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Die Reise über die Grenze in den Coronazeiten

Ich sage voraus, dass ich immer ein Befürworter der Maßnahmen zum Eindämmen der Pandemie war, solange diese logisch, begründbar und verständlich waren. Ich bin ein Befürworter der Impfung, weil dies meiner Meinung nach der einzige Weg ist, wie man die Pandemie überwinden kann. Natürlich konnte man manche Sachen rationaler machen und zum Beispiel anstatt des wochenlangen Leugnens der Thrombosen, die mit der Impfung mit dem Vakzin Astra Zeneca verbunden waren, einfach zugeben, dass es diese Thrombosen gab und dass sie beinahe ausschließlich Frauen vor der Menopause betrafen und dass diese Gruppe aus der Impfung mit diesem Vakzin ausgenommen werden sollte.

Ich bin auch ein Befürworter des Tragens der FFP2 Masken in geschlossenen Räumen und ich bin überzeugt, hätte man in Sommer genug von diesen Masken gekauft oder produziert und gleich in Oktober das Tragen von ihnen befohlen, solange die Akzeptanz bei der Bevölkerung noch ausreichend hoch war, hätte man sich einen großen Teil des Lockdowns und viele Tote ersparen können.

               Niemals habe ich ganz verstanden, warum kleine Geschäfte geschlossen werden mussten (und die großen offenbleiben durften), solange Menschen dort die FFP2 Masken getragen hätten und auch nicht das Verbot der Unterkunft in den Appartements um die Schipisten, die im Betrieb bleiben durften. Möglicherweise spielte hier die Angst, dass die Menschen in den Appartements sich gegenseitig besuchen und zusammen trinken würden, eine Rolle. Warum man im Freien kein Doppel beim Tennis spielen darf, verstehe ich auch nicht. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Beinahesenior beim Single verletzen könnte, ist tausendmal höher als sich dabei mit Covid anzustecken. Aber o.k. Verboten ist verboten, dann spielen wir halt nicht.

               Trotz dieser Einwände war ich für das Einhalten der Regel. Bis ich mich entschieden habe, meine Mutter in Tschechien zu besuchen. Es war nämlich nach einem halben Jahr bei ihrem Alter von 84 Jahren schon dringend notwendig. Dafür musste ich aber die österreichisch-tschechische Grenze überqueren. Weil ich ein disziplinierter Bürger bin, entschied ich mich, es nach den gegebenen Regeln zu tun. Und das zeigte mir die Absurdität des gesamten Systems.

               Ich muss zuerst klarmachen, dass ich seit Februar geimpft bin – dieses Privileg habe ich mir durch die Arbeit auf der Intensivstation bei den Covidpatienten verdient. Ich habe eine Bestätigung über die Anwesenheit der Antikörper gegen Coronavirus in meinem Blut, also über eine ausreichende Immunisierung und wie wir wissen, reduziert die Impfung auch die Wahrscheinlichkeit, sich mit dem Virus anzustecken und das Virus weiter zu verbreiten um sagenhafte 96%. Diese Tatsache wird aber nirgends berücksichtigt, sie spielt bei den Vorschriften, die die Bewegungsfreiheit einschränken, keine Rolle.

               Der Übertritt der Grenze ist nur mit einem negativen Antigentest aus den letzten 24 Stunden möglich. Das ist kein so großes Problem, weil ich im Krankenhaus arbeite, wo ich ohnehin zu wöchentlicher Testung verpflichtet bin. Es ist mir gelungen auch bei einer wahnsinnigen Arbeitsbelastung im letzten Moment noch unseren Laborassistenten Laszlo zu erwischen, der diese Tests am Freitag machte, noch bevor er den Testraum verließ. Er war sehr lieb, machte bei mir den Test und ich durfte nicht vergessen vor dem Verlassen meines Arbeitsplatzes die Bestätigung auszudrucken.

               Bereits am Donnerstag füllte ich in der Webseite der tschechischen Botschaft in Österreich ein Onlineformular über meine Absicht, die Tschechische Republik zu besuchen, aus. Es war ziemlich lustig. Als ich den Ort Starojicka Lhota angegeben habe, den ich besuchen wollte, bekam ich eine Antwort, dass dieser Ort unbekannt wäre. Ich gab also die benachbarte Marktgemeinde Stary Jicin an. Wieder mit einem negativen Ergebnis. Ich gab die Bezirkshauptstadt Novy Jicin an. Der Computer kannte nicht einmal diese Stadt, er verlangte von mit um so energischer das wahre Ziel meiner Reise anzugeben. Aus Verzweiflung gab ich die Kreishauptstadt Ostrava an. Siehe, der Computer kannte das. Die nächste Frage war, ob ich mit einem Kind jünger als 18 Jahre reisen würde. Ich klickte „nein“ an und sandte das Formular ab. Die Stelle wurde bedrohlich rot und verlange „mindestens ein Kind unter 18 Jahre anzugeben.“ Ich wurde unsicher. Ich kontrollierte, ob ich nicht zufällig bei der Frage, ob ich mit Kindern reise, das „ja“ aktivierte. Nein, aktiviert war der Punkt „nein“. Ich sandte das Formular erneut ab und der Computer schrieb mir das gleiche. Ohne mindestens ein Kind unter 18 Jahre keine Einreise nach Tschechien! Ich begann nachzudenken, wo ich mir so ein Kind ausborgen könnte und ob es mit mir fahren möchte.

               Die rettende Idee war, die Seite zu verlassen und dann wieder zu öffnen. Jetzt verlangte das Formular kein Kind mehr. In diesem Moment fiel mir ein, die deutsche Tastatur auf meinem Computer gegen die tschechische auszutauschen. Damit hatte ich die „Striche und Hackerl“ zur Verfügung. Ich gab „Starý Jičín“ an – und es hat funktioniert! Wie das ein Österreicher machen soll, der diese Tastatur auf seinem Computer logischerweise nicht hat, weiß ich nicht. Die Österreicher und Deutschen müssen also nur nach Praha, Brno, oder Ostrava fahren, also in die Ortschaften, die in ihren Namen keine Striche und Hackerl haben.

               Ich durfte also die Reise antreten. An der Grenze kontrollierte mich niemand, kein Zollbeamte war in Sicht, weder an der österreichischen noch an der tschechischen Seite. Obwohl auf meinem Beifahrersitz ein ausgefülltes und ausgedrucktes Formular, mein Impfpass, sowie auch die Bestätigung über den negativen Antigentest lag.

               Nur an der ersten Tankstelle verstand ich, dass ich noch nicht gewonnen habe. Mein Wunsch, eine Autobahnvignette zu kaufen, wurde abgeschlagen. Es wäre nur online möglich. Ich muss betonen, dass ich ein Analogtyp bin und das Internet auf dem Handy hasse – schon deshalb, weil dort alles sehr klein ist und ich dort kaum etwas lesen kann. Die Dame an der Tankstelle war aber sehr lieb und teilte mir mit, dass man die Vignetten an den Tankstellen der Firma Eurooil kaufen könnte, allerdings befand sich im Umkreis von 100 Kilometer keine solche Tankstelle. Dann verriet sie mit aber, dass es an der Grenze einen Automaten gab. Ich müsste nur zurück zur Grenze fahren, an den LKW-Abstellplatz abbiegen und dort gäbe es den Automaten, wo man die Autobahnvignette kaufen konnte. Sie gab mir sogar eine Zeichnung, wie ich den Automaten finden konnte, weil „er ist versteckt, damit ihn die Menschen nicht finden“ (Ende des Zitates). Dank dieser Zeichnung fand ich den Automaten wirklich. Von beiden Seiten mit Schranken unzugänglich gemacht, damit man mit dem Auto nicht hinkommen konnte. Der Einkauf der Vignette war selbsterklärend und einfach – sogar für eine analoge Person wie mich – und die Vignete ist für Dauer eines Jahres gültig, also nicht nur für das Kalenderjahr. Das war die erste positive Überraschung. Wie aber diese Situation ein gebürtiger Österreicher oder Deutscher meistern kann, der der tschechischen Sprache nicht mächtig ist, blieb für mich ein Rätsel.

               Ich kam zu meiner Mutter und trat die verpflichtende fünftägige Quarantäne an. Dem negativen Test, Impfung und Antikörpernachweis zum Trotz. Freilich gab es eine Möglichkeit sich aus der Quarantäne durch einen negativen PCR-Test freitesten zu lassen. Beim besten Willen konnte ich aber in dem ganzen Nordmährischen- sowie auch Olmützerkreis, also im Umkreis ca. 150 Kilometern, keine einzige Teststelle finden, wo man sich zwischen Freitag und Montag 16 Uhr testen lassen konnte. Also habe ich auf der Webseite einen Termin in Nový Jičín für Montag, 16 Uhr reserviert. Bis zu diesem Zeitpunkt durfte ich das Haus meiner Mutter nicht verlassen und keine Besuche empfangen. Bezahlen musste man direkt bei der Bestellung online, ob man dann auch zu dem Termin kommt, war meine Sache. Die Kosten 1350 Kronen – ungefähr 54 Euro.

               Am Montag ließ ich mich testen und nach dem negativen Ergebnis erhielt ich die Bewegungsfreiheit. Theoretisch, nicht praktisch. Das Ergebnis erhält man nämlich binnen 48 Stunden. Also konnte ich eigentlich zu keinem, weder früheren noch späteren, Termin als am Montag zum Test gehen, weil sonst bis Mittwoch, als ich zurückfahren musste, das Ergebnis nicht fertig wäre. Es ist sicher gut, dass das Testergebnis 72 Stunden gültig ist, damit kann man zumindest 24 Stunden Freiheit genießen. Genießt man aber nicht, weil Mittwoch der letzte mögliche Tag war, zurückzufahren, damit man die fünftägige Pflichtquarantäne in Österreich antreten konnte. Der Grund?

               Trotz der Impfung, der nachgewiesenen Antikörper und des aktuellen negativen PCR-Tests musste man für weitere fünf Tage in der Quarantäne zu Hause sitzen, um sich dann am Sonntag wieder testen zu lassen, um in die Arbeit gehen zu dürfen. Sonst wäre der Arbeitsgeber nicht verpflichtet, das Gehalt zu zahlen, wenn ich die ganzen vorgeschriebenen zehn Tage zu Hause bleiben würde. Abgesehen davon, wer an meiner statt inklusiv der Nachtdienste arbeiten würde. Natürlich musste ich vor der Abfahrt in Richtung Österreich wieder ein Onlineformular ausfüllen, damit die österreichischen Behörden wussten, dass sich so eine brandgefährliche Person in Richtung österreichische Grenze in Bewegung setzt.

               An der Grenze kontrollierten mich österreichische Zollbeamten. Sie waren sehr freundlich, zuvorkommend, aber genau. Sie verlangten den Reisepass, das Zertifikat über den PCR Test und die Registrierung. Dabei haben sie entdeckt, dass ich ein falsches Formular ausgefüllt habe. Wo das richtige im Internet zu finden ist, habe ich keine Ahnung. Sie waren allerdings bereit sogar das richtige Formular mit den Daten, die ich in das falsche Formular geschrieben habe, selbst auszufüllen. Es hat gereicht, es zu unterschreiben und dann die Heimreise anzutreten – in die fünftägige Quarantäne. Also grobgerechnet: wenn man nur einen einzigen Tag in Tschechien verbringen möchte, muss man mindestens 10 Tage Urlaub nehmen.

               Solche Maßnahmen, die auch eine geimpfte Person einhalten muss, haben mit einem Hausverstand nichts zu tun. Es ist einfach nur ein Machtspiel und ein Mobbing des Bürgers. Sogar die Verfassungsjuristen machen sich Gedanken, ob es vertretbar ist, die Freiheit eines Menschen, der nachweislich nicht mehr ansteckend sein kann, so massiv einzuschränken. Nur unsere Regierungen nicht! Von der tschechischen und österreichischen Seite gleichermaßen. Ist das nur ein Zufall, dass diese Regierung immer wieder Probleme mit der Verfassung und dem Verfassungsgericht hat? Die Symmetrie der Maßnahmen zeugt allerdings davon, dass diese unsinnigen Maßnahmen nach einer Einigung beider Seiten (der tschechischen und der österreichischen) beschlossen wurden. Wenn man schon die Reisen zwischen den EU-Staaten nicht verbieten konnte, machte man sie zumindest unmöglich. Es ist klar, dass jeder, der diese alle Regel einhalten würde (mein Beispiel) sich logischerweise wie ein Trottel fühlen müsste. Es wundert mich nicht, dass die absolute Mehrheit der Menschen solche Vorschriften ignoriert. Fatal ist aber eine andere Sache. Wenn man schon bestimmte Regel, die man wirklich nicht einhalten kann, ignoriert, hält man sich auch an die anderen Regeln nicht. Weil sie von den gleichen Personen, also von unseren Politikern bestimmt wurden. Von denen, die um unsere Stimmen kämpfen werden. Ich sage gleich, meine haben sie schon verloren.

               Ich mag niemanden, der einen Dummkopf aus mir machen will. Weil ich mich in meiner Würde beleidigt fühle.

               Ich bin sehr gespannt, wie es die Regierung mit dem Frohleichnam regeln würde, wo sich schon halb Österreich Unterkünfte in Norditalien gebucht hatte. Wenn sich nichts ändern würde, dann verbringen sie alle bei der Rückkehr mindestens 24 Stunden an der Grenze bei den Kontrollen und danach 5 Tage in der Quarantäne. Abgesehen davon, ob es genug PCR Tests in Grado geben würde. Ich wünsche einen schönen und entspannten Aufenthalt. Zumindest werden sie aber wissen, wem sie dafür zu danken haben.

NACHTRAG. Gestern habe ich erfahren, dass eine Lockerung der Maßnahmen kommen sollte. Infolge der Äußerungen der Verfassungsjuristen oder wegen Frohleichnam? Für mich aber definitiv zu spät.

Wiesbaden II

Die Hauptachse der Stadt liegt außerhalb des historischen Zentrums und es ist die breite und repräsentative Wilhelmstraße, die den Namen des ersten deutschen Kaisers trägt.

               Sie führt vom Hauptbahnhof zum Kurhaus und läuft eigentlich auf dem ehemaligen, jetzt zugeschütteten Graben. Vor dem Kurhaus, einem großen Gebäude im neoklassizistischen Stil, mit einem großen Saal und dem Restaurant „Käfer“ gibt es das moderne Zentrum der Stadt mit so genannten „Bowling green“, wie die große Grasfläche vor dem Kurhauseingang von englischen Gästen genannt wurde – mit zwei Fontänen und einer Kolonnade, hinter der sich das Wiesbadener Theater befindet und dann ein großer englischer Park „Warmer Damm“. Zur Gründung dieses Parks, ohne den das heutige Wiesbaden unvorstellbar wäre, diente die Fläche vor den Stadtmauern, die in der Zeit der befestigten Städte nicht bebaut werden durfte, damit sich hier im Fall einer Belagerung der Feind nicht verstecken konnte. In den Jahren 1859 – 1860 wurde dieser 7 Hektar großer Park von Karl Friedrich Thelemann angelegt. Der zweite Teil des Parks, vielleicht sogar der schönere Teil, ist hinter dem Kurhaus versteckt und man kann hierher von der Terrasse kommen, die von dem Hintereingang des Gebäudes zugänglich ist.

               Warme Quellen sprudeln aus dem Boden in dem oberen Stadtteil zum Fuß des Gebirges Taunus. Direkt kann man sie auf dem „Kochbrunnenplatz“ sehen, wo es eine Fontäne mit dem natürlichen Thermenwasser und mit natürlichen Sedimenten gibt.

               Um diesen Platz stehen die prominentesten Hotels von Wiesbaden, außer anderen auch der „Nassauer Hof“, das „Hotel Palast“ oder das „Radison Blue Schwarzer Bock“ – natürlich jedes mit einer eigenen Hoteltherme von dem natürlichen Warmwasser aus der Tiefe der Erde gespeist. Wiesbaden lockte gerade dadurch seine Gäste an, logischerweise war hier auch Goethe, der wahrscheinlich alle Kurorte Europas in seinem Leben besucht hat, natürlich verliebte er sich auch hier, weil er sich praktisch überall verliebt hat.  In Wiesbaden war er mehrmals in den Jahren 1814 und 1815 und Marianne Jung, die er hier kennenlernte, widmete er sein Gedicht „Ginkgo biloba“.

               Das Literaturhaus Wiesbadens hat seinen Sitz in der Villa Clementine auf der Wilhelmstrasse, auf der gleichen Straße befindet sich auch das Stadtmuseum, das ich zu meiner Schande noch nie besucht habe, obwohl es sich direkt „vis á vis“ gegenüber der Kongresshalle befindet. Es ist wieder einmal ein monumentales Gebäude in klassizistischen Stil.  Es ist deshalb so groß, da es ursprünglich als Palast für den Kronprinzen Wilhelm gebaut wurde. Als der Vater von Wilhelm im Jahr 1816 überraschend starb und der Kronprinz zum neuen Herzog wurde, übersiedelte er in das Stadtschloss und das Gebäude war plötzlich frei. Die Gründung des Museums hat angeblich aus der Initiative des bereits erwähnten und wieder einmal anwesenden Johann Wolfgang Goethes stattgefunden. Wiesbaden ehrte ihn dafür mit einer Statue, die direkt vor dem Museumeingang steht (eigentlich sitzt).

               Auf dem Kochbrunnenplatz beginnt die Einkaufsmeile von Wiesbaden – die Tausnustraße. Sie verbindet das historische Fünfeck des Stadtzentrums mit dem Tal unter dem Neroberg, einem Aussichtsberg über Wiesbaden. Der Besuch des Nerotals zahlt sich schon deshalb aus, weil hier die Villen der reichsten Bürger von Wiesbaden stehen. Auf den Neroberg führt eine Seilbahn, die aber nicht das ganze Jahr in Betrieb ist. Sie wurde im Jahr 1888 bei der Gelegenheit der Thronbesteigung des neuen Kaisers Friedrich III. auf den deutschen Kaiserthron eröffnet.

               Zu Friedrich hatte Wiesbaden eine enge Beziehung. Dieser Kaiser, ein Intellektueller und ein guter Freund des österreichischen Kronprinzen Rudolfs, war eine Hoffnung des damaligen Europas. Er bemühte sich um eine Versöhnung zwischen den Nationen, er stand politisch der Sozialdemokratie nah, da er glaubte, dass die Vermögensverteilung zur Erhöhung der Kaufkraft der Bevölkerung und dadurch zu weiterem Wohlstandwachstum und zu ökonomischem Aufschwung führen würde – was sich in Zukunft bewahrheiten sollte. Die deutsche Industrie hätte sich mehr auf Eigenverbrauch orientieren sollen, um nicht mehr so stark vom Export abhängig zu sein, den das immer mehr zurückbleibende Großbritannien blockieren wollte. Das führte zur Spannung, die sich letztendlich im Gräuel des Ersten Weltkrieges entladen sollte. Friedrich verbrachte in Wiesbaden sehr viel Zeit und deshalb hat er vor dem Hotel „Nassauer Hof“ gegenüber dem Kurhaus seine Statue. Seine Aufenthalte in der Kurstadt hatten allerdings einen traurigen Grund. Friedrich war schwer krank. Als ein leidenschaftlicher Pfeifenraucher erkrankte er an Kehlkopfkrebs und starb nach lediglich 99 Tagen Regierung im Alter von 57 Jahren – deshalb wird das Jahr 1888 in Deutschland als „Dreikaiserjahr“ genannt. Sein Sohn Wilhelm II. erbte weder sein Intellekt, noch seine Ideale und Europa nahm den Weg in die größte Tragödie seiner Geschichte.

               Nach Kaiser Friedrich heißt auch die öffentliche Stadttherme „Kaiser Friedrich Therme“, die sich in der nordwestlichen Ecke des historischen Stadtzentrums befindet. Die Öffnungszeiten für die Öffentlichkeit sind von zehn vormittags bis zehn abends, am Freitag und am Sonntag sogar bis Mitternacht. Die Eintrittskarte kostet im Sommer 5 und im Winter 6,50 Euro (Stand 2019) – für eine Stunde. Der Luxus – die Therme sind im Inneren im orientalen Stil gebaut – kostet halt was.

               Vom Neroberg, den man entweder zu Fuß besteigen oder sich mit der Seilbahn befördern lassen kann, hat man eine wunderschöne Aussicht auf die Stadt, die einem wortwörtlich zu Füssen liegt. Eine Kuriosität, die eines Besuches wert ist, ist die orthodoxe Kirche. Nein, die Herzöge von Hessen traten nicht zur Orthodoxie über. Einer von ihnen, Adolf, besuchte aber im Jahr 1843 Russland und verliebte sich dort in Prinzessin Jelizaveta Michailovna, eine Nichte der Zaren Alexander I. und Nikolai I. Sie erwiderte seine Liebe, im Jahr 1844 gab es eine Hochzeit und die russische Prinzessin übersiedelte nach Wiesbaden, wo sie ein Jahr später bei der Geburt ihres ersten Kindes starb – sie war 19 Jahre alt. Der verzweifelte Herzog ließ auf dem Neroberg eine Kirche bauen, in dem sie mit ihrem Kind begraben ist.

               Wiesbaden ist deutsche Hauptkurstadt, also irgendwie immer noch die zweite Hauptstadt Deutschlands. Bis heute habe ich nicht verstanden, warum Bonn und nicht Wiesbaden die Hauptstadt der ehemaligen Bundesrepublik Deutschland in den Jahren 1945 – 1990 war. Vielleicht waren die Hessener nicht bereit, auf ihre Landeshauptstadt zugunsten der gesamten Republik zu verzichten. In jedem Fall ist Wiesbaden die Hauptstadt der deutschen Internisten und ich hoffe es noch einmal aus diesem Grund zu besuchen zu können. Gleich, wenn das Coronavirus Geschichte wird.

Sputnik V – ein Impfstoff oder nur ein Politikum?

               Schon wieder Sputnik! Unser Kanzler will nicht loslassen und er kündigt schon wieder eine Million Dosen dieses Impfstoffes an. Ist Sputnik V ein gutes oder ein schlechtes Vakzin? Ist es ein Teil des hybriden Krieges, den Russland gegen die EU führt oder ist diese Hypothese nur ein hysterischer Schrei der Gegner Putins?

               Dass Sputnik V ein Politikum ist, entschieden die Russen selbst in dem Moment, als sie dem Vakzin seinen Namen gaben. Das Sputnik war doch einer der größten Erfolge der sowjetischen Wissenschaft, als sie ihre Überlegenheit im Kampf um das Weltall über die USA demonstrierte. Übrigens Sputnik V brachte ins All zwei Hündinnen Belka und Strelka gemeinsam mit 40 Mäusen und 2 Ratten und es ist das erste Mal gelungen, lebende Wesen wieder zurück zur Erde zu holen. (Die erste Hündin Laika in Sputnik II wurde ins All nur geschossen, ohne mit einer Rückkehr überhaupt zu rechnen). Strelka hatte später sechs Welpen, ein davon, Puschinka, wurde Caroline Kennedy, der Tochter Johns F. Kennedy geschenkt. Aber das nur am Rande.

               Wenn man also einen Impfstoff mit einem Namen benennt, der ein Symbol für die größten Erfolge der Geschichte bei der Bemühung die Welt zu beherrschen ist, gibt man der ganzen Sache vorhinein eine politische Bedeutung. Schon hier sieht man eindeutig den Grund, warum dieser Impfstoff von Russen so aggressiv vermarktet wird. Obwohl damit zu Hause weniger als 3% der Bevölkerung geimpft wurde. Der Schutz der eigenen Bevölkerung ist offensichtlich nicht das primäre Ziel dieses Vakzins.

               Lassen wir aber Emotionen bei Seite (wenn es überhaupt möglich ist) und betrachten wir nur die sachliche Seite der ganzen Angelegenheit.

               Die Idee des Impfstoffes Sputnik V ist grundsätzlich nicht schlecht. Es handelt sich um einen Vektorimpfstoff, er arbeitet also auf einem ähnlichen Prinzip, wie es auch die Wissenschaftler von der Universität Oxford für die Firma Astra-Zeneca entwickelt haben. Es handelt sich um ein genetisch manipuliertes Adenovirus, das sonst bei Menschen für die üblichen respiratorischen Infekte verantwortlich ist. Dieses Virus wurde auf seiner Oberfläche so verändert, dass es wie Coronavirus aussieht aber trotzdem die Eigenschaften eines harmlosen Adenovirus behält. Er verursacht also einen leichten respiratorischen Infekt, den man kaum bemerken würde, es werden aber dadurch Antikörper gebildet, die im Falle, dass man mit dem echten Coronavirus angesteckt wird, dieses Virus unschädlich machen. Es geschieht gerade wegen dieser Ähnlichkeit der Oberfläche des Virus im Impfstoff mit dem Coronavirus-Original, die das menschliche Immunsystem voneinander nicht unterscheiden kann. Die Schwachstelle der Vektorvakzinen ist die Tatsache, dass, wenn man einen Infekt mit dem Adenovirus bereits in seinem Leben durchgemacht hat, und das Virus dem Immunsystem dadurch bekannt ist, keine Antikörper gebildet werden und man gegen Coronavirus schutzlos bleibt. Um diese Tatsache zu umgehen, verwendeten die Wissenschaftler von Oxford ein Virus, das Infektionen bei Schimpansen, nicht aber bei Menschen verursacht. Die Russen verwendeten zwar ein menschliches Adenovirus, zur Sicherheit gibt es aber in dem Impfstoff zwei Stämme, was die Wahrscheinlichkeit, dass man einen Infekt mit beiden Typen des Adenovirus durchgemacht hat, reduziert. Natürlich, je älter der Mensch ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass er bereits beiden Viren begegnet ist, diese Tatsache ist aber nicht wirklich bedeutend, da die Hauptzeit des menschlichen Lebens, in der man Infekte mit Adenoviren durchmacht, die Zeit von Kinderkrippe, Kindergarten und der Volksschule ist.

               Der Idee kann man nichts vorwerfen, das Prinzip sollte funktionieren. Es gibt aber ein anderes Problem und das ist die industrielle Produktion des Impfstoffes. Über das Niveau und die Qualität der russischen industriellen Produktion ist einiges bekannt. Gerade die fehlende Qualität der Produkte ist der Hauptgrund, warum Russland auch in dem einundzwanzigsten Jahrhundert in seinen Exporten überwiegend nur bei Erdgas und Erdöl bleiben muss. Nur in einem Industriezweig erreichen die Russen eine Spitzenqualität, und das ist die Waffenproduktion – sie gehören auf diesem Gebiet zu den größten Exportären. Meine Generation kann sich noch erinnern, wie die Produktion in den kommunistischen Ländern vor dem Jahr 1989 funktioniert hat. Wenn die Partei befahl und einen Plan erstellte, musste dieser unter allen Umständen eingehalten werden. Entscheidend war die gelieferte Menge der Produkte, ihre Qualität war absolut nebensächlich. Wenn es sich diesmal um ein strategisches Produkt handelt, das dem Russland Putins helfen sollte, die Welt zu beherrschen oder zumindest ein Gefühl der Dankbarkeit und der Bewunderung zur Folge haben sollte, muss der Plan unter allen Umständen eingehalten werden. Diese Denkweise war auch die Ursache der Katastrophe von Tschernobyl. Ich glaube nicht, dass sich in dem russischen Denken in diesem Punkt zwischenzeitlich etwas geändert hätte.

               Also sie wichtigste Frage ist, wie weit stimmt der produzierte Stoff mit dem experimentalen Stoff, der im Labor entwickelt und danach angeblich an den Soldaten und Staatsbeamten, sowie auch in drei Ländern, nämlich in Venezuela, Weißrussland und Indien geprüft wurde, überein. Die Glaubwürdigkeit der Studien zweifelte etwas unglücklich Vladimir Vladimirovic selbst an, als er erklärte, dass der Stoff eine Wirksamkeit von über 90% hätte, noch bevor die Zulassungsstudie überhaupt begonnen hatte. Dass die Ergebnisse seine Ankündigung bestätigt oder sogar übertroffen haben, hat niemanden, der russische Verhältnisse kennt, gewundert. Nur Zweifel konnte das nicht zerstreuen. Es gibt kaum einen russischen Arzt, der Ergebnisse liefern würde, die die Worte des obersten Führers nicht bestätigt hätten. In Russland sterben Ärzte aus viel kleineren Gründen, wie zum Beispiel der betreuende Arzt von Alexej Navalny in Omsk, oder die Direktoren der Krankenhäuser, die sich geweigert haben, ihre Krankenhäuser zu Covid-Spitäler umzuwandeln, solange sie keine Schutzmittel für das Personal bekommen würden.

               Hier sind wir genau bei dem Problem angelangt. Funktioniert der industriell erzeugte Sputnik oder nicht? Ist er mit dem überprüften experimentalen Stoff ident oder handelt sich um ein Fläschchen mit einem Stoff, der zwar nicht schadet, aber auch nicht hilft? Ein peinlicher Rückschlag für Sputnik war eine Covid-Erkrankung des argentinischen Präsidenten, der sich bereits im Januar vor den laufenden Kameras mit Sputnik impfen ließ. Ungarn, das mit Sputnik schon einige Monate impft, hat gegenwärtig die höchste Sterblichkeit (umgerechnet auf die Bevölkerungszahl) weltweit. Das Land hat unter der weisen Führung des Diktators Viktor, der sich dafür vom Parlament alle Rechte zusichern ließ und für die Zeit der Epidemie keine parlamentarische Kontrolle fürchten muss, wirklich den westlichen Nachbar Tschechien in der Disziplin „Best of Covid“ überholt und vom ersten Platz in der Zahl der Toten abgelöst. Es drängt sich die Frage auf, wie ist es möglich, dass bei der hohen Impfungsrate der ungarischen Bevölkerung die Sterblichkeit nicht sinkt, sondern sogar steigt. Kann es sein, dass eine nicht funktionierende Scheinimpfung den Menschen ein falsches Sicherheitsgefühl bietet? Funktioniert sie dann überhaupt? Die Infektionszahlen explodieren derzeit auch in der Türkei, in Brasilien und Indien – alle Länder, die auf Sputnik bei der Impfung gesetzt haben. Die Türkei hat auch mit chinesischem Vakzin Sinopharm geimpft, die Chinesen gaben inzwischen ehrlich an, dass dieses Vakzin beinahe wirkungslos ist.

               Die Vektorvakzinen lösen meistens eine Impfreaktion aus, also Symptome einer Infektion mit Adenovirus. Leider auch unangenehme Nebenwirkungen. Weil sich hier um ein genetisch manipuliertes Coronavirus handelt, das ein Weltmeister in Bildung von Blutgerinnsel (also Thrombosen) ist, erschienen ziemlich logisch (obwohl sehr selten, aber mit der Impfung in einem eindeutigen Zusammenhang stehende) Thrombosen in den Gliedmaßen, in der Lunge und leider auch in den Sinusvenen im Hirn.  Diese Komplikationen könnten sogar tödlich sein. Zum 15. April wurde weltweit 86 Thrombosen der Hirnvenen registriert (bei 26 Millionen geimpften), 19 davon endeten tödlich. Neu wurden sehr seltene Thrombosen auch bei der Impfung mit dem Impfstoff von Johnson und Johnson registriert. (Ebenfalls ein Vektorimpfstoff). Sputnik arbeitet auf dem gleichen Prinzip, über das Auftreten von Thrombosen fehlen bei diesem Stoff jegliche Zahlen. Ein ungarischer Kollege meines Schwiegersohnes wurde mit Sputnik geimpft, ohne die geringsten Nebenwirkungen zu verspüren. Keine erhöhte Temperatur, keine Gliederschmerzen – mein Schwiegersohn lag nach der Impfung mit Astra Zeneca einen Tag im Bett. Verlässliche Informationen über die Zahl der Menschen, die trotz einer Impfung mit Sputnik an Covid-19 erkrankten und über die Zahl der Thrombosen in Zusammenhang mit dieser Impfung können wir von den staatlich kontrollierten ungarischen Medien nicht erwarten. Sputnik ist doch ein Herzensprojekt Viktor Orbans. Aus Russland gibt es dann überhaupt keine Daten bezüglich der Nebenwirkungen.

               Verlässliche Informationen gibt es nicht, symptomatisch ist, dass die Russen weder der EMA noch dem slowakischen Institut für Medikamentenzulassung die benötigten Unterlagen lieferten. Die größte Blamage war es, als die Slowaken festgestellt haben, dass der gelieferte Stoff eine andere Zusammensetzung hatte als der Stoff, dessen Ergebnisse in der Zeitschrift Lancet publiziert wurden. Es folgte eine wütende russische Reaktion, die Russen wollten ihren Stoff sofort zurück. Unter dem Vorwand, dass die Slowaken den Stoff überprüfen lassen habe, obwohl es angeblich in dem (geheimen) Vertrag ausdrücklich verboten war.  Laut einer Umfrage würden sich 53 000 Slowaken ausschließlich mit Sputnik impfen lassen, weitere 500 000 wären damit einverstanden, sollte kein anderer Impfstoff zu Verfügung stehen.

               Wie ein Geschenk Himmels konnten die Russen die tragische Darstellung der Firma Astra-Zeneca hinnehmen, die nicht im Stande war, die vereinbarte Mengen des Impfstoffes zu liefern und dann kamen die Berichte über tödliche Komplikationen noch dazu. Eine ganze Reihe der europäischen Staaten stützten ihre Impfstrategie gerade auf diesen Impfstoff.

               Interessant war die Meinung eines deutschen Epidemiologen, der meinte, er hätte nichts gegen Impfung mit Sputnik – wenn dieser unter kontrollierten Bedingungen in Deutschland produziert wäre. Damit kann man einverstanden sein. Das Patent ist nicht schlecht, die russische Wissenschaft ist nicht notwendig prinzipiell abzulehnen. Nur mit der Qualität und mit der Glaubwürdigkeit haben die Russen ein traditionelles Problem.

               Natürlich drängt sich die Frage auf, warum Kanzler Kurz immer wieder mit der Sputnik-Karte spielt. Er hat bestimmte Versprechungen gemacht und die sind wahrscheinlich mit den westlichen Vakzinen (besonders bei den Problemen mit Astra Zeneca) nur schwer einzuhalten. Aber Impfung ist nicht nur hier, um die Impfstrategie durchzuziehen und dann den Erfolg abzuhacken. Sonst wird der Impfstoff zum bloßen Politikum. Es geht dabei nicht primär um die Punkte bei den Umfragen! In erster Linie sollte die Impfung vor der Erkrankung schützen. Derzeit sieht man das weder in Ungarn noch in Brasilien, Indien oder Türkei. Warum also sollte es in Österreich anders sein?

               Meiner Meinung nach gehört die Zukunft ohnehin den mRNA Impfstoffen. Die Vektor- und andere Vakzinen werden auf dem Markt nur eine untergeordnete Rolle spielen.

               Also ich halte Sputnik als Impfstoff in Österreich für keine gute Idee.

Budesonid – eine neue Hoffnung in der Therapie von Covid 19

Nach vielen enttäuschten Hoffnungen mit verschiedenen Medikamenten (Hydrochloroquin oder Remdesivir) öffnet eine neue STOIC Studie der Forscher aus Oxford unter der Führung von Sanjay Ramakrischman, die am 9.4.2021 in der Zeitschrift Lancet publiziert wurde, neue Perspektiven.

               Diese allerdings kleine Studie mit lediglich 146 Patienten bewies eine klinische Besserung bei Probanden, die bei einer COVID 19 Infektion mit inhalativem Kortikoid Budesonid behandelt wurden. Diese Wirkung ist auch pathophysiologisch erklärbar, da inhalatives Kortikoid antientzündlich wirkt, die Expression des für den Eintritt in die Zelle notwendigen Angiotensin Converting Enzyme (ACE 2) in der Lunge reduziert und in Zellkultur-Experimenten die Replikation der Coronaviren hemmt.

               Die Ergebnisse sind ermutigend, allerdings müssen sie auch mit Vorsicht umgesetzt werden. Wie bereits gesagt, die Studie war sehr klein und der Endpunkt der Studie „weich“. Es handelte sich um die Anzahl der Patienten, die Hilfe in der Notambulanz gesucht haben. Im Studienarm mit Budesonid war es ein einziger Patient, im Arm mit der Standarttherapie ohne Budesonid waren es 14% der Probanden. (Ein „harter“ Endpunkt wäre zum Beispiel die Sterblichkeit, dafür war die Studie aber viel zu klein). Der Besuch der Notambulanz hängt sehr vom subjektiven Wohlbefinden des Patienten ab und liefert keine objektiven Kriterien. Trotzdem sind diese Ergebnisse ermutigend. NNT, das heißt die Zahl der Patienten, die behandelt werden müssten, um einen Besuch in der Notambulanz mit COVID 19 Infektion zu verhindern, lag bei acht, was eine sehr gute Zahl wäre.

               Diese Studie unterstützt auch die Beobachtung, dass bei Patienten mit Asthma bronchiale, die primär als Risikogruppe für schwere Verläufe der Covidinfekten definiert waren, die Erkrankungen eher mild verliefen und es gab keine erhöhte Sterblichkeit bei dieser Gruppe zu beobachten. Ein therapeutischer Versuch bei nachgewiesener Infektion mit COVID 19 mit Budesonid wäre also prinzipiell zulässig, obwohl auf größere klinische Studie ungeduldig gewartet wird.

               Pulmologen werden infolge dieser neuen Kenitnissen mit zwei grundlegenden Fragen von Seite ihrer Patienten konfrontiert.

               Erstens – ist es sinnvoll prophylaktisch, also auch ohne einer nachgewiesenen Covidinfektion Budesonid zu inhalieren? Hier gibt es ein klares „Nein“! Alle inhalative Kortikoide haben auch mögliche Nebenwirkungen, unter anderen eine erhöhte Gefahr von bakteriellen Lungenentzündungen oder Reaktivierung einer latenten Infektion mit Mykobakterien, also Tuberkulose.

               Zweitens – sollten Asthmatiker, die ein anderes inhalatives Kortikoid in ihrer Therapie verwenden, prophylaktisch auf Budesonid umgestellt werden? In der pulmologischen Praxis werden folgende Kortisonpräparate verwendet: Budesonid, Beclometason, Fluticason, Ciclesonid und Mometason. Ihre „Stärke“ wird als Koeffizient zu Referenzstoff Dexametason definiert und beträgt bei Budesonid 9,3, bei Beclametason 13,5 bei Fluticason 18. In der Halbwertzeit oder bei der Bindung an die Plasmaproteine sind alle Stoffe vergleichbar. Also man könnte zwar eine vergleichbare protektive Wirkung aller inhalativen Kortikoiden erwarten, obwohl dazu – wie die Österreichische Gesellschaft für Pneumologie (ÖGP) in ihrer Stellungnahme betont – derzeit keine klinischen Daten verfügbar sind. Daher ist zu vermeiden, die Ergebnisse der STOIC Studie auf die gesamte Klasse der inhalativen Kortikoiden zu projizieren.

Warum in der Oxford- Studie Budesonid gewählt wurde, hängt mit der engen Beziehung der Universität Oxford mit dem britisch-schwedischen Pharmakonzern Astra-Zeneca zusammen. (Auch die – derzeit viel diskutierte – Vakzine von Astra-Zeneca ist ein Produkt der Forscher aus Oxford). Und Astra-Zeneca verwendet in ihren inhalativen Asthmamedikamenten (Pulmicort, Symbicort) Budesonid als inhalatives Kortison. Es ist also notwendig, ähnliche Studien auch mit den anderen Präparaten durchzuführen, sowie aber auch eine viel größere klinische Studie mit inhalativen Kortikoiden fertig zu stellen. Das wäre auch die Voraussetzung, die Zulassung dieser Therapie durch EMA (European Medicines Agency) zu veranlassen. In einer solchen Studie mit 2617 Patienten, die noch nicht publiziert ist, allerdings bereit zur Veröffentlichung eingereicht wurde, wurde in dem Budesonidarm 8,5% stationäre Aufnahmen und Todesfälle in der Kontrollgruppe 10,3% solche Ereignisse beobachtet. Der Unterschied war statistisch signifikant, also Budesonid trug zur Verbesserung der Prognose bei.

Derzeit gibt es allerdings keine Notwendigkeit, die laufende Asthmatherapie, solange sie gut funktioniert und der Patient von der Seite seines Asthmas gut eingestellt ist, umzustellen.

               Laut der Stellungnahme der ÖGP ist es derzeit noch nicht seriös möglich, endgültige Schlüsse für die frühzeitige Behandlung von COVID-19 mit inhalativen Kortikoiden zu ziehen. In der Studie STOIC handelt sich allerdings um einen neuen ermutigenden Ansatz in der Suche nach einer wirksamen Therapie der Covid 19 Infektion.

Wiesbaden

               In keiner deutschen Stadt war ich so häufig wie in Wiesbaden. Ich weiß eigentlich nicht einmal, wie oft es war, bestimmt mindestens siebenmal – über keine deutsche Stadt, die ich besucht habe, habe ich so wenig gewusst, wie über Wiesbaden.

               Der Grund dieses Widerspruchs ist der Kongress der deutschen Internisten, der in dieser Stadt alljährlich seit dem Jahr 1882 stattfindet, heuer also im Jahr 2021 bereits das 127. Mal. (Es gab offensichtlich auch Pausen, die durch Kriege und die unmittelbare Nachkriegszeit verursacht wurden). Meine Besuche in Wiesbaden beschränkten sich also meistens auf den Weg zwischen dem Hotel und der Kongresshalle. Die prächtige „Rhein-Main Hallen“ auf der Wilhelmstraße wurde in den letzten Jahren großzügig zu einem riesigen Gebäudekomplex aus Marmor und Glas umgebaut, damit deutsche Internisten (aber nicht nur sie) in würdigen Räumen tagen könnten. 

Wiesbaden Kongresshalle

Der Kongress wurde in Jahren des Umbaus nach Mannheim verlegt, was einen ziemlich großen Unwillen der Teilnehmer zur Folge hatte. Die deutschen Internisten dürfen sich nämlich in keinem anderen Ort als in Wiesbaden zu ihrem Kongress treffen, das wurde bereits bei der Gründung der Deutschen internistischen Gesellschaft in den Gründungbestimmungen festgeschrieben. Das sollte eine Vorbeugungsmaßnahme gegen den Berliner Zentralismus im neu entstandenen Deutschen Kaiserreich sein. Es war eine ein bisschen scheinheilige Entscheidung. Wiesbaden war eigentlich die zweite Hauptstadt Deutschlands, der kaiserliche Hof verbrachte die Sommersaison jedes Jahr in dieser Kurstadt, ähnlich wie der österreichische Kaiser in Bad Ischl.

               Der Grund des regelmäßigen Aufenthaltes der kaiserlichen Familie in Wiesbaden waren dortige Thermalquellen – an siebenundzwanzig Plätzen drängt hier das Wasser mit einer Temperatur 49 Grad Celsius an die Erdoberfläche und diese Quellen brachten Wiesbaden, wie dieser Ort bereits in der Zeit Karls des Großen genannt wurde (Wisibada), seinen Ruhm. Übrigens bereits für die Römer, die auf dem westlichen Rheinufer in Mogontiacum (heutigem Mainz) residiert haben, wurden diese Quellen zu so einer Versuchung, dass sie den Fluss überquerten und hier eine Siedlung namens „Aquae Mattiacorum“ gründeten. Gerade hier und aus diesem Grund begannen sie ihren „Limes romanum“ zu bauen, der die Flüsse Rhein und Donau verband und von Germanien eine Provinz namens „Argi decumatis“ abspaltete. Die Römer hielten sich hier bis zu den Jahren 260 – 270, bis sie von den Germanen doch gezwungen wurden, sich hinter den Schutz der europäischen Hauptströme zurückzuziehen und auf das warme Bad in schwefelhaltigen Thermen in Wiesbaden zu verzichten.

               Der wahre Ruhm von Wiesbaden begann aber nach dem Jahr 1816, als es zu Hauptstadt des vom Wiener Kongress neu gebildeten Großherzogtums Hessen wurde. Aus diesem Grund findet man hier keine Gebäude aus den Zeiten der Gotik oder der Renaissance. Es ist eine Kurstadt mit allem was dazu gehört, in erster Linie dann mit Luxus, den es gern zu Schau stellt.

               Die Altstadt ist bescheiden und bildet ein Fünfeck am Fuß des Gebirges Taunus. An ihrem oberen Ende kann man die Reste der römischen Vergangenheit in Form der so genannten „Heidenmauer“ sehen, in die in der modernen Zeit ein „Römertor“ für den Straßenverkehr geschlagen wurde. Um die Mauer sind römische Artefakte platziert, besonders damalige Grabsteine.

Heidenmauer

               Das Stadtzentrum bildet der Schlossplatz, der von drei Gebäuden dominiert wird und mehr oder weniger mit dem etwas größeren Marktplatz verbunden ist. Auf dem Marktplatz finden Märkte statt und es gibt hier ein elegantes Restaurant namens „Lumen“. Hier ein Bierchen zu trinken ist dank der Aussicht auf den Marktplatz angenehm, bezüglich Essen ist Lumen nicht unbedingt meine erste Wahl – aus dem immer wieder wiederkehrenden Grund. Die Bürger von Wiesbaden gehörten zur Reformierten Kirche, also zum Calvinismus.

               Aber zurück zum Schlossplatz mit seinen drei Gebäuden. Die Dominante der Stadt ist die „Marktkirche“, also die örtliche Kathedrale, deren schlanke rote Türme hoch in den Himmel emporragen und alle anderen Gebäude in der Stadt übertreffen.

In ihrem Inneren ist die Kathedrale nur sehr bescheiden geschmückt, freilich aus dem Grund, dass die Grafen von Nassau, aus denen dann später die Herzöge von Hessen wurden, dem calvinistischen Glauben anhörten. Vor der Kirche steht die Statue des berühmtesten Mitglieds der Nassauer Familie Wilhelm von Oranien, genannt „Schweiger“.

               Wilhelm, geboren im Jahr 1533 in Dillenburg, der damaligen Hauptstadt der Grafschaft Nassau-Dillenburg, sollte zum „Pater patriae“ der heutigen Niederlande werden. Das konnte er bei seiner Geburt nicht einmal ahnen. Als er allerdings elf Jahre alt war, machte ihn sein Onkel, der Herzog von Oranien, zum Universalerben seiner riesigen Besitzungen im heutigen Holland, damals waren es die habsburgischen Niederlande. Wilhelm wuchs am kaiserlichen Hof Karls V. auf und verstand sich mit dem toleranten Kaiser sehr gut – er war in dieser Zeit selbst noch ein Katholik. Nur die Schreckherrschaft Phillips II. und seiner rechten Hand, des Herzogs von Alba, rückte ihn immer mehr an die Seite der niederländischen Rebellen, die sich im Jahr 1566 gegen die spanische Unterdrückung erhoben haben. Wilhelm selbst trat unter dem Einfluss seiner zweiten Gattin Anna von Sachsen zur lutherischen Lehre über, später entschied er sich aber für die reformierte Kirche – seine zwei weiteren Gattinnen waren Hugenottinnen. Er selbst fühlte sich in erster Linie als Christ und die Konfessionen konnten ihm gestohlen bleiben. Er wollte nur seine Untertannen vor der brutalen Unterdrückung von Seite des fanatischen spanischen Königs schützen. Seine Freunde wurden vom Herzog von Alba heimtückisch gefangengenommen und hingerichtet, drei seine Brüder starben in Schlachten gegen spanische Heere. In damaliger Zeit war es nicht einfach „nur ein Christ“ zu sein, es wurde ein religiöser Fanatismus verlangt, gegen den Wilhelm schweigend – wie es sein Brauch war – Widerstand leistete. Die Aufständische riefen im Jahr 1581 in den sieben nördlichen niederländischen Provinzen eine Republik aus und wählten Wilhelm zum Landverweser. Philipp schrieb Kopfgeld für seinen Tod aus. Wilhelm überlebte das erste Attentat im Jahr 1582 mit Glück „nur“ schwer verletzt, seine dritte Gattin Charlotte von Bourbon-Montpesier kümmerte sich um ihn so selbstlos, dass sie selbst von Erschöpfung starb. Das zweite Attentat, das ein katholischer Fanatiker Balthasar Gérard durchführte, kostete Wilhelm das Leben. Den Willen der Holländer, ihre Freiheit zu verteidigen, konnte sein Tod aber nicht brechen, nach achtzig Jahren Krieg gewannen sie im Westphälischen Frieden im Jahr 1648 ihre Unabhängigkeit.

               Mit der Marktkirche ist noch eine Legende verbunden, die ich bei meinem ersten Besuch in Wiesbaden hörte, allerdings konnte ich später nie mehr den Namen der Person erforschen, mit der diese Legende verbunden war. Im Jahr 1866 wurde Hessen von Preußen eingenommen und wurde zum Mitglied des Norddeutschen Bundes. Damals war in der Marktkirche ein Pfarer tätig, der mit flammenden Reden gegen die preußische Okkupation kämpfte (Die Preußen waren im Gegensatz zu calvinistischen Einheimischen Lutheraner) und verteidigte die Unabhängigkeit von Hessen. Dann kam eine Vorladung nach Berlin. In der Überzeugung, dass er eingekerkert oder sogar hingerichtet werde, verabschiedete er sich von seinen Gläubigen und fuhr in der Erwartung eines Märtyrertodes nach Berlin. Dort wurde er von Kaiser Wilhelm I. empfangen und mit einer Medaille für Mut und Patriotismus geehrt. Verwirrt kehrte er nach Wiesbaden zurück, seinen Reden hörte niemand mehr zu. Der Widerstand in Wiesbaden wurde durch diese eine Medaille gebrochen. Kaiser Wilhelm war einfach ein listiger Fuchs. Er wärmte nämlich sehr gern seine alten Knochen in den Thermen von Wiesbaden, er brauchte also die Ruhe und die Liebe seiner neuen Untertanen.

               Das zweite imposante Gebäude auf dem Platz ist das Gebäude des neuen Rathauses, gebaut am Ende des neunzehnten Jahrhunderts im Neobarockstil. Im Rathaus befindet sich im Keller ein Restaurant „Ratskeller“, wo sich die Mönche aus dem bayerischen Kloster Achdechs eingenistet haben. Also natürlich nicht alle, sie öffneten hier ein Restaurant mit einer echten bayerischen Küche. Also für einen Calvinisten sicherlich eine Sünde, für einen Touristen ist der Besuch hier aber einer Sünde wert. Wie ich bereits mehrmals erwähnt habe, waren die Nassauer Calvinisten und wenn man die Möglichkeit hat, sollte man örtliche Spezialitäten lieber meiden. In Wiesbaden gibt es mehr als genug solche Möglichkeiten. Außer des bayerischen Gasthauses gibt es hier eine Menge italienische Restaurants, sogar das populäre Vappiano. In Wiesbaden kann man also trotz seiner calvinischen Vergangenheit sehr gut essen. Oder wenn man im interessanten Ambiente essen möchtet, bietet sich das Restaurant „Jagdschloss Platte“ im Gebirge Taunus in der Nähe der Stadt an.

Das ehemalige Jagdschloss der Herzöge von Nasau (gebaut von Herzog Wilhelm in den Jahren 1823 – 1826) wurde im zweiten Weltkrieg bis auf die Grundmauern zerstört. Eine Stiftung hat es bis zum Jahr 2007 restauriert, wobei aber die historischen mit modernen architektonischen Komponenten kombiniert wurden – der Ergebnis ist interessant und besuchswert.

               Das dritte Gebäude auf dem Schlossplatz ist das ziemlich unauffällige „Stadtschloss“. Es ist die ehemalige Residenz, die in den Jahren 1837 – 1841 Nassauer Herzöge bauen ließen und wo heutzutage der hessische Landtag seinen Sitz hat.

               Wiesbaden ist die Hauptstadt des Bundeslandes Hessen, obwohl es in diesem Land nicht die größte Stadt ist – das ist Frankfurt. (Frankfurt war nämlich nach dem Wiener Kongress eine freie Reichstadt und gehörte nicht zu Hessen). Wiesbaden ist eindeutig die reichste Stadt im Bundesland, nicht umsonst wird gesagt, dass das Geld, das man in Frankfurt verdient, in Wiesbaden ausgibt. Hunderte Luxusvillen in der Richtung vom Stadtzentrum in die Peripherie der Stadt, besonders im Stadtviertel Neroberg, legen von diesem Reichtum Zeugnis ab.

               Am südlichen Stadtrand gibt es die auffällige St. Bonifatius Kirche. Es handelt sich um eine katholische Kirche, was hier ein Kuriosum ist. Katholische Gottesdienste waren in der Nassauer Grafschaft streng verboten, die Grafen von Nassau waren ständig mit dem mächtigen Gegner konfrontiert – mit dem Erzbischof von Mainz, der sie über den Fluss anstarrte und große Landesteile sogar auf dem rechten Rheinufer in ihrer direkten Nachbarschaft besaß. Es dauerte bis zum Jahr 1787, als der tolerante Fürst Karl Wilhelm katholische Gottesdienste erlaubte, vorerst nur im privaten Bereich. Im Jahr 1820 durften die Katholiken endlich ein Grundstück auf dem Luisenplatz kaufen und hier eine Kirche im neogotischen Stil bauen, die ihren Namen nach dem Heiligen aus dem benachbarten Mainz, dem ersten dortigen Bischof, dem heiligen Bonifatius, bekam.

Luisenplatz

               Der Luisenplatz, der seinen Namen der Gattin des ersten Großherzogs von Hessen Wilhelm von Nassau verdankt, ist ein großes Rechteck. In seinem Zentrum steht ein Obelisk zu Ehre der gefallenen Soldaten, die in der Armee des Generals Wellington bei Waterloo kämpften und zur Napoleons Niederlage beitrugen. Das Zweite Denkmal mit einem auf den Hinterbeinen stehenden Pferd, das einen Besucher sogar mehr anzieht, ist neuer und ist dem Artillerieregiment Oranien aus dem ersten Weltkrieg gewidmet. Auf dem Luisenplatz vor der St. Bonifatius Kirche ist der Hauptverkehrsknoten – hier halten beinahe alle Buslinien, also wenn man irgendwohin in Wiesbaden mit dem Bus hinfahren möchte und nicht weiß, wo man einsteigen sollte, ist der Luisenplatz ein guter Tipp. Übrigens, unter dem Luisenplatz gibt es eine große Tiefgarage, also für die, die in die Stadt mit dem Auto kommen, ist es hier der beste Ausgangspunkt zum Kennenlernen der Stadt.

Rheinpfalz II

               Wenn wir uns vorige Woche am linken Rheinufer in dem kleinen Land namens Rheinpfalz bewegt haben, überqueren wir heute den Fluss und besuchen wir das rechte Ufer. Zu meiner großen Überraschung gehört dieser Teil der historischen Pfalz nicht mehr zum Bundesland Rheinland-Pfalz, wie es historisch gehört hätte, aber zu Baden-Württemberg. Auch diese Tatsache symbolisiert den Untergang des ehemaligen reichen und mächtigen Reichsgebietes. Aber gerade in die ruhmreichen Zeiten möchte ich euch jetzt führen.

 Ich möchte euch gerne zu einem historischen Spaziergang ins Zentrum der Pfalz einladen, nämlich in die Stadt Heidelberg. Diese am Fluss Neckar liegende Stadt versperrte den Weg von Rhein nach Osten und spielte deshalb eine strategisch wichtige Rolle. Sie wird für die schönste pfälzische Stadt gehalten, obwohl auch hier Franzosen im Jahr 1689 wüteten. Und wie! Gerade in Heidelberg ist ihr Toben am sichtbarsten und diese Spuren der Zerstörung verleihen der Stadt ein unvergleichbares Flair. Die riesige Festung, die über der Stadt emporragt, wird als die romantischste Ruine Deutschlands betrachtet und im neunzehnten Jahrhundert gab es kaum einen Dichter, der keine Verse unter den bedrohlichen Resten der einmal unüberwindbaren Mauern geschrieben und über die Liebe und die Vergeblichkeit des Seins gedichtet hätte. Ich gebe zu, dass ich selbst, als ich die Burg oberhalb der Stadt das erste Mal sah, sehr beeindruckt von ihrer Schönheit war, obwohl ich kein Dichter, sondern ein Prosaiker bin. Also schreibe ich jetzt anstatt eines Gedichtes einen Artikel. In der Burg von Heidelberg entstand nämlich die Idee es zu schreiben.

               Zuerst aber einen kurzen Ausflug in die Geschichte der Pfalz, um das heutige Heidelberg besser zu verstehen. Im Jahr 1214, also kurz nach Thronantritt des Kaisers Friedrich II. auf den römischen kaiserlichen Thron, kam die Familie der Wittelsbacher in den Besitz von Rheinpfalz. Friedrich II. nahm dieses Gebiet seinem Widersacher auf dem kaiserlichen Thron Otto IV. aus dem Stamm der Welfen weg und beauftragte mit der Verwaltung des Landes die Wittelsbacher, die seit 1180 in Bayern herrschten. Bayern wurde ihnen vom Friedrichs Großvater Friedrich Barbarossa geschenkt, der dieses Land dem Vater Kaisers Otto, Heinrich dem Löwen wegnahm – die Welfen und Staufen mochten sich einfach nicht und die Wittelsbacher (aber auch die österreichischen Babenberger) profitierten von diesem Streit. Sie haben einfach auf das richtige Pferd gesetzt. Während die bayerischen Wittelsbacher nach dem Tod Kaisers Ludwig IV. in sechs zerstrittene Linien zerfallen sind, stieg die rheinische Linie in ihrer Bedeutung. In der Goldenen Bulle Karls IV. aus dem Jahr 1356 wurden die Pfalzgrafen (nicht aber die bayerischen Herzöge) zu Kurfürsten, also zu Wählern der römischen Könige, ernannt. Diese waren sieben an der Zahl, im Westen war aber der pfälzische Kurfürst der einzige weltliche Fürst mit dem Wahlrecht (weitere drei westdeutsche Stimmen besaßen Erzbischöfe von Mainz, Trier und Köln, im Osten des Reiches durften der tschechische König und die Herzöge von Sachsen und Brandenburg bei der königlichen Wahl ihre Stimmen abgeben.

Blick auf Heidelberg von der Burg

               Im Jahr 1386 wurde in Heidelberg eine Universität gegründet (die dritte Universität im deutschsprachigen Raum nach Prag und Wien). Lassen wir uns nicht irritieren – Karl IV. gründete die erste Universität in Prag als der römische, also der deutsche und nicht als der tschechische König und die Tschechen besaßen hier bei den Entscheidungen nur eine Stimme von vieren. Zu einer tschechischen Universität wurde die Prager Universität erst durch das Dekret von Kuttenberg aus dem Jahr 1410 – und dadurch verfiel sie in Bedeutungslosigkeit. Der erste Vortrag fand in Heidelberg am 18. Oktober 1386 vor 500 !!! Studenten statt. Zum Vergleich wurde für den ersten Jahrgang der Universität in Graz im Jahr 1586 ganze acht Studenten eingeschrieben. In Heidelberg las an diesem historischen Tage Magister Marsilius von Inghen über die Problematik der Logik. Die Universität in Heidelberg gelangte einen großen Ruhm und besonders in der Welt der Medizin ist sie berühmt bis heute. Ihre Bibliothek „Bibliotheca Palatina“ war weltberühmt, im Jahr 1623 schickte der bayerische Herzog Maximilian nach der Einnahme von Heidelberg im Rahmen des Dreißigjährigen Krieges dem Papst nach Rom 3600 Handschriften und 13 000 gedruckte Bücher und erhielt dafür vom erfreuten Pontifex als Gegenleistung 620 000 Gulden für den Kampf gegen die Ungläubige – gemeint waren natürlich die Protestanten. Nur ein Bruchteil dieses Schatzes kam nach den Napoleonischen Kriegen nach Heidelberg zurück, trotzdem zählt die Bibliothek an 2,5 Millionen Bände und unter ihnen gibt es auch Kopien der Handschriften, die sich seit 1623 im Original in Rom befinden.

               Im Jahr 1400 wurde der Pfalzgraf Ruprecht sogar zum Römischen König gewählt (nach der Absetzung des unfähigen tschechischen Königs Wenzel IV., der sich aber bis zu seinem Tod geweigert hat, seine Absetzung anzuerkennen). Ruprecht herrschte zehn Jahre, er blamierte sich aber eher als er geherrscht hätte. Es gelang ihm zum Beispiel niemals, nach Rom zur kaiserlichen Krönung zu kommen, obwohl er das – in Gegenteil zu Wenzel – mehrmals versuchte.

               Nach Ruprechts Tod im Jahr 1410 gründeten seine Nachkommen eine ganze Reihe von Nebenlinien und teilten das Gebiet der Rheinpfalz unter sich ein. Die Schönheit und die Pracht der Renaissancestadt Heidelberg kann man heutzutage an einem einzigen Haus, das das Jahr 1689 überlebt hat – es ist das Hotel „Zum Ritter“ – betrachten. Wenn man sich vorstellt, dass die meisten Häuser in damaligem Heidelberg ähnlich wie dieses Gebäude aussahen, muss man vor dem Wohlstand der damaligen Stadt den Hut ziehen.

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Nach dem Jahr 1585, als Kurfürst Friedrich III. starb und die Vollmacht für seinen unmündigen Sohn Friedrich IV. sein Onkel Johann Kasimir übernahm, trat die Rheinpfalz zur Reformierten Kirche, also zum calvinischen Glauben, über. Es handelte sich um eine Tat mit katastrophalen Folgen. Vorerst für die pfälzische Küche – wohin einmal die Lehre von Calvin kam, ist das Essen irreparabel verdorben. In weiterer Folge störte dieser Wechsel das Gleichgewicht der politischen Kräfte im Römischen Reich, wo seit 1555 der vom Kaiser Ferdinand I. verhandelte und äußerst brüchige „Augsburger Frieden“ geherrscht hatte. Der Übertritt der mächtigen Pfalz in das calvinische Lager bedeutete eine bedeutsame Kraftverschiebung, was eine politische Spannung erzeugte und in weiterer Folge zur Gründung der Protestantischen Union und der Katholischen Liga und zur Vorbereitung einer militärischen Konfrontation zwischen den beiden Lagern führte. Für die Pfalz war diese Entwicklung fatal. Nachdem Kurfürst Friedrich V. im Jahr 1619 gegen Ferdinand II. zum tschechischen König gewählt wurde, begann der Dreißigjähriger Krieg. Nach der Niederlage auf dem Weißen Berg bei Prag musste Friedrich nicht nur aus Prag flüchten, sondern die kaiserlichen Truppen besetzten auch sein Kernland, also die Pfalz mit Heidelberg. Gerade damals bemächtigte sich der bayerische Herzog Maximilian der berühmten pfälzischen Bibliothek und schenkte sie dem Papst in Rom, wo die Bücher bis heute geblieben sind. Im Jahr 1623 verlor Friedrich sein Land und die Kurfürstwürde, die an seinen fernen Verwandten, den rechtgläubigen und kämpferischen bayerischen Herzog Maximilian überging. Friedrich V. starb im englischen Exil im Jahr 1632 (er war mit der englischen Prinzessin Elisabeth Stuart, der Tochter des Königs James I. verheiratet). Nur nach dem „Westfälischen Frieden“, der im Jahr 1648 den Dreißigjährigen Krieg beendet hatte, bekam sein Sohn Karl Ludwig sein Land und die Kurfürstenstimme zurück (seit diesem Jahr gab es anstatt sieben acht Kurfürsten – für eine Wahl also eine absolut unsinnige gerade Zahl). Der Hauptstamm der Wittelsbacher starb im Jahr 1685 mit dem Enkelsohn von Friedrich V. Karl Ludwig II. aus und die Macht ging auf die Nebenlinie Pfalz-Neuburg über, die aber leider katholisch war. Diese Tatsache weckte in den calvinistischen Untertanen ein Misstrauen gegen ihren neuen Herrscher. In diesem Moment roch der französische König Ludwig XIV. seine Chance, da er sich immer die französische Ostgrenze am Rhein wünschte und er eröffnete im Namen seiner Schwägerin Liselotte (Schwester des verstorbenen Karl Ludwig und Gattin des Bruders von Ludwig), Prinzessin von Orleans, den Krieg um das Pfälzische Erbe.

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               Im November 1688 nahmen französische Truppen Heidelberg ein. Im Jahr 1693 mussten sie die Stadt räumen und Ludwig XIV. entschloss sich, verbrannte Erde zu hinterlassen. Alle besetzten deutschen Städte sollten vernichtet und dem Boden gleich gemacht werden. In Heidelberg verhielten sich die Franzosen ähnlich wie Deutschen in Warschau im Jahr 1944. Unter jedem Haus wurde Sprengstoff gelegt und ein Haus nach dem anderen in die Luft gejagt. (Nur unter dem Haus „Zum Ritter“ explodierte der Sprengstoff wahrscheinlich in Folge einer technischen Panne nicht). Die meiste Arbeit kostete die Soldaten des französischen Sonnenkönigs die Burg, die über der Stadt emporragte. Der Palast und alle Wehrtürme wurden mit Schießpulver gefüllt und dann gesprengt, manche der Türme mit bis zu sieben Meter dicken Mauern mussten sogar mehrmals gesprengt werden. Das Ergebnis dieser Mühe war die Entstehung der monumentalen Ruine, die im neunzehnten Jahrhundert alle deutschen Romantiker anzog wie die Motten das Licht.  Das Schloss von Heidelberg wurde zur romantischsten Ruine Europas und möglicherweise auch weltweit erklärt. Es ist nicht verkehrt. Die Burg aus rotem Sandstein ragt hoch über die Stadt empor (man kann sie zum Fuß oder mit der Seilbahn erreichen) und ist gigantisch. Es gibt Führungen durch die Ruine, die Guides können aber nicht viel zeigen. In der Burg gibt es dafür ein interessantes Museum der Pharmazie (in dem ich das erste Mal wirklich ordentlich in Kontakt mit dem Gründer der modernen Medizin Paracelsus kam), gigantische Weinfässer und auf den Resten der Fassade des Palastes gibt es Statuen pfälzischer Herzöge vom Bildhauer Sebastian Götz. Dass die Reihe mit dem Kaiser Karl dem Großen beginnt, kann man nur dadurch erklären, dass sich Götz sein Honorar verdienen wollte, der letzte in der Reihe rechts ganz unten ist der Vater des tschechischen „Winterkönigs“ Friedrich IV. Dann kamen die kaiserlichen Truppen des Generals Tilly und die pfälzische Idylle war dahin.

               Auch das Museum in der „Alten Universität“ ist eines Besuches wert. Besonders die „Alte Aula“ ein Festsaal, die zu besonderen Anläsen und auch als Konzertsaal dient. Natürlich sind alle Gebäude der „Alten Universität“ bei Wiederaufbau der Stadt nach dem Jahr 1693 entstanden, die „Alte Aula“ hat ihr heutiges Aussehen im Jahr 1886 anlässlich der Fünfhundertjahrfeier der Gründung der „Ruperto Carola Universität“ nach Plänen von Josef Durm bekommen. Interessant – zumindest für mich als Mediziner – sind im Museum medizinische Exponate und man sollte nicht vergessen, den „Studentenkarzer“ zu besuchen. Es ist ein Gefängnis, wo Studenten für ihre Verstöße gegen die öffentliche Ordnung Buße tun mussten und diese Verstöße gab es mehr als genug. Weil sich die jungen Insassen dort langweilten und kreativ waren, ist der ganze Karzer mit ihren möchtegern künstlerischen und witzigen Werken bekritzelt.

               Die Stadt selbst hat ihren Charme, besonders beim Blick von der Burg bei untergehender Sonne. Nach seiner Zerstörung wurde Heidelberg nicht mehr als eine Residenzstadt aufgebaut (Kurfürst Karl Philipp hatte von Streitigkeiten seinen katholischen und protestantischen Untertanen die Nase voll, weil sie sogar in der Mitte der städtischen Kathedrale (die auch der Vernichtung von Franzosen entging) eine Mauer bauten, damit sie sich gegenseitig nicht sahen und getrennt beten und Messen lesen konnten (diese Mauer blieb bis zum Jahr 1936). Der Kurfürst verlegte im Jahr 1720  die Hauptstadt der Pfalz in das nahegelegene Mannheim. Gerade deshalb ist Heidelberg eine junge Stadt, eine Studentenstadt und damit auch wirklich lieb.

               Für die Besucher, die Romantik nicht wirklich mögen und brauchen, gibt es in Heidelberg die längste Einkaufsmeile in Deutschland – sie ist sechs Kilometer lang und führt direkt durch die Mitte der Stadt.

               Wie bereits gesagt, im Jahr 1720 wurde die Residenzstadt der pfälzischen Kurfürsten nach Mannheim verlegt und dort beenden wir unseren Ausflug in die Rheinpfalz. Die Stadt entstand oder besser gesagt, erhielt die Stadtrechte, bereits im Jahr 1607, als der Vater des Winterkönigs Friedrich IV. auf dem Rheinufer die Festung Friedrichsburg zu bauen begann. Bei der Festung gründete er eine Stadt und weil er ein begeisterter Mathematiker war, ließ er die Straßen der neuen Stadt in rechten Winkeln bauen und anstatt den Straßen Namen zu geben, bezeichnete er die so entstandenen Quadrate mit den Buchstaben A bis U und Nummern eins bis sieben. Also man wohnt nicht in einer nach einem bekannten Politiker oder Künstler benannten Straße, sondern im Quadrat A1 oder zum Beispiel D6. An die gleiche Weise wird man zu unterirdischen Parkhäusern oder zu einzelnen Geschäften geführt. Die Hälfte der Altstadt wurde nämlich zu einem gigantischen Einkaufzentrum verwandelt. Das geschah in den Quadraten L1 bis U7. Die Quadrate A bis K behielten doch einen Hauch der Ursprünglichkeit und man kann dort sogar wohnen. Es ist ein praktisches System. Wenn man im Quadrat M5 parken soll und auf der vierten Straße fährt, ist es klar, dass man einfach abbiegen und um eine Straße weiter fahren muss. Einen Stadtplan braucht man nicht. Das einzige Chaos kann die Tatsache verursachen, dass die Nummer in der Mitte beginnen, die Nummer eins ist also links sowie auch rechts von der Hauptstraße, die direkt in der Mitte eines monumentalen Barockschloss endet (Zwischen den Quadraten A1 und L1). Mannheim behielt dieses System der Quadrate bis heute, nennt sich stolz „Quadratenstadt“ und lockt durch diese Kuriosität die Touristen an. Es hat nämlich im Vergleich mit anderen pfälzischen Städten nicht so viel zu bieten.

Eigentlich nur einen wunderschönen großen Park um den Wasserturm (Friedrichsplatz), ein großes Kongresszentrum „Rosengarten“ und das große Kurfürstenschloss am Rheinufer (angeblich das größte Barockschloss in Europa mit 440 Meter langer Fassade). Das Schloss ist von außen ein Beispiel des Hochbarocks, innen dann halb Rokoko und halb in Empirestil. In den Jahren 1806 – 1811 residierte hier nämlich das Ehepaar Großherzog von Baden Karl und seine Frau Stephanie de Beauharnais (eine Verwandte der Napoleons Gattin Josephine). Diese Dame kehrte im Jahr 1818 nach Mannheim zurück und ließ einen Flügel des Schlosses im damals modernen Stil des Empires einrichten. In der Zeit der Großherzogwitwe Stephanie erlebte das Schloss seine ruhmreichste Epoche.

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               Bereits im Jahr 1778 verlegte aber Kurfürst Karl Theodor die Hauptstadt seiner Länder nach München und Mannheim sowie auch die ganze Rheinpfalz verloren ihre politische Bedeutung. Der Verfall ist so weit gegangen, dass das Land letztendlich zwischen zwei Bundesländer aufgeteilt wurde, wobei die Grenze ganz einfach der Fluss Rhein bildet.

               Zum Schluss nur eine Warnung. Wie überall in der Welt kann man auch in der Rheinpfalz essen. Ich möchte aber auf diesem Wege eindringlich vor örtlichen Spezialitäten warnen. Ich probierte sie auch und es hätte mich fast das Leben gekostet. Damals habe ich noch nicht gewusst, was der Kurfürstonkel Johann Kasimir mit seinem Übertritt zu reformierter Kirche verbrochen hat. Wie ich meinem Artikel „Calvin ist an allem schuld“ geschrieben habe, muss man lokale Spezialitäten in den Ländern, wo dieser Glauben einmal Fuß fasste, unbedingt meiden. Versuchen Sie eine aufgewärmte und gewürzlose Ente zu essen. Ich habe es versucht. Versuchen Sie das nicht nachzumachen!

               Also – guten Appetit und schöne Reise!

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Rheinpfalz

   Da die Coronapandemie eine Reise nach Italien verhinderte, um weitere italienischen Städte zu besuchen, werde ich in den nächsten Artikel mit euch durch Deutschland reisen. Auch hier gibt es viel interessantes zu sehen mit ebenso interessantem historischen Hintergrund. Also nach einer Einleitung vor zwei Wochen, wo ich die calvinische Küche behandelte, beginnen wir die Reise im Westen in der Rheinpfalz.           

Pfalz bedeutet Festung. Wenn ein Land einen solchen Namen bekommen hat, gab es sicherlich einen Grund dafür. Wenn man die Karte von Deutschland aus dem neunten oder zehnten Jahrhundert anschaut, sieht man, dass das damalige Deutschland um den Fluss Rhein lag – der Rest von Deutschland war eigentlich nur Urwald, der in den darauffolgenden Jahrhunderten langsam gerodet wurde. Die Elbe und die Donau spielten bei weitem eine nicht so wichtige Rolle wie der Strom im Westen des Landes, also der Rhein. Die Bedeutung des Rheins realisierte ich vor einigen Jahren, als ich an seinem Ufer in Eltville saß und beobachtete, wie ein Schiff nach dem anderen auf dem Fluss fährt, mit der Spitze beinahe auf dem Heck des vor ihm fahrenden Schiffes klebend. Nicht umsonst ist der größte „deutsche“ Hafen nicht Hamburg, sondern Rotterdam.

               Gerade die Region um den Zusammenfluss von Rhein und Neckar hatte eine Sonderstellung und die Spuren dieser frühen berühmten Geschichte sind auch noch heute merkbar. Wahrscheinlich spielte hier auch das milde Klima eine bedeutende Rolle. Die Erde ist hier sehr fruchtbar und obwohl die Region deutlich nördlich der Steiermark liegt, war ich immer wieder überrascht, dass die Vegetation hier zwei Wochen Vorsprung vor Graz hatte. Der Zusammenfluss des Rheins mit dem Neckar, geschützt vor den nördlichen Winden und Unwettern durch die Hügel der Bergkette des Odenwaldes bildet ein sehr angenehmes Mikroklima und die Natur weiß das entsprechend zu nutzen. Traditionell wurde hier immer Wein angebaut, was auf eine römische Tradition zurückzuführen ist. Dieses Gebiet gehörte einmal zum Römischen Reich als die Provinz Germania Superior. Man kann hier eine gute Ernte fast aller Produkte erzielen, dass daraus die Einheimischen nichts Essbares kochen können, ist eine andere Geschichte. Die örtliche Küche ist nicht gerade empfehlenswert, das hat aber einen historischen Hintergrund, von dem ich vor zwei Wochen schrieb.

               Liebhaber der Historie möchte ich durch dieses kleine Land führen und ihre historischen Schätze, aber auch die Fallen zu zeigen, die hier auf den Besucher lauern könnten. Meine deutschen Leser verzeihen mir hoffentlich den Blick von außen. Es handelt sich um einen Blick eines interessierten Touristen, der logischerweise nicht alle Einzelheiten wissen kann. Für ergänzende oder korrigierende Bemerkungen werde ich dankbar sein.

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               Es handelt sich grundsätzlich um vier Städte, die besuchswert sind, Worms, Speyer, Heidelberg und Mainz. Zu Pfalz gehört auch Kaiserslautern, das seinen Namen dem legendären Kaiser Friedrich Barbarossa verdankt, es ist aber doch ein bisschen weiter, obwohl hierher ein Fahrradweg von Worms führt, genannt „Kaiserweg“. Weil dieser Weg inmitten der Weinberge und Wirtshäuser führt und 40 – 50 Kilometer lang ist, kann er für die Fans der Fahrradtouristik sehr verlockend sein. Gerade in Kaiserslautern gründete Barbarossa seine „Pfalz“, also eine Festung, die Deutschland von Westen schützen sollte und nach dieser Festung wurde dann die ganze Region benannt. Die Stadtrechte bekam Kaiserslautern von Rudolf von Habsburg um mehr als hundert Jahre später. Die Rheinpfalz war nämlich der Besitz und eine Stütze der Macht der deutschen Kaiser aus der Familie der Staufer.

               Heute werden wir uns auf dem linken Rheinufer aufhalten, auf das rechte Ufer kommen wir in zwei Wochen, ich habe nicht vor, die Geduld meiner Leser mit Artikeln, die länger als fünf Seiten sind, zu strapazieren.

               Wenn wir uns entscheiden, die Geschichte dieser Region zu verfolgen, müssen wir in der ältesten Stadt beginnen, also in Worms. Nicht aber aus dem Grund, dass diese Stadt unter dem Namen Borbetomagus bereits in den Zeiten des Römischen Reiches existierte oder sogar bereits früher – sie kämpft mit Trier um den Status der ältesten deutschen Stadt überhaupt. In Worms wurde laut einer Legende der heilige Martin gefangen gehalten, der den Militärdienst dem letzten heidnischen römischen Kaiser Julius Apostata verweigerte. Aber gerade in Worms spielt sich großteils die bekannteste Geschichte der altdeutschen Sagen ab, nämlich die Nibelungensage. Weil Nibelungen zum Stamm der Burgunder gehörten, dachte ich lange, dass sich die Geschichte um den unverletzlichen Helden Siegfried, seinem heimtückischen Mörder Hagen, der stolzen Königin Brunhild und der rachsüchtigen Kriemhild irgendwo im heutigen Burgund abgespielt hatte. Ich musste etwas Besseren belehrt werden. Die Burgunder röteten sich (natürlich mit Hilfe von Attila und König Theodorich) am Rheinufer aus. Das Burgunderreich, angeführt von drei Brüdern – Königen Gundaharius (Gunter), Godomaris (Gernot) und Gislaharius (Giselher) wurde tatsächlich im Jahr 437 von Hunnen unter Anführung von Attila (Etzel) vernichtet. Die Reste der Burgunder zogen dann nach Südwesten und gründeten am Fluss Rhône das spätere Burgunderreich. Deutsche Sagen kann man nicht mit dem in den Märchen üblichen Satz beenden „und wenn sie nicht gestorben sind, leben sie bis heute“. Dort überlebt nämlich niemand!

               Über Siegfried stolpert man in Worms auf jedem Schritt – auf dem Siegfriedsbrunnen vor der Kirche der Heiligen Dreifaltigkeit, auf dem Weg vom Bahnhof ins Stadtzentrum, wo eine Skulptur das ganze Nibelungendrama inklusiv Siegfrieds Ermordung schildert oder auf dem Rad der Geschichte von Gustav Nonnenmacher (1914 – 2012) auf dem Obermark.

Das größte Denkmal hat aber der verräterische Hagen. Seine riesige Statue steht am Rheinufer, wo er in den Fluss den Nibelungenschatz vergraben hat – der seitdem allen Versuchen zum Trotz niemand gefunden hat. (Interessant ist, dass man den Namen Siegfried, Brunhild, Kriemhild, Gunter, Gernot oder sogar den Namen des Freundes Hagens Volker heutzutage nicht so selten begegnet, nicht aber Hagen. Dieser „größte Held“, der „Tronjer“, ist irgendwie in Ungnade gefallen). Und Giselher ist offensichtlich nicht genug sexy. Eine Nibelungenmuseum gibt es in Worms übrigens auch.

               Worms ist allerdings durch seine Kathedrale berühmt.

In Deutschland gibt es drei gigantische romanische Kathedralen – in Worms, Speyer und Mainz – logischerweise alle am Rhein. In diesem Artikel besuchen wir zwei davon. Die Kathedrale von Worms ist sicher besuchswert, obwohl sie ihre ursprüngliche romanische Innenausstattung verlor und innen barockisiert wurde. Worms verdankt seinen Aufstieg der Salischen Dynastie der deutschen Kaiser. Hier wurde der Gründer dieser Dynastie Konrad genannt „der Rote“ (er herrschte in den Jahren 1024 – 1036) geboren und begraben und von hier aus herrschten alle Heinrichs dieser Dynastie (der dritte bis der fünfte), wobei der mittlere, also der vierte in seinem Streit mit dem Papst Gregor seine Bußefahrt nach Canossa auf sich nehmen musste. Die drei Tage im Frost vor dem Tor der Festung Canossa brachte sein Blut zum Kochen. Nach seiner Absolution durch den Papst hat er den Pontifex in Rom angegriffen und vertrieben. Dieser starb dann in der Verbannung in Salerno und ob es für seine Seele ein Trost war, dass er später für seine Verdienste im Kampf gegen den Kaiser heiliggesprochen wurde, traue ich mich nicht abzuschätzen. Der Frieden zwischen der päpstlichen und kaiserlichen Macht, bekannt als „Wormser Konkordat“, wurde – wie es schon der Name dieses Dokumentes sagt – in Worms im Jahr 1122 unterschrieben und drei Jahre später starben die Salier mit Heinrich dem fünften aus. Ihre Nachfolger, die Staufen, übernahmen von ihnen die Liebe zur Residenzstadt. Friedrich Barbarossa ließ zur Kathedrale das nördliche Portal bauen, mit seiner eigenen Darstellung über die Eintritspforte.

Durch diesen Eingang betrat der Kaiser mit seiner Begleitung die Kirche bei feierlichen Anlässen, damit er nicht durch die Menschenmassen des gemeinen Volkes gehen musste. In der Kathedrale von Worms heiratete sein Enkel Friedrich II. im Jahr 1235 Isabella von England (sie war seine dritte Frau, wenn man seine größte Liebe Bianca Lancia nicht zählt), einen Tag vor dieser Hochzeit wurde – ebenso in Worms – der Kaisersohn Heinrich (VII) (aus der ersten Ehe des Kaisers mit Konstanze von Aragon) von seinem Vater gefangengenommen und ins Gefängnis geworfen, aus dem er nie mehr herauskam.

               Worms ist auch durch seine jüdische Geschichte berühmt. Weil die Juden im Reich einen direkten Schutz des Kaisers genossen (sie zahlten ihm dafür eine spezielle Steuer – einen so genannten „Jüdischen Groschen“ – diesen Schutz hat Kaiser Karl IV. aufgehoben) ist das kein Wunder, dass sie den Schutz direkt in der Residenzstadt suchten. Heute findet man noch immer viele Erinnerungen an die jüdische Vergangenheit der Stadt inklusiv Synagoge, Jeschiwa und Friedhof (so genannter „Heiliger Sand“), die man besuchen kann.

               Worms ist keine kompakte historische Stadt. Diese Tatsache ist die Folge der zweimaligen Zerstörung der Stadt. Die erste kam im Jahr 1689 in Rahmen des Pfälzer Erbfolgekrieges (1688 – 1697). In die Stadt zogen französische Truppen des Königs Ludwig XIV. ein und machten die Stadt dem Erdboden gleich – auch die berühmte Kathedrale fiel einem Brand zum Opfer. Diese fatale Tätigkeit der Franzosen in der Pfalz werde ich noch mehrmals erwähnen müssen. Die Stadt wurde neu aufgebaut (deshalb ist die Innenausstattung der Kathedrale barock), obwohl an der Stelle des ehemaligen prächtigen Rathauses (eines Gebäudes mit einem symbolischen Namen „Münze“) die Dreifaltigkeitskirche gebaut wurde. (Der Besuch der Franzosen wurde von den Einheimischen als Strafe Gottes gewertet). Das zweite Mal wurde die Stadt durch die Bombardierung der Alliierten im April 1945 vernichtet und deshalb stehen zwischen den historischen Gebäuden (man sagt, Worms hätte die größte Anzahl der romanischen Baudenkmäler im ganzen Deutschland und ich habe es wirklich bis zu meinem Besuch von Köln geglaubt) findet man – ähnlich wie zum Beispiel in Mainz – moderne Häuser, wodurch der Gesamteindruck gestört wird.

               Worms ist unmittelbar mit dem Namen Martin Luthers verbunden.

Er wurde zum Reichstag in Worms, der im Jahr 1521 abgehalten wurde, eingeladen, um vor dem Kaiser Karl V. seiner Lehre abzuschwören. Als er sich weigerte und seine berühmten Worte sagte: „Hier stehe ich. Gott helfe mir. Amen.“ wurde ihm trotzdem vom Kaiser ein freies Geleit gestattet. Wenn also Karl ehrlicher als Sigismund von Luxemburg im Falle von Jan Hus im Jahr 1415 war, hatte er als Kaiser umso weniger politische Erfolge. Einem ehrlichen Politiker wird offensichtlich ein Erfolg verwehrt.

               Luther ist in Worms ein riesiges Denkmal gewidmet, wo er mit seinen Unterstützern, Mitstreitern sowie auch Vorgängern dargestellt wird. Unter ihnen hat neben Petrus Valdes, Giacomo Savonarola und John Wyclif auch der bereits erwähnte Jan Hus seine Statue.

               Auf dem gleichen Reichstag wurde infolge der Intervention der Tante des Kaisers Margarete über die Teilung der habsburgischen Länder zwischen dem damals einundzwanzig Jahre alten Kaiser und seinem achtzehnjährigen Bruder Ferdinand, der später zum Kaiser Ferdinand I. werden sollte am 28.April 1521 entschieden. Hier fiel auch die Entscheidung, dass Ferdinand die Prinzessin Anna von Böhmen heiraten sollte (was dann am 26.Mai 1521 in Linz wirklich passierte), was ihm später auch die tschechische und ungarische königliche Krone brachte. In die Heiratsurkunde aus dem Jahr 1515 konnte endlich auf der leeren Stelle neben der Braut der Name des Bräutigams geschrieben werden. Im Jahr 1515 war nämlich noch nicht klar, wer die damals zwölfjährige Anna heiraten würde, ob Karl oder Ferdinand. Die Hochzeit fand also in Vertretung statt, der Bräutigam wurde durch den Großvater beider Kandidaten, den Kaiser Maximilian I., vertreten und in der Heiratsurkunde wurde eine freie Stelle gelassen. Die Hochzeit zwischen Ferdinand und Anna wurde allerdings am 26. Mai 1521 in Linz wiederholt und aus der glücklichen Ehe entsprangen fünfzehn Kinder. Auch dieses Glück der habsburgischen Familie hatte also ihren Ursprung in Worms.

               Wir verlassen aber jetzt das historische Worms und ziehen einige Kilometer und Jahre in der Geschichte weiter, nämlich nach Speyer. Speyer ist ein wunderschönes Städtchen. Wenn Worms als eine moderne Stadt mit zerstreuten historischen Denkmälern wirkt, ist Speyer ein einziges historisches Denkmal, dominiert natürlich von seiner gigantischen romanischen Kathedrale.

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Auch Speyer wurde durch französische Truppen im Jahr 1689 dem Boden gleichgemacht. Und dann noch einmal durch die französische Revolutionsarmee im Jahr 1793 – die Nachbarschaft der „Grande Nation“ war für diese Region wirklich kein Segen. Der Kaiser Friedrich Barbarossa wusste ganz genau, warum er sein Kaiserslautern gebaut hatte, aber nicht einmal das hat gegen die Franzosen geholfen. Gott sei Dank wurde aber die Kathedrale in Speyer verschont und was dann später um diese Kirche aufgebaut wurde und den Charme eines lieben Städtchens besaß, war den Alliierten im zweiten Weltkrieg keine Bombe wert. Deshalb ist der Besuch von Speyer ein liebes Erlebnis.

               Natürlich muss man die Kathedrale besuchen. Es ist ein riesiges Gebäude, man darf sich nicht durch ihren ersten Eindruck abschrecken lassen. Alle drei romanischen Kathedralen wirken ein bisschen düster, die Zeit der großen gotischen Fenster sollte nur noch kommen. Die Kathedrale in Speyer begann bereits der Gründer der Salischen Dynastie Konrad II. im Jahr 1030 zu bauen. Er selbst erlebte die Vollendung der Kirche nicht und aus diesem Grund ist er als der einzige Salier in Worms begraben. Seine Nachfolger ruhen in der Krypta der Kathedrale in Speyer. Hier sind auch die ersten zwei römische Könige aus der Familie Habsburg begraben – Rudolf I. (er starb im Jahr 1291) und sein Sohn Albrecht (ermordet im Jahr 1308). Die Habsburger wollten damit ihre Nachfolgerschaft der Salier und den Abstand zu den Staufen, mit denen die römische Kurie nicht gerade gute Beziehungen hatte, demonstrieren. Interessant ist das Portrait von Rudolf auf seinem Sarkophag.

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Damalige Herrscher ließen sich üblicherweise in einer idealisierten Darstellung als triumphierende schöne Männer abbilden. Die Abbildung Rudolfs als eines alten müden Mannes entsprach seinem wirklichen Aussehen und entstand in dieser Form auf seinen ausdrücklichen Wunsch. Rudolf wollte nicht idealisiert, er wollte wahrhaft dargestellt werden, was in dieser Zeit eine absolut ungewöhnliche Sache war. Die Renaissance, die in der Herrschaftszeit von Friedrich II. ihren Ursprung fand und von der Kirche erbittert bekämpft wurde, war noch weit entfernt.

               Die Kathedrale in Speyer hat eine Bedeutung auch für tschechische Geschichte. Am 30.August 1310 heiratete hier der vierzehnjährige Sohn des Kaisers Heinrich VII. von Luxemburg Johann die achtzehnjährige Erbin des tschechischen Königreiches Elisabeth. Diese Hochzeit wies die Richtung nicht nur der tschechischen, sondern auch der europäischen Geschichte. Sie begründete die hundert Jahre dauernde Vorherrschaft der Luxemburger in Europa und aus dieser Ehe stammt der große Kaiser Karl IV., der Autor der „Goldenen Bulle“ aus dem Jahr 1356, eigentlich der ersten Verfassung des Römischen Reiches der deutschen Nation.

               In Speyer gibt es noch eine Kirche, die in der europäischen Geschichte eine bedeutende Rolle spielt. Gerade in dieser Kirche PROTESTIERTEN deutsche Fürsten, die inzwischen zur Lehre Martin Luthers übertreten waren, gegen die kaiserliche Entscheidung, diese Lehre zu verbieten. Es geschah auf dem Reichstag in Speyer im Jahr 1529 und seit diesen Tagen nennt man die reformierten Christen Protestanten.

               Speyer war einmal eine prächtige Stadt mit 68 Stadttoren und 38 Kirchen. Hier fanden 50 Reichstage statt. Auf einem von ihnen überzeugte zu Weihnachten 1146 der Gründer der Zisterzienserordens Bernhard von Clairvaux Kaiser Konrad III. zum Ausrufen des zweiten Kreuzzuges. Der letzte Reichstag in Speyer fand im Jahr 1570 statt, danach verlor die Stadt ihre Bedeutung und der Dreißigjähriger Krieg hinterließ in ihrer Pracht tiefe Narben. In der Stadt hatte seit 1526 das Reichskammergericht ihren Sitz, und zwar bis zur Vernichtung der Stadt im Jahr 1689.

               Das neue Speyer drückt sich um die Maximilianstrasse, es hat aber einen Charme und man findet hier schöne Gebäude wie zum Beispiel die „Alte Münze“, wo das Stadtpatriziat tagte, oder das Rathaus aus den Jahren 1712 – 1716. Und letztendlich auf der Gegenseite des Städtchens das „Altpörtel“, ein der schönsten Stadttore in Deutschland.

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Das Tor mit seinem Turm stammt aus dem Jahr 1230, wie es das Wüten der Französen im Jahr 1689 und 1793 überleben konnte, habe ich nicht erfahren. Und weiters, in Speyer gibt es das „Historische Museum der Pfalz“ mit Geschichte der gesamten Region von den römischen Zeiten bis heute, natürlich mit Betonung des ruhmreichen Mittelalters.

               Speyer ist wirklich sehr schön, wir verlassen es mit einem guten Gefühl, um ins Zentrum der Pfalz zu reisen, nämlich nach Heidelberg. Das aber in zwei Wochen, heute war es schon genug.

Massnahmen gegen Coronaverweigerer – ein Vorschlag

Die ewige Frage: Was mit den Anticoviddemonstranten tun, die sich an den antiepidemischen Regeln nicht halten?

  1. Finanzielle Strafen sind keine Lösung. Sie werden großteils nicht bezahlt und sind schwer zu fordern.
  2. Verpflichtung zu 2 Tage Zwangsarbeit auf den Intensivstationen mit Covid Patienten wäre zwar lehrreich und klingt gut, aber so ein Gerichtsurteil ist nicht schnell zu bekommen und bei Verweigerung schwer zu fordern. Natürlich dürften dann die Covid Verweigerer dort ohne Maske und ohne Schutzaufrüstung zu arbeiten, man darf sie dazu nicht zwingen.
  3. Einfache Lösung: Die Teilnehmer werden identifiziert und dann ihrer Krankenversicherung gemeldet. Die Versicherung hätte dann das Recht, (nicht die Verpflichtung) den Vertrag mit dem Versicherten für die Leistungen, die mit der Behandlung einer Covid Infektion verbunden sind, zu kündigen. Also, wenn der Demonstrant dann mit Covid erkrankt, verzichtet er entweder auf die Behandlung oder er zahlt sie privat. Ich glaube, das ist fair, da aufgrund des Solidaritätsprinzipes wir derzeit alle den kranken COVID Verweigerern ihre Behandlung zahlen müssen.

Wenn ihr das gerecht findet, schickt es weiter.

Calvin ist an allem Schuld

               Es hat überraschenderweise bereits in Genf begonnen. Ich meine damit meine Zweifel. Für eine Stadt mit Französisch als Amtssprache war die örtliche Küche ziemlich arm. Ich suchte allerdings die Schuld bei mir. In Genf hat nämlich so gut wie niemand Deutsch gesprochen (mit Ausnahme des Eintrittskartenverkäufers an der Kassa im Museum des Protestantismus) Englisch auch nicht und ich kann wieder nicht Französisch. Ich dachte also, dass ich die richtigen Lokale in Folge des Informationsmangels einfach nicht gefunden habe. Das glaubte ich damals wirklich. Dafür durften wir in der Kathedrale von Genf einen Stuhl sehen, auf dem Jean Calvin persönlich gesessen war und gepredigt hatte. Ein normales Möbelstück, allerdings mit Geschichte. Ich habe den Stuhl sogar fotografiert! Damals habe ich Calvin für einen Reformator wie jeden anderen gehalten und hatte ich ihm nichts vorzuwerfen.

               Dann entschied ich mich, örtliche Spezialitäten in Amsterdam zu verkosten. Ich habe nämlich eine dumme Eigenschaft und die heißt Neugier. Also esse ich örtliche Spezialitäten überall, wohin wir reisen. Die Erbsensuppe mit Speck war noch ziemlich essbar, die panierten Kugeln mit merkwürdigem, nicht wirklich identifizierbarem schmierigem Inhalt genannt Bitterballen, das war schon ein anderer Kaffee. (Übrigens der Reiseführer von Amsterdam warnt davon zu versuchen zu erkunden, was in den Kugeln wirklich ist). Der Kaffee war übrigens in Amsterdam auch miserabel. Nur so nebenbei habe ich erfahren, dass die Stadt im sechzehnten Jahrhundert zum Calvinismus, also zur Reformierten Kirche übergetreten war. Die Zusammenhänge blieben mir zu diesem Zeitpunkt noch verborgen.

               Und dann fuhren wir einmal nach Bremen. Im Rathauskeller, also in einem der besten Restaurants in der Stadt, bat ich den Kellner um eine örtliche Spezialität um die Mentalität dieser Stadt, die besonders in der Oleanderblütezeit so wunderschön ist, noch besser kennen zu lernen. Und ich bekam den Seemannlaubkaus. Mein erster Gedanke war, dass der Koch wahnsinnig geworden ist und der Kellner diese Tatsache fahrlässig übersehen hat. Das Essen sah so aus, als ob bei seiner Entstehung folgende Geschichte geschah: „Die Matrosen von Bremen stachen in See und zum Mittag aßen sie Kartoffeln mit Selchfleisch. Nachmittag ist dann ein starker Sturm gekommen und so konnten sie das bereits verzehrte Mittagessen noch einmal zu Abend zu sich nehmen.“ Zu diesem gemixten Brei aus Selchfleisch und Kartoffelpüree ohne jedes Gewürz wurde noch Hering mit Roten Rüben serviert. Ich verhandelte mit dem Kellner, dass ich bereit bin, die Hälfte des Preises zu bezahlen. Die zweite Hälfte sollte der Mensch bezahlen, der diese Mahlzeit bereits vor mir im Magen hatte. Ich hatte keinen Erfolg, der Ober hatte keinen Sinn für Humor und dachte sicher, dass ich nicht richtig Deutsch konnte. Die Tatsache, dass in Bremen Calvinisten an der Macht waren, weckte in mir das erste Mal einen Verdacht, dass es Zusammenhänge geben könnte. Ich roch die Spur…

Und dann plötzlich wurden mir meine Augen geöffnet. Das geschah im Deutschen historischen Museum in Berlin, als ich erfuhr, dass die ganze Rheinpfalz, also das Gebiet um Heidelberg und Mannheim, im Jahr 1566 zur Lehre Calvins konvertierte. Alte Erinnerungen wurden wach. Das war vor einigen Jahren, als ich nach Heidelberg fuhr, um meine Frau nach Hause zu holen. Sie konnte nämlich die weiße, rote und braune Saucen, die sich nur durch die Farbe, nicht aber durch Geschmack unterschieden, weil sie keinen hatten, und im Krankenhausspeisesaal zu jedem Essen (na ja zu jedem Essen, es war immer Faschiertes) serviert wurden, nicht mehr vertragen. Sie versuchte zu erfahren, wo man in Heidelberg gut essen konnte. Es wurde ihr gesagt, dass es in Wiesloch wäre, in einem Städtchen südlich von Heidelberg. Dort gäbe es ein berühmtes und hervorragendes Lokal nach der die Art des österreichischen Buschenschanks (in Wien heißen diese Lokale Heurige, diese Bemerkung natürlich nur für meine Leser aus Deutschland oder anderen Ländern) und dort könnte man sehr gut essen. Wir fuhren hin. Vor dem Lokal stand eine Unmenge von Autos. Wir kauften eine Eintrittskarte um 13,50 Euro, die uns berechtigt hat, so viel zu essen, wieviel wir mochten. Das Problem war, dass wir nach einer halben Portion Ente nichts mehr essen konnten. Das Essen war gewürzlos und wahrscheinlich aufgewärmt und ein paar Bissen, die ich verzehrt hatte, wuchsen in meinem Magen zu einer ungeheuren Größe, für die mein Magen einfach zu klein war. Hätten wir nicht eine Flasche österreichischen Marillenschnapps mit, hätte ich möglicherweise die halbe Portion, die ich im Hunger verzehrte, nicht überlebt. Das schockierte mich. Die Pfalzregion hat unglaublich günstiges Klima, es wächst hier alles inklusiv Wein, die Vegetation ist zwei Wochen vor Graz, obwohl viel mehr nördlich gelegen ist – warum können die Pfälzer aus dieser Gabe nichts Essbares kreieren? In Berlin habe ich es verstanden – es war die Schuld von Calvin!

               Ich las und fand, dass in der Lehre von Calvin jede Wohllust des Körpers eine Sünde war, also das gute Essen genau wie auch ehelicher Geschlechtsverkehr (wenn gut war) und der Rechtgläubige strengte sich an, eine Sünde zu vermeiden, um die Erlösung zu erfahren und in den Himmel zu kommen. Also offensichtlich, überall wohin die Anhänger dieser Lehre kamen, vernichteten sie als die erste Tat die örtliche Küche (wie sie das mit dem Geschlechtsverkehr taten, habe ich nicht erfahren können, obwohl es in Amsterdam mehr als genug Gelegenheit dazu gab). Obwohl gerade das „Rote Viertel“ von Amsterdam mich zum Nachdenken brachte. Entstand es nicht gerade deshalb, weil es zu Hause zu öd war? Übrigens die größte Kirche in Amsterdam „Oude Kerk“, befindet sich direkt in der Mitte des roten Viertels. Also, man konnte gleich nach der Sünde in die Kirche gehen und sich vor Gott rechtfertigen. Vom Wohnhaus und vom Ehebett war es erstens weiter, und zweitens hätte die Gattin dumme Bemerkungen machen können. Nach dem Besuch eines Bordells maulte niemand und die Kirche war gleich zur Hand. Die Protestanten brauchen zum Dialog mit Gott nicht unbedingt einen Priester, weil es bei ihnen keine Ohrenbeichte gibt. Es ist natürlich intellektuell viel anspruchsvoller, die Sünden vor Gott, ohne einen Vermittler direkt zu rechtfertigen, weil es auch keine Absolution gibt. Aber wenn am nächsten Tag die Geschäfte wieder gut laufen, ist es ein klarer Beweis, dass Gott dem die Buße tuenden Sünder seine Gunst nicht entzogen hat. Darüber später.         

               Mein Bild hat sich also vollendet und ich erlaube mir einen kleinen Tipp denen zu geben, die  ähnlich wie ich gerne örtliche Spezialitäten kosten. Erfahren Sie zuerst, ob in der Stadt, die Sie besuchen möchten, nicht einmal – vielleicht auch nur für eine kurze Zeit – die Calviner an der Macht waren. Dann ist Vorsicht geboten. Lassen sie lieber die Finger von den örtlichen Spezialitäten und gehen Sie zum Italiener oder zum Chinesen.

               Kaiser Ferdinand I. der im Jahr 1555 einen Religionsfrieden zwischen Katholiken und Lutheranern vermittelt hat, schloss in diesem Dekret dezidiert die Reformierte Kirche aus und verbot sie am strengsten. Der alte kleine Brummler wurde mir sofort sympathischer. Er aß offensichtlich gerne und das spricht für einen in Grunde guten Charakter. Wenn er schon auch hinrichten lassen musste (wie im Jahr 1522 in Wiener Neustadt,) tat er das wahrscheinlich nicht ganz gern.

               Ich würde nach dem Erlebnis mit dem Seemannlaubkaus Calvin auf dem Scheiterhaufen verbrennen lassen.

               Es könnte euch vielleicht interessieren, wie sich diese Lehre, die beinahe alles Angenehmes im Leben verboten hat, überhaupt durchsetzen und besonders in den Städten mit starkem Handel und reicher Kaufmannsschicht so eine starke Position erreichen konnte. Calvin predigte – gleich wie Jan Hus oder der heilige Augustin – die Lehre der Prädestination. Also jeder Mensch wird bereits bei seiner Geburt entweder zur Erlösung oder zur Verdammung vorbestimmt. Damit kann er in seinem Leben nichts mehr tun, weil seine Sünden oder auch Wohltaten von Gott gesteuert werden und der eigene freie Wille dabei keine Rolle spielt. Man kann aber die Vorbestimmung für das ewige Leben im Himmel bereits im Leben hier auf Erde erahnen. Wenn man nämlich im Leben erfolgreich ist, wenn die Geschäfte gut laufen und die Kassa sich mit Silber und Gold füllt, ist das ein klares Zeichen der Gunst Gottes und Gott würde doch nicht einem Verdammten seine Gunst schenken. Deshalb verbreitete sich diese Lehre besonders erfolgreich in den reichen Städten, wo die Kaufleute das Sagen hatten, wie in Amsterdam, Bremen oder Mannheim. Erfolgreiche Geschäftsleute waren bereit, auf gutes Essen und guten Sex zu verzichten – die Aussicht auf den Himmel war viel zu verlockend. Das Essen musste also üppig sein, damit der Herr oder die Frau ihren Wohlstand und damit auch ihre Vorbestimmung für den Himmel demonstrieren konnten, bei Gewürzen wurde aber sehr gespart. Erstens weil sie teuer waren, zweitens, weil sie das Essen köstlich machen könnten und damit den Menschen in Versuchung bringen und den Weg in den Himmel versperren konnten. Also wenn man an dem ungenießbaren Mittagessen kaute, konnte man sich auf den Himmel freuen, wo man endlich auch Pfeffer zum Gastmahl bekommt.

               Es ist besser, Belgien zu besuchen. Dort hat den Menschen der Herzog von Alba solche Reformationsgedanken aus dem Kopf geschlagen (und das nicht nur im übertragenen Sinn). Die Küche in einem Land, dass an Frankreich grenzt und unter einer langen österreichischen Verwaltung katholisch blieb, ist einfach eine Traumküche. Obwohl es die Belgier waren, die Pommes frites erfanden. In dieser Erfindung hat Calvin seine Finger sicher nicht gehabt.

               Übrigens, nicht überall war seine Lehre bei der Essenvernichtung erfolgreich. Die Ungaren, obwohl sie sich der Lehre der Reformierten Kirche anschlossen und dafür einen Platz für ihren Anführer Stephan Bocskai auf dem Reformationsdenkmal in Genf erhielten, ließen sich ihr Gulasch und Paprikasch mit scharfer Paprika nicht nehmen. Eine wahrhaft weise und tapfere Entscheidung.

               Die Tschechen hatten wieder Glück, das sie bis heute nicht verstehen wollen. Friedrich von der Pfalz, der im Jahr 1619 zum tschechischen König gewählt wurde, um nach einem Jahr Herrschaft wieder flüchten zu müssen, war ein Calviner. In diesem Zusammenhang scheint die Niederlage des tschechischen Herres auf dem Weißen Berg bei Prag am 8.November 1620 nicht so tragisch zu sein. Kann man sich vorstellen, was mit der berühmten tschechischen Küche passiert wäre, wenn die Aufständischen damals gewonnen hätten und Friedrich sich auf dem tschechischen königlichen Thron eingenistet und seine Ordnung durchgesetzt hätte. Ich meine in der Küche, von dem anderen gar nicht zu sprechen….

               Na ja, Ferdinand II. mag kein wirklich sympathischer Kerl gewesen zu sein. Es gab Hinrichtungen (nur am 27. Juni 1621 in Prag siebenundzwanzig an der Zahl), es gab die gewaltsame Rekatholisierung, den dreißigjährigen Krieg, die Enteignung und die Massenemigration, die die Wirtschaft des Landes auf Jahrhunderte zurückgeworfen hat. Aber auf der anderen Seite, der Schweinsbraten mit Knödel, Kraut und Bier ist geblieben.

Plage mit dem Vakzin Astra/Zeneca

               Diese Diskussion ist derzeit sehr heiß. Ist der Impfstoff von Astra Zeneca weniger gut? Schützt er weniger und hat mehr Nebenwirkungen? Die Experten kämpfen tapfer gegen die öffentliche Meinung, die sich bereits gegen diesen Impfstoff stellte. Wo ist also die Wahrheit?

               Das wird sicher ganz schwer zu beurteilen sein. Alle Diskussionen, die Coronavirus betreffen, sind äußerst emotional, die Suche nach einer objektiven Wahrheit ist einfach „Mission impossible“.

               Zuerst aber eine Kurzfassung – womit unterscheidet sich der Impfstoff Astra Zeneca von den Impfstoffen Pfizer/Biontech und Moderna?

               Die Impfostoffe der letzten zwei Firmen arbeiten mit mRNA System, also auf der Basis der messenger Ribonukleotidsäure. Es ist eine neue Technologie, die aber nicht gezielt für das Vakzin gegen Coronavirus entwickelt wurde. In Zukunft werden wahrscheinlich alle Impfstoffe diesen Weg gehen. Bis vor kurzem waren die Nanotechnologien nicht so weit entwickelt, um so ein „Schneiden“ des Virus zu ermöglichen damit die Identifikation seiner einzelnen Teile möglich wäre. (Also fachlich gesagt, der Einfluss des Genotyps auf den Phänotyp). In Prinzip kodiert der Impfstoff lediglich das „Spike protein“ des Virus also das Eiweiß, mit der sich das Virus an die oberflächlichen Strukturen der menschlichen Zelle bindet und in sie eintritt. Das gesamte Aussehen des Virus kann diesem Impfstoff gestohlen bleiben. Um die Wirksamkeit zu verlieren, müsste sich dieses Protein wesentlich ändern, was für das Virus ein Problem sein könnte – sein Eindringen in die Zelle müsste dann nicht mehr funktionieren.

               Astra Zeneca ist – ähnlich wie das russische „Sputnik V“, eine Vektorvakzin. Es handelt sich um ein genetisch verändertes Adenovirus, das man nur bei Schimpansen trifft (bei Sputnik sind das zwei menschliche Adenoviren), das an seiner Oberfläche so verändert ist, dass es wie das Coronavirus aussieht. Das Immunsystem erkennt es, identifiziert es als einen Schädling (obwohl dieses Adenovirus für einen Menschen nicht pathogen ist, also keine Krankheit bei ihm auslösen kann) und wenn sich dann der Mensch mit dem echten Coronavirus ansteckt, hält es das Immunsystem für das Adenovirus und greift es an. Die Idee ist grundsätzlich gut, es schlichen sich aber unzählige Fehler ein, besonders bei PR.

  1. Erstens, Astra Zeneca übergab die Unterlagen an die EMA (Europäische Medikamentenzulassungsbehörde) später als die anderen Unternehmen. Der Grundsatz jeder Werbung ist: Man muss in seiner Kategorie der erste sein – wenn das nicht der Fall ist, muss man eine neue Kategorie erfinden. Astra Zeneca tat es nicht, Pfizer/Biontech und Moderna waren einfach schneller.
  2. Das Unternehmen im Bewusstsein, dass sich besonders die „sparsamen“ Länder im Mitteleuropa auf seinen Stoff verlassen haben, begann ein gefährliches Poker zu spielen. Offensichtlich verrechnete sich das Management bei Preisverhandlungen mit der EU im Preis und entschied sich jetzt den Stoff an die Länder zu liefern, die bereit waren, mehr zu zahlen. Dazu log die Firma über Produktionsausfälle, die sie dann nicht nachweisen konnte. Lange lehnte sie auch arrogant die Verhandlungen mit Politikern aus Brüssel ab. Die Verpflichtungen gegenüber der EU, die mit 300 Millionen Euro zur Entwicklung des Vakzins beigetragen hatte, wurden von Astra Zeneca einfach ignoriert. Die Folge war ein Mangel an dem Vakzin und nur langsamer Start der Impfung.
  3. In der Zwischenzeit zeigte sich jedoch, dass die Nebenwirkungen nach der Impfung mit Impfstoff von Astra Zeneca stärker sind als bei mRNA Impfstoffen. Es hat eine bestimmte Logik, da man mit dem ganzen Virus impft und nicht nur mit dem Protein, wie bei mRNA Impfstoffen.
  4. Es zeigte sich, dass die Wirksamkeit des Vakzins doch niedriger ist als bei mRNA Vakzinen. Hier ist aber notwendig am Boden der Realität zu bleiben. Astra Zeneca zeigte zwar die Wirksamkeit 59%, wenngleich die Wirkung bei Pfizer über 90% liegt. Bei den wirkungslosen Fällen handelte sich aber um Personen, die Krankheitssymptome hatten, weil nur solche Personen getestet wurden. Asymptomatische Personen wurden nicht getestet. Also die Zahl der Patienten, die keine Symptome hatten (also nicht unbedingt den mit Virus angesteckten) reduzierte sich durch das Vakzin um 60%. Keiner von den Testpersonen, die trotzdem krank wurden, musste aber im Krankenhaus behandelt werden und keine starb. Todesfall in Zusammenhang mit dem Infekt mit Covid 19 bei geimpften Personen war nur einer und das bei Moderna. Ob dieser Mensch wirklich an Covid-Infektion starb, ist noch nicht sicher. Diese Angabe von Astra Zeneca relativiert aber die Tatsache, dass zwischen den Freiwilligen praktisch keine über 65 Jahre alte Personen Jahre waren, wo die Hospitalisierung und Todesrate im Krankheitsfall wesentlich höher ist. Die Tatsache, dass unten den Freiwilligen kaum Menschen der Risikogruppen vertreten waren, reduzierte weiter die Glaubwürdigkeit des Vakzins und manche Länder lassen den Impfstoff nur für die Impfung der Menschen, die jünger als 65 Jahre sind, zu. Hier muss man wahrscheinlich die Ergebnisse „Real life“ Studie in Großbritannien abwarten.
  5. Es zeigte sich, dass der Impfstoff Astra Zeneca nicht gut auf die südafrikanische Mutation des Virus wirkt. Hier ist es aber notwendig zu bemerken, dass Astra Zeneca das EINZIGE Vakzin ist, das mit dieser Mutation überhaupt eine Erfahrung hat. Der Impfstoff wurde nämlich in Großbritannien, Brasilien und eben in Südafrika geprüft. Kein anderer Impfstoff wurde in Südafrika getestet und kam also nicht in den Kontakt mit der südafrikanischen Mutation. In Vitro – also im Labor – wurde neunmal niedrigere Wirksamkeit des Impfstoffes bei Vernichtung des Virus gesehen – aber nicht einmal unter diesen Umständen mussten die Infizierten im Krankenhaus behandelt werden und keiner von ihnen starb. Auch hier muss man aber bemerken, dass es sich überwiegend um junge Menschen handelte, die auch sonst die Krankheit in häuslicher Behandlung überstehen.
  6. Zu allen bereits begangenen Fehlern begannen die Manager von Astra Zeneca in der Zeit, als es zu Engpässen in den Lieferungen kam und die zweite Dosis der Impfung nicht gesichert war, zu behaupten, dass eigentlich nicht notwendig wäre, in 4 Wochen-Intervallen zu impfen, sondern es reichen würde, in zwölf Wochen die zweite Dosis zu verabreichen. Sofort erschienen bezahlte „Experten“, die bereit waren nachzuweisen, dass die zweite Impfung nach 12 Wochen eigentlich viel besser sei, da sich viel mehr Antikörper bilden. Obwohl dieses Intervall gar nicht dem Design der Zulassungsstudie entsprach. Die PR-Manager von Astra Zeneca sollten schon längst Arbeitslosengeld beziehen.
  7. Die derzeitige beinahe hysterische Kampagne der Politiker für Impfstoff von Astra Zeneca wirkt sehr unglaubwürdig und reduziert weiterhin das Vertrauen der Bevölkerung in den Impfstoff. Es gibt dafür einen einfachen Grund. Das Unternehmen brachte die Politiker der betroffenen Länder in Schwierigkeiten. Sie setzten auf dieses Vakzin hauptsächlich wegen der Tatsache, dass dieser Stoff leicht zu verteilen ist und keine besondere Kühlung braucht. (Pfizer muss man bei minus 70 Grad lagern, Moderna bei minus 20 Grad, bei Astra Zeneca ist die Kühlschranktemperatur ausreichend). In der Praxis sollte das bedeuten, dass die Politiker und Beamten nichts tun müssten. Es hätte gereicht, einfach den Impfstoff bei Hausärzten zu verteilen und die sollten es dann richten. Keine Impfstraßen nach dem israelischen Vorbild und Anwerben von Ärzten und Pflegepersonal oder sogar Soldaten für die Impfung in diesen Straßen. Ohne Astra Zeneca zeigt sich plötzlich, dass der Staat die Organisierung der Impfung vollständig versäumt hat. Das ist natürlich die größte Katastrophe und man versucht es durch einen hysterischen Ruf, dass alle Impfstoffe gleichwertig sind, zu verschweigen. Sie sind es nicht.
  8. Damit will ich nicht behaupten, dass der Impfstoff Astra Zeneca schlecht wäre. Schlechter als mRNA Impfstoffe ja, schlecht nicht. Sicher dann besser, als ihr angeschlagener Ruf. Er erreicht die Schutzwirkung von Pfizer oder Moderna nicht und hat mehr Nebenwirkungen – Hauptproblem ist aber, dass er zu spät und zu langsam kam und dadurch einen irreparablen Imageschaden erlitt. Vertrauensverlust repariert man nur sehr schwer – besonders in der Zeit, als durch eine gute Erfahrung mit den mRNA Vakzinen die Impfbereitschaft der Bevölkerung steigt. Menschen wollen Vakzinen, mit denen es bereits Erfahrung gibt. Astra Zeneca ist für sie wieder etwas Neues und es ist die ganz normale verständliche Angst, die jetzt die Verwendung des Vakzins blockiert. Es ist unter diesen Umständen verständlich, wenn die Gesundheitsministerium weitere Vakzinen bei Moderna bestellt hat und Astra Zeneca zur Seite schiebt. Was aber mit den Vakzinen, die bereits angekommen sind? An der Reihe waren gerade die Ärzte und ihr Personal aus dem niedergelassenen Bereich – und sie wehren sich gegen diesen Stoff. Sie möchten mit mRNA Vakzin geimpft werden und das steigert das Vertrauen der Bevölkerung zu diesem Stoff natürlich auch nicht besonders.
  9. Der Impfstoff Astra Zeneca ist einfach ein Paradebeispiel einer total vermasselten PR-Strategie. Schlechter geht es gar nicht.

Übrigens, zum Schluss eine Bemerkung für die Befürworter der russischen Vakzin Sputnik V. Kanzler Kurz wollte es angeblich sogar in Österreich produzieren lassen. Sputnik V wurde in Indien, Venezuela und Weißrussland getestet – also in drei „sehr medizinisch entwickelten und verlässlichen Ländern“. Die Wirksamkeit von über neunzig Prozent wurde vom Präsident Putin bestimmt, noch bevor die Studie gestartet ist. Der Artikel in Lancet, auf den sich europäische Russophilen berufen, war eine Arbeit der russischen Wissenschaftler und die Zeitschrift hat ihn nur mit einem Kommentar ergänzt in dem steht, dass WENN DIE EREGEBNISE DER STUDIE DER WAHRHEIT ENTSPRECHEN, würde es sich um ein hoffnungsvolles Vakzin handeln. Die Russen waren aber nicht im Stande (oder nicht bereit) bei EMA um die Zulassung überhaupt anzusuchen und entsprechende Dokumentation zu liefern. Offensichtlich wollten sie dem strengen europäischen Zulassungsverfahren ausweichen (weil eine eventuelle Ablehnung eine echte Katastrophe für ihr Image wäre) und sich auf die Osteuropäische Populisten wie Orban oder Babiš verlassen, die bereit sind mit jedem Stoff zu impfen, nur um ihr eigenes Versagen zu vertuschen. Wenn sie Ungarn mit Sputnik impfen lassen, bin ich nicht bereit, das ihnen auszureden, ich würde aber nicht mitmachen. Übrigens, die Impfbereitschaft der Russen selbst liegt bei schwachen 40 Prozent und Präsident Putin hat sich nicht impfen lassen.

               PR hat aber Sputnik im Vergleich mit Astra Zeneca perfekt. Vladimir Vladimirovic hat gesagt, dass das Vakzin über neunzigprozentige Wirksamkeit hatte und alle drei Länder, wo es geprüft wurde, haben dann diese Zahl auch nachgeliefert. Glauben Sie dann nicht!

               Eine Werbung in der tschechischen Zeitung MFdnes, die dem Oligarchen und Premierminister Babiš gehört, hat geschrieben: „Sputnik ist wie Kalaschnikow. Einfach und verlässlich.“

Ob es die richtige Werbung war? Es drängt sich der Vergleich ein: Wie Kalaschnikow: Ein Schuss, ein Toter.