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Gargano II – auf den Spuren Friedrichs II.

               Ich beschloss also Gargano zu verlassen und die herumliegenden Städte zu besuchen, da die eine Schlüsselrolle in meinem neuen Roman spielen sollten. Die erste sollte Foggia sein. Bis wir Forresta Umbra hinter uns gelassen haben (ohne meine Frau, die im Hotel blieb). bekam mein Sohn eine grünliche Hautfarbe und hörte auf zu sprechen. (Offensichtlich erbte er von meiner Frau ein Paar Gene inklusiv ihrer Kinetose). Dann war der Weg nach Foggia aber schnurgerade. Ich gebe zu, dass Foggia kein echter touristischer Magnet ist. Obwohl hier im dreizehnten Jahrhundert der schönste Palast des damaligen Europas stand, bei dem die westliche Baukunst mit orientalischer Pracht und orientalischem Luxus kombiniert worden ist Die Reste des kaiserlichen Palastes fielen aber einem Erdbeben irgendwann im neunzehnten Jahrhundert zum Opfer. Damals ging auch das Herz Kaisers Friedrich verloren, das er hier bestatten ließ (sein Grab ist im Dom in sizilianischem Palermo). Was das Erdbeben nicht schaffte, vollendeten Bomben des zweiten Weltkrieges. Die Stadt, ein wichtiger Stützpunkt der deutschen Luftwaffe, wurde dem Boden gleich gemacht. Von dem Palast blieb ein Brunnen – ein Bogen mit dem Reichsadler und das Wasser, das mitten aus den Säulen fließt.

Der Platz, auf dem der Brunnen steht, heißt nach dem Erbauer des Palastes „Piazza Federico secondo“. In der Stadt gibt es ein Museum, das diese berühmteste Periode der Stadtgeschichte neugierigen Touristen nahebringt, es gibt hier auch einen legendären „Augustaler“ aus dem Jahr 1231 – das war die erste goldene Münze, die in der Westeuropa geprägt wurde. Der Kaiser schätze richtig, dass der Warenumsatz beträchtlich steigen würde und führte eine wertvollere Währung in Gold ein.

Der Duomo, der ein  Paradebeispiel des romanischen Stils sein sollte, wurde gerade restauriert, also konnten wir ihn nicht besuchen und konnten also auch nicht die hier aufbewahrte byzantinische Ikone sehen. Nach einer Legende fanden sie Hirten in einem See, über den drei Flammen brannten (diese Flammen hat die Stadt in ihrem Wappen) Das Municipio, also das Rathaus, ist ein großes Gebäude in klassizistischem Stil, es erinnerte an eine umgebaute alte Festung, vielleicht war es das einmal sogar.

               Wir verließen Foggia in Richtung Lucera. Diese Stadt war deshalb so nah an Foggia, weil der Kaiser hierher die widerspenstigen Araber aus Sizilien umsiedelte. In Lucera wurden sie brav und der Kaiser bildete aus ihnen seine Leibgarde. Friedrich erlaubte ihnen freien Religionsausübung –  und das nur 290 Kilometer von Rom entfernt!, womit er den ohnehin schon wütenden Papst noch mehr ärgerte. Die Araber wurden ihm auf Leben und Tod ergeben und dann gleich auch seinem Sohn Manfred. Aber nach der Schlacht bei Benevent kam der Untergang. Anjous nahmen die Stadt ein, weil sie keine Mauer haben durfte (so viel vertraut der Kaiser seinen Arabern doch nicht) und gaben den Einheimischen die Wahl zwischen Taufe und Tod. Eine absolute Mehrheit hat den Tod gewählt. Karl von Anjou ließ die Stadt neu aufbauen, im Zentrum ragt eine gotische Kathedrale aus Backsteinen empor, ein Symbol des Triumphes der französischen Waffen.

Die Kathedrale steht auf dem Platz, wo die große Moschee stand. Die Kathedrale war natürlich geschlossen. Ein Tourist wurde in Lucera noch nie gesichtet, zumindest leitete ich diesen Schluss von den Reaktionen der Einheimischen ab. Diese hielten uns an und fragten, was wir in der Stadt wollten und warum wir hergekommen sind. Die Restaurants waren alle zu, vor dem Hungertod rettete uns ein Bistro auf der „Piazza del Duomo“. Der Kellner sagte, er könnte Englisch, sein Wortschatz bestand aber lediglich aus den Worten „Mozarela, Tomato und Beer“. Das hat gereicht. Das Brot mussten wir ihm zeigen, übrigens, das Wort „Pane“ konnte ich schon damals. Hinter Lucera gibt es die Ruine einer Festung aus der Zeit der Anjou. Friedrich II ließ gerade hier eine Festung bauen, die uneinnehmbar war – angeblich hatte sie einen unterirdischen Eingang, den man bei Bedarf überfluten konnte. Es wäre die letze Zuflucht des Kaisers, sollte er seinen ewigen Kampf gegen Papst und seine Diener verlieren. Anjou ließ die Festung vergrößern und umbauen, aus dem Bau des Kaisers blieb also nicht viel übrig. Heute handelt sich um eine monumentale Ruine auf einem felsigen Hügel 14 Kilometer von Lucera entfernt. Es handelt sich um eine fünfeckige Festung mit über ein Kilometer langen Mauern mit vierundzwanzig Türmen.

Wenn man aber naiv denkt, dass der Weg zu „Castello“ irgendwie gekennzeichnet wäre, dann liegt man falsch. Mit Touristen wird hier einfach nicht gerechnet. Bei Lucera findet man auch die Reste eines römischen Amphitheaters aus den Zeiten, als die Stadt noch Luceria geheißen hatte. Sie hörte im Frühmittealter auf zu existieren und wurde nur noch von der arabischen Kommune im dreizehnten Jahrhundert wiedergegründet.

               Der nächste Halt war „Castel del Monte“. Es ist ein Symbol des nördlichen Apuliens und ein Symbol der Herrschaft des Kaisers Friedrichs II. Nicht umsonst schaffte es dieser Bau auf die italienische 1-Cent Münze. Friedrich ließ diese Burg mitten in der offenen Landschaft bauen, bis heute weiß keiner warum. Es gab hier keinen Stall und Archelogen suchten auch vergeblich nach einer Küche. Die Burg war also unbewohnbar. Das Gebäude in der Form eines Achteckes auf einem waldlosen Hügel erinnert viel zu deutlich an eine Königskrone auf einem kahlem Schädel, um die symbolische Bedeutung nicht zu verstehen. Im Inneren spielten die Architekten mit der Perfektion der Formen auch um den Preis des Funktionalitätsverlustes. Das Gebäude hat zwei Stockwerke gebaut überwiegend aus dem schönen, mit den Korallen durchwachsenden roten Konglomerat von Gargano, genannt Brecca. An den Treppen findet man Köpfe aus Stein mit einem furchtbaren angstauslösenden  Greinen. Die Statuen brachten meinen Sohn auf die Idee, dass es sich hier um ein Gefängnis handeln könnte. Möglicherweise gerade hier wollte der Kaiser den ungehorsamen Papst Innozenz IV. einsperren, wenn er ihn aus Lyon nach Italien gebracht hätte. Der Plan schlug fehl. Die Festung diente aber trotzdem als ein Gefängnis. Anjou ließ hier Kinder des Königs Manfred, also die Enkelkinder des Kaisers, einkerkern. Der letzte der Söhne Manfreds Heinrich – also der letzte Staufer, starb hier im Jahr 1318 nach einer 52 Jahre langer Haft.  

               Der letzte Stopp auf unserer Reise war nicht geplant. Aber etwas zog mich einfach auf den Berg in die Stadt mit dem zauberhaften Namen „Monte San Angelo“. Ich sollte es nicht bereuen, auch wenn man dafür einen Höhenunterschied von 800 Meter überwinden musste.

               Der Engel, nach dem die Stadt den Namen trägt, ist Erzengel Michael, der hier angeblich mehrmals erschien, im vierten und fünften Jahrhundert, das letzte Mal allerdings in der Silvesternacht des Jahres 999. In dieser Nacht betete hier Kaiser Otto III., um eine Verschiebung des Weltunterganges. Wie wir wissen, für das Jahr 1000 nach Christi Geburt wurde mit Sicherheit mit dem jüngsten Gericht gerechnet ( dass es dazu nicht gekommen ist, erschütterte beträchtlich das Vertrauen in die katholischen Kirche) Es war angeblich der Verdienst des frommen Kaisers. Er betete für seine Untertanen so intensiv, dass ihm Erzengel Michael erschien und ihm mitteilte, dass der Weltuntergang vertagt wird. Offensichtlich auf unbestimmte Zeit. Wie ich bereits in meinem Artikel über Pavia geschrieben habe, erfreute sich Erzengel Michael als Anführer des Himmelheeres einer großen Verehrung der germanischen Stämme. Sein Kult zieht sich durch das ganze Europa von „Le-Mont San Michael“ in der Normandie über Pavia bis zum „Monte San Angelo“. Hier endet die Reihe seiner Kirchen und Pilgerorte. Hier ließen sich langobardische Könige bestatten, die hierher aus dem weiten Pavia überführt werden mussten. Der Platz war einfach ein Kult und behielt ein Flair bis heute. 

               Der Eingang ist in der Kirche, die Karl von Anjou über die Höhle bauen ließ, davon stammt also ihr gotischer Baustil. Auf einer engen Treppe steigt man in die Tiefe des Felsmassivs ab, bis zu einem massiven byzantinischen Tor. Nachdem „Monte San Angelo“ von Sarazenen im Jahr 869 zerstört wurde, ließ diese heilige Stätte Kaiser Ludwig II. im Jahr 871 wieder aufbauen. Das Tor stammt aus dieser Zeit. Gleich hinter ihm ist ein kleiner Raum, der den Namen des heiligen Franciscus von Assisi trägt. Franciscus war ein bescheidener Mensch, „PR“ beherrschte er aber hervorragend. Als er „Monte San Angelo“ besuchte, betete er nicht vor dem Altar wie alle anderen Pilger, sondern um die Ecke in einem Vorraum gleich hinter dem Tor aus Bronze. Angeblich weil er sich nicht würdig fühlte, vor den Erzengel zu treten. So bildete er eine eigene Kapelle und eine zweite Pilgerstätte. Wenn man sich durchsetzen will, muss es einfach kennen. Der Altar unter der tief hängenden Felsendecke ist aus Marmor und auf ihm steht die Statue des Erzengels Michael und ein Kreuz, das Kaiser Friedrich II. der Kirche gestiftet hat. Er brachte es aus Jerusalem. Friedrich wurde infolge der Hochzeit mit Isabella von Jerusalem (sie war seine zweite Frau) zum König von Jerusalem und im fünften Kreuzzug (in dem nicht gekämpft, umso intensiver aber verhandelt wurde) gelang es ihm, Jerusalem zu gewinnen und das Kreuz aus der Domkirche von Jerusalem wurde hierher gebracht – zu einer Pilgerstätte in seinem zweiten – eigentlich seinem ersten Königreich – Sizilien. Dem Menschen stockt ein bisschen der Atem, diese Kirche ist nichts für klaustrophobe Menschen. Im Untergrund der Kirche befinden sich die Gräber der langobardischen Könige, wir kamen nicht hin, ich weiß nicht, ob man sie überhaupt besuchen kann.

               Die zweite Dominante der Stadt ist das Kastell auf der Bergspitze. Eine riesige Festung ist von der Stadt durch einen Graben getrennt, gerade hier lebte die schöne Bianca Lancia mit ihren Kindern, die sie dem Kaiser gebar, dem zukünftigen König Manfred und der byzantinischen Kaiserin Konstanz. Vom Turm der Festung gibt es einen unglaublich schönen Blick auf das ganze Land bis zum Meer, das fast einen Kilometer tiefer liegt.

               Als wir nach Vieste zurückfuhren, belohnte uns Gargano mit einem wunderschönen Regenbogen über dem Meer. Es bedankte sich bei uns für den Besuch und für unsere Geduld mit seinen Serpentinen. Wir danken auch. Gargano ist ein schönes und vielfältiges Erlebnis. Für die Liebhaber von Baden, Geschichte, Natur oder für die Pilger. Nur Menschen mit Kinetose sollten es wahrscheinlich meiden.              

Gargano

Wissen Sie, wo es ist? Ich hätte das nicht gewusst, hätte sich meine Frau nicht entschieden, den Urlaub im Jahr 2011 gerad dort zu verbringen. Ich wollte nach Apulien, da ich gerade für meinen neuen Roman über Friedrich II. recherchierte und sie wollte baden. Eine Kombination der Unterkunft am Meer und des Kennenlernens der Umgebung schien uns beiden optimal. War es aber nicht. Also sicher nicht  für meine Frau, die an einer Kinetose leidet. Damit kommen wir endlich zur Antwort auf die Frage, was Gargano eigentlich ist. Es ist ein Gebirge. Zwar nicht besonders hoch, aber doch ein Gebirge, durch das man sich zu den Ortschaften am Meer durch unzählige Serpentinen durchkämpfen muss. Infolge dieser Tatsache blieb meine liebe Gattin an der Küste von Apulien eingesperrt. Ich glaube, es ist ihr dabei nicht wirklich schlecht gegangen, abgesehen von der Reise hin und dann wieder zurück. 

               Gargano ist der Sporn des italienischen Stiefels. Viel Natur, ein Wald mit einem mysteriösen Namen „Forresta umbra“, Seen in der Nähe des Meeres und einige kleinen Städtchen, die sich Badeorte nennen dürfen – Vieste, Peschici und Monte San Angelo, und natürlich auch das Dorf „ San Giovanni Rotondo“ (Entschuldigung, es ist eine Stadt, es leben hier doch 27 000 Einwohner), wo in den Jahren 1947 – 1968 bis zu seinem Tod der populärste aller zeitgenössischen italienischen Heiligen, Padre Pio, tätig war.

Er hat hier „Casa sollievo della sofferenza“ also „Das Haus der Leidensminderung“ gegründet. Es war sein Projekt, das Haus wurde im Jahr 1956 eröffnet und Padre Pio führte es bis zu seinem Tod.  Also eine Unterbrechung der unendlichen Serpentinen im „Forresta umbra“ gerade in diesem Ort ist sicherlich nicht uninteressant. Heute steht hier ein großes Krankenhaus, natürlich mit einer Verbindung zu einer modernen Kirche „Santa Maria delle Grazie“.

Padre Pio wurde im Jahr 1998 selig und drei Jahre später heilig gesprochen – von wem sonst als von Johannes Paulus II.?  Zur Heiligsprechung sind Wunder unentbehrlich, in diesem Fall konnte es aber Johann Paul sogar aus eigener Erfahrung tun. Im Jahr 1947 traf der damals siebenundzwanzigjährige junge polnische Priester Karol Wojtyla Padre Pio, der bereits damals den Ruf eines Heiligen hatte (ähnlich wie beim heiligen Franziskus erschienen auf seinem Körper Stigmata, also Wunden Christi). Padre Pio sagte Wojtyla eine große Karriere voraus und auch, dass er einmal Papst würde.               Wojtyla war ein Waisenkind, seine nächsten Freunde, die ihm seine Familie ersetzten, war ein Ehepaar Wanda und Andrei. Wojtyla erfuhr, dass Wanda, Mutter vier kleiner Mädchen, schwer krank wurde. Sie hatte einen Tumor. Es war notwendig, ihn operativ zu entfernen, die Ärzte konnten aber auch dann nicht garantieren, dass Wanda durch die Operation gerettet werden konnte. Wojtyla schrieb einen Brief an Padre Pio und bat ihn um Gebete für die Genesung Wandas. Der Tumor verschwand auch ohne Operation. An dieser Heiligsprechung hatte also Johann Paul persönliches Interesse.

               Die Region von Gargano erlebte seine Blütezeit in der Zeit der Regierung Kaisers Friedrich II. Dieser verlegte die Hauptstadt seines Reiches – des Sizilianischen Königreiches, in die Stadt Foggia und von dort aus regierte er auch das ganze Römische Reich. Gargano bot sich an  als Ort der Erholung, der Jagd und als Ort, wo seine Geliebten leben konnten, vor allen die Frau, die er über alles liebte, die schöne und erhabene Bianca Lancia. Für sie ließ er Burgen in Vieste und in Monte San Angelo bauen. Er hatte mit ihr drei Kinder, zwei Töchter und einen Sohn Manfred, den späteren sizilianischen König. Nach ihm heißt eine Stadt in der unmittelbaren Nähe von Gargano, heute ein Industriehafen Manfredonia – zum Gegenteil von allen bereits genannten Orten zahlt sich nicht aus, diese Stadt zu besuchen.

               Der Kaiser hat seine Geliebte an ihrem Sterbebett geheiratet, weil er aber gerade im kirchlichen Bann war genau wie auch der Priester, der die Hochzeitzeremonie zelebriert hat, erkannte der Papst diese Hochzeit nie an und Biancas Kinder waren offiziell Bastarde. Für Manfred sollte diese Tatsache fatale Folgen haben. Der Papst erkannte nie seine Ansprüche auf die sizilianische Krone an, er hetzte Karl von Anjou auf ihn und dieser hat Manfred in der Schlacht bei Benevento besiegt. Manfred verlor in der Schlacht nicht nur seine Krone sondern auch sein Leben. Das Grab von Bianca Lancia wurde angeblich in Tarent, wo sie starb, entdeckt, die Gräber weiterer zweier Gattinnen des Kaisers, zufällig beide Isabell (von Jerusalem und von England) befinden sich im Dom in der Stadt Andria. Andria ist ein Nest mit 100 000 Einwohnern mit einem unglaublichen Gewirr schmaler Gassen, ich glaubte von dort niemals herauskommen zu können. Wer aber genug Mut und Interesse seine Verehrung den Kaiserinnen persönlich zu bringen, soll das unbedingt versuchen. Ich habe diese Absicht aufgegeben. 

               Gargano ist aber vor allem Natur. Sie lädt zu Wanderungen im tiefen Wald „Forresta umbra“ oder zu Ausflügen an die Küste mit zauberhaften Buchten, Höhlen, alles geschmückt mit typischem roten Konglomerat, das als Baumaterial für den kaiserlichen Palast in Foggia sowie auch für die mysteriöse Burg „Castel del Monte“, genutzt worden ist.

Ich und mein Sohn entschlossen uns, die Schönheiten der Küste Garganos kennen zu lernen und meldeten uns für einen Bootsausflug an. Natürlich findet man in der ganzen Region niemanden, der Englisch sprechen würde, geschweige Deutsch, umso mehr sind aber die Einheimischen kommunikativ. Vor allem der Busfahrer Francesco, der uns zum Boot gefahren hat. Ein kleiner schlanker Mann von Gewicht irgendwo knapp unterhalb von fünfzig Kilo und ununterbrochen sprechend. Er stopfte in seinen Bus mit neuen Sitzplätzen locker 16 Personen, dreizehn Polen, mich mit meinem Sohn und eine Italienerin, wobei er die polnischen Kinder zum Erstaunen ihrer Eltern in den Gepäckraum steckte – ein Widerstand war allerdings absolut zwecklos

Mit Francesco zu diskutieren war einfach nicht möglich. Die Tatsache, dass es nur Italienisch sprach, spielte dabei aber nur eine untergeordnete Rolle. Francesco schaltete einfach nicht auf Empfang. Übrigens, bei der Rückreise fragten ihn zwei weitere Polen, ob sie mitfahren dürften. Für Francesco war das kein Problem, also fuhren wir zurück zum Hotel im Bus zu achtzehn. Es war eng aber gemütlich. Francesco fragte ein kleines polnisches Mädchen, das allen Vorschriften zuwider auf dem Vordersitz neben dem Fahrer am Schoss ihrer Mutter saß, ob sie schwimmen konnte. Als sie seine Frage mit einem „nein“ beantwortete, ohne sie zu verstehen, folgte ein längerer Vortrag von Francesco über die Risiken, die damit verbunden sind, wenn sich jemand, der nicht schwimmen kann, einen Bootausflug kauft. In diesem Moment hielt es die einzige Italienerin im Bus nicht mehr aus und sagte zu unserem lieben Busfahrer: „Francesco, non capiscono, sono tutti stranieri.“ („Francesco, keiner versteht dich, das sind alle Ausländer.“) Nicht einmal diese Bemerkung konnte Francescos Redefluss stoppen. Als er uns dann bei dem Felsen, unter dem unseres Schiff vor Anker lag, ausgesetzt hatte, verschwand er sofort mit seinem Bus. Warum, verstanden wir bald. Als wir ein Kap umfuhren und bei der nächsten Anlegestelle stopp machten, stand hier Francesco mit weiteren fünfzehn Menschen. Und als wir letztendlich im Hafen von Vieste anlegten, wo der größte Teil der Touristen zugstiegen ist, mussten wir nur eine kurze Weile warten und dann sahen wir, dass zu uns Francesco, gefolgt von weiteren achtzehn Touristen, läuft. Also, wenn ich richtig gezählt habe, schaffte es dieser eine Busfahrer mit seinem kleinen Bus mit 9 Sitzen insgesamt 48 (in Worten vierundvierzig) Passagiere zu unserem Schiff zu bringen. Das nenne ich Effektivität, da sollte sich jemand über die niedrige Arbeitsproduktivität in Italien beklagen!

               Die Küste von Gargano ist wirklich schön. Felsen, Kalkformationen wie „Arco di santa Lucia“, also „Bogen der heiligen Lucia“, Einfahrten in die Höhlen, versteckte Lagunen und zwischen Felsen kleine geschlossene Sandstrände, wo man baden konnte.

Natürlich hatten diese Idee auch viele andere Schiffe und so ist man nie allein. Nach dem Bad fuhren wir zurück, auf dem Kap vor der Stadt grüßte uns Statue des heiligen Franciscus von Paola und dann auch unserer Busfahrer Francesco. Er brachte uns alle in bester Ordnung zurück zum Hotel.       

               Die größte Stadt in Gagano ist Vieste. Die Stadt liegt auf einem Felsen hoch über das Meer mit einem Hafen, sein Wahrzeichen ist ein weißer Felsen namens Pizzomuno, der die Form eines erregten Penis hat und der sich auf dem Strand „Spiagga lunga“ also „Langer Strand“ befindet. Als ich dieses Motiv in meinem Roman „Lang sterbe der König“ verwenden wollte, leistete meine Lektorin einen unüberwindbaren Widerstand und ich musste die Stelle im Text zu einem aufgerichteten Finger verändern. Aber – nur unter uns – ein Finger schaut anders aus.

Vieste ist ein klassisches italienisches Städtchen mit einem kleinen, aber lieben, Hauptplatz und einem Dom, die Stromleitungen werden außen auf den Fassaden gezogen (gleich wie auch in London) und auf dem höchsten Punkt der Stadt ragt eine massive Festung empor, die hier Friedrich II. für seine Bianca Lancia bauen ließ. Auch die half aber nicht, als die Stadt im Jahr 1554 der türkische Pirat Dragut eroberte. Auf dem Hauptplatz vor der Kathedrale ließ er 5000 Einwohner der Stadt enthaupten. Alle italienischen Städte an der Ostküste litten unter türkischen Überfällen. Die Türken beherrschten in dieser Zeit den Balkan und von dem reichen Italien wurden sie nur durch die enge Adria getrennt. Die Festung kann man nicht besuchen, heute ist hier eine militärische Zone. Dafür kann man aber das Restaurant auf „Piazza Petrone“ besuchen. Die Tische standen schief nach unten in Richtung Meer geneigt. Man musste also aufpassen, dass das Essen und vor allem das Trinken nicht wegrutscht, aber es war ein wunderbares Erlebnis. Die Bucht tief unter uns wechselte die Farbe von hellblau zu silbern, dann zu  Gold und zuletzt, als die Sonne endlich unterging, wurde sie dunkelblau. Das Essen war hervorragend, aber der Ziegenkäse, der dort zum Essen serviert wird, hat eine unangenehme Eigenschaft – im Magen wächst und wächst und wächst er.  Ich hatte das Gefühl, dass mein Magen platzen würde, meine Frau fuhr mich zum Hotel und ich verdaute das Abendessen noch den ganzen nächsten Vormittag.

               Das zweite Städtchen heißt Peschici. Auch in diesem Fall handelt sich um ein Städtchen hoch über dem Meer mit einem Hafen und mit einer Festung aus dem zehnten Jahrhundert, die man im Gegenteil zu Vieste besuchen darf. Ich plagte mich mit meinem Peugeot 407 durch das Gewirr der schmalen Gassen der Stadt und suchte einen Parkplatz und dann erreichte ich eine Kreuzung in der Form des Buchstabes „T“. Ich verstand in diesem Moment, dass ich verloren war. An der Kreuzung wurde überall geparkt, mit meinem Auto war ich absolut chancenlos durchzukommen. Wie es so schon in Italien überall ist, standen in den nächsten paar Sekunden mindestens weitere drei Autos hinter mir. Ich kapierte, dass mich von dort nur mehr ein Hubschrauber holen konnte. Aber in diesem Moment eilten bereits drei italienische Pensionisten zu mir, um mir zu helfen. Sie zeigten mir, wie ich das Auto drehen sollte, mit einer Genauigkeit auf Millimeter. Es war notwendig, Zentimeter wären zu wenig gewesen. Mit dieser Hilfe verließ ich aber die Kreuzung ohne einen einzigen Kratzer und liebte die Italiener schon wieder ein bisschen mehr.

Das Städtchen selbst hat einen kleinen Hauptplatz, ein Tor der mittelalterlichen Befestigung, die Häuser drücken sich dicht zusammen, gleich wie die Restaurants. Also ein kleiner Hauptplatz für eine kleine Bewohnerzahl, die ganze Stadt hat 4500 Seelen. Wir aßen wieder einmal in einem Restaurant hoch über den Hafen mit wunderschönen Aussichten und diesmal bestellte den Ziegenkäse meine Frau. Das war der letzte Besuch in einem Restaurant in Gargano. 

               Ach so, dass ich Friedrich II. wegen dem ich eingetlich hingefahren bin, vergessen habe? Nicht ganz, aber darüber im nächsten Artikel in zwei Wochen.

Assisi

Diese Stadt wäre wahrscheinlich ein unbedeutendes Nest am Fuße des Berges „Monte Subasio“, wäre nicht gerade hier im Jahr 1181 ein Mann zur Welt gekommen der eine der berühmtesten Persönlichkeiten der christlichen Geschichte werden sollte – der heilige Franciscus. Interessant ist, dass er eigentlich gar nicht Franciscus hieß,  er wurde Giovanni, also Johann getauft. Weil aber seine Mutter aus der Provence stammte und sein Vater zur Zeit seiner Geburt in Frankreich war, um Geschäfte zu machen, bekam der Bub den Spitznamen Francesco – also „der Franzose“.

In Assisi dreht sich heute natürlich alles um seine Person. Hier wurde er geboren, hier war auch der Schwerpunkt seiner Tätigkeit, hier starb er und wurde begraben. Über seinem Grab steht eine riesige Basilika, den Grundstein zu dieser Kirche legte Papst Gregor IX. bereits im Jahr 1229, also ein Jahr nach des Franciscus Tod. Den Platz für sein Grab wählte Franciscus selbst, ob er durch seine Wahl der damaligen Stadtverwaltung eine Freude bereitet hat, würde ich eher für unwahrscheinlich halten. Er wählte nämlich das Schafott in der südlichen Stadtecke. Angeblich tat er das deshalb, weil er sich so unwürdig fühlte, an einem besseren Ort begraben zu werden. Also sollte er an einem Platz seine letzte Ruhe finden, wo sonst nur Verbrecher verscharrt worden waren, genau wie Christus selbst. Diesem Phänomen der Analogien zum Leben Christi werden wir in der Erzählung über Franciscus Leben noch mehrmals begegnen

               In jedem Fall hieß der Hügel, auf dem der Galgen stand, „Colle d´Inferno“, also „Höllenhügel“ An so einem Ort durfte man natürlich den Heiligen nicht ruhen lassen, also wurde der Hügel postwendend auf Paradishügel, also „Colle del Paradiso“ unbenannt. Tatsache aber ist, dass die Kirche des heiligen Franciscus auf einem wunderschönen Ort steht, mit atemraubenden Aussichten auf die Hochebene von Umbria. Und zwar auf dem untersten Rand der Stadt, wohin man vom Stadtzentrum durch die ganze Stadt auf der Straße „Via del Seminario“ und anschließend auf der „Via San  Francesco“ marschieren muss und damit erfüllt sie alle Voraussetzungen einer Pilgerkirche. Franciscus gründete sein Kult selbst, ob absichtlich oder unabsichtlich, weiß ich nicht, ich habe aber ein Gefühl, dass er sich in der „PR“ sehr gut ausgekannt hat. Hätte er diese Eigenschaft nicht besessen, hätte er sicher nicht so einen großen Erfolg gehabt.

               Die Basilika des Heiligen Franciscus ist ein riesiger Komplex mit einem weitläufigen Hof, wohin man durch Sicherheitskontrollen gleich wie auf den Flughäfen oder bei den römischen Basiliken, gehen muss, Soldaten checken die Besucher mit einem Metalldetektor durch, ob sie bei sich eine Waffe oder eine Bombe haben. Die Kirche selbst hat zwei Stockwerke. Das Untere ist eine romanische Basilika aus dem dreizehnten Jahrhundert, geschmückt mit bunten Fresken, obwohl man die Kirche durch eine deutlich jüngere Vorhalle im Still der Renaissance aus dem Jahr 1487 betreten muss. Die Kirche hat eine niedrige Decke und wirkt, besonders bei den Menschenmengen, die hier spazieren, beten oder singen, fast klaustrophobisch.

An den Seiten gibt es eine Menge Kapellen, ebenso mit Fresken bemalt. Rechts ist das Leiden Christi, links das Leben des heiligen Franciscus dargestellt. Das Fresko in der Apsis von Cesare Semei stellt das Jüngste Gericht da und ist deutlich jünger – der Autor schuf es im siebzehnten Jahrhundert. In der Krypta, in die man auf den Stiegen auf der rechten Seite der Kirche hinabsteigen kann, gibt es das Grab des heiligen Franciscus. Es ist ein sehr einfacher Sarkophag aus Stein, von dem im Altar nur ein kleiner Teil zu sehen ist. Als der Leichnam des Franciscus im Jahr 1818 exhumiert wurde, wurden seine Knochen zuerst in ein prächtiges Grab verlegt, das den Vergleich mit dem Grab des heiligen Dominikus in Bologna nicht scheuen müsste. Das weckte aber Widerstand besonders bei den Franziskanern, die wussten, dass so ein Grab den Vorstellungen des Gründers ihres Ordens nicht entsprechen würde. Im Jahr 1932 wurden also seine Gebeine in ein einfaches Grab verlegt, in dem sie bis heute ruhen. Bei dem Grab gibt es Bänke, wo man sich setzen darf und dann still sitzen, beten oder meditieren soll, in keinem Fall darf man hier fotografieren oder filmen.

               Von der unteren Kirche steigt man auf den Stiegen in das Zwischengeschoss, wo es den Kreuzweg des Klosters mit dem Kirchenschatzraum „Il Tresoro“ gibt. Hier werden Gegenstände ausgestellt, die dem Heiligen gehörten. Sein Mantel, seine Pantoffeln, aber auch ein Horn, das ihm der ägyptischen Sultan Al Kamil geschenkt hat. Im Jahr 1219 nahm nämlich Franciscus am Kreuzzug nach Ägypten teil (mit zwölf Ordensbrüdern – erinnert euch diese Zahl an die zwölf Apostel? – diese Zahl der Begleiter verwendete Franciscus viel zu oft um einen Zufall vermuten zu dürfen) und sah mit eigenen Augen die Eroberung der Stadt Damietta, die mit einem furchtbaren Massaker endete – es wurden 6000 Stadtbewohner von den Kreuzrittern niedergemetzelt. Franciscus entschloss sich den Frieden zu vermitteln und ging persönlich zum  Sultan. Er hatte Glück, dass der Sultan Al Kamil war, ein aufgeklärter Herrscher, neugierig auf neue Impulse, egal, woher sie kamen. Mit Franciscus verbrachte er einige Tage in einer gelehrten Diskussion. Er trat zwar nicht zum christlichen Glauben über, wie sich das Franciscus gewünscht hätte, fand aber an dem weisen Mönchen seinen Gefallen und beschenkte ihn zum  Abschied mit dem Horn, das man heute in „Tresoro“ in Assisi sehen kann. Franciscus hatte in seinem Leben mehrmals großes Glück. 

               Das erste Mal bereits im Jahr 1202, als Assisi, das traditionell zur kaiserlichen Partei der Ghibellinen gehörte, in einen Konflikt mit dem guelfischen Perugia geriet und in der Schlacht bei Colestrada verlor. Franciscus hat die Schlacht überlebt, geriet aber in Gefangenschaft, aus der ihn sein Vater im Jahr 1204 freikaufen musste.    

               Das zweite Mal hatte er Glück, als er im Jahr 1209 nach Rom aufbrach, um sich seine neue Regel, die er einige Jahre zuvor gegründet hatte, bestätigen zu lassen. Er ging hin – wieder einmal mit zwölf Gefährten – um sich gegen die Beschuldigung der Blasphemie zu verteidigen. Er ging zu Papst Innozenz III., der in der Verfolgung der Ketzerei unnachgiebig war – seine Kreuzzüge gegen Albigenser führten zu Massaker der Bevölkerung in Südfrankreich und auch sonst hatte sich der Papst als der Beschützer der Glaubensreinheit verstanden. Aber egal, wie unnachgiebig Innozenz in Verteidigung der Dogmen war, er erkannte das Potenzial, das Franciscus der Kirche anbieten konnte. Die Kirche müsste dringend für den Kampf um die Weltherrschaft, den Innozenz gegen die weltliche Macht, also gegen den Kaiser führte, das gemeine Volk zu gewinnen, das sich von den reichen Prälaten bereits abgewandt hatte. Innozenz hatte angeblich in der Nacht vor dem Empfang des Franciscus einen Traum, in dem ihm Franciscus erschien, der eine wackelnde Kirche stützte und vor einem Fall bewahrte. (Weil auf Italienisch genau wie auf Deutsch „Chieza“ das Gebäude wie auch die kirchliche Organisation bedeuten kann, bot sich die Allegorie eines Menschen, der das erschütterte menschliche Vertrauen in die katholische Kirche wiederherstellen und die Kirche vor dem Fall retten kann, an). Dieser legendäre Traum – es ist gut möglich, dass Innozenz diesen Traum selbst freierfunden hat, um seine Entscheidung besser begründen zu können, ist in der unteren Kirche direkt in der ersten Kapelle links – es ist die Kapelle des heiligen Martins – dargestellt. Innozenz hat Franciscus zur allgemeinen Überraschung nicht verurteilt und als Ketzer verbrennen lassen, sondern verfiel in eine Ekstase, erkannte seine Regel und versprach ihm volle päpstliche Unterstützung. Wäre auf dem Stuhl Petri zu dieser Zeit ein weniger weiser Herrscher gewesen, wer weiß, wie es ausgegangen wäre. Also sehr ähnliche Geschichte wie die von Ägypten.

               Die Fresken in der unteren Kirche würden sich einen eigenen Artikel verdienen, das am meisten umstrittene Fresko stellt die Franciscus preisende Madonna dar. Jungfrau Maria mit dem Christkind in den Armen zeigt mit dem  Finder auf Franciscus, während Evangelist Johannes neben ihr ganz unbeachtet steht. Ob dieses Fresko in der Kirche bleiben durfte, musste sogar der Papst persönlich entscheiden. Gregor IX., ein persönlicher Freund des Franciscus, entschied im Jahr 1234, dass dieses Fresko nicht ketzerisch sei, da Johannes das Evangelium lediglich geschrieben, Franciscus es aber gelebt hat. Und Päpste, wie wir schon wissen, irren nie.

               Das Obergeschoss der Basilika ist ein atemraubendes gotisches Gebäude mit sehr hohen Bögen.

Es  erinnert Sainte Chapelle in Paris, ist aber viel größer. Die Glasfenster stammen aus dem dreizehnten Jahrhundert und wurden von englischen und deutschen Meistern geschaffen, so schnell verbreitete sich der Kult des Heiligen in der ganzen damaligen bekannten Welt. Die Architektur ist einfach, um die Malereien an den Wänden umso mehr auf den Besucher wirken zu lassen. Hier arbeitete kein kleinerer als der größte aller Meister Giotto di Bondone und seine Schüler. Die Wände werden mit 28 Fresken geschmückt. Im Urzeigesinn beschreiben sie das Leben des heiligen Franciscus, das berühmteste Bild ist seine Predigt für die Vögel. Diese Bilder waren in ihrer Zeit eine wahre Revolution in der darstellenden Kunst. Anstatt byzantinischen vergoldeten Ikonen gab es plötzlich Bilder aus dem alltäglichen Leben mit Gesichtern von Menschen, die man auf der Straße treffen konnte. Die Renaissance klopfte auf die Tür. Zwischen den Fenstern gibt es Bilder aus dem Alten (rechts) und aus dem Neuen (links) Testament. Die Himmelfahrt Christi und die Entsendung des Heiligen Geistes schmücken die Wand der Fassade. In der Apsis gibt es einen Stuhl aus Marmor. In der ganzen oberen Kirche darf man weder fotografieren, noch filmen, als ich aber für eine Weile doch nicht widerstehen konnte, hat sich meine Frau von mir losgesagt und für einige Minuten hatten wir mit Ausnahme unserer Kinder nichts Gemeinsames. Aber wie konnte ich im Angesicht solcher Schönheit widerstehen? Vor der Kirche steht eine Statue des heiligen Franciscus auf einem Pferd, sie stellt den Moment dar, als Franciscus, noch ein Soldat, erkannte, dass dies nicht der seine Weg sei und sich entschied, sein Leben entscheidend zu ändern. Wie es passierte, dazu kommen wir noch.  Das Zentrum von Assisi ist die „Piazza del Comune“. Es ist ein ehemaliges römisches Forum, das mit mittelalterlichen Gebäuden und barocken Palästen umrahmt ist. Als Goethe Assisi besucht hat, sprach ihn nur ein Gebäude an und zwar die Kirche „Santa Maria sopra Minerva“, die gerade auf diesem Platz steht. (Der heilige Franciscus interessierte den deutschen Aufgeklärten nicht ein bisschen).

Es handelt sich nämlich um einen römischen Tempel der Göttin Minerva, den die Italiener wieder einmal nicht niedergerissen, sondern in eine christliche Kirche umqualifiziert haben, wobei der Portikus mit sechs korinthischen Säulen erhalten blieb und den Liebhaber der Antike Goethe in eine Trance versetzte. Ein Teil des römischen Forums wurde ausgegraben, die Ausgrabungen befinden sich in den Kellern der Häuser am Anfang der „Via portica“ und man kann sie besuchen. Unterwegs zu Basilika zahlt es sich aus (mit dem gleichen Eintrittsticket), auch den bischöflichen Palast, wo die Pinakothek ist, zu besuchen– interessanter als die dort ausgestellten Bilder sind die Fresken an den Wänden, die von Schülern Giottos stammen.           

               O.k., ich gebe es zu, der Aufstieg zur Festung „Rocca Maggiore“ auf dem höchsten Punkt der Stadt gerade zur Mittagszeit war wirklich nicht die beste meiner Ideen. Es hätte mich aber meine Frau an diese Tatsache nicht so oft, also jede zehn Schritte, erinnern müssen. Es ist bergauf gegangen und nach einer bestimmten Zeit verlässt man die bebauten Stadtteile, die Schatten anbieten können und so marschiert man zur monumentalen Festung in der prallenden Sonne in einer offenen Landschaft. Ich würde also den Besuch der Festung für Morgenstunden empfehlen und wenn man in der Stadt nicht wohnt, sondern hierher mit dem Auto kommt (mit Parkplätzen gibt es kein Problem, es gibt genug davon), sollte man mit der Festung den Stadtbesuch beginnen. Übrigens gerade beim Verlassen des Parkhauses haben wir das erste Wunder in der Stadt erlebt, die auch sonst voll mit Wundern ist. Auf einer Straße, die nachweislich keine Zufahrt hatte (auf einer Seite gab es ein zugemauertes Stadttor, auf der anderen eine steile Stiege), stand eine Reihe vorbildlich eingeparkten Autos. Wie sie hingekommen sind, haben wir auch nach einer längeren Forschung nicht verstanden. Aber Assisi ist schon einmal so. Hier ist es nicht notwendig zu verstehen, lediglich zu glauben.    

Die Festung „Rocca“ wurde vom Erzbischof Christian von Mainz gebaut, als er Assisi im Auftrag von Kaiser Friedrich Barbarossa erobert hat.

Nach ihm kam aber Konrad von Ursulingen, der vom Kaiser zum Grafen von Assisi und Herzog von Spoleto befördert wurde. Dass mit ihm nicht alles in Ordnung war, dafür spricht schon sein Spitzname „mesca in cervello“ also „Die Mücke im  Kopf“. Im Jahr 1198 musste er auf seine Titel verzichten und die Bürger von Assisi zerstörten in einem Rausch der Begeisterung über seinen Abschied die Festung. Dieses Ereignis erlebte bereits der siebzehnjährige Franciscus. Eine Legende erzählt, dass gerade in dieser Festung Kaiser Friedrich II. die erste zwei Jahre seines Lebens verbrachte, gerade unter der Vormundschaft des wahnsinnigen Grafen Konrad. Manche Historiker gehen noch weiter und behaupten, dass Friedrich in Assisi sogar geboren wurde. Im Text des deutschen Mönchs, der über die Geburt des Prinzen berichtet hat, ist der Geburtsort nämlich „ASSIS“ genannt. Es handelt sich wahrscheinlich um einen Schreibfehler und Verstümmelung des Namens „AESIS“, also Jesi, wo der zukünftige Kaiser und „Stupor mundi“ wirklich geboren wurde. Eine Legende lässt sich aber durch solche Erklärungen nicht unterkriegen und erzählt weiter, dass der kleine Friedrich im Dom des heiligen Rufinus in Assisi getauft wurde und natürlich lässt sich den Vergleich nicht nehmen, dass an dem gleichen Ort der Heilige (also Franciscus) sowie auch der „Antichrist“ (Friedrich) geboren wurden. 

Die zerstörte Festung ließen im vierzehnten Jahrhundert der Kardinal Gil Alvárez de Albornoz und der Condottiere von Perugia Biordo Michelotti in der heutigen monumentalen Größe ausbauen – in dieser Zeit war Assisi schon guelfisch und unter der päpstlichen Kontrolle. Ich versprach mir vom höchsten Turm der Festung einen atemberaubenden Blick auf die Stadt aus der Vogelperspektive, ich sollte aber enttäuscht werden. Auf die Dachterrasse des Turmes darf man nicht steigen und das Fenster im höchsten Stockwerk ist  mit einem so dichten Gitter vergittert, dass man gar nichts sehen konnte. Aber auch die Blicke auf die Stadt auf einer und auf die Apenninen auf der anderen Seite, die ein Spaziergang auf den gut erhaltenen Festungsmauern bietet, sind schön genug, um die Festung zu besuchen. Wer mehr Kräfte und Ausdauer hat, kann auch den zweiten Turm „Roca minore“ besuchen, ich konnte aber meine Frau zu dieser Leistung nicht mehr motivieren.

               Im Stadtzentrum steht der „Duomo“, der wieder einmal, wie wir in Italien bereits gewöhnt sind, zwar die zentrale, nicht aber die bedeutsamste Kirche der Stadt ist.

„Duomo san Rufino“ ist ein monumentales gotisches Gebäude, geweiht einem lokalen Märtyrer aus den römischen Zeiten, dem Rufinus von Assisi, angeblich dem ersten dortigen Bischof. Seine Statue in einer barocken Ausführung ist im Kircheninneren, viel interessanter ist aber das Taufbecken, in dem der Legende nach der heilige Franciscus, die heilige Klara sowie auch der Kaiser Friedrich II. getauft wurden. Im Dom kann man auch „Das Kreuz des heiligen Damianus“ sehen, mit dem die ganze Geschichte um den heiligen Franciscus begann. Im Jahr 1205 betete Franciscus in einem sich im Zerfall befindendem Kirchlein des heiligen Damianus, als das Kreuz zu ihm sprach und sagte „Franciscus, erneue mein heruntergekommenes Haus“. Franciscus nahm es wörtlich. Es verkaufte Stoffe seines Vaters und das Geld widmete er für die Erneuerung der Kirche. Dadurch kam er natürlich in Konflikt mit seinem Vater, der damit endete, dass der junge Franciscus die Familie verlassen und mit dem Vaters gebrochen hat.

               Die Zelle, in die ihn der wütende Vater einsperren sollte, kann man in der Kirche „Chieza nuova“ sehen.

Diese Kirche ließ der spanische König Filip III. an der Stelle des Geburtshauses des Franciscus bauen. Die barocke Kirche passt in das Stadtkolorit nicht wirklich, damals gab es aber keine Urbanisten und wenn es sie auch gäbe, keiner hätte es gewagt, dem mächtigen spanischen Monarchen etwas zu sagen. Vor der Kirche gibt es Statuen der Eltern von Franciscus, also nach der Vorstellung des Bildhauers. Ihr Aussehen wurde – im Gegenteil zu Franciscus – nicht erhalten. Woher kennen wir das Antlitz des Franciscus? Bei den Arbeiten auf den Fresken in der unteren Basilika des heiligen Franciscus waren zwei Neffen des Heiligen mit ihrem Rat behilflich. In dem Verließ in seinem Geburtshaus ist eine Statue des bettenden Franciscus und um jeden Zweifel zu beseitigen, gibt es hier eine Anschrift „Carcer Ubi Franciscus Inclusus Fuita Patre“. Ob das wirklich so war, können wir nur raten, aber Legenden sind häufig bedeutsamer als historische Tatsachen.

               Eine wichtigere Kirche als „Chieza Nuova“ und sogar wichtiger als der „Duomo“, also die zweitwichtigste Kirche in der Stadt, ist die Kirche der heiligen Klara. Klara von Assisi (mit eigenem Namen Chiara dei Scifi) war eine treue Begleiterin des heiligen Franciscus und die Gründerin des weiblichen Zweiges des Ordens. Klara, um einer Vermählung, die für sie ihre Eltern, reiche Bürger von Assisi,  organisierten, zu entkommen, floh im Alter von achtzehn Jahren zu Franciscus, der damals mit seinen Gefährten in einer kleinen Kirche Portiuncula unterhalb der Stadt lebte. Franciscus hörte sich ihre Klagen und ihr Wunsch nach ewigen Jungfräulichkeit an, er schnitt ihr eigenhändig ihre Haare ab, ließ sie ein Ordengewand anziehen, übergab ihr einen Schleier als Zeichen der Keuschheit und nahm sie in seine Gesellschaft auf. Die Eltern der geflohenen Braut wollten aber nicht so einfach aufgeben. Sie kamen persönlich mit der Absicht, sie ins Familienhaus, das auf einem wichtigen Platz direkt neben dem Dom stand, abzuholen. Klara leistete passiven Widerstand. Sie legte sich auf den Boden nieder und ihr Körper wurde so schwer, dass nicht einmal zwölf starke Männer sie heben und abholen vermochten. Letztendlich mussten also ihre Eltern die neue Berufung ihrer Tochter akzeptieren. Klara ließ sich zwischen den Wiesen und Olivenhaien in der Kirche San Damiano nieder – ja, richtig, in der Kirche, die einmal Franciscus reparieren ließ und in ihrer Flucht vom Reichtum zur Armut hat sie eine ganze Reihe Begleiterinnen gefunden. Im Jahr 1216 bestätigte der Papst Innozenz III.  die Gründung ihres Ordens. Der Leichnam der heiligen Klara ist in der Krypta der Kirche, die ihren Namen trägt, begraben. Diese Kirche befindet sich direkt in der Stadt und es ist ein imposantes romanisches Gebäude, gestützt mit massiven Seitenbögen.

Zum Kloster „San  Damiano“, wo sie wirkte, ist es möglich außerhalb der Stadtmauern abzusteigen, hier gibt es Ruhe und nur wenig Besucher.

               San Damiano ist also der erste Ort außerhalb der Stadtmauern, der zum heiligen Paar einen Bezug hat. Der nächste ist „Eremo delle Carceri“ ungefähr vier Kilometer von der Stadt entfernt in einer Kluft des Berges „Monte Subasio“. Hier befinden sich die Grotten, wo sich Franciscus mit seinen Begleitern immer zurückgezogen hat, wenn er die Menscheit nicht mehr leiden konnte – und das war ziemlich oft.

Heute gibt es hier ein märchenhaft in den Felsen der Kluft eingebautes Kloster, die Grotten kann man besuchen und in Sichtweite gibt es die Statuen des heiligen Franciscus und seiner Freunde. Der schlafende Franciscus liegt hier friedlich am Rücken und lächelt. Er hat offensichtlich nichts dagegen, wenn sich zu ihm Touristinnen legen, um sich mit dem schlafenden Heiligen fotografieren zu lassen.  Franciscus hatte für die menschlichen Schwächen immer Verständnis.

               Sechs Kilometer von Assisi entfernt gibt es dann noch einen sehr wichtigen Ort der Legende von Franciscus. Basilika „Santa Maria degli Angeli“, der Ort, wo Franciscus starb. Es war der Ort, wo der von ihm gegründeten Orden sein Mittelpunkt hatte, seine beliebte Kapelle Portiuncula. Nachdem bei ihm im Jahr 1224 Stigmata erschienen sind, also die Wunden Christi an den Händen, Füßen und an der linken Seite, wurde Franciscus krank. Er erblindete und nach mehreren brutalen und falschen therapeutischen Versuchen starb er in furchtbaren Schmerzen im Jahr 1226 im Alter von nur 45 Jahren. Die Askese ist also aus der medizinischen Sicht möglicherweise doch nicht die gesündeste Lebensart. Natürlich ist hier heute eine Pilgerstätte und im sechzehnten Jahrhundert wurde über die Kapelle eine gigantische Basilika gebaut, später durch ein Erbeben beschädigt, aber im Jahr 1928 im neobarocken Stil wiederaufgebaut. Neben der Sakristei gibt es einen Garten, in dem die Rosen bei der Büße des Heiligen ihre Dorne verloren haben. Diese Basilika hat gleich wie die Kirche des heiligen Franciscus in der Stadt den Status „Basilica maior“.

               Sie sind die einzigen „Basiliken maior“ außerhalb von Rom – und auch dort gibt es nur vier. Franciscus erbrachte in seinem Leben eine große Leistung für die Welt sowie auch für seine Geburtsstadt. Aber nicht nur das. Er wusste seine Leistung auch gut verkaufen, nicht umsonst war er der Sohn eines Kaufmanns. Aber allein Stoffe kaufen und verkaufen war ihm einfach zu wenig.      

               Erlauben Sie mir, bitte, am Ende dieses Artikels noch eine Bemerkung. Dass Lenin eigentlich Uljanov und Stalin Dzugaswilli hießen und die Oktoberrevolution im November war, dass alles konnte ich irgendwie verdauen. Aber dass der heiliger Franciscus Johann geheißen hat, das erschütterte mein Vertrauen in diese Welt direkt in ihren Fundamenten.      

Perugia

Die Stadt Perugia steht auf einem Berg. Auf einem hohen Berg. Als sie einmal auf einem Hügel mitten in der umbrischen Hochebene von Etruskern gegründet worden ist, wollten die Bewohner durch diese Lage jeden unerwünschten Besucher offensichtlich abschrecken. Was in unserem Fall beinahe geklappt hätte. Vom Hotel „Wine and Jazz“ führte ein steiler Weg bergauf in die Stadt, zuerst zwischen den Häusern, dann durch die Stadtmauer und danach weiter steil hinauf zwischen Trattorien, Osterien und Bars, die uns zu einer Aufgabe verführen wollten.

Wir gaben nicht auf. Wir gingen an dem „Torre degli Sciri“ vorbei, dem einzigen erhaltenen Turm, so typisch für alle italienische Städte und ihre mittelalterlichen Paläste der Adeligen und wir erreichten den Gipfel des Hügels, wo sich das Stadtzentrum befindet. Die Belohnung  für diese beinahe sportliche Leistung war groß. Inklusiv wunderschöner Aussichten auf die bereits erwähnte Ebene von Umbria. Möglicherweise waren gerade diese Aussichten der wahre Grund, warum die Etrusker ihr Perusia gerade hier gebaut haben. 

Das Hotel „Wine und Jazz“ haben wir nicht nur wegen seines vielversprechenden Namens gewählt, sondern weil es mit dem Auto sehr gut erreichbar war und einen großen Hotelparkplatz besaß. Wir wunderen uns ein bisschen über eine Menge an Touristen mit Rucksäcken und Wanderstöcken am Frühstückbuffet. Die aber, wie ich später erfuhr, hatten nicht vor, mit dieser Ausrüstung den Hauptplatz von Perugia, also die „Piazza IV.Novembre“  zu erklimmen, sondern gingen in den Nationalpark „Monte Sibillini“ wandern, wo einer der höchsten Berge der Apenninen der „Monte Ventoro“ mit seinen 2478 Höhemeter emporragt. Der Aufstieg in das Stadtzentrum war doch ein bisschen weniger anstrengend als der „Monte Ventoro“ und wir schafften es ohne Bergsteigersausrüstung. Den „Monte Ventoro“ kann man von der Aussichtsterrasse im Stadtzentrum sehen, mehr dominant ist aber der näherliegende Hügel „Monte Subasio“. Auf dem Hang dieses Berges  war eine schöne weiße Stadt zu sehen, in der wir das legendäre Assisi entdeckt haben. (Von Assisi sieht man Perugia nicht so gut wie umgekehrt)

               In Perugia ist alles irgendwie überdimensioniert. Nicht nur der Hügel, auf dem die Stadt steht, aber als ob die örtlichen Architekten, hingerissen von der Lage der Stadt, kein normales Haus bauen hätten können. Alles ist einfach gigantisch, also mit Ausnahme der U-Bahn, die sich wirklich den Namen „Minimetro“ verdient. Darüber aber später.         

               Der Hauptplatz von Perugia gehört, besonders bei abendlicher Beleuchtung, zu den zehn schönsten Plätzen in Italien. Wir konnten nicht widerstehen und kletterten noch einmal abends hierher und es war wirklich hinreißend. Der Hauptplatz wird auf einer Seite vom riesigen Rathaus der „Cassa dei Priori“, auf der anderen von einem großartigen „Duomo San Lorenzo“ dominiert, zwischen diesen zwei Gebäuden befindet sich das Wahrzeichen der Stadt, die Fontäne „Fontana Maggiore“.

Es ist ein wunderbares Werk des echten Anfanges der Renaissance. Ihr Autor war nämlich kein geringerer als Nicolo Pisano, der für den ersten Bildhauer und Architekten der Renaissance  gehalten wird.  Er war ein Mitglied der „Scuola nuova Siciliana“ und nach der Machtübernahme der Anjous über den italienischen Süden ging er nach Norden, um hier die Ideen der neuen kommenden Epoche anzukündigen. Sein Werk wurde von seinem Sohn Giovanni fortgesetzt, die beiden schufen hier Reliefs, die den Tierkreis, die Landarbeiten und die sieben freien Künste symbolisierten, aber es gab hier auch Darstellungen biblischen Personen Adam und Eva, Samson und Dalila, David und Goliath und es durften natürlich auch Romulus und Remus mit der römischen Wölfin nicht fehlen.         

               Die Stadt hatte nämlich bereits in den römischen Zeiten eine bemerkenswerte Geschichte. Nach der römischen Niederlage beim Trasimenischen  See im Jahr 217 v.Ch. stellte sich Perusia überraschendeweise auf die Seite der geschlagenen Römern und gegen den siegreichen Hannibal und wurde dafür mit dem Status des „Municipiums“ belohnt. Im Bürgerkrieg zwischen Mark Anton und Oktavian stellte es sich aber diesmal auf die falsche Seite und wurde von Oktavian vollständig vernichtet. Der neue Herrscher, jetzt schon Kaiser Augustus genannt, ließ die Stadt erneuern und so trug die Stadt dann den Namen „Perusia Augusta“. Diesen Namen kann man über dem römischen Tor, das wie alles in dieser Stadt, hoffnungslos überdimensioniert ist, sehen.  Dieses Tor „Arco Etrusco“ war eines der wenigen Dinge, die das Wüten des Oktavian Augustus überlebten, der Kaiser ließ also auf diesem alten Tor den neuen Namen der Stadt eingravieren.

Unmittelbar bei diesem Tor gibt es einen großartigen Palast Gallenga-Stuart. In diesem  Gebäude befindet sich eine Universität, die auf den Unterricht der italienischen Sprache für Ausländer spezialisiert ist. Jedes Jahr besuchen sie mehr als 8000 Studenten, um sich hier in Italienisch zu verbessern und die italienische Kultur kennen zu lernen. Angeblich sollten sie hier auch die italienische Wirtschaft studieren, in diesem Fach wäre ich aber sehr zurückhaltend und skeptisch. Auf diese Art lockt Perugia jährlich tausende Ausländer in die Stadt, es war eine geniale Idee und sie ging auf. Die Mindestzeit für das Studium sind 4 Wochen und die Kurse werden mit einer Staatsprüfung beendet und mit einem entsprechenden Diplom belohnt.  Also, sollten Sie wirklich Lust auf eine Verbesserung ihres Italienisch haben, Perugia ist ein wirklich der optimale Ort dafür.

               Aber zurück auf den Hauptplatz. Man sollte ihn nicht frühzeitig verlassen, der Rückkehr bedeutet eine physisch ziemlich anstrengende Herausforderung. Also, wenn aus der blau beleuchteten „Fontana Maggiore“ abends Wasserströme fließen, hat es etwas Magisches an sich und es ist wirklich ein schönes Schauspiel.

Um das Rathaus führt der „Corso Vanussi“, die Hauptstraße der Stadt, auf ihr kommt man zum „Giardini Carducci“, zu einem Park auf einer Terrasse, die einmal der höchste Punkt einer großen Festung „Rocca Paolina“ war. Diese Festung ließ hier Papst Paul III. bauen, nachdem er die Stadt eingenommen hatte. Er ließ zu diesem Zweck Häuser der reichsten Bürger niederreißen. Natürlich hatten gerade die Reichsten ihre Häuser hier auf diesem Platz mit den schönsten Aussichten auf das Land zu ihren Füßen. Die Aussicht von der Terrasse nicht nur auf die Stadt, sondern auf ganzes Umbrien, ist auch noch heute hinreisend.

Auf einer Seite des Rathauses in Richtung zur Fontäne gibt es die so genannte „Scala“ also „Die Treppe“. Es ist ein üblicher Treffpunkt für Junge und Alte, für Verwandte, Bekannte oder Freunde. Die Perugianer müssen sich nicht zwischen den riesigen Gebäuden der Stadt suchen, sie treffen sich einfach auf der Treppe. Die Treppe führt zum Sitzungssaal „Sala dei Notari“, ein Saal, wo sich die Adeligen der Stadt zu politischen Verhandlungen trafen.

Der Saal hat eine herrlich bemalte Holzdecke, auf den romanischen Bögen gibt es hier Szenen aus den Fabeln von Aesop und Szenen aus der Bibel. Über die Treppe ragen aus der Wand des Rathauses Metallskulpturen, die einen welfischen Löwen und einen beflügelten Greif, das Wappentier von Perugia, darstellen. Dem Greifen begegnet man in der Stadt überall, die Perugianer sind, wie alle Italiener, lokale Patrioten.

Auf der anderen Seite des Rathauses gibt es zwei wunderschöne Räume, die ehemaligen Treffpunkte der wichtigsten Zünfte der Stadt. Der erste ist das „Collegio della Mercanzia“, also die Zunftstube der Kaufleute, mit Wänden und einer Decke, die mit wunderschönen Schnitzereien aus Holz bedeckt sind. Der zweite gleich nebenan ist das „Collegio del Cambio“, also der Treffpunkt der Geldwechslergilde, also der Bankleute. Diese Räume sind noch schöner, offensichtlich waren die Bankiers bereits damals reicher als Kaufleute, es ist also nicht nur die Erfindung der letzten fünfundzwanzig Jahre des entfesselten Kapitalismus. Der Saal ist bemalt mit Fresken eines der größten Meister der Renaissance Perugino, der hier auch sich selbst in einem Selbstportrait verewigte. Auf der Decke sind Zeichen des Tierkreises und Bilder berühmter Römer, ein Teil des Komplexes ist auch die Kapelle des heiligen Johannes des Täufers, ebenso bedeckt mit Fresken aus der gleichen Zeit, also aus der Renaissance des fünfzehnten Jahrhunderts. Die Darstellung der Hinrichtung des Propheten hat mich ein bisschen stutzig gemacht. Der heilige Johannes, bereits kopflos, weil sein Kopf schon auf dem Teller bereit für die blutrüstige Salome liegt, kniet immer noch und betet. Das widerspricht einigermaßen meinen medizinischen Kenntnissen, aber was soll´s? Der Besuch zahlt sich aus.

Sowie auch der Besuch der umbrischen Gallerie eine Tür weiter, noch immer in dem unglaublich riesigen Rathaus. Auf zwei Stockwerken gibt es hier eine Pinakothek mit Bildern der Meister aus dem zwölften bis sechzehnten Jahrhundert, unter anderem auch ein Werk von Fra. Angelico.

Die zweite Dominante des Platzes ist der Dom des heiligen Lorenzo. Vor dem Seiteneingang steht eine große Statue des Papstes Julius III. Ich habe vergeblich nach einer Beziehung dieses Papstes zu Perugia gesucht. Er wurde hier weder geboren (er war ein Römer) noch ist er hier gestorben, in der Geschichte hinterließ er keine wesentliche Spur, er widmete sich eher Festen und Vergnügungen des Lebens (trotz seiner Gicht) als den Regierungsgeschäften. Der einzige Grund für die Fertigstellung seiner Statue konnte eine Arschkriecherei der Perugianer sein. Perugia war nämlich bis zum Jahr 1539 eine selbständige Kommune, nur in diesem Jahr zwang sie Papst Paul III., der Vorgänger des Julius, im so genannten „Salzkrieg“ in die Knie und Perugia musste die römische Oberhoheit akzeptieren. Also bauten die Bürger von Perugia seinem Nachfolger eine Statue als Zeichen ihrer Loyalität. Angeblich sollte dieser Papst der Stadt die Selbstverwaltung zurückgeben, die von seinem Vorgänger aufgehoben wurde.

Im – wie anders – riesigen – Dom des heiligen Lorenzo geht es mit den Päpsten schon konkreter los. Es gibt hier eine große Statue des Papstes Leo XIII. (1878 – 1903), der vor seiner Wahl zum Papst am 20. Februar 1878 Erzbischof von Perugia war.

Er wurde hierher eigentlich von seinem Vorgänger Pius IX. „abgeschoben“, weil er seine Politik viel zu laut kritisierte. Dieser Papst verdient  seine Statue, er führte die katholische Kirche in sehr schwierigen Zeiten und er tat es nicht schlecht. Es waren die Zeiten nach der Besetzung von Rom durch die italienische Armee im Jahr 1870, als Rom in Italien eingegliedert und zur Hauptstadt ausgerufen wurde. Der Papst hatte also kein eigenes Hoheitsgebiet (Die Lateranverträge, in denen dem Papst der Vatikan übergeben und aus dem italienischen Gebiet ausgegliedert wurde, wurden im Jahr 1929 unterschrieben) und er wurde vom römischen Pöbel gehasst und attackiert. Papst, sowie auch die gesamte katholische Kirche, gerieten unter starken Druck und der Papst schrieb sogar an Kaiser Franz Josef I., dass er Rom gerne verlassen und die katholische Kirche von einem anderen Ort (Wien) weiter führen würde. Es gelang ihm letztendlich trotzdem, alle Krisen zu meistern und die Autorität des Heiligen Stuhles zu stabilisieren. In San Lorenzo wurden zusätzlich noch drei Päpste begraben, die in Perugia im 13. Jahrhundert starben. Zwei blieben auch hier, es waren Urban IV. (1261 – 1264) und Martin IV. (1281 – 1285). Der dritte war für die Kirche viel zu wichtig um ihn im bedeutungslosen Perugia ruhen zu lassen, wo er im Jahr 1216 starb und begraben wurde. Deshalb wurden seine Überreste im Jahr 1890 nach Rom überführt. Es war Inocenz III. (1198 – 1216) einer der größten Päpste des Mittelalters, der sich selbst „Imperator verus“ nannte und den Anspruch auf die Macht über die gesamte Welt äußerte. Er war es, der im Konflikt zwischen den Welfen und Staufen lavierte und zum Kaiser zuerst den Welfen Otto IV. und dann Friedrich II. von Hohenstaufen krönte, für den er Vormund war. Negativ wurde er durch Ausruf des Kreuzzuges gegen Albigenser im Jahr 1208 berühmt, der in furchtbare Massaker der Zivilbevölkerung in der Provence mündete. Die größte Katastrophe seines Pontifikates war der vierte Kreuzzug in den Jahre 1202 – 1204, der als Folge die Eroberung von Konstantinopel durch die Kreuzritter und Fall des byzantinischen Reiches, dem eigentlich zur Hilfe gegen die Angriffe der Türken eilen sollte, hatte. Also er war es, der obwohl nicht absichtlich, durch katastrophale Folgen seiner Taten die westliche Welt schwächte. Also mit der Vernichtung von Byzanz sowie auch durch Einleitung des Krieges um die Macht über die bekannte Welt zwischen Kaisertum und Papsttum, der die Schwächung der zentralen weltlichen Macht zu Folge hatte. Im Jahr 1215 organisierte er den IV. Lateranischen Konzil, auf dem er die Ansprüche des Papstes auf die absolute Macht verkündete.

Die größte Attraktion der Kathedrale in Perugia ist aber der „Verlobungsring der Jungfrau Maria“. Seine Echtheit könnten wir wahrscheinlich zu Recht anzweifeln, nichtsdestotrotz wird er im Dom im einem Tresor aufbewahrt, der mit sieben Schlüsseln versperrt ist und in der Kapelle „Sant´Anello“ in der Höhe von acht Meter hinter einem vergoldeten Gitter, das wiederum mit vier Schlüsseln versperrt ist, aufbewahrt. Im Jahr 1473 gelang es den Perugianen im Städtchen Chiusi in der Toskana sich des Ringes zu bemächtigen und seitdem behüten sie ihn als die heiligste Reliquie. Den Gläubigen wird er nur zweimal im Jahr gezeigt, und zwar am 29. Juli und am vorletzten Januarwochenende, bei dem Fest der Vermählung der Jungfrau Maria mit Josef. An diesem Tag werden in Perugia Eheringe für das kommende Jahr gesegnet.

Auf der „Corso Vanucci“, wo man in zahlreichen Bars sitzen könnte, kommt man zu der bereits erwähnten Aussichtsterrasse  in dem „Giardini Carducci“. Nur von hier sieht man, auf welchem „Buckel“ eigentlich Perugia liegt und welchen unregelmäßigen Grundriss dieser Hügel hat. Die Ausläufer der Stadtbefestigung kann man nach den Kirchen, die in den Stadtecken stehen, identifizieren, wie der heilige Peter, der heilige Dominik oder auf der anderen Seite der heilige Franciscus. Dann geht man wieder bergab und kommt in ein Viertel, wo man die Altstadt durch das Tor des heiligen Antonius verlassen kann. Auf dem Weg entlang der Mauer bot sich ein hinreißender Blick auf die monumentale Kirche des heiligen Franciscus al Prato, die auf einem Felsvorsprung steht.

Der Abstieg zu dieser Kirche vom Stadtzentrum ist nicht leicht, dafür aber schön. Man geht nämlich durch das Universitätsviertel, gerade vor dem heiligen Franciscus, der eine riesige Ruine ist, treffen sich auf dem Rasen Studenten. Hier wird diskutiert, Gitarre gespielt und gesungen. Gleich neben der Kirche des heiligen Franciscus gibt es ein Oratorium des heiligen Bernardins von Siena. Bernardin war ein Franziskanermönch, ein hervorragender Redner, eine seiner berühmtesten Prediger hielt er im Dom des heiligen Lorenzo in Perugia. Die Perugianer bauten ihm dafür neben der Kirche des heiligen Franziskus ein Oratorium, das für ein Juwel der Hochrenaissance gehalten wird, wo man an den Wänden Steinreliefs mit Szenen aus dem Leben des Heiligen sehen kann.  

Natürlich gibt es in Perugia noch viel mehr zu sehen. Es gibt hier ein archäologisches Museum im Kloster neben der riesigen Kirche des heiligen Dominikus (es ist die größte Kirche in Perugia und das bedeutet schon was, weil die Konkurrenz sehr groß ist). In dieser Kirche ist noch ein Papst begraben, nämlich Benedikt XI., der hier angeblich nach Verzehr vergifteter Feigen im Jahr 1325 starb. Weiter gibt es das Kloster der heiligen Juliana oder antike Säulen aus Marmor und Granit in der Kirche des heiligen Petrus, die alte Universität auf der „Piazza Mateotti“, die Kirche des heiligen Augustin oder die Kapelle des heiligen Severus, wo Rafael sein allererstes Fresko währen seines Aufenthaltes in Perugia in den Jahren 1505 – 1508 gemalt hat.

Allerdings ist der Besuch von Perugia nicht vollendet, solange man nicht die örtliche U-Bahn benutzt hat – also die „Minimetro“. Die Idee ist genial, offensichtlich von den Bergen übernommen, wo man eine Seilbahn zur Fahrt auf den Gipfel benutzt. Weil Perugia ebenso auf einem Berg liegt, entschieden die Architekten, die Altstadt auf dem Berg mit der Neustadt im Tal mit einer Seilbahn zu verbinden.

Eine Kabine können ungefähr zehn Leute nutzen, aber die Kabinen fahren eine nach der anderen, die Kapazität ist also ausreichend. Wir mussten nicht warten. Es war nur ein bisschen mühsam, die Station „Pincetto“ zu finden. Man geht von der „Piazza Mateotti“ durch einen Tunnel hin, die Kennzeichnung war nicht wirklich gut. Direkt oberhalb der „Porta Santa Margherita“ genossen wir noch schöne Aussichten, tranken einen Aperolspritzer in einer winzig kleinen Bar und dann bestiegen wir eine Kabine. Obwohl die Talstation von unserem Hotel verhältnismäßig weit entfernt war, bereuten wir unsere Entscheidung nicht. So etwas Liebes in einer Stadt der Größe Perugias (163 000 Einwohner) sieht man nicht so oft.  

Bologna

               „Bologna rosa“, also das rote Bologna, wird die Stadt genannt und das hat gleich zwei Gründe. Den ersten versteht man, wenn man die Stadt vom Dach der Kirche des heiligen Petronius aus betrachtet, also beinahe aus der Vogelperspektive. (Übrigens, auf diese Aussichtsplattform brachte mich ein sehr vertrauensunwürdiger Lift, den in der Woche die Arbeiter nutzten, um das Dach der Kirche zu reparieren und am Wochenende diente der gleiche Lift zur Beförderung der Touristen zur Aussichtsplattform). Weil, noch bevor ich den Lift betreten durfte, drei Dokumente unterschreiben musste, in denen ich einverstanden war, dass ich den Lift nur auf eigene Gefahr betrat und der Liftbetreiber für gar nichts haftete, hatte ich während der Fahrt ein mulmiges Gefühl im Bauch, aber es passierte nichts Schlimmes. Die Aussicht war atemberaubend. Die Häuser sind wirklich aus roten Backsteinen und ohne Anstrich gebaut, was der Stadt ein kompaktes Bild in rotem Ton verleiht.

               Über den zweiten Aspekt zeugen hunderte Fotografien an der Mauer des Rathauses. Es sind Fotografien der Partisanen, die hier im Kampf gegen den italienischen Faschismus das Leben verloren, insbesondere in der Zeit der sogenannten „Norditalienischen Republik“, als Mussolini nur mehr eine Marionette der deutschen Nationalsozialisten war. Bologna war immer eine Stütze der italienischen Linken, entweder der Sozialdemokraten oder in angespannten Zeiten auch der Kommunisten. Auch Benito Mussolini machte mit Bologna eine schlechte Erfahrung. Der Attentäter Anteo Zamboni, der versuchte, ihn am 31. Oktober 1926 zu erschießen, stammte aus Bologna und wählte zum Attentat gerade seine Geburtsstadt. (Zamboni war 15 Jahre alt und wurde gleich nach dem Attentat gelyncht).

               Warum die bolognesische Politik traditionell nach links ausweicht, ist wahrscheinlich die Folge der Menge junger Menschen, die hier leben und studieren. Wie Wilson Churchill einmal gesagt hat: „Wer mit zwanzig kein Sozialist ist, hat kein Herz, wer mit vierzig noch immer ein Sozialist ist, hat keine Vernunft“. In Bologna lebt eine riesige Menge zwanzigjähriger Menschen, was mit der Tatsache zu tun hat, dass es hier die älteste europäische Universität gibt. Eigentlich existiert von ihr – im Gegenteil zu den Universitäten in Neapel oder Padua, die um den zweiten und dritten Platz ringen (lassen wir Pavia zur Seite, über dieses Problem habe ich bereits geschrieben), keine Gründungsurkunde und damit kann man kein genaues Datum feststellen, wann die erste Hochschule auf dem Kontinent entstanden ist. Irgendwann am Ende des 11. Jahrhunderts schlossen sich einige örtlichen Schulen zusammen und so ist die erste Universität entstanden. Im 19. Jahrhundert wurde das Datum im Jahr 1088 festgelegt, eigentlich etwas willkürlich, da die Urkunde fehlte. Es wurde hier Jus, Medizin, natürlich Theologie und die freien Künste unterrichtet, heutzutage hat die Universität 23 Fakultäten mit 100 000 Studenten. Sollten Sie sich aber für das Studium in Bologna entscheiden, müssten sie auf eine Sache aufpassen.

               Das Wahrzeichen von Bologna sind zwei schiefe Türme, die man gut von der „Piazza Maggiore“ aus sehen kann.

Der Turm in Pisa ist im Vergleich mit den Schwestern (oder Cousinen) von Bologna gerade wie eine Kerze. Der höhere der Türme „Torre degli Asinelli“ hat eine Höhe von 100 Meter und weicht um 1,3 Meter nach rechts. Wenn ein Student seine Spitze auf 498 Stufen erklimmen würde, rückte der Studienabschluss in unerreichbare Ferne. Der kleinere Turm „Torre Garisenda“ ist nur 48 Meter hoch, dafür aber beträgt seine seitliche Abweichung ganze 3,2 Meter – nach links. Wie ich schon sagte –  in Bologna hat alles eine Neigung, nach links abzuweichen, inklusiv der Politik. Die zwei Türme sind nur die auffälligsten von vielen anderen. Es sind die Türme der adeligen Paläste, die sich die erhabenen Familien bauen ließen, als sie vom Bürgertum gezwungen wurden, aus ihren Burgen am Lande in die Stadt umzuziehen. Die Türme waren ein Zeichen der Erhabenheit der Bewohner des Hauses, natürlich auch ein Verteidigungsaspekt und nicht zuletzt auch ein Phallussymbol. Ursprünglich gab es in der Stadt 180 solche Türme, heute gibt es noch immer fünfzehn davon. 

               Natürlich habe ich mich gleich beim Betreten des Stadtzentrums aufgeregt. Furchtbar aufgeregt! Die Hauptattraktion der Stadt ist nämlich der Neptunbrunnen auf einem Platz, der sogar nach ihm den Namen trägt.

Die Statue wurde vom Bildhauer Giambologna im Jahr 1566 geschaffen und zur Zeit, als ich die Stadt besucht habe, wurde sie natürlich repariert oder restauriert, sie war also von einem Gerüstmantel umhüllt und nicht sichtbar. Ich knirschte mit den Zähnen und war neugierig, wie Bologna diesen Verrat kompensieren könnte. Die Stadt hat aber, Gott sei Dank, viel Weiteres zu bieten.

Die Dominanten der Stadt sind drei Gebäude, die Kirche des heiligen Petronius, der „Pallazo del Re Enzo“ und der „Palazzo communale“, also das Rathaus. Alle drei sind so riesig, dass man vor ihnen atemlos stehen bleibt.

               Beginnen wir mit dem Palast des Königs Enzio.

Es passiert nur sehr selten, dass ein Gebäude den Namen nach seinem prominentesten Gefangenen bekommt. Der Palast direkt im Zentrum der Stadt hat eine interessante Geschichte, besonders interessant ist dann sein Name. Enzio war ein unehelicher Sohn des Kaisers Friedrich II. und sein bester Heerführer. Eine bestimmte Zeit, als er die Erbin der Provinz Gallura auf Sardinien geheiratet hatte, nannte er sich „König von Sardinien“. Weil aber der Papst diese Ehe niemals billigte, wurde aus dem Königstitel letztendlich nichts. Sein Vater ließ ihn Norditalien verwalten und Enzio machte sein Job erfolgreich und erbarmungslos. Bologna war immer im päpstlichen Lager, es lag letztendlich im Kirchenstaat. Die Bürger von Bologna waren also Guelfen und hatten mit Ghibellinen und mit ihrem Anführer Enzio nicht gerade kleine Probleme. Und dann hatten sie ein unerwartetes Glück. Am 26.Mai 1249 wurde Enzio in einem unbedeutenden Scharmützel bei Fossalta unweit von Modena vom Heer der Stadt Bologna gefangen genommen. Der Kaiser bot unglaubliches Lösegeld an, er war bereit, die ganze Stadt mit einem Ring aus Silber zu umgeben, wenn sein Sohn freigelassen würde. Die Bolognesen, die sich die mögliche Rache des freigelassenen Enzio gut vorstellen konnten, blieben für alle kaiserliche Angebote taub. Enzio blieb in der Gefangenschaft bis zu seinem Tod am 14. März 1272. Es war aber ein bequemes Gefängnis. Er bewohnte einen Palast, der damals noch „Palazzo nuovo“ geheißen hat, er musste also nur vor kurzer Zeit fertiggestellt worden sein. Enzio durfte dort Feiern veranstalten und Besuche empfangen – auch die weiblichen. Damen haben ihn gern besucht, da Enzio in sich poetische Begabung entdeckte und im Stil der gerade damals entstehenden Renaissance dichtete, also nach der „Scuola nuova siciliana.“ Es blieben uns zwar nur seine melancholischen Sonette über den Untergang des Hauses Hohenstaufen erhalten (der letzte Staufe, Enzios Neffe Konradin wurde im Jahr 1268 in Neapel hingerichtet, Enzio selbst wie auch der König von Sizilien Manfred und seine Kinder waren unehelich und damit nicht offiziell Mitglieder der Familie), aber die neue sizilianische Schule dichtete sehr häufig über die Liebe und dieses Thema mied Enzio sicher nicht. Nach seinem Tod tauften die Bologneser den Palast  auf „Palazzo del Re Enzo“ um, sie sprachen also ihren Gefangenen sogar mit seinem Königstitel an, der von ihrem Herrn, dem Papst, nie akzeptiert wurde.  

               Auf der anderen Seite des Platzes gegenüber dem „Palazzo Re Enzo“ steht die größte Kirche in Bologna, die Kirche des heiligen Petronius.

Der heilige Petronius, der Patron der Stadt, war Bischof von Bologna in den Jahren 432 – 450. Sein Grab befindet sich in der Kirche, die er selbst gegründet hatte, also in der Kirche des heiligen Stephanus, sein Name trägt aber die größte Kirche der Stadt. (In der zumindest der Kopf des Heiligen als die heilige Reliquie aufbewahrt ist). Auf den ersten Blick sind an dem Dom von Bologna zwei Sachen auffällig. Es ist nur das Erdgeschoß mit Marmorplatten verkleidet, höher auf der Fassade sind nur mehr Backsteine zu sehen (natürlich in rot). Und was das Auffälligste ist, die Kirche hat kein Querschiff. Alle Kirchen wurden immer in der Form eines Kreuzes gebaut, der „Heilige Petronius“, obwohl er ein gigantischer fünfschiffiger Bau ist, hat kein Querschiff. Beide Aspekte, die ich nannte, geben dem Menschen ein Gefühl, das die Kirche nicht fertiggestellt wurde. Und der Bau ist wirklich nie vollendet worden. Die Bologneser wollten nämlich die größte Kirche in Italien bauen, größer als die Kirche des heiligen Petrus in Rom. Im Jahr 1509 wurde aber die Stadt vom Papst Julius II. eingenommen, also gerade von dem Papst, der die Kirche des heiligen Petrus in Vatikan bauen ließ und Michelangelo zwang, ihm die Sixtinische Kapelle auszumalen. Julius II. vertrieb aus der Stadt die herrschende Familie Bentivoglio (eigentlich kam er seine „geliebten“ Untertannen zu schützen, die gegen die Familie Bentivoglio einen Aufstand angezettelt hatten, geschlagen wurden und nicht mehr wussten, was sie tun sollten). Sie riefen den Papst zu Hilfe und der machte dem Eifer bei dem Bau ein rasches Ende. Er durfte natürlich nicht zulassen, dass seine Kirche in Rom übertroffen würde. Er machte es taktisch richtig. Er verbot die Fortsetzung des Baus nicht, aber an der Stelle, an der das Querschiff gebaut werden sollte, ließ er das Gebäude der Universität bauen. Und das wars! Die Reste der Bausubstanz, aus der das Querschiff entstehen sollte, sind auch heute noch sichtbar, das Universitätsgebäude im Stil der Renaissance mit Arkadenhof, mit Wappen der Rektoren an den Wänden, mit einer riesigen Bibliothek (Biblioteca communale) und Teatro anatomico, steht aber bis heute.

Das „Teatro anatomico“ aus dem Jahr 1563 ist ein Saal, in dem öffentliche Obduktionen stattgefunden haben. Die Decke wurde symbolisch mit dem Bild des Heilungsgottes Apollo geschmückt. In der Mitte steht der Obduktionstisch aus Marmor, unter dem Baldachin an der Wand gibt es den Sitz des Rektors. Der Baldachin wird von zwei männlichen hautlosen, aus Holz geschnittenen Figuren getragen. Die Obduktionen fanden unter der Aufsicht eines Priesters der Inquisition statt, der jeder Zeit die Obduktion abbrechen durfte, wenn sie seiner Meinung nach nicht der Lehre der katholischen Kirche entsprach. In den Wänden stehen Bänke aus Zedernholz, der Raum ist sehr schön. Die hier ausgestellten Dokumente bezeugen, dass hier seit dem Jahr 1732 die erste Frau in der Position eines Universitätsprofessors, Laura Bassi, tätig war.

               Der heutige Sitz der Universität befindet sich immer noch im Stadtzentrum, ist aber in Richtung der Peripherie verschoben, er ist im Palazzo Poggi und das gesamte Viertel um diesen Palast ist voll mit Graffiti, Poster und Anzeigen für Veranstaltungen der Studenten. Man merkt, dass das ganze Universitätsviertel wirklich den Studenten gehört. Bologna ist auf seine Universität sehr stolz und Studenten genießen hier viele Privilegien und erfreuen sich vieler Toleranz.

Aber zurück zur Kirche des Heiligen Petronius, oder dazu, was aus ihr vollendet wurde. Trotz Eingriffe der Päpste Julius II. und Pius IV. ist es immer noch die fünftgrößte Kathedrale der Welt – zumindest behaupten das die Bologneser. Es ist eine fünfschiffige Kirche im gotischen Stil, das Innere macht den Besucher atemlos. Historisch am meisten interessant ist aber die erste Kapelle links. Hier fand am 24. Februar 1530 die letzte Krönung eines römischen Kaisers statt. Karl V. hat keine große Lust zu seiner Krönung nach Rom zu reisen, drei Jahre zuvor wurde Rom nämlich von seinen Soldaten furchtbar geplündert (Sacco di Roma) und er fürchtete, dass er demzufolge in der Stadt am Tiber nicht gerade große Popularität genoss. Im Jahr 1529 schlossen der Kaiser und der Papst den „Frieden von Barcelona“  der auch durch Heirat ihrer unehelichen Kinder besiegelt wurde. Die Tochter des Kaisers, Margarete, heiratete den Herzog von Urbino Lorenzo, den „Neffen“ des Papstes Klement VII., von dem alle wussten, dass er ein Sohn des Papstes war. Ein Teil des Friedensvertrages legte auch die Verpflichtung des Papstes zur Krönung des Kaisers fest, deshalb kam Karl nach einem längeren Stopp in Mantua nach Bologna.

Später ließ sich kein Kaiser mehr vom Papst krönen. Karls Bruder Ferdinand I. hatte keine wirklich harmonischen Beziehungen zu den Herren in Vatikan und nannte sich also einfach „gewählter römischer Kaiser“, und in dieser Praxis folgten ihm dann alle folgenden Herrscher des römischen Reiches. Der Papst wurde zu einer kaiserlichen Krönung nur noch von Napoleon Bonaparte im Jahr 1804 wieder einmal eingeladen.

               Das dritte Gebäude auf der „Piazza Maggiore“ ist der „Palazzo communale“, also das Rathaus. Es ist ein unglaublich riesiges Gebäude, das ein ganzes Stadtviertel einnimmt.

Mit Innenhöfen, einzelnen Palästen, natürlich alles in roter Farbe. Bramante baute hier eine Treppe, auf der in das erste Obergeschoß Menschen auf Pferden reiten konnten, man konnte sogar dort mit Kutschen fahren. Das Rathaus wurde nach der Einnahme der Stadt durch die päpstliche Armee gebaut, deshalb gibt es im ersten Obergeschoß die Kapelle Farnese mit wunderschönen Fresken, die an diese einflussreiche päpstliche Familie, die später in Parma und Piacenza herrschte, erinnern. An der Fassade des Rathauses sind Fotos der Partisanen, die im Kampf gegen Mussolini starben, aber auch eine Gedenktafel an die Opfer der Massaker auf Korfu und Kefalonia, wo die Deutschen als eine Rache für italienischen Verrat alle gefangene italienische Soldaten ermordeten. (Wer den Film Corellis Mandoline sah, weiß, welches furchtbare Verbrechen der Nazis es war)

               Aber auch wenn wir die Piazza Maggiore verlassen, kann man in Bologna noch immer sehr viel sehen. Zum  Beispiel die Kirche des heiligen Stephanus die „Basilica di Santo Stefano“.

Es handelt sich eigentlich um vier miteinander verbundene Kirchen aus dem 5. bis 11. Jahrhundert (ursprünglich gab es hier sieben von ihnen). Es sind die „Chieza del Crocefisso“, wo es den Eingang in den Komplex gibt und wo die Knochen des Gründers der Kirche, des heiligen Petronius, liegen (also außer des bereits erwähnten Kopfes). Dann geht man durch die „Chiesa del Santo Sepolcro“, die ursprünglich ein Baptisterium war, was man an dem sechseckigem Grundriss erkennen kann. Neben ihr steht die „Cortile di Pilato“ mit einem Becken, in dem Pontius Pilatus nach der Urteilsspruch über Christus seine Hände waschen sollte (das Becken stammt zwar aus dem achten Jahrhundert, ich würde aber in Bologna nicht laut darüber sprechen). Die „Chieza della Trinitta“ ist mit der „Chieza Santi Vitale e Agricola“ verbunden, die aus römischen Zeiten stammt, es könnte sich hier also wirklich um eine Kirche handeln, die der heilige Petronius persönlich gegründet hat. Vor diesen Kirchen gibt es einen romantischen Platz die „Piazza San Stefano“. Ein Aperolspritz kam hier auf 5 Euro. Im Preis ist also auch der romantische Blick ufn die Kirchen und schöne herumstehende Gebäude inbegriffen.

               In Bologna gibt es auch die Kirche des heiligen Dominikus. Der Gründer des Ordens der Predigermönche starb hier am 6.August 1221 und ist in der Kirche, die seinen Namen trägt, auch begraben. Wer das bescheidene Grabmal von Franziskus in Assisi gesehen hat, versteht, welchen Unterschied es zwischen diesen zwei konkurrierenden Orden gab, auch welches Verhältnis zu ihnen die offizielle kirchliche Macht pflegte. Die Dominikaner als „Geheimpolizei des Papstes“ wurden „Domini canes“ also „Hunde des Herren“ anstatt „Dominicani“ genannt und genossen die Gunst des Papstes. Das Grabmal des heiligen Dominikus ist riesig und an ihm arbeiteten die berühmtesten Künstler der Renaissance, wie Nicolo Pisano, der das Grabmal entworfen hat und des Manierismus. Auch der damals noch junge Michelangelo  trug zwei Engelstatuen und die Statue des heiligen Petronius bei.  

Paradox ist, dass in der gleichen Kirche wie dieser päpstliche Heilige auch der Erzhäretiker Enzio, der Sohn des von den Päpsten meistgehassten Kaisers, begraben ist. Wie sich die zwei verstehen, ist für mich ein Rätsel, allerdings wurden in der Kirche keine heftigen seismischen Aktivitäten registriert, die dafür sprechen würden, dass die zwei streiten würden oder sogar handgreiflich wären. Nicht weit von hier steht die Kirche des heiligen Franziskus mit dem Grab des Papstes Alexander V., einer der ersten Bauten im französischen gotischen Stil in Italien.

               Auf dieser Stelle ein kurzer Abstecher zum Michelangelo. In Bologna schuf er noch ein sein Werk, eigentlich eines seinen größten. Im  Auftrag Papstes Julius II., als dieser Bologna erobert hatte, schuf Michalangelo seine riesige Statue mit Tiara und Zepter, die vor die Kirche des heiligen Petronius aufgestellt wurde. Sie wurde am 21. Februar 1508 eingeweiht, Michelangelo verließ nachher Bologna in Richtung Rom, um die Decke der Sixtinischen Kapelle auszumalen. Die Statue Julis II. findet man aber in Bologna nicht mehr. Drei Jahre später zerschlugen sie Bürger von Bologna, die gegen den Papst einen Aufstand begannen. Nicht einmal Werke eines Genies sind vor einer Revolution sicher.

               Aber nicht nur durch die Kulturdenkmäler lebt der Mensch und schon überhaupt nicht in Bologna. Bologna ist eine Stadt, die für Shopping einfach geschaffen worden ist – ich hoffe, liebe Damen, dass Sie gerade jetzt Ihre Ohren gespitzt haben. Es gibt kaum eine Straße ohne Bogengänge, ihre Gesamtlänge in der Stadt beträgt 37,6 Kilometer!!!

Die meisten sind mit Fresken geschmückt, die Hauptsache aber, überall gibt es Geschäfte, Cafés, Delikatessenläden und Konditoreien, also von einem Geschäft in einen Cafe, dann in das nächste Geschäft, also wer ein Bummeln durch Geschäfte und Boutiquen liebt, ist hier absolut richtig. Ein schöneres Ambiente zu diesem Zweck findet man nirgends. Am dichtesten sind die Geschäfte im Viertel „Quadrilatero“ konzentriert, in ehemaligem römischem Bologna, als die Stadt noch Bononia hieß. Sollten jemandem die Geschäfte und Boutiquen in den Bogengängen zu teuer oder zu langweilig vorkommen, dann kann er ein paar hundert Meter vom Zentrum weitergehen (natürlich vom Unwetter durch einen Bogengang geschützt) und zwar zum Flohmarkt auf dem „Platz des achten August“ – „Piazza otto Agosto“.

Auf einem riesigen Platz wird  wirklich alles Mögliche verkauft und zwar zu Preisen zwischen 3 und 5 Euro. Es fehlt keine einzige gefälschte berühmte Marke, egal ob Handtaschen, Schuhe oder Uhren. Bitte aber auf die Geld- und Handtaschen aufpassen, nicht einmal zahlreiche anwesende Polizisten haben hier alles unter Kontrolle. Der Flohmarkt machte Bologna weit über ihre Grenzen berühmt, aus der Nähe beobachtet alles der unverzichtbare Garibaldi aus dem Sattel seines Pferdes. Einen Bogengang gibt es auch auf dem gesamten 3,6 km langen Weg, der von der „Porta Saragossa“ auf den Hügel hinter der Stadt führt, wo die Kirche „Santa Maria de Luca“ steht. Von hier gibt es atemberaubende Ausblicke nicht nur auf die Stadt, aber auch auf den Apennin und bei klarer Sicht kann man angeblich von hier auch die Alpen sehen. Als wir dort waren, gab es keine ganz klare Sicht, also mussten wir uns mit einem Blick auf die roten Dächer der Stadt mit den dominanten Kirchen zufriedengeben. Es war trotzdem wunderschön. Die hier stehende Kirche ist durch die Ikone der Maria mit dem Kind (Beata vergine di san Luca) berühmt, die einer Legende nach Evangelist Lucas höchstpersönlich gemalt haben sollte.

Die Öffnungszeiten der Kirche entsprachen keinesfalls der Angaben im touristischen Führer, also kamen wir in die Kirche fünf Minuten vor zwölf, als die Kirche geschlossen werden sollte und die Ikone haben wir ganze zehn Sekunden sehen dürfen. Einer Karbonanalyse zu Folge wurde ihr Alter auf zwölftes Jahrhundert bestimmt, aber die byzantinischen Reliquienverkäufer waren – wie bekannt – sehr erfinderisch und die Stadt Bologna hatte zu dieser Zeit viel zu viel Geld. Es beruhigte mich, dass es sich um eine Fälschung handelte. Sollte der Kollege Lucas (Arzt und Schriftsteller) auch noch ein begabter Maler sein,  wäre mir das wirklich einfach zu viel.

               Um nicht zu vergessen, Bologna ist eine italienische Stadt, also zum Schluss etwas über das Essen. Natürlich gibt es eine bekannte Spezialität. Aber bitte „Spagetti bolognese“ dürfen Sie überall auf der Welt verlangen nur nicht in Bologna! Original sind nämlich Tagliatelle (ev. noch Fettucini) bolognese, also breitgeschnittene Nudelsorten, die das Fleischragu mit der typischen Soße besser aufnehmen. Ich bestellte unter dem Bogengang „Palazzo Re Enzo“ „tagliatelle bolognese“ ohne ins Menu zu schauen und verdiente dafür ein liebes Lächeln der Kellnerin – in ihren Augen wurde ich gerade in die zivilisierte Gesellschaft aufgenommen. Möglicherweise verdiente ich mir das Lächeln durch meine Anrede „Signorina bella“. Weil meine Frau anwesend war, konnte das Mädchen keine unanständige Gedanken oder Angebote von mir erwarten und hübsch war es allemal. Sie brachte zu den Nudeln auch eine große Portion des geriebenen Parmesans. Als ich nach dem guten Essen noch zwei „Espressi“ bestellte, habe ich sie offensichtlich vollkommend gewonnen. Der Zucker stand auf dem Kaffeespiegel genau die vorgeschriebenen fünf Sekunden, bis er zum Boden sank. Die Welt kann manchmal wirklich schön sein.   

               In diesem Augenblick habe ich Bologna den Neptun verziehen. Ich komme noch einmal ihn anzuschauen. Übrigens habe ich es nicht geschafft, das Museum der Stadtgeschichte zu besuchen und eine Menge weiterer Verlockungen. Meine Frau übrigens, obwohl sie offiziell Shopping hasst, ist dem Zauber von Bologna auch erlegen.           

Padua

Padua, also italienisch Padova, ist untrennbar mit dem Namen des heiligen Antonius verbunden. Es weiß das natürlich, es bemüht sich aber viel mehr als das Kult des Heiligen zu bieten. 

Der heilige Antonius wurde am 15 August 1195 in Lissabon geboren. Auf der Stelle seines Geburtshauses steht heute natürlich eine Kirche, die seinen Namen trägt und an seinem Namenstag also am 13.Juni gibt es in  Lissabon ein großes Sardinenfest mit Sambaumzug, einfach das größte Fest im Laufe des gesamten Jahres. Antonius wurde für eine geistliche Karriere vorbestimmt und mit 15 Jahren trat er dem Orden der Augustiner bei. Allerdings bereits im Jahr 1220 trat er in den Orden der Franziskaner über, die ihn mit ihrer Bemühung der Armen und Kranken zu helfen mehr angesprochen hatten. Sein großer Wunsch war wie ein Märtyrer zu sterben – aus diesem Grund ging er als Missionar nach Marokko. Durch diesen Plan hat ihm aber seine schlechte Gesundheit Strich gemacht, er wurde nach Italien entsandt. An Tuberkulose anstatt durch Schwert unter den Ungläubigen zu sterben war nicht unbedingt sein Ziel. Als er im Jahre 1221 an der Generalkapitel des Ordens teilnahm, wurde auf seinen außergewöhnlichen rednerischen Talent der heilige Franciscus aufmerksam und entsandte ihn zu predigen in die Provinz Romagna. Dort war Antonius die letzten acht Jahre seines Lebens tätig, bis er im Alter von 36 Jahren in Padua starb. Man muss wahrnehmen, dass Antonius so hinreisend in einer ihm fremden Sprache predigte – seine Muttersprache war Portugiesisch, die sich von Italienisch ungefähr so viel wie Schwedisch von Deutsch unterscheidet, er musste also unglaublich sprachbegabt sein.

               Die Stadtbevölkerung von Padua liebte ihren Prediger so sehr (obwohl einmal, wenn ihm die Menschen nicht zuhörten, er lieber zu den Fischen zu predigen ging), dass nach seinem Tod sehr nachdrücklich seine Heiligsprechung verlangte. Papst Gregor IX. (ein bekannter verbissener Gegner des Kaisers Friedrich II.) war nicht für diese Idee besonders begeistert. Er wollte sich zu seinen zwei neuen Kindern – den Bettlerorden der Franziskaner und Dominikaner neutral verhalten, wobei ihm Dominikaner als willige Mitarbeiter der Inquisition lieber waren. Der Bevölkerung waren sie aber gerade aus diesem Grund widerlich und die Bürger versuchten immer sie außerhalb der Stadtmauer zu halten während sie die Franziskaner gerne in ihre Städte einnahmen.

               Der Papst sprach gerade am 16 Juli 1228 Franciscus heilig und bereitete die Heiligsprechung  Dominiks, die dann am 13. Juli 1238 stattfand. Und jetzt sollte er noch einen Franziskaner heilig sprechen? Auf keinen Fall! Die Menschen aus Padua entschieden sich die Heiligsprechung ihres geliebten Antonius mit Gewalt zu erzwingen. Sie bewaffneten sich mit Sensen, Heugabeln und Flegeln und zogen auf Rom zu, um dem Papst schlagende Argumente zu liefern, warum ihr Antonius heilig sein musste. Papst, der gerade einen Krieg mit Kaiser Friedrich II. führte, bekam Angst. Es folgte der schnellste Prozess der Heiligsprechung in der Geschichte und noch bevor es die Paduaner geschafft haben, nach Rom zu kommen, war schon ihr Antonius heilig, er wurde am 30. Mai 1232 heilig gesprochen. Um das mit der Fußballsprache zum Ausdruck zu bringen, die Franziskaner sind trotz  Ungunst des Schiedsrichters in die Führung 2:0 gegangen. Mit der Heiligsprechung von Dominik gelang es dem Orden der Predigermönche ein Anschlusstreffer auf 2:1, auf einen Ausgleich mussten sie allerdings bis auf den heiligen Thomas von Aquin warten. Dieser wurde von einem nicht weniger umstrittenen Papst Johann XXII. am 18 Juli 1323 heilig gesprochen.           

               Um die außergewöhnliche Beredsamkeit des Heiligen darzustellen, sind in seiner Kirche in Padua in einem Schaufenster hinter einem Panzerglas als heilige Reliquie  neben seiner Zunge und Kiefer auch seine Stimmbänder ausgestellt. Es wirkt schon ein bisschen makaber. Die Kirche, die von Paduanern einfach „Il Santo“, also „der Heilige“ genannt wird ist vom Stadtzentrum etwas entfernt.

Die Paduaner begannen mit dem Bau für ihren Heiligen aus eigener Initiative noch im Jahr seiner Heiligsprechung und im Jahr 1239 wurde der gigantische Bau fertiggestellt. Es ist eine riesige Kirche mit 6 Kuppeln (die zentrale ist spitzig), die gemeinsam ein Kreuz bilden. Ein Foto von der Kirche zu machen ist gar nicht einfach, es gibt dafür vor dem Gebäude einfach zu wenig Platz. Den Hauptaltar in der Kirche schuf Donatello, sein Werk ist auch die Statue des Gattamelata vor der Kirche. Die hat mit dem heiligen Antonius gar nichts zu tun. Donatello schuf diese Reiterstatue (angeblich die erste Reiterstatue aus Bronze weltweit – wenn man den Italienern ihr weiteres „piú“ glauben mag) für anständiges Geld des unanständigen venezianischen Condotierre  Erasmus de Narni, der „die Fleckkatze“ also Gattamelata genannt wurde. Er selbst liebte seinen Spitznamen „Katze mit den eisigen Augen“, das mochten aber die Paduaner wieder nicht. An die Kirche lehnt sich ein riesiges Franziskanerkloster an, mit mehreren Höfen und Kreuzgängen in einem interessanten Stil – zwar noch romanisch aber bereits mit spitzigen Böden, offensichtlich ein Zeichen der nährenden Gotik. Auf der Südseite des Platzes gibt es „Scuola di Santo“, wo die Wunder des heiligen Antonius in 18 Fresken dargestellt werden, die Tizian im Jahr 1511 schuf.

               Padua ist aber auf eine Reihe weiteren Dinge stolz, nicht nur auf seinen Heiligen und seine Kirche, wo er begraben ist, womit diese Kirche zu einer der meistbesuchten Pilgerstätte der Welt wurde..

               In erster Linie geht es um die Universität, die mit Neapel um den Namen der zweitältesten Universität in Europa ringt – beide sollten im Jahr 1222 gegründet worden sein. Padua siegt deshalb, weil es keine Gründungsurkunde vorliegt, Neapel wird durch diese Urkunde Friedrichs II. von 5. Juni 1224 verraten. Die Neapolitaner argumentieren vergebens, dass ihre Universität bereits zwei Jahre früher in Betrieb genommen worden ist. Dass ihr Universitäten bereits vor Padua existierten, behaupten übrigens auch Pavia und Vicenza, Vicenza hat sogar recht, die Universität in Vicenza schloss ihre Tore allerdings bereits im Jahr 1209). In Padua studierten Menschen wie Albertus Magnus, Galileo Galilei, Kopernikus oder Torquato Tasso. Im Gegenteil zu Bologna, das direkt im Machtbereich des Kirchenstaates lag, war Padua eine unabhängige Kommune (bis sie 1405 von venezianischer Republik eingenommen wurde) und deshalb durfte sie diese allen berühmten Rebellen ausbilden.

Die Herzsache von Padua ist allerdings der Platz „Prato della Valle“.

Die Paduaner behaupten, dass sich um den drittgrößten Platz im Europa nach dem Roten Platz in Moskau und „Plaza Concorde“ in Paris handelt (wobei sie Moskau nicht wirklich für Europa halten, daher ist ihr Platz wieder einmal beinahe „piú“.) Paris ist halt Paris, das muss man akzeptieren. Der Grund dieser betäubenden Größe des Platzes ist simpel. In den römischen Zeiten, als Padua noch Patavia hieß und hier unter anderen auch der berühmte römische Historiker Titus Livius lebte, gab es hier Stadion für Wagenrennen – deshalb hat auch der Platz ihre länglichrunde Form. In der damaligen Fahrspur gibt es heute ein Wasserkanal, umrahmt mit Statuen berühmten Paduaner.

Unter ihnen ist auch die Statue der ersten promovierten Ärztin der Welt –als die erste Frau in der Geschichte gewann im Jahr 1684 den Doktortittel auf der Universität von Padua die None Lucrezia Cornelia Piscopia. Aus welchem Grund sich unter die Statuen der Paduaner auch der polnische König und Herzog von Siebenbürger Stephan I. Bathory eingemischt hat, konnte ich nicht erfahren. In Padua wurde er sicher nicht geboren und wenn ich richtig nachgeforscht habe, hat er hier nicht einmal studiert. Seine Statue ließ hier der polnische König Stanislaw Poniantowski aufstellen. Vielleicht könnte der Grund dafür sein, dass Bathory eine Universität in Vilnius gegründet hat, die seinen Namen trägt.

Obwohl Padua zweimal vollständig vernichtet wurde – im Jahr 452 von Hunen und im Jahr 601 von Langobarden, im Bereich des ehemaligen Zirkus wurde nie gebaut – und so blieb dieser imposante Platz als Touristenmagnet erhalten. Der größte Bau auf dem Platz ist die Kirche Santa Giustina, die wir ursprünglich irrtümlicherweise für die Kirche des heiligen Antonius hielten. Abends ist der Platz voll mit Menschen, farbig beleuchtete Fontäne schießen Wasser in die Höhe, es gibt hier Bars und Restaurants, hier gibt es einfach das Zentrum des nächtlichen Lebens der Stadt.

Aber Padua, das war nicht nur die Wissenschaft und Revolutionäre vom Typ Kopernicus oder Galileo Galilei, sondern auch die Kunst. Und damit auch die Revolutionäre in der künstlerischen Schöpfung – der Entdecker der Perspektive in der Malerei Giotto und der Maler, der die Perspektive zu Vollkommenheit brachte, Andrea Mantegna. Den haben wir bereits in der Erzählung über Mantua getroffen, wo er gelebt und geheiratet hat. Wenn man in Padua war, aber „Capella degli Scrovegni“ nicht besuchte, gilt der Stadtbesuch nicht. Die Kapelle ließ die Familie paduanischer Neureichen bauen – den Gründer des Reichtums der Familie Reginaldo Scrovegni traf Dante in der Hölle und sein Sohn ließ in den Jahren 1303 – 1305 eine Kapelle für die Vergebung der Sünden seines Vaters bauen (sein Geld hat er aber sehr wohl behalten). Er nutzte dafür freie Grundstücke im Amphitheater der alten Patavia, der gleich wie der Rest der Stadt von Langobarden dem Boden gleich gemacht wurde – nur spärliche Reste des Amphitheaters kann man in dem herumliegenden Park sehen. Für die Innenausstattung der Kapelle wurde aus Florenz der damalige größte Meister und Reformator der Malerei Giotto bestellt. Das Ergebnis ist atemberaubend. Natürlich kann man die Kapelle nicht nur so einfach besuchen. Der Anblick an die Fresken ist beinahe „UNBEZAHLBAR“, Italiener können aus außergewöhnlichen Werken Profit machen. In die Kapelle geht man durch einen Spezialtrakt, die Kapelle selbst hat Unterdrucktüre, damit in die Kapelle keine Feuchtigkeit eindringen könnte und Touristen werden nur in kleinen Gruppen hinein gelassen – damit dort nicht zu viel geatmet wird. Die Fresken stellen das Leben der Jungfrau Maria und Jesus Christus in einem neuen, lebendigem anstatt in dem traditionellen steifen gotischen Stil dar. Giotto gab den Figuren in seinen Fresken Gesichter von Menschen, die er täglich auf der Straße traf, die Renaissance war da und trotz alle Bemühung aus Rom konnte nicht mehr gestoppt werden.

Aus den römischen Zeiten blieb in Padua wirklich nur sehr wenig. Neben den Überresten des Amphitheaters ist das „Tomba di Antenore“ – ein römisches Grabmal.

Das Stadtzentrum wird von Rathaus, also „Palazzo communale“ mit „Palazzo da Ragione“ und von gotischem Gebäude der Universität gebildet. Es gibt hier drei untereinander verbundene Plätze „Piazza della Frutta“, „Piazza dell´Erbe“ und „Piazza die Signori“. Alle sind relativ klein, mit „Prato della Valle“ können sie sich nicht messen. Sie sind aber mit sehr schönen Gebäuden umrahmt, als eine Erinnerung auf die venezianische Herrschaft ist hier die Venezianische Allgemeinversicherung und der Löwe des heiligen Markus, dieser befindet sich auf einer Säule auf dem Platz.

Der Dom stammt zwar aus dem 16. Jahrhundert, die Fassade ist aber klassizistisch, das neben ihm stehende Baptisterium verwandelte Familie Carrara in eine Familiengrabstätte. Der Dom scheint sich damit abgefunden zu haben, dass er dem heiligen Antonius in der Popularität das Wasser nicht reichen kann, darauf sind wir aber in den Norditalienischen Städten schon gewohnt. Der „Duomo“ ist hier nur ausnahmsweise die wichtigste Kirche der Stadt.

Im Innenhof des Rathauses erlebten wir ein fabelhaftes Konzert, dem auch Francesco Petrarca beiwohnte, zumindest seine Statue im Innenhof. Petrarca gehört neben Dante und Boccacio zu Gründern des Humanismus und Renaissance in der Literatur. Übrigens durch seinen Aufstieg auf Mont Vermox gilt er als der Gründer des Alpinismus. Er legte große Hoffnungen auf den Kaiser Karl IV, in dem er einen möglichen Erneuer des Ruhmes des römischen Imperiums sah. Er täuschte sich. Karl IV. ging zwar konsequent in den Spuren seines großen Vorgängers Fridrich II., mied aber jeden Konflikt mit der Kirche, die Rom und Mittelitalien beherrschte. Petrarca verbrachte einen Großteil seines Lebens in Verbannung, Padua ist stolz auf ihn. Nein, ich muss euch enttäuschen, Petrarca studierte in Bologna, er ist also kein Produkt der Universität von Padua. Im Jahr 1369 ließ er sich aber in der Gemeinde Arqua im Gebirge „Colli Euganie“ nahe Padua nieder und hier starb er. Es ist eine Thermalregion, das Städtchen ist von Termen Abano, Galzignano und Battaglia umgeben, das warme Wasser tat offensichtlich dem alten müden Mann wohl. In Arqua, die zum 500 Jahre Jubiläum des Einzugs des Meisters seinen Namen auf Arqua Petrarca änderte, gibt es also ein Haus, wo der Meister lebte (wie weit das Haus wirklich authentisch ist, können wir nur raten) mit einem Museum über sein Leben. Petrarca wurde in Arqua begraben, sein Sarkophag aus Marmor steht vor der Kirche.

Padua, das sind also Fresken (neben bereits erwähnten „Capella degli Scrovegni“ sind sie auch in „Museo civil“ gleich nebenan, aber auch in der Universität (wo es auch eine Teatro anatomico gleich wie in Bologna befindet, das zu öffentlichen Obduktionen diente) in „Chieza degli Eremiti“ usw, aber auch Bogengänge, Bogengänge und noch einmal Bogengänge. Ähnlich wie in nahem Bologna sind alle Straßen mit Bogengängen versorgt, im Gegenteil zu Bologna sind nicht so prächtig geschmückt und für Shopping geeignet, sie haben mehr private Atmosphäre. Einen Bogengang hat auch „Palazzo Zabarella“, wo eine berühmte paduanische Familie lebte.

Ihr berühmteste Sohn Francesco studierte Jus auf der Universität in der Stadt und galt anfangs fünfzehnten Jahrhunderts für den besten Jurist der damaligen Zeit. Er spielte eine bedeutsame Rolle beim Konzil in Konstanz, er bot sogar die juristische Hilfe Johann Hus an, welcher diese aber ablehnte. Zabarella galt als der hoffnungsreichste Kandidat bei der Wahl des neuen Papstes, der in Konstanz nach Absetzung der drei damaligen Päpste gewählt werden sollte. Er starb leider bereits am 26.September 1417 und die Anwesenden Wähler wählten dann am 11. November 1417 Oddo Collona zum neuen Papst, der den Namen  Martin V. annahm. Er gehörte aber im Gegenteil zu Zabarella dem konservativen Flügel an und unterdrückte die Konziliarbewegung, bis sie letztendlich in den dreißiger Jahren des fünfzehnten Jahrhunderts den Kampf um die Kirchenreform aufgab und sich auflöste. Eine große Chance für eine Kirchenreform war damit vertan.  Die absolute Macht der Päpste kehrte zurück und führte letztendlich zur Reformation und Spaltung der Kirche. Wer weiß, welche Wege die Geschichte genommen hätte, wenn der für die Reformen positiv gestimmter Francesco Papst geworden wäre? Übrigens die Statue vom Papst Eugen IV, der die Reformbewegung in der Kirche endgültig zum Grabe trug, findet man unten der vielen berühmten Paduaner auf der Prato della Valle. Eugen war zwar kein Paduaner, sonder Venezianer, weil aber Padua seit 1405 zu Serenissima gehörte, mussten Paduaner auf ihn stolz sein. Ob sie es wollten oder nicht.  

Um nicht zu vergessen, Andrea Palladio! Padua war ein Teil der Republik von Venedig, wäre es möglich, dass er hier keine Spuren hinterlassen hätte? Man findet diese Spuren im Taufbuch der Kirche San Michele. Andrea Palladio wurde in Padua geboren und am 30. November 1508 getauft. In Padua findet man aber keine seinen Werke, sogar das ihm zugeschriebene Grabmal von Luigi Visconti in der Kirche des heiligen Antonius ist nicht sein Werk. Zu Hause wird keiner zum Prophet! In der unmittelbaren Umgebung der Stadt findet man aber doch Villen, die er entworfen hat, wie „Villa Pisani“ in Montagnana oder „Villa Cornaro“ in Piombino. Aber Padua, seine Geburtsstadt, bildet auf dem Boden der Serenissima eine ehrenhafte (eigentlich unehrenhafte) Ausnahme, was die Schöpfung des berühmtesten Architekten betrifft. Aber auch ohne ihn ist die Stadt schön genug.

Ganz atypisch für Italien litten wir in Padua Hunger. Im Stadtzentrum gab es Unmenge Bars, wo man trinken konnte, aber lange konnten wir kein Essen finden. Das „Cafe Pedrocchi“ direkt im Zentrum im klassistischen Stil aus dem Jahr 1831 ist zwar in Padua ein Pflichtprogramm, in Anbetracht unserer knurrenden Mägen traute ich mir gar nicht, einen Besuch hier vorzuschlagen. Die Stimmung in unserer Reisegruppe, die mein Sohn und meine Frau bildeten, wurde schnell schlecht und schuld daran war natürlich der Reiseführer, also ich. Als ich ein im Reiseführer empfohlenes Restaurant „Trattoria San Pietro“ endlich fand, war sie geschlossen „per ferie“ – es war eben August! Als schon eine Meuterei drohte, stolperten wir ganz zufällig in der Nähe von „Duomo“ über ein weiteres empfohlenes Restaurant „Osteria da Capo“. Das Essen war hervorragend, Osterien sollten aber preismäßig in einer günstigen Zone liegen. Diese lag in dieser Zone definitiv nicht. Für das Essen und „vino della casa“, die mir ein Sodbrennen für die ganze kommende Nacht verursachte, zahlte ich für 3 Personen 112 Euro. Aber Hauptsache, die Reisegruppe griff nicht dem Reiseführer gegenüber zur Gewalt, dann zahlt man gerne.

In Padua ein preislich zugängliches Hotel zu finden, das auch mit Auto gut erreichbar wäre, war kein Problem. Ein kleines Hotel mit einem interessanten Namen „M 14“ war lieb, ins Zentrum war es nur ein paar Schritte. Die junge Dame in der Rezeption sprach ein sehr gutes Englisch mit einem typischen entzückenden italienischen Akzent, das ich liebe. Jedes Wort beendete sie mit einem Vokal, weil sich das anders ein echter Italiener nicht vorstellen kann.

„Where aree you froma?“

               „Austria.“

               „You areee welkommene. Enjoyi the dayi.“

               Sie war einfach fabelhaft. Gleich wie ihre Stadt. Der heilige Antonius war nicht der einzige Sprachbegabte in dieser Stadt. 

Ravenna

               Ravenna erlebte seine Blütezeit in der Zeit des Unterganges. Gerade hier schloss sich die Epoche des Altertums und es begann das Mittelalter. Es geschah im Jahre 476, als der Häuptling des Stammes der Herulen Odoaker den letzten weströmischen Kaiser Romulus (genannt wegen seines Alters Augustulus also Kaiserlein) absetzte und dem oströmischen Kaiser Zeno ausrichten ließ, dass Italien keinen Kaiser mehr brauche. Dass Italien Zeno jetzt direkt unterstellt wäre und er, also Odoaker, sei bereit, sich vor ihm mit dem Titel „Rex Italiae“, zu dem er sich selbst ernannte, zu beugen. Bereits seit dem Tod des Kaisers Valentianus III. im Jahre 455 wechselten die Herrscher auf dem weströmischen Thron innenhalb weniger Jahren (oder sogar Monate) und in Wirklichkeit herrschten über das Reich Generäle, sogenannte „Magister militium“. Der letzte dieser berühmten und einflussreichen Heerführern Ricimer, starb im Jahr 472. Im Jahr 475 setzte Senator Orestes Kaiser Julius Nepos ab, der dann nach Dalmatien flüchtete, und setzte seinen eigenen Sohn Romulus ein, um in seinem Namen selbst zu herrschen. Und genau zu diesem Zeitpunkt hatte der Anführer der germanischen Truppen, die den neuen Kaiser schützen sollten, also Odoaker, von diesem Trauerspiel gerade genug und er beendete die Existenz des Weströmischen Reiches. Interessanteweise wurde nur Orestes getötet, Romulus wurde von Odokaer auf ein Gut nahe Neapel geschickt, wo er noch lange in Ruhe leben durfte – er lebte noch in den Jahren 507 – 510, da ihm der neue italienische Herrscher Theodorich nachweislich eine Rente zahlte.

               Odoaker war in seiner Absicht, den Kaiser in Konstantinopel für sich zu gewinnen, nicht wirklich erfolgreich. Dieser unterstützte nämlich weiterhin den abgesetzten Julius Nepos. Dieser wurde zwar bereits im Jahr 480 ermordet, das hat aber auch nicht geholfen und für Odoaker sollte die ganze Situation fatale Folgen haben.

               Warum passierte das alles, was mit dem Ende des tausendjährigen römischen Reiches einherging, in Ravenna und nicht in Rom? Weil bereits im Jahr 402 Kaiser Honorius die Hauptstadt des Reiches von Mailand nach Ravenna verlagerte – Rom wurde vom Kaiser bereits im Jahr 396 verlassen – zu großer Freude der damaligen römischen Bischöfe (späteren Päpste), die sich dadurch von der kaiserlichen Macht emanzipieren durften. Der einzige Grund der Verlegung der Hauptstadt war die Tatsache, dass Ravenna – in Gegenteil zu Rom oder Mailand – uneinnehmbar war. Gleich im Jahr 408 bissen sich an ihr Westgoten unter Alarich die Zähne aus, die sich dann zwei Jahre später ihre Frustration durch Plünderung von Rom heilen konnten.

               Im Jahr 489 zogen gegen Odoaker Ostgoten ins Feld. Sie wurden vom Kaiser Zeno geschickt. Der Kaiser beauftragte den Häuptling der Ostgoten Theodorich, der als Geisel am oströmischen Hof aufwuchs, Odoaker zu stürzen und Italien direkt dem Kaiser zu unterstellen. Theodorich musste sich auch zuerst belehren lassen, dass Ravenna mit damaligen militärischen Mitteln uneinnehmbar war. Er ließ sich dadurch aber nicht abschrecken und begann die Stadt zu belagern. Nach drei Jahren Belagerung war es mit der Geduld an beiden Seiten zu Ende. Theodorich konnte nicht in die Stadt und Odoaker wieder nicht aus der Stadt und so beschlossen die zwei Herren ein Remis. In der Praxis sollte es bedeuten, dass sie über Italien gemeinsam herrschen würden. Ein Teil des Friedenvertrages war aber, dass Odoaker Theodorich und seine Soldaten in die Stadt einlassen musste, was der Häuptling der Ostgoten dazu genutzt hat, Odoaker gleich bei Versöhnungsgastmal eigenhändig zu töten. Für Ravenna begann die berühmteste Episode seiner Geschichte, was ein monumentales Grabmal des Königs Theodorich bezeugt, in dem dieser große Herrscher nach seinem Tod im Jahr 526 begraben wurde.

               Die Streitereien über seine Nachfolge nutzte der oströmische Kaiser Justinian und als der ostgotische König Wittiges seine Gattin Amalaswinta, die Tochter Theodorichs, ermorden ließ, meinte der Kaiser, dass dadurch der König seine Berechtigung, die italienische Königskrone zu tragen verlor und schickte gegen ihn seinen besten Heerführer Belisarios los. Es folgten lange Jahre mehr oder weniger unentschiedener Kämpfe, bis der Kaiser nach Italien seinen Minister – einen Eunuch namens Narses – entsandte. Der bereitete den Ostgoten im Jahr 553 ihr endgültiges Ende. Die Byzantiner freuten sich aber nicht lange, bereits im Jahr 576 fielen Langobarden ins Italien ein und begannen eine Stadt nach der anderen einzunehmen. Ravenna konnten sie aber wieder einmal nicht erobern, es blieb byzantinisch bis zum Jahr 751, als es doch der König Aistulf einnehmen konnte, und ihr Ruf der Uneinnehmbarkeit war dahin. Ravenna war bis zu diesem Jahr die Hauptstadt des sogenannten Exarchates, das dem byzantinischen Kaiser unterstellt war und dieses Exarchat erstreckte sich nach Mittelitalien inklusiv Rom und Ravenna schmückte sich, wie es sich für eine Hauptstadt gehörte.  

               Ravenna war also berühmt und mächtig in der Zeit, als das Malen in den Verputz, also Fresko, noch unbekannt war. Die Wände der Paläste und Kirchen wurden mit Mosaiken geschmückt und deshalb ist das heutige Ravenna eine Stadt wunderschöner Mosaiken. Deshalb fahren Touristen hin und deshalb besuchten es auch wir. Abgesehen vom Besuch Krenkenschwester Jarka, die einmal mit mir auf der Dialyse im slowakischen Poprad gearbeitet hatte und später dann ihren neuen Arbeitsplatz in Ravenna fand.

               An die byzantinische Vergangenheit der Stadt erinnert das Hotel Bizancio im Stadtzentrum. Dort wohnten wir. Im Jahr 1441 nahmen die Venezianer Ravenna ein und im Jahr 1509 wurde es zum Teil des Kirchenstaates, was es bis zum Jahr 1859 blieb. An die venezianische Herrschaft erinnert eine große Ruine der Festung „Rocca di Brancaleone“, wo sich heute eine große Parkanlage „Giardini publici“ befindet. Wir standen im strömenden Regen unter einem Torbogen der Festungsmauer ohne zu wissen, dass es nur zwanzig Meter weiter eine Cafeteria gab.  

               Auf einer lieben „Piazza del Popolo“ stehen zwei Säulen aus dem fünfzehnten Jahrhundert mit den Statuen der Heiligen und aus der gleichen Zeit stammt auch der „Palazzo Veneziano“ im Stil der Renaissance. Auf vier von acht Säulen der Kolonnade des Palastes gibt es ein Monogramm Theoderichs des Großen. Der „Palazzo communale“, also das Rathaus, ist um zweihundert Jahre jünger.         

   Das älteste Objekt, wo man Mosaiken bewundern kann, ist das legendäre Grabmal „Galla Placidia“. Diese Dame, Tochter des römischen Kaisers Theodosius I., Schwester des Kaisers Honorius und Mutter des Valentianus III, in dessen Namen sie das Gebiet des Weströmischen Reiches praktisch selbständig regierte, verdiente sich natürlich nach ihrem Tod ein wunderschönes Grabmal. Gerade sie und ihr Bruder Honorius bauten doch Ravenna zu einer echten Hauptstadt aus. Kleinkarierte Historiker sollen entdeckt haben, dass sie in Rom und nicht in ihrem monumentalen Mausoleum in Ravenna begraben wurde, WENN INTERESSIERT ES ABER SCHON?

Im Mausoleum gibt es drei Sarkophage. Kaisers Konstantinus III. des zweiten Gatten von Galla Placidia, und ihres Sohnes Valentinianus III. Der dritte Sarkophag ist natürlich für sie gebaut worden, ob sie dort schon lag oder nicht! Mosaiken, beleuchtet mit Licht, das durch Fenster aus Alabaster hereinströmt, stellen in der unteren Reihe Pflanzenmotive und Tiere dar, oben dann gibt es Symbole der Evangelisten, Apostel und Christus als „Guter Hirt“. Das Mausoleum ließ aus dem Schlamm, unter dem es begraben wurde, Kaiser Friedrich II. befreien, als er mit seinem Heer in Ravenna weilte und Angst hatte, dass eine Untätigkeit die Moral der Soldaten untergraben könnte. Weil er als Vater der Renaissance alles Antike bewunderte, ließ er dieses prächtige Grabmal freilegen, das man auch noch heute besuchen kann.

               Mosaiken sind der größte Schatz von Ravenna. Was man in Istanbul, ehemaligem Konstantinopel, nur als Rudimente sehen kann, ist hier in der ganzen Pracht sichtbar. Natürlich sind die Mosaiken in der „Capella palatina“ in Palermo noch imposanter, die sind allerdings um sechshundert Jahre jünger. Also frühchristliche Mosaiken in ähnlicher Pracht wie in Ravenna kann man nirgends in der ganzen Welt sehen. Um etwas jünger als die Mosaiken im Mausoleum Galla Placidia sind Mosaiken in der Kirche „San Vitale“, die Kaiser Justinian bauen ließ. Deshalb erinnert das Gebäude ein bisschen an die „Hagia Sophia“ in Istanbul, die der gleiche Kaiser im gleichen Baustil bauen ließ.

               Es steht gleich in der Nachbarschaft vom Mausoleum „Gaia Placidia“, im Kloster gleich nebenan gibt es ein Museum der antiken und mittelalterlichen Kunst. Mosaiken stellen Christus unter Erzengeln dar, Evangelisten, Heilige und über allem steht ein Lamm im Gewölbe der Kirche.  

Der heilige Vitalis ist ein lokaler Heiliger und Märtyrer, der angeblich in der Zeit der Christenverfolgung während der Herrschaft Kaisers Nero, also um 60 n. Ch., lebend begraben wurde. Im Kloster „San Vitale“ wartete auf uns eine Überraschung in der Form eines Metalldetektors wie auf einem Flughafen oder in einem strengst geheimen Trakt eines Ministeriums. Menschen gingen durch ihn, der Detektor alarmierte ohne Ende, die Angestellten des Museums konnte es allerdings nicht aus der Ruhe bringen. Einen Touristen zur Seite zu nehmen und zu untersuchen, ob er bei sich eine Bombe, eine Pistole oder einen Messer hätte, fiel ihnen gar nicht ein. Warum hier also der Detektor installiert wurde, bleibt für mich also ein Rätsel. 

               Bei der Jagd nach Mosaiken von Ravenna muss man von der „Piazza del Popolo“ in Richtung „Duomo“ gehen. Nicht aber in den Dom hinein, es handelt sich um ein neues Gebäude aus dem achtzehnten Jahrhundert, wo von der ursprünglichen Bausubstanz nur der Turm und die Krypta geblieben sind. Ins Kolorit von Ravenna passt diese Kirche überhaupt nicht. Aber gleich nebenan gibt es das riesige „Battisterio Neoniano“,  ein orthodoxes Baptisterium. Im Inneren gibt ein Taufbecken aus Marmor und das ganze Gebäude wird mit herrlichen Mosaiken geschmückt.

In der Kuppel gibt es das Motiv der Taufe Christi nach dem Text aus dem Evangelium nach Markus und Bilder der Apostel und Evangelisten. Es ist ein atemberaubender Platz, wo man von Bewunderung ausschnaufen und eine Weile stehen bleiben kann. Im „Museo Archivescoville“, also im erzbischöflichen Museum, gibt es ein Kunstwerk, das man sehen sollte, nämlich die „Cattedra die Massimiliano“. Es ist ein Bischofstuhl, geschnitzt im sechsten Jahrhundert aus Elfenbein, die Schnitzereien stellen nach der Tradition Szenen aus dem Neuen- und Alten Testament dar.

               Ähnliche Motive wie im „Battisterio Neoniano“ findet man auch im etwas kleineren „Battisterio ariano“. Auch hier gibt es in der Kuppel das Motiv Taufe Christi. Gleich nebenan befindet sich die Kirche „Santo Spirito“. Es handelt sich um eine romanische Basilika mit einem großen Kirchhof und Säulengang vor dem Eingang. Im Inneren der Basilika sind ihre Mauern mit ganz normalem weißem Verputz bedeckt. Die Goten waren, wie alle anderen germanische Stämme (mit Ausnahme der Franken) Arianer, die die Lehre des Philosophen Arius aus Alexandria priesen und dadurch eine andere Wahrnehmung der Dreifaltigkeit Gottes hatten.

               Die schönsten Mosaiken gibt es in der Kirche „San Apollinare Nuovo“. Es handelte sich um die Hofkapelle Königs Theodorich des Großen, nicht weit von hier, in der Straße „Via Allberoni“ findet man übrigens Reste seines Palastes. Die Kirche selbst wird durch Säulen, die aus Konstantinopel importiert wurden, in drei Schiffe geteilt. An den Wänden gibt es Mosaiken mit den Bildern der Heiligen, auf einer Seite Männer, auf der anderen Frauen, Männer in Togen, Frauen in Tuniken, alle mit Märtyrerkronen in den Händen. „San Apollinare“ ist das schönste Beispiel des byzantinischen romanischen Stils.

Sollten Sie aber den allerschönsten  Bau in diesem Stils  besuchen wollen, müssten Sie fünf Kilometer von Ravenna in Richtung Süden fahren. Dort gab es – heute bereits seit langer Zeit versandter – den Hafen von Ravenna und hier steht die Kirche und das Kloster „San Apollinare in Classe“. Lassen Sie sich nicht durch den runden Glockenturm tauschen, der ist um gut vierhundert Jahre jünger als die Kirche selbst. Es geht um eine klassische frühchristliche Basilika mit schmalen Säulen und engen Bögen, typisch für den byzantinischen architektonischen Stil und natürlich mit Mosaiken. Es gibt hier wieder einmal wunderschöne Mosaiken inklusiv des heiligen Apollinarius, ebenso eines Heiligen, dessen Tätigkeit mit Ravenna verbunden ist. Angeblich entsandte ihn der heilige Petrus höchstpersönlich hierher. Nachdem er auf wundersame Weise einige Kranke geheilt hatte, wurde er von einer aufgebrachten Menschenmenge in einer Straße von Ravenna gelyncht. Ursprünglich wurde er in der Kirche „San Apollinare in Classe“ begraben, als aber Sarazenen im Jahr 856 die Kirche geplündert hatten, wurden seine Gebeine nach „San Apollinare Nuovo“ übertragen. Die Kirche, die bis dahin wegen ihrer vergoldeten Decke „San Martino con cielo d´oro“ genannt wurde, änderte danach auch ihren Namen.

               Womit sich Ravenna rühmen kann, ist der Grab des Vaters der italienischen Sprache Dante Allighieris. Dante starb in Ravenna nach neunzehnjährigem Exil. Seine Geburtsstadt Florenz verurteilte ihn zum Tode durch Verbrennung. Nachdem er seine Arbeit an seinem berühmtesten Werk „Die göttliche Komödie“ in Verona begonnen hatte, beendete er sie kurz vor seinem Tod im Jahr 1321 in Ravenna. Florenz versuchte jahrhundertelang vergeblich, den Leichnam ihres berühmtesten Landsmannes für das prächtige Grabmal, das es für ihn in der Kirche „Santa Maria Novella“ gebaut hat, zu überführen. Die Bürger von Ravenna zeigten sich unbeugsam und das Grab in Florenz blieb bis heute leer. Der große Dichter ruht in Ravenna und die Florentiner haben ein einziges Privileg, nämlich das Öl für die Lampe mit ewigem Licht, das von der Decke in seinem Grabmal hängt, zu spenden.

               Gleich nebenan gibt es die Kirche des heiligen Franciscus. Eine gigantische romanische Basilika hat ein Problem, dass der Mosaikboden der Krypta unter Wasser steht. Ravenna sank nämlich seit den antiken Zeiten um ganze vier Meter.

Schmale romanische Säulen sind wieder mit engen Bögen verbunden, der Verputz zwischen ihnen ist aber einfach weiß wie in „San Spirito“. Ravenna schmückt sich nicht mit Fresken wie andere italienische Städte, es hat seine Mosaiken. Das hindert es aber nicht daran, an prächtige romanische Basiliken barocke oder sogar klassizistische Fassaden zu kleben wie zum Beispiel in der Kirche Santa Maria in Porto“ oder in „San Giovanni Evangelista“. Manchmal muss man Italienern ihre Kreativität einfach verzeihen.                             

               Wenn man einmal in Ravenna ist, ist es undenkbar, das Wahrzeichen der Stadt nicht zu besuchen, also das Grabmal Königs Theodorich des Großen. Er ließ es noch während seines Lebens bauen, das Grab ist groß und nur die Kuppel aus einem Stück  Kalkstein wiegt 300 Tonnen. Das Erdgeschoß hat die Form eines gleicharmigen Kreuzes. Der Bau besteht aus Kalkstein ohne Mörtel, er ist eher orientalisch als römisch, eigentlich eine merkwürdige Kombination des orientalischen und germanischen Stils.

Ob hier Theodorich überhaupt begraben wurde, darüber wird bis heute gestritten. Der Sarkophag aus Porphyr im Obergeschoß erinnert eher an eine Wanne und ist natürlich leer. Was aber den Atem raubt, ist das Grundstück, das zum Grabmal gehört. Ein riesiges Areal mit einer Wasserfläche in der Mitte ist etwas außerhalb des Stadtzentrums. Es ist zwar für die 3 Euro Eintritt nicht zu viel zu sehen, in jedem Fall ist es aber ein Pflichtprogramm und das Grabmal des Theodorichs ist vom Besuch Ravennas untrennbar.

               Nach einem anstrengenden Tag in Ravenna wurden wir hungrig. Im ganzen historischen Zentrum konnten wir aber bei besten Willen kein Restaurant finden. Als unsere Verzweiflung bereits einen unerträglichen Level erreicht hatte, verließen wir das Stadtzentrum und gleich hinter der ersten Kreuzung fanden wir die Trattoria „Al Rustichello“. Es war sieben Uhr abends und wir erfuhren, dass die Trattoria um halb acht öffnen wird. Wir haben offensichtlich so verzweifelt und hungrig ausgesehen, dass es uns gelang, die Besitzerin des Lokals zu überreden, dass sie uns trotzdem eingelassen hat. Sie setzte uns an einen Tisch und wir durften zuschauen, wie im Durchgang zwischen Küche und Speisesaal der Koch seinen Abendessen genießt. Zum Glück brachte uns die liebe Frau zumindest Brot und „vino della casa“ und so litten wir nicht so sehr. Dann schlug die Uhr halb acht und sie kam mit einem Lächeln zu unserem Tisch.      

               Ich fragte nach einem Menü. Sie zuckte die Schulte und holte es. Als ich es geöffnet habe, erklärte sie uns – natürlich auf Italienisch. „ Wir haben das Menü, weil uns dazu eine amtliche Anordnung zwingt. Wir kochen aber nicht, was dort steht.“          

               Ich begann Probleme zu fürchten. „Was kochen Sie dann, bitte?“ fragte ich unsicher.      

                  „Wir kochen, was wir heute auf dem Markt kaufen konnten“, antwortete sie.             

                        Ich übersetzte ihre Antwort und mein Sohn überschlug sich von Begeisterung: „Das ist das richtige italienische Restaurant,“ rief er begeistert. „Alles wird frisch sein, hervorragend…“        

                    Ich teilte seine Begeisterung nicht unbedingt. Ich hatte keine Ahnung, wie ich jetzt das Essen bei der Dame, die ausschließlich Italienisch sprach, bestellen sollte. Es war aber einfach. Wahrscheinlich deshalb, weil Italienisch zu sechzig Prozent mit Händen und Beinen gesprochen wird und nur der Rest für die Worte bleibt. Sie erklärte uns, dass es heute Kaninchen gibt und als sie das magische Wort „coniglio“ ausgesprochen hat, zeigte sie mit Fingern lange Ohren, damit jeder Zweifel zerstreut würde, um welches Tier es sich handelte. Das Essen war einfach genial. Das Restaurant erfreute sich offensichtlich eines guten Rufes. Alle Tische waren binnen einer Stunde besetzt und vor dem Restaurant stand eine lange Schlange. Wir konnten uns wirklich gratulieren, dass wir noch vor der Eröffnungsstunde gekommen waren.

               Ravenna ist eine sehr gastfreundliche Stadt. Sogar so weit, dass es uns keinesfalls hinaus lassen wollte. Natürlich, ein moderner Mann hat ein GPS. Sollten Sie denken, dass Sie damit in Italien gewonnen haben, irren Sie gewaltig. In der Stadtmitte gab es nämlich eine Baustelle und meine Navigation führte mich natürlich verlässlich direkt zu der Straßensperre. Na gut, meinte ich, das kann passieren. Ich kehrte um und fuhr in die Gegenrichtung. Aber egal, welche Richtung ich gewählt habe, ich landete immer auf der gleichen Stelle, nämlich vor dieser Straßensperre. Mein GPS kannte einfach keine andere Ausfahrt aus der Stadt. Ich schaltete also das blöde unflexible Gerät aus und suchte eine Ausfahrt aus der Stadt auf eigene Faust?. Es war nicht einfach, in Ravenna werden nämlich die Straßen aus Prinzip nicht gekennzeichnet. Das hatte eine lange Irrfahrt durch das Stadtzentrum zu Folge und danach auch noch in der Peripherie der Stadt. Nur danach habe ich die erste Anzeigetafel gefunden, die Richtung Autobahn zeigte. Ich brach in diese Richtung auf. Viele weitere Kilometer gab es keine Tafel mehr, aber ich hielt hartnäckig die Richtung. Endlich kam ich zu einem Autobahnzubringer und dann sah ich den ersehnten Wegweiser in die Richtung Padova/Bologna. Ich zeigte meine Begeisterung, die aber mein Sohn sofort abkühlte.

               „Ich weiß nicht, Papa, aber der Wegweiser wurde gerade von zwei Arbeitern abgedeckt. Glaubst du, er wäre noch gültig?“                           

               War es nicht. Die Einfahrt auf die Autobahn wurde gerade gesperrt und der Wegweiser der Umleitung führte uns unbeirrt direkt zurück in die Stadt. Sie können einmal raten, wohin. Natürlich, direkt zu der uns bereits gut bekannten Straßensperre im Stadtzentrum.  

               Keine Angst. Nach einem mehr als halbstündigen Kampf haben wir Ravenna doch verlassen können, die Stadt wollte einfach nur, dass wir sie noch länger genießen konnten.

               Danke! Wir kommen wieder.

Treviso

               Dieses kleine italienische Nest (o.k., immerhin hat Treviso über 80 000 Einwohner, duckt sich aber neben seine große Schwester Venedig und wirkt dadurch kleiner als es ist) entdeckte ich eher durch Zufall und zwar unterwegs zur Proseccostraße. Treviso ist nämlich der größte Produzent dieses berühmten Weines, obwohl ein echtes Zentrum von Prosecco ist natürlich Valdobiadenne in den Voralpen und die Proseccostrasse führt uns zwischen dieses Städtchen und einen anderen romantischen Ort namens Conegliano. Dort gibt es überall auf steilen Hängen Weingüter mit Weinreben, deren Saft wahrscheinlich nicht wirklich trinkbar wäre, hätten Italiener nicht wieder einmal eine kreative Idee gehabt und hätten sie aus ihm nicht einen Sprudelwein gemacht. Natürlich ließen sie sich gleich die Marke patentieren, Prosecco darf also nur in dieser Region angebaut werden. Es entstand ein leichter erfrischender Wein, geeignet als Aperitif bei jeder Gelegenheit oder als ein Wilkommensgetränk und das Business wurde geboren.

               Treviso rühmt sich der Massenproduktion dieses Getränkes allerdings nicht, es versucht sich als „Citta d´aqua“ zu positionieren, also eine „Wasserstadt“ und bemüht sich um einen Vergleich mit dem nahen Venedig. Die Kanäle, die durch die Stadt fließen und nebenbei auch um die Stadtbefestigung aus dem Beginn des sechzehntes Jahrhunderts einen Wassergraben bilden, entstanden aus dem Fluss Sile, der durch die Stadt fließt. Genauer gesagt, aus seinem Zufluss Botteniga, der im Norden in die Stadt mündet und hier bei der „Ponte Fra Giocondo“ sich in drei Hauptströme teilt, aus denen dann die Menschen in Treviso ihre Kanäle schufen. Die Wasserströmung von der Brücke des Vaters Giocondo zu beobachten ist ein schönes Erlebnis. Der schönste Eingang in die Stadt ist über die Brücke „San Martino“ im Süden. Die Kanäle sind zahlreich und schön, besonders um den Fischmarkt, der auf einer Insel in dem reißenden Fluss steht, und sie geben der Stadt ein spezifisches Flair. Obwohl, um ehrlich zu sein – Venedig ist es nicht.

               Weil mir Treviso bei meinem ersten Besuch gefiel, wählte ich es als den Stützpunkt für unseren Ausflug in die venezianische Region, besonders dann für den Besuch von Venedig selbst. Ich hatte keine Lust, mit Auto oder mit einem überteuerten Schiff nach Venedig zu fahren. Von Treviso geht es einfach mit dem Zug, die Reise dauert ungefähr zwanzig Minuten und die Züge fahren jede Stunde. Treviso war ein treuer Vasall von Venedig – infolge der geringen Entfernung von dem mächtigen Nachbar durfte es sich wahrscheinlich nichts anderes als Treue leisten, es wurde ein Teil der Serenissima bereits im Jahr 1344. Diese Verbindung brachte allerdings der Stadt den Wohlstand, übrigens floss aus den Brüsten der „Busigen Fontäne – Fontana delle Tette“ auf der „Piazza dei Signori“ drei Tage lang im Jahr bei der Gelegenheit der Ernennung eines neuen Gouverneurs Rot- und  Weißwein. Ich konnte nicht erfahren, ob sich dabei um Prosecco oder um einen importierten Wein handelte.

               Aus Treviso stammte die Familie Da Romano. Das berühmteste Mitglied der Familie, Ezzelino da Romano war der Schwiegersohn Kaiser Friedrichs II. und in seinem Namen verwaltete er ganz Norditalien. Treviso war also ghibellinisch, es war allerdings nicht bereit, sich mit der brutalen Herrschaft der Familie da Romano dauerhaft abzufinden. Solange hier der unglaublich grausame Ezzelino das Sagen hatte, trauten sich die Menschen nicht, etwas einzuwenden. Gleich nach seinem Tod im Jahr 1259 machten sie aber einen Aufstand, verbanden sich mit jedem, der dazu bereit war, also mit Venedig, Vicenza, Mantua, Verona und sogar der Papst Alexander IV. eilte zur Hilfe, und mit geeinigten Kräften ist es gelungen, Ezzelinos Sohn Alberico zu besiegen und gefangen zu nehmen. Die Rache für die Schreckherrschaft seines Vaters war furchtbar. Alberico wurde am den Hauptplatz von Treviso lebend verbrannt –  die Ghibellinen durften letztendlich für Häretiker gehalten werden.

               Der Dom in Treviso „Duomo Cattedrale San Pietro“ ist ein gigantischer und unglaublich chaotischer Bau, eine Mischung aller Baustile, die man sich nur vorstellen kann, von der Gotik bis zur klassistischen Fassade mit riesigen bunt bemalten ionischen Säulen.

Im Inneren gibt es nicht zu viel zu sehen, immerhin wurde die Kirche im Jahr 1944 beinahe zerstört. Aus der ursprünglichen Innenausschmückung blieb nur sehr wenig erhalten, zum Beispiel die romanische Krypta, die Fresken von Il Porderone oder ein Bild von Tizian. Auf dem Platz vor der Kirche „Piazza del Duomo“ sind die blühenden Fikusbäume das Schönste, was man dort sehen kann.

               Das wahre Zentrum der Stadt ist nämlich ein ziemlich kleiner Platz, die „Piazza die Signori“ und der ist der schönste in der Stadt. Der Platz wird von dem „Palazzo die Trecento“ also „Palast der dreißiger“ beherrscht, so viele gab es gewählter Vertreter der Stadt. Hier gibt es Restaurants, teilweise im Gebäude, teilweise unter den Zelten vor dem Gebäude, an der Wand der Präfektur gibt es natürlich den unverzichtbaren Löwen des Heiligen Markus.

Alle Gebäude sind im Stil der venezianischen Gotik und aus roten Backsteinen und mit einem Bogengang gebaut. Gleich nebenan auf einem kleinen Platz gibt es die Zentrale der weltberühmten Marke Benetton. Hier haben im Jahr 1965 vier Geschwister der Familie Benetton Luciano, Gilberto, Giuliana und Carlo ein Familienunternehmen gegründet, das bis heute ein großer Spieler in der Modenwelt blieb.

Ein paar Schritte weiter gibt es eine Loggia im Stil der Renaissance die „Loggia dei Cavalieri“ und nur ein paar Schritte weiter kommt man zum berühmten Fischmarkt. Aus dem Wasser taucht hier eine kleine Meerjungfrau auf, die ihre Brüste keusch mit ihren Händen bedeckt. Sie ist zwar nicht so berühmt wie ihre Schwester in Kopenhagen, sie gefällt mir aber besser. Es ist ein wahrhaft hübsches Mädchen, so ein einfach italienisches.

In der Umgebung vom Fischmarkt gibt es natürlich Fischrestaurants und hier in einem von ihnen abends zu essen ist in Treviso einfach Pflichtprogramm. Wir taten es und bereuten diese Entscheidung nicht. Man kann hier Fische wirklich sehr gut zubereiten.

               Abends entlang der Kanäle mit zahlreichen Wassermühleräder zu bummeln – einer davon in der „Vicolo Molitetto“ dreht sich noch immer – ist eine romantische Angelegenheit, es gibt hier, wie übrigens in jeder italienischen Stadt, genug Bars um einen Stopp zu machen und ein Glas Prosecco oder einen Espresso zu trinken. Die Stadt ist auch überraschend genug grün, besonders um den Fluss Sile. Im Restaurant „Toni del Spin“ spricht der Chef nicht nur Englisch aber sogar auch Deutsch und er kocht auch „Baccala alla Vicentina“. Darüber habe ich bereits geschrieben, diese sehr aromatische Mahlzeit kostet man bestens nur einmal und dann direkt in Vicenza. In Treviso sich auszukennen, ist allerdings nicht ganz einfach und einen Stadtplan zu kaufen ist nicht leicht. In den Geschäften im Zentrum hatten die Italiener keinen zu verkaufen und sie betrachteten uns dank dieses, aus ihrer Sicht seltsamen Wunsches, einen Stadtplan zu besitzen, als verdächtige Individuen. Wir konnten den Plan letztendlich in einem Kiosk nahe des Bahnhofs kaufen. Zum Bahnhof geht man – sollten Sie den Stadtplan nicht auftreiben – auf dem „Corso di Popolo“ und über die Brücke „Ponte San Marino“ auf die „Via Roma“. Und Sie sind am Ziel und dürfen nach Venedig fahren. Bitte, vergessen Sie nicht das Ticket auf dem Gehsteig zu entwerten sonst sind Sie auch mit gekauftem Ticket schwarz unterwegs und riskieren nicht gerade kleine Probleme.

               Die Probleme hatten wir mit dem Parken, allerdings nur dank unserer Unwissenheit. Am nördlichen Rande der Stadt hinter der Stadtmauer gibt es genug Parkplätze, man kommt hierher auf der „Via Fratelli Cairoli“ und auf dem riesigen Platz bei der „Porta Manzoni“ gibt es genug Platz. Aber Achtung! Erstens – Samstag ist ein Arbeitstag, also auch am Samstag wird fürs Parken bis zu den Abendstunden gezahlt  und am Dienstag ist hier ein Markt und geparkte Autos werden kostenpflichtig  abgeschleppt. Wir hatten Glück. Als ich am Montagabend für die letzte Abendstunde zahlen wollte (in der Nacht und am Sonntag parkt man kostenlos), teilte mir der Automat mit, dass ich bis Dienstag 15:45 Uhr bezahlt habe. Das machte mich stutzig. In weiterer Folge habe ich erfahren, dass am Dienstag bis 15:00 ist das Parken hier strengst verboten. Zum  Glück gibt es einen anderen öffentlichen Parkplatz nur einige hundert Meter weiter westlich im „Giardini publici“, dort kann man problemlos parken.                              

Eine echte Dominante der Stadt ist die Dominikanerkirche San Nicolo, gebaut logisch am Rande des historischen Stadtzentrums nahe der Stadtmauer und der Kanäle.

Es ist ein gotischer Bau, er wurde mehr als hundert Jahre lang gebaut, der Baubeginn war im Jahr 1282. An die monumentale Kirche lehnt sich ein Kloster mit einem imposanten Saal die „Sala dei Capitolo dei Domenicani“ an. In diesem Saal gibt es Bilder von vierzig dominikanischen Mönchen von Tomasso di Modena, einer von ihnen hält in der Hand eine Brille – es soll die älteste Darstellung eines Leseglases sein, die älteren Mönchen ermöglichte, weiterhin lesen und schreiben zu können, was ihre Hauptaufgabe war.

               Die Kirche des heiligen Franciscus ist logischerweise am anderen Stadtende, nahe dem Fischmarkt, hier wurden ein Sohn Dante Allighieris und eine Tochter Franzesco Petrarcas begraben. Mit der Größe der Kirche der Dominikaner kann sich aber diese Kirche nicht messen.  

               Etwas seitlich im östlichen Stadtteil an einem Kanal steht das „Museo di Santa Catarina dei Servi“, im ehemaligen Kloster der heiligen Katharina. Hier gibt es die schönsten Fresken in Treviso direkt in der Kirche oder in der „Kapelle der unschuldigen Kindern“ und ein Zyklus des Martyriums der heiligen Ursula. Den Grundstein für die Sammlungen des „Museo civico“, die sich in der nordwestlichen Ecke der Altstadt befindet, ist die Schenkung von Luigi Bailo, eines Mönches, der sich im neunzehnten Jahrhundert entschloss, alles, was er fand und was irgendeine Beziehung zu seiner Stadt hatte, zu sammeln. Die Leute haben ihn damals für einen Narren gehalten, heute hätten sie ohne ihn viel weniger zu bieten. Archäologische Artefakte aus der römischen sowie auch aus der langobardischen Zeit, Statuen im romanischen Stil, sowie auch eigenartige Grabsteine der Patrizier der Stadt aus Terrakotta. In der Pinakothek gibt es Bilder von Tizian oder Tintoretto.

               Von Treviso kann man nach Asolo fahren, wo sich eine der schönsten Villen, villa Barbaro – natürlich von Andrea Palladio, befindet und nach Bassano di Grappa. Dieses Städtchen an dem Fluss Brenda ist zauberhaft. Übrigens, gerade die Brenda mündet in Venedig ins Meer, auf den Inseln in ihrer Lagune – tiefer Fluss, also „Rio alto“ gab den Namen dem Stadtzentrum von Venedig sowie auch der berühmten Brücke Rialto. Das Wahrzeichen der Stadt ist die Holzbrücke über den Fluss, die „Ponte degli Alpini“ – natürlich ursprünglich ein Bau von Andrea Palladio (Bassano wurde ein Teil der Venezianischen Republik im Jahr 1404, diese Tatsache bezeugt der Markuslöwe auf dem Hauptplatz). Im ersten Weltkrieg wurde aber die Brücke zerstört und nach dem Krieg dann wiederaufgebaut von den italienischen Gebirgsjägern, deren Namen sie jetzt trägt.

Von der Brücke gibt es wunderschöne Aussichten entweder stromaufwärts auf den reißenden breiten Fluss mit Alpen im Hintergrund und mit einer Festung auf dem höchsten Punkt der  Stadt oder stromabwärts auf wirbelndes Wasser auf einem breiten Wehr einige hundert Meter stromabwärts in Richtung Venedig. Die Festung auf dem höchsten Punkt der Stadt ist eine echte Dominante, die Hauptattraktion der Stadt ist aber Grappa. Ein Weinbrand, der seinen Namen nach dem Berg bekommen hat, der über die Stadt emporragte. Der Berg war der Platz schwerer Kämpfe im ersten Weltkrieg. Nachdem österreichische Generäle  beschlossen hatten, dass der Fluss Piave unüberwindbar sei, versuchten sie lange Monate diesen Berg einzunehmen und dadurch die Kontrolle über das ganze Tal zu gewinnen. Als ihre Offensiven versagten, gingen Italiener bei Vittorio Venetto in die Gegenoffensive, die eine endgültige Niederlage der österreichischen Armee und das Ende der Monarchie bedeutete. In der Stadt gibt es ein Museum Ernest Hemingways, der – damals neunzehnjährig – als freiwilliger Sanitäter in der italienischen Armee diente und nach dem Durchbruch der Deutschen bei Caporetto (heute Kobrid in Slowenien) die italienische Armee verlassen hat. Er schrieb darüber seinen ersten Roman „A Farewell to Arms“ (auf Deutsch ein bisschen merkwürdig als „In einem andern Land“ übersetzt), was ihm einen Welterfolg und den Durchbruch als Schriftsteller brachte.

               Auf dem Gipfel des „Monte Grappa“ gibt es ein Museum des ersten Weltkrieges mit Schützengräber und Artefakten des kriegerischen Wütens. Man fährt auf einer Bergstraße mit vielen  Kehren hin, da ich aber kein italienisches Wörterbuch mit hatte und nicht wusste, dass das Wort „Cima“ auf Italienisch „Gipfel“ bedeutet und der Weg zu „Cima“ nicht ganz logisch bergabwärts führte, fuhren wir in eine falsche Richtung und das Museum fanden wir nicht. Dafür wurden wir mit wunderschönen Aussichten auf die Alpen belohnt.            

               In Bassano muss man natürlich eine Brennerei von Grappa besuchen. Das taten wir auch, wir stolperten über die Destillerie der Firma Poli (neben der Firma Nardini eine der zwei größten in der Stadt) und weil der Eintritt kostenlos war, gingen wir schauen, wie die Italiener ihren Schnaps brennen.

Aus historischer Sicht weckte mein Interesse gleich im ersten Raum ein Destillationsgerät, das angeblich der berühmte Pietro Andrea Mattioli erfunden hatte. Er war Autor des ersten herausgegebenen Herbariums und der Leibarzt des Königs Ferdinands I. und seines Sohnes Ferdinands von Tirol. Mattioli war, wie alle Wissenschaftler seiner Zeit, auch Alchemist und offensichtlich hat er also etwas Brauchbares und Nützliches erfunden. Herr Mattioli dachte bei dieser Erfindung sicher in erster Linie an das Wohl seiner Patienten. Wir besichtigten die Brennerei, sahen einen Film, der uns die Prinzipien des Erzeugungsvorganges näher brachte. Und dann in einem Raum rochen wir alle Düfte, die Grappa der Firma Poli haben kann. Wahrscheinlich deshalb, um dann beim Kauf von Grappa in einem Souvenirgeschäft, durch das man die Brennerei verlassen durfte, leichter eine Wahl zu treffen. Natürlich konnten wir nicht widerstehen und kauften zwei Flaschen dieses Zaubertrankes. Es erwartete uns eine lange Reise in den italienischen Süden und ein paar Flaschen von gutem Schnaps zu haben, konnte praktisch sein. War es auch.

               Treviso ist also ein guter und gemütlicher Ausgangspunkt für viele interessante Ausflüge in die ganze „Terra Ferma“, der ehemaligen Venezianischen Republik. Vielleicht komme ich noch einmal hin. Den Stadtplan habe ich doch.

Udine

               Diese Stadt löst in mir zwei Assoziationen aus. Erstens, es ist die Stadt, an der man auf der Autobahn vorbeirast, um schnell zum Meer zu kommen, man will sich hier nicht aufhalten lassen. Zweitens ist das der Schinken, der allerdings nicht unmittelbar mit Udine verbunden zu tun hat, sondern mit einem Städtchen San Daniele, das 25 Kilometer von Udine entfernt ist und am Fluss Tagliamento liegt. Dort wird jedes Jahr ein großes Schinkenfest organisiert, zu dem Menschen aus aller Welt kommen. Natürlich deshalb, weil der Prosciutto aus San Daniele wieder einmal „piú“ also der beste auf der Welt ist (bitte, sagen Sie so etwas vor niemanden, der aus Parma stammt).

               Wenn Sie also ein großer Prosciutto-Fan sind, mutig genug, und Sie wollen für die Weltmeisterschaft im Autoparken trainieren, fahren Sie unbedingt hin. Neben dem Schinken  gibt es in San Daniele noch Räucherforellen, die Kathedrale, die der Stadt den Spitznamen „ friualinische Sienna“ gebracht hat und eine Bibliothek mit vielen alten Manuskripten. Es wäre vielleicht sogar besser, in einer weniger überlaufenen Zeit hinzufahren, im Ort gibt es 27 prosciuttofici, die man besuchen kann, um zu erfahren, wie dieses Wunder von Schweinschinken produziert wird.

               Aber zurück nach Udine. Das hat viel mehr zu bieten, übrigens hat die Stadt nie ganz verdaut, dass sie nicht mehr die Hauptstadt der Provinz Friaul-Venetien ist – der Sitz der regionalen Regierung wurde nach Triest verlegt, was die Bewohner von Udine bis heute als eine große Ungerechtigkeit empfinden. Die Provinz, die auch eine eigene Sprache hat – es wird hier furlanisch gesprochen – ist seit 1963 eine der vier autonomen  Regionen Italiens mit eigener Regierung, einem Parlament und einem Budget (neben Sizilien, Sardinien und Südtirol). Deshalb findet man überall mindestens zweisprachige Aufschriften in Italienisch und Furlanisch, aber häufiger drei- oder sogar viersprachige, da hier auch eine deutsche und eine slovenische Minderheit leben.     

               Im Augenblick, in dem man den Hauptplatz „Piazza della Liberta“ von Udine betritt, hat man das Gefühl, dass man diese Gebäude schon irgendwo gesehen hat.

Und man hat recht. Der Uhrturm ist eine genaue verkleinerte Kopie des gleichen Turmes auf dem Markusplatz in Venedig, gleich wie dort mit zwei Mauren, die die dort aufgestellte Glocke läuten. Udine gehörte seit dem Jahr 1420 zur  Republik Venedig und man merkt es auf jedem Schritt und Tritt. Auch das alte Rathaus, „Loggia del Lionello“, ist ein prächtiges Beispiel der venezianischen Gotik und  aus diesem Teil des Rathauses kommen Hochzeitspaare heraus.

Nicht aus dem neuen Ausgang des Rathauses auf der anderen (hinteren) Seite des gigantischen Komplexes. Im zwanzigsten Jahrhundert war den Udinesern das Rathaus zu klein und so ließen sie ein neues dazu bauen. Vollendet wurde es im Jahr 1932 im Stil, der an sozialistischen Realismus erinnert – es ist verblüffend, wie sich die faschistische und kommunistische Architektur ähneln – ein totalitäres System ist einfach ein totalitäres System egal ob es von links oder von rechts des politischen Spektrum kommt) Zum Glück ist der Neubau des neuen Rathauses nicht gut sichtbar und verdirbt den Eindruck nicht. Vom Hauptplatz aus kann man ihn, Gott sei Dank, überhaupt nicht sehen.              

               Am Hauptplatz gibt es eine Menge Sehenswürdigkeiten. Direkt am Weg zum Schloss steht die Friedenstatue, die den Frieden von Campoformio symbolisiert. Diesen Frieden schloss Napoleon mit dem geschlagenen Österreich in Campo Formio (manchmal wird auch der Name Campoformio oder Campoformido) verwendet nahe Udine am 17. Oktober 1797. Durch diesen Vertrag hörte die Serenissima, also die Republik von Venedig, auf zu existieren und wurde zur Provinz Österreichs. Es sollte ein Ersatz für die verlorene Lombardei sein, aus der der französische General Bonaparte einen Satelitenstaat von Frankreich, so genannte Cisalpinische Republik, bildete. Der Ort, wo Napoleon sein Hauptlager aufschlug, war die „Villa Manin“, der Wohnsitz des letzten Dogen von Venedig, und man findet sie 9 Kilometer südwestlich von Udine. Sie ist besuchswert, schon ihres großen wunderschönen Parks wegen.                   

Dem Rathaus gegenüber steht ein Portikus im Stil der Renaissance „Porticato di San  Giovanni“ aus dem sechzehnten Jahrhundert, bereichert mit dem bereits erwähnten Uhrturm mit zwei Mauren, die Gott sei Dank die „politic corectniss“ noch nicht befahl zu beseitigen, weil sie als ein Beweis für die Versklavung der Afrikaner durch Venezianer gedeutet werden könnten. Die Schwarzen konnten in venezianischen Diensten allerdings auch große Karriere machen, erinnern wir uns an Othello, der unter der venezianischen Flagge Cypern gegen die türkische Invasion verteidigt und aus Eifersucht seine geliebte wunderschöne Gattin Desdemona in der Stadt Famagusta erwürgt hat. An die venezianische Epoche von Udine erinnern auch die Säulen auf dem Hauptplatz, die den Markuslöwen und die Statue der Justitia, sowie auch die Statuen von Herkules und Caco aus dem 18. Jahrhundert tragen.

Natürlich, wenn man in einer Stadt ist, die zu Republik von Venedig gehörte, muss man die Spuren von Andrea Palladio suchen, weil, wie ich schon erwähnte, in der venezianischen „Ferra Terma“ gibt es kaum eine größere Stadt, in der dieser großen Architekt in seiner Bautätigkeit keine Spuren hinterlassen hätte. Auf dem Hauptplatz von Udine baute Palladio das Tor auf dem Weg zum  Schloss,  so genanntes „Arco Bollani“ aus dem Jahr 1556, in der Stadt entdeckt man aber auch den „Palazzo Antonini“, gebaut zu gleicher Zeit, in dem heutzutage Italienische Nationalbank untergebracht ist.

               Der Dom ist vom Hauptplatz in Sichtweite. Ein monumentaler sechseckiger Turm und hinter ihm eine gigantische Kathedrale mit einer wunderschönen gotischen Fassade. Zumindest diese ließen die Udineser ohne irgendwelche gewaltigen Veränderungen, das Innere der Kirche  entging solchen „Verbesserungen“ nicht mehr. Im Turm ist ein Museum des heiligen Blasius untergebracht (San Biaggo). Leider hat dieses Museum so ungewöhnliche Öffnungszeiten, dass es mir noch nicht gelungen ist, es zu besuchen um zu erfahren, welche Beziehung dieser Heilige, der im dritten Jahrhundert in Syrien lebte und durch einen Märtyrertod starb, zu Udine hat.

               Udine hat übrigens einen eigenen Heiligen. Luiggi Scrosoppi (er lebte in den Jahren 1804 – 1884) wurde im Jahr 2001 heilig gesprochen – vom wenn sonst als von Johann Paulus II. Im Jahr 2010 wurde er im österreichischen Pörtschach vom Bischof von Gurk Alois Schwarz (inzwischen wurde dieser umstrittenen Bischof dank zahlreicher Skandale nach St.Pölten versetzt. Das Wüten seiner Freundin, die er zur Vorgesetzten einer katholischen Stiftung, die er selbst gegründet hat, gemacht hatte, ist nämlich unerträglich geworden) zum Patron der Fußballer und Fußballerinen ernannt. Nicht, das der heilige Luigi irgendwann in seinem Leben den Fußball berührt hätte (er kümmerte sich eher um arme Mädchen), aber die Fußballer hatten angeblich bis zu diesem Zeitpunkt noch keinen Patron und so haben sie jetzt dank der Initiative des österreichischen Bischofs einen zugeteilt bekommen. Der arme Luigi kann wirklich nichts dafür. Sein Bildnis hängt natürlich in der Kathedrale gleich neben der Statue des Papstes Pius IX. Dieser Papst erhob Udine zum Erzbischofstum, das direkt nur dem Papst unterstellt war und die dankbare Stadt ließ ihm dafür eine Statue im Dom errichten.

               Über die Stadt ragt ein großes Schloss im Stil der Hochrenaissance empor.

Es wurde von den Patriarchen von Aquileia errichtet, die Udine zu ihrem Sitz auswählten, als ihnen das kleine Aquilea nicht mehr gefallen hat. Der Bau wurde von einem Schüler Rafaels Giovanni da Udine im Jahr 1517 begonnen (dieser Meister schmückte mit seinen Fresken auch den Ehrensaal, in dem sich früher das Parlament der Region Friuli traf), beendet wurde er von Francesco Floriani. Bis zum Jahr 1797 war das Schloss der Sitz des venezianischen Statthalters, heute ist hier das „Museo civil“ untergebracht. Umgeben von riesigen Bäumen in einem schönen Park und mit einem hervorragenden Blick auf die Stadt ist es sicher besuchswert. Die Kirche „Chiesa di Santa Maria al Castello“ mit ihren schönen Fresken wird gerade renoviert, der goldene Erzengel Gabriel auf der Spitze des Kirchenturmes ist  eine schöne Dominanz des gesamten Schlossareals. Im Museum gibt es eine Ausstellung über die Vereinigung Italiens und natürlich auch die Pinakothek mit Bildern von Tiepolo oder Caravaggio, sowie auch ein Museum friulanischer Fotographie. Es ist mir gelungen, den Alarm auszulösen, als ich das Schloss durch den Notausgang in Richtung Schlosspark verlassen wollte, der sich inklusiv des Schlossrestaurants auf einer Terrasse hinter dem Schloss befindet. Also probieren Sie das lieber nicht. Obwohl sich die Italiener als sehr tolerant zeigten und ich das Schloss ohne Geldstrafe durch den Hauptausgang verlassen durfte

               An der Rückseite des Schlosses gibt es die grüne Seite von Udine. Ausgedehnte Parkanlagen „Giardino Grande“ „Loris Fortuna“ und „Ricasoli“, wo das Parken problemlos möglich ist und gerade der Parkplatz am „Giardino Grande“ ist ein günstiger Ausgangspunkt zum Kennenlernen der Stadt. Wenn man von hier auf der Treppe zum Schloss heraufsteigt, sieht man eine Erinnerungstafel an den Gründer der Esperantosprache Ludwik Zamenhof, den so genannten „Doctor Esperanto“. Der wirkte zwar nicht persönlich in Udine, dafür war aber sein großer Bewunderer und Nachfolger Achille Tellini (1866 – 1938) ein gebürtiger Udineser, der in der Stadt geboren wurde und hier auch starb.                   

         Etwas seitlich liegt das „Museo diocesano e galleria del Tiepolo“ im ehemaligen Erzbischofspalast. Das Museum erinnert ans Wirken eines anderen berühmten Mannes aus Udine. Giovanni Battista Tiepolo (1696 – 1770) gehörte zu den größten Meistern des späten Barocks und seines Überganges zum Rokoko. In seinen jungen Jahren schaffte er als venezianischer Bürger in Venedig und Udine, später verbreitete sich sein Ruhm in die ganze damalige Welt – eines seiner berühmtesten Werken ist das Fresko „Die Hochzeit von Friedrich Barbarossa mit Beatrix von  Burgund“ in Würzburg. Im „Museo diocesano“ kann man seine frühen Werke bewundern – es zahlt sich aus hinzugehen.       

               Wenn man in der Stadt genug gelaufen ist, zahlte sich aus, auf dem Platz „Piazza Giacomo Matteoti“ mit der Kirche des Jakob des Älteren auszuruhen.

Der ehemalige Platz „Piazza San Giacomo“ erhielt seinen derzeitigen Namen nach Giacomo Matteoti, einem Politiker der italienischen Linken, der im Jahr 1924 von Mussolinis Faschisten ermordet wurde. (Was beinahe zu Mussolinis Sturz geführt hätte, letztendlich aber seine Diktatur festigte). Ein viereckiger Platz war einmal der Hauptmarkt der Stadt und damit auch der zentrale Platz. Er verleiht durch die Reihen dichtgebauter Häuser ein Gefühl der Geschlossenheit. Mit seinen Arkaden und einer Menge Cafés und Bars liegt er ein bisschen seitlich der Hauptstraße, er öffnet sich vor Ihnen wie eine angenehme Überraschung und verlockt Menschen, hier länger zu verweilen.

Natürlich, noch die Frage, was kann man in Udine typisches essen (außer Schinken natürlich. Die Überraschung war groß, wenn ich hier, in Italien eine echte Sliwowitz entdeckte. Das ist offensichtlich die Folge des Friedens in Campo-Formio. Etwas gutes haben die Italiener von Österreich (eigentlich von dem böhmischen Teil der Monarchie) doch übernommen.

               Udine ist also besuchswert. Wenn Sie das nächste Mal vorbeifahren und ein Gefühl hätten, eine Pause machen zu müssen um auszuruhen, machen Sie einen Stop gerade hier. Sie werden es nicht bereuen.            

Cividale die Friuli

               Im Jahre 568 erschien im Osten Italiens ein neuer, im Lande noch unbekannter germanischer Stamm, die Langobarden. Die Barbaren  aus dem Norden (sie lebten bis zu diesem Zeitpunkt im Bereich des heutigen Österreichs, Ungarns, Tschechiens und der Slowakei) überwanden ohne Widerstand die Festungskette „Claustra Alpium Juliarum“ im Birnbaumwald, die eine Verteidigung Italiens bilden sollte, diese aber nicht bildete, weil es niemanden gab, der die Befestigung  verteidigen würde. Italien befand sich nach einem vernichtenden zwanzigjährigen Krieg zwischen Ostgoten und Byzantinern im Zustand eines absoluten Kollapses. Der Krieg gewannen zwar im Jahr 555 die Byzantiner, es war aber ein wirklicher Pyrrhussieg, den sie mit absoluter Erschöpfung bezahlten. Jetzt hatten sie keine Kraft mehr, sich gegen die neuen Eindringlingen zu wehren.

               Die erste Stadt, die den Langobarden im Wege stand, war Civitas d´Austria (also in Übersetzung „Die Oststadt“) ehemaliges Forum Julii (Juliusmarkt). Diesen Namen trug die Stadt nach ihrem Gründer Gaius Julius Caesar. Der Name Forum Julii hört man auch heute noch in dem Namen der Provinz Friul, er ist also nicht vergessen. Langobarden nahmen die Stadt widerstandlos ein und errichteten hier ihr erstes Herzogtum in dem neuen Land. Langobarden bemühten sich nie einen zentralisierten Staat zu bilden, jeder Häuptling herrschte mehr oder weniger unabhängig von der zentralen Macht und ihr König hatte ähnliche Befugnisse wie der heutige österreichische oder deutsche Präsident, also in erster Linie repräsentative Aufgaben.

               Langobarden zogen dann weiter nach Westen, bildeten weitere Herzogtümer in Verona, Brescia, Pavia und weiter südlich dann in Spoleto und Benevent. Civitas d´Austria war aber die erste. Weil Italiener diesen lateinischen Namen nie richtig auszusprechen vermochten, verstümmelten sie ihn einfach auf Cividale, und dieser Name blieb der Stadt bis heute.

               Cividale ist ein kleines Nest mit 11 000 Seelen, es ist aber eines Besuches wert. Es liegt am Fuß der Julischen Alpen, durchquert von dem reißenden Bergfluss Natisone, der der Stadt ein spezifisches Flair verleiht.

Man verlässt die Autobahn bei Udine und nach sechzehn Kilometern ist man am Ziel. Aufpassen, der große kostenlose Parkplatz beim alten Bahnhof ist am Samstag (ähnlich wie in vielen anderen italienischen Städten) wegen eines Marktes gesperrt. Und ein riesiger freier Platz gleich gegenüber steht nur für autorisierte Fahrzeuge zu Verfügung, es handelt sich also um ein Privatgrundstück, wo auf Sie eine Strafe wartet. Aber auch am Samstag ist es kein Problem, einen Parkplatz nahe dem  Stadtzentrum zu finden, das Städtchen ist klein und lieb – einfach gastfreundlich.              

               Auf dem Platz vor dem Rathaus steht eine Statue des Stadtgründers Gaius Julius Caesar.

Das Rathaus ist ziemlich klein. Es ist ein aus Backsteinen erbautes Gebäude und auf seiner Fassade sind noch Reste des venezianischen Löwen sichtbar, den die Bewohner der Stadt im Jahr 1797, als die Venezianische Republik nach Besetzung durch Napoleon und aufgrund des Friedens von Campo Formio zu existieren aufgehört hatte, aus lauter Freude auskratzten. Unter die venezianische Herrschaft gelang Cividale im Jahr 1421.     

               An die Zugehörigkeit zu Venedig erinnert die Tätigkeit des Architekten Andrea Palladio. Seine Werke findet man in jeder Stadt der Serenissima und wenn man kein Gebäude von Palladio in einer solchen Stadt gefunden hat, dann hat man halt nicht sorgfältig gesucht. Auf der „Piazza del Duomo“ gibt es den nach seinem Projekt gebauten Palast „Palazzo pretorio“ oder auch „Palazzo dei Provveditori Veneti“ genannt, in dem sich heutzutage das „Museo archeologico nationale“ mit einer Ausstellung zur römischen und langobardischen Vergangenheit der Stadt befindet. Schade, dass die ursprüngliche Fassade von Palladio im neunzehnten Jahrhundert klassizistisch umgebaut wurde, das originale Gebäude gefiel mir mehr – das Modell des Palastes aus dem sechzehnten Jahrhundert befindet sich im Museum. Auf seine langobardische Vergangenheit ist die Stadt gehörig stolz, das ganze Obergeschoß zeigt Ausgrabungen aus der Zeit der langobardischen Herrschaft, die im Jahre 774 durch den Einfall der Franken zu Ende ging. Cividale verlor seine Unabhängigkeit und wurde zum Teil des neuen fränkischen Herzogtums Verona. Aus Cividale stammte aber der Historiker Paulus Diaconus, der die Geschichte seines Volkes schrieb. Er lebte in den Jahren 725 – 797 und erlebte also den Untergang des Reiches seines Volkes. Er entschied sich die Geschichte der Langobarden zu schreiben, damit das Volk nicht vergessen wird. Das ist ihm gelungen. Cividale kommt in seinem Buch „Historia Langobardorum“ natürlich nicht kurz. Und es ist ihm dafür auch dankbar. Es gibt hier einen schönen Platz „Piazza Pauli Diaconi“ , es gibt hier sein Haus und ein Konvikt, also eine Schule, die seinen Namen trägt. Sie befindet sich am linken Ufer des Flusses inmitten eines großen Parks.

               Neben Paulus Diaconus rühmt sich Cividale noch einer berühmten Persönlichkeit, der Schauspielerin Adelaide Ristori. Diese Dame, die in den Jahren 1818 – 1906 lebte, machte ihren Geburtsort nicht nur in Italien berühmt. Ihre Karriere begann in Parma, sie spielte aber auch in Paris oder in Konstantinopel. An sie erinnert ein großes Denkmal vor dem Theater – mit ihrer Statue und Symbolen der berühmtesten ihren Rollen, der Medea.

Übrigens muss ich in meinem Artikel über Cividale etwas verraten, was ich in der Zeit, als ich meinen Artikel über Vicenza schrieb, noch nicht gewusst habe. In Cividale verbrachte nämlich Luigi da Porto einen großen Teil seines Lebens. Er war ein gebürtiger Vicenzaner (dort hat er auch eine Erinnerungstafel, über die ich aber während meines Besuches in seiner Stadt nicht gestolpert bin). Sagt euch dieser Name nichts? Das ist keine Schande, ich wusste über diesen Herrn auch nichts, bis ich ihm in Cividale begegnet bin. Dieser Herr lebte in den Jahren 1485 – 1529 und war ein Hauptmann der venezianischen Kavallerie (stationiert in der Grenzstadt Cividale). Er ist unter anderem auch Autor einer Novelle „Neu geschriebene Geschichte zweier erhabener Geliebten.“ Noch immer nichts?

Also gut, die Geschichte des Luigi da Porto spielt sich in Verona in der Zeit der Herrschaft der Familie Della Scala und die Hauptpersonen heißen Romeus und Giulietta. Außerdem findet man hier Figuren, die mit Mercurio, Tybalt, Laurenzio oder Paris ident sind. Also, sind wir jetzt schon zu Hause? Die Novelle wurde ein Jahr nach dem Tod des Autors veröffentlicht, also im Jahr 1530. In den Jahren 1594 – 1596 schrieb ein gewisser William Shakespeare die Geschichte ab und wurde dadurch berühmt. Shakespeare schrieb aber nicht direkt von Luigi da Porto ab, so gut Italienisch konnte er offensichtlich nicht. Er folgte bereits einem anderen Plagiator Arthur Brookes, der im Jahr 1562  „The Tragicall Historye of Romeus und Juliet.“ veröffentlichte. Shakespeare reichte es also, von ihm abzuschreiben. Allerdings nur aus seiner Feder bekam die Geschichte die unwiderständliche Poesie,  derentwegen wir noch immer das Theater besuchen und Millionen Touristen nach Verona strömen. Also Plagiator oder nicht, berühmt ist Shakespeare, obwohl die Geschichte Luigi da Porto frei erfunden hatte. Möglicherweise erfand er die Geschichte nicht frei, sondern beschrieb seine eigene Liebesgeschichte, die allerdings nicht so tragisch endete – der Bote kam in seinem Leben offensichtlich noch rechtzeitig, um den Selbstmord der Liebenden zu verhindern. Wäre er nicht rechtzeitig gekommen, wäre die Welt um einen Grundstein ihrer Kultur ärmer.

Aber zurück zu der langobardischen Geschichte der Stadt, auf die Cividale so stolz ist. Paulus Diaconus beschreibt die Tragödie, die die Stadt im Jahr 610 heimgesucht hat. Damals fielen in Italien Avaren ein und der Herzog von Cividale Gisulf II. verlor in der Schlacht gegen sie das Leben. Seine Witwe Romilda zog sich mit ihren Kindern hinter die festen Mauer von Cividale zurück, sie war aber  von der Schönheit des Häuptling des Avaren angeblich so hingerissen, dass sie selbst die Tore der Stadt geöffnet hat, beeindruck von dem Versprechen, dass sie der Häuptling heiraten würde. Avaren plünderten die Stadt, töteten die Männer, Frauen und Kinder schleppten sie in die Sklaverei ab. Die wollüstige Romilda verschwand spurlos. Ihre Söhne Raduald und Grimoald retteten sich durch Flucht aus der Stadt (möglicherweise erkannten sie rechtzeitig die Absichten ihrer Mutter) und flohen nach Süden nach Benevent, wo sie beide einer nach dem anderen zu Herzögen wurden und Grimoald wurde letztendlich sogar der König der Langobarden in Pavia.

               Aus dieser Tragödie erholte sich die Stadt natürlich schon seit langer Zeit, das Museum zeigt die Lebensart der Langobarden, ihre Begräbnisbräuche, es ist sicher besuchswert. Man kann eine gemeinsame Karte für drei Museen kaufen. Neben dem „Museo archeologico“ kommt noch das „Museo cristiano“ mit einem hinreisenden Altar aus Stein des Königs Rachtis und mit dem Baptisterium aus Marmor des Patriarchen Kalixt dazu. Der Altar ist mit typischen Reliefs des frühen Mittelalters geschmückt, mit ziemlich naiv wirkenden Gesichtern der Figuren.  Es ist auffällig, dass die Mundwinkel in allen Gesichtern nach unten zeigen, also keine einzige lacht oder lächelt. Das Lachen war im Mittelalter verpönt, wer darüber mehr wissen möchte, dem kann ich den genialen Roman von Umberto Eco „Der Name der Rose“ empfehlen.

Im Museum gibt es auch den Thron der Patriarchen, auf dem 26 Patriarchen von Aquileia gekrönt wurden. Das dritte Museum auf dem gemeinsamen Ticket ist das Kloster „Santa Maria in Valle“ mit einer Kapelle aus langobardischer Zeit „Tempietto langobardo“. Es wäre das reinste Beispiel langobardischer Architektur, wenn man das Kloster des Heiligen Salvators in Brescia ausklammern würde. Der Marmorsaal wird bis heute genutzt, die Fresken der Mauern sind natürlich jünger, derzeit wird die Innenausstattung aus Holz renoviert. Faszinierend ist das Marmorrelief über dem Eingang mit dem Motiv der Trauben und Weinblätter – es ist eine wahre Filigranarbeit – und das aus Marmor!

Das Kloster hat einen unglaublich unregelmäßigen Kreuzgang. Bisher war in jedem Kloster, das ich besucht hatte, der Kreuzgang viereckig. Nicht so ist es in Cividale. Möglicherweise deshalb, weil der Kloster auf einem steilen felsigen Ufer des Flusses steht und deshalb ist der Kreuzgang von einer undefinierten Form – einfach vieleckig – die Italiener waren immer sehr kreativ – und das sind sie immer noch. Wenn man die felsige künstliche Höhle am Flussufer besuchen möchte – Hypogeo Keltiko – wahrscheinlich aus keltischer Zeiten, also noch bevor hierher der große Gaius Julius mit seinen Legionen kam, muss man den Schlüssel im Kloster ausborgen. Hypogeo ist nur ein paar Schritte vom Kloster entfernt.

               Der Dom von Cividale ist ein monumentales Gebäude in einem ziemlich inhomogenen Stil. Die ursprüngliche romanische Kathedrale wurde am Anfang des sechzehnten Jahrhunderts von Pietro Lombardo und Bartolomeo delle Cisterne im Stil der Renaissance umgebaut. An die Fassade wurde dann ein Barockvorbau angehängt und letztendlich wurde das Gebäude mit Mauern im klassizistischen Stil umzingelt. Also ein bisschen Chaos, aber das sind wir in Italien natürlich gewohnt. Die Kathedrale ist monumental, wie alle italienischen „Duomos“ und im  Jahr 1909 wurde sie vom Papst Pius X. zu „Basilica minor“ erhoben. Faszinierend ist ein riesiges gotisches Kreuz, das eine bewegte Geschichte hinter sich hat, und sehenswert ist eine barocke Statue Jungfrau Maria mit Jesuskind (offiziell heißt der Dom „Il Duomo di Santa Maria Assunta).

               In der Stadt gibt es eine Menge mittelalterlicher Häuser, meistens sehr schön rekonstruiert mit typischen vorgeschobenen Portalen, man stolpert über Geschichte auf jedem Schritt und Tritt und das gefällt einem Historiker wie mir natürlich sehr.   

               Das Symbol der Stadt ist „Ponte diavolo“, also „Die Teufelsbrücke.“

Es gibt zu ihr natürlich die übliche Legende – weil die Bürger der Stadt nicht im Stande waren, den Fluss mit einer Brücke zu überqueren, holten sie sich die Hilfe des Teufels. Der war einverstanden, als Lohn verlangte er aber die Seele des ersten Menschen, der die neue Brücke betreten würde. Er glaubte, dass es eine bedeutsame Persönlichkeit sein würde, die die neue Brücke einweihen würde. Die schlauen Bürger von Cividale trieben aber einen Hund auf die neue Brücke. Natürlich bietet sich eine gerechtfertigte Frage an – hat ein Hund eine Seele? Schwer zu sagen, wen der Teufel letztendlich als Lohn für seine Arbeit geholt hat, er hat aber, wie wir wissen, eine bestimmte Schwäche dafür, die Falschen zu nehmen und die, die sich den Aufenthalt in der Hölle längst verdient hätten, lässt er auf der Welt unverhältnismäßig lange herumlaufen und ihr Unwesen treiben.

               Die Brücke ist monumental, es ist ein dankbares Motiv für Fotos, mit ein bisschen Glück kann man alle vier Glockentürme der Kirchen, der Stadt, die absolut ident sind, auf ein Foto bringen,.

Es ist der Dom, die Kirche Santa Maria in Valle, die Kirche des heiligen Petrus und Blasius ( mit wunderschönen Fresken an der Fassade) und die Kirche des heiligen Franziskus, die nicht mehr der Kirche, sondern als Saal für Ausstellungen und kulturelle Veranstaltungen dient. Das Gebäude des Franziskanerklosters ist imposant, am bestens sieht man das, wenn man auf den Stiegen neben der Brücke zu einer kleinen Plattform am Ufer des Flusses absteigt – der Abstieg zahlt sich aus.

               Die Brücke wurde im ersten Weltkrieg vernichtet. Nach dem Durchbruch der deutschen Divisionen, die den Österreichern zur Hilfe gekommen waren, bei Caporetto (heutiges Kobrid in Slovenien) steuerten die Deutschen ihren Vormarsch direkt auf Cividale zu. Als die deutschen Soldaten ins Stadtzentrum eindrangen, sprengten die sich zurückziehenden Italiener die Brücke, um sich von den siegenden Feinden abzusetzen. Es gelang ihnen trotzdem nicht, der italienische Rückzug kam nur am Fluss Piave viel weiter westlich zum Stillstand. Die Brücke wurde im Jahr 1918 neu gebaut, dieses Datum steht auch in ihrer Konstruktion geschrieben, sie wurde aber treu nach dem ursprünglichen Bau nachgebaut

               An den ersten Weltkrieg, der die Stadt nicht gerade schonend behandelte, erinnert ein kleines, aber liebes Museum „Museo della grande guerra“ im Gebäude des ehemaligen Bahnhofs. Dieses Gebäude diente in der Zeit der italienischen Offensiven am Fluss Isonzo ( in den Jahren 1915 – 1917 unternahmen hier Italiener elf Offensiven – so genannte Isonsoschlachten) als der Ausgangspunkt für die Versorgung der italienischen Armee – von hier fuhr der Zug mit Munition, Vorräten und Soldaten bis ins Städtchen Sužid hinter der Front. Heute wird hier in einigen Sälen der Krieg aus italienischem Blickwinkel in Fotografien und Karten dokumentiert. Es gibt hier einen Schützengraben mit originellen Holzbalken aus den Kriegsschauplätzen, wo man die klaustrophobische Authentizität des Schutzgrabenkrieges erleben kann.

Der Eintritt ist kostenlos, es gibt lediglich freiwillige Spender,, der dortige Angestellte war so begeistert von der Tatsache, dass Gäste kamen, dass er uns nicht in Ruhe ließ. Mit einem unglaublichen Enthusiasmus erzählte er uns  alles, was sich in den Jahren 1915 – 1917 abspielte, weil er aber italienisch sprach, verstand ich nur einen kleinen Bruchteil davon, was er uns mitteilen wollte.

               Ach so, natürlich – in Italien darf nicht ein Tipp für ein gutes Essen fehlen. In Cividale gibt es eine lokale Spezialität „Gnocchi di susine“. Wenn man sie bestellt, wird man überrascht. Es handelt sich um typische tschechische Zwetschenknödel aus Kartoffelteig mit Zimt und gerösteten Semmelbröseln. Wie die nur herkamen? Möglicherweise doch eine Erinnerung an das alte gute Österreich-Ungarn!