Sie haben noch nie von diesem italienischen Nest gehört? Dann ist die Zeit gekommen, es zu ändern. Faenza ist eine liebenswerte italienische Stadt und ist besuchswert.

               In den römischen Zeiten waren für die Neugründungen der Städte die Straßenverbindungen entscheidend. Im Jahr 187 ließ der Konsul Marcus Aemilius Lepidus die Straße Via Emilia bauen und dann entstanden an dieser Straße zwischen Ariminum (Rimini) und Bononia (Bologna) eine nach der anderen in regelmäßigen Abständen eines Tagesmarsches, also ungefähr zwanzig Kilometer, Städte wie die Schwalben auf einem Draht. Es waren Cesena, Forum Popilii (Forli), Faventia (Faenza) und Forum Cornelii (Imola).

               Jede dieser Städte schrieb sich in die Weltgeschichte ein, was offensichtlich mit ihrer strategisch wichtigen Lage am Rande der Poebene zusammenhängte. Imola ist auch heute berühmt, weil hier das Rennen der Formel 1  – der Große Preis von San Marino  – ausgetragen wird,. Forli war die erste Wirkungsstätte des heiligen Antonius von Padua, wo er durch seine erste Rede berühmt geworden ist. Cesena trat in die Geschichte am 3.Februar 1377 ein, als hier der päpstliche Legat und der spätere Papst Klement VII., mit eigenem Namen Robert von Genf, in den ersten drei Tagen nach der Einnahme der Stadt einige Tausend Bewohner ermorden ließ. Dieser auch für die damalige Zeit brutaler Exzess brachte ihm den Spitznahmen „Metzger von Cesena“. Nicht einmal dies konnte seine Wahl zum Papst am 20.September 1378 verhindern.

               Auch Faenza schrieb sich in die Geschichte während eines Kriegsgeschehens ein, aber doch kreativer und weniger brutal. Nämlich in die Welt der Literatur. In der Zeit des Krieges zwischen Kaiser Friedrich II. und Papst Gregor IX. stellte sich die Stadt auf die päpstliche Seite. Im August 1240 kam der Kaiser mit einer Armee, die zu dieser Zeit im nahen Ravenna stationär war (und grub dort – um sich nicht zu langweilen – das Grab von Galia Placidia, das Touristen bis heute besuchen). Der Kaiser belagerte die Faenza, die sich entschied, nicht aufzugeben. Die Bürger der Stadt wussten nämlich, dass der Kaiser knapp bei der Kasse war, das Geld sollte ihm bald ausgehen und er wäre gezwungen, seine Armee aufzulösen. Sie verrechneten sich dabei fatal. Friedrich genoss bei seinen Soldaten so ein großes Vertrauen, dass er ihnen den Sold in wertlosen Münzen aus Leder zahlte, mit der Versprechung, später diese Münzen für Gold und Silber auszutauschen. Die Soldaten akzeptierten diese Art von Sold und sie haben später tatsächlich ihr Geld bekommen. Die Belagerung der Stadt zog sich acht Monate lang. Der Kaiser langweilte sich. Also fiel ihm ein, dass ihn sein Sohn Manfred bereits vor langer Zeit gebeten hatte, ein Buch über die Falknerei zu schreiben. Friedrich war nämlich auch ein hervorragender Vogelkenner. Der Kaiser nahm die Arbeit an und das Buch – die erste wissenschaftliche Arbeit im Fach der Ornithologie, die auch heute noch immer wieder zitiert wird – konnte er wirklich vollenden. Das Buch heißt „De arte venandi cum avibus“ also „Von der Kunst mit Vögeln zu jagen“, es beschäftigt sich aber auch mit allgemeinem Wissen über verschiedene Vogelarten und ihre Lebensart.

               Während sich der Kaiser dieser gottgefälligen Tätigkeit widmete, starben die Verteidiger der Stadt an Hunger. Die erwartete Hilfe kam weder aus Milan noch aus Bologna und die Bitten, dass zumindest den Frauen und Kindern erlaubt wird, die Stadt zu verlassen, wurden vom Kaiser strikt abgelehnt. Am 14. April 1241 bot die Stadt in Erwartung drakonischer Strafen und Hinrichtungen eine bedingungslose Kapitulation an. Der Kaiser war aber gut gelaunt und mit seinem literarischen Werk höchst zufrieden – geben wir objektiv zu, dass es zurecht war – er erteilte allen Bürgern von Faenza eine Begnadigung und ließ in die Stadt Lebensmittel liefern. Das war für die damalige Zeit ein sehr ungewöhnlicher Vorgang. Aber die Literaten sind nach einem erfolgreichen Abschluss ihrer Arbeit schon einmal so.

               Faenza ist aber vor allem durch ihre Keramik berühmt. Das Wort „Fayence“ hat seinen Ursprung im Namen der Stadt. Faenza war seit dem dreizehnten Jahrhundert das italienische Zentrum der Tonwareproduktion. Das war die Folge von großen Vorräten der Tonerde von hoher Qualität in seiner Umgebung auf einer Seite und der guten Verkehrsverbindung auf der Via Emilia ostwärts zum Hafen von Rimini, sowie auch auf der anderen Seite westwärts nach Bologna und Mailand. Auch heute gibt es in der Stadt an die vierzig Betriebe, die Kunstkeramik produzieren und sie in die ganze Welt verkaufen. Faenza ist in der Welt der Keramik noch immer eine Marke.

               Die Geschichte der Keramikerzeugung – Majolika (dieser Name stammt überraschenderweise vom Namen der Insel Mallorca und weist auf die dortige arabische Tonwareproduktion hin) – kann man im „Museo internationale delle ceramiche di Faenza“ kennenlernen.

Das Museum wurde im Jahr 1908 von Gaettano Ballardini gegründet, seit 1938 gibt es in zweijährigen Abständen einen Wettbewerb in der Keramikkunst, bei dem der Faenza-Preis vergeben wird. Manche von den siegreichen Werken kann man im Museum sehen. 

Das Museum ist nicht ganz einfach zu finden, es gibt keine Wegweiser und die Einheimischen nach dem Weg zu fragen ist nicht ganz einfach – fast alle fahren nämlich Rad, zu Fuß bewegen sich auf den Straßen nur verlaufene Touristen. Das Museum selbst ist so riesig, dass es gar nicht einfach ist, sich dort zu orientieren. Ich suchte vergeblich den Saal 6, wo die Geschichte der Erzeugung der glasierten Tonware in Faenza beginnen sollte. Die Säle 1-5 widmeten sich der orientalischen Keramik von der chinesischen, über die japanische und die koreanische bis zu der arabischen. Es war vergebens. Letztendlich ging ich zu einem Angestellten des Museums mit der Bitte, mich zum Saal sechs zu bringen. Ich sagte klar, dass ich „Sala sei“ suchte und zur Sicherheit zeigte ich ihm die Nummer sechs auch im Plan, den ich bei mir hatte. Der Angestellte war zuvorkommend, brachte mich aber zum Saal neun und so lernte ich die Geschichte der Keramik von Faenza beginnend von ihrem Ende. Nicht einmal die Angestellten kennen sich im riesigen Gebäude offensichtlich aus. Genau so kompliziert war es auch, die gut versteckten Toiletten zu finden – für die, die mir folgen möchten, verrate ich, dass sie sich gleich neben dem Lift befinden.

Die Geschichte ist interessant. Mit Majolika, also mit der bemalten Keramik, begannen die Faenzaner auf einem primitiven Niveau – auf einem groben Grund der Tonware mit blauer und grüner Farbe irgendwann im vierzehnten Jahrhundert. Die Erzeugung verbesserte sich aber ständig und im sechzehnten Jahrhundert erreichte sie mit der Produktion der so genannten „Faenzanischen Weiße“ die höchste Vollkommenheit. Die Keramik war fein weiß (man könnte sie mit Porzellan verwechseln) und man konnte sie mit verschiedenen Nuancen der blauen und gelben Farbe schmücken. Im sechzehnten Jahrhundert kam für die Keramikproduktion der wahre Boom. Am Anfang des sechzehnten Jahrhunderts erschien in den europäischen Häfen der Tee, im Jahr 1616 landete im Hafen von Amsterdam die erste Kaffeelieferung. Venedig erreiche der Kaffee im Jahr 1683, also im gleichen Jahr, in dem die flüchtenden Türken vor Wien bei ihrem Rückzug Säcke mit Kaffee hinterließen und damit die Wiener Kaffeekultur indirekt ins Leben riefen). Im achtzehnten Jahrhundert wurde durch Zugaben von Gewürzen, Milch, Vanille und Zucker auch die Schokolade zu einem Modegetränk. Für das Genuss dieser neuen Getränke war ein neues Geschirr unentbehrlich – also Schalen, Tassen und Kannen.

               Als es schon so ausgesehen hat, dass aus den Tonwareproduzenten Millionäre würden, kam im Jahr 1708 ein beinahe Todesstoß für sie. Johann Friedrich Böttger, ein Alchemist aus Meißen, erfand für seinen Herrn, den Kurfürst August den Starken, das erste europäische Porzellan. Der sächsische Kurfürst wurde dadurch märchenhaft reich und die Produzenten der Tonware in Faenza suchten vergeblich Abnehmer für ihre Ware. Nicht nur der Adel, sondern auch die wohlhabende bürgerliche Stadtschicht wollte zu Hause Porzellangeschirr haben und für die traditionelle Tonware sind lediglich die Bauer geblieben, die allerdings tief in die Tasche haben greifen müssen.

               Im Jahr 1745 erfanden die Majolikaerzeuger in Frankreich den Produktionsvorgang des so genannten „dritten Brennens“, also eines langsamen Vorgangs mit Temperaturen zwischen 700 und 750 Grad, was die Verwendung der gleich satten Farben wie bei Porzellan (Purpurrot, Gold und Dunkelgrün) erlaubte und damit wieder dem Porzellan eine Konkurrenz zu machen vermochte.

               Die Ausstellung im Museum ergänzen keramische Garnituren und Produkte und eine Menge moderner Kunstwerke. Es gibt genug zum Schauen, obwohl der Besucher durch das Museum irrt – oder vielleicht gerade deshalb.

               Übrigens, die Keramik trifft man in der Stadt überall. Es gibt sie an den Hausfassaden und die Tafel mit den Hinweisen an Ärzte- oder Advokatenpraxen sind alle ausnahmslos aus Keramik gemacht.

               Faenza hat aber auch ein entzückendes historisches Zentrum. Es entstand aus zwei miteinander verbundenen Plätzen „Piazza di Popolo“ und „Piazza della Liberta“, das Stadtzentrum ließ die herrschende Familie Manfredi großartig ausbauen. Im Jahr 1474 legte Bischof Federico Manfredi, ein Bruder der Herrscher der Stadt Carlo und Galeotto, den Grundstein einer neuen Kathedrale. Die Dominante des Platzes ist „Palazzo del Podestá“ mit wunderschönen Rennaisancearkaden und das mittelalterliche Rathaus. Alles wird vom Glockenturm „Torre Civica dell Orologio“ überragt. Schön ist auch der Brunnen auf der „Piazza della Liberta“.

               Gleich hinter dem Brunnen steht das „Duomo di San Pietro Apostolo“, also Sankt Peterkirche. Die raue Fassade aus den Backsteinen sprach mich nicht wirklich an – den Marmor gibt es nur auf dem Sockel und aus der Mauer ragen einzelne Backsteine chaotisch hervor.

Na ja, den Ton gab es – im Gegenteil zum Stein – in der Umgebung immer genug. Im Inneren wirkt die Kirche schroff wie alle Kirchen in dieser Gegend, die alle im klassizistischen Still umgebaut und ihres barocken Schmucks beraubt wurden. Nur die Seitenkapellen sind reich geschmückt.

               Sie haben dafür einen guten Grund. Sie beherbergen nämlich eine ganze Reihe von heiligen und seligen Einheimischen, oder eher heiligen, die in Faenza starben und deren Reliquien hier unter ihren Altären ausgestellt werden. Möglicherweise gab es in der Gegend schlechte Luft, dass so viele gerade hier das Ewige gesegnet haben. Beinahe in jeder Kapelle gibt es eine Leiche oder zumindest ihren Teil. In der linken Reihe ist es zuerst der selige Giacomo Filippo Bertoni, der in den Jahren 1454 – 1483 lebte, dann folgt aber unmittelbar ein stärkeres Kaliber in der Person des heiligen Pier Damiani, der in Faenza im Jahr 1072 auf der Rückereise aus Ravenna starb. Er war der engste Mitstreiter des Hildebrands von Soana, der ein Jahr nach dem Tod von Damiani zum Papst Gregor VII. wurde und den Investiturstreit auslöste. Übrigens bereits Damiani hat schon dem Kaiser Heinrich IV., der nach Canossa gehen musste, Leviten gelesen. Sein Skelet wurde in die Kapelle im Jahr 1826 übertragen, dieser Zeit entspricht auch die Verzierung der Kapelle.

Gleich nebenan sind die Überreste vom heiligen Ämilianus ausgestellt. Dieser schottische Bischof starb in Faenza bei seiner Rückkehr von seiner Pilgerreise nach Rom im Jahr 1139 und wurde gleich wie ein Heiliger geehrt.  Links neben der Hauptkapelle gibt es ein Grabmal von heiligen Sabinus. Dieser Märtyrer aus der Zeit des Kaisers Diokletian starb zwar im fernen Spoleto, das Ehepaar Astorgio II. Manfredi und seine Frau ließ aber für den Heiligen zwischen den Jahren 1468 – 1470 einen Marmorgrabmal in Faenza einrichten, der im Jahr 1616 in der Kapelle eingemauert wurde. Auf der rechten Seite der Kirche gibt es die leiblichen Überreste des seligen Nevolons, der in Faenza im Jahr 1280 starb und letztendlich des heiligen Terentius, der in der Nähe von Faenza wie ein Eremit lebte, Blinde heilte und hier um das Jahr 1175 starb.

               Ich gebe zu, dass ich – außer Rom – noch in keiner Stadt so eine Sammlung der heiligen Knochen gesehen hatte. Natürlich, ich war noch nicht überall, die Ausstellung im „Duomo di San Pietro Apostolo“ ist aber imposant. Die Hauptattraktion sind aber keine Knochen, sondern der Altar der Gnadenmadonna im Querschiff links. Sie ist die Patronin der Stadt und der Diözese. Im Jahr 1412 erschien die Madonna einer Frau namens Giovanna de Costumis und versprach, das Wüten der Pest in der Stadt aufzuhalten, was dann tatsächlich geschah. Gebrochene Pfeile in der Hand der Madonna symbolisieren ihre wirksame Fürsprache bei Gott.

               Unweit vom historischen Stadtzentrum gibt es einen großen Militärfriedhof „Faenza Commonwealth War Cemetery“, wo Soldaten der achten britischen Armee begraben sind, die den deutschen Widerstand auf der Via Emilia anfangs April 1945 durchbrachen. In der Armee kämpften nicht nur Soldaten aus Indien, Neu Seeland oder Südafrika, sondern auch das italienische Korps Cremona. Nach beinahe zwanzig Tage dauernden hartnäckigen Kämpfen gelang es, die deutschen Verteidigungslinien durchzubrechen und den Weg nach Mitteleuropa vom Süden zu öffnen.

               Übrigens, Faenza gefiel auch meiner Frau. Während ich im Keramikmuseum irrte, besuchte sie die Geschäfte im Stadtzentrum und war mit der Ausbeute höchst zufrieden. Das Shopping war ein voller Erfolg. Also Faenza ist ein Ausflugsziel für die gesamte Familie.

2 Comments on Faenza

  1. Von spanien zurück,sofort nachgeschaut,ob ein neuer interessanter Bericht von Dir da ist.
    Eine gute Idee,dieen Ort ehebaldigst zu besuchen
    Wie immer,sehr gut beschrieben
    Liebe Grüsse
    Heinz

    • Danke, Heinz. Derzeit sind wir auch in Spanien, nur etwas weiter – nämlich auf Fuerteventura. Ich bin auf der Suche nach etwas, wovon ich schreiben könnte.

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