Die Umgebung des Lago di Bolsena
Mittelitalien wird von drei großen, schönen Seen geschmückt: dem „Lago di Trasimeno“, dem „Lago di Bracciano“ und dem „Lago di Bolsena“. In der Nähe des letztgenannten befinden sich zwei touristisch äußerst attraktive Ziele, die ich nicht unerwähnt lassen kann.
Etwa 20 Kilometer von Orvieto entfernt liegt das Städtchen Bagnoregio. Ich danke Facebook dafür, dass mir jemand eine Luftaufnahme dieses kleinen Juwels geschickt hat – dadurch habe ich es in meine Reiseroute aufgenommen. Das habe ich keineswegs bereut. Allerdings hatte es einen Haken.

Wir parkten bequem auf einem großen Parkplatz unterhalb der Stadt vor dem Stadttor Porta Albana, wo ein Denkmal Sacrario Garibaldino steht, weil hier, unter der Stadt, stellten sich im Jahr 1867 die Freiwiligen Garibaldis der päpstlichen Armee bei ihrem Marsch auf Rom – und verloren. Wir machten uns auf der Hauptstraße in die Richtung auf, in die das Schild „Civitas Vecchia“, also zur Altstadt, wies. Ich wusste allerdings nicht, wie weit es tatsächlich war. Nachdem wir etwa zwei Kilometer gegangen waren – und damit fast die Hälfte der Parkzeit verbraucht hatten, die ich bezahlt hatte –, stellten wir fest, dass es direkt in der Nähe der Altstadt noch einen weiteren Parkplatz gab. Nur geringfügig teurer und ziemlich gut erreichbar. Also machten wir uns im schnellen Schritt wieder zwei Kilometer zurück zum Auto und parkten um. Immerhin kamen wir auf diese Weise an der Stadtverwaltung der neuen Stadt und an einer Kirche vorbei, die einem berühmten Sohn der Stadt gewidmet ist – dem wir später noch mehrmals begegnen sollten. Diese Kirche befindet sich direkt am Porta-Albani. Doch auch die Stadtkathedrale auf der Piazza Cavour ist dem heiligen Nikolaus, dem heiligen Donatus sowie diesem berühmten Sohn der Stadt gewidmet, der in Bagnoregio einfach allgegenwärtig ist. Bagnoregio wurde bereits im sechsten Jahrhundert von Papst Gregor dem Großen zum Bischofssitz erhoben. Bis zum Jahr 1699 residierte der Bischof in der Altstadt, bevor er in die neue Stadt umzog, die leichter zugänglich ist und mehr Komfort bietet.
Es handelt sich um den heiligen Bonaventura, einen berühmten Philosophen und Schriftsteller des Franziskanerordens, der im 13. Jahrhundert lebte. Besonders bekannt wurde er durch seine apokalyptischen Visionen, in denen er das Ende der Welt und das Kommen des Antichristen voraussagte. Er war überzeugt, dass der Antichrist bereits geboren sei und sich auf seinen entscheidenden Angriff gegen das Christentum vorbereite – er identifizierte ihn mit Kaiser Friedrich II., der 1195 geboren wurde. Bonaventura wurde auch dadurch berühmt, dass er im Jahr 1270 die Bürger von Viterbo davon überzeugte, die Türen des Saales zuzumauern, in dem sich die Kardinäle bereits drei Jahre lang bei einem Konklave nicht auf einen neuen Papst einigen konnten. Doch selbst das half nicht – der damalige (inoffizielle) Herrscher Mittelitaliens, Karl von Anjou, musste den Kardinälen sogar das Dach abnehmen und die Lebensmittelzufuhr einschränken, bis sie schließlich Teobaldo Visconti wählten, der den Namen Gregor X. annahm. Der Legende nach soll Bonaventura sogar ein ernstzunehmender Kandidat für das Papstamt gewesen sein – aber das ist wohl eher ein Mythos. Ich kann mir schwer vorstellen, dass verärgerte Kardinäle, eingemauert und auf Brot und Wasser gesetzt, ihren „Gefängniswärter“ gewählt hätten. Gregor X. ernannte Bonaventura jedoch zum Kardinal und beauftragte ihn mit der Vorbereitung eines Kirchenkonzils in Lyon. Während dieser Vorbereitungen starb Bonaventura 1274 in Lyon. Sein Denkmal befindet sich in der Neustadt auf dem Platz vor der Kirche Chiesa Santa Annunziata. Auf dem Denkmal sind drei Geschichten aus seinem Leben dargestellt: seine wunderbare Heilung durch den heiligen Franziskus, seine Begegnung mit dem heiligen Thomas von Aquin und seine Tätigkeit beim Konzil in Lyon.

Das Geburtshaus des heiligen Bonaventura befindet sich in Bagnoregio, in der „Civitas Vecchia“, ist jedoch ohne Führer nur schwer zu finden – uns ist es jedenfalls nicht gelungen. Dafür gibt es eine Höhle, in der er der Legende nach gelebt haben soll – diese befindet sich jedoch nicht in der Altstadt, sondern unterhalb des Aussichtspunkts auf diese, dem sogenannten „Belvedere“ im Park Falcone e Borsellino am äußersten Ende der Neustadt.

Bonaventura war als Kind – damals hieß er noch Giovanni Fidanza – schwer krank, und der heilige Franziskus heilte ihn durch seinen Segen. Der Legende nach besuchte die dankbare Mutter mit dem Jungen den sterbenden Franziskus (sein Sterben zog sich über längere Zeit hin), und Franziskus soll beim Anblick des Kindes ausgerufen haben: „Buona ventura“, was so viel bedeutet wie „gute Zukunft“. Wenn es nicht wahr ist, dann ist es immerhin eine gut erfundene Geschichte – Giovanni nahm diesen Namen später beim Eintritt in den Franziskanerorden an. Er studierte an der Sorbonne in Paris und wurde im Jahr 1257 zum General des Franziskanerordens gewählt – die Legende könnte bei der Wahl eine wichtige Rolle gespielt haben. Aufgrund seines Wirkens im Orden wird er manchmal als „zweiter Gründer des Ordens“ bezeichnet. Heiliggesprochen wurde er im Jahr 1482 von dem eher problematischen Papst Sixtus IV. – dem Erbauer der Sixtinischen Kapelle, der 1478 angeblich den Mordanschlag auf die Medici-Brüder Lorenzo und Giuliano angestiftet haben soll (wobei nur Giuliano getötet wurde).
Bagnoregio ist jedoch auch ohne seinen berühmten Sohn für einen Besuch verlockend. Die Stadt liegt auf einem Tufffelsen inmitten eines weiten, grünen Tals, das nichts anderes sein kann als eine riesige vulkanische Caldera. Der Felsen, auf dem die Stadt steht, ist eigentlich ein Vulkanschlot, also eine Magmaausfüllung im Inneren des Kraters. Der Vulkan ist jedoch nicht mehr aktiv – die Stadt wurde einst von den Etruskern erbaut und bislang von keinem Ausbruch zerstört. Allerdings wurde die Altstadt von einem Erdbeben im Jahr 1695 in Mitleidenschaft gezogen worden, was den damaligen Bischof dazu bewegte, den Bischofsitz im Jahr 1699 von der Altstadt in die Neustadt zu verlegen. Bagnogerio wurde bereits im sechsten Jahrhundert durch ein Dekret von dem Papst Gregor dem Großen zum Bischofsitz. Erreichen kann man die Altstadt nur über eine Brücke, und aus der Ferne wirkt sie wie eine Ruine. Tritt man jedoch durch das Stadttor ein, ist man überrascht, wie lebendig sie ist.

Es gibt eine romanische Kirche, wo der Leichnam des heiligen Hildebrand als eine heilige Reliquie aufbewahrt ist – der heilige war in den Jahren 856 – 873 der Bischof von Bagnoregio – an Heiligen mangelte es in Italien nie.

Weiter gibt es hier zahlreiche Restaurants, Hotels, Apartments, ein geologisches Museum, und man kann etruskische Höhlen besichtigen, die vor zweieinhalbtausend Jahren von den damaligen Bewohnern in den Felsen gehauen wurden. Romantische Gassen zwischen steinernen Häusern, viel Grün, herrliche Ausblicke auf die grünen und felsigen Wände des Tals, das die Stadt von allen vier Seiten umgibt – es ist ein Ort der Ruhe und des Genusses. Jedenfalls bis die Touristenmassen eintreffen.
Deshalb lohnt es sich, die Stadt bereits am Morgen zu besuchen – gegen elf Uhr verwandelt sie sich nämlich in ein wahres Babylon. Touristengruppen strömen durch die engen Gassen, die Reiseleiter winken mit Fähnchen und ziehen ihre Gruppen hinter sich her. Das ist dann der richtige Moment, diesen wunderbaren Ort wieder zu verlassen, bevor der Eindruck getrübt wird.
Im neuen Stadtteil gibt es außerdem noch ein weiteres Museum, das einen Besuch wert ist – das „Museo Piero Taruffi“. Taruffi (1906–1988) war ein Automobilrennfahrer in den 1930er bis 1950er Jahren. Er fuhr und gewann Rennen der damaligen Weltmeisterschaft zunächst für Fiat, Alfa Romeo, Ferrari und schließlich für Lancia. Weltmeister wurde er zwar nie, seine beste Platzierung war ein dritter Platz im Jahr 1952 – in diesem Jahr errang er übrigens in der Schweiz seinen einzigen Sieg in der Formel 1. Das Museum zeigt Pokale, aber auch historische Autos. Wer sich also für die Anfänge der Formel 1 interessiert, ist dort genau richtig. Parken kann man allerdings direkt am Museum nicht. Warum sich dieses Museum gerade in Bagnoregio befindet, ist ein wenig rätselhaft. Taruffi wurde dort weder geboren noch ist er dort gestorben, eigentlich hatte er mit dieser Stadt überhaupt nichts zu tun. Doch seine Familie entschied sich angeblich für diesen Ort, um die Attraktivität des Ortes für den Tourismus zu steigern. Wahrscheinlich suchte man gezielt eine Gegend ohne große Konkurrenz durch andere Sehenswürdigkeiten (was in Italien nicht einfach ist) und nutzte gleichzeitig die Anziehungskraft der Altstadt – womit man zumindest mit einer gewissen Besucherzahl für das Museum rechnen konnte.
Nur sechs Kilometer von Bagnoregio entfernt liegt das Städtchen Bolsena. Es handelt sich um die ehemalige römische Stadt Volsinii Novi, wohin die Römer die etruskische Bevölkerung aus dem eroberten Volsinii – dem heutigen Orvieto – umsiedelten. Von der antiken Stadt sind heute nur sehr bescheidene Reste erhalten. Doch Bolsena am Ufer des gleichnamigen Sees ist sowohl schön als auch berühmt.
Zunächst zur Schönheit. Die Stadt hat einen oberen und einen unteren Teil. Über dem oberen thront die große Festung „Rocca Monaldeschi della Cervara“, erbaut von der Familie Monaldeschi, die die Stadt im Namen des nahen Orvieto verwaltete.

Orvieto kämpfte nämlich mit dem Papst bis zum Jahr 1448 um Bolsena – erst dann wurde auch Orvieto endgültig Teil des Kirchenstaats und die Auseinandersetzungen fanden ein Ende. In der Festung befindet sich heute ein Museum. In unmittelbarer Nähe steht die Kirche „Chiesa San Salvatore“. Ebenfalls nahebei: der „Palazzo del Drago“, ein Renaissancepalast mit Fresken, und der „Palazzo Conte“, in dem sich das örtliche Museum befindet. In den engen steinernen Gassen findet man zahlreiche Enotheken und Bars, die den berühmten lokalen Wein „Est! Est!! Est!!!“ anbieten.
Doch das berühmteste von Bolsena befindet sich im unteren Stadtteil, nahe dem Seeufer: die Kathedrale „Chiesa di Santa Cristina“.

Die heilige Christina ist die Schutzpatronin der Stadt und in der Krypta der Kirche bestattet. Ihren Sarkophag kann man durch ein Gitter sehen – wenn man 50 Cent für die Beleuchtung bezahlt hat. Ihre Darstellung findet sich auch in der Seitenkapelle der romanischen Kathedrale. Die sterblichen Überreste dieser Märtyrerin, die im Jahr 295 n. Chr. starb, könnten tatsächlich echt sein. Im Jahr 1880 fanden Archäologen bei der Untersuchung der Fundamente einer frühchristlichen Basilika nahe Bolsena eine Marmorurne mit der Inschrift I.R.Q.E.S.C.P.B.T.X.M, die als „Hic requiescit corpus Beatae Xristinae Martyris“ (Hier ruht der Leib der seligen Märtyrerin Christina) interpretiert wurde. Eine Analyse bestätigte, dass es sich um die Überreste eines jungen Mädchens aus dem 3. Jahrhundert n. Chr. handelte. Christina ist daher Schutzheilige der Stadt. Da Bolsena an der Pilgerroute Via Francigena nach Rom liegt (die in Canterbury, England, beginnt), wird ihr Grab von Pilgern häufig besucht.

Kein Wunder also, dass ausgerechnet in dieser Kathedrale aus dem 10. Jahrhundert, die der heiligen Christina geweiht ist und in der seit 1880 ihre Gebeine ruhen, das Blutwunder geschah, das ich in meinem Artikel über Orvieto beschrieben habe. Die Kirche stand in ihrer heutigen architektonischen Form (wenn auch mit anderer Innenausstattung) bereits im denkwürdigen Jahr 1263. Wenn Sie jedoch den steinernen Altar sehen möchten, bei dem es zu dem Wunder gekommen ist, dann ist es nicht der im Hauptschiff, sondern in der Seitenkapelle in Richtung der Grabstätte der heiligen Christina.

Diesen Altar ließ die legendäre Gräfin Mathilde von Canossa, Markgräfin der Toskana, bereits im 11. Jahrhundert errichten. Diese Dame herrschte über die Toskana und Emilia-Romagna; im Investiturstreit stellte sie sich auf die Seite des Papstes gegen Kaiser Heinrich IV., und um ihr Erbe stritten sich Papst und Kaiser noch bis ins 13. Jahrhundert. Die Fassade der Kirche ist jünger – sie wurde in den Jahren 1493–1495 von Kardinal Giovanni di Medici (Sohn von Lorenzo dem Prächtigen) in Auftrag gegeben, der 1513 Papst Leo X. wurde. Architekt dieser Fassade war niemand Geringerer als der damals zwanzigjährige Michelangelo Buonarroti.
Das Bild mit der blutenden Hostie, bekannt als „Wunder von Bolsena“, befindet sich nicht nur in der Seitenkapelle der Kathedrale, sondern wurde unter anderem auch von dem großen Raffael (Raffaello Santi) gemalt. Sein Fresko „La Messa di Bolsena“ von 1512 schmückt die „Sala di Eliodoro“ im Vatikan.

Und natürlich gibt es noch den See, mit seinen Stränden, Bootsausflügen und umliegenden Bergen – also ein idealer Ausgangspunkt für die Erkundung der Umgebung. Bolsena ist darauf bestens vorbereitet.