Das neue Jahr beginne ich, wo ich das alte beendte habe, in Albanien. Für die, die von meinen Erzählungen noch nicht müde sind, besuchen wir die Hafenstand Durrës – oder Durazzo.
Durrës war einst das griechische Dyrrachion, das römische Dyrrhachium, das türkische Dirac und das italienische Durazzo. Der Name der Stadt änderte sich je nachdem, wer dort herrschte, und die Herrscher wechselten hier in einem Tempo, das es nur selten anderswo gab. Es war das westliche Tor auf dem Balkan, um dessen Kontrolle sich viele bemühten. Und es hat seine Spuren im Charakter der Stadt hinterlassen.
Das Stadtzentrum ist – wie überall in Albanien – völlig neu, sauber, geräumig und schön. Die große Moschee war seit 1967 geschlossen (wie alle Kirchen in Albanien) und musste nach 1993 wiederhergestellt werden. Über den Platz hinweg sieht man das Rathaus aus dem Jahr 1929, also wieder ein Werk italienischer Architekten – und das „Aleksander-Moisiu-Theater“, ein wesentlich neueres Werk im kommunistischen Baustil.

Aleksander Moisiu war ein albanischer Schauspieler, der es sogar auf die internationale Bühne geschafft hat; 1935 spielte er in einem Film mit Lída Baarová, die damals eine der berühmtesten europäischen Schauspielerinnen war, sowie auch die Geliebte des Propagandaministers von Nazi-Deutschland Joseph Goebels. Im selben Jahr, als er mit Baarova gedreht hat, starb Moisiu, also weiß ich nicht, was Lída mit ihm gemacht hatte. Er hat ein kleines Museum in Durrës in der Colonel-Thompson-Straße.
Die Hauptattraktion von Durrës ist sein antikes Amphitheater.

Es wurde vom Kaiser Hadrian erbaut, wurde aber bereits durch ein großes Erdbeben im Jahr 345 zerstört. Erdbeben sind in dieser Region nicht so selten; Durrës wurde durch das Erdbeben von 1926 vollständig zerstört, und wir haben auch ein kleines erlebt – Stärke 5,0 auf der Richterskala – das ist eine Stärke, bei der zwar bereits Häuser wackeln, aber noch nicht abstürzen, und meine Liege am Pool nach vorne sprang. Meine Frau aber, die gerade eine Landsfrau aus der östlichen Slowakei entdeckt hatte und mit ihr im Pool plauderte, bemerkte das Erdbeben nicht einmal. Das letzte Erdbeben mit Todesopfern in Albanien gab es im Jahr 1967.
Das Amphitheater ist nicht vollständig ausgegraben, und vor allem – niemand versucht, es unsensibel zu rekonstruieren. Ein Teil des Amphitheaters befindet sich nämlich unter den umliegenden Häusern, deren Besitzer sich rechtlich gegen ihren Abriss wehren. Es war jedoch für nicht einmal 1 Euro zugänglich, und die Mosaiken einer – in den Umkreis des Amphitheaters eingebauten – Kirche aus byzantinischer Zeit sind interessant. Aus byzantinischer Zeit ist auch die Stadtmauer erhalten geblieben; sie ist imposant und führt bis zum Hafen, wo sie mit dem venezianischen Tor mit einer Bar auf der Terrasse endet.

Aber der schönere Ausblick ist von der Fly Bar auf dem Dach des Hochhauses direkt gegenüber dem venezianischen Tor; allein deshalb lohnt es sich, sie zu besuchen.
Entlang der Promenade mit Statuen von Helden des kommunistischen Widerstands im Zweiten Weltkrieg und Gladiatoren gelangt man zum Archäologischen Museum; es erstreckt sich bis zum Meer. Es gibt hier ein großes Zentrum mit Geschäften, Bars und Diskotheken mit einem schönen Blick auf die Stadt. Auch zur königlichen Villa, die die Bürger von Durrës 1927 ihrem König Zog I. schenkten. Leider wurde diese Villa bei den Unruhen im Jahr 1997 beschädigt und ist geschlossen und zum Verkauf angeboten. Die Albaner hatten nur einen König – Zog I. Im Jahr 1928 entschied sich der albanische Präsident Ahmet Zogu, dass das demokratische System für Albanien überhaupt nicht geeignet sei, und ließ sich zum “König aller Albaner” krönen, einschließlich der Albaner, die in den umliegenden Ländern lebten. Von da an war das Verhältnis zu Jugoslawien und Griechenland extrem angespannt, und Zog I. hielt sich auf dem Thron nur dank der italienischen Unterstützung. Albanien war so etwas wie ein Protektorat Mussolinis, daher wurden praktisch alle Gebäude dieser Zeit von italienischen Architekten erbaut. Im Jahr 1938 feierte Zog I. seine Aufnahme in den europäischen Adel durch die Hochzeit mit der ungarischen Gräfin Geraldine Apolonyi, und sie gebar ihm kurz vor seiner Flucht aus dem Land den einzigen Sohn Leka. Im April 1939 hatte Mussolini genug davon, auf den König aufzupassen, und beschloss, Albanien militärisch zu besetzen. Im Jahr 1941 nutzte er dann Albanien als Ausgangspunkt für seinen Angriff auf Griechenland. Er erlitt eine peinliche Niederlage, aus der ihn sein Verbündeter Hitler retten musste, der aufgrund der Kämpfe auf dem Balkan den Termin seiner “Operation Barbarossa” von März auf Juni verschieben musste und demzufolge seine Armee dann vor Moskau im russischen Frost erstarrt. König Zog I. ging ins Exil und blieb dort. Sein Sohn Leka wird immer noch als König Leka I. betrachtet. Im Jahr 1993 reiste er mit einem handgefertigten Pass “Königreich Albanien” nach Albanien, aber die Behörden ließen ihn mit diesem Pass nicht ins Land, also musste er am nächsten Tag das Land verlassen. Im Jahr 1997 entschieden sich die Albaner in einem Referendum gegen die Wiederherstellung der Monarchie, und Leka I. versuchte, seine “Rechte” mit Waffengewalt durchzusetzen. Er scheiterte, musste das Land verlassen, wurde in Abwesenheit verurteilt und 2002 begnadigt. Im Jahr 2006 erhielt er den ehemaligen königlichen Palast in Tirana zurück, und 2011 starb er. Sein Sohn, der 1982 in Johannesburg geboren wurde, führt den Titel Leka II. und soll angeblich ein sehr sympathischer junger Mann sein.
Das Archäologische Museum in Durrës zeigt zahlreiche Artefakte aus der antiken Geschichte der Stadt, fasst aber auch die bewegte Geschichte der Stadt zusammen, als sie besonders im dreizehnten und vierzehnten Jahrhundert buchstäblich von Hand zu Hand ging.

Am Eingang gibt es ein Schild, das das Fotografieren verbietet, aber als ich das nette Mädchen, das die Tickets verkauft hat, fragte, ob wirklich nicht fotografiert werden darf, zuckte sie mit den Schultern und sagte: “Nicht alles.” Also habe ich nicht alles fotografiert.
Durrës hatte seine Bedeutung, weil von hier aus die Via Egnatia führte, eine römische Straße, die im zweiten Jahrhundert vor Christus vom Konsul Egnatius gebaut wurde, bis nach Byzanz, dem späteren Konstantinopel, führte und eine direkte Fortsetzung der Hauptstraße Via Appia mit Ende in Brindisi war. In letzter Zeit gibt es Bestrebungen, diese Straße für Touristen zugänglich zu machen, die sie wie einst vor zweitausend Jahren entlanggehen möchten.
Am 10. Juli des Jahres 48 vor Christus kam es bei Durrës zu einer bedeutenden Schlacht zwischen Gnaeus Pompeius und Gaius Julius Caesar. Caesar erlitt hier eine empfindliche Niederlage. Nur dank des Zögerns seines Gegners, der Angst hatte, Caesars fliehende Armee zu verfolgen, endete Caesars politische Karriere nicht in Durrës. Die römische Republik hätte gerettet werden können. Sie wurde es nicht. Einen Monat später vernichtete Caesar die Armee der Republikaner bei Pharsalos, und der Weg zu seiner Alleinherrschaft war frei.
Nach der Eroberung durch die Türken sank die Bedeutung von Durrës. Aus der Hauptverbindung zwischen Italien und dem Balkan wurde eine Grenzfestung, und die Türken waren weder eine Seemacht noch Händler, die ihre Waren in Schiffen transportierten. Erst mit der Entstehung des unabhängigen Albaniens gewann es wieder an Bedeutung und ist heute der größte albanische Hafen und mit 220.000 Einwohnern nach Tirana die zweitgrößte albanische Stadt.
