Vielleicht ist dieser Artikel nur für echte Geschichtsfans interessant, aber ich kann es mir nicht verkneifen, die Verhältnisse nach dem Ersten Weltkrieg ein wenig zu beleuchten. Diese führten zu einer völligen wirtschaftlichen Instabilität mit weitreichenden Folgen. Österreich und insbesondere Deutschland bekamen nämlich von dieser wirtschaftlichen Katastrophe mehr als genug zu spüren. Dies führte später zu ihrer Sympathie für den Faschismus und zur Errichtung autoritärer Systeme – in Österreich zur klerikal faschistischen oder auch „Ständestaat“-Regierung und in Deutschland letztendlich zur nationalsozialistischen Diktatur.

Geld steht in jedem Staat „immer „nur“ an erster Stelle“. Seitdem es in ferner Vergangenheit erfunden wurde, dreht sich fast alles darum. Ein stabiler Staat braucht auch eine stabile, verlässliche Währung. Die Österreichisch-Ungarische Monarchie hatte in dieser Hinsicht eine alte und sehr positive Tradition.

Die Reform Maria Theresias (wobei ich dahinter eher die Hand ihres Mannes, des Finanzgenies Franz Stephan, vermute) aus dem Jahr 1748 führte in den habsburgischen Ländern den sogenannten Konventionstaler ein.

Konventionstaler Vorderseite
Konventionstaler Hinterseite

Dieser wurde durch das Wiener Abkommen mit Bayern in Mitteleuropa eingeführt. Aus einer Mark Silber (233,85 Gramm) wurden zehn Taler geprägt. Eine Münze wog 28 Gramm und hatte einen Feingehalt von 83,3 Prozent Silber (der Rest war Kupfer). Ein Taler entsprach 100 Kreuzern. Auch Kreuzer wurden teilweise aus Silber, teilweise aus Kupfer geprägt. Nicht unbedingt nach dem Nennwert – sogar Sieben-Kreuzer-Stücke bestanden aus Silber, während die Dreißig-Kreuzer-Münze aus Kupfer war –allerdings war sie natürlich viel größer.

Dass es sich in dem Taler um eine sehr hochwertige und begehrte Münze handelte, zeigt zum Beispiel die Tatsache, dass der gesamte Silberimport in das weit entfernte Oman nur auf Basis dieser Münzen erfolgte. In den neu entstehenden Vereinigten Staaten von Amerika wurde am 6. Juli 1785 eine Münze mit diesen Parametern unter dem Namen „US-Dollar“ als nationale Währung eingeführt – und ist es bis heute geblieben.

Der Taler entsprach zwei Gulden und blieb bis 1858 in Umlauf. Damals führte der Druck, die Währung mit dem aufstrebenden mächtigen deutschen Nachbarn zu synchronisieren, erneut zu einer Reform, die durch Wiener Verträge festgelegt wurde. Die neue Währungseinheit war der Gulden – aus einem Pfund Silber wurden 45 Gulden geprägt, mit einem Reinheitsgrad von erneut 83,5 Prozent. Dies diente nur der Angleichung an die deutsche Mark, um den Handel zwischen beiden Ländern zu erleichtern. Die Währung mit dem Namen „Gulden“ oder „Forint“ hielt sich bis 1892, als eine weitere Reform durchgeführt wurde und Österreich vom Gulden zur Krone überging. Ein Gulden entsprach zwei Kronen, und bis zum Jahr 1900 wurden beide Währungen parallel akzeptiert. Eine Krone bestand aus 100 Heller.

Auch die Krone war eine sehr hochwertige Münze (noch heute wird sie von Sammlern gerne in ihre Kollektionen aufgenommen). Eine Krone enthielt fünf Gramm Silber mit einem Feingehalt von 83,5 Prozent. Die Fünf-Kronen-Münze, als größte Silbermünze, wurde aus 24 Gramm Silber geprägt.

5 Kronen aus dem Jahr 1908

Ab zehn Kronen aufwärts bestanden die Münzen aus Gold. Die 100-Kronen-Münze enthielt eine Unze, also 33,875 Gramm Gold mit einem Feingehalt von 90 Prozent. Heute wird sie für etwa 2500 Euro gehandelt.

Die Münzen wurden separat in Zisleithanien (Österreich mit den böhmischen Ländern und Südpolen) und Transleithanien (Ungarn) geprägt, während die Banknoten von der Zentralbank gemeinsam für beide Teile der Monarchie ausgegeben wurden. Ein interessantes Detail ist, dass auf der Vorderseite der Banknoten – der österreichischen Seite – der Text in Deutsch, Tschechisch, Polnisch, Ruthenisch, Italienisch, Slowenisch, Kroatisch, Serbisch und Rumänisch geschrieben war. Die Rückseite – die ungarische Seite – enthielt neben dem ungarischen Wappen ausschließlich ungarischen Text – Slowakisch wurde also auf den Banknoten nicht verwendet.

20 Kronen Vorderseite
20 Kronen Hinterseite

Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs waren sowohl Deutschland als auch Österreich gezwungen, aufgrund der enormen Kriegskosten den Goldstandard ihrer Währungen aufzugeben. Dies führte zu einer Erhöhung der Geldmenge und einer Entwertung des Geldes. Die wahre Katastrophe brach jedoch erst nach dem Krieg aus. Deutschland und Österreich gehörten zu den Verlierern und waren gezwungen, hohe Kriegsreparationen zu zahlen. Dieses Geld stand schlichtweg nicht zur Verfügung, also wurden die Druckerpressen angeworfen und Geld wurde massenhaft gedruckt, ohne gedeckt zu sein.

Nach dem Ersten Weltkrieg hatte Österreich mehrere gewaltige Probleme:

  1. Die Kriegsreparationen, die an die Siegermächte gezahlt werden mussten.
  2. Ein großes Haushaltsdefizit. Österreich, insbesondere Wien, war das Verwaltungszentrum eines riesigen Reiches gewesen. Für den kleinen Reststaat Österreich war der Verwaltungsapparat völlig überdimensioniert. Zehntausende Beamte zu entlassen, wagte die neue Republik jedoch nicht aus Angst vor sozialen Unruhen.
  3. Subventionierung der Lebensmittelpreise aus dem Staatshaushalt. Die Versorgung der Städte, insbesondere Wiens, mit Lebensmitteln war äußerst problematisch – die ehemalige Agrarregion Ungarn und die industriellen böhmischen Länder fielen nun als Versorger aus. Um den steigenden Lebensmittelpreisen entgegenzuwirken, druckte die Regierung immer mehr Geld, um bei den Gehältern Schritt zu halten.
  4. Rückgang der Goldreserven des Staates. Österreich bezahlte importierte Waren, die früher innerhalb der Monarchie gehandelt wurden, nun mit Gold aus den Reserven der Zentralbank. Dies führte zu einer weiteren Abwertung der Währung.
  5. Spekulationen an der Börse führten zu unkontrollierbaren Wertschwankungen des Geldes. Die österreichische Republik hatte nicht genügend finanzielle Reserven, um sich gegen Spekulanten zu wehren.
  6. Anfangs wurde die Inflation von der Regierung gefördert, da sie sich davon eine wirtschaftliche Belebung versprach – einen „Flucht in Sachwerte“-Effekt, also den Kauf von Waren anstelle von Sparen. Dieser Effekt hielt jedoch nur sehr kurzfristig an.
  7. Die Österreicher betrachteten ihren Reststaat lediglich als Übergangslösung mit dem Ziel, sich Deutschland anzuschließen. Sie hielten den neuen Staat für nicht überlebensfähig, was zu einem Kapitalabfluss führte. Dieses Gefühl hielt lange an – erst in den 1970er Jahren, dank der wirtschaftlichen Erfolge der Regierung Bruno Kreiskys sowie sportlicher Erfolge wie Franz Klammers Sieg bei den Olympischen Spielen in Innsbruck oder dem Sieg der österreichischen Fußballnationalmannschaft über Deutschland bei der WM 1978 in Córdoba, begann eine deutliche Mehrheit der Österreicher, sich als eigenständige Nation und nicht mehr als Deutsche zu fühlen.

Aus Angst, in dieselbe Inflationsspirale hineingezogen zu werden, begannen die Nachfolgestaaten der Monarchie, Banknoten, die sich auf ihrem Gebiet befanden, zu stempeln. Damit begann bereits im Januar 1919 das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen (das spätere Jugoslawien), im Februar folgte die Tschechoslowakei. Ab März war auch „Deutschösterreich“, wie der verbliebene Reststaat damals genannt wurde, gezwungen, seine Banknoten zu stempeln.

Gestempelte Banknote

Die Tschechoslowakei blieb dank Finanzminister Rašín lange beim Goldstandard, also dem Vorkriegssystem der Währung. Dies führte jedoch zu einem Kapitalabfluss (ausländische Banken legten tschechoslowakische Kronen als Devisenreserven anstelle von Gold an, und tschechoslowakische Touristen waren verpflichtet, mitgebrachte Währung sofort in die Landeswährung umzutauschen) und zu einer Deflation mit Bargeldmangel. Übrigens war die Einrichtung der sogenannten „Vermögensprüfungskommission“ aus praktischer Sicht zwar wenig sinnvoll, führte jedoch dazu, dass große Geldmengen aus Kriegsgewinnen und Spekulationen entweder gar nicht oder nur sehr langsam in Umlauf kamen – niemand wollte zu sehr auffallen und dadurch das Interesse dieser Kommission auf sich ziehen.

Rašíns Nachfolger Karel Engliš gab den Goldstandard 1923 sofort auf, doch der positive Effekt war bereits eingetreten: Die tschechoslowakische Währung war stabilisiert und blieb es auch. Die Tschechen lieben ihre Krone bis heute und sind bereit, dafür einen Preis zu zahlen. Banken und Versicherungen kassieren Gebühren für die Umrechnung des Wechselkurses zum Euro, aber das scheint die Tschechen nicht zu stören – offenbar können sie es sich leisten. Übrigens blieb nur die Tschechoslowakei beim ursprünglichen österreichischen Namen ihrer Währung – der Krone (tschechisch “Koruna”). Die Ungarn und Polen kehrten zum Gold zurück (Forint, Złoty), die Jugoslawen führten den Dinar ein (die Slowenen später nostalgisch den Tolar/Taler), die Rumänen die Leu (auch in der Tschechoslowakei wurde überlegt, die neue Währung „Lev“, also Löwe“ zu nennen), und die Österreicher entschieden sich schließlich für den Schilling – doch dazu später mehr.

Das Ergebnis all dieser Faktoren, die nach dem Zerfall der Monarchie im Jahr 1918 einwirkten, war, dass im August 1922 das Verhältnis der Goldkrone zur Papierkrone bei 1:14.400 lag. Den Rekord erreichte die Inflation ebenfalls im August 1922, als sie 129 Prozent pro Monat betrug.

1000 Kronen Münze – entsprach nach der Währungsreform 10 Groschen

Deutschland wurde von der Hyperinflation allerdings noch weitaus härter getroffen als Österreich. Während der Wert der Mark im Oktober 1921 auf ein Hundertstel des Vorkriegskurses sank, war es im Oktober 1922 bereits nur noch ein Tausendstel. Im Juli 1923 erreichte der Kurs einen Dollar pro eine Billion Mark, und am 15. November 1923 wurde mit 4,2 Billionen Mark pro Dollar der historische Höchststand erreicht.

Deutsche Banknoten auf dem Höhepunkt der Inflation

Philatelisten kennen aus dieser Zeit Briefmarken mit Nominalwerten in Hunderten von Milliarden Mark.

Die Probleme jener Epoche beschreibt eindrucksvoll und zugleich mit Humor Erich Maria Remarque in seinem Roman Der schwarze Obelisk. Erst danach wurde in Deutschland die sogenannte „Rentenmark“ eingeführt – zu einem Umrechnungskurs von einer neuen Mark für eine Billion alte Mark.

In Österreich kam es dank konservativer Regierung von Kanzler Ignaz Seipel nicht zu solchen extremen Zuständen. Er bemühte sich mit aller Kraft um eine Stabilisierung der Lage. Am 16. September 1920 trat Österreich dem Völkerbund bei. Am 4. Oktober 1922 wurden dann die sogenannten „Genfer Protokolle“ zwischen Österreich und Großbritannien, Frankreich, Italien sowie der Tschechoslowakei unterzeichnet. Österreich erhielt einen Kredit in Höhe von 650 Millionen Goldkronen zur Stabilisierung seiner Wirtschaft (den es bis in die 1970er Jahre zurückzahlte). Im Gegenzug verpflichtete sich das Land, jegliche Bestrebungen nach einem Anschluss an Deutschland aufzugeben und somit seine Eigenständigkeit zu bewahren. Darüber hinaus wurde ein Sanierungsplan mit Reformen zur Haushaltskonsolidierung auferlegt. Dies führte zu massiven Entlassungen und einem Anstieg der Arbeitslosigkeit – die rasch die 10% Grenze überschritt und im Jahr 1930 den Rekordwert von 25% erreichte. Dies war einer der Gründe für die Sympathien der österreichischen Bevölkerung gegenüber der Ideologie ihres Landsmannes Adolf Hitler, der in Deutschland aktiv war. Die Einnahmen aus Tabak und Zöllen wurden den Gläubigern als Sicherheit übertragen. Bis zum 30. Juli 1926 überwachte der niederländische Generalbevollmächtigte Alfréd Zimmermann die Einhaltung des Sanierungsplans.

Als Folge der Währungsstabilisierung entschied sich die Regdierung Seipels für eine Währungsreform: Die diskreditierte Krone wurde abgeschafft, und eine neue Währung sollte eingeführt werden – die Wahl fiel auf den Schilling.

Ein Schilling aus dem Jahr 1925

Ironischerweise verabschiedete das österreichische Parlament diese Änderung am 20. Dezember 1924, einen Monat nach Seipels Rücktritt. Der Schilling wurde ab dem 1. März 1925 eingeführt und entsprach 10.000 Kronen. Er war in 100 Groschen unterteilt, sodass ein Groschen 100 Kronen entsprach.

1 Groschen, die zwei Null erinnern auf den parallelen Wert von 100 Kronen

Dank einer strikten restriktiven Geldpolitik entwickelte sich der Schilling zu einer stabilen Währung und erhielt den Spitznamen „Alpendollar“.

Goldene Münze 25 Schilling aus dem Jahr 1929

Er blieb den Österreichern bis zum „Anschluss“ im April 1938 erhalten. Danach wurde die Reichsmark eingeführt, die für die Österreicher zu einem für sie günstigen Kurs von 1,5:1 umgetauscht wurde. Ein Jahr später war Hitler gegenüber den Tschechoslowaken weit weniger großzügig. Dort wurde die Reichsmark zum Kurs von 1:10 gegen die tschechoslowakische Krone getauscht, obwohl die Krone einen wesentlich höheren realen Wert hatte.

Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrten die Österreicher zum Schilling zurück – allerdings bestand er nicht mehr aus Silber, sondern aus Nickel.

Ein Schilling aus dem Jahr 1947

Dennoch gelang es nach den anfänglichen Hungerjahren, sowohl die Wirtschaft als auch die Währung zu stabilisieren. Der Schilling blieb bis zur Einführung des Euro im Jahr 1999 (als Bargeld ab 2002) erhalten – obwohl er bereits seit dem 1. Juli 1976 fest an die Deutsche Mark im Verhältnis 7:1 gebunden war. Damit hatte Österreich faktisch seine eigenständige Geldpolitik aufgegeben, trat der Europäischen Union – deren Gründungsmitglied Deutschland war – aber erst 1995 bei.

Ein Schilling aus dem Jahr 1993

Trotz der offensichtlichen Vorteile der gemeinsamen europäischen Währung erinnern sich viele Österreicher noch immer mit nostalgischer Zuneigung an den Schilling. Er war eine „Erfolgsgeschichte“ der österreichischen Staatlichkeit.

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