Vor einer langen Zeit, im Jahr 2001, reiste ich mit meiner Familie mit dem Zug nach Rom. Früh am Morgen hielt der Zug an einem Bahnhof, und über mir erhob sich auf beeindruckenden hohen Felsen eine wunderschöne Stadt. Ich fand heraus, dass es sich um Orvieto handelte, und schon damals beschloss ich, dass ich sie eines Tages besuchen muss. Ich hätte nicht gedacht, dass ich weitere 24 Jahre auf dieses Erlebnis warten müsste und dass die Stadt noch schöner sein würde, als ich es mir vorgestellt hatte.
Die Italiener haben die unangenehme Angewohnheit, ihre Städte auf Hügeln zu bauen. Das ist eine Herausforderung, besonders wenn man ein verletztes Knie hat – was in meinem Fall zutraf. Orvieto steht jedoch vollständig auf einem Tuffsteinfelsen, was bedeutet, dass es eher schwierig ist, mit dem Auto dorthin zu gelangen (es gibt nur eine Zufahrt von der Westseite der Stadt, was in der Praxis bedeutet, dass man den beeindruckenden Felsen nach der Autobahnausfahrt vollständig umfahren muss). Und vor allem ist es fast unmöglich, in der Stadt einen Parkplatz zu finden. Deshalb habe ich ein Apartment, das „Parcheggio privato“ versprach, gebucht. Doch erst bei der Ankunft stellte ich fest, dass dies noch lange kein Sieg war. Man musste sich durch ein Labyrinth enger Straßen schlängeln, wobei die Via Albani, obwohl ein grünes Schild sie als Zubringer zur Autobahn A1 auswies, so schmal war, dass ich überlegte, die Außenspiegel zuzuklappen.
Glücklicherweise hatte ich zu diesem Zeitpunkt bereits unsere Gastgeberin Francesca am Telefon, die mich lautstark mit „Avanti, Avanti!“ ermutigte in die enge Gasse hineinzufahren. Als wir sie dann an der Kirche „Chiesa SS Apostoli“ trafen, übergab ich ihr gerne die Autoschlüssel, damit sie selbst in das „Parcheggio“ fuhr. Wie sie es schaffte, weiß ich nicht und verstehe es bis heute nicht. Zwei Tage später hatte ich erhebliche Schwierigkeiten, überhaupt aus der Garage herauszukommen. Francesca meinte, ein Fiat 500 wäre für den Besuch italienischer Städte besser geeignet als mein BMW X1. Und das mag tatsächlich stimmen. Sie prahlte jedoch nicht ohne Stolz, dass sie sogar einmal ein großes Audi in ihrer Garage geparkt hatte.

Orvieto hat das Problem mit dem Parking für Tagestouristen elegant gelöst. Direkt neben dem Bahnhof und damit in der Nähe der Autobahnausfahrt gibt es einen großen Parkplatz, von dem aus ein „Funiculare“ (eine Standseilbahn) in die Stadt hinauffährt. Der Fahrpreis ist in der sogenannten „Carta unica“ enthalten, einem Ticket, das Zugang zu allen Museen und Attraktionen in Orvieto gewährt – es ist ein Jahr lang gültig, falls man es an einem Tag nicht schaffen würde. Man kann es direkt auf dem Parkplatz oder an mehreren Stellen in der Stadt kaufen. Genau darin lag unser Problem. Als ich im Touristeninformationszentrum die „Carta unica“ kaufen wollte, musterte mich ein junger Italiener kritisch und fragte, wie lange wir in der Stadt bleiben wollten. Als ich sagte, nur einen Tag, erklärte er mir in perfektem, aber unverständlich schnellem und leisem Englisch, dass es sich für uns nicht lohne, da ältere Leute wie wir es ohnehin nicht schaffen, alle Attraktionen an einem Tag zu besuchen – und außerdem sei die etruskische Nekropole geschlossen.
Auf meine Frage, welche Tickets wir dann kaufen sollten und wo, antwortete er, dass wir das online über das Handy machen sollten, da es dort Angebote gebe – und damit hörte er auf, sich für uns zu interessieren. Ja, das Reisen in der heutigen digitalen Welt ist für analoge Menschen unseres Alters nicht einfach, und die digitale Jugend versteht das nicht und will es auch nicht verstehen. Also ging ich ins Museum „Musei archeologici Civico e Faina“ und kaufte dort die „Carta unica“ – ermäßigt für Senioren für 25 Euro. Wir haben beinahe alles geschafft – natürlich mit Ausnahme der geschlossenen etruskischen Nekropole. Die Jugend mag uns in Sachen digitaler Registrierung unterschätzen, aber körperlich schaffen wir noch immer mehr, als die jungen Leute glauben wollen.
Das Juwel von Orvieto ist seine Kathedrale. Wahrscheinlich kann sich niemand psychisch auf die Pracht vorbereiten, die einen dort erwartet. Es ist einfach ein Schock, und man könnte stundenlang auf dieses Wunder der romanisch-gotischen Architektur starren. Nicht umsonst wird sie „Goldene Lilie“ genannt. Das Bauwerk ist, ähnlich wie die Kathedrale von Siena oder Pisa, aus einer Kombination von weißem und grünem Marmor errichtet, aber das wahre Wunder ist ihre Fassade. Eine harmonische Mischung aus Mosaiken, die in leuchtenden Farben und Gold erstrahlen, Skulpturen und einer filigranen Verzierung der Säulen bis zur Spitze der Fassade – es wirkt wie ein riesiges Freiluftaltar. Oder wie ein Traum.

Die Frage ist, warum eine so prächtige Kathedrale, bei deren Bau wirklich nicht auf Geld geachtet wurde, gerade in einer Stadt wie Orvieto steht. Das hat seinen Grund. Im Jahr 1263 reiste ein deutscher Geistlicher durch die Gegend und zelebrierte eine Messe im nahegelegenen Bolsena, in der Kirche der heiligen Christina. Er selbst war ein skeptischer Priester und zweifelte an der tatsächlichen Transsubstantiation, also der Verwandlung des Brotes in den Leib Christi während der Messe. Als er allerdings die Hostie während der Messe brach, begann daraus Blut auf das Altartuch zu tropfen.
Die Hostie und das Altartuch wurden Papst Urban IV. gezeigt, der sich gerade in Orvieto aufhielt (weil ihn die Einwohner Roms wegen seiner anti-staufischen Aktivitäten vertrieben hatten). Dieser erkannte das Ereignis sofort als Wunder an und ordnete den Bau eines würdigen Heiligtums zur Aufbewahrung der Hostie in Orvieto an. Der Bau begann 1290 im romanischen Stil, da aber gute Dinge Zeit brauchen, kam vor der Fertigstellung die Gotik auf, sodass beide Stile kombiniert wurden. Allein die Erstellung der Baupläne dauerte dreißig Jahre, der eigentliche Bau zog sich über 300 Jahre hin.
Zunächst arbeitete Fra Bevignate an der Kathedrale, ihm folgten Lorenzo Maitani (der auch die Kathedrale in Florenz baute) und weitere Größen wie Andrea Pisano, sein Sohn Niccolò Pisano, Andrea Orcagna und Michele Sanmicheli. Überraschend modern sind die großen Bronzetüren der Kathedrale, die erst in den 1960er Jahren von dem lokalen Künstler Emilio Greco geschaffen wurden. (Gleich neben der Kathedrale gibt es ein Museum, das seinem Werk gewidmet ist). Im Jahr 1311 wurde das Ereignis von Bolsena auf dem Konzil von Vienne zu einem der größten kirchlichen Feste erklärt – dem „Fronleichnam“. Es wird regelmäßig am zweiten Donnerstag nach Pfingsten gefeiert, wobei Hostien in Monstranzen in feierlichen Prozessionen um die Kirchen getragen werden. In Österreich freuen wir uns, weil es ein Feiertag ist und wir nicht zur Arbeit gehen müssen.
Im Inneren der Kathedrale sollte man unbedingt die Kapellen im Querschiff besuchen. Rechts befindet sich die Kapelle mit den Fresken von Luca Signorelli, die das „Jüngste Gericht“ darstellen. Es fiel mir auf, dass in der Hölle fast ausschließlich Männer dargestellt wurden, während im Paradies auch viele Frauen waren. Wusste Signorelli nicht, dass nach kirchlicher Lehre die Frau die Quelle aller Sünden war? Die Fresken sind jedoch großartig, auch weil sie erst kürzlich restauriert wurden.

Auf der linken Seite befindet sich die „Corpus Domini“-Kapelle, also die Kapelle, in der die wundersame Hostie und das Altartuch mit den Blutflecken in einem Reliquienschrein aufbewahrt werden. Der Zugang zu dieser Kapelle ist nur zum Gebet gestattet. Das Fotografieren und Filmen sind dort strengstens verboten.

Auf der „Piazza del Duomo“ befinden sich neben dem bereits erwähnten Museum über Emilio Grecos Werk noch zwei weitere Museen. Im Palast, in dem die Päpste während ihrer Aufenthalte in Orvieto wohnten (Orvieto gehörte seit 1290 zum Kirchenstaat, dessen Herrscher der Papst persönlich war), befindet sich das „Museo Archeologico Nazionale“ mit Artefakten aus der Kathedrale, Gemälden von Andrea, Nino und Giovanni Pisano und einigen wenigen etruskischen Funden.

Die ganze Region lebt davon, dass hier einst das Reich der Etrusker war – genauer gesagt, eher eine lose Konföderation von zwölf etruskischen Städten, die es nie schafften, sich wirksam gegen die römische Expansion zu verbünden und daher untergingen.
Viel mehr dieser archäologischen Funde befinden sich im „Museo Claudio Faina e Civico“ gegenüber der Kathedrale. Graf Mauro Faina begann 1864, Gegenstände für seine Sammlung zu erwerben, und nach seinem Tod setzte sein Neffe Eugenio diese Arbeit fort. Er hörte auf, Kunstwerke aus anderen Teilen Italiens zu kaufen (viele Objekte in der Sammlung erwarb Mauro von Maria Bonaparte, der Tochter von Napoleons Bruder Lucien, da die Fainas mit dieser Familie verwandt waren) und spezialisierte sich auf Funde aus Orvieto und seiner Umgebung. Die örtliche etruskische Nekropole bot mehr als genug Material, damit die Familie Faina ihr Museum aufbauen konnte. Eugenios Sohn Claudio Junior machte die Sammlungen 1957 der Öffentlichkeit zugänglich. Für Münzsammler ist die numismatische Sammlung mit etwa 3000 antiken Münzen sicherlich sehr interessant.

Die Achse der Stadt bildet die „Corso Cavour“, die auf der „Piazza della Repubblica“ beginnt – dem ehemaligen römischen Forum der Stadt – mit der Kirche „Chiesa di Sant’Andrea“ und einer Reihe von Restaurants in unmittelbarer Nähe. An der höchsten Stelle der Stadt ragt der „Torre del Moro“ in den Himmel. Nachts wirkt er faszinierend, denn die beleuchtete Uhr strahlt in der Dunkelheit wie ein Vollmond mit Uhrzeigern.

Der Aufstieg auf den Turm umfasst 280 Stufen (oder 170, wenn man einen Teil des Weges mit dem Aufzug fährt), und von oben hat man einen wunderschönen Blick auf die gesamte Stadt.
So entdeckten wir auch den dritten Platz Orvietos, die etwas abseits gelegene „Piazza del Popolo“ mit dem gleichnamigen Palast. Davor hat Orvieto seinem berühmten Sohn Adolfo Cozza eine Büste gewidmet. Dieser Künstler, Erfinder und vor allem Archäologe, dem Orvieto die meisten archäologischen Funde verdankt, mit denen es sich heute rühmt, schloss sich im Alter von 18 Jahren den „Rothemden“ Garibaldis an und kämpfte unter der Führung des legendären Giuseppe für die Einigung Italiens, um später zur Vernunft zu kommen und sich durch seine intellektuelle Tätigkeit einen Namen in der Geschichte zu machen.

Geht man die „Corso Cavour“ bis zu ihrem unteren Ende entlang, erreicht man die „Fortezza Albornoz“ mit dem imposanten Tor „Porta Rocca“.

Von hier aus hat man die schönsten Ausblicke auf die Felsen, auf denen die Stadt steht, sowie auf den Parkplatz am Fuße der Klippen. Die Festung ist heute ein Park, der weiter zu den eher bescheidenen Überresten der etruskischen Nekropole mit den Resten eines antiken Tempels führt.
Viel interessanter ist jedoch der nahegelegene Brunnen „Pozzo di San Patrizio“. Orvieto hatte schon immer ein Problem mit der Wasserversorgung. Es liegt auf einem Tuffsteinfelsen, der porös ist und Regenwasser durchlässt, das sich dann erst auf einer Lehmschicht 54 Meter unter der Stadt sammelt. Deshalb war der Brunnenbau in Orvieto schon immer eine äußerst anspruchsvolle Angelegenheit. Als Papst Clemens VII. im Jahr 1527 nach Orvieto kam, um hier Schutz vor den kaiserlichen Truppen zu suchen, die gerade beim „Sacco di Roma“ die Heilige Stadt geplündert hatten, beschloss er, einen Brunnen bauen zu lassen, der der Stadt im Falle einer Belagerung eine ausreichende Wasserversorgung sichern sollte.
Der Brunnen wurde vom Architekten Antonio da Sangallo gegraben, und die Arbeiten dauerten zehn Jahre. Das Ergebnis ist beeindruckend. Der Brunnen hat eine Tiefe von 54 Metern und einen Durchmesser von 13 Metern. Zur Wasseroberfläche führen 248 Stufen hinab. Diese Stufen sind sehr flach, da Esel den ganzen Tag über das Wasser hinauftrugen. Damit die absteigenden Tiere mit leeren Wassersäcken den aufsteigenden mit vollen Säcken nicht im Weg standen, ist die Treppe als Doppelspirale konstruiert, die sich nie kreuzt. Ich habe das Prinzip nicht ganz verstanden, aber es ist genial. Man kann die neugierigen Touristen gleichzeitig hinab- und hinaufsteigen sehen, ohne dass sie sich begegnen, da der Brunnen durch 72 große Fenster beleuchtet wird.

Übrigens ist der Eintrittspreis im „Carta Unica“-Ticket enthalten, aber das eigentliche Ticket muss am Informationszentrum abgeholt werden. Die „Carta Unica“ allein gewährt keinen direkten Zugang durch die Schranken am Eingang.
Orvieto ist wunderschön an der Oberfläche, aber es hat auch ein interessantes Untergrundsystem, das man sich nicht entgehen lassen sollte. Auch dieser Besuch ist in der „Carta Unica“ enthalten, aber man muss sich im Informationszentrum einen Platz reservieren – am besten zur Mittagszeit, wenn die anderen Attraktionen geschlossen sind.
Unsere Führerin Christina, die ein wunderschönes Englisch sprach, allerdings in italienischem Sprechtempo, führte uns in die Räume und Gänge im Felsen unter der Stadt. In den Tuffstein zu graben, war relativ einfach und die Gänge boten eine stabile Temperatur von etwa 15 Grad – sowohl im heißen Sommer als auch im kalten Winter. Außerdem dienten diese Gänge während des Zweiten Weltkriegs als Luftschutzbunker. Viele von ihnen sind heute privat und werden als Weinkeller, Lebensmittellager oder allgemein als Lagerräume für alles genutzt, was vor Hitze geschützt werden muss. Es gibt hier auch Olivenölpressen und Mühlen. Der interessanteste Teil sind jedoch Räume mit kleinen, in die Wände gegrabenen Nischen – riesige Taubenschläge.

Die Taubenzucht war damals sehr lukrativ, da sie keine finanziellen Kosten verursachte. Das Jungtaubenfleisch „Palombo“ ist immer noch Teil der Orvietos Küche und eine lokale Spezialität, die man in Restaurants bestellen kann. Ich sah eine englische Touristin, die es bestellte. Am Ende aß sie jedoch Nudeln, weil die Taube, obwohl vermutlich lecker, nicht genug Fleisch bietet um satt zu werden.
Diese Gänge unter der Stadt dienten jedoch auch als Schmuggelwege, um Waren in die Stadt zu bringen, da die Händler die päpstlichen Zölle umgehen wollten. Als der Papst herausfand, dass die durch den Schmuggel verursachten finanziellen Verluste die Gewinne aus der Taubenzucht überstiegen, verbot er einfach die Zucht im Untergrund der Stadt und ließ die Fenster vergittern, damit die Tauben nicht zu ihren Nestern zurückkehren konnten. So ist es auch heute noch.

Orvieto nennt sich selbst „Stadt des Weins“, und ich empfehle, ihn zu probieren, besonders den lokalen Weißwein. Nur einmal ließ ich mich dazu verleiten, ein Bier zu bestellen – weil der Durst groß war. Das tat ich jedoch unvorsichtigerweise auf der „Piazza del Duomo“, mit Blick auf die atemberaubende Fassade. Der Preis betrug acht Euro für 0,4 Liter, also eine „birra grande“ – offenbar war der Blick auf die Fassade im Preis inbegriffen. Es erinnerte mich ein wenig an eine Graupensuppe in der Schweiz mit Blick auf die Nordwand des Eigers.
Wenn ihr also nach Orvieto fahrt, bestellt lieber Wein, und nicht unbedingt auf dem Platz vor der Kathedrale. In anderen Lokalen waren die Preise deutlich angemessener.

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