiel „Vila Zlatorog“ (das ist der slowenische Name für Steinbock). Obwohl sie aus den Fonds der EU rekonstruiert wurde, glaube ich, dass sie nicht für Normalsterbliche zum Relaxen am Seeufer bestimmt ist.

Am Seeufer direkt im Städtchen liegt eine ausgedehnte Parkanlage, projektiert vom schwedischen Architekten Karl Gustav Svensson im Jahr 1890, also in der Zeit der höchsten Blüte des Ortes. Aus dem Ende des neunzehnten Jahrhunderts stammt auch die St. Martin Kirche mit einem schlanken weißen Turm im neugotischen Stil. Sie wurde auf dem Platz einer älteren mittelalterlichen Kirche nach dem Projekt des Architekten Friedrich von Schmidt erbaut, er war unter anderem auch der Autor des Wiener Rathauses. Die innere Freskendekoration stammt aus den Jahren 1932 – 1937, ihr Autor ist der akademische Maler Slavko Pengov. Seine Spur hat in Bled auch der berühmteste slowenische Architekt Joze Plecnik hinterlassen. Seine Hand sieht man nicht nur in der slowenischen Hauptstadt Ljubljana, wo nach ihm auch der Flughafen benannt wurde. Er war der Vorsitzende der Bildkunstakademie in Prag und im Jahr 1920 wurde er vom tschechoslowakischen Präsidenten Masaryk beauftragt, die Prager Burg umzugestalten. Also für die, die nach Prag reisen und dort das Panorama vom Hradschin bewundern – das Endergebnis ist das Werk von Joze Plecnik. Sein Projekt des königlichen Schlosses in Bled konnte leider nicht realisiert werden, auf dem Platz des geplanten Schlosses steht heute die „Vila Bled“ des Josip Bros Titos, aber zumindest vor der St Martin Kirche kann man eine Mariensäule von Plecnik sehen.

Bled darf man nicht verlassen, solange man die „Kremšnita“ nicht gekostet hat. Die Slowenen sind sehr stolz auf diese Erfindung, die dem Koch des Hotels Park in Bled namens Ištván Lukačevič zugeschrieben wird. Er soll diese Leckerei im Jahr 1953 erfunden haben. Natürlich kann man sie im Kaffee des Hotels Park, also direkt am Tatort genießen, sie wird aber überall angeboten. Wir bestellten Kremšnita im Café auf der Burg und genossen neben dem Dessert auch die fantastischen Aussichten auf die Landschaft von Bled.

Also los, fahren Sie hin und lassen Sie sich in eine der schönsten Touristenfallen, die Europa bietet, fangen.

  •  

Bled I

Der See Bled ist einfach ein bezaubernder Ort. Es läuft hier die Schönheit der Natur mit mittelalterlichen Artefakten und mit dem Charme eines Kurortes aus der Zeit der Österreichisch- Ungarischen Monarchie zusammen, die weder die Zeit der politischen Spannungen im Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen nach dem ersten Weltkrieg noch die kommunistische Herrschaft nach dem zweiten Weltkrieg zu vernichten vermochte. Bled hat alles überstanden, es hat seinen Charakter bewahrt und lockt Besucher aus der ganzen Welt an. Sie kommen in Massen.

Viele von euch haben diesen Ort bereits besucht. Die anderen, die das noch nicht geschafft haben, sollten sich durch den folgenden Artikel motivieren lassen, dieses kulturelle Defizit abzubauen. Es zahlt sich aus. Es ist nicht weit und die Slowenen sind sprachlich sehr gut aufgestellt, also es ist kein Problem sich dort zu verständigen. Auf English, Italienisch oder Deutsch. Ein Tscheche wie ich hat dann überhaupt kein Problem. Bier ist Pivo und Wein ist Vino, gleich auf Slowenisch wie auch auf Tschechisch.

Eine Warnung muss ich aber voraus stellen. Man fährt in eine Touristenfalle, wo man für so gut wie alles zahlen muss, der Besuch lohnt sich aber trotzdem. Es gibt Fallen, in denen sich das Opfer ganz gut und gemütlich fühlen kann.

Moderne Geschichte der Region um den See Bled begannen im Jahr 1855. Das bedeutet nicht, dass es vorher hier gar nichts gegeben hätte. Die Region um Bled schenkte am 10.April 1004 der deutsche König Heinrich II. der später heiliggesprochen wurde, dem Bischof von Brixen Albuin und die Folgen dieser Schenkung hatten eine lange Dauer. Erst im Jahr 1803, also nach langen achthundert Jahren, machte die Säkularisation ein Ende der Herrschaft der Bischöfe von Brixen. Im Jahr 1809 kamen die Französen hierher und sie gliederten den Bled See mit der Burg in die so genannten Illyrischen Provinzen ein, womit Bled ein Teil des Französischen Kaiserreichs wurde. Das war aber nur von kurzer Dauer und nach dem Wiener Kongress kehrte die Region unter die Obhut des Bischofs von Brixen zurück. Der hatte aber mit der Sorge um die entlegene Region bald die Schnauze voll, besonders nach dem Jahr 1848, als die örtlichen Slowenen infolge der revolutionären Geschehnisse nach einer nationalen Selbstbestimmung zu streben begannen. Also verkaufte der Bischof im Jahr 1858 den See mit der Burg an den Fabrikanten Viktor Ruard, den Besitzer der Stahlwerke im Nahen Jesenica.

Bereits in den Jahren 1846 – 1853 war hier der slowenische Priester und Fotograf Janez Pluhar tätig, der von der Schönheit der Landschaft bezaubert war und seine Fotos begannen in die damals noch immer entlegene Region erste Touristen zu locken.

Die Bilder beeindruckten auch einen jungen schweizerischen Arzt Arnold Rikli (geboren im Jahr 1823 in Wangen an der Aare). Er kam das erste Mal im Jahr 1854 her und er hatte eine Idee, heute würden wir es „bussines plan“ nennen. Ein Jahr später gründete er hier eine Heilstätte für Therapie der Zivilisationskrankheiten. Bereits im Jahr 1859 war seine Kuranstalt fertig mit Bademöglichkeiten im See und 56 Körben für ein Sonnenbad in Rahmen der Sonnentherapie. Die Behandlung beruhte auf drei Pfeilern, in dieser Zeit handelte sich um eine medizinische Revolution – es war die vegetarische Ernährung, der Nudismus und Massagen. Die Patienten aus den reichsten Kreisen strömten zum „Švajcer“, wie er von Einheimischen genannt wurde oder zu „Sun doctor“, wie er in den erhabenen Wiener Kreisen bekannt war. Der Ruhm des Kurortes Bled wurde gegründet und sollte nur mehr wachsen.

Im Jahr 1870 wurde Bled an die Rudolf-Eisenbahn angebunden, die Laibach mit Tarvisio verband, obwohl die Eisenbahnstation noch fünf Kilometer von der Stadt entfernt war und sich im Dorf Lesce befand. Als aber die österreichische Regierung beschlossen hat, die Karawanken-Bohinj Eisenbahn als eine Alternative zur Strecke Wien-Triest zu bauen (die größte Herausforderung für diese neue Strecke war der Bau von „Bohinj Tunnel“ mit einer Länge von 6327 Metern), begann der Zug mit den Touristen und Patienten direkt am See einen Stopp zu machen.

Im Jahr 1919 gab es um diese lukrative Kurregion schon immenses Interesse. Nicht nur das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen als ein neues Staatsgebilde, das später zu Jugoslawien unbenannt wurde, sondern auch Italien wollten dieses Gebiet in seinen Besitz nehmen. Letztendlich gewann Jugoslawien diesen Streit, angeblich dank der Intervention von Mihailo Idvorski Pupin. Dieser Herr, ein Student der Karlsuniversität in Prag, wurde nach seiner Auswanderung in die USA zu einem berühmten Physiker – er erfand die so genannte Pupinspule, die das Telefonieren auf lange Entfernungen ermöglichte. Seit dem Jahr 1911 war er der serbische Konsul in den USA und er hatte einen großen Einfluss auf den amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson. Dank seiner Bemühung gewann der neue slawische Staat den Zwist mit Italien und Bled blieb slowenisch. Im Jahr 2015 wurde eine Statue von Pupin am Ufer des Bled See bei der Gelegenheit des Jubiläums achtzig Jahre seit seinem Tod aufgestellt. Schon die Tatsache, dass in Slowenien eine Statue eines serbischen Politikers stehen darf, (obwohl auf Kosten eines serbischen Vereines errichtet), kann man möglicherweise als ein Vorzeichen für eine Überwindung der nationalen Animositäten zwischen den Nationen des ehemaligen Jugoslawiens, der Relikten des blutigen Krieges vom Anfang neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts, werten.

Auch in den Zeiten des kommunistischen Regimes wussten die damaligen Herrscher die Schönheit der Region zu schätzen. Josip Broz Tito ließ am Seeufer an der Stelle eines ehemaligen Königsschlosses, das er abreißen ließ, auf dem schönsten Platz mit einem Blick auf die Insel im See und auf die Burg von Bled einen Luxuspalast im modernistischen Stil bauen, der mit einem großen Park umgeben war. Der Autor dieses Projektes war der jugoslawische Architekt Vinko Glanz. Heute gibt es in dieser Residenz Vila Bled, ein Luxushotel, in dem man tiefer in die Tasche greifen müsste. Eine Übernachtung kostet mindestens 165 Euro pro Person und Nacht und ein vegetarisches Risotto kostete hier bereits im Jahr 2021 achtzehn Euro. Allerdings man isst im Objekt, in dem Nikita Chruschtschow oder Fidel Castro zu Abend aßen. Diese Tatsache ist im Preis inkludiert.

Faenza

Sie haben noch nie von diesem italienischen Nest gehört? Dann ist die Zeit gekommen, es zu ändern. Faenza ist eine liebenswerte italienische Stadt und ist besuchswert.

               In den römischen Zeiten waren für die Neugründungen der Städte die Straßenverbindungen entscheidend. Im Jahr 187 ließ der Konsul Marcus Aemilius Lepidus die Straße Via Emilia bauen und dann entstanden an dieser Straße zwischen Ariminum (Rimini) und Bononia (Bologna) eine nach der anderen in regelmäßigen Abständen eines Tagesmarsches, also ungefähr zwanzig Kilometer, Städte wie die Schwalben auf einem Draht. Es waren Cesena, Forum Popilii (Forli), Faventia (Faenza) und Forum Cornelii (Imola).

               Jede dieser Städte schrieb sich in die Weltgeschichte ein, was offensichtlich mit ihrer strategisch wichtigen Lage am Rande der Poebene zusammenhängte. Imola ist auch heute berühmt, weil hier das Rennen der Formel 1  – der Große Preis von San Marino  – ausgetragen wird,. Forli war die erste Wirkungsstätte des heiligen Antonius von Padua, wo er durch seine erste Rede berühmt geworden ist. Cesena trat in die Geschichte am 3.Februar 1377 ein, als hier der päpstliche Legat und der spätere Papst Klement VII., mit eigenem Namen Robert von Genf, in den ersten drei Tagen nach der Einnahme der Stadt einige Tausend Bewohner ermorden ließ. Dieser auch für die damalige Zeit brutaler Exzess brachte ihm den Spitznahmen „Metzger von Cesena“. Nicht einmal dies konnte seine Wahl zum Papst am 20.September 1378 verhindern.

               Auch Faenza schrieb sich in die Geschichte während eines Kriegsgeschehens ein, aber doch kreativer und weniger brutal. Nämlich in die Welt der Literatur. In der Zeit des Krieges zwischen Kaiser Friedrich II. und Papst Gregor IX. stellte sich die Stadt auf die päpstliche Seite. Im August 1240 kam der Kaiser mit einer Armee, die zu dieser Zeit im nahen Ravenna stationär war (und grub dort – um sich nicht zu langweilen – das Grab von Galia Placidia, das Touristen bis heute besuchen). Der Kaiser belagerte die Faenza, die sich entschied, nicht aufzugeben. Die Bürger der Stadt wussten nämlich, dass der Kaiser knapp bei der Kasse war, das Geld sollte ihm bald ausgehen und er wäre gezwungen, seine Armee aufzulösen. Sie verrechneten sich dabei fatal. Friedrich genoss bei seinen Soldaten so ein großes Vertrauen, dass er ihnen den Sold in wertlosen Münzen aus Leder zahlte, mit der Versprechung, später diese Münzen für Gold und Silber auszutauschen. Die Soldaten akzeptierten diese Art von Sold und sie haben später tatsächlich ihr Geld bekommen. Die Belagerung der Stadt zog sich acht Monate lang. Der Kaiser langweilte sich. Also fiel ihm ein, dass ihn sein Sohn Manfred bereits vor langer Zeit gebeten hatte, ein Buch über die Falknerei zu schreiben. Friedrich war nämlich auch ein hervorragender Vogelkenner. Der Kaiser nahm die Arbeit an und das Buch – die erste wissenschaftliche Arbeit im Fach der Ornithologie, die auch heute noch immer wieder zitiert wird – konnte er wirklich vollenden. Das Buch heißt „De arte venandi cum avibus“ also „Von der Kunst mit Vögeln zu jagen“, es beschäftigt sich aber auch mit allgemeinem Wissen über verschiedene Vogelarten und ihre Lebensart.

               Während sich der Kaiser dieser gottgefälligen Tätigkeit widmete, starben die Verteidiger der Stadt an Hunger. Die erwartete Hilfe kam weder aus Milan noch aus Bologna und die Bitten, dass zumindest den Frauen und Kindern erlaubt wird, die Stadt zu verlassen, wurden vom Kaiser strikt abgelehnt. Am 14. April 1241 bot die Stadt in Erwartung drakonischer Strafen und Hinrichtungen eine bedingungslose Kapitulation an. Der Kaiser war aber gut gelaunt und mit seinem literarischen Werk höchst zufrieden – geben wir objektiv zu, dass es zurecht war – er erteilte allen Bürgern von Faenza eine Begnadigung und ließ in die Stadt Lebensmittel liefern. Das war für die damalige Zeit ein sehr ungewöhnlicher Vorgang. Aber die Literaten sind nach einem erfolgreichen Abschluss ihrer Arbeit schon einmal so.

               Faenza ist aber vor allem durch ihre Keramik berühmt. Das Wort „Fayence“ hat seinen Ursprung im Namen der Stadt. Faenza war seit dem dreizehnten Jahrhundert das italienische Zentrum der Tonwareproduktion. Das war die Folge von großen Vorräten der Tonerde von hoher Qualität in seiner Umgebung auf einer Seite und der guten Verkehrsverbindung auf der Via Emilia ostwärts zum Hafen von Rimini, sowie auch auf der anderen Seite westwärts nach Bologna und Mailand. Auch heute gibt es in der Stadt an die vierzig Betriebe, die Kunstkeramik produzieren und sie in die ganze Welt verkaufen. Faenza ist in der Welt der Keramik noch immer eine Marke.

               Die Geschichte der Keramikerzeugung – Majolika (dieser Name stammt überraschenderweise vom Namen der Insel Mallorca und weist auf die dortige arabische Tonwareproduktion hin) – kann man im „Museo internationale delle ceramiche di Faenza“ kennenlernen.

Das Museum wurde im Jahr 1908 von Gaettano Ballardini gegründet, seit 1938 gibt es in zweijährigen Abständen einen Wettbewerb in der Keramikkunst, bei dem der Faenza-Preis vergeben wird. Manche von den siegreichen Werken kann man im Museum sehen. 

Das Museum ist nicht ganz einfach zu finden, es gibt keine Wegweiser und die Einheimischen nach dem Weg zu fragen ist nicht ganz einfach – fast alle fahren nämlich Rad, zu Fuß bewegen sich auf den Straßen nur verlaufene Touristen. Das Museum selbst ist so riesig, dass es gar nicht einfach ist, sich dort zu orientieren. Ich suchte vergeblich den Saal 6, wo die Geschichte der Erzeugung der glasierten Tonware in Faenza beginnen sollte. Die Säle 1-5 widmeten sich der orientalischen Keramik von der chinesischen, über die japanische und die koreanische bis zu der arabischen. Es war vergebens. Letztendlich ging ich zu einem Angestellten des Museums mit der Bitte, mich zum Saal sechs zu bringen. Ich sagte klar, dass ich „Sala sei“ suchte und zur Sicherheit zeigte ich ihm die Nummer sechs auch im Plan, den ich bei mir hatte. Der Angestellte war zuvorkommend, brachte mich aber zum Saal neun und so lernte ich die Geschichte der Keramik von Faenza beginnend von ihrem Ende. Nicht einmal die Angestellten kennen sich im riesigen Gebäude offensichtlich aus. Genau so kompliziert war es auch, die gut versteckten Toiletten zu finden – für die, die mir folgen möchten, verrate ich, dass sie sich gleich neben dem Lift befinden.

Die Geschichte ist interessant. Mit Majolika, also mit der bemalten Keramik, begannen die Faenzaner auf einem primitiven Niveau – auf einem groben Grund der Tonware mit blauer und grüner Farbe irgendwann im vierzehnten Jahrhundert. Die Erzeugung verbesserte sich aber ständig und im sechzehnten Jahrhundert erreichte sie mit der Produktion der so genannten „Faenzanischen Weiße“ die höchste Vollkommenheit. Die Keramik war fein weiß (man könnte sie mit Porzellan verwechseln) und man konnte sie mit verschiedenen Nuancen der blauen und gelben Farbe schmücken. Im sechzehnten Jahrhundert kam für die Keramikproduktion der wahre Boom. Am Anfang des sechzehnten Jahrhunderts erschien in den europäischen Häfen der Tee, im Jahr 1616 landete im Hafen von Amsterdam die erste Kaffeelieferung. Venedig erreiche der Kaffee im Jahr 1683, also im gleichen Jahr, in dem die flüchtenden Türken vor Wien bei ihrem Rückzug Säcke mit Kaffee hinterließen und damit die Wiener Kaffeekultur indirekt ins Leben riefen). Im achtzehnten Jahrhundert wurde durch Zugaben von Gewürzen, Milch, Vanille und Zucker auch die Schokolade zu einem Modegetränk. Für das Genuss dieser neuen Getränke war ein neues Geschirr unentbehrlich – also Schalen, Tassen und Kannen.

               Als es schon so ausgesehen hat, dass aus den Tonwareproduzenten Millionäre würden, kam im Jahr 1708 ein beinahe Todesstoß für sie. Johann Friedrich Böttger, ein Alchemist aus Meißen, erfand für seinen Herrn, den Kurfürst August den Starken, das erste europäische Porzellan. Der sächsische Kurfürst wurde dadurch märchenhaft reich und die Produzenten der Tonware in Faenza suchten vergeblich Abnehmer für ihre Ware. Nicht nur der Adel, sondern auch die wohlhabende bürgerliche Stadtschicht wollte zu Hause Porzellangeschirr haben und für die traditionelle Tonware sind lediglich die Bauer geblieben, die allerdings tief in die Tasche haben greifen müssen.

               Im Jahr 1745 erfanden die Majolikaerzeuger in Frankreich den Produktionsvorgang des so genannten „dritten Brennens“, also eines langsamen Vorgangs mit Temperaturen zwischen 700 und 750 Grad, was die Verwendung der gleich satten Farben wie bei Porzellan (Purpurrot, Gold und Dunkelgrün) erlaubte und damit wieder dem Porzellan eine Konkurrenz zu machen vermochte.

               Die Ausstellung im Museum ergänzen keramische Garnituren und Produkte und eine Menge moderner Kunstwerke. Es gibt genug zum Schauen, obwohl der Besucher durch das Museum irrt – oder vielleicht gerade deshalb.

               Übrigens, die Keramik trifft man in der Stadt überall. Es gibt sie an den Hausfassaden und die Tafel mit den Hinweisen an Ärzte- oder Advokatenpraxen sind alle ausnahmslos aus Keramik gemacht.

               Faenza hat aber auch ein entzückendes historisches Zentrum. Es entstand aus zwei miteinander verbundenen Plätzen „Piazza di Popolo“ und „Piazza della Liberta“, das Stadtzentrum ließ die herrschende Familie Manfredi großartig ausbauen. Im Jahr 1474 legte Bischof Federico Manfredi, ein Bruder der Herrscher der Stadt Carlo und Galeotto, den Grundstein einer neuen Kathedrale. Die Dominante des Platzes ist „Palazzo del Podestá“ mit wunderschönen Rennaisancearkaden und das mittelalterliche Rathaus. Alles wird vom Glockenturm „Torre Civica dell Orologio“ überragt. Schön ist auch der Brunnen auf der „Piazza della Liberta“.

               Gleich hinter dem Brunnen steht das „Duomo di San Pietro Apostolo“, also Sankt Peterkirche. Die raue Fassade aus den Backsteinen sprach mich nicht wirklich an – den Marmor gibt es nur auf dem Sockel und aus der Mauer ragen einzelne Backsteine chaotisch hervor.

Na ja, den Ton gab es – im Gegenteil zum Stein – in der Umgebung immer genug. Im Inneren wirkt die Kirche schroff wie alle Kirchen in dieser Gegend, die alle im klassizistischen Still umgebaut und ihres barocken Schmucks beraubt wurden. Nur die Seitenkapellen sind reich geschmückt.

               Sie haben dafür einen guten Grund. Sie beherbergen nämlich eine ganze Reihe von heiligen und seligen Einheimischen, oder eher heiligen, die in Faenza starben und deren Reliquien hier unter ihren Altären ausgestellt werden. Möglicherweise gab es in der Gegend schlechte Luft, dass so viele gerade hier das Ewige gesegnet haben. Beinahe in jeder Kapelle gibt es eine Leiche oder zumindest ihren Teil. In der linken Reihe ist es zuerst der selige Giacomo Filippo Bertoni, der in den Jahren 1454 – 1483 lebte, dann folgt aber unmittelbar ein stärkeres Kaliber in der Person des heiligen Pier Damiani, der in Faenza im Jahr 1072 auf der Rückereise aus Ravenna starb. Er war der engste Mitstreiter des Hildebrands von Soana, der ein Jahr nach dem Tod von Damiani zum Papst Gregor VII. wurde und den Investiturstreit auslöste. Übrigens bereits Damiani hat schon dem Kaiser Heinrich IV., der nach Canossa gehen musste, Leviten gelesen. Sein Skelet wurde in die Kapelle im Jahr 1826 übertragen, dieser Zeit entspricht auch die Verzierung der Kapelle.

Gleich nebenan sind die Überreste vom heiligen Ämilianus ausgestellt. Dieser schottische Bischof starb in Faenza bei seiner Rückkehr von seiner Pilgerreise nach Rom im Jahr 1139 und wurde gleich wie ein Heiliger geehrt.  Links neben der Hauptkapelle gibt es ein Grabmal von heiligen Sabinus. Dieser Märtyrer aus der Zeit des Kaisers Diokletian starb zwar im fernen Spoleto, das Ehepaar Astorgio II. Manfredi und seine Frau ließ aber für den Heiligen zwischen den Jahren 1468 – 1470 einen Marmorgrabmal in Faenza einrichten, der im Jahr 1616 in der Kapelle eingemauert wurde. Auf der rechten Seite der Kirche gibt es die leiblichen Überreste des seligen Nevolons, der in Faenza im Jahr 1280 starb und letztendlich des heiligen Terentius, der in der Nähe von Faenza wie ein Eremit lebte, Blinde heilte und hier um das Jahr 1175 starb.

               Ich gebe zu, dass ich – außer Rom – noch in keiner Stadt so eine Sammlung der heiligen Knochen gesehen hatte. Natürlich, ich war noch nicht überall, die Ausstellung im „Duomo di San Pietro Apostolo“ ist aber imposant. Die Hauptattraktion sind aber keine Knochen, sondern der Altar der Gnadenmadonna im Querschiff links. Sie ist die Patronin der Stadt und der Diözese. Im Jahr 1412 erschien die Madonna einer Frau namens Giovanna de Costumis und versprach, das Wüten der Pest in der Stadt aufzuhalten, was dann tatsächlich geschah. Gebrochene Pfeile in der Hand der Madonna symbolisieren ihre wirksame Fürsprache bei Gott.

               Unweit vom historischen Stadtzentrum gibt es einen großen Militärfriedhof „Faenza Commonwealth War Cemetery“, wo Soldaten der achten britischen Armee begraben sind, die den deutschen Widerstand auf der Via Emilia anfangs April 1945 durchbrachen. In der Armee kämpften nicht nur Soldaten aus Indien, Neu Seeland oder Südafrika, sondern auch das italienische Korps Cremona. Nach beinahe zwanzig Tage dauernden hartnäckigen Kämpfen gelang es, die deutschen Verteidigungslinien durchzubrechen und den Weg nach Mitteleuropa vom Süden zu öffnen.

               Übrigens, Faenza gefiel auch meiner Frau. Während ich im Keramikmuseum irrte, besuchte sie die Geschäfte im Stadtzentrum und war mit der Ausbeute höchst zufrieden. Das Shopping war ein voller Erfolg. Also Faenza ist ein Ausflugsziel für die gesamte Familie.

Urbino

               Urbino ist ein Schmuckstück der Renaissancearchitektur. So schaut es nämlich aus, wenn der Bauherr dem Architekten sagt, dass Geld keine Rolle spielt. Welcher Architekt möchte so einen Satz nicht hören? Seine Fantasie bekommt Flügel und die unbeschränkten finanziellen Möglichkeiten lassen  – sein schöpferisches Talent vorausgesetzt – Werke von unbegrenzter Schönheit entstehen. So war es auch bei dem Herzogpalast in Urbino.

               Urbino ist ein kleines Nest inmitten der italienischen Berge in der Province Marche. Es hat ungefähr 15 000 Einwohner aber auch eine Universität, die im Jahr 1508 von der Familie De la Rovere gegründet wurde und die derzeit von ungefähr 15 000 Studenten besucht wird. Die Folge ist der Eindruck einer jungen Stadt. Auf den Straßen trifft man laute junge lächelnde Menschen, was die gute Laune und die Attraktivität der Stadt wesentlich erhöht. Wenn man dann die Stadt in den ersten Julitagen besucht, wenn es die Zeit der Promotionen gibt, merkt man es noch deutlicher. Auf den Straßen der Stadt um die Universität laufen nämlich Absolventen mit Lorbeerkränzen auf den Häuptern, umkreist von stolzen Familienmitgliedern, alle natürlich feierlich angezogen – es ist eine Augenweide. Junge Italerinnen übrigens verlassen niemals das Haus oder die Wohnung ungepflegt („um jederzeit den Mann ihres Lebens treffen zu können“). Am Tag des Schulabschlusses gilt das dann noch viel mehr.  Urbino ist einfach ein Lobeslied an die Schönheit. An die menschliche sowie auch an die architektonische.

               Die Bedeutung der Stadt übertraf bei weitem ihre Größe, den Höhepunkt erreichte Urbino im fünfzehnten Jahrhundert, als hier der Herzog Federico de Montefeltro residierte. Wann die Familie Montefeltro in den Herzogstand erhoben wurde, ist nicht ganz klar. Nach Urbino wurden die Grafen von Montefeltro aus einer kleinen Burg nahe Rimini als kaiserliche Vikare von Kaiser Friedrich I. Barbarossa im Jahr 1155 eingesetzt. Die Provinz „Marche“ also „Marke“, war immer eine Pufferregion, wo der Kaiser mit dem Papst ihre Kräfte gemessen haben. Also kein Wunder, dass eine weitere Beschenkung der Familie Montefeltro vom Enkelsohn Barbarossas, Friedrich II., der einige Jahrzehnte mit Päpsten unerbittliche Kämpfe führte, stattfand. Aber wann traten die Montefeltros in den Rang der Fürsten, also der Herzöge und Souveräne? In Wikipedia las ich, dass es im Jahr 1442 war, eine andere Quelle behauptet, dass der erste Herzog von Urbino der bereits erwähnte Federico war, der allerdings seine Herrschaft erst im Jahr 1444 antrat. Und um noch ein bisschen mehr Chaos in die Sache zu bringen, feiert Urbino gerade heuer, also im Jahr 2022, 600 Jahre der Herzogstumentstehung.  Laut örtlichen Chronisten wurden die Montefeltros nämlich von den Päpsten (es müsste dann der in der Konstanz gewählte Martin V. gewesen sein) in den Herzogstand bereits im Jahr 1422 erhoben. Unbefangene Historiker schreiben diese Tat Eugen IV. zu, der im Jahr 1431 Papst wurde und einige behaupten sogar, dass Federico de Montefeltro vom Papst Sixtus IV. zum Herzog erhoben wurde, der allerdings sein Amt im Jahr 1471 antrat.

               Grundsätzlich ist es egal, wichtig ist, dass der „Palazzo ducale“ ein wirklich würdiger Sitz eines Fürsten ist.

Alles in der Stadt dreht sich um den bedeutendsten Sohn der Stadt Federico (Also nicht ganz alles, aber darüber später, die Stadt hat noch weitere weltbekannte Personen im Talon). Federico war ein Condottiere, also ein Heerführer, allerdings kein gewöhnlicher. Er hatte den Ruf eines Unbesiegbaren und deshalb wollten ihn immer alle Fürsten, Stadtrepubliken oder sogar Päpste anwerben, wenn sie wieder einmal irgendwo einen Krieg angezettelt haben. Es war praktisch. Als der Feind erfuhr, dass die Truppen des Gegners von Federico kommandiert wurden, gab er meistens sofort auf und kapitulierte. Damit sanken wesentlich die Kriegsführungskosten und Federico durfte unverschämte Honorare für seine Dienste verlangen. Aus diesem Geld hat er dann seinen Palast bauen lassen, aber nicht nur das. Federico war ein leidenschaftlicher Leser (vielleicht gerade deshalb gewann er überall. Stellen Sie sich vor: ein General, der lesen konnte, das ist sogar heutzutage eine Seltenheit) und Büchersammler. Die Buchdruckerei feierte gerade ihre Geburtsstunde, Federico sammelte also Manuskripte, die er kopieren ließ. In diese seine Leidenschaft investierte er eine unvorstellbare Geldsumme von 30 000 Dukaten. Um seiner Bibliothek ein entsprechendes Niveau zu verleihen, engagierte er für ein nicht gerade kleines Honorar Ottavio Ubaldini, einen der größten Gelehrten der damaligen Zeit, um Bücher für seine Sammlung auszuwählen. Zum Schluss gab es in seiner Bibliothek 900 Schriften. 600 in Latein oder auf Italienisch, 168 auf Griechisch, 86 auf Hebräisch und zwei auf Arabisch.

               Nicht umsonst schrieb gerade an seinem Hof Baldesar Castiglione sein Buch „I libro del Cortegiano“ also „Das Buch über einen Hofmann“, das ein ideales Bild eines Herrschers beschreibt, der Federico verdächtig ähnlich ist.

               Der einzige Condottiere, der Federico wirklich ärgerte, war Sigismondo Malatesta von Rimini. Der hatte nicht vor, sich zu ergeben und behauptete sogar, er wäre ein besserer Heerführer als Federico. So eine Frechheit! Der mit Federico befreundete Papst bildete eine große Koalition, die Sigismondo letztendlich im Jahr 1463 bei Cesena besiegte. Natürlich unter dem Kommando des Herrschers von Urbino.

               Der Herzogpalast in Urbino ist einfach atemberaubend. Schon das Treppenhaus aus Marmor, breit und mit niedrigen Stufen, damit auch ein Pferd diese Treppen besteigen konnte, wirkt imposant. Federico ließ sich in einer Nische im Treppenhaus wie ein römischer Imperator darstellen. Der Palast umgibt einen viereckigen Hof mit wunderschönen Renaissancebögen und hat repräsentative Räume für den Herzog sowie auch für die Herzogin. Federicos Gattin Battista Sforza, eine Nichte des Gründers des Ruhmes der Sforzafamilie Francesco, bewohnte einen eigenen Palastflügel – bereits damals waren getrennte Schlafräume in der Mode. Gleich am Anfang des Palastbesuches gibt es den Hochzeitssaal, wo diese zwei in den Ehebund traten. Die Tatsache, dass der Condottiere Sforza, der sich bis zum Herzogshut in Mailand durchkämpfen konnte, seine Nichte mit Federico verheiratete, war eigentlich eine Anerkennung der Fähigkeiten seines Kollegen. Über den dritten von den damaligen Condottieri, Sigismondo Malatesta, habe ich bereits genug geschrieben, den vierten – Jacopo Piccinino – ließ der psychopatische neapolitanische König Ferrante töten und dann für seine Leichensammlung ausstopfen.

               Die persönlichen Räume des Herzogs Federico, vor allem sein Arbeitszimmer „studiolo“, befinden sich hinter der unglaublich schönen westlichen Fassade des Palastes. Alle Türe haben Marmorrahmen mit Intarsien, die Wände sind mit Gobelins und Bilder geschmückt. Es gibt gleich zwei riesige Säle, der erste ist der Krönungssaal, der zweite bekam den Namen „Nachtwachesaal“, weil hier regelmäßig lange in die Nacht großartige Feste gefeiert wurden. Es gab genug Geld und genug Gründe zu feiern.

               Federico finanzierte an seinem Hof berühmte Künstler. Unter ihnen war Luca della Robia, der die ursprüngliche Fassade des Doms in Florenz schuf. In Urbino ist er Autor des Portals aus Terrakotta an der Kirche des heiligen Dominik, die gegenüber dem Herzogpalast steht. Am Hof wirkte auch Piero della Francesca, von ihm stammen Portraits von Francesco (aber auch seines Konkurrenten Sigismondo von Rimini). Am Hof Federicos war auch ein bestimmter Giovanni Santi tätig, ein Flüchtling aus dem Städtchen Colbordola, das von den Truppen aus Rimini zerstört wurde. Dieser talentierte Maler (seine Werke findet man heute in Museen in Florenz, London und Rom) arbeitete sich zum Hofmaler empor, er kaufte in der Stadt ein Haus, das sich in der Straße, die den Namen seines Sohnes Raffaello Santi trägt, befindet. Das ist nämlich der zweite der gebürtigen Urbinesen, den man nicht außer Acht lassen kann.

Raffaello wurde im Jahr 1483 in Urbino geboren und lebte hier die ersten sechzehn Jahre seines Lebens. Dieser außergewöhnliche Maler und Architekt ist in Urbino nur durch zwei seine Werke vertreten – erstes ist die so genannte „Stumme“, ein Portrait einer adeligen Dame. Dieses Bild befindet sich in „Palazzo ducale“. In Raffaelos Geburtshaus ist dann ein Fresco „Madonna mit dem Kind“. Manche Forscher vermuten den Vater Raffaellos Giovanni als Autor, andere behaupten, dies wäre die erste Arbeit Raffaellos, die er noch unter Aufsicht seines Vaters schuf.

Sein Geburtshaus ist gefüllt mit Kopien seiner Werke, die werden aber nicht so hochgeschätzt. Giovanni starb im Jahr 1494, als Raffaello elf Jahre alt war (seine Mutter starb sogar schon früher). Raffaello verließ also im Jahr 1500 Urbino. Er ging nach Perugia, wo er eine Ausbildung bei Meister Pietro Vanucci, genannt Perugino, genoss. Er kam nie mehr nach Urbino zurück, er starb jung im Jahr 1520 in Rom. Sein Geburtshaus ist ziemlich geräumig mit einem kleinen Hof und einer Kolonnade. Giovanni Santi musste also relativ wohlhabend gewesen sein. Die Stadt Urbino ist auf ihren Sohn gehörig – möglicherweise sogar ungehörig – stolz, Raffaellos Namen begegnet man hier auf jedem Tritt und Schritt. 

               Der dritte berühmte Sohn der Stadt war Papst Klement XI., mit eigenem Namen Francesco Albani, geboren in Urbino im Jahr 1649. Er war Papst in den Jahren 1700 – 1721.

Nach ihm heißt das Museo Albani neben dem Dom. Seine Statue befindet sich nicht nur vor dem Dom, sondern auch in der Bramantestraße auf dem Weg vom Tor der heiligen Lucia in Richtung Stadtzentrum. Auch Donato Bramante, der später Rom baute, gehörte zur Künstlerschule von Urbino, er wurde von Luciano Laurano ausgebildet, vom Architekten, der den Herzogspalast in Urbino baute. Bramante verließ Urbino im Jahr 1476 in Richtung Mailand und später ging er dann nach Rom. In Urbino trägt eine der wichtigsten Straßen seinen Namen.

               Papst Klemens XI. hatte es in seinem Amt nicht gerade einfach. Bereits im ersten Jahr seines Pontifikats entflammte der Spanische Erbfolgekrieg, in dem er zuerst auf der Seite Ludwigs XIV. von Frankreich stand. Als sich aber der Blatt nach der Schlacht bei Blenheim gewendet hat und die kaiserliche Armee in den Kirchenstaat eingefallen ist, musste auch er die Seiten wechseln. Als aber Kaiser Josef I. im Jahr 1711 starb, mussten die Habsburger wieder in die Defensive und der Papst mit ihnen. Zusätzlich zu diesem Leiden hat ihn der branderburgische Kurfürst Friedrich III. zu Weißglut gebracht, der sich ohne päpstliche Genehmigung im Jahr 1700 zum preußischen König proklamierte. Papst hat zwar seinen Königstitel niemals anerkannt und er nannte den preußischen Herrscher immer nur „Kurfürst von Brandenburg“, das war aber ungefähr alles, was er dagegen tun konnte. Wenn man in Rom eine Spur dieses Pontifex suchen würde, sollte man in die Kirche „Basilica Santa Maria degli Angeli“ gehen. Es ist ein geniales Werk von Michelangelo, der diese Kirche aus einer alten römischen Therme schuf. Auf dem Boden in der Kirche befindet sich der Meridian, den hier gerade Papst Klemens XI. platzieren ließ, als er den gregorianischen Kalender von einer Gruppe Wissenschaftler überprüfen ließ.

               Der Dom von Urbino ist von außen großartig, er ist ein riesiges Renaissancegebäude, auf dem, wie es in Italien schon Brauch ist – eine klassistische Fassade geklebt wurde. Es ging nicht anders, der Dom wurde von einem Erbeben im Jahr 1789 schwer beschädigt und bis zum Jahr 1801 praktisch neu aufgebaut. Der Eindruck ist nicht schlecht, der Klassizismus und die Renaissance harmonieren gut miteinander.

Das Innere der Kirche ist einfach, ebenso klassizistisch, mit Bildern von Barockmeister Federico Barocci – eine Menge seiner Bilder ist auch im Herzogspalast aufgestellt.

               Wenn man die Stadt Urbino von oben sehen möchte – was sich wirklich auszahlt – ist es notwendig zur Festung „Fortezza Albornoz“ oberhalb des „Parco della Resistenza“, das nach den Opfern des Widerstandes gegen Nazismus in der Zeit des zweiten Weltkrieges benannt ist, aufzusteigen

               Federico de Montefeltro hatte lediglich einen Sohn Guidobaldo, der starb im Jahr 1508 kinderlos. Er wurde aus der Stadt von Cesare Borgia vertrieben und nach seinem Tod übernahm die Familie della Rovere die Regierung in der Stadt (aus dieser Familie stammte Papst Julius II., der Papst in den Jahren 1503 – 1513 war und nicht vergaß, seine eigene Familie mit Herzogtum von Urbino reichlich zu beschenken. Nur für drei Jahre 1516 – 1519 wurde Lorenzo Medici Herzog von Urbino. Dank dieser Tatsache konnte seine Tochter Katharina den Titel Prinzessin von Urbino tragen, obwohl sie diese Stadt nie gesehen hat. Sie wurde im Jahr 1519 in Florenz geboren und ihre Eltern starben 15 und 21 Tage nach ihrer Geburt. Ihr Titel spielte aber eine wesentliche Rolle, als sich ihr Onkel Papst Klemens VII., mit eigenem Namen Giulio di Medici, erfolgreich bemühte, seine Nichte mit dem zweitgeborenen Sohn des französischen Königs Franz I. Heinrich zu verheiraten. Als Tochter eines reichen Kaufmanns Medici hätte sie keine Chancen und die Medici durften in Florenz, das auf seiner republikanischen Tradition beharrte, keine Titel tragen, obwohl sie in der Stadt viele Jahre inoffiziell herrschten. Dank ihres Titels Prinzessin von Urbino wurde Katharina später französische Königin und organisierte eines der furchtbarsten Gemetzel der Menschengeschichte – die Bartholomäusnacht in Paris im Jahr 1572.

               Die Familie De la Rovere übernahm im Jahr 1519 wieder die Macht in Urbino und im Herzogspalast ließ sie sich private Apartments im zweiten Stockwerk einrichten. Man kann sie besuchen, sie dienen als eine Pinakothek. Nach dem Aussterben der Familie De la Rovere im Jahr 1631 schloss Papst Urban VIII. Urbino an den Kirchenstaat an und die Stadt verlor ihre Bedeutung. Aus dieser Zeit stammt der ägyptische Obelisk, der im Jahr 1737 vor dem „Palazzo ducale“ aufgerichtet wurde.

               Natürlich zum Schluss eine immer wichtige Frage: Was sollte man in Urbino essen? In Rimini werden überall als ein Schnellimbiss „Piadine“, also Fladenbrot aus Mehl, Eier, Salz und Wasser angeboten. In Urbino heißt ein ähnliches Gericht „Cresce“, bzw. „Cresce sfogliate“. Neben Mehl, Eier, Schweinschmalz und Milch erhalten sie nur mehr Salz und Pfeffer. Ihr Ursprung muss man wieder einmal in der Zeit der Herrschaft Federicos de Montefeltro suchen. Federico mochte als ein Soldat einfache Gerichte. Als er aber seine Gäste bewirten sollte, wollte er ihnen doch etwas Besseres servieren, und so wurde in dem traditionellen Fladenbrot auch Milch, aber vor allem in dieser Zeit der rare und geschätzte Pfeffer beigemischt. In so einen Fladen kann man alles einwickeln, die einfachste Füllung ist „Prosciuto crudo“, Käse oder Rucola. Und ein Schnellimbiss für Tausende hungrige Studenten ist fertig. Deshalb gibt es in Urbino „Cresceriae“ an jeder Ecke.