Rom war nicht immer der Nabel der Welt und der Sitz des Oberhauptes der katholischen Kirche. Es gab Zeiten, in denen die Päpste außerhalb Roms residierten – und manchmal sogar für recht lange Zeiträume. Die Stadt Viterbo lebt bis heute von einer dieser berühmten Episoden ihrer Geschichte im 13. Jahrhundert.

Doch die Einwohner Viterbos geben sich nicht damit zufrieden, dass in den Mauern ihres „Sala del Conclave“ einst fünf Päpste gewählt wurden. Sie behaupten sogar, ihre Stadt sei von niemand Geringerem als dem biblischen Urvater Noah gegründet worden. Damit würden sie das Recht beanspruchen, sich als älteste Stadt Italiens – wenn nicht der Welt – zu bezeichnen. Als jedoch der Maler Baltassare Croce bei der Ausgestaltung des Rathaussaals „Palazzo dei Priori“ statt Noah Herkules malte, waren sie dennoch zufrieden.

Zu den berühmten Persönlichkeiten, die aus Viterbo stammen sollen, gehört auch der byzantinische Kaiser Michael Palaiologos, der Eroberer Konstantinopels im Jahr 1261. Die Einwohner stört dabei wenig, dass der griechische Kaiser damals den lateinischen Kaiser aus Konstantinopel verjagte – ein orthodoxer und damit eigentlich häretischer Herrscher, der einen rechtgläubigen besiegte und verbannte. Für eine Stadt mit päpstlicher Geschichte ist das ein beeindruckendes Zeichen von Toleranz. Das Porträt von Michael Palaiologos schmückt die Stirnwand des Rathaussaals „Sala Regia“.

Kaiser Michail Palailogos

All diese Legenden – oder vielleicht eher Märchen – beruhen auf den Schriften von Annius von Viterbo, einem Humanisten des 15. Jahrhunderts, der seine Heimatstadt berühmt machen wollte und dabei seiner Fantasie freien Lauf ließ. Seine Leistung wurde schließlich mit seinem Porträt in einem der Fresken der „Sala Regia“ gewürdigt. Der „Sala Concilii“ ist mit einfarbigen Fresken von Teodoro Siciliano verziert, die zwar weniger auffällig sind, dafür aber den Raum, in dem bis heute das Stadtparlament tagt, in eine feierliche Atmosphäre tauchen.

Der „Palazzo dei Priori“ auf der „Piazza del Plebiscito“ ist allein schon wegen dieser seinen kunstvoll gestalteten Sälen einen Besuch wert. Dieser malerische Platz im Herzen der von historischen Mauern umgebenen Altstadt wird zudem vom „Palazzo del Podestà“ und dem Gebäude der Präfektur geschmückt. Ein absolutes Highlight ist dann die Terrasse mit einem Brunnen im Innenhof des „Palazzo dei Priori“. Von hier aus bietet sich ein atemberaubender Blick über die Stadt.

Die Terasse Palazzo dei Priori

Doch das wahre historische Zentrum liegt ein Stück weiter auf der „Piazza di San Lorenzo“, wo sich neben der Kathedrale auch der päpstliche Palast „Palazzo dei Papi“ erhebt.

Palazzo dei Papi

Um die Geschichte zu spüren, muss man die Treppen zur Terrasse des Palastes mit ihrem herrlichen Blick auf die Stadt hinaufsteigen und betritt dann den Saal, in dem Geschichte geschrieben wurde. Über dem Eingang prangen die Porträts der fünf Päpste, die hier gewählt wurden. Doch einfach war es nicht, besonders im Jahr 1271.

In Viterbo gewählte Päpste

1268 starb in Viterbo Papst Clemens IV., und die 18 Kardinäle, die seinen Nachfolger wählen sollten, fanden drei Jahre lang keinen Konsens. Eine Fraktion unterstützte den Kandidaten von Karl von Anjou, dem König von Neapel, die andere wollte auf die Wahl des römischen Königs warten. Das römische Reich befand sich seit dem Jahr 1254 in einem Interregnum, also ohne einen legitimen Herrscher. Der endlose Aufenthalt der Kardinäle kostete die Stadt Viterbo viel Geld und das strapazierte die Geduld der Stadtverwaltung. Schließlich beschlossen Bürger unter der Führung des Franziskaner-Generals Bonaventura, im Januar 1270 alle Ausgänge des Palastes zuzumauern. Als das nicht reichte, ließ Karl von Anjou im Mai das Dach des Saals entfernen. Es regnete hinein, die Sonne brannte, die Kardinäle suchten Schutz unter Zelten, die sie notfallmäßig aufgestellt hatten – die Löcher zur Befestigung der Zelten sind noch heute in dem Steinboden des Saales sichtbar. Schließlich, am 1. September 1271, wurde Teobaldo Visconti zum Papst gewählt, der sich gerade im Heiligen Land aufhielt. Also dauerte es weitere vier Monate, bis er in Italien erschien.  Er nahm den Namen Gregor X. an.

Eine Urkunde, in der sich die Kardinäle über die Umstände ihres Aufenthaltes beschweren

1276, das Jahr der vier Päpste, war noch chaotischer. Eigentlich wurden fünf Päpste gewählt, aber einer starb bereits am Tag nach seiner Wahl und konnte daher nicht geweiht werden. Deshalb zählt er nicht. Symptomatisch ist, dass unter den fünf Päpsten, die in Viterbo gewählt wurden – Urban IV., Gregor X., Johannes XXI., Nikolaus III. und Martin IV. – schickte Dante in seiner „Göttlichen Komödie“ zwei in das Fegefeuer und zwei direkt in die Hölle. Nur Johannes XXI. schaffte es in seinen Augen in den Himmel. Er war ein Gelehrter aus Portugal, der sich der Alchemie widmete und möglicherweise bei einem Experiment starb.

Wenn Sie den Audioguide (kostenlos) nutzen, erfahren Sie alles über diese Wahlen bis ins kleinste Detail.

Auf der einen Seite des Platzes steht die Kathedrale San Lorenzo, ursprünglich eine romanische Kirche, die später mit gotischen Elementen erweitert wurde. Irgendwo in dieser Kathedrale soll Papst Alexander IV. begraben sein, der 1261 in Viterbo starb. Dieser unfähige Papst widmete sein Leben dem Kampf gegen die staufische Herrschaft, vertreten durch Manfred von Sizilien, den Sohn Kaiser Friedrichs II. Doch in den Auseinandersetzungen mit Manfred unterlagen die Guelfen, die Anhänger des Papstes, besonders verheerend in der Schlacht von Montaperti. Alexander starb in Viterbo. Aus Angst vor der Entweihung der Leiche versteckten die Kanoniker den toten Papst so gut, dass sein Grab bis heute unentdeckt geblieben ist.

Neben der Kathedrale befindet sich die Sakristei, die 1793 unter Bischof Giovanni Carlo Bandi im klassizistischen Stil erbaut wurde. Ihre Wände sind mit Holz verkleidet und tragen das Wappen des Bischofs. Von hier aus gelangt man in das archäologische Museum „Museo Civico“. Im Museum sind etruskische Artefakte sowie Werke von drei Künstlern aus Viterbo zu sehen, auf die die Stadt besonders stolz ist: Domenico Corvi, Ludovico Mazzanti und Bartolomeo Cavarozzi. Besonders beeindruckend ist der Evangelist Johannes von Mazzanti.

Johann Evangelist von Ludovico Mazzanti

Nach Verlassen der „Piazza San Lorenzo“ führt der Weg am prächtigen Palazzo Farnese vorbei zur „Piazza della Morte“, dem „Platz des Todes“. Dass hier Hinrichtungen stattgefunden haben, entspricht anscheinend nicht der Wahrheit. Der Name könnte auf die Tätigkeit der „Confraternità della Misericordia“ zurückgehen, die Kranke pflegte und Verstorbene beerdigte. Der Friedhof war damals in der Nähe dieses Platzes.

In der mittelalterlichen Viertel „San Pellegrino“, der einstigen Handwerkersiedlung, ist der historische Charme Viterbos besonders lebendig. Hier befindet sich auch die romanische Kirche „Santa Maria Nuova“ mit einer ungewöhnlichen Außenkanzel. Von hier predigte der berühmte Thomas von Aquin, der auf Einladung von Papst Clemens IV. 1267–1268 in Viterbo gegen Häresie predigte. Die Kanzel ist nicht in der Kirche aber auf einer Ecke auf der Außenseite gebaut. Offensichtlich hatte der heilige Thomas zu dieser Zeit noch nicht seine legendäre Körperfülle, da er sonst in die verhältnismäßig kleine Kanzel nicht passen würde.

Die Kanzel der Kirche Santa Maria Nuova

Abschließend ist die „Piazza Fontana Grande“ mit dem „Fontana Grande“ ein Muss – der Bau des Brunnens begann 1206 und wurde 1424 abgeschlossen.

Weitere Sehenswürdigkeiten findet man im nördlichen Teil der Stadt bei der „Porta Fiorentina“ (wo man problemlos unter den Stadtmauern in der Nähe des großen Parks parken kann). Das Zentrum dieses Stadtteils bildet die „Piazza Verdi“ – logisch mit dem Stadttheater. In unmittelbarer Nähe befindet sich jedoch die Wallfahrtskirche „Santuario di Santa Rosa“, wo die sterblichen Überreste der Stadtpatronin, der Heiligen Rosa, aufbewahrt werden. Sie lebte von 1233 bis 1252. Während ihres kurzen Lebens soll sie durch zahlreiche Wunder berühmt geworden sein, vor allem jedoch durch ihr politisches Engagement. Als siebzehnjähriges Mädchen versuchte sie mit flammenden Reden die Bevölkerung von Viterbo zu überzeugen, auf der Seite von Papst Innozenz IV. im Kampf gegen Kaiser Friedrich II. auszuharren. Dies gelang ihr nicht vollständig, sie musste sogar zusammen mit ihren Eltern aus der Stadt fliehen und kehrte erst nach dem Tod des Kaisers zurück. Nach mehreren vergeblichen Versuchen, in den Klarissenorden einzutreten – was ihr aufgrund der Unfähigkeit, eine angemessene Mitgift aufzubringen, verweigert wurde –, starb sie im Alter von achtzehn Jahren an der dadurch verursachten Depression. Heute wird ihr Leichnam im „Sanctuario de Santa Rosa“ aufbewahrt, einem Klarissenkloster, das sie damals abgelehnt hatte. In der Nähe des Klosters zeigt man ihr Geburtshaus, und eines der Stadttore ist sogar nach ihr benannt. Am 3. September tragen 90 Männer einen mehrere Tonnen schweren Turm von San Sisto nach Viterbo.

Bevor man Viterbo verlässt, lohnt es sich, die gigantische Kirche San Francesco in der Nähe des Tores Porta Fiorentina zu besuchen. Dort befinden sich zwei monumentale Grabmäler von Päpsten, die in Viterbo gestorben sind – und deren Leichname im Gegensatz zu Alexander IV. nicht versteckt werden mussten. Vielleicht, weil es inzwischen gelungen war, die Staufer zu besiegen, auszurotten und Italien unter päpstliche Kontrolle zu bringen. (Diese Kontrolle war allerdings relativ, die Päpste taten zwar so, als ob sie herrschten und Karl von Anjou ihnen diente, aber in Wirklichkeit war es umgekehrt. Dennoch mussten sie nicht mehr um die Schändung ihrer Leichname fürchten).

Es handelt sich um die Grabmäler des bereits erwähnten Clemens IV. und vor allem von Hadrian V., die sich durch schöne, farbenfrohe Marmor- und Glas-Mosaiken auszeichnen, die in weißen Marmorstein eingelassen sind.

Die Grabstätte von Hadrian V.

Auf dem Boden befinden sich runde Steine, die an zwei Päpste erinnern, die diese Kirche besuchten: Pius XII., der am 9. Dezember 1949 hier war, und Johannes Paul II., der am 27. Mai 1984 hier war – aber der war ja sowieso überall.

Übrigens war der Grund, warum die Päpste so gerne in Viterbo wohnten, natürlich die dortigen Thermalbäder. Die „Terme dei Papi“ oder „Päpstlichen Bäder“ liegen etwa 3 Kilometer vom Stadtzentrum entfernt, und ihrem schwefelhaltigen Wasser werden heilende Wirkungen zugeschrieben. Es gibt dort auch Schlammbäder. Sie sind immer noch in Betrieb.

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