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Osttirol II

Nach unserer Rückkehr in die Ferienwohnung war ich immer noch misstrauisch und wollte mich nicht zu früh auf die funktionierende Seilbahn freuen, also überprüfte ich es sofort im Internet. Aber es sagte dasselbe. Frau Eva wollte es am nächsten Morgen immer noch nicht glauben und rief sogar die Seilbahn an, aber es wurde ihr bestätigt, dass die Seilbahn in Betrieb ist. Da unsere ganze Gruppe einschließlich des Außerirdischen Vladimír einen Ruhetag vorgeschlagen hatte, kam uns die Seilbahn wie gerufen. Nur Vladimírs Sohn Juraj ist ein leidenschaftlicher Klettersteiggeher, also schaute ich im Internet nach, wo in der Umgebung der beste Klettersteig war. Und ich verstand, dass sich das Schicksal vollständig zu unseren Gunsten gewendet hatte – es gab einen Klettersteig zum „Blaues Spitz“ direkt in der Nähe der Bergstation der Kalser Bergbahn. Also erwartete uns eine wunderschöne Wanderung von der Bergstation mit dem Restaurant Adler Lounge zum Rothenkogel mit einem modernen Gipfelkreuz, das einst von Frau Evas Mann Martin an seine Stelle gebracht wurde. Der Aufstieg war ziemlich einfach, ein Höhenunterschied von dreihundert Metern, eine kurze gesicherte Kletterstelle und dann erstaunliche Ausblicke auf das Massiv des Großglockners.

Großglockner von Westen

Zum ersten Mal konnte ich ihn sehen. Bisher nämlich jedes Mal, wenn ich ihn sehen konnte, sei es von der Franz-Josef-Höhe (zweimal) oder vom Kitzsteinhorn, versteckte er sich immer in den Wolken. Diesmal war er zum Greifen nah und es störte bei dem Blick kein einziges Wölkchen. Er ist imposant, er ist halt der höchste Berg Österreichs und damit der prestigeträchtigste, aber unter uns gesagt – der Großvenediger ist viel schöner. Als Juraj dann von seinem Klettersteig zurückkam und erzählte, dass es kein “C” (senkrechte Wand) und kein “D” (Überhang) war, sondern ein “E”, also die schwierigste Variante – ich möchte nicht einmal wissen, wie das aussieht – herrschte in der Gruppe große Begeisterung, weil Vladimír und sein zweiter Sohn sich aufrichtig gefreut hatten, dass sie sich nicht zu dieser Klettersteig-Tour überreden ließen, sondern brav mit mir auf den Berg für normale Touristen gegangen sind.

Aufstieg zum Rothekogel

            Der Plan für den letzten Tag hatte zwei Alternativen. Eine davon war die mautpflichtige Straße von Kals zum Lucknerhaus auf 1918 Metern und von dort aus über die Lucknerhütte zur Stüdlhütte – dann wären wir auf 2802 Metern. Von dort aus führt ein Weg zum Dreitausender “Schere”, auf 3037 Metern Höhe, bereits im Massiv des Großglockners. Übrigens ist die Stüdlhütte nach dem Prager Geschäftsmann Johann Stüdl benannt. Nachdem er 1867 den Großglockner bestiegen hatte, ließ er auf eigene Kosten an diesem Ort eine Hütte bauen, als Ausgangspunkt für weitere Bergsteiger. Übrigens kann man von dieser Seite aus den Großglockner über den Stüdlgrat besteigen – heute wird der Großglockner jedoch fast ausschließlich von der Ostseite von der Franz-Josef-Höhe aus bestiegen.

            Dieser meiner Plan stieß nur auf mäßige Begeisterung, die Teilnehmer unserer Reise sahen vor allem das Problem im Höhenunterschied von 1100 Metern – das hätten sie schon einmal erlebt und wollten das nicht wiederholen. Außerdem konnten wir den Großglockner bereits vom Rothenkogel aus betrachten. Plan B war also eine Fahrt in ein anderes Tal, in dem wir noch nicht gewesen waren. Mit dem Auto könnten wir durch das Defereggental zum Staller Sattel an die italienische Grenze auf 2052 Metern Höhe fahren, und von dort aus gab es zwei Möglichkeiten – zwei Berge standen zur Auswahl, der Hinterbergkofel mit einer Höhe von 2727 Metern auf der österreichischen Seite des Passes oder die „Rote Wand“ auf der italienischen Seite. Dabei hätte man jedoch die miserable Wegmarkierung beachten müssen – nun ja, es ist eben in Italien. Dieser Berg hätte uns auf eine Höhe von 2818 Metern geführt und Ausblicke auf die Südtiroler Dolomiten geboten.

            Beim Erkunden des Weges zu diesem Ziel, das immerhin ein etwas größeres Interesse hervorrief, versuchte ich Vladimírs Hypothese zu überprüfen, dass es dort irgendwo ein Skigebiet geben müsse. Und wo es Skigebiete gibt, dort sollten auch Seilbahnen sein. Mit Erstaunen stellte ich fest, dass er recht hatte. Das Skigebiet befindet sich im Dorf Sankt Jakob und die Seilbahn fuhr bis zum 17. September – es war der zwölfte. Also musste Plan B dem Plan C weichen, und wir nutzten erneut die Seilbahn, um auf 2373 Meter Höhe zu gelangen. Von dort aus waren es nur etwas über vierhundert Meter bis zum Gipfel des „Großer Leppleskofels“ auf 2811 Metern. Und das sogar entlang einer echten Autobahn für Wanderer. Denn an den Hängen des Berges wurden zwei neue Schipisten angelegt, für die eine neue Seilbahn benötigt wurde, daher wurde eine Straße für Geländefahrzeuge bis zur Bergstation der Seilbahn gebaut. Nur die letzten hundertfünfzig Höhenmeter zum Gipfel waren felsig und ein kurzer Abschnitt musste mit “Hilfe der Hände” überwunden werden. Trotzdem war es eine “touristische Wanderung ohne Schwierigkeiten”. Wir wurden mit wunderschönen Aussichten vom Gipfel dieses Berges belohnt.

Wie ich später las, handelte es sich tatsächlich um einen der schönsten Aussichtsgipfel. Da wir nicht genug hatten, stiegen wir danach auch auf den „Kleinen Leppleskofel“, den man in zwanzig Minuten von der Bergstation der Seilbahn und dem Restaurant Moosalm erreichen konnte. Bei der Moosalm gibt es nicht nur einen großen See, der zur Schneekanonenbefüllung dient, sondern auch einen großen Spielplatz für Kinder und eine Aussichtsplattform in Form der Arche mit einer Beschreibung aller Dreitausender, die von dort aus zu sehen sind. Es gibt viele davon. Vom Gipfel des „Großen Leppleskofels“ konnte man nicht nur den Großglockner und den Großvenediger sehen, sondern auch andere Tiroler Berge im Hintergrund mit dem zweithöchsten Berg Österreichs – und dem höchsten Berg Tirols – der Wildspitze.

            Wir stiegen zur Moosalm ab, und weil der Kellner wirklich Freude an seiner Arbeit hatte und es mit ihm lustig war, kehrten wir dort zum Mittagessen ein und bekamen Lust auf mehr. Also fuhren wir zum Staller Sattel und erstarrten dort vor Staunen. Der wunderschöne “Obersee” mit einer Fläche von 35 Hektar und einer Tiefe von 25 Metern mit unglaublich klarem Wasser ist ein echter Juwel.

Die Jungs konnten nicht widerstehen und badeten, obwohl das Wasser eine Temperatur von einem Zentimeter hatte (Männer wissen, wovon ich rede). Es gab danach ein Spaziergang um den See, Kaffee in der Oberseehütte und dann konnten wir nicht widerstehen, die Grenze zwischen Italien und Österreich zu überqueren. Mit Blick auf die beiden Täler, das Deferegger Tal auf der österreichischen und das Altholzertal auf der italienischen Seite. Dort gibt es ebenfalls einen schönen See, aber mit dem Auto dorthin zu gelangen, ist nicht einfach. Da die Straße auf der italienischen Seite Einbahnverkehr hat, dürfen Autos in Richtung Italien jede Stunde nur fünfzehn Minuten lang fahren – von der nullten bis zur fünfzehnten Minute jede Stunde. Auf der italienischen Seite ist es offensichtlich zwischen der dreißigsten und fünfundvierzigsten Minute.

Dieses Erlebnis konnte am See man nicht filmen, es ließ sich auch nicht auf einem Foto einfangen. Man musste es mit allen Sinnen wahrnehmen und sich einfach dieser Schönheit hingeben. Es war das Sahnehäubchen auf dem Kuchen – ein Ausflug, der zu Beginn eine Katastrophe zu sein drohte, verwandelte sich in ein unglaublich schönes Erlebnis.

Also fahren Sie dorthin. Und beeilen Sie sich. Denn was uns echt erschrak, war die Borkenkäfer-Katastrophe im Deferegger Tal. Obwohl die Einheimischen sich bemühen und befallene Bäume fällen, ist es an steilen Hängen praktisch unmöglich den Schädling zu eliminieren, und so sind ganze Waldflächen von diesen Käfern zerstört. Dieser Kampf scheint hoffnungslos zu sein, und ich fürchte, dass die schönen Wälder im Tal bald vollständig zugrunde gehen könnten. Mit Ausnahme des Waldes um den Obersee, wo Lärchen dominieren, die den Fichtenborkenkäfern, wie der Name schon sagt, nicht schmecken.

            Übrigens, wer keine Lust hat, in den Bergen herumzulaufen, kann die romanische Kirche St. Nikolaus in Matrei, oder St. Georg in Kals besuchen, oder die Kirche St. Andreas im Dorf Prägraten, das durch den Abbau des Minerals Serpentin bekannt ist, oder die Kirche “Unserer Lieben Frau” in Virgen, wo ein weiteres Denkmal an die Opfer des Aufstands von 1809-1810 erinnert. In jedem Dorf ist die örtliche Kirche das dominierende Bauwerk – wir sind schließlich in Tirol. Aber man kann auch mit dem Auto zur Jagdhausalm fahren, die als “Kleintibet” bezeichnet wird. Es handelt sich um ein architektonisches Denkmal, die älteste Almsiedlung, die aus sechzehn Steinhäusern besteht und bereits im Jahr 1212 beschrieben wurde. Sie liegt auf einer Höhe von 2009 Metern über dem Meeresspiegel, und es grasen hier seit acht hundert Jahre immer noch Kühe. Wie praktisch überall in Österreich. Und wo keine Kühe sind, da gibt es Schafe und Ziegen. Die österreichischen Wiesen werden dadurch bis weit über die Zweitausender-Marke bewirtschaftet.

Matrei selbst bietet, abgesehen von Hotels, Apartments und Restaurants, nicht viel. Natürlich gibt es die große klassizistische Kirche St. Alban, eine Brücke über den Bergbach, der mitten durch die Stadt fließt, mit unglaublich durchdachten Hochwasserschutzmauern mit wasserdichten Schleusen. Und die Burg “Schloss Weißenstein” auf dem Hügel oberhalb der Stadt.

Sie stammt aus dem zwölften Jahrhundert, ihr heutiges Aussehen ist aber das Ergebnis historisierender Umbauten im neunzehnten Jahrhundert. Sie befindet sich in privatem Besitz, gehört der Aktiengesellschaft Felberntauernstraßen AG, die sie im Jahr 2020 von der Adelsfamilie von Thieme erworben hat. Wir haben vergeblich versucht, einen Zugang zur Burg zu finden, obwohl wir sie fast komplett umrundet haben. Sie thront auf einem hohen weißen Felsen (daher ihr Name), aber wir haben keine Zufahrtsstraße gefunden, selbst bei bestem Willen nicht. Wahrscheinlich zweigt sie irgendwo von der Felbernstraße ab, ist aber nicht beschildert und wahrscheinlich gut getarnt. Was also auf der Burg passiert, bleibt ein Rätsel. Vielleicht Seminare oder geheime Vorstandssitzungen der Aktiengesellschaft.

            Und zum Schluss noch eine kleine Bemerkung am Rande: Da die Restaurants in Matrei das ganze Wochenende geöffnet sind, also auch am Samstag und Sonntag, haben sich die Wirtsleute das Wochenende auf Montag und Dienstag verlegt. An diesen Tagen ein Restaurant zu finden, das Ihnen ein anständiges Abendessen zu einem vernünftigen Preis servieren würde, ist eine echte Herausforderung. Aber das ist nur ein kleiner Makel in dieser ansonsten wunderschönen Gegend.

Formularbeginn

Osttirol I


            Es gab Zeiten, in denen ich Bergtouren mit einer Höhendifferenz von weniger als tausend Metern nicht für echte Wanderungen hielt. Von meinem Freund Vladimír ganz zu schweigen; ich hatte seine körperlichen Fähigkeiten vor einigen Jahren in einem Artikel namens „In den Bergen mit Vladimír“ beschrieben, in dem ich ihn verdächtigte, ein Außerirdischer zu sein. Denn jemand, der nach einer ganztägigen elf Stunden langen Wanderung mit Höhenunterschied von 1800 Metern Eishockey spielen ging, dann bis spät in die Nacht mit Freunden feierte und am nächsten Morgen um sechs Uhr in der Früh aufstand, um zur Arbeit zu gehen, überstieg völlig meine Vorstellungskraft von einem normalen Menschen.

            Aber in der Zwischenzeit sind wir älter geworden (oder gereift und weiser, je nachdem, wie man es betrachtet), und plötzlich sind uns (nicht nur mir aber sogar auch dem Vladimir) Aufstiege über tausend Meter etwas zu viel, und wir akzeptieren es beide mit Freude, wenn uns eine Seilbahn einen erheblichen Teil des Bergaufstiegs abnimmt.

            Umso größer war mein Schock, als ich kurz vor unserer Reise in Osttirol im Internet herausfand, dass die Seilbahnen in der Nähe von Matrei nicht funktionierten; eine davon war die ganze Saison über (unter dem Vorwand von Pistenumbauten) geschlossen, und die andere wurde vorzeitig am 3. September außer Betrieb genommen. Ich war außer mir vor Wut, als ich fieberhaft ein neues Programm erstellen musste, in dem wir ohne technische Hilfe auskommen könnten. Osttirol stand nämlich schon lange auf unserer Liste, und ich hatte nicht vor, darauf zu verzichten. Dieses kleine Stück Tirol, das seit 1918 von seinem Vaterland mit der Hauptstadt Innsbruck getrennt ist, da damals der südliche Teil von Tirol abgetrennt und an Italien angeschlossen wurde – ist einen Besuch wert. Es besteht im Wesentlichen aus zwei Teilen: dem südlichen Teil um seine “Hauptstadt” Lienz (eine zauberhafte kleine Stadt mit 12.000 Einwohnern), von wo aus man in den osttirolerischen Dolomiten wandern kann, und dem nördlichen Teil um das Städtchen Matrei mit knapp unter 5.000 Einwohnern, von wo aus man die Hohen Tauern besuchen kann, das höchste Gebirge Österreichs mit insgesamt 266 Gipfeln über dreitausend Meter. Wir haben in Matrei gewohnt.

Dieses Städtchen ist der zentrale Punkt, an dem sich mehrere Täler treffen, genauer gesagt das Tauerntal aus dem Norden und das Virgental aus dem Westen, die gemeinsam das Iseltal bilden, benannt nach dem wichtigsten Fluss dieser Region – dem Isel-einem Gletscherfluss. Ein Stück weiter flussabwärts zweigt das Kalser Tal ab, das nach Osten in Richtung des höchsten österreichischen Berges, dem Großglockner, führt, und im Westen führt das Defereggental von hier aus zum Pass nach Südtirol am Staller Sattel. Diese vier Täler bilden also den nördlichen Teil von Osttirol, und alle vier sind einen Besuch wert. Wir hatten drei Tage zur Verfügung.

            Als uns die freundliche Frau Eva, die Mieterin des Apartmenthauses Rainer, begrüßte, fragte ich sicherheitshalber noch einmal nach, ob doch vielleicht irgendwelche Seilbahn in Betrieb sei. Sie bestätigte mir jedoch das Horrorszenario, dass alle geschlossen seien. Das versetzte mich in eine schwere Depression und ich entschloss mich dazu, einen Artikel über Osttirol zu schreiben, der alle Touristen von einem Besuch dieser Region abschrecken würde, insbesondere dann Männer im Vorruhestand- und im Rentenalter mit bereits nachlassender Kondition, aber noch immer mit einem großen Ehrgeiz, die Welt von oben zu betrachten. Am Ende war jedoch alles anders, und dieser Artikel wird davon berichten.

Am ersten Tag machten wir uns auf den Weg nach Norden ins Tauerntal. Dort verläuft die zentrale Verbindung, die Felberstraße, die in den siebziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts erbaut wurde. Während ihrer Konstruktion kamen fünfzehn Arbeiter ums Leben, aber mit dem Bau des 5304 Meter langen Felbertauerntunnels wurde schließlich die Verbindung zwischen Osttirol und dem Norden hergestellt (obwohl über das Pinzgau in Salzburg). Bevor diese Straße gebaut wurde, wurden Güter über einen Hochgebirgspass nach Norden transportiert, und die letzte Station vor diesem beschwerlichen Übergang war das „Matreier Tauernhaus“. Heute ist es der Ausgangspunkt für Wanderungen in das Hochtal Gschlösstal (falls Sie es nicht aussprechen können, machen Sie sich keine Sorgen, ich auch nicht – das Tiroler Dialekt ist nun mal so).

            Entweder ein Taxi oder der Panoramazug also ein Traktor, der Wagen mit Touristen zieht, bringt Sie zu den Almbetrieben in Aussengschlöss und dann weiter nach Innergschlöss. Die Fahrt kostet 6 Euro für Erwachsene und 3 Euro für Kinder, egal ob man das Taxi oder den Traktor nimmt.

Es lohnt sich diesen Dienst zu konsumieren, zu Fuß sind es nämlich gut zwei Stunden, und das Taxi bringt Sie bis zum Venedigerhaus auf 1691 Metern Höhe. Selbst dann werden Sie beim nächsten Aufstieg gut gefordert sein. In Außengschlöss gibt es eine Kuriosität, nämlich eine in den Felsen gehauene Kapelle – “Felsenkapelle”. Ein Stück von ihr entfernt befindet sich die Quelle „Frauenbrünnl“, die angeblich Augen- und gynäkologische Krankheiten heilt. Der Legende nach soll hier die Mutter Gottes Maria die Windeln Jesu gewaschen haben. Versuchen Sie nicht, den Tirolern diese Legende auszureden. Solche Argumente, dass die Jungfrau Maria Palästina nie verlassen hat, würden auf wenig fruchtbaren Boden fallen. Ihr Versuch, den Tirolern ihren Katholizismus zu nehmen, endete sogar für Napoleons Franzosen schlecht. Nach dem Frieden von Preßburg im Jahr 1809 wurde Tirol von Österreich abgespalten und Napoleons Verbündetem, Bayern, angegliedert. Dass die Tiroler Steuern nach München anstatt nach Wien zahlen sollten, war für sie noch erträglich. Dass sie in die französische Armee einrücken mussten, schmerzte schon mehr, aber sie kamen damit gerade noch klar. Dass die Tiroler Verfassung, die ihnen bestimmte Privilegien und Freiheiten sicherte, abgeschafft wurde, brachte ihr Blut zum Kochen, aber noch nicht zum Überlaufen. Aber im Moment, als die Franzosen, von Aufklärung infiziert, begannen, den Tirolern den Kirchgang zu verbieten, war das Maß der Geduld voll. Die Tiroler griffen unter der Führung von Andreas Hofer zu den Waffen, und es kam zu einem sehr blutigen Aufstand. Es dauerte fast ein Jahr, bis es den vereinten französischen und bayerischen Armeen gelang, den Aufstand, den Wien im Stich ließ, zu unterdrücken. Die Franzosen erlitten mehrere blutige Niederlagen, was für die durch Siege verwöhnten Soldaten ein neues Erlebnis war, auf den sie gerne verzichtet hätten, bevor sie schließlich in der dritten Schlacht auf dem Bergisel bei Innsbruck (heute gibt es dort eine Skisprungschanze, auf der im Rahmen der Vierschanzentournee am Übergang vom alten zum neuen Jahr gesprungen wird) die Tiroler doch besiegten, Andreas Hofer wurde gefangen genommen und in Mantua hingerichtet. Die Tiroler sind jedoch unheimlich stolz auf diesen Aufstand, der in ihrer Geschichte glorifiziert wird, und auch auf dem Staller Sattel-Pass gibt es ein Denkmal für die Tiroler Solidarität – ein Osttiroler aus Defeggertal hält gemeinsam mit einem Südtiroler aus Antholzertal die Fahne und sie ziehen gemeinsam gegen die bösen Franzosen.

Es gibt Dinge, über die in Tirol nicht gescherzt wird. Ich würde auch nicht empfehlen, das Antholzertal mit seinem heutigen Namen “Valle di Anterselva” zu bezeichnen, nicht einmal deshalb, weil es sich besser ausspricht.

            In Matrei, vor der riesigen klassizistischen Kirche St. Alban aus den Jahren 1776-1784, findet man neben den üblichen Gedenkstätten für die Opfer der beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts auch eine Erinnerung an die Opfer dieses Aufstands. Aus Matrei stammten zwei Anführer des Aufstands, Anton Wallner, der den Kampf in den Salzburger Bezirken Pongau und Pinzgau führte, und Johann Panzl, der bei Saalfelden kämpfte. Beide zogen sich dann nach Osttirol zurück und organisierten den Widerstand im Iseltal. Nach der Niederlage des Aufstands wurden sie in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Wallner gelang die Flucht, und auch Panzl schaffte es, sich aus seinem Versteck in Sicherheit zu bringen. An ihrer Stelle wurden Geiseln hingerichtet, die von der Gemeinde Matrei an die siegreichen Franzosen ausgeliefert wurden, der örtliche Metzger Johann Weber und Franz Obersammer. Heute werden alle vier auf dem Denkmal geehrt; die beiden Anführer haben dort ihre Plastiken, auf hingerichtete Geiseln wird dort nur durch ihre Namen erinnert.

            Aber zurück zu unserem Ausflug. Innergschlöss ist ein wunderschönes grünes Hochtal, in dem Kühe weiden, durch das die Gletscherströmung „Gschlösserbach“ fließt. Hier beginnt der “Gletscherlehrpfad”. Er führt steil nach oben; die ersten fünfhundert Meter sind anstrengend, aber zu Beginn der Strecke ist man noch motiviert und konzentriert, so dass der Weg über den hohen Wasserfall zum ersten See auf 2240 Metern Höhe bewältigt werden kann. Gleich in der Nähe befindet sich die größte Attraktion des Tals, der “Auge Gottes”-See. Dieser dreieckige See mit einer kreisförmigen Insel sieht wirklich so aus, wie sein Name es sagt.

Von hier aus teilt sich der Weg. Eine Richtung führt weiter entlang des Lehrpfads mit der Möglichkeit, zur “Alten Pragerhütte” abzuzweigen, die jedoch außer Betrieb ist und in ein Museum umgewandelt wurde. Diese “Alte Prager Hütte” war die älteste Schutzhütte im Tal und wurde irgendwann um das Jahr 1870 gebaut, als es bei der Besteigung des Großvenedigers noch um Leben und Tod ging. Dieser – meiner Meinung nach schönste Berg Österreichs – dominiert das gesamte Tal. Wir haben überlegt, ob wir uns in diese Richtung begeben sollen, oder den Gipfel des „Innerer Knorrkogel“ besteigen sollen. Die Höhe war ungefähr gleich, aber die Aussicht auf eine Erfrischung, die wir von der Hütte erwarteten, war letztendlich entscheidend. Der Name der Hütte ließ uns überlegen, ob in der “Neuen Pragerhütte” original pragerisch „Staropramen“ oder vielleicht doch das kommerziellere „Pilsner Urquel“ serviert wird. Da wussten wir noch nicht, welche Überraschung uns erwartete. Das erfuhren wir, als wir bei der Alten Prager Hütte ankamen, die von einer großen Herde Schafe umgeben war.  Die Schaffe stürzten sich freudig auf uns und fingen an, uns abzulecken, weil sie nach Salz dürsteten, und wir nach dem Aufstieg auf 2489 Metern vom salzigen Schweiß bedeckt waren.

Denn dort erwartete uns auch die Hiobsbotschaft – die “Neue Pragerhütte” war nämlich aufgrund von Wassermangel geschlossen. Da ich bereits ziemlich müde war, schlug ich vor, dass wir es für heute gut sein lassen sollten, aber mein Vorschlag wurde abgelehnt. Wir gingen weitere dreihundert Höhenmeter zur “Neuen Pragerhütte”, weil sie in Sichtweite war und die anderen Teilnehmer der Expedition, nämlich Vladimír und seine beiden Söhne, betonnten, dass es auf keinen Fall nochmal dreihundert Höhenmeter sein könnte. Doch, sie waren es!!!

Neue Pragerhütte

            Allerdings war der Ausblick von dort oben erstaunlich schön. Wir befanden uns direkt unter dem Gletscher, der immer noch die Hänge des Großvenedigers bedeckt, hoch über seinem Gletschersporn und dem Gletschersee.

Dieser schöne Berg schien zum Greifen nah und ist normalerweise auch erreichbar. Gerade in der “Neuen Pragerhütte”, die im Jahr 1904 erbaut wurde, übernachten Touristen, die den Gipfel des Großvenediger mit einer Höhe von 3657 Metern zum Ziel haben.

Wir bekamen sogar vom “Hüttenwart”, der die verlassene Hütte bewachte, ein Bier in der Dose angeboten (es störte nicht, dass es weder Staropramen noch Pilsner war und dass das Bier bereits drei Jahre über dem Ablaufdatum war). Er bot uns sogar an, dort zu übernachten. Der Aufstieg zum Großvenediger über den Gletscher ist jedoch nur mit einem Bergführer möglich, der natürlich nicht da war. Wir hatten keine Lust in einer Gletscherspalte zu landen und zu neuem „Ötzi“ zu werden. Wir hatten nicht die entsprechende Ausrüstung, und die Vorstellung, am nächsten Tag weitere 900 Höhenmeter hinaufzusteigen (und das im Schnee, was viel anstrengender als Felsen ist) und danach 2000 Höhenmeter hinunterzugehen, stieß auf meinen Selbsterhaltungstrieb. Das müsste nämlich an einem Tag geschafft werden. Und dieser Berg ist auch von unten wunderschön anzusehen, und von der Hütte aus ist er geradezu optisch zum Greifen nah.

            Als wir zurück ins Tal kamen, stellten wir fest, dass das Schild mit der Information, dass die Hütte vorzeitig geschlossen sei, dort stand, nur auf dem anderen Ufer des Gschölbaches, an dem entlang wir am Morgen gegangen waren. Wir wollten nämlich den Menschenmassen entkommen, die der Panoramazug ausgespuckt hatte. Wenn wir das gewusst hätten, wären wir wahrscheinlich auf den Innerer Knorrkogel gegangen – und das wäre ein großer Fehler gewesen. Man muss einfach Glück haben.

            Wir fuhren mit dem Taxi (wie uns der Fahrer sagte, es war die letzte Fahrt) zurück zum „Matreier Tauernhaus“, und wir hatten Hunger. Das Gasthaus bot eine sehr begrenzte Speisekarte *neben dem Schnitzel nur eine Blutwurst), also zögerten wir, aber schließlich entschieden wir uns für vier Wiener Schnitzel, denn dieses Gericht geht immer. Beim Verlassen der Hütte sah ich an der Rezeption einen Prospekt – ein Büchlein, das sich von selbst auf einer Seite öffnete, auf der für die Seilbahn “Kalser Bergbahn” geworben wurde. Und es wurde dort geschrieben, dass sie bis zum 24. September in Betrieb wäre. Ich starrte ungläubig auf diese Information und wagte es nicht zu verstehen, dass uns das Schicksal vielleicht doch mochte. Das dauerte ein paar Minuten, aber meinen Lesern überlasse ich ganze zwei Wochen, um das zu begreifen. Dann werde ich Ihnen erzählen, wie sich unsrer Urlaub durch dieses Büchlein geändert hat.

Gardasee II

Im Südwesten des Sees gibt es zwei Städtchen – Desenzano mit einem Gemälde von Tiepolo in der örtlichen Kathedrale (als Beweis dafür, dass hier während des Barockzeitalters die Venezianer herrschten) sowie römischen Ausgrabungen, und Saló, dem ehemaligen Sitz der venezianischen Statthalter. Von dieser Stadt aus “regierte” Mussolini ab 1943, als Italien auf die Seite der Alliierten wechselte und die Deutschen im Norden eine Art Protektorat schufen, das formell vom ehemaligen “Duce” geführt wurde. Aus diesem Grund wird dieser Staat auch “Republik von Saló” genannt. Zumindest wusste der große Benito, wie man eine schöne Residenz findet – auch wenn er nichts mehr zu sagen hatte. Diese Residenz liegt etwas nördlich von Saló im Palazzo Feltrinelli in Gargnano. Zwischen Saló und Mussolinis Residenz gibt es eine weitere Kuriosität, die wiederum mit dem italienischen Faschismus zu tun hat – der Gardasee übte offensichtlich für diese Menschenart eine unwiderstehliche Anziehungskraft aus. An der “Riviera Gardone” befindet sich die Villa “Il Vittoriale degli Italiani” des Abenteurers und Dichters Gabriello d’Annunzio. Diese Figur der italienischen Geschichte ist so skurril, dass ich nicht widerstehen kann, einen Moment bei ihr zu bleiben. Gabrielle d’Annunzio war ein Dichter. Er schrieb nicht nur Gedichte, sondern auch Romane, Theaterstücke und Libretti für Opern. Als er aufgrund hoher Schulden vor seinen Gläubigern nach Frankreich fliehen musste, schrieb er auch auf Französisch. Politisch war er zwar ein Abgeordneter im italienischen Parlament für die Konservativen, bei den Wahlen gab er aber seine Stimme der radikalen Linken. Er nahm seine politische Ausrichtung also nicht allzu ernst. Im Jahr 1915 hat er dafür plädiert, dass Italien in den Ersten Weltkrieg eintritt, an dem er auch aktiv als Soldat teilnahm. Am kuriosesten war seine Aktion, als er sich entschied, mit zehn Flugzeugen über der Hauptstadt des Feindes, also über Wien, zu fliegen. Die Aktion fand am 8. August 1918 statt. Von zehn Flugzeugen erreichten zwar nur sechs ihr Ziel. Die anderen mussten aufgrund von Störungen vorzeitig landen, eins davon in Österreich, wo der Pilot sofort verhaftet wurde – der technische Zustand  der Fliegers war offensichtlich nicht ganz optimal – es handelte sich schließlich um italienische Flugzeuge. Über Wien ließ d’Annunzio Zehntausende von Flugblättern abwerfen. Es gab zwei Texte, einer war zweisprachig in Italienisch und Deutsch, den anderen Text hatte d’Annunzio selbst verfasst und er war nur auf Italienisch. Aber zumindest konnten die Wiener am Ende lesen, wie er sie aufrief: „Wiener, Viva l’Italia!“

            Die berühmteste Aktion von d’Annunzio war jedoch die Besetzung des heutigen Rijeka, das damals “Fiume” hieß. Da Italien, das Anspruch auf diese Stadt erhob, durch die Entscheidung der Pariser Konferenz befürchtete, dass es die Stadt nicht bekommen würde (sie sollte dem neu entstandenen „Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen“ zugeteilt werden), entschied er sich kurzerhand zu handeln. Mit einer Gruppe bewaffneter Abenteurer besetzte er im September 1919 die Stadt, erklärte die Unabhängigkeit der so entstandenen “Republik Fiume” und führte dort ein Regime ein, das eine Art Labor für den zukünftigen faschistischen Staat war, in dem der “Führer” natürlich d’Annunzio selbst war. Lassen Sie sich nicht von der Tatsache täuschen, dass sogar der große Wladimir Iljitsch Lenin ihn bewundernd als Revolutionär bezeichnete – Faschisten und Kommunisten hatten immer viel gemeinsam, weshalb sie sich schließlich so sehr verachteten. D’Annunzio ließ sich sogar auf Briefmarken seines “Staates” verewigen.

Im Dezember 1920 wurde er von einer italienischen Militärflotte aus Fiume vertrieben – eine Granate traf sogar sein Büro. Obwohl d’Annunzio verkündete, er würde lieber sterben, als nachzugeben, änderte er dann seine Meinung und verkündete, dass es sich nicht lohne, für DIESES Italien zu sterben.

Er zog zum Gardasee, wo er eine Villa am Ufer kaufte. Von dort aus versuchte er, vom König zum Ministerpräsidenten ernannt zu werden, um in Italien eine “Ordnung” im faschistischen Stil einzuführen, wurde jedoch von Benito Mussolini übertroffen. Danach zog sich d’Annuzio aus dem politischen Leben zurück, was “Il Duce” zu schätzen wusste. Auf seinen Vorschlag hin erhob ihn König Vittore Emanuele Gabrielle in den Adelsstand mit dem Titel “Principe de Montenevoso”, und der italienische Staat veröffentlichte seine gesammelten Werke. D’Annunzio ließ sich dann von Mussolinis Regierung seinen aufwändigen Lebensstil finanzieren, sodass er nicht zum zweiten Mal nach Frankreich fliehen musste. Er starb am 1. März 1938 in seiner Villa am Lago di Garda. Seine Villa wurde bereits vor seinem Tod zum nationalen Denkmal erklärt und, glauben Sie es oder nicht, mir war nicht danach – der Flughafen in Brescia wurde nach ihm benannt. Offensichtlich sind die Italiener ähnlich wie die Slowaken, Ungarn oder auch Österreicher mit ihrer faschistischen Vergangenheit noch nicht ganz im Reinen – sonst hätten sie wahrscheinlich nicht Giorgia Meloni gewählt, die sich offen zum Erbe Mussolinis bekennt.

Und damit ich es nicht vergesse – natürlich darf auch am Seeufer kein botanischer Garten fehlen. Ohne diesen würde es am italienischen Alpensee einfach nicht gehen. Der “Giardino botanico Hruska” liegt in der Nähe von d’Annunzios Residenz, befindet sich in privatem Besitz und gehört seit den 1980er Jahren dem österreichischen Schriftsteller André Heller. Heller ist zwar auch eine etwas skurrile Persönlichkeit, aber zumindest kann man sein politisches Engagement im Gegensatz zu den anderen berühmten Bewohnern des Sees als links von der Mitte einordnen. Übrigens besitzt er auch einen weiteren Garten namens “Anima”, den er selbst entworfen hat und wo er sich gegenwärtig öfter aufhält als am Gardasee oder in Wien. Aber dafür müsste man bis nach Marrakesch in Marokko reisen.

Im Nordwesten des Gardasees liegt die Stadt Limone, die, wie ihr Name schon vermuten lässt, von großen Zitronenplantagen umgeben ist.


            Wer weder mit dem Auto noch mit dem Boot fahren möchte, kann es mit dem Fahrrad versuchen. Radfahren ist am Gardasee sehr beliebt, es gibt Hunderte von Radfahrern, und Fahrräder können praktisch in jedem Dorf ausgeliehen werden. Es gibt jedoch keine speziellen Fahrradwege, also müssen sich die Radfahrer die Straßen mit Autofahrern teilen, die sie dafür natürlich angemessen hassen. Die Italiener sind sich dieses Problems offensichtlich bewusst. Es ist geplant, einen 166 Kilometer langen Radweg zu bauen, der den gesamten See umrunden sollte. Die Kosten sollen sich auf 345 Millionen Euro belaufen, wobei allein 19 Kilometer in der Provinz Trento, wo die Felsen direkt in den See fallen – und wo früher die österreichisch-venezianische Grenze verlief – 100 Millionen kosten sollen. Das gesamte Projekt soll bis 2026 abgeschlossen sein, also wenn Sie den unwiderstehlichen Drang verspüren, den See mit dem Fahrrad zu umrunden, könnten Sie vielleicht noch drei Jahre warten. Dann wird es viel gemütlicher.

Eine klassische Touristenfalle ist jedoch Sirmione. Es liegt auf einer langen Halbinsel, die praktisch durch die Mitte des Sees verläuft und an einigen Stellen nur etwa hundert Meter breit ist – dennoch gibt es natürlich auf beiden Seiten Hotels, Apartments, Restaurants und Parkplätze.

Achtung! Auf allen Parkplätzen muss gezahlt werden, auch auf denen, wo es nicht angegeben ist und wo man die Parkscheinaen mühsam zwischen den Bäumen am Straßenrand suchen muss. Das habe ich schmerzlich erfahren, als ich an meiner Windschutzscheibe einen Strafzettel fand. Das Problem ist nicht der Betrag von 29 Euro, sondern die Tatsache, dass diese Summe praktisch nicht aus dem Ausland bezahlt werden kann – und wenn sie dann als Inkasso kommt, ist sie erheblich höher (der administrative Aufwand für die Sicherstellung der Daten des Autobesitzers und seiner Adresse ist teuer). Wenn Sie also einen Strafzettel finden, fahren Sie sofort zur nächsten Polizeistation und versuchen Sie, die Strafe vor Ort zu bezahlen. Wie gesagt, man befindet sich in einer klassischen Touristenfalle, und die Italiener werden versuchen, jeden möglichen Cent von jedem Touristen auszuquetschen.

Sirmione ist von allen Seiten von Wasser umgeben, die Brücke, über die Sie hineinkommen, ist ziemlich neu, in der Vergangenheit betrat man sie über eine Zugbrücke der Wasserburg – wieder einmal einer Scaligerburg.

Die Burg selbst ist vor allem wegen der Ausblicke interessant, die sie von ihren Mauern und Türmen bietet, es gibt keine Ausstellung dort. In der Stadt gibt es Thermalquellen. Sie können besichtigt werden, die wohlhabenderen können in Hotels mit direktem Zugang zu den Thermalbädern übernachten.

Und dort, wo die heißen Quellen waren, war auch das römische Anwesen nicht weit. Auf dem äußersten Vorsprung der Halbinsel ließ Kaiser Augustus eine riesige Villa mit Terrassen über dem See, mit einem gigantischen Tank zur Regenwassergewinnung – und natürlich Thermalbädern – bauen. Die Villa erhielt später den Namen „Grotte die Catullo“, benannt nach dem Veroneser Dichter Catull, mit dem sie jedoch nichts zu tun hat. Catull starb im Jahr 54 v. Chr., als Augustus neun Jahre alt war. Der Besuch der ausgedehnten Ausgrabungsstätten mit herrlichem Blick auf den See ist ein Erlebnis, das man unbedingt genießen sollte.

Das Museum mit Relikten aus der Villa befindet sich gleich rechts am Eingang. Ungeduldige Touristen wie ich könnten es übersehen, und wenn sie dann zurück in das Gelände wollen, könnten sie Schwierigkeiten haben zu erklären, dass ihr Ticket noch gültig ist. Es gibt eine kombinierte Eintrittskarte für die Wasserburg der Scaliger und die Villa des Catull, sie kostet 14 Euro – die Einzeltickets zusammen kosten ebenfalls genau 14 Euro. In der kombinierten Karte ist auch der Besuch der römischen Ausgrabungen in Desenzano enthalten – also der ist dann praktisch kostenlos.

            Und natürlich – wenn Sie mit Kindern am See ankommen, gibt es Gardaland, einen der größten Vergnügungsparks Europas. Meine Enkelinnen lieben es. Meine Frau nicht. Ich bin mit ihr nicht ins Gardaland gegangen, weil sie sich auf einem Karussell gerne – eigentlich nicht gerne – übergibt. Reisekrankheit ist furchtbar.

Eine Überraschung waren die absolut erschwinglichen Preise in den Restaurants. Obwohl ich gerade in Sirmione gegen eine italienische Essgewohnheit verstoßen habe. Ich bestellte „Penne con salmone“ (Penne mit Lachs) und war überrascht, dass ich keinen Parmesan zu den Teigwaren bekam. Also bat ich den Kellner um „Parmigiano“ und bekam anstelle des Käses einen vernichtenden Blick und ein klares Nein. Ich verstand, dass etwas nicht stimmte, und so bildete ich mich weiter. In Italien wird NIE Parmesan zu Fischgerichten serviert. Und diese Lachsstücke in den Nudeln waren eindeutig ein Fisch! Ich bin schlauer geworden, aber der Kellner könnte an die germanischen Barbaren aus dem Norden gewöhnt und daher toleranter sein. Aber wenn es um Essen geht, kennen die Italiener keine Gnade. Abgesehen von diesem Zwischenfall war das Essen großartig und sehr preiswert. Offensichtlich gibt es viel Wettbewerb, der die Preise nach unten drückt. Und die ziehen natürlich die Touristen nachträglich an. Im Restaurant Al Pino haben wir zwei für 47,50 Euro hervorragend gegessen. Sowohl die Forelle als auch der Goldbrasse waren ausgezeichnet. Und in Malcesine im Stadtzentrum gibt es sogar gezapftes Pilsner Urquell. Und das bis spät in die Nacht.

Vielleicht ist doch nicht alles Goethes Schuld.

Sirmione Burg, Hafen

Formularbeginn

Gardasee I

Jahrelang habe ich mir den Kopf darüber zerbrochen, warum die Österreicher und die Deutschen eine unglaubliche Affinität zum Gardasee, auf Italienisch Lago di Garda, haben. Alle fahren dorthin, manche sogar jedes Jahr, und erzählen davon, als wäre es ein unglaubliches Erlebnis. Da ich den Grund für ihr Verhalten lange nicht verstanden habe, machte ich mich heuer endlich auf, um dieses Rätsel zu lösen.

Und ich habe es herausgefunden. Alles ist Goethes Schuld! Johann Wolfgang machte sich 1786 von Karlsbad aus (woher auch sonst, in Karlsbad war er praktisch immer) auf seine italienische Reise. Während dieser Reise sollte er endlich die Erfüllung seiner erotischen Fantasien finden, sich neu zu definieren und einen neuen Abschnitt seiner Schriftstellerkarriere zu beginnen. Bis dahin hatte er eine erfolgreiche Karriere als Beamter in Weimar hinter sich, sieben Jahre einer platonischen Beziehung zu einer Hofdame, bei der er keine Chance auf echte körperliche Liebe hatte (sein Roman “Die Leiden des jungen Werthers”, inspiriert von dieser Beziehung, machte ihn jedoch zu einem schriftstellerischen Star seiner Generation).

Aus für mich unverständlichen Gründen bog er von der üblichen Route von Trient nach Verona nach Westen ab und erreichte im September 1786 das Städtchen Riva am Nordufer des Gardasees. Er war von der Schönheit der lokalen Natur so begeistert, dass er in sein Tagebuch schrieb, wie sehr er bedauere, dass seine deutschen Freunde dieses unglaubliche Erlebnis nicht mit ihm teilen konnten. Von Riva aus ging er nach Torbole. Am 13. September wollte er dann mit einem Boot nach Verona weiterfahren, aber der ungünstige Wind trieb ihn nach Malcesine, wo er zuerst als möglicher Spion des österreichischen Kaisers Joseph II. festgehalten wurde (die Region gehörte damals zur Republik Venedig, die gerade noch zehn Jahre existieren sollte und deren Beziehungen zum Kaiserreich traditionell angespannt waren). Dank seiner Redegewandtheit konnte Goethe jedoch schnell alle Verdächtigungen zerstreuen und sogar eine Freundschaft mit dem örtlichen Bürgermeister schließen (der zuvor in Frankfurt am Main studiert hatte). In Torbole gibt es übrigens eine Gedenktafel, die auf den Besuch von Kaiserin Maria Theresia und ihrem Sohn Joseph erinnert. Der nördliche Teil des Sees gehörte zur Provinz Trient und damit zu Südtirol, der südliche Teil zu Venedig. Die Grenze ist auch heute immer noch gut nachvollziehbar, es ist der längste Tunnel an der Ostküste. Die Straße um den See herum wurde erst von Mussolini gebaut, bis in die 1930er Jahre gab es die Verbindung zwischen dem nördlichen und dem südlichen Teil des Sees ausschließlich auf dem Wasserweg.

Die Büste von Goethe in Malcesine


Goethe beschrieb seine Erlebnisse in der Region Gardasee in seinem Tagebuch und veröffentlichte sie später nach seiner Rückkehr nach Deutschland im Jahr 1788. Seitdem strömen die Massen von Deutschen und in der Folge auch von Österreichern zu dieser zauberhaften Naturszenerie, von der einst der König aller deutschen Dichter so suggestiv sprach. Die Italiener haben schnell den wirtschaftlichen Nutzen dieser germanischen Begeisterung erkannt und eine entsprechende Infrastruktur ausgebaut. Übrigens haben sie Johann Wolfgang seine Verdienste nie vergessen. In Riva di Garda ist ihm ein Brunnen auf dem Platz vor dem Schloss gewidmet, in Torbole gibt es eine Gedenktafel am Haus, in dem er wohnte, und in Malcesine ist ihm im örtlichen Schloss sogar ein ganzer Saal gewidmet, der seine Reise durch Italien dokumentiert.

In einem Punkt hatte der “poeta mirabilis” allerdings recht. Der Lago di Garda oder Benaco, wie der See zu Goethes Zeiten genannt wurde, ist wunderschön. Es ist der größte See in Italien mit einem Volumen von 49 Milliarden Kubikmetern Wasser (ganz Italien verbraucht jährlich acht Milliarden). Natürlich ist er ein Überbleibsel aus der Eiszeit, als ein Gletscher aus den Alpen eine Moräne bildete und dahinter den See entstehen ließ. Und das auf einer überdimensionalen und beeindruckenden Weise.

Die Entfernung vom südlichen Ende des Sees in Sirmione bis zum nördlichen Ende in Riva beträgt etwa sechzig Kilometer und die Fahrt auf dem Festland dauert anderthalb Stunden. Oder länger, wenn Sie einen oder mehrere Stopps einlegen möchten – Anreize dazu gibt es mehr als genug.

Beginnen wir im Norden, dort gibt es das bereits erwähnte Riva di Garda. Ein zauberhaftes Städtchen mit einer Festung namens „Rocca“, die einst von den Herrschern von Verona aus dem Geschlecht Della Scala erbaut wurde, daher der Name „Rocca Scaligera“.

Angeblich ließen die Herrscher von Verona die Festung bereits im Jahr 1124 bauen, allerdings noch im Jahr 1393 wurde sie als “castrum novum” bezeichnet, also haben sie sich möglicherweise viel Zeit gelassen. Später diente die Burg als Sommerresidenz der Bischöfe von Trient, die ihren Sitz im Renaissancestil umbauen ließen. Die Festung und das Städtchen erlebten ihre größte Blütezeit unter dem Fürstbischof Cristoforo Mandruzza, der vor seinen aufgebrachten Untertanen aus Trient fliehen musste und Riva 1568 zu seiner Residenzstadt machte. Hier lud er Politiker und Gelehrte ein, und das Städtchen konnte sich zumindest für kurze Zeit als Nabel der Welt fühlen. Später befanden sich hier Kasernen der österreichischen Armee, denn Riva war der südlichste Militärposten des österreichischen Kaiserreichs – woran das Datum 1852 mit dem Namen Franz Josephs an der Fassade der Festung erinnert. In dem Gebäude, einer klassischen Wasserburg, gibt es ein Museum mit archäologischen Ausgrabungen und der Geschichte der Stadt im Ersten Weltkrieg, als sie an vorderster Front war und auch im Zweiten Weltkrieg. Die Stadt schaffte es, sich dank örtlicher Partisanen am Ende April 1944 von den Deutschen selbst zu befreien, so dass die 10. Gebirgsdivision der Amerikaner hier ohne Widerstand vorrücken konnte. Nicht so im nahegelegenen Torbole, wo es zu einem intensiven Zusammenstoß mit zurückweichenden deutschen Panzern kam. Die Stadt hat noch das erhaltene „Heilige Michael-Tor“ und die große einschiffige barocke Kirche „Inviolata“ aus dem Jahr 1603. Man kann mit einem Aufzug zum „Bastione“ fahren.

Es ist eine kleine Festung oberhalb der Stadt, die im Jahr 1703 von den Franzosen während des spanischen Erbfolgekriegs zerstört wurde – also in einem Krieg, der die Einheimischen eigentlich überhaupt nicht interessieren sollte. Von dort hat man einen herrlichen Blick auf das Städtchen aus der Vogelperspektive, also lohnen sich die paar Euro für den „Funiculare“, mit dem man hinauffahren kann. Übrigens gibt es auch einen Weg für die Sparsamen, um zu Fuß hochzusteigen.

Riva

Riva ist wunderschön in die hohen Felsen eingebaut, und der Anblick von den engen Gassen aus nach oben raubt einem den Atem, besonders bei der Vorstellung, dass dort ein Felsen abbrechen könnte. Was angesichts der aktuellen Klimaveränderungen nicht ungewöhnlich wäre. Es scheint jedoch nicht, als würde dies die Italiener auf irgendeine Weise beunruhigen. Sie lassen sich sowieso nicht leicht beunruhigen. Und die Tradition steht über allem. Schon im Mittelalter wurden die Einwohner der Stadt von den örtlichen Bürgermeistern unter dem Bogengang des Gebäudes gerichtet, wo sich heute immer noch das Rathaus befindet.

Übrigens befindet sich am Ufer des Sees in der Nähe des Hafens und des Aufzugs zum Bastione das örtliche Kraftwerk. Wasser wird über Röhre von den hohen Felsen zugeführt, die direkt über dem Kraftwerk aufragen. Es handelt sich also um einen umweltfreundlichen Strom. Man muss nur hoffen, dass sich eines dieser Felsstücke nicht anders besinnt und durch seinen Absturz einen Stromausfall für Riva verursacht.

Der Brunnen in der Mitte der Stadt erinnert an Goethes Besuch, genauso wie die Ausstellung im „Rocca“. Dort sind alle Berühmtheiten aufgeführt, die die Stadt jemals besucht haben, idealerweise mit Zitaten, in denen sie Riva gelobt haben. Es ist praktischerweise nichts anderes als Lob überliefert.

Wenn Riva auf seinen historischen Charme setzt, ist das nahegelegene Torbole, durch einen Felsen von Riva getrennt, eine typische Badeortstadt mit Kieselstränden und einer großen Surfschule.

Die Bergwinde sind ideal zum Surfen, und Torbole hat das ausgenutzt. Selbst hier war eine österreichische Garnison, und zwar im „Beuz-Haus“, wo sich heute ein sehr gutes italienisches Restaurant befindet.

Richtung Süden am östlichen Ufer gelangt man nach Malcesine. Die Hauptattraktion in dieser Stadt ist die „Funiculare“, also die Seilbahn, die Touristen auf den „Monte Baldo“ bringt. Der „Monte Baldo“ ist nicht nur ein Aussichtsberg, sondern auch sehr reich an Natur. Da dieser Berg nie ganz vereist war, vermischen sich hier die mitteleuropäische Vegetation mit der mediterranen Flora. Die Seilbahn bringt Sie auf eine Höhe von 1790 Metern, und von dort aus können Sie in alle Richtungen wandern. Am attraktivsten ist wahrscheinlich der Spaziergang entlang des Gratwegs Richtung Süden zum „Monte Telegrapho“ mit einer Höhe von 2215 Metern über dem Meeresspiegel. Angeblich bietet sich von dort oben ein wunderschöner Blick auf den ganzen See. Natürlich nur, wenn es Mitte Mai nicht schneit und die Berge nicht in dichten Wolken versinken, wie es uns passiert ist. Der Hauptgrund für unseren Aufenthalt in dieser malerischen Stadt wurde also durch das Wetter zunichte gemacht. Es schien mir jedoch, dass meine Frau das nicht allzu viel bedauerte. Es ist aber nicht aller Tage Abend, sie sollte sich nicht zu früh freuen.  Der Gardasee ist für einen nächsten Besuch nicht unerreichbar weit.

Malcesine hat auch eine Burg, die von den Della Scala errichtet wurde, die sogenannte „Scaligerburg“.

Neben dem Saal, den Goethebesuch beschreibt und der seine Reise durch Italien inklusiv seiner erotischen Erlebnisse dokumentiert, gibt es hier ein Naturmuseum mit Exponaten zur Fauna und Flora des Gardasees sowie ein Saal, wo eine unglaubliche militärische Operation aus dem mittelalterlichen Italien beschrieben wird. In der ersten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts kämpften Venedig und Mailand um die Vorherrschaft in Norditalien. Venedig wurde von dem berühmten Condottiere Gattamelata geführt (seine Statue von Donatello kann man vor der Kirche des Heiligen Antonius in Padua bewundern), die Mailänder Armee von dem ebenso berühmten Feldherrn Piccinino. Den Mailändern gelang es 1438, Brescia zu erobern, und damit erreichten sie die Kontrolle über den Gardasee. Gattamelata hatte eine Idee, von der er auch den venezianischen Stadtrat überzeugen konnte. Er wollte die Mailänder, die ihre Flotte in Desenzano am südlichen Ende des Sees hatten, mit einem gewagten Trick überraschen. Es wollte die venezianische Flotte stromaufwärts des Flusses Adige transportieren und dann die Schiffe über den Bergpass von Mori bis nach Riva am Land ziehen, Es handelte sich um eine ziemlich große Flotte mit 2 großen Fregatten, 6 Galeeren und 25 kleineren Schiffen. Diese ganze Aktion ging als „Galeas per montes“ in die Geschichte ein. Der Feldzug dauerte ein halbes Jahr bis Mai 1439 (also war Sultan Mehmed doch nicht der erste in der Geschichte mit einem ähnlichen Trick seine Flotte in der Bucht des Goldenen Horns während der Belagerung von Konstantinopel im Jahr 1452 zu positionieren). Gattamelata schaffte es zwar, die venezianische Flotte zum See zu bringen, die Mailänder ließen sich jedoch nicht überraschen und zerstörten die Schiffe bereits beim Auslaufen auf den See.


Malcesine, das sind schmale Gassen am Ufer des Sees. Man kann bis unterhalb der Burg hinabsteigen, zur Bucht, wo die Frauen von der Burg früher Wäsche waschen gingen. Diese Bucht diente auch dem örtlichen Verwalter als ein Nothafen für den Fall der Flucht, wenn es im Falle einer kriegerischen Auseinandersetzung wirklich schlimm würde. Das war allerdings nie der Fall. Der riesige Palast des venezianischen Verwalters, in dem einst Goethe verhört wurde, liegt direkt am Ufer des Sees mit einem Garten und einem eigenen Hafen.

Über seine Geschichte zeugt ein großes Fresko mit dem venezianischen Löwen an der Decke des Korridors, der die Straße mit dem Garten und dem See verbindet. Ein Stück weiter ist dann der moderne Hafen geschmückt mit zeitgenössischen Skulpturen.

Zwischen den Dörfern am Ufer kann man auch mit dem Boot reisen (in jeder größeren Ortschaft gibt es einen Hafen), aber die Reisezeiten sind ziemlich lang – von Malcesine nach Sirmione würde die Bootsfahrt drei Stunden dauern, also haben wir lieber das Auto gewählt.

Südlich von Malcesine liegt Garda, nach dem der See seinen Namen bekam, mit großen Wochenmärkten (die Stände sind samstags und sonntags geöffnet) und weiter südlich Lazise mit einer großen, aber für die Öffentlichkeit unzugänglichen Burg und gut erhaltenen mittelalterlichen Stadtmauern.

Lazise

Überall gibt es Wein, Geschäfte, Weinberge und Weingüter.

Also nehmen wir hier eine kurze Rast. Den westlichen Teil des Sees schauen wir uns in zwei Wochen an.

Lago Maggiore

Ich gestehe, dass ich mit einigen Heiligen ein Problem habe. Ihre Heiligsprechung riecht zu sehr nach Politik, und wenn sogar ein Verwandter des Heiligen die Heiligsprechung durchsetzte, stellt sich die Frage, ob diese Person wirklich ihre Heiligkeit verdient hat. Das ist für mich der Fall bei Karl Borromäus, der im Jahr 1610 von Papst Paul V., auf Drängen des Erzbischofs von Mailand und Karls Cousin Federico Borromeo heiliggesprochen wurde. Wenn dann Papst Pius X. das dreihundertste Jubiläum seiner Heiligsprechung mit Worten feierte, in denen er die Reformation als Rebellion und Perversion des Glaubens bezeichnete, bekommt die ganze Geschichte in der heutigen Welt, die nach ökumenischer Einheit strebt, einen etwas bitteren Geschmack.

Karl Borromäus lebte von 1538 bis 1584. Er begann seine Karriere als Administrator des Trienter Konzils in den Jahren 1562–1563, als dieses Konzil Dogmen verabschiedete, die die Spaltung der Kirche endgültig besiegelten. Ab 1560 war er Erzbischof von Mailand und sorgte sorgfältig dafür, dass jeder Hauch von Protestantismus aus seiner Diözese ausgelöscht wurde. Er zögerte nicht, Hilfe zu leisten, als italienische Protestanten in das Misox-Tal in der Schweiz flohen und die einheimischen Katholiken um Hilfe baten. Karl hatte eine Methode, wie man mit Ketzer umgeht – sie wurden einfach der Hexerei beschuldigt. Die Ergebnisse ließen nicht auf sich warten. Elf von ihnen wurden verbrannt, die anderen kehrten nach grausamer Folter in den Schoß der katholischen Kirche zurück.

Es gibt natürlich auch Positives über Karl zu berichten. Er förderte Bildung, gründete in Pavia ein Internat für arme Studenten. Er kümmerte sich um Pestkranken und lebte so asketisch.  dass er im Alter von 46 Jahren starb. Dennoch hege ich ernsthafte Zweifel, ob er seine Heiligsprechung mit seinen Taten wirklich verdient hat.


          Aber gut, er ist ein Heiliger, und wenn man ihn besuchen möchte, muss man  sich zum Lago Maggiore begeben. Dort in der Stadt Arona, wo er geboren wurde, bereits im Jahr 1618, wurde für ihn eine riesige Statue aus Kupfer errichtet (28 Meter hoch – mit Sockel sogar 35 Meter), in die man bis in seinen Kopf hinaufsteigen kann. Ich habe es gemacht, obwohl es ziemlich anstrengend war, aber ich war neugierig, was in seinem Kopf ist. Ich fand, was ich erwartet hatte, da war nichts drin.

Dennoch bereue ich es nicht, es war eine ziemlich interessante Erfahrung. Gleich neben der Statue befindet sich eine Wallfahrtskirche mit einer Nachbildung seines Geburtszimmers (Es wird behauptet, dass er genau an diesem Ort geboren wurde, aber was hätte die edle Medici-Frau kurz vor der Geburt auf diesem Hügel gemacht? Sie hat sicherlich im Schloss in der Stadt entbunden, das Napoleon im Jahr 1800 dem Erdboden gleichgemacht hat). Der ganze Hügel oberhalb der Stadt Arona heißt Sacro Monte, von dort aus hat man einen herrlichen Blick auf den südlichen Teil des Sees sowie auf die Burg Angera, die seit 1449 ebenfalls im Besitz der Borromeo-Familie ist.

Diese Familie spielte in der Geschichte dieser Region eine bedeutende Rolle. Von 1445 bis 1797 hatten sie hier einen eigenen Staat, der keiner Jurisdiktion unterlag. Obwohl die Borromeos “nur Grafen” waren, wurden sie wiederholt zu Markgrafen ernannt oder bekleideten Ämter von Vizekönigen und vor allem – sie waren unglaublich reich.

Ihre Karriere begann wenig glanzvoll. Um das Jahr 1370 mussten sie aus San Miniato in der Toskana fliehen, als einer von ihnen, Filippo Boromei, sogar hingerichtet wurde. Seine Söhne Filippo, Borromeo und Giovanni flohen nach Mailand und gründeten hier eine Bank. Filippo Boromei hatte dann sehr viel Glück bei der Wahl seiner Lebenspartnerin. Er heiratete Taddea di Tenda, die Schwester der Gattin des Herzogs Filippo Maria Visconti, und konnte sich dank seines Geldes sogar mit seinem mächtigen Schwager sehr gut anfreunden. Sein Sohn Filippo heiratete sogar direkt in die Familie Visconti ein, als er 1438 Francesca Visconti zur Frau nahm. Dem rapiden Aufstieg der Familie stand also nichts im Wege, insbesondere, als sie nach dem Aussterben der Visconti auf die richtige Karte setzten. Denn sie finanzierten den Nachfolger der Visconti, Francesco Sforza, als er das unnachgiebige Mailand belagerte, das von einer Wiederherstellung der Republik träumte. Die Borromeos erwarben weitere große Ländereien in der Nähe des Lago Maggiore und machten sich dort unabhängig. Die Sforzas tolerierten diese Tatsache und nach ihnen auch die nachfolgenden Herrscher von Mailand. Sowohl die Franzosen als auch die Habsburger akzeptierten ihre Unabhängigkeit. Die Borromeos hatten sich in der Zwischenzeit mit fast allen bedeutenden Familien Europas verschwägert, sodass niemand das Risiko einging, sich mit ihnen anzulegen. Der Lago Maggiore und das Land um diesen See gehörten einfach ihnen, und niemand stellte das in Frage.

Und genau dort entstand etwas Erstaunliches, für das es sich lohnt, so weit nach Westitalien zu reisen.

Im Jahr 1501 kauften die Borromeos die erste der Inseln im See, die „Isola Madre“, und danach noch zwei weitere Inselchen, die heute „Isola Superiore dei Pescatori“ und „Isola Bella“ heißen. Damals war die letzte allerdings noch nicht schön wie heute und hieß „Isola Inferiore“, sollte aber schön werden. So schön, dass einem der Atem stockt. Der Bau des Palastes und des unglaublichen Gartens begann unter Carlo III. Borromeo. Es gelang ihm, zwei kleine Klöster von dort auf die nahegelegene Insel „Isola Superiore dei Pescatori“ zu verlegen, und die „Isola Inferiore“ benannte er nach seiner Frau in Isabella um. Von da an war es nur noch ein kleiner Schritt zum heutigen Namen, der die Schönheit der Insel viel besser widerspiegelt (obwohl man sagt, auch Isabela sei außergewöhnlich schön gewesen). Aus Isabella wurde „Isola Bella“. Was aus dem Felsbrocken im See entstand, ist nämlich atemberaubend.


          Der Bau des Palastes und des Gartens dauerte bis 1959, also fast dreihundert Jahre, aber die Borromeos waren beharrlich. Obwohl ihnen immer wieder das Geld ausging, gaben sie das Projekt nie auf. Sie waren zwar nur Grafen, aber sie verkehrten in der höchsten Gesellschaft von Päpsten, Kardinälen, Herzögen und Königen und wollten ihre Gäste aus dieser Gesellschaft beeindrucken, daher wurden die Kosten nicht gescheut. Das Erdgeschoss, das sie in Form von einer Höhle bauen ließen (eigentlich sechs Höhlen), wurde neunzig Jahre lang errichtet und kostete unglaubliche Geldsummen. Die gesamte Insel hat die Form eines Schiffes, wobei der Palast den Kapitänsposten darstellt und der Park den Bug des Schiffes. Der Palast wirkt von außen zwar recht schlicht im manieristischen Stil, aber die Innenausstattung ist umso prächtiger. Übrigens verbringt die Familie Borromeo im Palast immer noch den Sommer, sie bewohnt jedoch nur das obere zweite Stockwerk des Palastes und lässt den Rest für Touristen offen. Die Einnahmen aus dem Tourismus spielen wahrscheinlich eine wichtige Rolle bei der kostspieligen Erhaltung der Schönheit der Insel.

Bereits die Eingangstreppe des Palastes ist monumental, und dann geht es von Raum zu Raum, alles blendend. Ob es sich um Gemälden in vergoldeten Rahmen in der nach dem französischen General Barthier benannten Galerie handelt, den Thronsaal mit einem Thron, der nicht nur für einen Grafen, sondern auch für einen König angemessen wäre, das Schlafzimmer mit Himmelbett oder den Musiksalon mit einem vergoldeten Cembalo.

Dieser “Sala della Musica” ist auch historisch bedeutsam. Vom 11. bis 14. April 1935 trafen sich hier Vertreter der “Siegermächte”, um das Problem zu besprechen, nämlich die Entscheidung Hitlers über die Einführung der Wehrpflicht in Deutschland, womit er die Vereinbarungen des Versailler Vertrags nach dem Ersten Weltkrieg verletzt hatte. Der Gastgeber war Mussolini, denn zum einen betrachtete er sich auch als einer der Vertreter der “Siegermächte”, schließlich errichtete er in seinem Land viele Siegesdenkmäler, und zum anderen war er damals noch nicht so eng mit Adolf befreundet. Das änderte sich erst nach dem Münchner Abkommen im September 1938 und vor allem nach 1939, als er mit Hitler einen “Deal” über Südtirol abschloss. 1935 empfing er auf „Isola Bella“ Vertreter Großbritanniens und Frankreichs. Das abgesegnete Dokument hängt an der Wand des Musiksalons. Wie es ausging, wissen wir. Das zahnlose Memorandum schreckte Hitler nicht ab, im nächsten Jahr in das demilitarisierte Rheinland einzumarschieren, und alles steuerte auf einen Weltkonflikt zu. Der größte Saal im Palast ist der “Salone” Er ist der Hauptsaal, der erst 1959 fertiggestellt wurde und sich über alle drei Stockwerke des Palastes erstreckt Es gibt aber auch den großen „Saal der Medaillen“, in dem größere Gesellschaften speisten, und natürlich darf auch der große Ballsaal nicht fehlen. Er ist ganz aus mit Spiegeln bedecktem Marmor gemacht.

Einer der Säle trägt den Namen des französischen Kaisers Napoleon, als Erinnerung an den Besuch dieses prominenten Gastes auf der Insel im Jahr 1797. Es war während seines ersten italienischen Feldzugs, bei dem er die Österreicher aus Italien vertrieb, die Republik Venedig auflöste und seinen Triumph mit dem Frieden von Campoformio im Palast des letzten Dogen von Venedig, Vernier beendete. Napoleon kam mit seiner Frau Josephine auf die Insel. Ihr verdankte er viel, insbesondere das Kommando über die französische Armee in Italien. Premierminister Barras drückte dadurch seine Dankbarkeit dafür aus, dass Napoleon ihn von seiner schwierigen Geliebten befreit hatte. Napoleon und Josephine übernachteten in einem Saal, der heute noch ihren Namen trägt, in einem Himmelbett, das immer noch dort steht. Allerdings waren die Erinnerungen an den Besuch des kleinen Korsen nicht gerade die besten. Der Verwalter des Schlosses ließ verlauten, dass er noch nie eine so schreckliche Gesellschaft erlebt habe, die um Essen und Plätze am Tisch beinahe gekämpft habe (Napoleon kam mit sechzig Begleitern, aber im großen Speisesaal, dem Medaillensaal, gab es nur Platz für dreißig). Napoleon hinterließ das Zimmer, in dem er die Nacht verbracht hatte, voller Müll, Unordnung und Schmutz, sodass der Verwalter froh war, dass der problematische Gast nur zwei Tage geblieben war, da er sonst den Palast in eine Kaserne verwandelt hätte. Die Erinnerungen an den Besuch waren offensichtlich sehr frustrierend, denn als Napoleon im Jahr 1805, kurz nach seiner Krönung zum Kaiser, erneut seinen Besuch ankündigte, schrieb Graf Gibero Borromeo, dass er gehört habe, dass der Kaiser und die Kaiserin Bedenken wegen des feuchten Klimas auf der Insel hätten. In seinen Anweisungen fügte er hinzu: “Obwohl diese Information nicht auf Wahrheit beruht, sollte sie unterstützt werden, und das kaiserliche Paar sollte in seinem Glauben an das ungesunde Klima der Insel belassen werden.”

Selbst diese durchdachte Taktik half jedoch nicht, denn Napoleon und Josephine erschienen im Juni 1805 auf der Insel, und ein Jahr später kam sogar Josephines Sohn Eugenio Bernharnais mit seiner Frau. Nach diesem Besuch verschwanden einige wertvolle Leuchter und flämische Wandteppiche, sodass die Besuche der französischen Kaiserfamilie den Gastgebern eher Sorgen als Freude bereiteten. Immerhin war das ein lebenslanges Problem Napoleons. Da er aus sehr bescheidenen Verhältnissen stammte, hatte er nie gelernt, sich anständig zu benehmen, und echte Aristokraten wie der russische Zar Alexander oder Napoleons Außenminister Talleyrand, verachteten ihn deshalb zutiefst. Dies ist ein Problem, mit dem heutzutage zum Beispiel auch russische Oligarchen zu kämpfen haben.

Obwohl einige wertvolle Wandteppiche mit Eugenio Bernharnais aus dem Palast verschwanden, gibt es immer noch genug von ihnen, die im letzten Saal des Palastes ausgestellt sind. Sie sind sechs mal vier Meter groß und zeigen verschiedene Motive aus dem Tierleben, hauptsächlich werden hier Löwen dargestellt.

Von diesem Saal aus gelangt man in den Garten.

Dieser ist vom Palast durch eine von hohen Bäumen gebildete Wand getrennt, sodass man den Palast vom Garten aus nicht sehen kann. Dadurch stört den Besucher nichts, um die Schönheit dieses Gartens wirklich zu genießen. Der Garten erstreckt sich über fünf Terrassen bis zur Aussichtsplattform auf dem Gipfel. Die Terrassen sind mit duftenden Rosen bedeckt, unten blühen Azaleen und Rhododendren, aber auch Zitronenbäume, Orangenbäume, Lotusblumen und andere duftende Pflanzen. Alles wird durch antike Motive wie das Atrium der Göttin Diana oder Herkules ergänzt. Das alles ist in Form eines französischen Barockgartens gepflegt, also eine künstliche Schönheit, aber dennoch eine atemberaubende.

Man muss es mit allen Sinnen erleben, und egal, ob man fotografiert, filmt oder auf andere Weise versucht, diese Eindrücke für die Ewigkeit festzuhalten, es gelingt einfach nicht. Das Gedächtnis ist das einzige, wo man die Eindrücke speichern kann.

Die zweite Insel, die „Isola Madre“ ist ebenso erstaunlich.

Verschiedene orientalische Bäume wie Eukalyptus, Zypressen, Palmen, die unter dem Palast eine gesamte Kolonnade bilden, Kamelien, Zitronenbäume und sogar Bananen (offensichtlich friert es hier im Winter trotz der Nähe der Alpen nicht, sonst würden es Bananen nicht überstehen). Die größte Kuriosität ist ein ganzes Beet verschiedener Blumenarten aus der Protea-Familie, von denen die berühmteste die wunderschöne Protea cynaroides ist, die 1967 zur Nationalblume der Republik Südafrika erklärt wurde.

Darüber hinaus werden hier viele unbekannte, aber äußerst farbenfrohe und daher schöne Vögel gezüchtet. Die imposanteste Pflanze ist wahrscheinlich ein riesiger Kaschmirzypresse, die ein Sturm im Jahr 2006 mit Wurzeln ausgerissen hat. Der Baum konnte wieder an seinen ursprünglichen Standort gepflanzt und dadurch gerettet werden. Heute wächst er weiter, sicherheitshalber ist er mit Stahlseilen befestigt, aber offensichtlich geht es ihm nicht schlecht.

Der Palast demonstriert erneut die Nähe der Borromeos zu den mächtigsten Familien Europas; es gibt Porträts und Wappen von Familien, mit denen sie durch Heiraten verwandt waren, und so sind Wappen von Papst Pius IV. Medici (der Onkel des heiligen Karls), Papst Innozenz XI. aus dem Odescalchi-Geschlecht und Karl II., König von Spanien, abgebildet. Und natürlich wird man dort von einer Büste des berühmtesten Mitglieds der Borromeo-Familie, des heiligen Karl, begrüßt. Um sicherzustellen, dass man nicht am Wert der Familie zweifelt, findet man zusätzlich Porträts der Päpste, mit denen die Borromeos verwandt waren (Clemens VII. Medici, Paul III. Farnese, Pius IV. Medici und Innozenz XI. Odescalchi) im Konferenzsaal, der aufgrund seiner Dekoration auch als Papstsaal bekannt ist. Die Säle und Schlafzimmer sind mit Barockmöbeln eingerichtet, der runde venezianische Saal ist bereits im Rokoko-Stil gestaltet und mit einem Kronleuchter aus Muranoglas geschmückt. Als Kuriosität gibt es dort auch eine Sammlung von Puppen von Robert und Gisela Pesché, die diese Sammlung den Borromeos geschenkt haben, sowie mehrere Marionettentheater mit Ersatzpuppen in mehreren anderen Räumen. Dieses Marionettentheater wurde in der wunderschönen Kulisse des Gartens auf Isola Madre gespielt, und die erste Aufführung ist im Jahr 1657 dokumentiert. Wenn man also nach Isola Bella gereist ist, um den Palast der Borromeos zu bewundern, dann fährt man nach Isola Madre, um die Natur zu genießen. Gustave Flaubert bezeichnete einmal die Insel als das “sinnlichste” Fleckchen Erde, und daran ist etwas Wahres.

Man kann die Inseln von verschiedenen Orten aus erreichen, da sie sich in einer Bucht im westlichen Ausläufer des Sees befinden. Im Norden ist es Verbania, genauer gesagt ihr Stadtteil Palanza, im Süden ist es entweder Baveno oder vor allem Stresa.

Dieser luxuriöse Kurort bietet riesige Hotels mit Blick auf die Borromäischen Inseln und eine wunderschöne Seepromenade mit Stränden – teilweise privat, teilweise öffentlich. Hier haben auch die Teilnehmer der Mussolini-Konferenz auf Isola Bella gewohnt, weshalb der Vertrag “Fronte di Stresa” (Stresa-Front) genannt wurde.

Wer viel Geld hat, könnte hier wohnen; wir haben auf der preisgünstigeren Nordseite in Verbania gewohnt. Aber auch Verbania hat einiges zu bieten. Es ist nicht nur mit 35.000 Einwohnern die größte Stadt am Seeufer, sondern am Stadtrand gibt es auch einen zauberhaften botanischen Garten – „Villa Taranto“. Die Boote, die Touristen über den See transportieren, legen dort an, zu Fuß ist es eine halbe Stunde vom Hafen in Palanza aus. Am schönsten ist es dort im April, wenn die Tulpen blühen, aber wer nach dem Besuch der Inseln noch ein bisschen Energie für botanische Gärten übrig hat, sollte auf jeden Fall noch dorthin gehen. Ihre Augen und Ihre Nase werden wieder auf ihre Kosten kommen.

Como

Die Stadt Como trat in die europäische Geschichte etwas unfreiwillig und unglücklich ein. Am Ende des 11. und zu Beginn des 12. Jahrhunderts, während der Herrschaft der letzten Herrscher der salischen Dynastie, verringerte sich in Italien die Macht der römischen Kaiser, die in Deutschland jenseits der Alpen residierten und Italien nur sehr sporadisch, wenn überhaupt besuchten. Die einzelnen italienischen Stadtgemeinden wurden unabhängiger und nahmen den entfernten Kaiser zwar zur Kenntnis, sie waren aber nicht gewillt, sich ihm zu unterwerfen. Allerdings begannen sie dann untereinander zu kämpfen. Es ging um die Macht und um das liebe Geld. Das wohlhabende Como wurde schließlich zur Beute des mächtigeren Mailands. Die Mailänder eroberten Como im Jahr 1127, zerstörten seine Mauern und alle Häuser außer den Kirchen.

Die Bürger von Como wollten das nicht einfach hinnehmen und beschwerten sich beim Kaiser. Sie hatten Glück, dass Friedrich Barbarossa seit 1152 Kaiser war. Er war ein ehrgeiziger und fähiger Politiker und die italienischen Angelegenheiten ließen ihn nicht kalt. Er entschied zugunsten der Bürger von Como und schickte eine Botschaft nach Mailand, die den Mailändern befahl, sich aus Como zurückzuziehen und die entstandenen Schäden zu erstatten. Doch Mailand wurde überheblich und demütigte die Boten des Kaisers so sehr, dass dem Kaiser nichts anderes übrigblieb, als – ob er es wollte oder nicht – nach Italien zu ziehen, um mit militärischer Macht seine kaiserliche Reputation wiederherzustellen. Dies sollte ihn den Rest seines Lebens beschäftigen, bis hin zur demütigenden Niederlage bei Legnano im Jahr 1176. Mailand wurde von dem Kaiser jedoch diesmal im Jahr 1158 erobert (auch mit Hilfe tschechischer Soldaten, die angeblich Teigfiguren von Kindern vor den Mauern brieten, um den Stadteinwohner von Mailand die Angst einzujagen und sich damit den Ruf der Kannibalen verdienten). Für diese Hilfe wurde der tschechische Fürst Vladislav zum König, und die Herren von Kunštát erhielten ein halbes Pferd in ihrem Wappen, da das andere angeblich von dem Gitter des Stadttores abgetrennt wurde – wohl bemerkt, es geschah auf der Flucht aus der Stadt, also wurde der Hinterteil des Pferdes abgetrennt). Der Kaiser zerstörte nach dem Sieg die Mauern von Mailand und Como durfte seine Mauern wieder errichten. Seitdem sind sie nahezu vollständig erhalten geblieben und durchziehen die städtische Bebauung. Manchmal überrascht den Besucher einer ihre Türme an Stellen, wo man es nicht erwarten würde, sogar in der unmittelbaren Nähe vom städtischen Bahnhof.

Como liegt am westlichen der beiden südlichen Zipfel des Comer Sees. Übrigens ist es der See, wo George Clooney seinen Wohnsitz hat, er liegt etwas nördlich der Stadt am westlichen Ufer im Dorf Laglio. Da der See nur einen Abfluss hat, und zwar am östlichen Ende in der Stadt Lecco, wurde Como häufig von Frühlingsfluten heimgesucht. Heutzutage gibt es hier Abflusskanäle, die das überschüssige Wasser abführen. Die Stadt war schon in der Römerzeit wichtig und ist stolz darauf. An einem Denkmal an der Wand eines Hauses findet man Auszüge aus dem Werk des Schriftstellers Strabon, der die Stadt in seinem Werk “Geographie” beschrieben hat, und an der Fassade des Doms sind sogar zwei Darstellungen von Plinius Caecilius Secundus zu sehen. Dieser bekannte römische Senator wurde im Jahr 61 nach Christus in “Novum Comum”, wie Como damals genannt wurde, geboren. Er wurde durch seine Beschreibung des verheerenden Ausbruchs des Vesuvs im Jahr 79 berühmt, der die Städte Pompeji und Herculaneum zerstörte und den der damals noch junge Plinius persönlich miterlebte – und überlebte.

Como wurde später vor allem durch seine Seidenproduktion berühmt. Die Maulbeerbäume verschwanden zwar zu Beginn des 20. Jahrhunderts aufgrund von Krankheiten und der industriellen Revolution, aber die Seidenverarbeitung findet hier immer noch statt und man kann hier Seidenprodukte – als Souvenir – immer noch günstig kaufen.

Der wichtigste und von Touristen meistbesuchte Teil der Stadt ist natürlich die Seepromenade. Hier befinden sich auch die luxuriösen Hotels „Metropole Suisse“ und „Barchetta Excelsior“. Hier gibt es einen schönen großen Park, der Mafalda von Savoyen gewidmet ist.

Diese savoyische Prinzessin, die Schwester von König Viktor Emanuel III. von Italien, wurde 1902 geboren. Ihre Schönheit erbte sie von ihrer Mutter, die eine von vielen Töchtern von König Nikola I. von Montenegro war. (Über Nikola, der als den Schwiegervater Europas galt, habe ich in meinem Artikel über Montenegro geschrieben). Mafalda heiratete 1925 den hessischen Prinzen Philipp und hatte mit ihm vier Kinder. Prinz Philipp war ein wichtiger Vermittler zwischen Mussolini und Hitler. Nach dem Sturz Mussolinis im Jahr 1943, als Italien auf die Seite der Alliierten wechselte und Deutschland den Krieg erklärte, schickte Hitler acht Divisionen nach Italien. König Viktor Emanuel III. und seine Familie retteten sich durch die Flucht ins Exil. Hitler wollte sich jedoch rächen. Er verdächtigte Philipp von Hessen, an Mussolinis Sturz beteiligt gewesen zu sein. Deshalb ließ er seine Frau, die sich gerade bei ihrer Schwester Zariza Johanna in Bulgarien, aufhielt, da ihr Ehemann, König Boris III. von Bulgarien, gerade verstorben war, in die deutsche Botschaft in Sofia locken. Dort wurde sie verhaftet und nach München und dann ins Konzentrationslager Buchenwald gebracht. Am 24. August 1944 unternahmen die Alliierten einen Luftangriff auf das Konzentrationslager, bei dem Mafalda verschüttet wurde und schwere Verbrennungen erlitt. Es dauerte drei Tage, bis sie operiert werden konnte, wobei ihr ein Arm amputiert wurde. Dennoch starb sie noch am selben Tag an den Folgen der Verletzungen. In Bezug auf ihr Vermächtnis gibt es im Park ein großes Denkmal für den antifaschistischen Widerstand mit Texten und Namen bedeutender Künstler und Schriftsteller, die dem schrecklichen faschistischen Regime zum Opfer fielen – es gibt hier zum Beispiel auch Auszüge aus dem Tagebuch von Anne Frank. Ein Stück entfernt vom Denkmal befindet sich ein Stein, der an Giovanni Palatucci erinnert. Er sollte als Regent der Republik Fiume über 5000 Juden gerettet haben und wurde deshalb 1990 in Israel als “Gerechter unter den Völkern” anerkannt. Im Jahr 1944 wurde er wie auch viele andere italienische Beamte aus Rijeka und Triest von der deutschen Besatzungsverwaltung wegen Hochverrats verhaftet und zum Tode verurteilt. Er starb im Februar 1945 an Typhus in Dachau. Seit 2000, als Palatucci von Johannes Paul II. als “Märtyrer des 20. Jahrhunderts” erklärt wurde, läuft das Verfahren für seine Heiligsprechung.

Im Kontrast zu Mafaldas Park mit modernen Denkmälern des antifaschistischen Widerstands stehen am Ufer des Sees zwei dominante Gebäude aus der Zeit von Mussolinis faschistischer Diktatur. Das erste von ihnen, „Tempio Voltiano“, wurde von Mussolini in den Jahren 1927-1928 zu Ehren des berühmtesten Sohnes der Stadt, Alessandro Volta, erbaut. Volta war der Erfinder der elektrischen Batterie. Er wurde 1745 in Como geboren und starb dort im Jahr 1827

. Im Jahr 1810 wurde er für seine Verdienste in den Adelsstand erhoben und sogar zum Grafen ernannt. In dem Tempel-förmigen Denkmal gibt es eine Ausstellung über sein Leben. Volta ist übrigens in Como auch begraben, sein Grab befindet sich jedoch an einer anderen Stelle, nämlich in einem kleinen Mausoleum auf dem historischen Friedhof „Cimitero Monumentale“.

Wenn man sich mit dem „Tempio“ noch innerlich arrangieren kann, wird man von dem monumentalen Denkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs umso mehr überrascht sein. Dieses Monument wurde von den Architekten Giuseppe und Attilio Terragnil im Zeitraum von 1930-1933 geschaffen.

Offensichtlich hatte Mussolini eine Schwäche für Como. Er verbrachte hier einen großen Teil seiner Kindheit, weil sein Vater hier Lehrer war und der kleine Benito die Grundschule besuchte. Später als “Duce”, besaß er in der Nähe des Sees eine Villa, in der er gerne den Sommer verbrachte. Auch nach seinem politischen Sturz im Jahr 1943, als er als ein Marionetten-Vorsitzender der Regierung der “Republik von Salò” fungierte, empfing er hier Politiker und spielte politische Verhandlungen vor, obwohl alle wichtigen Entscheidungen längst von der deutschen Besatzungsverwaltung getroffen wurden. Paradoxerweise wurde er gerade in Como nach seiner Gefangennahme von Partisanen im April 1945 festgehalten, bevor er hingerichtet wurde. Seine Leiche wurde jedoch nicht auf dem Platz in Como, sondern in dem bedeutenderen Mailand ausgestellt. Der Kreis der Geschichte schloss sich. Da Mussolini Como so sehr liebte, ließ er die Stadt mit einigen Werken faschistischer Architektur bereichern, die den Werken des sozialistischen Realismus ähnlich waren. Wenn man versteht, warum sie dort stehen, erschreckt man vor ihnen etwas weniger.

Als Ausgleich für diese faschistischen Bauwerke ließ die Stadt Como zu Ehren Alessandro Voltas noch ein weiteres Denkmal errichten, das dem polnisch-jüdischen Künstler Daniel Liebeskind anvertraut wurde. Dieses Denkmal namens “The Life Electric” besteht aus Stahl, ist 13,75 Meter hoch, wiegt 29 Tonnen und steht in der Mitte des Sees vor der Uferpromenade von Como. Es ist über eine lange Brücke erreichbar, die den Namen des Physikers Piero Cardiolo trägt. Sowohl Volta als auch Cardiolo arbeiteten im gleichen Bereich. Das Liebeskind-Denkmal wurde im Jahr 2015 enthüllt.

Nicht nur dieses Denkmal, sondern auch der gesamte Park am Ufer und das Denkmal des europäischen Widerstands gegen den Faschismus sollen offensichtlich zeigen, dass sich die Stadt Como von ihrem berühmt-berüchtigten Sohn Benito distanziert.

Auf dem Hauptplatz “Piazza del Duomo” befinden sich sowohl das Rathaus, das im Jahr 1435 etwas angepasst wurde, um Platz für das schönste Gebäude, den Comer Dom Santa Maria Maggiore, zu schaffen. Schon von außen ist es ein beeindruckendes Gebäude, vor allem die unglaublich hohe Marmorfassade mit zahlreichen Skulpturen von verschiedenen Künstlern, wobei die wichtigsten von Tomasso Rodari stammen, sowie auch die hohe achteckige grüne Kuppel. Aber der Innenraum der Kirche raubt dem Besucher einfach den Atem. Es ist regelrecht gigantomanisch,

es handelt sich um eine riesige dreischiffige Kirche, die auch ohne die zwischen den Schiffen hängenden Gobelins beeindruckend wäre. Aber sie hängen dort und verleihen der Kirche noch mehr Erhabenheit und Schönheit. Der Bau begann im Jahr 1395, als Bischof Luchino da Brossano den Architekten Lorenzo Degli Spazzi mit dem Auftrag für den Baubeginn beauftragte. Die Seitenschiffe sind daher noch im spätgotischen Stil. Das Hauptschiff hingegen ist bereits ein Prachtstück der Hochrenaissance. An der Wand des linken Seitenschiffs befindet sich das Porträt eines weiteren berühmten Sohnes der Stadt, Es ist Benedetto Odescalchi, der im Jahr 1611 in Como geboren wurde und es 1676 bis zur Wahl zum Papst Innozenz XI. brachte. Die Kuppel, die eine Höhe von 75 Metern erreicht, ist wesentlich jünger und wurde in den 1730er Jahren im barocken Stil erbaut. Der Dom wurde im Jahr 1774 fertiggestellt, der Bau dauerte also fast vierhundert Jahre. Aber das Ergebnis ist es wert.

Vom Comer Dom möchte man nicht weggehen und eigentlich auch nicht aus Como. Es gibt hier viele Touristen, und für Bootsfahrten auf dem See stehen lange Schlangen. Vielleicht möchten alle sehen, wo der berühmte Nespresso-Mann George wohnt. Wenn Sie hier vorbeikommen, sollten Sie auf jeden Fall in Como anhalten. So wie wir es getan haben.

Bozen – Bolzano

Kann eine so perverse Ideologie wie der Faschismus auch etwas Positives hervorbringen? Bozen ist der Beweis dafür, dass selbst aus Taten, die von eindeutig bösen Absichten geleitet sind, etwas Positives entstehen kann.

Im Jahr 1919 wurde Südtirol durch den Vertrag von Saint Germain Italien zugesprochen und vom Rest des Landes Tirol abgetrennt. Mit der Grenze am Brennerpass haben sich die Österreicher bis heute nicht abgefunden. Zu dieser Zeit lebten in der Provinz Bozen 7000 Italiener, der Rest der Bevölkerung sprach Deutsch. Mussolini entschied sich, dieses Land zu romanisieren. In Bozen erhielten ab sofort nur Italiener Stellen als Beamte und Polizisten (hauptsächlich aus dem armen Süden, wo es keine Arbeitsmöglichkeiten gab), sondern es flossen auch staatliche Investitionen in den Aufbau von Industrie, um italienische Arbeiter anzuziehen. Da diese Investitionen im Gegensatz zu Kampanien oder Kalabrien nicht veruntreut wurden, profitiert die Stadt davon bis heute. Alle Vororte von Bozen sind industrielle Ballungsgebiete (obwohl traditionelle Tiroler Obstgärten und Weinberge bis unmittelbar zu den ersten Hochhäusern am Rand der Stadt reichen) und die Stadt ist auf 100.000 Einwohner angewachsen. Im Jahr 1939 schloss Mussolini dann einen Deal mit Hitler. Die Südtiroler erhielten die Möglichkeit, ins Deutsche Reich umzuziehen. 75 Prozent von ihnen entschieden sich dafür. Hitler brauchte Soldaten für die Armee und Siedler in den neu eroberten Gebieten. Viele junge Männer starben in einem Krieg, der sie eigentlich nicht interessierte, und viele von ihnen kehrten nach dem Krieg zurück. Der Kampf um die Selbstbestimmung der deutschsprachigen Bevölkerung erhielt 1957 einen neuen Impuls, als sich über dreißigtausend Südtiroler auf der Burg Sigmundskron im Vorort von Bozen trafen und Silvio Magnago, ein Aktivist, den Ruf “Weg vom Trident” (der südliche Teil Südtirols um die Stadt Trient ist im Gegensatz zur Bozner Provinz größtenteils italienisch) ausstieß. Der Kampf um die Autonomie dauerte lange an, forderte Tote und langjährige Haftstrafen für “Terroristen”. Schließlich erhielt die Provinz 1992 ihre Autonomie, lebt also seitdem für sich und lebt sehr gut. Zu den letzten Auseinandersetzungen zwischen italienisch- und deutschsprachigen Bürgern kam es im Jahr 2002, als der Stadtrat von Bozen beschloss, den Platz vor Mussolinis triumphalem Denkmal von “Siegesplatz” in “Feiheitplatz“ umzubenennen, was jedoch von der heute bereits größtenteils italienischsprachigen Bevölkerung von Bozen abgelehnt wurde.

Seitdem herrscht Ruhe. Die gemeinsame Proklamation Italiens und Österreichs, dass sie keine strittigen Fragen haben, war übrigens die Bedingung für Österreichs Beitritt zur EU im Jahr 1995. Auch die Tiroler Deutschen haben sich daran gewöhnt, dass auf den Straßen der Stadt hauptsächlich Italienisch gesprochen wird, obwohl die Straßen nach Tiroler Persönlichkeiten mit vorwiegend deutschen Namen benannt sind. Neben der Stadtkathedrale befindet sich ein Denkmal für den Tiroler Nationalhelden Peter Mayr, der am 19. Februar 1810 hingerichtet wurde. Er war einer der engsten Mitstreiter von Andreas Hofer, der dank der Bitten seiner Frau, mit der er fünf Kinder hatte, die Möglichkeit bekam, sein Leben zu retten, indem er lügen würde. Er lehnte es jedoch ab, zu behaupten, dass er nie von dem Erlass über das Waffenverbot gehört habe, und daher blieb den Franzosen nichts anderes übrig, als ihn hinzurichten. Einfach ein echter stolzer Tiroler. Heutzutage sprechen jedoch fast alle Bewohner der Stadt beide Sprachen und leben in Frieden. Beide Volksgruppen können schätzen, dass Südtirol eine der reichsten Provinzen Italiens ist, direkt nach dem Piemont und vor der Lombardei oder Rom.

Der städtische Fortschritt ist offensichtlich. Der Aufbau der Stadt ist noch nicht abgeschlossen, Man kämpft sich bei der Anfahrt in die Stadt durch Baustellen und Industriekomplexe zum Zentrum und ein Foto einer Sehenswürdigkeit zu machen, ohne einen Baukran darauf zu haben, ist eine echte Herausforderung. Dennoch ist das Stadtzentrum ruhig, malerisch und das Parken in der Tiefgarage unter dem Walterplatz ist zwar nicht gerade billig, aber bequem und die Garage ist problemlos erreichbar.

Interessanterweise liegt Bozen nicht am Fluss Etsch (italienisch: Adige), der das Tal vom Brennerpass bis Verona durchquert und auf dem sich über Jahrhunderte deutsche Kaiser zu ihren italienischen Feldzügen begeben mussten. Eine strategische Rolle bei diesen Reisen spielten die lokalen geistlichen Herrscher, die Bischöfe von Brixen und Trient, mit denen der Kaiser sich gutstellen musste, um nach Italien zu reisen (und ebenso mit dem Stadtrat von Verona). Bozen spielte zu dieser Zeit eine untergeordnete Rolle, was auch seine Lage am Zusammenfluss der Flüsse Talfer (italienisch: Talvaro) und Eisack (Isarco) widerspiegelt, die erst einige Kilometer von der Stadt entfernt in die Etsch münden.

Der Waltherplatz ist nach Walther von der Vogelweide benannt, dem Hofdichter von Kaiser Friedrich II., der angeblich in der Nähe von Bozen geboren wurde.

Dieser erste und wohl berühmteste Minnesänger des Mittelalters verfasste seine Verse in Deutsch – genauer gesagt in einem südtirolerischen Dialekt, der der deutschen Sprache entfernt ähnlich war, was zu Beginn des 13. Jahrhunderts etwas noch nie Dagewesenes war. Der Kaiser, der damals bereits den Heiligen Stuhl und damit auch die von der Kirche kontrollierte lateinische Poesie herausforderte, unterstützte Walther und verhalf ihm zum heutigen Ruhm. Seine große Statue steht in der Mitte des Platzes, der seinen Namen trägt.

Am Rand des Platzes steht der Bozner Dom.

Er ist imposant und es lohnt sich, ihn zu besuchen. Hier ist der österreichische Erzherzog Rainer begraben, einer von vielen Söhnen Kaisers Leopold II., ein Bruder von Erzherzog Johann und Kaiser Franz I. Rainer war von 1818 bis 1848 mehrmals Vizekönig des Königreichs Lombardo-Venetien, das auf dem Wiener Kongress geschaffen wurde. Nachdem er in der revolutionären Zeit 1848 von seinem Amt zurückgetreten war, kaufte er den “Palazzo Capofranco” am Waltherplatz. Rainers Sohn Heinrich wurde hier 1889 von Kaiserin Sissi besucht, die einen Ginkgo-Baum in den Hof pflanzte.

Heute ist daraus ein riesiger Baum geworden und natürlich ein Kult – alles, was mit den Habsburgern und damit mit der österreichischen Geschichte der Stadt zu tun hat, hat ein riesiges Potenzial, zum Kult zu werden – und auf Sissi, wie ich bereits in meinem Artikel über Meran erwähnt habe, werden Sie überall in Südtirol stoßen.

In der Kathedrale gibt es mehrere Selige (keine Heiligen) wie Heinrich von Bozen, der im frühen 14. Jahrhundert lebte, Johann Nepomuk von Tschiderer (geboren in jenem Palazzo Capofranco, aber bereits im Jahr 1777), der von Johannes Paul II. im Jahr 1995 seliggesprochen wurde, und Josef Mayr Nusser, ein ziviler Mitarbeiter des Bozener Dekanats, der Opfer der nationalsozialistischen Ideologie wurde. Nachdem sich Italien auf die Seite der Alliierten geschlagen und Deutschland den Krieg erklärt hatte, besetzte Deutschland Norditalien. Die ethnischen Deutschen in Südtirol waren verpflichtet, in die deutsche Armee einzurücken. Nusser wurde zur SS eingezogen, aber er weigerte sich, dem Führer Treue zu schwören. Dafür wurde er zum Tode verurteilt. Auf dem Weg ins Konzentrationslager Buchenwald blieb der Zug mehrere Tage am Bahnhof in Erlangen stehen, und die Gefangenen starben in überfüllten Viehwaggons an Hunger und Durst. So erging es auch Josef Mayr Nusser. Er wurde 2017 von Papst Franziskus seliggesprochen.

Ein Stück von der Kathedrale entfernt befindet sich die Dominikanerkirche. Für eine Reihe von Kirchen in Bozen kam der schicksalhafte Tag am 29. März 1944. An diesem Tag unternahmen die Alliierten einen massiven Luftangriff auf die Stadt, weil Bozen logischerweise ein wichtiger Knotenpunkt in der Versorgung der deutschen Einheiten an der italienischen Front war. Statt den Bahnhof trafen die Bomben jedoch sowohl die Dominikanerkirche als auch die Franziskanerkirche. Die Kirche St. Nikolaus neben dem Dom verschwand sogar vollständig. Die Narben an den Gebäuden der Bozener Kirchen sind unübersehbar. Doch wie durch ein Wunder blieb die Kapelle des Heiligen Johannes des Täufers erhalten, das Kostbarste nicht nur in der Dominikanerkirche, sondern wohl in ganz Bozen. Diese Kapelle ließ der florentinische Bankier Giovanni de Bartolomeo di Rossi irgendwann um 1330 als Begräbnisstätte für seine Familie errichten. Und er ließ sie mit wunderschönen Fresken schmücken, die von Künstlern der Schule von Giotto geschaffen wurden. Die Bozener Fresken ähneln denjenigen in Padua von Giotto wie ein Ei dem anderen, und der Bankier selbst ist zusammen mit seiner Frau dargestellt, kniend unter dem Kreuz mit Jesus Christus. Das wertvollste Fresko ist jedoch der “Triumph des Todes” als Bild des Jüngsten Gerichts – diese Abbildung des Todes versprüht wirklich Angst.

Wenn Sie den erstaunlichen riesigen Gemüsemarkt durchqueren, der jeden Tag in Bozen stattfindet, gelangen Sie zu den Franziskanern. Von der ursprünglichen Kirche ist wenig übriggeblieben, an der erhaltenen Wand befinden sich Fresken von Brüdern, die es in ihrem Leben weit gebracht haben, Päpsten, Kardinälen, Bischöfen und vor allem Theologie-Doktoren. Die Franziskaner legten immer Wert auf Bildung.

Es gibt noch einige weitere interessante Kirchen in Bozen, die älteste überhaupt ist die romanische Kirche “St. Johann im Dorf”. Dann gibt es die Kirche des Deutschen Ritterordens mit den Wappen und Fahnen bedeutender Mitglieder des Ordens. Auch ihr Turm fiel dem Bombardement von 1944 zum Opfer. Und dann gibt es noch die neoromanische Kirche “Herz Jesu”, die 1909 zum hundertjährigen Jubiläum des Tiroler Aufstands gegen die Franzosen erbaut wurde, sowie die unauffällige Kapuzinerkirche mit einem großen Klostergarten direkt im Stadtzentrum.

In Bozen und seiner Umgebung gibt es noch mehr Burgen als Kirchen. Eine von ihnen, Maretsch, befindet sich direkt in der Stadt und kann besichtigt werden. In ihr befinden sich Renaissance-Fresken. Der Innenhof sieht so aus, als wäre er nach einem erfolgreichen Treffer einer alliierten Bombe aus Beton gegossen worden, aber die Burgwartin versicherte mir, dass dieses Aussehen nichts mit dem Zweiten Weltkrieg zu tun hat. Am nördlichen Stadtrand befindet sich die Burg Firmian. Einst als Burg Sigmundskron bekannt, wo 1957 der Kampf für die Tiroler Autonomie begann. Sie erhielt ihren Namen von einem Tiroler Herrscher, der “Sigmund der Münzreiche” genannt wurde, Allerdings schaffte es Sigmund, den Reichtum des Landes, das große Mengen an Silber abbaute, mit vielen unsinnigeren Aktionen zu verschwenden, wie auch mit dem Kauf dieser Burg. Eine Vielzahl unehelicher Kinder kostete ihn ebenfalls viel Geld. Schließlich wurde er seiner Herrschaft enthoben und in den vorzeitigen Ruhestand geschickt – für damalige Verhältnisse eine recht humane und nicht gerade eine übliche Methode, um einen Herrscher von der Macht zu entfernen. Heutzutage befindet sich in dieser Ruine eines der fünf Museen von Reinhold Messner, dem wohl berühmtesten Südtiroler der heutigen Zeit. Er war der erste Bezwinger des Mount Everest ohne Sauerstoff, er bestieg als erster alle vierzehn Achttausender – einige sogar mehrmals.

Das Museum ist logischerweise den Bergen, dem Bergsteigen und der Kultur Tibets gewidmet und es lohnt sich, dort hinzufahren. Weitere Burgen in der Nähe von Bozen sind Runkelstein, von wo aus eine Seilbahn nach San Genesio fährt, die Burg Flavon Haselburg südlich der Stadt und die Burg Gries am rechten Ufer der Talfer. Und wenn wir schon bei den Seilbahnen sind, gibt es noch eine weitere “Funikulare”, die Seilbahn „Funivia de Renon“, die am nordwestlichen Rand der Altstadt in der Nähe der Kirche Sankt Magdalena startet und über die Stadt nach Oberbozen hinauffährt, von wo aus man den schönsten Blick auf die Stadt aus einer Höhe von 1221 Metern über dem Meeresspiegel hat. Und noch eine weitere Seilbahn, diesmal am linken Ufer der Eisack, führt auf eine Höhe von 1134 Metern zur Kirche in Colle-Kohlern. Also, wenn man genug Zeit hat, kann man die Stadt aus drei verschiedenen Perspektiven von oben betrachten.Formularbeginn

Aber Bozen besteht bei weitem nicht nur aus Kirchen und Burgen. Die Einkaufsstraßen konzentrieren sich auf die Laubengasse und die Josef Steinert Straße, die durch mehrere Passagen miteinander verbunden sind – von sehr engen, durch die nur eine Person gehen kann, bis hin zu wunderschönen breiten Einkaufspassagen. Angesichts des bergigen und im Sommer auch heißen Klimas der Stadt befinden sich die Geschäfte oft in Laubengängen oder Passagen, eine davon – die Galeria Greif – liegt direkt am Walterplatz. Bozen ist also bestens für Shopping geeignet.

Interessant ist die Verbindung von historischer und moderner Architektur. Manchmal ist es sogar atemberaubend, wie zum Beispiel das riesige Gebäude des städtischen Theaters, entworfen vom Architekten Marco Zanus (das alte Theater wurde beim alliierten Bombardement 1943 zerstört).

Das neue Theater aus riesigen Marmorblöcken ist wirklich beeindruckend, glücklicherweise befindet sich in unmittelbarer Nähe des romantischen Gartens des Kapuzinerklosters.

Das Siegesdenkmal Mussolinis befindet sich am anderen Ufer des Flusses Talvera und beeinträchtigt daher nicht das Stadtbild. Das Naturmuseum befindet sich in der Nähe der Kirche des Deutschen Ritterordens und ist in einem Renaissancegebäude untergebracht, das Kaiser Maximilian zwischen 1500 und 1512 errichten ließ – zu dieser Zeit gehörte Bozen zum Habsburgerreich.

Aber Bozen wäre nicht Bozen ohne sein Archäologisches Museum und die berühmteste europäische Mumie – den Ötzi, den Mann aus dem Eis. Im Jahr 1992 wurde er von Touristen im Ötztaler Alpenpass gefunden. Reinhold Messner wurde hinzugerufen und stellte fest, dass sich Ötzi auf der italienischen Seite des Passes befand – angeblich gute hundert Meter jenseits der Staatsgrenze. Die Österreicher haben ihm das nie verziehen und machen weiterhin Ansprüche auf die berühmte Mumie geltend – schließlich erhielt sie ihren Namen nach dem Ötztal, einem eindeutig österreichischen Tal. Die Österreicher haben also ein Konkurenzmuseum im Ötztal eingerichtet, und da sie die originale Mumie nicht haben, stellen sie dort eine Kopie aus. In Bozen befindet sich das Original in dem archäologischen Museum, aber da dort nur kleine Gruppen der Besucher eingelassen werden, ist es notwendig, die Besichtigung im Voraus zu reservieren.

Bevor man hingehen darf, kann man durch die Gassen von Bozen schlendern, die Schönheit des Gemüsemarktes bewundern oder durch die zahlreichen Geschäfte in den Laubengängen und Passagen der Stadt bummeln. Man kann sich ein Glas des hervorragenden Südtiroler Weines oder einen Aperolspritz in den unzähligen Bars gönnen oder Tiroler Spezialitäten in den vielen Gasthäusern probieren. Oder man kann die bekannteste Tiroler Spezialität, den “Speck”, also den Tiroler Schinken, kosten. Und Vorsicht! Vergessen Sie nicht den in Meran bereits erwähnten Apfelstrudel. Angesichts der bereits erwähnten Produktion von einer Million Tonnen Äpfel pro Jahr (aber nur einer Tausend Tonnen Birnen) müssen diese Äpfel irgendwie verbraucht werden (obwohl die meisten natürlich exportiert werden). Daher bieten jede Bar und jedes Restaurant logischerweise Apfelsaft und Apfelstrudel an.

Solange Sie also den Apfelstrudel nicht probiert haben, verlassen Sie Tirol nicht. Es wäre eine Missachtung der lokalen Kultur. Und die Tiroler sind ein stolzes und traditionsbewusstes Volk.

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Meran

Meine Frau hat bei der Wahl der Urlaubdestination ziemlich hohe Ansprüche. Sie reiste mit mir durch ganz Italien und fand fast immer etwas auszusetzen. Wenn sie also erklärt, dass sie sich in eine bestimmte Stadt verliebt hat und dorthin zurückkehren möchte, sollte man das ernst nehmen. Und genau das ist in Meran passiert.

Ich musste ihr recht geben. Meran (auf Italienisch Merano, da sich ein Italiener nicht vorstellen kann, ein Wort mit einem Konsonanten abzuschließen) hat wirklich das Potenzial, dass man sich in die Stadt verlieben könnte.

Es wurde als eine Handelsstadt von den Tiroler Grafen gegründet, die auf einem nahegelegenen Hügel in der Burg Tirol residierten. Sie akzeptierten dabei auch, dass diese neue Stadt jedes Frühjahr regelmäßig von den Fluten des Flusses Passer, einem Nebenfluss der Etsch (auf Italienisch Adige genannt), überschwemmt wurde, wenn der Schnee in den Bergen zu schmelzen begann.

Aber die goldene Ära der Stadt begann erst viel später, als heiße Quellen entdeckt wurden, denen aufgrund ihres hohen Radongehalts eine heilende Wirkung zugeschrieben wurde. Und als im Jahr 1870 Kaiserin Elisabeth – Sissi mit ihrer kränkenden Tochter Maria Valeria in der Stadt auftauchte und sogar im Jahr 1889 noch einmal zurückkehrte, war das Schicksal der Stadt endgültig besiegelt.

Statue von Sissi im Stadtpark

Die Erfolgskurve ging von diesem Moment an steil nach oben. Und mit ihr auch die Besucherzahlen. Meran benötigte also keine Industrie, um prosperieren zu können, es kam vollständig mit dem Tourismus aus. Und das ist bis heute so. Um die Stadt herum gibt es jedoch endlose Obstgärten und Weinberge, die sogar an so steilen Terrassen angelegt sind, dass es den Atem raubt. Die eine Million Tonnen Äpfel, die Südtirol jedes Jahr produziert (und 600.000 Kilogramm Honig, denn ohne Bienen wäre das nicht möglich), müssen irgendwo angebaut werden. Und die Südtiroler Weine sind sehr gut, sei es der rote Lagrein oder der weiße Traminer, aber auch andere Sorten, die an den Berghängen in angenehmem mediterranem Klima wachsen. Die warme Luft aus dem Süden erreicht diesen Ort, über die Berge in den Norden schafft es der warme Wind aber nicht weiter und bleibt hier im Tal hängen. Genauso wie der Regen. Das heißt, in Südtirol gedeiht alles. Einschließlich Palmen, die sogar die Promenade in Meran säumen und so – für Mitteleuropäer etwas überraschend – das Panorama der schneebedeckten Dreitausender ergänzen.

Die Heilquellen sprudeln am linken Ufer des Flusses und dort gibt es heute die Therme mit vielen warmen Wasserbecken, ideal für einen Besuch nach einem anstrengenden Tag in den Bergen.

Heutzutage ist es ein modernes Gebäude in der Form eines großen Würfels, aber überall ist zu sehen, dass Meran als Kurstadt gewachsen ist. Sowohl das riesige Kurhaus als auch die überdachte Promenade – Wandelhalle – sind im Jugendstil erbaut, einem Stil, der Ende des 19. Jahrhunderts in der österreichischen (und nicht nur österreichischen) Architektur dominierte. In der Wandelhalle trafen sich Kurgäste ab März oder April, je nach Wetter, zu Konzerten oder einfach nur zu Gesprächen beim Kaffee. Ursprünglich stand hier eine sogenannte Wandelbahn aus Holz, in den Jahren 1890-1891 wurde diese durch eine Eisenkonstruktion der Firma Gridl ersetzt (die unter anderem auch das Palmenhaus im Wiener Schönbrunn baute). Und sie steht dort noch heute. Am Flussufer lädt eine breite und schön angelegte Promenade mit vielen Blumen zu Spaziergängen ein.

Hier spazierte auch Franz Kafka, der hier im Jahr 1920 einen dreimonatigen Kuraufenthalt absolvierte. Das Radonwasser half zwar seiner Tuberkulose nicht, aber an seinen Aufenthalt in Meran erinnert eine örtliche höhere Handelsschule, die seinen Namen trägt.

Das Wahrzeichen der Stadt ist jedoch das große Theatergebäude, das im Jahr 1900 vom Architekten Martin Düfler erbaut wurde.

Die deutschsprachige Bevölkerung nennt es einfach “Stadttheater”, die Italiener nennen es “Teatro Puccini”. Der legendäre Opernkomponist Giacomo Puccini war hier im Jahr 1928, und zur Erinnerung an seinen Besuch wurde das Theater im Jahr 1937 während der faschistischen Diktatur in “Puccini-Theater” umbenannt – die deutschsprachige Bevölkerung der Stadt hat diesen Namen jedoch nie vollständig akzeptiert. Das Gebäude ist von außen klassizistisch mit nur dezenten Jugendstil-Elementen, innen ist es jedoch reiner Jugendstil, wie es für diese Zeit typisch war.

Meran ist zwischen dem Fluss Passer und den Bergen eingeklemmt. Es ist also eine lange und schmale Stadt, von der ehemaligen Befestigung sind zwei Stadttore erhalten geblieben. Das eine, das “Bozentor”, ist zum Fluss hin ausgerichtet, von wo regelmäßige Überschwemmungen kamen. Angeblich saß der Meraner Henker gerne in der darüber liegenden Kneipe. Das andere erhaltene Tor, das “Passeirertor”, verschloss die Stadt in Richtung des Passer-Tals. Hier führte der Weg über die Jaufer- und Brenner-Pässe nach Innsbruck und Deutschland. Durch dieses Tor betraten die Grafen von Tirol die Stadt, wenn sie von ihrer Burg Tirol herabstiegen.

Die Hauptachse der Stadt ist die Laubengasse.

Es ist eine lange Einkaufsstraße mit vielen Geschäften, Boutiquen und Restaurants, mit Arkaden auf beiden Seiten. Dort steht auch das etwas langweilige Rathaus, und diese Straße führt zur Hauptkirche in Meran, zur Kirche St. Nikolaus. An der Kirchenwand wird man von einem Fresko mit dem Heiligen Christophorus begrüßt. Er sollte im Mittelalter Glück bringen. Wer ihn anblickte, starb an diesem Tag nicht. Die dreischiffige Kirche ist gotisch mit modernen Glasfenstern und einem gotischen geschnitzten Altar. Gleich nebenan befindet sich die Kapelle der Heiligen Barbara, die stark an ein klassisches italienisches Baptisterium erinnert, und ich kann dem Verdacht nicht widerstehen, dass sie auch für den Zweck der Taufe genutzt wurde. Offiziell diente die Kapelle als Beinhaus, in der darunterliegenden Krypta wurden die Knochen der Verstorbenen aufbewahrt, für die es auf dem örtlichen Friedhof keinen Platz mehr gab. Dies entspricht auch der etwas makabren Ausstattung der Kapelle. Es gibt zwei Schreine mit den Gebeinen von zwei heiligen Märtyrern Paulanus und Telius. Trotz meiner Bemühungen konnte ich über sie nichts herausfinden, weder im Internet noch im Oxford Lexikon der Heiligen, und sogar nicht in dem Buch von Schaub und Schindler über die Heiligen im Laufe des ganzen Jahres, in dem wirklich praktisch alle aufgeführt sind, die heiliggesprochen wurden. Das Einzige, was ich herausgefunden habe, ist, dass sie im Jahr 1730 aus den römischen Katakomben hierhergebracht wurden. An der Eingangswand befindet sich auch ein Fresko mit dem Heiligen Christophorus (wohl damit die Leute nicht um die Ecke gehen müssen, um den größeren an der Kirchenwand anzusehen).

Die Kirche des Heiligen Nikolaus, die Barbarakapelle rechts

Etwa in der Mitte der Laubengasse biegt man links zur Sesselbahn ab. Man fährt mit ihr einzeln, und der Prospekt verspricht, dass sie den Stadtbesucher zur Burg Tirol bringt, also zum Sitz der ehemaligen Grafen von Tirol. Das ist nicht ganz wahr. Von der Bergstation der Seilbahn aus hat man zwar einen herrlichen Blick auf die Stadt Meran von oben, aber zur Burg ist es noch fast eine Stunde eines relativ schnellen Gehens. Die Wegweiser versprechen in regelmäßigen Zwanzigminuten-Abständen, dass der Weg zur Burg genau zwanzig Minuten dauern sollte. Offensichtlich wurde das gleiche Wegweiser Schild mehrmals hergestellt und dann in regelmäßigen Abständen auf dem Weg zur Burg aufgestellt. Insbesondere der letzte Abschnitt, der zwischen blühenden Bäumen oberhalb der Obstplantagen und unterhalb des Dorfes Tirol führt, ist jedoch schon für sich allein einen Spaziergang wert.

Die Burg ist eines Besuches wert. Man begann mit dem Bau irgendwann um das Jahr 1120, der letzte Ausbau wurde von Gräfin Margarete Maltausch durchgeführt. Die Burg verlor an Bedeutung, als die neuen Landesherren, die Habsburger, ihren Hauptsitz in das günstiger gelegene Innsbruck verlegten. Auf der Burg gibt es eine Ausstellung zur Geschichte Tirols mit Gemälden der Grafen von Tirol. Hier findet man auch das Porträt des unglücklichen Bruders Karls IV., Johann Heinrich, der vergeblich versuchte, die Jungfräulichkeit Margarete Maltausch zu beenden, bevor seine Ehe wegen seiner angeblichen Impotenz geschieden wurde. (Später hat er allerdings mit seinen weiteren Gattinnen sechs Kinder gezeugt). Es gibt hier auch eine wunderschöne zweistöckige Kapelle und in einem Turm eine Ausstellung zum Kampf Tirols für Autonomie, nachdem Südtirol nach dem Ersten Weltkrieg an Italien angeschlossen wurde. Dieser Kampf, der nach dem Zweiten Weltkrieg seinen Höhepunkt erreichte, endete erst im Jahr 1992. Noch in den 1980er Jahren zündeten die Tiroler Autos italienischer Urlauber an. Die Burg Tirol, von der aus die Tiroler Grafen regierten, erlangte vor allem im 19. Jahrhundert den Status eines nationalen Heiligtums. Hier verkündete der nationale Held Andreas Hofer im Jahr 1809 die Wiederherstellung der alten Landesverfassung, die Napoleon aufgehoben hatte, als er Tirol seinem Vasallen Bayern geschenkt hatte. Tiroler Dichter kamen hierher, um Verse zu schaffen, und Maler, um die Burg und ihre umliegende Landschaft zu verewigen. Die Stadt Meran verschenkte die Burg im Jahr 1816 an Kaiser Franz I. Aber erst in den Jahren 1878 bis 1914 fanden Restaurierungsarbeiten statt, die die Burg vor dem Verfall retteten. Im Jahr 1940 wurden dann bestimmte Teile des Neubaus, die den gotischen Eindruck störten, von der Burg wieder entfernt.

In der Nähe von Meran gibt es außer des Liftes zu Dorf Tirol auch andere Seilbahnen. Die bekannteste ist wahrscheinlich die M 2000, die den Besucher tatsächlich auf eine Höhe von 2000 Metern über dem Meeresspiegel bringt, von wo aus man zu Bergwanderungen aufbrechen kann.

Im Stadtpark vor der Kirche Heiliger Geist steht eine Statue von Kaiserin Sissi. Und gleich nebenan gibt es ein Café, das ihren Namen trägt, also „Elisabeth“. Entlang des Flusses Passer erstreckt sich eine Promenade, die nach ihr benannt ist Es ist bekannt, dass die Kaiserin, wenn sie nicht reiten konnte, lange und schnelle Spaziergänge machte, um in Form zu bleiben und ihre schlanke Figur zu erhalten (es gab sicherlich auch ein bisschen Anorexie dabei). Entlang des Flusses führt die sogenannte Winterpromenade bis zur Brücke mit dem Namen „Steinerner Steg“. Es war lange Zeit die einzige Brücke, die jedes Jahr das Hochwasser überstehen konnte – solide Arbeit aus Stein, auf der auch die österreichische Kaiserin den Fluss überquerte.

Aber das Schönste im Meran liegt am Stadtrand und das ist der Garten von Schloss Trauttmansdorff.

Nicht umsonst wurde er im Jahr 2005 zum schönsten italienischen Garten erklärt (und es gibt hier eine harte Konkurrenz), und im Jahr 2013 wurde er sogar zum internationalen Garten des Jahres gekürt. Meiner Meinung nach zu Recht. Für einen Moment hatte ich das Gefühl, dass ich wahrscheinlich schon gestorben bin und mich im Paradies befinde. Natürlich verdient, schließlich habe ich es mit meinem vorbildlichen Leben verdient. Viele Rosen, Palmen, Azaleen, Rhododendren, Zitronenbäume – nicht nur die Augen, sondern auch die Nase kommen auf ihre Kosten, überall duftet es wunderschön und berauschend. Es ist nur schade, dass die Tulpen bereits im Mai verblüht waren, sonst wäre es noch erstaunlicher gewesen. Inmitten darf ein See mit einem Café nicht fehlen und an den Hängen des Hügels, an dem der Garten liegt – natürlich der Sissi-Pfad. Bei ihrem zweiten Besuch im Jahr 1889 residierte die Kaiserin gerade im Schloss Trauttmansdorff, und um ihr entgegenzukommen, wurden eilig mit Schotter bedeckte Pfade am Hang des Hügels angelegt – wieder für ihre konditionellen Spaziergänge. Diese Pfade sind im Laufe der Zeit zwar zugewachsen, aber die heutigen Meraner haben den Zauber und das kommerzielle Potenzial dieser historisch umstrittenen, aber mit unwiderstehlichem Charme ausgestatteten Persönlichkeit entdeckt, die Pfade wieder gefunden, gereinigt und mit neuem Schotter bedeckt, sodass es kein Problem ist, einen ganzen Vormittag auf den Spuren der Kaiserin zu wandern – natürlich nur, wenn man Lust und Kondition hat. Natürlich erinnert dort eine Büste an Sissi. Der Pfad führt bis zur Aussichtsterrasse von Schloss Trauttmansdorff, hoch über dem Garten und – ehrlich gesagt – nichts für schwindelgeplagte Menschen.


Der Blick von hier ist allerdings atemberaubend. Danach kann man noch höher zur “Garten der Liebe” spazieren. Er ist wunderschön, aber er ist ziemlich hoch und meine liebe Frau meinte, dass sie nicht so hoch klettern würde, egal wie sehr es um die Liebe geht. Also bin ich alleine dorthin gekommen, aber es hat sich trotzdem gelohnt.

Im Schloss gibt es ein großes Restaurant, und auf der Terrasse vor dem Schloss auf einer Bank mit einem Buch in der Hand – raten Sie mal wer – natürlich Sissi.

Da konnten wir nicht widerstehen und ließen uns mit ihr von vorbeigehenden Touristen fotografieren – wir hatten dabei eine große Auswahl. Im Restaurant haben wir das Tiroler Nationalgericht – Apfelstrudel – gegessen. Solange man es nicht probiert hat, darf man Südtirol nicht verlassen. Solange es noch Grenzen in Europa gab, wurde das sicherlich überprüft. Übrigens war es keine falsche Investition, der Strudel war großartig, es gibt eben genug Äpfel in Tirol.

Am Ende dieses Beitrags muss ich jedoch meine neuen Landsleute aus der Steiermark ansprechen. Meran hat eine sehr enge Beziehung zu ihrem Land. Natürlich hängt das mit dem “steirischen Prinzen” Johann zusammen. Für die wenigen meiner Leser, die noch nicht von ihm gehört haben (die Steirer und die eser meiner Serie über Graz dürfen den folgenden Text über ihn überspringen): Johann wurde im Jahr 1782 in der Toskana als achter Sohn des zukünftigen Kaisers Leopold II. geboren. Als sein Vater Kaiser wurde, zog er nach Wien um. Nach einem unglücklichen Zwischenfall im Krieg gegen Napoleon im Jahr 1809, als er eine entscheidende Rolle bei der Niederlage in der Schlacht bei Wagram spielte, zog er sich aus dem öffentlichen Leben zurück. Er kaufte in der Steiermark in der Nähe von Mariazell den Bauernhof Brandhof und begann mit Reformen der Steiermark. Es waren nicht nur Experimente mit dem Anbau von Pflanzen unter bergigen Bedingungen und Aufklärungsvorträge. Er gründete eine Getreidebörse, die den Bauern feste Preise beim Getreideankauf garantierte, die Versicherung Grazer Wechselseitige, bei der sie sich gegen Missernten versichern konnten, und die Sparkasse-Bank, die Kleinkredite vergab. So blieben die steirischen Gelder in der Steiermark und bildeten die Grundlage des örtlichen Wohlstands. Darüber hinaus gründete er nach dem Vorbild seiner Großmutter Maria Theresia eine Bergbau-Hochschule, wo Carl Friedrich Christian Mohs die Härteskala der Mineralien erfand – wir erinnern uns zumindest teilweise daran, wir mussten das alle in der Schule lernen – der härteste ist natürlich der Diamant. In Graz erinnert an den Erzherzog das Museum Johanneum, das er ebenso gegründet hat.

Aber zu seiner Lebenspartnerin wählte der liebe Johann die Tochter des Postmeisters aus Bad Aussee, Anna Plochl, was zu dieser Zeit einen enormen Skandal darstellte. Es dauerte zehn Jahre, bis er von seinem Bruder – Kaiser Franz – die Erlaubnis zur Heirat erwirkte. Und um den Skandal nicht allzu groß werden zu lassen, erhob der Kaiser die liebe Anna zur Gräfin von Meran. Johann kaufte daraufhin in der Nähe von Meran, im Dorf Schenna, ein Schloss. Sein Sohn Franz zog dann dauerhaft nach Südtirol und als Johann im Jahr 1859 starb (bis zu seinem Tod bekleidete er das Amt des Bürgermeisters in der Stadt Stainz in der Steiermark), beauftragte sein Sohn den Architekten Moritz Wappler mit dem Bau eines Mausoleums im neugotischen Stil, das als Familiengrabstätte dienen sollte.

Das Mausoleum in Schenna

Es wurde 1869 fertiggestellt, und im selben Jahr wurden auch die leiblichen Überreste von Erzherzog Johann hierher überführt. Später wurden hier im Jahr 1885 auch seine Frau Anna und später auch sein Sohn Franz mit seiner Frau beigesetzt. Das Mausoleum inmitten der Tiroler Berge ist sehr schön. Das nahe gelegene Schloss ist etwas vom Zahn der Zeit gezeichnet und kann nur zu bestimmten Besuchszeiten besichtigt werden – als wir dort waren, war es gerade geschlossen. Natürlich gibt es in Schenna auch das Hotel “Erzherzog Johann”, und die Stadt pflegt eine Partnerschaft – Sie können einmal raten – natürlich mit Stainz in der Steiermark.

Schenna liegt etwa zehn Kilometer von Meran entfernt im Passertal und von hier aus fahren Seilbahnen in die Berge. Die Stadt ist hübsch und hat zwei Kirchen, die interessant ineinander gebaut sind (und natürlich mit einem Fresko des Heiligen Christophorus an der Außenwand), ein schönes Zentrum mit dem Rathaus und dem Restaurant Schlosswirt, mit einer Terrasse und Blick auf das Mausoleum. Und natürlich kann man hier einen Apfelstrudel genießen, aber nicht nur das. Zu den Tiroler Spezialitäten gehören Knödel mit verschiedenster Füllung von Hackfleisch, Käse über verschiedene Gemüsesorten bis hin zu roter Beete und natürlich „Tyroler Gröstl“. Es ist ein recht einfaches Gericht, gebratene Kartoffeln mit Zwiebeln, Speck (Speck wird in Tirol an jeder Ecke angeboten, es gibt sogar Geschäfte, die sich darauf spezialisiert haben), Fleischstückchen oder Blutwurst und oben drauf gibt es ein Spiegelei. Auf den ersten Blick nichts Besonderes, aber es schmeckt gut, besonders beim Skifahren ist es mein Lieblingsessen in der Mittagspause.

Wenn man Glück hat wie wir und Schenna am ersten Sonntag im Mai besucht, wenn der Feiertag des heiligen Florian gefeiert wird, wird man auch das große Fest der örtlichen Freiwilligen Feuerwehr erleben. Zur Kirche marschierte eine große Blaskapelle in Tiroler Tracht unter tirolerischen Fahnen, dann eine große Anzahl von Feuerwehrleuten in Uniformen, wieder unter wehenden Fahnen. Übrigens haben wir auch in Meran eine große Prozession mit dem Bildnis der Jungfrau Maria erlebt, wieder in Trachten und mit wehenden Fahnen. Die Tiroler lassen sich ihre Traditionen nicht nehmen, sie haben immer noch einen Teil ihres nationalen Helden, des Rebellen Andreas Hofer, in sich. Zumindest in Meran ist der italienische Einfluss marginal, und man kann sich überall auf Deutsch verständigen.

Und trotzdem verleiht gerade diese Mischung aus österreichischer und italienischer Kultur Meran anscheinend ihren besonderen Charme. Es herrscht Ordnung wie in Österreich, aber die Architektur hat einen italienischen Touch, alles ist mit viel Geschmack gemacht. Und es gibt dort unglaublich viele Blumen – das ist offensichtlich auf das lokale Klima zurückzuführen.

Also hatte meine Frau mehr als genug Gründe, sich in Meran zu verlieben.

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Graz V

Nun erhebt sich der Felsen des Schlossbergs vor uns. Es gibt mehrere Möglichkeiten, dorthin zu gelangen. Mit der Zahnradbahn vom Hotel Schlossberg, mit dem Aufzug im Inneren des Berges, über die Treppe, die österreichische Pioniere mit Hilfe von russischen Kriegsgefangenen während des Ersten Weltkriegs errichtet haben, oder auf dem ursprünglichen Weg vom Karmelitenplatz, auf dem die Franzosen im Jahr 1809 elfmal versuchten, die Festung zu erstürmen. Zu dieser Zeit war dies der einzige Zugang zur Festung. Am bequemsten ist es jedoch mit dem Aufzug, der ebenfalls im Jahr 2003 gebaut wurde. An der Ecke des Platzes unter dem Schlossberg befindet sich der Khuenburg-Palast. Hier wurde im Jahr 1863 der Thronfolger Franz Ferdinand d’Este geboren, dessen Tod in Sarajevo am 28. Juni 1914 zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs führte (übrigens ist eine der Hauptstraßen in Graz nach dem Hauptkriegshetzer im österreichischen Generalstab, Konrad von Hötzendorf, benannt). Die Eltern von Franz Ferdinand, Erzherzog Karl Ludwig und die neapolitanische Prinzessin Maria Annunziata, lebten in Graz noch einige Jahre nach der Geburt des Erstgeborenen, so dass auch der jüngere Bruder von Franz Ferdinand, Otto, der Vater des letzten österreichischen Kaisers Karl, hier geboren wurde.

Gleich nebenan befindet sich der Herberstein-Palast, wo sich das Johanneum-Museum mit historischen Sammlungen zur Geschichte der Stadt befindet. Dieser Palast gehörte einst der Familie Eggenberg und ging durch Erbschaft an die Herbersteins über. Wenn wir den Schlossberg betreten, fällt sofort auf, wie durchlöchert der Berg mit vielen Tunneln ist. Während des Zweiten Weltkriegs dienten sie als zuverlässiger Luftschutz, da Graz als Eisenbahnknotenpunkt in Richtung italienischer Front häufig Ziel alliierter Luftangriffe war. Auch heute werden immer noch nicht explodierte Bomben bei Bauarbeiten gefunden, insbesondere beim Umbau des Bahnhofs war dies ein recht häufiges Phänomen. Heute gibt es im Berg Vortrags- und Hörsäle sowie eine Märchenbahn für Kinder. Während der Fahrt können sie Szenen aus vielen Märchen, einschließlich der Legende, dass der Schlossberg aus einem Stein entstand, den ein wütender Teufel hierhin warf, betrachten. Wenn wir mit dem Aufzug nach oben fahren, steht uns eine Giraffe gegenüber, das Symbol des gastronomischen Imperiums von Julia Schwarz (neben dem Flaggschiff in Andritz gehören ihr auch der Landtagskeller oder das Cafe Promenade im Stadtpark – mit anderen Worten, wo eine Giraffe draußen steht, ist Julia drinnen). Direkt daneben steht der Uhrturm.

Es war der einzige Ort auf dem Schlossberg, der den Bürgern der Stadt gehörte, die sogenannte Bürgerbastei. Die Bürger nutzten dieses Grundstück geschickt und errichteten hier 1561 einen Turm mit einer Uhr – die Zeit kann man von überall in der Stadt beobachten – allerdings muss man bedenken, dass die Zeiger verkehrt sind. Der kleine Zeiger zeigt die Minuten und der große die Stunden. Im Turm befindet sich die “Lumpenglocke”. Eine Glocke, die bei jeder Hinrichtung läutete und angeblich auch bei jenem vorzeitigen Abendläuten läutete, das Andreas Baumkircher zum Verhängnis wurde. Unterhalb des Uhrturms befinden sich die Herberstein-Gärten – wohl der schönste Ort auf diesem Hügel und vielleicht sogar im ganzen Graz.

Der Garten wurde von den Grafen von Herberstein angelegt und gepflegt und war lange Zeit nur von ihrem Palast in der Stadt über einen heute unzugänglichen Gehweg erreichbar. Die Gärten sind seit 1930 für die Öffentlichkeit zugänglich und verdienen ihren Namen “Hängende Gärten von Graz” wirklich. Selbst Semiramis würde vor Neid erblassen. Von hier aus hat man den atemberaubendsten Blick auf die Stadt unter diesem Garten – ein Ort, an dem kaum jemand widerstehen kann, ein Foto zu machen. An den Garten schließt sich das Cerrini-Schlösschen an. Karl Freiherr von Cerrini verteidigte tapfer die exponierte Bastion im Kampf gegen die Franzosen und durfte sich 1820 hier ein Haus bauen.

Wenn man unter die Schossbergmauern hinabschaut, sieht man eine Statue eines Hundes.

Mit diesem Hündchen ist eine Legende verbunden. Kaiser Friedrich versprach einst seine schöne Tochter Kunigunde dem ungarischen König Matthias. Die Beziehungen zwischen den beiden Herrschern verschlechterten sich jedoch im Laufe der Zeit erheblich. Friedrich wollte dem ungarischen König Burgenland nicht zurückgeben (und auch nicht die ungarische Königskrone, die heimlich von Königin Elisabeth, der Mutter von König Ladislaus Postumus, nach Wien gebracht wurde). Es kam zum Krieg und Matthias eroberte sowohl Wien als auch die Steiermark. Friedrich versteckte die damals fünfzehnjährige Kunigunde auf dem Schlossberg, aber die Ungarn erfuhren von ihrem Versteck. Ein Spezialkommando sollte in die Festung eindringen und die kaiserliche Tochter entführen. Aber der kleine Hund an den Mauern schnüffelte „das Ungarische“ und begann wütend zu bellen. Sein Gebell weckte das Interesse des Wachkommandanten Ulrich von Graben. Er sah die Ungarn, die versuchten, über die Mauern hochzuklettern. Die Ungarn wurden erfolgreich zurückgeschlagen und Kunigunde gerettet. Ob sie sich lange darüber freute, ist unbekannt. Friedrich verheiratete sie mit Herzog Albrecht IV. von Bayern, der angeblich gewalttätig war. Sie gebar ihm jedoch acht Kinder.

Auf dem Weg nach oben kommen wir an dem Türkenbrunnen vorbei.

Er wurde angeblich von türkischen Gefangenen auf Anweisung des Architekten Domenico d’ Allio gegraben. Es war eine schreckliche Arbeit, man musste sich bis zum Grundwasser vorarbeiten, also auf das Niveau des Mur-Wasserspiegels, und der Brunnen hat daher eine Tiefe von 94 Metern. Über dem Brunnen erhebt sich die Stahlbastei, der eindrucksvollste Teil von d’Allios Befestigungsanlagen.

Spätestens jetzt müssen wir über die berühmteste Schlacht sprechen, die hier ausgetragen wurde. Im Jahr 1809 kam es zu einem Krieg zwischen den Alliierten und Napoleon und Graz wurde zu einem wichtigen Schlachtfeld dieses Krieges. Die Kämpfe verlagerten sich von St. Leonhard, das völlig zerstört wurde, bis zum Schlossberg, den Major Hackher mit 896 Soldaten und 17 Offizieren verteidigte.

Schlossberg im Jahr 1809

Weder das Bombardement durch die französische Artillerie noch wiederholte Angriffe brachten die Verteidiger zur Kapitulation. Napoleon war so wütend über dieses Scheitern, dass er im Frieden von Pressburg nach der Niederlage Österreichs in der Schlacht von Wagram festlegte, dass die Festung zerstört werden müsse. Am 15. November 1809 begannen die Sprengungsarbeiten in der Festung. Nur der Uhrturm, der Glockenturm, den die Grazer Bürger von den Franzosen für 2978 Gulden und 41 Kreuzer freikauften

(warum gerade so eine Summe und nicht runde 3000 Gulden, kann ich nicht ahnen, entweder konnten die Grazer Bürger wirklich nicht mehr Geld zusammenbringen oder haben die Franzosen von den verlangten Summe den Preis für den ersparten Schießpulver abgezogen), und die Stahlfestung überstanden die Zerstörung. Letztere überstand alle Versuche, sie zu sprengen, sodass die Franzosen schließlich ihre Bemühungen, sie in die Luft zu jagen, aufgeben mussten. Domenico d’Allio leistete gute Arbeit. Übrigens übernahm nach dem Tod von d’Allio Sallustio Peruzzi die Arbeiten an der Befestigung des Schlossbergs, dessen Vater Baltasar nach dem Tod von Raphael Santi den Bau des Petersdoms in Rom leitete. Graz konnte sich nie über einen Mangel an italienischen Spitzenarchitekten beschweren, die bereit waren, es zu verschönern oder zu befestigen.

In der Stahlbastei befand sich die “Eiserne Jungfrau”. In diesem Sarg mit eisernen Spitzen wurden besonders schwere Verbrecher hingerichtet. Der Verurteilte wurde hineingestoßen, die Truhe wurde verschlossen, wodurch ihn die eisernen Spitzen an vielen Stellen durchbohrten. Dann öffnete sich der Boden der Truhe, und die Leiche fiel tief in die Fundamente der Festung. Einer Legende zufolge soll auch der Gründer des Ruhms der Eggenberg-Familie, Balthasar, auf diese Weise hingerichtet worden sein. Balthasar war zu Lebzeiten Friedrichs III. der Münzmeister von Innenösterreich. Wie ich schon mehrmals erwähnt habe, kämpfte der liebe Kaiser ständig mit finanziellen Schwierigkeiten und machte Schulden, wo immer er konnte. Balthasar half ihm, das Problem im Grunde genommen auf moderne Weise zu lösen – durch die Inflation. Die von ihm geprägten Münzen enthielten immer weniger Silber, bis sie zu wertlosen Metallstücken wurden. Die Schuldner freuten sich, die sparsamen Menschen weinten. Aber sie weinten nicht nur, sondern waren auch wütend. Balthasar rettete sich vor ihrem Zorn, indem er nach Ungarn zum König Matthias floh. Auch der ungarische König hatte finanzielle Probleme, und Balthasars Methode, Schulden loszuwerden, gefiel ihm auch gut. Als Belohnung erhob er den Grazer Bürger in den Adelsstand und verlieh ihm ein Wappen, auf dem drei Raben (das Wappentier von König Matthias) eine königliche Krone in ihren Schnäbeln tragen. Balthasar fühlte sich nun unantastbar und kehrte nach Graz zurück, wo er sofort verhaftet wurde und im Gefängnis starb. Ob er in jener eisernen Jungfrau umgebracht wurde, ist nicht bewiesen, aber die Legende besagt es.

Von der Stahlbastei gelangt man zum chinesischen Pavillon – einem Artefakt aus der Romantikzeit, als etwas Orientalisches einfach überall stehen musste – und dann zum Kanonenbastei hinauf. Dort standen einst vier Kanonen, die Warnschüsse abgaben, wenn sich der Feind der Stadt näherte oder wenn in der Stadt ein Feuer ausbrach. Von hier aus hat man einen herrlichen Blick auf die Stadt, heute befindet sich jedoch das “Schlossberg Museum” hier, und daher muss man für den Ausblick bezahlen. An der oberen Seilbahnstation und dem Glockenturm vorbei gelangen wir schließlich auf das höchste Plateau der Festung. Hier befinden sich die Kasematten, ehemaliges Gefängnis, heute ein Konzertsaal. Früher waren hier auch sehr prominente Gefangene inhaftiert, Grafen, Feldmarschälle oder sogar der Bischof Nadasdy. Aus den Zellen wurden Logen gemacht, die übrigen Zuhörer bevölkern den Boden der Kasematten, und das Beste ist, dass diejenigen, die keine Tickets bekommen haben, sich im Park zwischen den Bäumen hinlegen und Musik hören dürfen – auch wenn sie die Musiker nicht sehen können. An den Ecken des Plateaus befinden sich Metallplatten, die die Richtungen zu beinahe allen wichtigen Städten Europas anzeigen. Es fehlt nur eine – Prag. So viel also zu den harmonischen Beziehungen zu unserem nördlichen Nachbarn.

Am nördlichen Ende der Festung zeigten Ausgrabungen den gotischen Teil der Festung, wie er aussah, bevor Domenico d’Allio seine Arbeit aufnahm. Über diesen Ausgrabungen erhebt sich der Hackherlöwe.

Da kein Bild des tapferen Festungskommandanten erhalten geblieben ist, wurde beschlossen, sein Heldentum zum hundertsten Jubiläum im Jahr 1909 mit einem Metalllöwen zu ehren. Dieser wurde zwar während des Zweiten Weltkriegs eingeschmolzen, aber dann wieder hergestellt und 1966 an seinen ursprünglichen Platz gebracht.

Der gesamte Schlossberg ist heute ein Park. Nach der Zerstörung der Festung gab es hier ein großes Ruinenhaufen, bis der Baron Ludwig von Welden im Jahr 1838 die Idee hatte, den Hügel in einen Park umzuwandeln. Es war eine großartige Idee, und ihr Urheber wurde dafür auf dem Schlossberg mit seiner Statue belohnt. Beim Abstieg in die Stadt kommen wir am “Französischen Kreuz” vorbei.

Ob an diesem Kreuz ein französischer Unterhändler von den Österreichern hinterhältig erschossen wurde oder ob es sich um den österreichischen Fähnrich Karl König handelte, der von den Franzosen getötet wurde, ist eine Frage der unterschiedlichen Interpretation. In jedem Fall durften bis zu diesem Punkt die Familienmitglieder die Verurteilten begleiten, die zur Vollstreckung seiner Strafe in die Schlossberg-Kasematten gebracht wurden.

Wenn wir zum Karmelitenplatz hinuntergehen, befindet sich links von uns das Paulustor als Teil der ehemaligen Stadtbefestigung. Hier wurden auf Anordnung des Erzherzogs und späteren Kaisers Ferdinand II. am 8. August 1600 “ketzerische” Bücher verbrannt, also alles, was mit dem Protestantismus zu tun hatte. Später stand hier das erste Krankenhaus in Graz. Heute befindet sich in diesem Gebäude die Polizeidirektion.

Hinter dem Tor befindet sich der Stadtpark. Er ist riesig und bildet die grüne Lunge der Stadt. Seine Entstehung verdankt er einem glücklichen Zufall und einem fähigen Bürgermeister. Nach dem Abriss der Stadtmauern wurde das Glacis aufgehoben und zu begehrtem Baugrund umgewandelt. Ein Teil davon wurde jedoch von der Armee als Platz für Paraden und Marschübungen beibehalten und zu diesen Zwecken genutzt. Nach dem Krieg mit Preußen im Jahr 1866 geriet jedoch auch das österreichische Militär in große finanzielle Schwierigkeiten und wollte dieses Grundstück im Stadtzentrum verkaufen. Damals griff der aufmerksame Bürgermeister Moritz Franck ein und kaufte das ganze Grundstück im Jahr 1869 auf. Im Jahr 1872 wurde der Park feierlich eröffnet, seine ältesten Bäume sind daher bereits 150 Jahre alt. Der Bürgermeister verdiente sich mit dieser Tat nicht nur den Aufstieg in den Ritterstand, sondern auch seine Statue, die sich im Park neben einer riesigen Fontäne befindet.

Wenn wir vom Karmelitenplatz zur Sporgasse gehen, passieren wir den Saurau-Palast. Aus dem Dachfenster schaut uns ein hölzerner Türke an, der aus dem Fenster ausgelehnt ist.

Der Legende nach haben die Türken im Jahr 1532 Graz besetzt und die Bevölkerung flüchtete auf den Schlossberg. Ibrahim Pascha, der Kommandant der türkischen Armee, wollte gerade im Saurau-Palast speisen, als die Verteidiger vom Schlossberg eine Kanonenkugel abschossen, die den gedeckten Tisch traf. Daraufhin soll Ibrahim Pascha außer sich vor Wut gewesen sein. Er erklärte, dass er nicht in einer Stadt bleiben würde, in der er nicht in Ruhe essen könne, lehnte sich aus dem Fenster und gab den Befehl zum Abzug aus der Stadt. Bösartige Zungen behaupten außerdem, dass er aufgrund seiner korpulenten Statur im Fenster steckenblieb und die Türken auf den Rückzug aus der Stadt warten mussten, bis der Kommandant etwas abgenommen hatte, damit ihn die Soldaten wieder ins Haus ziehen konnten. Das ist aber nur eine Legende. Tatsächlich haben die Türken Graz nie erobert, und jener Türke im Fenster des Palastes war wahrscheinlich ein Hauszeichen.

Von der Sporgasse biegen wir in die Hofgasse ab, wo sich einst die Münze des Inneren Österreichs befand und wo Balthasar von Eggenberg seine unlauteren Geschäfte betrieb. An der Ecke befindet sich der Palast des Deutschen Ordens und ein Stück weiter der wunderschön geschnitzte hölzerne Eingang des Bäckerei Edegger-Tax.

Franz Tax, der Besitzer der Bäckerei, bat bereits im Jahr 1883 bei einem Besuch von Kaiser Franz Josef, dem er seine Produkte lieferte, um den Titel des Hofbäckers. Der Bitte wurde nicht entsprochen, warum, ist nicht bekannt. Franz Tax war jedoch ein beharrlicher Mensch, und als im Jahr 1888 Kronprinz Rudolf nach Graz kam, versuchte er es noch einmal und hatte diesmal Erfolg. Die Familie Tax backt hier nicht mehr, auch nicht ihre Nachkommen, die Familie Edegger. Der wunderschöne Eingang der Bäckerei steht jedoch seit 1950 unter Denkmalschutz. Die Hofgasse führt uns zum Beginn unserer Stadtführung, zum Dom und zur Burg mit ihren Gärten. Ich denke, ihr seid genauso erschöpft wie ich. Also, obwohl es in Graz noch viel zu besichtigen gibt – zum Beispiel sind wir nur am Opernhaus vorbeigekommen, sowohl am historischen als auch am modernen Gebäude – beenden wir unseren Spaziergang. Diejenige, die noch etwas weiteres besichtigen möchten, ebenso wie diejenige, die von der Wanderung schon mehr als genug haben, bitte ich um Verzeihung.

Graz IV


Wenn Sie bereits vom Spaziergang in der Stadt Graz müde sind, dann geht es mir genauso. Halten Sie durch, bald wird es vorbei sein. Aber es gibt noch viel zu sehen. Und ich verspreche, dass wir das Stadtzentrum nicht verlassen werden, und wir werden keine weiter entfernten Ziele besuchen, wie zum Beispiel das Schloss Eggenberg am Fuße des Plabutsch-Berges, das barocke Juwel der Wallfahrtskirche Mariatrost, das von Kaiser Karl VI., dem Vater von Maria Theresia, im Jahr 1714 erbaut wurde, die Ruine der Burg Gösting mit Jungfrausprung direkt über die Autobahn A9 oder sogar das Zisterzienserkloster Rein, wo die ersten Herrscher der Steiermark bis zum Vater von Friedrich III., Ernst der Eisernen, begraben sind. Bitte besuchen Sie es privat.

Nachdem wir uns also am Mehlplatz erfrischt haben, überqueren wir die Stadt über den Hauptplatz und betreten das Kälberne Viertel. Es ist nach der Vielzahl von Geschäften benannt, deren Stände an den Außenwänden der das Viertel dominierenden Kirche der Franziskaner aufgebaut wurden und wo einmal Rindfleisch verkauft wurde. Heute sind das Souvenirs und Kleider.

In Richtung Fluss befindet sich das kleinste Haus in Graz – in der Neutorgasse 11.

Ich mag dieses Viertel mit seinen zahlreichen Gasthäusern sehr. Zwei von ihnen, “Don Camillo” und “Peppone”, erinnern an den berühmten Roman des italienischen Journalisten Giovanni Guareschi, in dem in einem kleinen Dorf in der Po-Ebene nach dem Zweiten Weltkrieg der katholische Priester Don Camillo und der kommunistische Bürgermeister Peppone um die Gunst der einheimischen Bevölkerung kämpften. Das Franziskanerkloster wurde noch während der Babenberger-Dynastie gegründet – es werden die Jahre 1221, 1230 oder sogar 1241 angegeben. Als sich im Jahr 1517 der Franziskanerorden in Minoriten (Minoritenbrüder) und Franziskaner- Observanten spaltete, fiel die Kirche an die Minoriten. Bereits im Jahr 1571 bot Erzherzog Karl dieses Kloster den Jesuiten an, doch sie erschraken vor dem desolaten Zustand des Gebäudes und “begnügten” sich lieber mit dem Dom. Die Minoriten mussten schließlich ihr Kloster den Observanten überlassen. Der Grund war angeblich das unmoralische Leben der Mönche. Sie gingen nur über die Mur und ließen sich in Sichtweite ihres alten Quartiers das neue, wunderschöne Mariahilf-Kloster errichten. Es ist eines der wenigen rein barocken Gebäude in Graz mit einem prächtigen Barocksaal.

Sowohl Erzherzog Ferdinand als auch der frisch konvertierte Ulrich von Eggenberg trugen zum Bau bei, den der Baumeister des Mausoleums, Giovanni Pietro de Pomis, zwischen 1607 und 1611 geschaffen hat. Ulrich von Eggenberg musste nämlich beweisen, dass er es mit seiner Konversion zum Katholizismus ernst meinte, und das Ergebnis kann sich sehen lassen. Der Bau hat offensichtlich den steirischen Herrscher Ferdinand so angesprochen, dass er den Architekten beauftragte, das bereits erwähnte Mausoleum neben dem Dom zu errichten. Wenn jemand – wie ich – über die fehlende Logik nachdenken würde, nämlich dass das Mausoleum im Stil des Manierismus erbaut wurde und das einige Jahre ältere Mariahilf-Kloster rein barock ist, liegt das daran, dass das heutige Aussehen des Klosters hundert Jahre jünger ist. Den Mönchen hat ihr Kloster im Gegensatz zu Erzherzog Ferdinand nicht so gut gefallen, und sie ließen es in den Jahren 1742-1744 in die heutige barocke Form umbauen.

In dem Franziskanerkloster – der Pfarrkirche der Himmelfahrt der Jungfrau Maria – befindet sich die schönste gotische Jakobikapelle mit einem vergoldeten Altar. Übrigens wurde dort meine erste Enkelin getauft.

Zwischen den beiden Klöstern steht die Hauptbrücke über den Fluss Mur. Seit 1361 war sie aus Holz und wurde immer wieder von hohem Wasser weggerissen. Erst im Jahr 1889 wurde die heute noch stehende Stahlbrücke errichtet. Ursprünglich war sie mit Metallstatuen von Styria und Austria geschmückt – diese sind heute im Stadtpark ausgestellt. Styria ist eine friedliche Magd, während Austria mit Waffen klirrt.

Im Jahr 1471 war diese Brücke die einzige Überquerungsmöglichkeit über den Fluss, und auf der Stadtseite standen zwei Tore mit befestigten Türmen – das innere und das äußere Tor. Hier fand der berühmte Rebell Andreas Baumkircher sein Ende. Diese wahrhaft legendäre Figur lebte zurzeit Kaiser Friedrichs III. Andreas Baumkircher besaß ausgedehnte Ländereien und einige Burgen im heutigen Burgenland und war sogar eine Zeit lang der Zupan (Landeshauptmann) von Pressburg (Bratislava). Mehrmals half er dem Kaiser persönlich, zum Beispiel als er von der tschechischen Armee belagert wurde, die die Auslieferung von Ladislaus Posthumus forderte. Ladislaus war zwar offiziell der König von Böhmen, befand sich jedoch “unter dem Schutz” Friedrichs in der Wiener Neustadt. Baumkircher lieh dem Kaiser große Geldsummen. Friedrich war jedoch nie besonders gewissenhaft beim Begleichen seiner finanziellen Pflichten und seine Schulden bei Baumkircher wuchsen in schwindelerregende Höhen. Als Andreas die Hoffnung aufgab, seine Gelder auf legalem Weg zurückzuerlangen, erklärte er dem Kaiser “Fehde”, das heißt Krieg. Auf diese Weise konnten Gläubiger gemäß dem mittelalterlichen Recht ihre Forderungen durchsetzen. Dass dabei Menschen starben und Dörfer und Städte brannten, überraschte damals niemanden besonders. In der Steiermark entbrannte ein echter Krieg, bei dem die Rebellen die Städte Hartberg, Feldbach, Fürstenfeld, Maribor und Slovenska Bystrica besetzten, die Städtchen Wildon oder Katsch wurden völlig zerstört und der Konflikt kulminierte in der Schlacht bei Fürstenfeld am 21. Juli 1469. Auf beiden Seiten kämpften erfahrene böhmische Söldner mit husitischer Ausbildung, die kaiserliche Armee wurde vom Hauptmann Jan Holub angeführt, dessen Nationalität ist auch klar. Beide Seiten verwendeten die Taktik der Wagenburg. Die Schlacht war außergewöhnlich blutig und endete mit einem Sieg der Truppen von Baumkircher, als auch Jan Holub schwere Verletzungen erlitt und den Rückzug befehlen musste. Allein auf Seiten der Sieger gab es angeblich 300 Tote und 500 Verwundete.

Nach dieser Niederlage erkannte der Kaiser, dass er den Aufstand militärisch nicht unterdrücken konnte, und bot Baumkircher Verhandlungen an. Am 23. April 1471 kamen Andreas Baumkircher und sein Freund Andreas von Greisenegger mit einem Schutzbrief nach Graz, der bis zu der Vesper gültig sein sollte. Die Verhandlungen auf dem Schlossberg zogen sich jedoch hin, der Kaiser musste natürlich sowohl am Vormittag als auch nach dem Mittagessen ausschlafen (nicht umsonst nannte man ihn Erzschlafmütze), und als es der spätere Nachmittag war, bat Baumkircher um eine Verlängerung des Schutzbriefes. Als dies abgelehnt wurde, begann er einen Hinterhalt zu ahnen. Er brach die Verhandlungen ab, aber seine Pferde waren vom Schlosshof verschwunden. Die Ritter rannten zum Tor, und sie hätten es vielleicht geschafft, aber der Kaiser, der ihre Flucht beobachtete, ließ die Vesper eine Viertelstunde früher läuten. In dem Moment, als beide Ritter zwischen dem inneren und äußeren Tor waren, fielen die eisernen Gitter an beiden Toren herab, und sie befanden sich in der Falle. Ihre tapfere Verteidigung half ihnen nicht. Sie wurden gefangen genommen und noch am selben Tag hingerichtet, laut der Legende genau an jener Stelle zwischen den beiden Toren mit Blick auf die Brücke und das gegenüberliegende Ufer, wo die Rettung in Form von Baumkirchers Männern wartete.

Gleich auf der anderen Seite des Flusses befindet sich das Kunsthaus.

Mit seinem unkonventionellen Aussehen konnten sich die Bewohner von Graz, und nicht nur sie, lange Zeit nicht abfinden. Die Stadt versuchte den Unmut mit dem Spitznamen „Friendly Alien“ zu besänftigen. Die Bürger gaben dem Gebäude den Spitznamen “Krake”, aber sie gewöhnten sich allmählich daran. Es wurde sozusagen zum steirischen Eiffelturm. Auf jener rechten Flussseite befinden sich die schönsten Jugendstilhäuser, in denen einst die jüdische Gemeinde lebte. Die alte Synagoge wurde in der Kristallnacht vom 9. auf den 10. November 1938 von den Nazis zerstört, die neue wurde an derselben Stelle im Jahr 2000 eröffnet. Die Uferpromenade wird von den Hotels Weitzer und Wiesler dominiert. Das Fünfsternhotel Weitzer hat bereits Mick Jagger, Dalai Lama oder Jennifer Lawrence beherbergt. Arnold Schwarzenegger soll sogar eine Suite für seine Besuche in seiner Heimatstadt langfristig gemietet haben. Hinter den Hotels befindet sich das Kloster der Barmherzigen Brüder mit einem Krankenhaus. Die Mönche des Ordens, den der portugiesische Abenteurer Johann von Gott im Jahr 1539 gegründet hat, wurden im Jahr 1615 von den Erzherzögen Ferdinand und Maximilian nach Graz eingeladen. Es war ihr zweiter Wirkungsort auf habsburgischem Gebiet, der erste befand sich seit 1605 im mährischen (damals allerdings noch österreichischen) Valtice (Felsenberg). Dieser Orden reformierte die medizinische Versorgung und das angesehene Krankenhaus befindet sich dort bis heute. Genauso wie im nahegelegenen Haus des Elisabethinen-Ordens – der Turm ihrer Kirche ist weiß im Gegensatz zum gelben der Barmherzigen Brüder. Im Turm der Kirche der Barmherzigen Brüder befindet sich eine Kuriosität – die Schiffsglocke des österreichischen Kriegsschiffs “SMS Tegetthoff”. Es war das Flaggschiff der österreichischen Marine in der einzigen Seeschlacht, die Österreich je gewonnen hat – natürlich gegen Italien. Die Schlacht fand 1866 bei Lissa statt. Die Glocke hatte eine bewegte Geschichte. Zuerst wurde sie nach der österreichischen Kapitulation im Jahr 1918 den Italienern übergeben. Im Jahr 1942 wurde sie auf den schweren Kreuzer “Prinz Eugen” verlegt und im Jahr 1945 nach Kiel gebracht, um in Sicherheit zu sein. Dort blieb sie in einer Marineschule bis 1973, als sie ihren Platz im Turm der Kirche der Barmherzigen Brüder in Graz erhielt.

Auf der linken Muruferseite können wir über die Brücke oder über die Murinsel zurückkehren – eine künstliche Insel, die anlässlich von Graz als Kulturhauptstadt Europas im Jahr 2003 geschaffen wurde. Achten Sie darauf, die Toilette auf dieser Insel zu besuchen! Die Spiegel sind so gemein angeordnet, dass es recht schwierig ist, die Toilette wieder zu verlassen.

          Ich habe wirklich gehofft, den Spaziergang durch Graz heute beenden zu können. Allerdings haben wir heute schon mehr als genug gesehen und gelesen. Gönnen wir uns also noch eine zweiwöchentliche Pause, bis unser Besuch von Graz endlich zu Ende geht.