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Heiliges Land – die Küste I

Heiliges Land – die Küste

               Die israelische Küste spielt in der Erzählung der Bibel keine wesentliche Rolle, keinesfalls ist sie vergleichbar mit Galiläa oder Jerusalem. Die Israelis waren Bauern, keine Matrosen und die Küste mit ihrem schnurgeraden Verlauf bot nur wenige Möglichkeiten, geschützte Häfen zu bauen. Trotzdem wage ich zuerst einen kleinen Ausflug in diese Region, bevor wir das Zentrum des Landes besuchen, also Galiläa, Jerusalem und Betlehem, wo sich das Leben Christi abgespielt hat.

               Das Zentrum der Küstenregion Israels ist Tel Aviv. Die Metropole mit 850 000 Einwohnern ist zerstreut in mehrere größere Siedlungen mit Hochgebäuden und umkreist ihr ehemaliges Zentrum, den Hafen Jaffa, oder wie wir diese Stadt aus dem Alten Testament kennen – Joppe. Aus diesem Hafen stach Jonas in die See, der von einem Wal geschluckt und dann ausgespuckt wurde. Aus der biologischen Sicht handelte sich um eine nachvollziehbare Tat dieses Walfisches. Weil sich dieses Tier von Plankton ernährt, war Jonas für den Wal ein relativ großer und unverdaulicher Bissen. Eine Statue dieses gutmütigen, lächelnden Wales findet man in Jaffa auf einem kleinen Platz im Zentrum.

               Jaffa ist ein kleines Städtchen, das stolz auf seine Geschichte ist, schön rekonstruiert und bewohnt – wie es  in alten israelischen Städten üblich ist – von Palästinensern mit israelischer Bürgerschaft. Jaffa wurde bereits von Ramses II. in seinem Bericht über die Schlacht von Kadesch erwähnt, deshalb findet man hier auch sein Denkmal.

Unweit davon gibt es eine Brücke mit Zeichen des Zodiaks. Wenn man auf sein Sternzeichen die Hand legt und mit Blick aufs Meer sich etwas wünscht, geht der Wunsch in Erfüllung. Ich weiß nicht, ob ich die Hand falsch gelegt oder den Blick falsch gerichtet habe, mein Wunsch hat sich jedenfalls nicht erfüllt. Ich habe mir gewünscht, dass wir alle gesund bleiben, ein paar Tage nach der Rückkehr nach Hause brach sich meine Frau die Hand und meine Tochter hat sich den Knöchel verstaucht. Also würde ich Touristen empfehlen, sich etwas weniger Essentielles zu wünschen, damit sie das Gegenteil nicht in eine ähnlich schwierige Situation bringt, wie es uns passierte.

               Jaffa wurde von Saladin nach seinem Sieg bei Hattin vernichtet, es wurde von den Kreuzrittern während des fünften Kreuzzuges neu aufgebaut. Dieser Kreuzzug in den Jahren 1228 – 1229 wurde von Kaiser Friedrich II. angeführt, der sich gerade in päpstlichem Bann befand. Deshalb wurde ihm die Unterstützung der Templerritter und der Johanniter verweigert, lediglich der Deutschritterorden war bereit, den Kaiser in seiner Bemühung, Jerusalem zurückzugewinnen zu unterstützen. Der Kaiser selbst hatte nicht genug Soldaten, um gegen den Sultan Al Kamil ins Feld zu ziehen. Weil er wegen der Feinschaft der Templer nicht in Akko bleiben konnte, zog er mit seiner Armee nach Jaffa, das damals ein Ruinenfeld war und begann mit dem Sultan zu verhandeln. Damit sich seine Soldaten nicht langweilten, weil Langweile die Quelle alles Bösen ist, gab er den Befehl zum Wiederaufbau der Stadt. Die Verhandlungen zogen sich eineinhalb Jahr hin und sind bis heute ein Beispiel, wie man eine Verhandlung führen sollte. Das Hauptprinzip ist, auch bei Aussichtslosigkeit die Verhandlungen nicht zu unterbrechen und geduldig auf einen günstigeren Moment zu warten, bis die Gegenseite in Schwierigkeiten gerät. So unterhielten sich Friedrich und Al Kamil beinahe ein halbes Jahr über die Regel des Schachspieles. Letztendlich waren die Verhandlungen erfolgreich und Friedrich bekam Jerusalem mit einem Korridor von der Küste zur Stadt zugesprochen. Dank der Länge des Aufenthaltes wurde die Stadt Jaffa beinahe fertig gebaut, die Fertigstellung machte dann anschließend der französische König Ludwig IX., nachdem er sich aus der ägyptischen Gefangenschaft (in die er nach der Katastrophe des sechsten Kreuzzugs nach Damietta in Ägypten geraten war, den er selbst angeführt hatte),freigekauft hatte. Nicht einmal die neue Stadtmauer halfen aber, als Jaffa vom ägyptischen Herrscher Bayrbas im Jahr 1271 erobert wurde und seitdem blieb Jaffa in den moslemischen Händen. Heute stehen hier Moscheen neben christlichen Kirchen und es scheint, dass sie miteinander im Frieden leben.

               Auf Jaffa bezieht sich ein Schlüsselereignis, das die Entstehung der christlichen Kirche betrifft. Hier hatte der heilige Petrus eine Vision, durch die ihm bekanntgegeben wurde, dass die neue Lehre nicht nur für Juden, sondern auch für Heiden gemeint war und dass das Privileg der Taufe auch den Römern nicht untersagt werden durfte. In diesem Punkt waren sich die übrigen Apostel mit dem heiligen Paulus lange Zeit nicht einig. Sie beharrten auf der Beschneidung der neuen Christen, was den Zulauf der neuen Gläubiger deutlich reduzierte.

               Da wurde er (Petrus) hungrig und wollte essen. Während man etwas zubereitete, kam eine Verzückung über ihn. Er sah den Himmel offen und eine Schale auf die Erde herabkommen, die aussah wie ein großes Leinentuch, das an vier Ecken gehalten wurde. Darin lagen alle möglichen Vierfüßler, Kriechtiere der Erde und Vögel des Himmels. Und eine Stimme rief ihm zu: Steh auf, Petrus, schlachte und iss! Petrus aber antwortete: Niemals, Herr! Noch nie habe ich etwas Unheiliges und Unreines gegessen. Da richtete sich die Stimme ein zweites Mal an ihn: Was Gott für rein erklärt, nenne du nicht unrein (Apostelgeschichte 10,11 – 16)

               Heute steht an diesem Ort eine christliche Kirche, auf dem Hauptaltar ist natürlich die Vision Petri dargestellt.

Petrus war naturgemäß erschrocken – jüdische Vorschriften, was das Essen betrifft, sind sehr streng, man durfte nur Paarhufer, Fische und Geflügel essen. Unmittelbar nach seinem Erwachen stand aber vor seinem Haus eine römische Gesandtschaft aus Caesarea. Diese kam um ihn zu bitten, nach Caesarea zu gehen und ihren Hauptmann Kornelius zu taufen, da er sich wünsche, Christ zu werden. Petrus verstand jetzt die Botschaft seines Traumes, nämlich dass er nicht nur Juden, sondern auch Heiden taufen sollte. Er ging dann nach Caesarea, um zu tun, was Gott von ihm (und natürlich auch die bewaffneten römischen Soldaten, denen man noch etwas schwieriger als Gott widersprechen konnte) verlangte.

               Am folgenden Tag kamen sie nach Caesarea. Kornelius erwartete sie schon und hatte seine Verwandten und seine nächsten Freunde zusammengerufen. Als nur Petrus ankam, ging ihm Kornelius entgegen und warf sich ehrfürchtig vor ihm nieder. Petrus aber richtete ihn auf und sagte: Steh auf! Auch ich bin nur ein Mensch.(Apostelgeschichte 10, 24 – 26)

               Caesarea Maritima liegt nördlich von Jaffa und es ist ein geniales Werk Herodes des Großen. Die israelische Küste ist gerade wie nach einem Lineal geschnitten, zwischen der Bucht von Haifa bis Ägypten gibt es hier keine einzige passende Bucht, die Schiffen einen Schutz vor Winden und Wellen bieten könnte. Herodes entschied sich dieses Defizit zu beseitigen und ließ einen künstlichen Hafen anlegen. Die Stadt nannte er nach seinem „Freund“, den er aus der ganzen Seele hasste – Oktavianus Augustus, der in dieser Zeit römischer Kaiser, also Caesar, war. Herodes ließ ihm sogar einen Tempel bauen, obwohl so etwas für Juden die größte nur denkbare Blasphemie war. Herodes aber wusste, dass er seine Macht auf der Liebe seines Volkes längst nicht mehr stützen konnte. Der Schutz und die Unterstützung Roms waren ihm daher viel mehr wert. Gigantische Molen und Wellenbrecher, die er auf dem Meeresboden bauen ließ, ermöglichten ganzen Flotten, egal ob Frachtschiffen oder Kriegsgaleeren, hier vor Anker zu gehen. Seinen Palast ließ Herodes auf einem Kap über dem Meer bauen gleich neben dem Hippodrom, also hatte er einen schönen Blick aufs Meer er konnte aber auch Wagenrennen beobachten.

               Herodes hatte sicherlich einen feinen Sinn für Luxus, das bewies er nicht nur in Caesarea, sondern auch in der Wüstenfestung Massada, wo er sich auf der schattigen Seite des Berges seinen Palast in drei Etagen bauen ließ und vergaß nicht einmal ein großes Bad – in der Wüste – wohlbemerkt. Kein Wunder, dass Caesarea nach dem Jahr 6 nach Christi zur Residenzstadt des römischen Prokurators wurde. Im Theater von Caesarea fand man einen Stein mit dem Namen Pontius Pilatus, offensichtlich handelte sich um einen Sitzplatz für VIP in der ersten Reihe.

Die römischen Prokuratoren fühlten sich hier pudel wohl, die Stadt wurde nach dem hellenistischen Vorbild gebaut, mit Theater, Hippodrom (direkt an der Küste in unmittelbarer Nähe des Palastes, in dem Prokurator seinen Wohnsitz hatte) und Aquädukt, mit dem Herodes das Wasser in die Stadt aus dem viele Kilometer entferntem Berg Karmel leiten ließ.  Die Reste dieses Aquäduktes blieben uns erhalten und man kann sie besuchen und bewundern.

Caesarea ist heute ein riesiges archäologisches Gebiet. Das Theater selbst wurde ein bisschen unglücklich mit sehr wenig Fingerspitzengefühl restauriert. Im Grunde genommen wurde es neu gebaut, damit man hier auch heute spielen könnte,

der Hafen von Herodes befindet sich heute weiter draußen im Meer unter dem Meeresspiegel. Von der Küste sieht man die Bauten nicht, ich konnte Photos von National Geografic sehen, die aus einem tieffliegenden Flugzeug aufgenommen wurden.

Nur so sieht man, dass es wirklich ein imposantes Werk war. Die Stadttore und die Mauer von Caesarea stammen aus dem Jahr 1251, als sie König Ludwig IX. ausbauen ließ.

Gleich wie in Jaffa konnten die massiven Verteidigungsanlagen nicht viel helfen, als Caesarea im Jahr 1265 von ägyptischen Mameluken ( wieder einmal der böse Sultan Bayrbars) eingenommen und vollständig zerstört wurde – in diesem Jahr verschwand es von der Erdoberfläche, bis es im zwanzigsten Jahrhudert Archäologen entdeckten.

               Die Silhouette von Caesarea wird von einem Kraftwerk in ihrer unmittelbaren Nähe entstellt. Von ihm führt eine lange Rampe ins Meer, an ihrem Ende stehen drei Kräne.

Ich dachte lange nach, wozu das alles dienen sollte, bis ich erfuhr, dass gerade hierher polnische Schiffe Kohle bringen – letztendlich war der Gründer des Staates Israel Ben Gurion ein polnischer Jude. Israel wird fast 100% von Kohlenkraftwerken mit Strom versorgt – ein Atomkraftwerk können sich die Juden natürlich aufgrund der ständigen Terrorgefahr nicht leisten, warum aber die alternativen erneuerbaren Energien noch nicht genutzt werden, ist mir nicht ganz klar. Es gibt genug Sonne in Israel und der Wind weht vom Meer her ununterbrochen.

Caesarea Marritima – Hippodrom

Das heilige Land II.

               Die einzige Erklärung für die ewigen Kämpfe im Heiligen Land ist seine strategische Lage in der Verbindung zwischen Asien und Afrika und eigentlich auch Europa. Jeder wollte diese Kreuzung besitzen. Aber keiner war bereit, hier Ampeln einzubauen.

Es schlugen sich hier bereits Ägypter mit Hethitern. (Beide hatten hier nichts zu suchen). Die Schlacht bei Kadesch zwischen Ramses II. und den Hethitern ist die erste detailiert dokumentierte militärische Konfrontation, die beweist, wie wichtig die Beschreibung eines Geschehens ist. Obwohl der Pharao Ramses damals nur eine vollständige Vernichtung seiner Armee verhindern und einen geordneten Rückzug nach Ägypten erreichen konnte, präsentierte er diese Schlacht als einen epochalen Sieg seines Militärgenies und wir sind bereit ihm das auch noch heute zu glauben. Hethiter schrieben über die Schlacht nichts und deshalb verloren sie. Ramses hat ein Denkmal seiner Heldentaten in der Stadt Jaffa.

               Dann kamen Juden hierher, diese wurden zuerst von den Assyrern und dann von Babyloniern vertrieben. Sie schafften es immer wieder zurückzukehren und dann sogar auch den Griechen, die hierher unter der Führung des Alexanders Großen kamen, Widerstand zu leisten. Obwohl sich damals in der gesamten bekannten Welt der Einfluss des Hellenismus als der damals höchsten Stufe der Zivilisation verbreitet hat, wehrte sich nur diese einzige Nation verbittert gegen diese Entwicklung und ließ sich unter keinen Umständen hellenisieren. Es war gerade diese eine kleine Nation, die auf ihrem einzigen Gott, auf dem Verbot Menschen, darzustellen und auf den Vorschriften zum Essen und bei Feiern beharrte. Die Juden strapazierten damit ordentlich die Nerven der herrschenden Seleukiden, als diese aber versuchten, diesen unsinnigen barbarischen Widerstand zu brechen, mussten sie erkennen, dass diese Entscheidung falsch war. Die Juden konnten unter der Führung der Brüder Makkabäer ihre Feinde besiegen und ihre Unabhängigkeit erkämpfen, die aber nur bis zur Ankunft der Römer dauern konnte. Im Jahr 70 fiel Jerusalem und der Tempel, der mit riesigem Aufwand von König Herodes erbaut wurde, wurde dem Boden gleich gemacht. Weil die Juden auch danach keine Ruhe gaben und gegen die römische Herrschaft und ihre Versuche, die Juden auf die römische Art zu hellenisieren, unter der Führung Bar Kochbas rebellierten, verlor Kaiser Hadrian die Nerven. Er verbot Juden den Aufenthalt im Land Palästina und vertrieb sie in die Diaspora, die dann beinahe zweitausend Jahre dauern sollte. Ohne Juden konnte dieses Gebiet endlich erfolgreich hellenisiert werden und wurde zu einem normalen Teil des römischen und später dann des byzantinischen Verwaltungssystems. Bis hier im Jahr 614 Perser einfielen und das ganze Land inklusiv aller Kirchen (also beinahe aller, dazu kommen wir aber später) in Asche verwandelten. Die Byzantiner konnten den Krieg mit Persien im Jahr 628 nach 26 Jahren Kampf gewinnen, sie waren aber dadurch so erschöpft, dass sie Arabern, die plötzlich vereint durch einen neuen Glauben – Islam – aus den Wüsten der Arabischen Halbinsel auftauchten, keinen erfolgreichen Widerstand mehr leisten konnten. Im Jahr 635 unterlagen die Byzantiner den Arabern in der Schlacht bei Jarmuk und Palästina wurde für weitere beinahe fünf hundert Jahre arabisch.

               Im Jahr 1099 kamen die Kreuzritter des ersten Kreuzzuges, um heilige Stätte aus der moslemischen Macht zu befreien.

Damals hatte Palästina bereits einen symbolischen Wert, und den behielt es bis heute. Die Kreuzritter schufen hier ihr Königsreich, im Jahr 1291 mussten sie aber Palästina definitiv räumen und an die ägyptischen Mameluken übergeben. Die wurden wieder vom türkischen Sultan Sulejman dem Prächtigen im Jahr 1527 besiegt und Palästina wurde türkisch. Nicht einmal der Feldzug Napoleons, der ruhmlos vor den Mauern Akkos sein Ende fand, konnte an dieser Tatsache etwas ändern, bis der erste Weltkrieg, in dem sich die Türken der falschen Seite anschlossen, einen entscheidenden Bruch bedeutete. Die Araber unter der Führung von Oberst Lawrence machten einen Aufstand gegen die türkische Herrschaft, weil sie dafür ein Versprechen der Selbständigkeit für alle arabische Völker (oder Stämme, wenn man die Araber für ein Volk hält) bekamen. Baron Rotschild, der damals als Abgeordneter im britischen Parlament saß, gelang es eine Ausnahme für die Region Palästina zu erwirken und diese wurde zum britischen Mandatsgebiet. Was eine Masseneinwanderung der Juden zu Folge hatte, da diese in Rahmen einer neuen Bewegung – Zionismus, gegründet von einem Wienerjuden Theodor Herzl, in das gelobte Land zurückkehrten. Palästina blieb ein britisches Mandatsgebiet bis zum Jahr 1948, als verstimmte Briten Palästina verließen. Die Sorgen über die Zeit danach machten sich die Vereinten Nationen und diese stimmten bereits im Jahr 1947 über eine Lösung einer Konföderation zwei Staaten – eines arabischen und eines jüdischen – die im Frieden und Freudschaft zusammenleben sollten, ab.

               Die Araber lehnten diese Lösung ab und sofort nach dem Abzug der Briten, griffen sie die Juden unter der Führung ehemaliger SS Offizieren an, mit dem Ziel den Holocaust auf dem Gebiet Palästinas fortzusetzen. Der Krieg ging aber für die Araber verloren. Deutsche Offiziere hatten nicht gerade kleine Probleme mit der arabischen Kampfmoral. Wenn sie einer deutschen Einheit einen Befehl zum Angriff gaben, ging diese in den Angriff. Wenn sie das gleiche mit einer arabischen Einheit taten, blieb diese im Schützengraben liegen. Israelis gewannen den Krieg und erweiterten wesentlich das Gebiet, das sie ursprünglich von UNO zugesprochen bekamen – grundsätzlich das Gebiet des heutigen Israels. Im Jahr 1967 versuchten drei arabische Länder diesen „faux pas“ zu korrigieren. Israel erfuhr rechtzeitig von dem geplanten Angriff und griff einen Tag früher an. Der Angriff der Araber wurde nicht nur abgewehrt, Israel besetzte das Land westlich des Flusses Jordan mit Ostjerusalem, die Golanhöhen und die Halbinsel Sinai. Im Jahr 1973 wollte der ägyptische Präsident Anvar Sadat diese Schande gutmachen und griff gemeinsam mit Syrien und Jordanien Israel am Tag des größten jüdischen Feiertages „Jom Kippur“ an. Auch diesmal ohne Erfolg. Israel schloss mit Ägypten Frieden im Jahr 1978, zwanzig Jahre später dann auch mit Jordanien, nur mit Syrien hat es keinen Friedensvertrag bis heute.

               Schibli informierte uns über diese Ereignisse aus dem palästinischen Blickwinkel. Über die arabische Ablehnung der Zweistaatslösung von 1947 sagte er kein Wort. Israel vertrieb seiner Meinung nach Palästinenser einfach ohne Grund aus ihrer Heimat. Im Jahr 1967 handelte sich natürlich um eine unverschämte grundlose israelische Aggression und im Jahr 1973 hätten Ägypter Israel bereits vernichtet und die Premierministerin Golda Meier weinte im Telefonat mit Präsident Nixon „Tel Aviv wird fallen“ und dann kamen Amerikaner, und zwangen Ägypter sich zurückzuziehen. Historische Bücher sagen etwas anderes. Weil es den Arabern gelang, die israelische Luftwaffe durch einen Überraschungsangriff am Boden zu vernichten, waren Juden in einer wirklich schwierigen Lage und Golda Meier war sogar bereit, Atomwaffen einzusetzen. Andererseits, die Mobilisierung der israelischen Armee verlief schneller als es sich arabische Führer überhaupt vorstellen konnten (am Tag der Feier „Jom Kippur“ waren die Wege in Richtung Kaserne logischerweise frei) und gerade die Angst vor einem Atomkrieg bewegte die Amerikaner zu einer massiven finanziellen Unterstützung Israels in der Höhe 2,2 Milliarden Dollar – das Wichtigste war, dass Amerikaner Israelis neue Flugzeuge geliefert haben. Danach durfte sich schon General Sharon durch einen überraschenden Selbstmordangriff über den Suezkanal berühmt machen, der den Krieg zu Gunsten Israels entschieden hat.

               Araber stellen sich ständig in die Position der Opfer.

Nicht nur Palästinenser, sondern Moslems allgemein. Für alles ist der böse Westen schuld, das den Erfolgen der arabischen Welt im Wege steht. Deshalb können sie niemals eine Selbstreflexion erreichen, eigene Fehler erkennen und korrigieren und dadurch kann es auch zu keiner Besserung ihrer Situation kommen. Aus der Schiblis Erzählungen konnte man diese Einstellung sehr intensiv spüren. Juden wurden von ihm in die Schlechten und die Schlechtesten unterteilt. Der einzige gute Jude war seiner Ansicht nach Jicchak Rabin und der wurde von Juden im Jahr 1995 ermordet.

               Wenn man durch das Land reist, kann man die Palästinenser einigermaßen verstehen. Es reicht nur an der achtmeterhohen Mauer vorbei zu fahren, die das Land trennt.

Natürlich kann man die Argumentation Israels verstehen, dass sich das Land vor dem Terror schützen möchte und diese Mauer wäre auch legal – hätte sie Israel nicht großteils auf palästinensischem Gebiet gebaut. Es war für mich schockierend, wie Schibli reagierte, als ich Graffiti auf der palästinensischen Seite der Mauer fotografieren wollte. „Das dürfen Sie nicht, hier darf man nicht fotografieren!“

               „Es ist verboten, beim Grenzübergang zu fotografieren, hier gibt es aber keinen.“

               „Es ist sicher irgendwo ein Polizist und dann werden Sie eine hohe Strafe zahlen müssen!“

               Natürlich gab es dort weit und breit keinen Polizisten, letztendlich befanden wir uns in Zone A in Betlehem – die Reaktion Schiblis erinnerte mich aber an ein sehr ähnliches Erlebnis in Ostberlin im Jahr 1981. Die Ostdeutschen hatten damals eine panische Angst sich der Berliner Mauer nur zu nähern, wie heute die Palästinenser.

               Die Israelis sind natürlich Meister der Provokationen. Neben der Mauer, die großteils auf palästinensischem Gebiet verläuft, sind das ihre illegalen Siedlungen.

Also illegal sind sie nach der internationalen Rechtssprechung, nicht aus israelischer Sicht. Das Gebiet von Palästina am Westufer des Jordans wurde im Vertrag zwischen Jassir Arafat und Jicchak Rabin in drei Zonen geteilt, die eine nach der anderen Palästinensern in ihre Verwaltung übergeben werden sollten. In der Zone A sind Städte wie Ramallah, Jericho oder Betlehem. Hier haben die Palästinenser die Zivilverwaltung und Ordnungskräfte inne – also die Polizei, weil sie keine Armee haben dürfen) In der Zone B, die ihnen später übergeben werden sollte und in erster Linie Land betrifft, haben die Palästinenser die Zivilverwaltung, nicht aber die Sicherheit in ihrer Hand. Zone C bleibt in israelischer Macht. Hier darf kein Palästinenser Grund kaufen, ein Jude aber sehr wohl. Diese Zone C gibt es an den Grenzen des Palästinischen Staates, also auch um den Fluss Jordan. Eine Bildung eines vereinten Gebietes des Staates Palästina ist schlicht unmöglich und die Israelis wissen es. Deshalb tun sie, was sie tun.

               Gleich ist es mit Ostjerusalem. Nach dem Ende des Krieges von 1948 verlief die Grenze unter der Mauer der Altstadt, die gänzlich zu Palästina gehörte. Israel besaß das neue, moderne Westjerusalem (deshalb gibt es hier die Knesset – das israelische Parlament). Als die israelische Armee Ostjerusalem eroberte, lebte hier kein einziger Jude. Gerade hier werden neue moderne Siedlungen für Juden gebaut. Die Miete für eine Wohnung in Westjerusalem beträgt um 2000 Dollar monatlich, was sich junge Familien nicht leisten können. In Ostjerusalem kostet die Miete nur einen Bruchteil dieser Summe. Deshalb gehen hierher vor allem junge, kinderreiche jüdische Familien. Heute leben in Ostjerusalem neben 300 000 Araber bereits 150 000 Juden – die Tendenz steigend. In einigen Jahrzehnten werden die Juden in Ostjerusalem die Mehrheit darstellen.

               Übrigens einen Übergang von israelischem zu palästinischem Gebiet würde man auch ohne Mauer erkennen. Wenn in Israel eine fast unglaubliche Ordnung herrscht – vergeblich würde man nach verworfenem Abfall oder einem Zigarettenstümmel suchen, nach dem Überqueren der Grenze lagen die Abfälle entlang der Straßen, in der Mitte der Fahrbahn standen Kafeeverkäufer und auf den Balkons trocknete die Wäsche. Einfach Orient!   

               Natürlich kann Israel im Streit mit Palästinensern viel verständlicher argumentieren, einfach mehr europäisch. Ein genialer strategischer Zug war die Räumung des Gazastreifens, der ganz als Zone A an die Palästinenser übergeben wurde. 5000 israelische Siedler wurden gewaltsam abgeschoben. Heute herrscht hier Hamas und schießt Raketen nach Israel und Israel kann vor der ganzen Welt argumentieren – so schaut es aus, wenn man Palästinenser lässt, sich selbst zu regieren – auf der Westbank hält sich die gemäßigte Fatah nur dank israelischer Unterstützung an der Macht und profitiert von ihrer Loyalität. Die Städte wie Ramallah oder Betlehem haben eine der höchsten Lebensqualitäten in der arabischen Welt – sie hassen trotzdem die Juden verbittert.

               Das tun offensichtlich auch Palästinenser, die auf dem Gebiet Israels leben und israelische Bürgerschaft besitzen (offiziell sind das 1,2 Millionen Menschen, laut Schibli 2,4 Millionen – Schibli glaubten wir aber immer ziemlich ungern, er ließ sich zum Beispiel nicht ausreden, dass die von Israel besetzten Golanhöhen 18 000 km2 groß sind. Weil das ganze Land Israel 21 000 km2 hat, war ich nicht bereit, ihm das zu glauben und ich machte es richtig – es sind natürlich nur 1800 km2). Diese israelischen Bürger arabischer Nationalität haben alle Rechte wie Juden – mit einer Ausnahme, sie haben keine Wehrpflicht. Der Wehrdienst dauert bei jungen Israelis 3 Jahre bei Männern und 2 Jahre bei Frauen. Wir sahen während unseres Besuches viele Soldaten, interessant war, dass die meisten Instrukteure bei verschiedenen Schulungen Frauen waren – übrigens die Uniformen standen ihnen sehr gut.

               Interessant für mich war, dass sich Palästinenser weigerten, den Schekel, also das offizielle Zahlungsmittel Israels, zu akzeptieren. Diese Tatsache war ich bereit in der Westbank zu verstehen, wo Palästinenser wirkliche Probleme haben, die Mauer in Richtung Israel zu überwinden und deshalb hier der amerikanische Dollar eine Parallelwährung und der Euro auch willkommen ist. Wenn aber eine Zahlung in Schekel nicht einmal ein Palästinenser (israelischer Bürger) in Nazareth, also im Gebiet Israels, annehmen wollte, hatte ich dafür kein Verständnis. Sein Argument, er täte das wegen der Inflation, war absolut falsch – der Schekel ist an den Dollar fest gebunden (wie einmal der Schilling an die deutsche Mark) und es kommt zu keinen Kursschwankungen zwischen diesen zwei Währungen. Es handelte sich also um eine rein emotionale Angelegenheit. Und Emotionen im Handel….

               Emotionen gibt es in diesem Land im Überfluss. Schon deshalb, weil dieses Land gleich für drei monotheistische Religionen heilig ist – für Juden, Moslem und Christen.

               In meinem nächsten Artikel in zwei Wochen möchte ich mich auf die Spuren Christi begeben, also die heiligen Stätte der christlichen Religion besuchen. Wer Interesse hat, sollte mich in zwei Wochen wieder besuchen. Entweder deshalb, weil er dort noch nicht war und will wissen, was ihn dort erwarten würde, wenn die Coronapandemie vorbei ist oder um sich eigene Erinnerungen an seinen Besuch aufzufrischen. Beide werde ich auf meiner Website willkommen heißen.

Das heilige Land

Es gibt Dinge, die man zumindest einmal im Leben erleben sollte, diesmal ohne Betonung des Wortes „einmal“. Seit ewiger Zeit pilgern Menschen ins Heilige Land um am eigenen Leib das Mysterium der Entstehung unseres Glaubens und unserer Kirche erleben zu können. Sie taten das Tausende Jahre lang, oft unter Einsatz des eigenen Lebens.

               Heute steht das Coronavirus dem Pilger im Weg, es ist aber anzunehmen, dass sobald es den Platz räumt, die Pilgerreisen wieder in Schwung kommen. Wir haben unsere Reise noch zwei Jahre vor der Coronaviruspandemie geschafft. 

               Weil ich den Ausflug persönlich organisierte und damit die Verantwortung für alle eventuelle Misserfolge und Komplikationen trug, entschloss ich mich, nichts dem Zufall zu überlassen. Und genau das hat sich als großer Fehler erwiesen.

  1. Weil ich von meinen Nachbaren, die Israel ein Jahr vor uns besucht hatten, vor israelischen Hotels gewarnt wurde, nämlich, dass die Bezeichnung mit den Sternen dem mitteleuropäischen Standard nicht entspricht, entschloss ich mich, für die bessere Hotelkategorie aufzuzahlen. Demzufolge landeten wir mit meiner Gattin in einer 43-köpfigen Pensionistengruppe, wo wir beinahe das jüngste Element darstellten. Als uns der Reiseführer bereits das dritte Mal mit Nachdruck erinnerte, dass niemand seine Zähne im Badezimmer vergessen sollte, verstand ich, dass ich möglicherweise nicht in der richtigen Gruppe war.  Die Gruppe, die mit dem selben Reisebüro reiste, aber das bessere Hotel nicht aufzahlte, war 15-köpfig, jung, lustig und hatte sogar einen besseren Reiseführer. Na gut, möglicherweise hätte ich in der Gruppe wie eine pädagogische Aufsicht ausgesehen, aber in der Gesellschaft junger Menschen fühle ich mich immer jung und frisch. In unserer Gruppe war es nicht der Fall. Manche Teilnehmer waren schon vergesslich und fragten immer das selbe, die anderen waren schwerhörig – mit dem gleichen Effekt. Einer hatte eine Obsession, in der er „illegale israelische Siedlungen“ sehen wollte und er vermutete sie in jedem arabischen Dorf, womit er unseren Reiseführer in den Wahnsinn trieb. Dann fuhren wir im Jordantal stundenlang an diesen Siedlungen vorbei, was er nicht bemerkte und als wir dann in Richtung Betlehem abbogen, wiederholte er seine Frage, wann endlich die illegalen Siedlungen kommen würden, womit er unseren Reiseführer an den Rand eines Herzinfarktes brachte. Zwei der Damen waren nicht nur ältere Jahrgänge, sondern auch ziemlich voluminös und bereits in Akko, bei unserem ersten Stopp, hat die erste von ihnen den Kontakt mit der Gruppe verloren. In Caesarea verloren wir dann auch die zweite und unser Reiseführer verlor definitiv die Nerven. Es war ein Wunder, dass wir letztendlich alle nach Hause kamen.
  2. Weil ich wusste, dass die Amerikaner zum 70 – jährigen Jubiläum der Entstehung des Staates Israel ihre Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem verlegen wollten (und dies dann auch taten), konnte man zu diesem Datum große Unruhen erwarten. Israel wurde am 15.Mai 1948 gegründet und ich wählte also den Termin für unseren Ausflug für April in der Erwartung, dass im April die Palästinenser für ihre Proteste noch die Kräfte vorbereiten würden. Die Demonstrationen im Gazastreifen betreffen die Touristen nicht direkt, Tränengas im Tempelbezirk schon. Wie groß war meine Überraschung, als am Tag nach unserer Ankunft Israel 70 Jahre seiner Entstehung feierte. Ich habe das nicht verstanden. Ich verwendete natürlich Google, dort wurde auf dem 15.Mai bestanden. Unser Reiseführer war nicht im Stande, mir diesen Widerspruch zu erläutern – später bin ich darauf gekommen, dass es bei weitem nicht die einzige Sache war, bei der er daneben lag. Einen Tag später habe ich erfahren, dass die Juden nach ihrem, also nach dem Mondkalender, feiern und die Gründung des Staates Israel auf den fünften Tag des achten jüdischen Monats fällt. Was im Jahr 2018 der 19.April war. Gott sei Dank wussten das die Amerikaner nicht!
  3. Ich hatte bestimmte Befürchtungen bezüglich der koscher Küche und des Sabbats. Das Essen war für mich eine sehr angenehme Überraschung. Natürlich findet man im Angebot kein Schweinfleisch oder Kaninchen und Meeresfrüchte sind auch tabu. Gott erlaubte den Juden nur das zu essen, was an den Füßen zwei Zehen hat, also eigentlich nur Zweihufer, Rind, Schafe und Ziegen. Fische sind erlaubt, warum Sepien, Muscheln oder Oktopus nicht koscher sind, konnte ich nicht erfahren. Natürlich darf Milch und Milchprodukte Fleisch nicht berühren, was Juden durch einen Satz im Buch Levi begründen „Du wirst nicht das Zicklein in der Milch seiner Mutter kochen“. In der Praxis bedeutet es, dass, wenn es zum Frühstück Käse gibt, man keinen Schinken findet, nicht einmal aus Rind oder Geflügel, obwohl Vögel keine Milch haben. In den Zeiten Christi wurden die Galiläer nicht für rechtgläubige Juden gehalten. Nicht nur wegen ihres spezifischen Dialektes, sondern auch, weil sie Huhn in Sahnesauce aßen. Ihre Argumente, dass Huhn keine Milch hat, fruchteten nicht einmal damals. Darüber zu diskutieren zahlt sich einfach nicht aus. Übrigens, durch koschere Zubereitung wird Fleisch unglaublich fein und schmackhaft. Ich habe noch nie ein so weiches Rindfleisch gegessen und das Geflügel schmeckte genau so wunderbar. Der Grund dafür ist wahrscheinlich die Tatsache, dass Fleisch vom Blut befreit werden muss. Nicht nur, dass das Vieh bei der Schlachtung vollständig ausbluten muss, sondern danach werden zusätzlich alle Gefäße auspräpariert und anschließend wird das Fleisch in eine spezielle Salzmarinade eingelegt und diese zieht auch die letzten Blutreste aus dem Fleisch. Ein Verbot, das Blut zu essen, findet man in der Bibel mindestens an fünf Stellen – übrigens an diese Stellen (verdreht in Richtung Bluttransfusionen) stützt ich auch der Glaube der Zeugen Jehovas. Die koschere Küche war für mich also eine sehr angenehme Überraschung.
  4. Mit dem Sabbat war es schon ein bisschen schlimmer. Am Freitagabend wurden wir aus dem Speisesaal durch eine auf fünfzehn – vielleicht sogar zwölf – Grad eingestellte Klimaanlage vertrieben. Der Sabbat beginnt am Freitag nach dem Sonnenuntergang und wir wollten nicht nur essen, sondern auch bei einem Glas Wein diskutieren. Das war unzulässig, der Sabbat war da. Am Samstag früh fanden wir unter dem Tisch die Reste des Abendessens von Freitag, weil nicht geräumt wurde und der Toaster war außer Betrieb. Er war mit einem Tuch abgedeckt und wenn eine Dame einen Toast machen wollte, wurde sie sehr energisch aufmerksam gemacht, dass auch der Toaster Sabbat einzuhalten habe. Es ist notwendig, auf Sabbatlifte aufzupassen. Die sind in den Hotels speziell gekennzeichnet. Für einen orthodoxen Juden ist sogar das Drucken der Taste im Lift ein prägnanter Verstoß gegen das Arbeitsverbot. Deshalb bleibt dieser Lift in jedem Stockwerk stehen und er steht hier eine ganze Minute, damit Menschen ein- und aussteigen können. Umso angenehmer ist es am Samstag auf den israelischen Straßen zu fahren. Die heilige Schrift erlaubt nämlich einem Juden sich nur zur nächsten Synagoge von zu Hause zu entfernen und das kann man zum Fuß bewältigen.
  5. Interessant ist die Lösung des Wochenendeproblems. Für die Juden ist der Ruhetag der Samstag für die Moslems der Freitag. Also auf  den meisten Gebieten des Staates Israel wird Wochenende am Freitag und Samstag gehalten. Es gibt aber auch Gebiete, in denen neben Juden auch Christen leben. Dort gibt es das Wochenende am Samstag und Sonntag. Am schlimmsten ist es in Betlehem, wo Moslems und Christen miteinander leben.  Dort hat man Wochenende Freitag und Sonntag und wenn man längere Freizeit haben möchte, muss man am Samstag Urlaub nehmen.
  6. Die offizielle Sprache in Israel ist Hebräisch und Arabisch, alle Aufschriften sind dreisprachig (zusätzlich noch Englisch). Also fast alle – auf denen, die Parkregeln betreffen, fehlt Englisch – das ist eine Falle für mutige Touristen, die durch Israel in eigenem Fahrzeug reisen möchten. Und natürlich in den palästinischen Gebieten (auch direkt in Israel) sind trotz aller Vorschriften die Texte auf den Tafeln nur arabisch. Von den offiziellen Stellen wird es offensichtlich akzeptiert.
  7. Wir waren mit einem palästinischen Reisebüro unterwegs. Das wussten wir in Österreich nicht, unser Reiseanbieter informierte uns über diese Tatsache nicht. Obwohl uns auffallen konnte, dass wir vier Nächte in Betlehem, also im palästinischen Gebiet übernachten sollten. Damit hatte ich kein Problem. Eher mit unserem Reiseführer. Als er uns auf dem Flughafen mit einem verzweifelten Ruf: „Wie viele seid ihr?“ begrüßte, sank bereits bei dem ersten Kontakt mein Vertrauen in seine Person. Ich hatte das Gefühl, dass genau das sollte eher er als wir wissen. Leider Gottes ist es ihm nicht gelungen, mein angeschlagenes Vertrauen zurück zu gewinnen. Unser Schibli (was im Arabischen angeblich „Kleiner Löwe“ bedeutet) war zwar sehr lieb und hatte mit unserer Gruppe  – wie ich schon erwähnte – nicht gerade kleine organisatorische Probleme. Diese konnte er beherrschen, mich störten eher seine ziemlichen Wissenslücken.  Und das nicht nur in der Botanik, sondern vor allem in der Geschichte.
Istaelische Siedlung im Jordantal

               Dass er aus Pompeius einen Kaiser machte und ihm den Satz Vespasianus,  „Geld stinkt nicht“ zuschrieb, habe ich noch irgendwie überlebt, sowie auch die Tatsache, dass er die Makkabäer mit Bar Kochba verwechselt hat. Ich nahm ohne Proteste sogar seine permanente Behauptung hin, dass Kaiser Konstantin mit seiner Mutter Helena auf einer Pilgerreise das Heilige Land besuchte, hier im Jahr 324 (wo er zu diesem Datum kam, blieb mir rätselhaft, da in diesem Jahr gar nichts passiert ist) das Christentum zur Staatsreligion des Römischen Reiches erklärte und damit die Byzantinische Zeitperiode begann. (Nur zur Korrektur, Kaiser Konstatin erlaubte im Edikt von Mailand im Jahr 311 den Christen freie Ausübung ihrer Religion, er selbst wurde nie zum Christ und deshalb hat er auch nie eine Pilgerreise nach Palästina unternommen. Zur offiziellen Staatsreligion wurde das Christentum durch das Edikt des Kaisers Theodosius im Jahr 380 und die byzantinische Zeitperiode begann mit der Teilung des Römischen Reiches in ein West- und ein Oströmisches Reich im Jahr 395). Das alles habe ich irgendwie verdaut, aber seine Erklärung, dass im zweiten Weltkrieg die Briten Deutsche aus ihrer Kolonie in Haifa als Nazis vertrieben und diese dann nach Malta auswanderten und dort den Deutschritterorden gründeten, war schon weit jenseits meiner Schmerzgrenze. Aber zu einer Pilgerreise gehört ein bisschen Leiden, es geht letztendlich um den Sündenerlass und so hoffe ich, dass ich, da ich Schiblis Ausführungen überstand, ohne gegen ihn Gewalt anzuwenden, nach Hause sündenfrei gekommen bin. Ich muss aber zugeben, dass ich es am letzten Tag unseres Ausfluges auf dem Weg nach Massada nicht ausgehalten habe. Ich entwendete ihm das Mikrofon und brachte die Geschichte des Königs Herodes den Anwesenden selbst bei. 

Meine tschechischen Leser wissen, dass es sich dabei um meine Herzangelegenheit handelt, mein Roman über diesen Herrscher erschien im Jahr 1998 (und das zweite Mal dann im Jahr 2005) und obwohl ich nach zwanzig Jahren schon einiges vergessen hatte, konnte ich trotzdem ein qualifizierteres Bild des antiken Tyrannen darstellen, als es unser lieber Schibli im Stande gewesen wäre. Ich ersparte mir dadurch einen Herzinfarkt.

               Schiblis Deutsch war nicht auf dem höchsten Niveau – obwohl nicht schlecht – in Laufe des Tages wurde es aber durch die zunehmende Müdigkeit schlechter. Dieses Phänomen kenne ich aus meinen österreichischen Anfängen, daher hatte ich dafür ein volles Verständnis und war bereit,  es ihm zu verzeihen. Aber dass er die Flagge von Jordanien nicht kannte (die sich von der palästinischen nur durch einen silbernen Stern im schwarzen Feld unterscheidet) obwohl er selbst behauptete, dass er zu seiner Familie in Chicago von Amman flog (weil Palästinenser den Flughafen in Tel Aviv nicht benutzen dürfen), war wieder einmal eine Enttäuschung.

               Übrigens, ob zufrieden oder unzufrieden, das Trinkgeld wird erbarmungslos kassiert und hat feste Regel. Für das Hotelpersonal 1 Euro pro Nacht, für den Busfahrer 1,5 Euro pro Tag und für Schibli 3 Euro pro Tag. Freiwilligkeit wird dabei nicht gepflegt. Also viel Bargeld auf die Pilgerreise mitnehmen.

Also gut, lassen wir unseren glücklosen Reiseführer in Ruhe, ich konnte mich übrigens für die Reise bereits zu Hause vorbereiten. Was ich auch getan habe und das war möglicherweise das Problem. Ich habe nachgedacht, warum Menschen um dieses Stück Landes seit fünf tausend Jahre ununterbrochen streiten. Nicht das es hässlich wäre, es besitzt sogar einen bestimmten Zauber , es gibt hier aber weder Erdöl, noch Gold oder andere Bodenschätze und das Leben hier bedeutet einen permanenten Kampf um jeden Tropfen Wasser. Wenn sich die Natur hier schon einmal so schonungslos zeigte, warum haben die Menschen einen unüberwindbaren Drang, das noch schlechter zu machen. Aber darüber reden wir das nächste Mal in zwei Wochen. Ihr seid willkommen.

Der Weg zur Macht

Ich habe mich entschieden, meinen Lesern einmal etwas anderes als ein Reisebericht anzubieten. Nämlich eine historische Kurzgeschichte aus dem Jahr 44 vor Christus, also ein kleines Beispiel meiner literarischen Tätigkeit. Natürlich ist der Text etwas länger, aber ich hoffe, dass er trotzdem Leser findet. Ich bitte um eine Rückmeldung, ob es Interesse um diese Art der Unterhaltung gibt. In zwei Wochen gibt es aber wieder einen Reisebericht – aus dem Heiligen Land.

Der Weg zur Macht

Apollonia, März im Jahr 44 vor Christus

Siehst du das, Marcus?“

Einer der drei Burschen, die auf der Mauer der Stadt Apollonia saßen, zeigte in die Mündung des Flusses Vhosa, die durch das Tal unterhalb der Stadt floss. Vom Meer her wehte eine kalte Briese. Sie machte frisch, zerzauste den Burschen die Haare, war aber nicht unangenehm. Sie waren alle keine zwanzig Jahre alt und sie strahlten vor altersbedingter Sorglosigkeit. Das Tal unter ihnen war voll blühender Bäume, das Land um den Fluss Vhosa war das fruchtbare Hinterland der Stadt.  Es war März, die Bäume blühten, die Felder wurden grün. Die Natur war im Aufwachen und sie versprach ein gutes Jahr.

„Was?“ fragte der zweite.

„Ein Schiff.“

Jetzt wunderte sich auch der dritte. „Na und? Schiffe kommen ständig hier her,  Apollonia ist ja der Ausgangspunkt der Via Egnatia. Die Ware wird hier seit Jahrhunderten umgeladen.“

               „Das ist aber kein Frachtschiff“, erklärte der erste. „Es ist eine Kriegsgaleere.“

               Der andere legte die Hand auf die Stirn, um seine Augen vor der Sonne zu schützen und schaute eine Weile in die Ferne. „Du hast recht, Gaius“, sagte er dann. „Was will sie hier?“

               Der dritte der Burschen zuckte mit den Schultern. „Ist das nicht egal? Es ist Frieden und eine Galeere bringt nicht zu viel Soldaten her. Das wird uns die Langweile auch nicht vertreiben.“

               „Es ist nicht egal, Gaius“, korrigierte ihn der erste, der auch Gaius hieß. „Vielleicht bringt sie eine wichtige Nachricht.“

               „Hast du vergessen, Gaius“, lächelte Marcus, „dass sich Gaius Cilnius Meacenas für Politik nicht interessiert?“

               „Gaius Oktavianus interessiert sie aber um so mehr“, sagte Gaius Oktavianus. „Und ich hoffe, dass Marcus Vipsanius Agrippa das gleiche tut.“

               „Na ja“, stimmte Agrippa unwillig zu. „Einmal werde ich mich damit beschäftigen müssen. Jetzt gibt es für mich aber noch die Zeit des Studiums,  politische Intrigen können noch warten. Ich habe es nicht eilig. Meine Lage ist anders, als deine, Gaius. Mein Vater ist kein Herrscher über Rom.“

               „Meiner sehr wohl“, sagte Oktavianus. „Manchmal bringt er mich zur Verzweiflung.“

               „Warum, bitte?“ wurde jetzt Maecenas aufmerksam, obwohl er sich bisher bei der Debatte seiner Freunde eher langweilte.

               „Na gut, er kennt sich in der Kriegsführung gut aus, aber die Politik macht er eben wie ein Heerführer auf dem Schlachtfeld. Direkt und brutal. Einfach ungeschickt. So geht es nicht.“

               „Wieso nicht?“ wunderte sich Agrippa. „Sein Wahlkampf vor vierzehn Jahren, als er das erste Mal zum Konsul gewählt wurde, ist auch heute noch ein Vorbild für die Führung eines politischen Kampfes.“

               „Ein negatives Vorbild“, grinste Oktavianus. „Seine politischen Gegner mit Fäkalien zu überschütten ist unter jedem Niveau. Und das hat einen lebenslangen Hass zur Folge.“

               „Er wurde zum Diktator auf Lebenszeit“, erinnerte Agrippa. „Mehr kann man nicht erreichen.“

               „Man kann“, sagte Oktavianus langsam und streckte den Rücken. „Man kann ein neues System der Regierung aufbauen. Ein dauerhaftes System, das die Stabilität und Macht nicht nur für dich, sondern für die ganze Familie sichern kann. Natürlich auch für den Staat, über den du herrschst. Für ganze Generationen. Das kann er aber nicht.“

               „Wie meinst du das?“ fragte Agrippa. „So müsste er König werden. Aber eine Königskrone werden ihm die Römer nie gönnen.  Rom ist und bleibt eine Republik. Wer sich zum König krönen lassen möchte, wird schlecht enden, da bin ich mir sicher.“

               „Da hast du recht“, stimmte Oktavianus zu. „Ist aber die Krone wirklich das Wichtigste?“

               „Ich verstehe nichts“, sagte Maecenas. Das Schiff näherte sich dem Hafen. Sie sahen, dass am Bug ein Mann in der Uniform eines Offiziers stand.

               „Schau. Wenn du einen Frosch ins heiße Wasser wirfst, springt er heraus, um sich zu retten. Wenn du ihn aber ins kalte Wasser legst und dann langsam das Wasser wärmst, wird er im kochenden Wasser krepieren ohne den Zeitpunkt zu bemerken, an dem er bereits zu Tode verurteilt war und keine Chance mehr hatte, sich zu retten. Genauso musst du das mit der Demokratie machen, also mit ihren Trägern, mit den Herren Senatoren. Sie dürfen nicht merken, dass sie ihre Macht verlieren, dann werden sie dir noch applaudieren. So etwas kann aber der Vater nicht.“

               „Du stellst die römische Demokratie in Frage?“ erstaunte Agrippa. „Willst du sie vielleicht sogar abschaffen?“

               „Hast du das Gefühl, lieber Marcus, dass sie sich wirklich bewährt hätte? Ein Bürgerkrieg folgt dem anderen, es gibt Tausende toten Legionären! Anstatt das Reich an seinen Grenzen zu schützen, neue Gebiete zu erobern und Rom mit Sklaven zu versorgen, schlachten sie sich gegenseitig ab. Teuer bewaffnet und teuer ausgebildet. Glaubst du, wir könnten uns so etwas auf Dauer leisten? Seit Jahrzehnten kennt Rom nichts anderes als Krieg.“

               „So war es doch immer“, sagte Agrippa. „Der Tempel des Gottes Janus war in der ganzen Geschichte Roms nur fünfmal geschlossen.“

               „Allerdings kämpften die römischen Legionen damals auf fremdem Gebiet. Und das fremde Land versorgte sie. Heute kämpfen sie auf römischem Gebiet und plündern es. Hast du es nicht hier in Epiros gesehen? Wie lange ist es her, als hier Vater gegen Pompeius gekämpft hat? Vier Jahre! Hast du das Gefühl, dass sich das Land vom Krieg erholt hätte? Das muss ein Ende haben! Wenn ich zum Herrscher werde, wird es Frieden geben. Meinen Frieden! Weil ich ihn allen diktieren werde. Damit sich die Menschen endlich ihren Feldern und ihrem Handwerk widmen könnten.“

               „Glaubst du, du könntest nach deinem Vater sein Nachfolger im Amt des Diktators werden?“

               Oktavianus sah Agrippa nachsichtig an. „Natürlich nicht. Der Titel ist nicht erblich. Sollte ich so etwas anstreben, wäre ich schnell ein toter Mann.“

               „Also wie willst du…?“

               „Erinnerst du dich an den Priester? Als wir nach Apollonia gekommen sind?“

               „Natürlich kann ich mich erinnern“, antwortete Agrippa. „Sein Name war Theón. Als er dich gesehen hat, fiel er vor dir auf die Knie und prophezeite dir eine große Zukunft.“

               „Also, ich habe nicht die Gewohnheit, Prophezeiungen auf die leichte Schulter zu nehmen. Hinter ihnen stehen die Götter und sie bestimmen die menschlichen Schicksale.“

               „Wer glaubt schon heutzutage an Götter?“ lächelte Maecenas. „Sie sind nur mehr Objekte für Bildhauer und Maler, nichts mehr.“

               „Ich glaube an sie“, antwortete Oktavianus trocken. „Möglicherweise bin ich der letzte. Aber gerade deshalb werde ich zum Hochpriester – Pontifex maximus.“

               „Pontifex maximus?“ schüttelte Agrippa den Kopf. „Ein Amt ohne Bedeutung und verbunden mit vielen Pflichten.“

               „Und deshalb will es keiner. Ich werde also bei meiner Bewerbung keine Konkurrenz haben, zumindest keine, die ich ernst nehmen müsste“, lächelte Oktavianus.

               „Warum willst du dich um so etwas Entbehrliches bewerben?“ wunderte sich Maecenas. „Hast du nichts Wichtigeres zu tun?“

               „Schon. Natürlich habe ich das. Oder ich werde es haben. Ich darf aber nichts vernachlässigen. Ich werde es einmal brauchen, dass die Priester, die Haruspices, nach meiner Anweisungen prophezeien. Glaubt mir, das hilft wirklich.“

               Das Schiff legte gerade im Hafen an. Die Männer am Bord warfen die Taue hinaus, Männer auf der Mole ergriffen sie und zogen das Schiff zum Ufer.

               „Seit mir Theón die glänzende Zukunft vorausgesagt hat, bemühe ich mich die Pfeiler der Macht zu identifizieren. Es war übrigens die Idee des Vaters, mich gerade hierher, nach Apollonia, für mein Studium zu schicken, und die war nicht schlecht. Wir haben hier viel gelernt und unsere Lehrer gaben uns genug Raum für eigene Initiativen und Zeit zum Nachdenken. Was braucht also ein Mensch um herrschen zu können?“

               „Geld“, sagte Maecenas. „Ohne Geld kannst du keine Wahl gewinnen. Wenn du im Amt des Ädils keine ordentlichen Spiele veranstaltest, kannst du das Amt eines Prätors oder Konsuls vergessen.“

               „Im Prinzip hast du recht“, stimmte Oktavianus zu. „Zumindest bei der ersten Wahl sind große finanzielle Opfer unentbehrlich. Ich hoffe, dass mir mein Vater eine große Erbschaft hinterlassen wird. Er bereicherte sich mehr als genug einerseits in Gallien und andererseits indem er die Besitzungen der Pompeius- Anhänger konfiszierte.“

               „Das Geld wirst du immer brauchen“, sagte Agrippa.

               „Das Geld liegt in den Provinzen“, sagte Oktavianus. „Die Senatoren sind bereit, sich gegenseitig sogar zu töten, um zu Prokonsuln oder Proprätoren zu werden, um zumindest für ein Jahr eine reiche Provinz wie Achaia, Asia oder Hispania verwalten zu dürfen.“

               „Eben“, sagte Maecenas. „Sie könnten dich deshalb  töten“

               „Ich überlasse ihnen die reichen Provinzen gerne“, sagte Oktavianus. „Hast du aber schon einmal jemanden gesehen, der gerne Prokonsul in Gallien, Pannonien, Dalmatien oder Thrakien werden möchte? Geschweige in Belgien oder Lusitanien? Wenn ich an die Macht komme, werde ich mich opfern und die Verwaltung dieser unattraktiven Provinzen übernehmen, die sonst keiner will. Ich könnte sie sogar alle auf einmal verwalten. Es ist zwar viel Arbeit für wenig Geld, aber aus jeder Provinz kommt etwas. Wenn ich sie vernünftig verwalte, bringen sie alle zusammen mehr als jede einzelne der reichen, aber dauernd geplünderten Provinzen. Und weil ich sie nicht nur für ein Jahr haben werde, müsste ich das Geld nicht so brutal herausquetschen, wie das die Herren Prokonsuln tun. Und die Senatoren werden mir noch dankbar sein, dass sie nicht hingehen müssen.“

               „Zur Erhalt der Macht brauchst du eine Armee“, wandte Agrippa ein „Ohne Soldaten wird das Geld nichts bringen.“

               „Wo sind die römischen Legionen stationiert?“ fragte Oktavianus.

               Agrippa musterte ihn mit einem überraschten Blick und sein Gesicht erstrahlte: „In den Grenzprovinzen.“

               „Richtig. Und wer ist der Oberbefehlshaber dieser Legionen?“

               „Der Provinzverwalter“, sagte Agrippa mit Lachen. „So bleiben beinahe alle Legionen unter deinem Kommando.“

               „So ist das“, sagte Oktavianus zufrieden. „Ich mag keinen Krieg. Mein Vater liebt ihn, ich habe aber dafür kein Talent. Und kein Verständnis.“

               „Ich bewundere deinen Vater“, sagte Agrippa bedachtsam. „Er ist ein Militärgenie.“

               „Könntest du einspringen und meine Legionen anführen, Marcus?“ fragte Oktavianus scherzhaft.

               „Das mache ich für dich gerne“, lachte jetzt auch Agrippa. „Was würde ich für einen echten Freund nicht tun?“

               „Du wirst mich aber niemals verraten, oder?“

               „Nur im Fall, dass du die Republik gefährdest.“

               „Dann habe ich keine Angst. Die Republik bleibt. Der Senat wird weiter tagen, die Volksversammlungen werden wieder eingeführt. Konsuln, Prätoren und so weiter werden weiter gewählt. Das Leben wird wie in den letzten Jahrhunderten weitergehen. Ich werde aber keine Unruhen in den Straßen und keine meuchlerischen Angriffe auf die Kandidaten dulden.“

               „Was die Spezialität deines geehrten Vaters Gaius Julius Caesar war“, bemerkte Maecenas. „Seinem Kollegen im Konsulamt, Bibulus, hat er das Leben zur Hölle gemacht, sodass sich dieser nicht mehr traute, sein Haus zu verlassen. Was ihm fast zum Schicksal wurde. Als Bibulus im Bürgerkrieg dann das Kommando über die Kriegsflotte des Pompeius übernommen hat, sah es mit Caesar und seiner Armee nicht besonders gut aus. Alle Versuche, die Soldaten hierher, nach Epirus zu verfrachten, waren zum Misserfolg verurteilt, solange der hasserfühlte Bibulus die Flotte kommandierte.“

               „Aber Bibulus starb, Vater konnte über das Meer nach Epirus übersetzen und da ihn Pompeius bei Dyrrhachion nicht zu vernichten vermochte, vernichtete er Pompeius bei Pharsalus. Die Götter stehen immer auf der Seite der Starken und Entschlossenen.“

               Aus dem Schiff im Hafen stieg ein Mann in der Uniform eines Offiziers. Er eilte bergauf zum Stadttor. In der Hand hielt er eine Papyrusrolle.

               „Der kommt mit einer wichtigen Nachricht“, meinte Maecenas, der ihn aufmerksam beobachtete.

               „Sicher eine schlechte Nachricht“, meinte Oktavianus. „Möglicherweise gibt es wieder einmal eine Steuererhöhung. Oder gibt es wieder einen Aufstand der Illyrer. Wer weiß? Mit guten Nachrichten hat es niemand eilig. Nur die schlechten, keine Ahnung warum, müssen so hektisch zugestellt werden.“

               „Wir werden es erfahren“, sagte Agrippa. „Jetzt würde mich aber interessieren, wie du den Senat beherrschen willst.“

               „Erstens werde ich Geld haben. Sehr viel Geld aus den armen Provinzen. Mit dem Befehlshaber beinahe aller Legionen wird auch niemand wirklich einen Streit anfangen wollen. Wenn dazu die Prophezeiungen mir gegenüber sehr günstig und meiner Gegnern im Gegenteil sehr ungünstig sein werden, werden sich weitere Provokateure lieber zurückziehen.  Wie ihr wißt, baute mein Vater seine Partei im Senat aus, die ihm blind gehorcht und abstimmt, wie er es befiehlt. Er brachte sogar Gallier in den Senat, die nicht einmal des Lateins mächtig waren und diese sind ihm natürlich auf Leben und Tod ergeben. Ich habe vor, diese Praxis fortzusetzen. In den Senat müssen viele unqualifizierte Menschen aufgenommen werden. Die sind dann treu und dankbar, dass sie  überhaupt dort sitzen dürfen. Das Wichtigste ist es allerdings, zu jedem Problem, zu jedem Gesetzentwurf, als Erster sprechen zu dürfen. Ich glaube, ich lasse über dieses Privileg für mich abstimmen, solange die Partei meines Vaters noch intakt sein wird. Stellt euch vor, wie viele Pflichten ich haben würde. Das Amt des Pontifex maximus, die Verwaltung so vieler Provinzen und ich wäre der Kommandant so vieler Legionen! Gesetze, Steuer, Versorgung der Armee, der Bau der Lager, der Straßen und die Wasserversorgung für die neuen Städte! Kann ich dann noch Zeit haben, im Senat zu sitzen und mir das Geschwätz der Gesetzgeber anzuhören? Die Senatoren müssen mir erlauben, zu jedem Problem als erster zu sprechen, damit ich dann die ehrenwerte Kurie verlassen könnte.“

               „Es wird sicher solche geben, die gegen dich argumentieren würden. Gleich, wenn die Tür der Kurie hinter dir zufällt.“

               „Das schon“, sagte Oktavianus und seine Augen wurden plötzlich eng wie Augen eines Raubtiers. „Aber nicht lange.“

               „Dann wird dir aber nur noch die Königskrone fehlen.“

               „Die sicher nicht“, sagte Oktavianus überzeugt. „Nicht ein bisschen. Ich brauche keinen Titel „Rex“, ich will unsichtbar herrschen. Niemand muss es wissen, dass gerade ich regiere. Offiziell wird der Senat regieren, wie es immer schon so war. Und natürlich das römische Volk, um es nicht zu vergessen. Das aber wirklich nur in Ausnahmefällen, sollten die Senatoren nicht gehorsam sein. Einen unsichtbaren Herrscher kann doch niemand hassen. Weil er ihn nicht sieht! Den Menschen wird es aber besser gehen und sie werden schon wissen, wem sie ihren Wohlstand zu verdanken haben.“

               „Irgendeinen Titel muss du aber haben“, sagte Agrippa unzufrieden.

               „Zum Beispiel „Princeps“ also „Der erste“, schlug Maecenas vor.

               „Der erste Bürger oder der erste Senator?“

               „Darüber sollten die Menschen nachdenken“, sagte Oktavianus mit Begeisterung in der Stimme. „Ich werde es ihnen nicht erklären. Vielleicht bin ich dann nur einfach der erste, der im Senat reden darf. Danke, Gaius, das ist eine geniale Idee.“

               „Gern geschehen“, murrte Maecenas. „Den Göttern sei Dank, wir reden nur theoretisch, ich komme mir vor, wie bei einem Seminar beim Lehrer Selenus. Dein ungeliebter Vater lässt dich an Regierungsgeschäfte nicht so bald kommen. Er ist ein Mann in voller Kraft, er kann in Rom noch gut zwanzig Jahre geistern.“

               „Dann werden wir halt noch ein bisschen studieren“, lächelte Oktavianus. „Ich habe es nicht eilig. Mein Lieber, die Geduld gehört zu den wertvollsten Eigenschaften eines Herrschers. Ich besitze genug davon.“

               „Ich nicht“, sagte Maecenas unzufrieden. „Ich langweile mich hier. In Rom, dort gibt es Statuen, Gallerien, Feste, dort gibt es das Leben. Und hier…?“

               „Ein Fieber, ein Sturz vom Pferd oder ein Seesturm und es kann alles vorbei sein“, sagte Agrippa. „Geduld bedeutet ein Spiel mit dem Schicksal.“

               „Hast du die Prophezeiung von Theón vergessen?“ sagte Oktavianus streng. „Die Götter sagten mir eine große Zukunft vor, daher schicken sie mir kein blödes Fieber.“

               „Junge Herren, junge Herren!“

Unter der Mauer stand ein Sklave außer Atem. Er gehörte Oktavianus. „Ihr sollt sofort ins Buleterium kommen.“

               „Wir?“ wunderte sich Maecenas.

               „Also gemeint ist vor allem Herr Gaius Julius Caesar Oktavianus. Es wurde mir aber gesagt, ihr sollt alle kommen.“

               „Wer hat es gesagt?“

               „Die Männer aus dem Gemeinderat. Ein Bote aus Rom ist gekommen.“

               „Schlechte Nachrichten?“ fragte Oktavianus.

               „Wahrscheinlich“, nickte der Sklave. „Wie wisst ihr es?“

               „Habe ich das nicht gesagt?“ grinste Oktavianus. „Gute Nachrichten haben Zeit. Der Bote hatte es für eine gute Nachricht verdammt eilig.“

               Sie stiegen von der Mauer herunter. Zur Agora und dem Buleterion war es nicht weit. Sie gingen an der Stadtbibliothek vorbei, wo sie sich die Bücher ausleihen konnten und um das Odeon, wo sie den Vorträgen zuhörten. Sie passierten den Portikus des Buleterions. Im Gebäude wurden sie bereits von den aufgeregten Ältesten der Stadt erwartet.

               „Junger Herr“, stieß der Podesta aus. „Herr Gaius. Euer Vater, der ehrenwerte Gaius Julius Caesar…“

               „Was ist mit ihm? Schickt er ein Schiff für mich? Soll ich nach Rom…?“

               „Euer Vater, der ehrenwerte Gaius Julius Caesar;“ wiederholte Podesta, „ist tot.“

               Eine Weile herrschte im Raum eine Totenstille.

               „Wie starb er?“ fragte Oktavianus mit heiserer Stimme.

               „Er wurde ermordet. Bei der Tagung des Senats im Pompeiustheater. Er wurde beschuldigt, die Demokratie vernichten zu wollen und dann wurde er erstochen.“

               Oktavianus sah Agrippa an und zischte so, dass es nur sein Freund hören konnte: „Habe ich das nicht gesagt?“

               „Hier ist die Nachricht;“ sagte einer der Ältesten und überreichte Oktavianus eine Schriftrolle, die offensichtlich der Offizier gebracht hatte, der etwas seitlich an der Wand stand. „Ihr sollt nach Rom reisen und die Erbschaft Eures Vaters übernehmen.“

               „Seine politische Erbschaft?“

               „Das natürlich nicht“, beeilte sich der Offizier, der bisher geschwiegen hatte, mit der Antwort. „Dem Gesetz folgend übernahm der Führer der Reiterei, „Magister Equitum“  Marcus Antonius die Macht bis zur nächsten Wahl. Es geht um den Familienbesitz. Er ist groß und braucht dringend einen Verwalter.“

               Oktavianus verbeugte sich.

               „Ich danke Euch für die Nachricht, obwohl sie mir natürlich keine Freude machen konnte. Ihr habt das aber sicher erwartet, dass sie mir keine Freude bereiten würde. Ich bitte um die Möglichkeit mich zurückzuziehen, um meinen Schmerz privat überwinden zu können.

               „Fahrt Ihr mit mir nach Rom?“ fragte der Offizier.

               Oktavianus schüttelte den Kopf.

               „Ihr werdet sicherlich in Rom benötigt und ich muss noch meine Sachen packen und mich für die Abreise vorbereiten. Ich brauche dafür eine bestimmte Zeit. Macht Euch keine Sorgen, Legat, fahrt zurück nach Brundisium. Ich komme gleich, wenn ich kann.“

               „Wir waren bereit, Euch nach Italien mitzunehmen. Wir könnten auf Euch warten“, sagte der Offizier unzufrieden. „ So lautet unser Befehl.“

               „Wer hat Euch diesen Befehl gegeben?“ wollte Oktavianus wissen.

               „Magister Equitum Marcus Antonius.“

               „Für seine Sorge sagt ihm in meinem Namen Dank. Ich habe es aber mit der Rückkehr nicht eilig. Ich kenne Marcus Antonius, er kann sicher mit der politischen Erbschaft meines Vaters gut umgehen. Das Geld und die Güter meines Vaters laufen nicht weg, wenn ich in Apollonia noch ein paar Tage länger bleibe.“

               „Aber…“ wandte der Offizier ein.

               „Ich danke Euch“, sagte Oktavianus und verließ den Raum.

               Die drei Freunde standen vor dem Gebäude.

               „Bei allen Göttern!“ rief Maecenas. „So eine Tragödie!“

               „So würde ich das nicht nennen“, sagte Oktavianus trocken. Als ihn seine Freunde überrascht ansahen, setzte er fort: „Sprechen wir nicht von einer Tragödie, sondern von einer Chance. Von einer großen Chance.  Sie kam früher als ich dachte, ich hätte gerne noch zwei oder drei Jahre gewartet. Aber sie ist da. Man muss sie ergreifen. Geht ihr in die Sache mit mir?“

               „Warum wolltest du nicht mit der Galeere nach Italien fahren?“ fragte Agrippa. „Es wäre bequem und sicher gewesen.“

               „Kennst du den Offizier?“ fragte Oktavianus.

               Als Agrippa verständnislos den Kopf schüttelte, sagte er: „Eben. Wer konnte ihn schicken? Möglicherweise Marcus Antonius, wie er selbst behauptet. Oder die Väter Senatoren, die meinen Vater umgebracht haben. Wer von dieser beiden Parteien könnte Interesse haben, dass ich sicher und gesund in Brundisium lande?“

               Agrippa schluckte leer.

               „Ich sehe, du verstehst“, lächelte ihn Oktavianus an. „Keiner von ihnen. Entweder würde ich während der Überfahrt über den Bord fliegen oder ich würde gleich nach der Landung in Brundisium getötet. Ich sage nicht, dass es zwingend so sein müsste, aber es ist viel zu wahrscheinlich, um solche Möglichkeiten nicht in Erwägung zu ziehen. Ich kenne die aktuelle politische Lage in Italien nicht. Ich weiß nicht, wie weit ist es gelungen, den Hass des Volkes gegen meinen Vater zu wecken. Das Volk ist launenhaft, einmal liebt es dich, um dich gleich wieder zu hassen. Solange ich meine Lage nicht kenne, will ich lieber unsichtbar bleiben. Wir kaufen eine ganz normale Bordkarte für das nächste Schiff. Wie drei ganz normale Reisende. Dann werden wir sehen.“

               „Du bist genial“, sagte Agrippa erstaunt. „Das hätte mir nie eingefallen. Du hast ganz bestimmt recht.“

               „Ich freue mich auf Rom“, sagte Maecenas. „Ich hatte bereits große Sehnsucht nach Rom mit allen seinen Kulturschätzen.“

               „Jemand muss sich auch um die Kultur kümmern, nicht wahr?“ lachte Oktavianus. „Die Blüte der Kultur wirkt auf das Volk positiv und verstärkt seine Liebe zum Herrscher. Überlassen wir Gaius diese Arbeit, was sagst du, Marcus? Du musst mir mit den Legionären helfen.“

               „Damit du Princeps werden kannst?“ fragte Agrippa.

               „Genau. Aber dorthin führt ein langer und möglicherweise auch blutiger Weg. Bis mein Frieden herrschen wird, wird noch viel Blut fließen müssen. Ich habe mir das nicht so vorgestellt, aber sie wollten es so. Diejenigen, die meinen Vater ermordet haben. Sie müssen bestraft werden, damit reduziert sich aisch auch die Anzahl der oppositionellen Senatoren. Eigentlich ist das keine schlechte Lösung.“

               Agrippa schaute den Freund mit Bewunderung in seinem Blick an. „Gaius, wenn du der „Prinzeps“ wirst, werde ich gerne dein „Secundus“ sein.“

               „Gemeinsam bauen wir dann ein neues Rom auf, Marcus. Wir drei. Ein neues Rom und eine neue Welt. Eine bessere, als die, in der Menschen bis heute leben mussten. Das ist eine große Aufgabe, eine echte Herausforderung. Wir schaffen es aber. Wir haben sehr viel Zeit dafür.“

               Die Burschen reichten sich die Hände.

               „Schwören wir“, sagte Oktavianus. „Schwören wir, dass wir uns gegenseitig niemals verraten. Dass wir immer Seite an Seite stehen und uns gegenseitig helfen werden. Nach den Möglichkeiten und den Fähigkeiten jedes einzelnen von uns, die uns die Götter geschenkt haben.“

               Agrippa und Maecanas zitterten, als sie ihrem Freund in die Augen blickten. Sein Blick war scharf wie ein Messer und kühl wie Eis. Es war aber ein Blick, dem man nicht Widerstand leisten konnte.

               „Wir schwören“, kam ihnen über die Lippen.

               Oktavianus lächelte zufrieden. „Also dann an die Arbeit. Wir packen. Auf der anderen Seite der Adria gibt es viel zu tun.“

Antikes Rom

               Es ist mir ganz klar, dass das antike Rom zu besuchen und die Eindrücke daraus in einem kurzen Text zusammenzufassen, eine Mission ist, die zum Scheitern verurteilt ist. Wo soll man eigentlich beginnen?

               Über Artefakte aus antiken Zeiten stolpert man im römischen Zentrum überall, meistens sind sie in neuere Bauten eingebaut und dadurch ziemlich unauffällig, natürlich mit Ausnahme des Kolosseums.

               Es gibt aber nicht nur das Kolosseum. In Rom gibt es insgesamt 13 Obelisken, mindestens zwei Siegessäulen, die erwähnenswert sind, drei Siegesbögen, zwei antike Therme, Paläste auf dem Palatin, den „Circus maximus“,  das Marcellustheater und die ganze faszinierende „Piazza Navona“ entstand eigentlich auf dem Platz eines ehemaligen römischen Amphitheaters. Natürlich darf man nicht das  Pantheon oder das Mausoleum des Augustus vergessen usw. usw. Also, wo soll man beginnen?

               Die wichtigste Frage ist nicht wo, sondern wann. Und auf diese Frage gibt es – Gott sei Dank – eine klare Antwort – morgens und so früh wie möglich. Zum Glück kann man ein gemeinsames Ticket zum Besuch des Kolosseums und des Palatins mit dem „Forum Romanum“ an der Kassa bereits am Vortag kaufen – das Ticket ist 48 Stunden gültig. Also, wenn nachmittags vor dem Eingang in den Palatin eine mehr als eine Stunde lange Schlange steht, um neun Uhr morgens hatten wir den ganzen riesigen Komplex für uns allein.   Wie die Römer, so auch die Touristen, sind in der Regel Langschläfer. Und so kann man von der Terrasse in dem „Giardino Farnesse“ ein Photo mit dem ganzen „Forum Romanum“ ganz allein machen, ohne von fotografiewütigen Menschenmengen bedrängt zu werden, die unbedingt ihren Besuch in der ewigen Stadt verewigen wollen.

Womit sonst sollte man sich fotografieren lassen, wenn nicht mit dem Zentrum der damaligen Weltmacht, mit dem „Forum Romanum“, wo beinahe tausendjahrelang die Zukunft der Welt bestimmt wurde.

               Der Palatin ist eine wunderschöne Aussichtsplattform, man kann bis zum Petersdom im Vatikan sowie auch bis zu Thermen des Caracalla sehen. Direkt zu den Füßen liegt dann  der „Circus Maximus“, wo einmal Wagenrennen stattfanden.

               Kaiser Domitian hatte allerdings keine Lust, gemeinsam mit dem gemeinen Volk dem Rennen zuzuschauen, er ließ sich also direkt im Palast auf dem Palatin ein privates Stadion für Wagenrennen bauen, es wirkt auch heute noch imposant. Weil der Kaiser aber auch das Spektakel unter dem Palast nicht missen wollte, ließ er die Räume des Palastes so erweitern, dass er aus dem Fenster auch den Wagenrennen im „Circus Maximus“ zuschauen konnte. Später wurde der Palast auf dem Palatin mit privaten Thermen für den Kaiser bereichert, das Wasser wurde hierher in einem imposanten Aquädukt geleitet, der die Hügel Palatin und Caelius überbrückte. Obwohl heute nur die drei unteren Stockwerke des Aquäduktes erhalten geblieben sind, wirkt er trotzdem immer noch imposant.

Die Ruine des Palastes der kaiserlichen Familie der Flavier ist die größte Dominante des Palatinhügels, das Haus des Augustus oder der Livia wirken dagegen sehr bescheiden. Aber gerade das war der geniale Trick des ersten Kaisers – in der Öffentlichkeit wirkte er immer sehr bescheiden, damit er vom Volk geliebt wird. Und er selbst hasste Pracht, seine Gesetze gegen Luxus (sogar die Seife wurde als unangebrachter Luxus stark besteuert) waren berühmt. Die Flavier sind auch für das größte römische Monument verantwortlich, das Kolosseum. Für den Besuch des Kolosseums braucht man feste Nerven, man kann nämlich diese Sehenswürdigkeit niemals allein besuchen.  Endlose Warteschlangen unter den Arkaden des Kolosseums, Gedränge und überfüllte Ausschichtsplattformen sind üblich. Natürlich auch hier gilt je früher desto besser, natürlich wenn man den Palatin sowie auch das Kolosseum in den frühen Morgenstunden besuchen will, muss man sich für Rombesuch einfach mehrere Tage einplanen. Der Eindruck ist sicherlich imposant, aber teuer bezahlt. Und nicht nur finanziell.  Wichtige Mitteilung – die Kassen, die Eintrittskarten verkaufen, nehmen kein Bargeld, also Kreditkarte nicht vergessen!

               An die Flavier erinnert der Titussiegesbogen am Eingang des „Forum Romanum“, den der Kaiser zur Ehrung seines Sieges über die aufständischen Juden bauen ließ. Im Jahr 70 n.Ch. eroberte der damalige Thronfolger Titus Jerusalem und zerstörte den dortigen Tempel so gründlich, dass man ihn nie mehr wiederaufbauen konnte und von ihm lediglich die Klagemauer blieb.

Zu diesem Zeitpunkt konnten die Römer mit dem Glauben an einen einzigen Gott noch nichts anfangen, obwohl in Rom bereits eine immer stärkere christliche Kommunität lebte – von der jüdischen ganz abgesehen. Zwei weitere Siegesbögen erinnern an Kaiser Konstantin den Großen (vor dem Kolosseum) und an Septimus Severus auf dem „Forum Romanum“ unter dem Hügel des Kapitols. Der letzte der Flavier Kaiser Domitian wurde durch seinen gewalttätigen Charakter berühmt, in seiner Zeit kam es zur ersten wirklichen Christenverfolgung (die erste in der Regierungszeit des Kaisers Nero ist eher eine literarische Fiktion des polnischen Schriftstellers Henryk Sienkiewicz. Die Prozesse gegen Christen nach dem Brand von Rom im Jahr 64 n.Ch. waren deutlich weniger blutig, obwohl sie einigen Anführer der damaligen christlichen Gemeinde, wie zum Beispiel den heiligen Paulus, das Leben kosteten). Domitian ließ als der erste die Massenhinrichtungen der Christen als große Spiele für das römische Volk veranstalten, die meisten Christen starben im Amphitheater, wo sich heute die „Piazza Navona“ befindet.

Dieser Platz wird von der Kirche der heiligen Agatha dominiert, die laut einer Legende auf dieser Stelle hingerichtet werden sollte. Nach dieser Legende bekannte sich dieses dreizehnjährige Mädchen leidenschaftlich zum neuen Glauben und bezahlte dafür mit seinem Leben. Weil nach den römischen Gesetzen keine Jungfrau hingerichtet werden durfte, gab es bereits seit der Zeiten Kaisers Tiberius einen Brauch, solche Mädchen vor der Hinrichtung zu vergewaltigen – durch  eine solche Hölle mussten schon die Töchter des Prätorianerführers Seianus gehen. Gott entschloss sich aber, die Unschuld der heiligen Agatha zu schützen und ließ auf ihr so dicht Fell wachsen, dass man keinen Freiwilligen fand, der bereit wäre, sie zu entjungfern. Letztendlich sollte sie auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden, aber ihre Gebete waren so stark, dass sie jedes Mal die Flammen erstickten. Der Henker sah keine andere Möglichkeit, als ihr die Kehle durchzuschneiden, damit sie mit beten aufhörte. Ihre Kirche ist heute die Dominante des Platzes, direkt neben der wunderbaren Fontäne von Bernini.

               Das „Forum Romanum“ ist eine große Fläche voller Ruinen. Beherrscht wird es von der Maxentiusbasilika, genauer gesagt von ihren rudimentären Resten, die immer noch mit ihren imposanten Dimensionen bestürzt machen. Die Basilika war eigentlich ein Markt und eine Versammlungsstätte für römische Bürger, die spätere Bedeutung einer christlichen Kirche bekam das Wort aus dem gleichen Grund, nur die Christen trafen sich hier nicht wegen Einkäufen, Abstimmungen oder Diskusionen über politische Themen, sondern zum Gottesdienst. Die Kurie nahe dem Kapitol, wo der römische Senat tagte, ist rekonstruiert worden. Das einzige Gebäude auf dem Forum, das in einigermaßen brauchbarem Zustand überlebte, ist der Tempel von Antoninus Pius und seiner Frau Faustina. Und natürlich auch der bereits erwähnte Triumphbogen des Septimius Severus. (Der übrigens in Carnuntum im heutigen Niederösterreich zum Kaiser ausgerufen wurde). Die übrigen Gebäude am Forum wie der Tempel von Kastor und Polux oder der Göttin Vesta, wo die ewige Flamme brannte, sind heute nur Ruinen. 

               Wenn man das „Forum Romanum“ auf dem Weg um den Tempel von Antoninus Pius und Faustina verlässt, kommt man zu kaiserlichen Foren. Augustus (und vor ihm schon auch Caesar) hatten das Gefühl, dass das „Forum Romanum“ einfach nicht genug Platz bietet. Er baute also in seiner Nähe ein neues Forum. Weil während seiner Regierung nur wenige Kriege geführt worden sind, dafür aber um so mehr Gerichtsprozesse, nannten die Römer sein Forum „Forum der Anwälte“. Und so blieb es auch. Sehr dominant ist das Forum des Kaisers Trajan mit riesigen Markthallen, die diesem Zweck auch heute noch dienen und mit der Trajansäule. Diese unübersehbare Dominante ließ der Kaiser zur Ehre seines Sieges über die Daker, nach dem er die Region des heutigen Rumäniens an das Römische Reich angeschossen hatte. Die vergoldete Statue des Kaisers auf der Säulenspitze teilte das Schicksal aller kaiserlichen Statuen. Im Mittelalter verschwanden sie alle und wurden durch Engel oder Heilige ersetzt.

Heute steht auf der Trajansäule die Statue des heiligen Petrus, die dorthin Papst Sixtus V. unterbringen ließ            

               Ähnlich war das Schicksal der Statue von Marcus Aurelius auf seiner Siegessäule, die ein Wahrzeichen eines römischen Platzes ist, der sogar seinen Namen nach dieser Säule erhielt „Piazza Colonna“. Anstatt Marcus Aurelius steht auf der Säule, die dieser Kaiser zu Ehre seines Sieges über Markomannen und Quaden, die auf dem Gebiet der heutigen Tschechei und Slowakei lebten, der heilige Paulus. Marcus Aurelius hatte trotzdem ein ungewöhnliches Glück. Seine Reiterstatue blieb erhalten und steht heute vor dem Eingang in die Kapitolinischen Museen. Lange wurde diese Statue nämlich für die Abbildung des Konstantin des Großen gehalten, der von der katholischen Kirche heilig gesprochen wurde (zu diesem Zweck musste die Kirche eine Legende über die Taufe des Kaisers in seinem Sterbebett frei erfinden, weil ein heiliger Heide, egal mit welchen Verdiensten für die Kirche – war einfach „no go“) und Statuen der Heiligen vernichtet man halt nicht. Als man diesen Irrtum entdeckte, erhielten die antiken Denkmäler inzwischen ihren heutigen Status und ihre Vernichtung war nicht mehr „in“. Aus diesem Grund konnte Marcus Aurelius Statue überleben.       

               Nur ein paar Schritte von seiner Säule auf der „Piazza Colonna“ entfernt, die um das italienische Parlament mit einem weiteren Obelisk vor seiner Fassade führen, befindet sich das Pantheon.

Diesen monumentalen Tempel aller Götter (Also den sieben Götter, die mit den Planeten identifiziert wurden) ließ im Stadtzentrum der Freund des Kaisers Augustus Agrippa bauen, sein derzeitiges Aussehen stammt aus der Zeiten des Kaisers Hadrian und in der neuen Zeit diente er als Grabstätte der italienischen Könige. und auch der geniale Maler Rafael fand hier seine letzte Ruhestätte. Wenn sich Augustus selbst lobte, dass er am Anfang seiner Herrschaft eine Stadt aus Holz übernommen hatte und für seine Nachkommen eine Stadt aus Marmor hinterlassen hat, konnte er sich dafür bei seinen zwei nächsten Freunden Gaius Maecenas und Marcus Vipsanius Agrippa  bedanken. Dieser bester Freund von Augustus und später der Gatte seiner Tochter Julia war ein aufrichtiger Kerl ohne Machtambitionen, dafür aber sehr aktiv beim Bau von Aquädukten für die Wasserversorgung der Stadt und vieler Gebäude, die das Gesicht der Stadt wesentlich veränderten. An Augustus selbst erinnert seine Grabstätte, sehr ähnlich der von Hadrian, also der Engelburg, aber viel bescheidener. Für die Öffentlichkeit ist sie nicht zugänglich. Die Ruinen des Mausoleums von Augustus sind heutzutage mit einem Zaun umgeben, die Relikte aus diesem Grabmal werden in einem Museum in seiner Nähe ausgestellt.      

               Gerade dank Augustus und seiner Freunde blieb aus dem republikanischen Rom nur sehr wenig erhalten. Das Trio Augustus, Agrippa und Maecenas bemühten sich sehr, das Gesicht der Stadt entscheidend zu verändern und aus Rom eine echte „Metropolis“ zu machen. Das gelang ihnen auch großteils. Der zweite große Eingriff war dann der Brand von Rom im Jahr 64, wo die oder der Täter noch immer nicht mit Sicherheit ausgeforscht werden konnte. Vielleicht war es wirklich der Kaiser Nero, der die Architektur der Stadt noch mehr prägen wollte als sein Vorgänger Augustus. Bestraft wurden die Christen nach dem Motto aus dem Film Casablanca „verhaftet die üblichen Verdächtigen“. Sie waren im heidnischen Rom mit ihrer Lehre in jedem Fall verdächtig. Aus dem Werk Neros blieb allerdings nur sehr wenig erhalten. Nicht einmal der neunte Monat im Jahr behielt seinen Namen – nach dem Vorbild Julius Caesar (Juli) und Augustus (August) sollte September Nero heißen. Es blieb nicht so, nach dem Tod des ungeliebten Kaisers erhielt September wieder seinen alten Namen, also einfach „der siebente Monat“  Warum unserer neunter Monat damals der siebente war, das ist eine andere Geschichte. Auch aus der gigantischen Statue Neros, die er vor seinem Palast errichten ließ und die Kaiser Vespasianus entfernen ließ, blieb nur der Name – also Kolosseum. Dieses imposante Gebäude, ohne das Rom wie Paris ohne Eifelturm oder Prag ohne Hradschin wäre, hieß offiziell nach seiner Erbauern Circus Flavius. Weil aber auf der Stelle gebaut worden ist, wo vorher die Neros Statue stand und wegen seiner Größe „Koloss“ hieß, nannten Leute das neue Gebäude im Volksmund Colosseum – und so blieb es auch. Aus dem gigantischen Palast von Neros „Domus aureus“ (das goldene Haus) blieb nur ein Teil der Keller erhalten und der Besuch ist permanent sehr problematisch. Diese Ruinen wurden im Jahr 2003 entdeckt und seitdem werden sie ständig repariert, da hier immer wieder etwas abstürzt.

               Aus den Zeiten der römischen Republik, also aus der tiefsten Schicht der römischen Geschichte,  blieb wirklich nur sehr wenig erhalten. Die „Kurie“ ist in die heutige Form rekonstruiert worden. Wir wissen allerdings, dass dieses Gebäude auch aus der Zeit des Augustus stammt, weil die alte Kurie einem Brand zu Opfer fiel. Aus diesem Grund wurde Caesar nicht auf dieser Stelle, sondern im Pompeiustheater ermordert, wo das römische Parlament damals vorrübergehend einen Zufluchtsort fand. Das Pompeiustheater blieb nicht erhalten, dafür steht das Marcellustheater (gewidmet dem zu früh verstorbenen Schwiegersohn des Augustus) auch heute noch. Im Mittelalter baute es nämlich die Familie Orsini zu einem befestigten Palast um, weil in Rom es niemals genug Sicherheit und Befestigungen gab.

               Der „Circus maximus“ unter dem Palatin diente zwar seinem Zweck bereits in königlichen römischen Zeiten (gegründet wurde er angeblich von König Tarquinius Priscus, der in den Jahren 616 – 579 vor Christus herrschte), und dann die ganze Zeit der römischen Republik, seine derzeitige Gestalt gab ihm aber Caesar im Jahr 46 vor Christi, als das Ende der Republik bereits eingeläutet worden ist. Es wäre nicht Augustus gewesen, wenn er diese römische Dominante nicht noch einmal umgebaut hätte – in erster Linie ließ er hier eine kaiserliche Loge einbauen, da er nicht unter dem einfachen Volk sitzen wollte. Leider wurde der ganze Marmor aus den Tribünen und Sitzen längst von Römern als Baumaterial verwendet, heute sind also die ehemaligen Tribünen grün. Es ist aber noch immer angenehm, sich hier niederzusetzen und zu jausen, oder nur in der Sonne zu liegen.

               Möglicherweise bin ich jetzt an den Punkt angelangt, an dem ich meine drei römischen Einblicke beenden sollte. Es ist mir klar, dass ich bei weitem nicht alle Sehenswürdigkeiten der ewigen Stadt beschreiben konnte, nicht einmal die wichtigsten. Aber möglicherweise treffen einige meine Leser die Entscheidung, die italienische Hauptstadt zu besuchen – zumindest, wenn der ganze Wahnsinn von Coronavirus vorbei sein wird.

               Es zahlt sich aus.

               Damit muss ich meine Berichte über italienische Städte vorübergehend einstellen. Zumindest bis zu meinem nächsten Besuch Italiens. Was aufgrund der derzeitigen Pandemie auch längere Zeit dauern könnte.

               Aber zum Schluss kommt in zwei Wochen noch eine Kurzgeschichte aus der Historie des alten Roms und danach könnten wir ein anderes, derzeit ebenso gesperrtes Land besuchen – das Heilige Land, Israel.

Mittelalterliches Rom

               Rom ist seit beinahe zweitausend Jahren ein Zentrum der kirchlichen und es war lange Zeit auch das Zentrum der weltlichen Macht. So war es seit dem achten Jahrhundert, als der fränkische König Pippin dem Papst im Gegenzug zu seiner königlichen Krönung ausgedehnte italienische Regionen in Mittelitalien als eine Basis der päpstlichen weltlichen Macht geschenkt hat. Diese erreichte  ihren Höhepunkt im sechzehnten Jahrhundert, als sie nach der Einnahme von Ferrara im Norden den Fluss Po erreichte. Die französische Armee unter Anführung von Napoleon nahm Rom für das französische Kaisertum ein, nach dem Wiener Kongress entstand der Kirchenstaat für kurze Zeit noch einmal. Im Jahr 1860 verlor er aber mit Ausnahme von Latium große Teile seiner Besitzungen an das neu entstandene italienische Königreich. Trotzdem durfte der Papst seine Unabhängigkeit unter französischem Schutz bis zum Jahr 1870 behalten. In diesem Jahr verlor er aber seine weltliche Macht um sich weiterhin nur um die Seelen der Gläubigen sorgen zu dürfen.

               Aus der Regel, dass der Name des römischen Patriarchs an der ersten Stelle unter den fünf kirchlichen Oberhäuptern vor Konstantinopel, Jerusalem, Alexandria und Antiochia geschrieben werden sollte, bauten Päpste allmählich ein Machtmonopol aus. Dies war natürlich dadurch begünstigt, dass die letzten drei genannten Sitze der Patriarchen unter arabische Macht gerieten und der Patriarch von Konstantinopel nach der Eroberung der Hauptstadt des Oströmischen Reiches von den Türken im Jahr 1453 nach dem weit entfernten Moskau umgezogen hat. Gerade am Ende des fünfzehnten Jahrhunderts, nach dem Sieg über die Konzilbewegung, die die päpstliche Macht einschränken wollte, haben die Päpste die Machtstellung eines uneingeschränkten Herrschers über die Welt genossen, nach der sie jahrhundertelang strebten. Sie demonstrierten diese Macht durch monumentale Bauten, die Menschen auf die Knie vor der päpstlichen Allmächtigkeit zwingen sollten.

               Die römische Kirche kennt sechs Kirchen in dem Rang „Basilica maior“. Zwei davon findet man in Assisi, der Rest ist in Rom. Sie sind den wichtigsten Personen des Neuen Testaments gewidmet, dem heiligen Johannes dem Täufer, der Jungfrau Maria und den Aposteln Petrus und Paulus. Möchten Sie die ganze Pilgerreise nach Rom absolvieren, dann sind die vier Basiliken maior durch weitere drei Pilgerkirchen ergänzt – „San Sebastiano fuori le mura“, „Santa Croce in Geruzaleme“ und „San Lorenzo fuori le mura“. Schon die Tatsache, dass zwei von diesen Kirchen (eigentlich mit dem heiligen Paulus drei) den Namen „hinter den Mauern“ haben, deutet an, dass sie vom Stadtzentrum ziemlich weit entfernt sind – das antike Rom war nämlich verdammt groß. Nur zum heiligen Paulus fährt die Metro, die anderen drei muss man zu Fuß oder mit Taxi erreichen.

               Jede dieser vier Basiliken ist einzigartig.

„San Giovanni in Laterano“ war jahrhundertelang der Hauptsitz des Papstes. Den Bau dieser Kirche wurde direkt vom Kaiser Konstantin dem Großen befohlen, seine Statue steht in der Vorhalle der Kirche. Das Grundstück spendete die Familie des Generals Sextus Lateranus, nach dem das Stadtviertel seinen Namen bekommen hat. Die Kirche unmittelbar bei der von Kaiser Aurelianus errichteten Stadtmauer war das Zentrum der katholischen Kirche bis zur Entführung des Papstes nach Frankreich am Anfang des vierzehnten Jahrhunderts. Auch heute noch hat diese Kirche in der kirchlichen Hierarchie eine höhere Stellung, als die des heiligen Petrus im Vatikan. Gerade hier findet am Gründonnerstag das Ritual der päpstlichen Fusswaschung statt. Als die Päpste nach mehr als siebzig Jahren im Jahr 1378 nach Rom zurückgekehrt sind, fanden sie ihre Basilika beinahe als Ruin und deshalb entschieden sie, in den Vatikan auf dem anderen Tiberufer zum Grab des heiligen Petrus umzusiedeln.

               Die Kirche im Lateran ist riesig. Es ist eine fünfschiffige Basilika. Sie wurde zwischen dem vierzehnten und neunzehnten Jahrhundert gebaut und umgebaut, trotzdem wirkt sie ziemlich kompakt. Im Zentrum der Kirche gibt es den päpstlichen Altar, an dem nach der Überlieferung die ersten Päpste, also auch der heilige Petrus, ihre Messen lasen. Seine heilige Reliquie sowie auch die Reliquie des heiligen Paulus befinden sich in zwei Büsten aus Silber, die sich unter dem über den Altar stehenden Baldachin befinden. In Rom haben Reliquien einen großen Wert. Historisch ist auch das Baptisterium der Laterankirche sehr wertvoll. Man findet es hinter der Kirche und dem Lateranpalast auf dem Platz mit einem der vielen römischen Obelisken – der von Lateran ist angeblich der höchste. Römer litten immer an einer Obsession für ägyptische Obelisken und man findet sie wortwörtlich überall, insgesamt 13 an der Zahl, wenn wir nicht den Obelisk auf dem „Foro Italico“ dazurechnen, den Mussolini in seiner E.U.R Stadt bauen ließ. Das Baptisterium ist architektonisch von außen interessant, innen ist mit Ausnahme der Porphyrsäulen nicht viel von der ursprünglichen Ausstattung geblieben. Es ist trotzdem aus historischer Sicht sehr bedeutsam. Hier wurden nämlich am 11.Februar 1929 die sogenannten Lateranverträge unterschrieben, es war der Tag der Entstehung des päpstlichen Staates im Vatikan.

Der Papst  hatte nämlich seit 1870, also seit der Besetzung Roms durch italienische Truppen, kein Stück Land, das er verwalten könnte und fühlte sich wie „Gefangener in eigener Stadt“. Alle Versuche, das italienische Parlament zu überzeugen, dem Heiligen Stuhl ein bestimmtes Gebiet zu übergeben, auf dem er seine Staatshoheit ausüben könnte, scheiterten immer wieder am Widerstand der linksorienterten Abgeordneten. Der Papst hat sogar aus Verzweiflung überlegt, seinen Sitz nach Wien zu verlegen. Nachdem Mussolini die Macht übernommen hatte, wurde die Lage deutlich einfacher. Papst Pius XI. hatte plötzlich zur Verhandlung nur mehr eine Person. Mussolini, der sich nach seinem faschistischen Staatstreich in einer internationalen Isolation befand, ergriff seine Chance. Dadurch, dass mit ihm die Vertreter des Heiligen Suhls im Baptisterium von Lateran den Vertrag über  Ausgliederung des Gebiets des Vatikans aus dem italienischen Königreich und Übergabe der Souveränität über dieses Gebiet an den Papst unterschrieben, war es gerade die katholische Kirche, die als erste das Regime Mussolinis juristisch anerkannt hat und ihn dadurch auch für andere Regierungen der Welt salonfähig machte. Eine weitere Folge war dann zum Beispiel die Vergabe der Fußballweltmeisterschaft für das Jahr 1934 an Italien (das geschah im Jahr 1932), wo dann Italien mit einer massiven Hilfe des schwedischen Schiedsrichters Ivan Eklind (der bereits im Halbfinale geholfen hat, Österreich zu eliminieren) im Finale die Tschechoslowakei besiegte und das erste Mal Weltmeister wurde.

               Gleich neben dem Eingang in die Kirche befindet sich die „Scala Santa“. Es soll sich um die Treppe handeln, auf der Pontius Pilatus Christus verurteilte. Die Kaiserin Helena, die Mutter des Kaisers Konstantin, ließ auf ihrer Pilgerreise nach Jerusalem im Jahr 326 die Treppe der Festung Antonia zerlegen und auf Schiffen nach Rom transportieren, wo sie den Eingang in die Kirche in Lateran bilden sollten, die ihr Sohn gerade bauen ließ. Schon damals durfte man diese Treppe nur kniend betreten. Heute steht sie außerhalb der Kathedrale vom Lateran, also man kann die Kirche betreten, ohne sich an Kniegelenken weh zu tun. Die „Scala Santa“ kann man separat besuchen und auf den Knien besteigen. Wenn man die Werbung von Toyota hybrid auf der Fassade des Gebäudes ausblenden konnte, war das ein Ort mit mystischer Bedeutung und Atmosphäre.   Auch heutzutage ist es möglich, die Treppe nur kniend und betend zu besteigen. Obwohl die ursprüngliche Steintreppe mit einer Holzverkleidung abgedeckt ist, bis man die oberste Treppe  erreicht, tun die Knien ordentlich weh. Es ist ein für Gebet und Meditation bestimmter Platz, man darf hier ohne Blitz fotografieren, das Filmen ist allerdings streng verboten, damit Menschen, die die Treppe gerade im Gebet besteigen, in ihrer Meditation nicht gestört werden.

               Die berühmteste Kirche nicht nur in Rom aber weltweit ist natürlich der Petersdom im Vatikan (italienisch „San Pietro in Vaticano“). Als Papst Julius II. die alte mittelalterliche Kirche im Vatikan niederreißen ließ, protestierten die Römer sehr hektisch, weil sie befürchteten, dass ein neues Gebäude niemals gebaut wird. Das Ergebnis kennen wir alle und es ist sehr imposant. Obwohl gerade der Bau dieser Kirche die Reformation startete, die den Verfall der päpstlichen Macht eingeläutet hat. Die Päpste überschätzten in ihrem Gefühl der Unverletzlichkeit ihre Kräfte. Gerade der Petersdom ist ein Beweis dafür – laut der Parkinsonsgesetze bauen Staaten und Regime die großartigsten Gebäude gerade in der Zeit, in der ihre Macht zu zerbröckeln beginnt. Der Petersdom mit seiner riesigen Kuppel, entworfen von Michelangelo Buonarotti und mit der Kolonnade auf dem Platz vor der Kirche von Bernini, verdient sich natürlich eine Menge Superlative. Sie ist die größte, die höchste und in der Gegenwart auch die wichtigste Kirche des Christentums, wo über das Grab des heiligen Petrus unter einem Baldachin von Bernini nur der Vertreter Christi, also der Papst selbst oder ein von ihm beauftragter Kardinal, Messe lesen darf. Es ist allerdings möglich, die Messe im hinteren Teil der Kirche zu besuchen, die haben einen ganz normalen  pompöse freien Verlauf und das Licht der Nachmittagssonne, das hier durch das Fenster mit Abbildung des Heiligen Geistes durchdringt, verleiht diesem Erlebnis einen wahren mystischen Schein. Der Aufstieg auf die Kuppel ist interessant, man steigt auf einer Wendeltreppe unter der Kuppel empor und tief unter ihm wimmelt es von Touristen oder es wird Messe gelesen.  In der Kirche selbst ist möglich, neben vielen anderen Statuen die „Pieta“ von Michelangelo zu bewundern oder man kann am Grab von Johannes XXIII. beten. Andere Päpste, inklusiv Johannes Paulus II., sind in der Krypta begraben, der Eingang ist auf der gegenüber liegenden Seite des Eingangs zum Kuppelaufstieg.

Hinter der Kirche befindet sich dann der Vatikan, also der Sitz des Papstes, der einen eigenen Bahnhof und ein Postamt hat und wo nur sehr wenig Zivilpersonen leben dürfen – die absolute Mehrheit der Beamten verlassen den Vatikan abends nach der Arbeit.  Zum Vatikan gehören natürlich auch das Vatikanmuseum, die größten Kunstsammlungen in Rom, der Besuch wird durch den Besuch der Sixtinischen Kapelle gekrönt. Wenn man aber erwartet, das man dort allein oder in der Gesellschaft von ein paar Dutzenden Touristen die Fresken bewundern  könnte, wird man sehr enttäuscht sein. In dem kleinen Raum drücken sich Hunderte Leute, das Fotografieren oder Filmen ist verboten und aus dem Lautsprechen hört man jede Minute „Psst, Silencio“. Das alles auszublenden und die Schönheit der Fresken an den Wänden zu genießen, erfordert sehr viel psychische Widerstandfähigkeit.

               Die dritte Basilika maior ist „San Paolo fuori de Mura“,.

Sie wurde auf der Stelle gebaut, wo der heilige Paulus hingerichtet wurde und wo er sein Grab hat- zumindest ein Teil davon kann man in der Krypta unter dem Altar sehen –  sein Sarkophag mit Anschrift „PAULO APOSTOLO MART“ wurde bei Ausgrabungen im Jahr 2006 entdeckt. Obwohl die Sankt Paulus Kathedrale vom Stadtzentrum ziemlich weit entfernt ist (Paulus wurde auf dem Weg nach Ostia außerhalb der Stadtmauern hingerichtet, wie es sich für einen römischen Bürger gehörte – diese durften nämlich nicht innerhalb den Stadtmauern hingerichtet werden), es führt dorthin aber eine Metrolinie und die Metrostation ist von der Kirche nur einen Steinwurf entfernt. Die Kathedrale war bis zur Vollendung des Petersdoms die größte Kirche der Welt, sie ist auch eine fünfschiffige Basilika, die Hauptattraktion sind Portraits  aller Päpste vom heiligen Petrus bis zu Franciscus. Einer Legende nach sollte  der Weltuntergang kommen, wenn das letzte Medaillon an der Wand gefüllt wird. Weil es bereits wirklich drohte, bauten kreative Italiener einige weitere Medaillons dazu – und der Weltuntergang wurde dadurch  – vorläufig – vertagt.

               Die schönste der vier Basiliken ist die „Santa Maria Maggiore“.

Diese umwerfende Kirche in der Nähe des römischen Hauptbahnhofs Termini blendet durch ihre Innenausstattung. Sie wirkt sehr kompakt und kann Menschen wirklich begeistern. Die Decke wurde von Papst Alexander VI. Borgia mit dem ersten Gold, das nach Rom aus der Neuen Welt, also aus Amerika gebracht worden ist, geschmückt. Es ist die einzige Kirche, wo seit dem fünften Jahrhundert ununterbrochen täglich Messe gelesen wird. Einer Legende nach erschien am 5.August 352 dem Papst Liberius die Mutter Gottes und befahl ihm, die Kirche auf einer Stelle zu bauen, wo in der kommenden Nacht Schnee fallen würde (in August, wohlbemerkt!). Weil es dann auf dem Hügel Esquilin wirklich in der kommenden Nacht schneite, ließ der Papst auf diesem Platz zu Ehre der Jungfrau Maria diese Kirche bauen. Das Innere der Kirche ist einfach umwerfend. Den Baldachin über dem Altar tragen viere Porphyrsäulen, die hierher aus der Villa Kaisers Hadrians in Tivoli gebracht worden sind. Für eine unverschämte Gebühr kann man die barocke Treppe von Bernini und die „Sala dei Papi“, sowie auch die Mosaiken in der Loggia im ersten Stock der Kirche besuchen. Das unauffällige Grab des großen Meisters Bernini befindet sich unter einer Treppe seitlich vom Altar.

               Der größte Schatz der Kirche ist aber die Ikone der heiligen Mutter Gottes „Salus Populi Romani“, also „Heil des römischen Volkes“, die man in der Borghese-Kapelle findet. 

Sie sollte persönlich von heiligem Evangelisten Lukas gemalt worden sein und wurde unter Papst Sixtus III. (432 – 440) nach Rom für die bereits bestehende Basilika gebracht. Sie darf nur zu besonderen Anläsen die Kirche verlassen, wie diese Woche, als vor ihr Papst  Franciscus in Vatikan für das Ende der Coronavirus-Pandemie betete. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als uns zu wünschen, dass das heilige Bild seine Wunderkraft wieder einmal zeigen würde.

               Außer diesen vier Basiliken gibt es in Rom natürlich Unmenge Kirchen, die eines Besuchs wert sind. Unterwegs vom Lateran zum Kolosseum, also in Richtung Zentrum, geht man an der Kirche des heiligen Klemens vorbei. Die Kirche ist dem dritten Nachfolger des heiligen Petrus, Klemens, geweiht, einem Papst, der einen Märtyrertod auf dem Krim gestorben ist, wohin ihn Kaiser Traianus verbannte. Die Kirche ist mit alten Fresken geschmückt (Die Kirche wurde nach ihrer Zerstörung durch die Normanen im Jahr 1084 im zwölften Jahrhundert neu gebaut), hat das klassische Atrium, also eine Architektur eines römischen Tempels.

Interessant ist sie auch dadurch, dass die sterblichen Überreste des heiligen Klemens die mährischen Missionare Konstantin und Methodius nach Rom gebracht haben. Deshalb wurde dann gerade im Heiligen Klement als einer der fünf römischen Kirchen Messe in der altslawischen Sprache gelesen, die vom Papst Hadrian als die fünfte liturgische Sprache (neben Latein, Griechisch, Hebräisch und Armenisch) anerkannt worden ist. In der Krypta der Kirche befindet sich das Grab des heiligen Cyrilos (das ist der Name Konstantins, den er nach dem Eintritt in den Kloster angenommen hat) und noch eine Etage tiefer entdeckten die Archäologen einen Tempel des Gottes Mithras. Die christliche Kirche wurde offensichtlich an der Stelle einer alten Patriziervilla gebaut, deren Besitzer den Kult des Mithras betrieben. Gerade in den ersten Jahrhunderten nach Christi wettfeierten Mithras und Christus um die dominante Position im geistigen Leben der römischen Gesellschaft. Der Polytheismus war zu dieser Zeit schon weitgehend überwunden, Menschen wollten nur an einen Gott glauben, der der damaligen, bereits zentralisierten römischen Gesellschaft besser entsprach. In dem Wettkampf zwischen Mithras und Christus hat Christentum gesiegt – aus einem einfachen Grund – zu den Mysterien von Mithras wurden nur Männer zugelassen, Frauen waren von der Teilnahme ausgeschlossen. Das Christentum setzte auf Frauen und ihre Gleichberechtigung – und siegte. Später, als der Sieg sicher war, hat die Kirche dieses Prinzip verlassen.

               Es gibt so viele Kirchen im Rom, dass nur ein Versuch, sie aufzuzählen, diesen Artikel sprengen würde. Also werde ich es gar nicht versuchen.

               Allerdings – das päpstliche Rom sind nicht nur Kirchen, obwohl sie natürlich die größten Dominanten der Stadt sind. Niemand kann aber die Engelsburg auf dem rechten Tiberufer übersehen, die durch einen Gang mit dem Vatikan verbunden ist und jahrhundertelang dem Papst als Zuflucht diente, wenn es wirklich schlimm war.

Manchmal war es tatsächlich so. Am 6.Mai 1527 marschierten plündernde und mordende Truppen Kaisers Karl V. in Rom ein, denen der Kaiser irgendwie vergaß, Sold zu bezahlen. Der Anführer, Karl III. Herzog von Bourbon, starb bei dem Angriff auf die Stadtmauer und die wilden Truppen, die jetzt keinen Kommandanten hatten, wüteten in der Stadt wie von Sinnen. Papst Klemens VII., der sich in diesem  Krieg der falschen, also französischen, Seite anschloss, sollte gefangen genommen oder getötet werden. Unter dem Schutz der schweizerischen Gardisten, die ihm als Leibgarde vom französischen König geschenkt worden waren, gelang es ihm, in die Engelsburg zu flüchten und sich dort belagern lassen. Aus der schweizerischen Garde starben in den Kämpfen 147 von 189 Männern, sie schafften es aber, die Flucht des Papstes zu schützen. Als Dank für ihre Tapferkeit ist auch heute noch die Tradition, dass in die päpstliche Leibgarde nur Schweizer treten dürfen, natürlich mit katholischem Glaubensbekenntnis. Die ursprüngliche Bedingung der Körpergröße ist heutzutage offensichtlich nicht mehr aktuell, wir sahen in den Uniformen der Garde auch Männer mit Körpergröße knapp über 160 cm. Es gibt offensichtlich in den wenigen schweizerischen katholischen Kantonen nicht eine so große Auswahl an Rekruten. Der Papst schaffte es, mit den übrigen Gardisten die Engelburg einen Monat lang zu verteidigen. Am 5 Juni nahmen die kaiserlichen Truppen die Burg ein und der Papst blieb hier sechs Monate als Gefangener. Am 7. Dezember gelang es dem Papst dank einer Menge Geld, mit der er einige kaiserlichen Offiziere bestach, die Flucht durch einen Geheimgang (Pasetto) in den Vatikan und dann weiter nach Orvieto. Wenn man an den Mauern der Engelsburg steht, kann man sich gar nicht vorstellen, wie jemand diese Festung überhaupt einnehmen konnte. Trotzdem hat sie ziemlich oft den Besitzer gewechselt, einmal sogar fünfmal in einem einzigen Jahr. Die Antwort ist ein bisschen italienisch. In Italien werden Festungen nicht mit Kanonen sondern mit Geld erobert. Wenn es genug davon gibt, findet man immer jemanden, der bereit ist, das Tor zu öffnen.

               Es ist schwer zu glauben, aber die Engelsburg wurde als Mausoleum des Kaisers Hadrian gebaut. Das Grab von diesem kunst- und philosophieliebenden Kaisers, der neben der Gattin auch einen männlichen Liebhaber hatte, war ein echtes Wahrzeichen des antiken Roms. Auf dem Dachfirst, wo heute der Engel mit Schwert steht, gab es damals die Statue des Kaisers, der nach dem guten römischen Brauch nach seinem Tod zum Gott erklärt wurde und das ganze Mausoleum war durch unzählige Marmorstatuen der Götter und Göttinnen geschmückt. Der ganze Schmuck wurde im Krieg zwischen Ostgoten und Byzantiner vernichtet. In den Jahren 535 – 555 kämpften die Ostgoten gegen die Byzantiner um die  Vorherrschaft in Italien.  Von Januar 537 bis März 538 belagerte der ostgotische König Wittiges erfolglos Rom, wo sich die byzantinische Garnison unter der Führung des Generals Belisaros verschanzte. Einer der größten ostgotischen Angriffe wurde gegen das Hadrianmausoleum  geführt. Die Verteidiger schlugen in ihrer Verzweiflung die Marmorstatuen in Stücke und bewarfen mit ihnen die angreifenden Ostgoten. Die Ostgoten wurden abgewehrt, aus dem Mausoleum wurde eine Festung, die in dieser neuen Funktion weitere tausendfünfhundert Jahre dienen sollte.

               So kommen wir aber zu der nächsten römischen archäologischen Schicht – zum antiken Rom. Aber darüber das nächste Mal.   

Rom

               Natürlich, wie anders, was wäre schon Italien ohne die „Ewige Stadt“? Das müssen auch die Norditaliener, sogar die Mitglieder der „Liga Nord“ akzeptieren. Einer von ihnen hat mir einmal erklärt, dass Italien zehn Kilometer südlich von Rom sein Ende hätte, das aber nur deshalb, weil Rom die Hauptstadt sei.

               Es ist auffällig, dass Rom, obwohl das Zentrum Italiens, nicht über das höchste Bruttoinhaltprodukt pro Kopf verfügt. Es ist nicht einmal die reichste italienische Provinz, wie es sonst so gut wie in allen europäischen Ländern  der Fall ist. Rom hinkt deutlich hinter Piemont mit Turin, Lombardei mit Mailand und sogar hinter Südtirol nach. Aber Rom ist einfach Rom, es ist etwas, was man sehen muss und deshalb werde ich meine erste Serie der Artikel über italienische Städte hier beenden.

               Die Römer sind ein eigenes Volk und mit dem Rest von Italien haben sie sich nie wirklich identifiziert (übrigens Rom wurde an Italien als das letzte Stück des Landes im Jahr 1870 als Folge der Niederlage des Kaisers Napoleon III. im Krieg gegen Preußen angeschlossen). Bis dahin war Rom unter einem französischen Protektorat (offensichtlich auf Wunsch des Papstes, der den Anschluss an Italien zurecht gefürchtet hatte) und die Italiener mussten die Hauptstadt ihres neuen Königsreiches von Turin nach Florenz verlegen und auf einen günstigen Moment warten. Im Jahr 1870  kam dieser Moment und es konnte nicht einmal der uralte Alexander Dumas helfen, der für die Rettung Roms vor bösen Italienern mit einem geliehenen Kriegsschiff mit einer Kanone und einem hübschen jungen Schiffsmädchen ins See stach. Als er Rom nicht retten konnte, starb er noch im gleichen Jahr.        

               Die Römer haben sich nicht einmal mit der italienischen offiziellen Sprache angefreundet, die zu ihrem Unmut aus dem toskanischen und nicht aus dem römischen Dialekt stammt. Sie pflegen also sehr sorgfältig ihren eigenen Dialekt und lassen sich durch Hochitalienisch nicht beirren. Möglicherweise deshalb wird die Anschrift SPQR, die man auf allen römischen Kanaldeckeln als eine Erinnerung an einstiges Römisches Reich (Senatus populusque Romanus – also Römischer Senat und Volk) vom Rest der Italiener als „Sono pezzi questi Romani“, interpretiert, also frei übersetzt – „Die spinnen die Römer“.      

               Das zeugt von der Tatsache, dass der Rest Italiens die Römer einfach nicht versteht. Einem Römer ist bewusst, dass er in einer Stadt lebt, die die Wiege der derzeitigen Zivilisation war und betrachtet also alle Nicht-Römer als mehr oder weniger zivilisierte Barbaren. Er fühlt also die Verantwortung für den Rest des Landes, lässt sich aber deshalb nicht seine südliche Gelassenheit nehmen. Die Haupteigenschaft eines Römers ist, dass er immer hinter seinem Zeitplan nachläuft (wenn er überhaupt einen hat) Er weiß es und baut diese Tatsache in sein Lebensprogramm ein, ohne dass ihm das Stress oder Kopfschmerzen verursachen könnte. Die Tatsache, dass er in sein Büro spät kommt, kann ihn nicht daran hindern, mit dem Trafikanten zu tratschen, dem gerade der neue Freund seiner Tochter Sorgen macht. Also einfach „Dolce Vita“, wie diese Lebenseinstellung der geniale Federico Fellini definierte. Rom ist einfach Rom und diese Stadt zu erleben ist ein Pflichtprogramm jedes Mitglieds der westlichen, also christlichen Zivilisation.         

               Wenn ich aber einen Artikel über Rom schreiben möchte und dieser sich in einem limitierten Rahmen halten sollte, stehe ich auf einem verlorenen Posten. Weil Rom nicht nur riesig, sondern auch vielfältig ist. Es gibt antikes Rom, mittelalterliches und natürlich auch modernes Rom. Alles ist so unglaublich miteinander verflochten, dass die Stadt einem gordischen Knoten ähnelt, den es unmöglich scheint, aufzuflechten. Die einzige Ausnahme ist das Mussolinis Stadtviertel  E.U.R,  das einen wirklich kompakten Komplex bildet – ein furchtbares Denkmal der faschistischer Architektur, sehr ähnlich der Schöpfung der Nazis oder des sozialistischen Realismus. Zum Glück traute sich nicht einmal Mussolini ein Stadtviertel im Stadtzentrum niederzureißen, um es mit diesem seinen Denkmal zu ersetzen – diese Entscheidung traf er umso leichter, weil die Italiener – wie wir schon wissen – ohnehin sehr ungern etwas niederreißen. Es gibt damit zu viel Arbeit. Sie bauen lieber um. Gott sei Dank.  

               Nichtsdestotrotz traue ich mich nicht, einen zusammenfassenden Artikel über die römische Kultur und die Sehenswürdigkeiten zu schreiben, maximal könnte ich mich um  ein paar subjektive Sondierungen bemühen. Während dreier Besuche der ewigen Stadt kann man nur einen Bruchteil seiner Schönheit kennenlernen, zu seinen Geheimnissen schafft man das in dieser kurzen Zeit überhaupt nicht.                            

Selbstverständlich muss man in Rom Frascati kosten, einen Wein aus Lazio (den Rotwein Cesanese ist etwas schwieriger zu besorgen, er wird im Gegenteil zum Weißwein in dieser Region nur in kleinen Mengen angebaut) aus südlichen Vorstädten Roms und natürlich auch „Gnochi  ala Romana“ oder „Saltinboca“ ausprobieren, ein Naturschweinschnitzel, paniert auf Butter, das, wie der Name sagt, selbst in den Mund springt. Überraschenderweise kann man in Rom für ziemlich akzeptable Preise essen. Die Konkurrenz der Gaststätte ist riesig, man muss nicht unbedingt im ersten „Ristorante“ bleiben, über das man stolpert, auch wenn man bereits das Gefühl hat, durch Hunger zu sterben. „Insider Tipps“ sind dringend wünschenswert, die Qualität der Speisen in verschiedenen Restauranten ist sehr variabel und nicht immer im Einklang mit dem Preis. Wenn man sich entscheidet, auf der „Piazza Navona“ zu Mittag zu essen, muss man akzeptieren, dass man viel für wenig zahlen würde. Man zahlt hier für den Blick auf einen der schönsten römischen Plätze. Aber zum Beispiel in der „Osteria suburana“ im früheren römischen Sündenviertel Subura oder im „Pane e Vino“ in der „Via di Parione“ kann man gut essen, ohne tief in die Tasche greifen zu müssen.

               Wenn man sich für einen Ausflug nach Rom entscheidet, muss man in Kauf nehmen, lange Strecken zu Fuß zurücklegen zu müssen. Das historische Zentrum ist logischerweise ziemlich groß und die Strecke C der U-Bahn, die durch das Zentrum führen sollte, wird wahrscheinlich niemals fertiggebaut. Es wird an ihr bereits jahrzehntelang gearbeitet, aber egal, wohin die Bauleute graben, immer finden sie ein historisches Artefakt und sie haben sofort die Denkmalschutzbehörde am Hals. Also gibt es nur die Strecken „A“ und „B“, die das historische Zentrum des antiken Roms in einer respektablen Entfernung umkreisen. Diese Entfernung muss man dann zum Fuß bewältigen. Aber es ist möglich. Sogar meine achtzigjährige Mutter hat das geschafft, obwohl sie es mit einer Bursitis im Hüftgelenk bezahlte.      

               Ich versuche durch die Zeit zurück zu rudern, also vom modernen zum antiken Rom und ich bitte um Verzeihung, wenn ich aus Versehen den Weg verlassen würde. Das kann nämlich in Rom sehr leicht passieren. Ich versuche also  immer tiefer nach der Art der Archäologen zu graben, also gegen die Zeit zu reisen.

Ich werde meinen Bericht über Rom in drei Blöcke teilen. Heute beginnen wir also mit dem modernen Rom und wir tauchen bis in die Schichten des Höhepunktes der päpstlichen Macht – also in die Zeit von Barock und Manierismus – ein. Das wird sicher für heute genug sein.

Das neueste Gebäude, das eines Besuches wert ist, ist das „Museo Nazionale delle Arti del XXI Secolo“ genannt kurz MAXXI.

Natürlich, die moderne Kunst ist nicht Jedermanns Sache, man findet hier aber auch ältere Kunstwerke, zum Beispiel im „Museo Aristaios“ gibt es Sammlung, die vom Dirigenten, Archäologen, aber auch Psychiater Giuseppe Sinopoli gespendet wurde. Interessanter als die hier untergebrachten Sammlungen ist aber vielleicht sogar das Gebäude selbst, seine avantgarden Formen verdankt es der Architektin Zaha Hadid (1950 – 2016). Besuchen Sie, wenn möglich, das Museum bei schönem Wetter, das schönste Erlebnis ist nämlich ein Espresso auf der Terrasse. Ein Problem ist, dass dieses Museum ziemlich weit vom Stadtzentrum liegt, es ist von der „Piazza di Popolo“  in Richtung Norden zu Fuß noch einen nicht gerade kurzen Weg entfernt. Man kann die Straßenbahn benutzen, nämlich die Linie 2 in Richtung Piazza Mancini.

               Siebzig Jahre vorher wurde die furchtbare Mussolinistadt E.U.R. gebaut. Sie ist eigentlich einen Besuch wert. Es ist im Grund genommen der einzige Werk der faschistischen Architektur, der uns erhalten geblieben ist – wahrscheinlich auch nur deshalb, weil Italiener – im Gegensatz zu Deutschen – wie bereits hundertmal erwähnt, äußerst ungern etwas niederreißen und auch, weil Rom im zweiten Weltkrieg an die Alliierten übergeben wurde, ohne durch Straßenkämpfe beschädigt worden zu sein. Häuser aus Beton mit Reliefs wie aus dem realen Sozialismus und sogar ein Obelisk – nicht aber ein alter ägyptischer, sondern ein neuer. Sollte jemand denken, Mussolini ließ diesen Obelisk bauen, damit in Rom nicht die unglückliche Zahl von 13 Obelisken steht, muss ich ihn enttäuschen – einen Obelisken, der auf Piazza Porta Capena stand, gaben die Italiener an Äthiopien erst im Jahr 2005 zurück.

Von Mussolinis Bescheidenheit zeugt die Tatsache, dass sein Obelisk mit seinen siebzehn Meter Höhe nur der fünft höchste in Rom ist. Die U-Bahn bringt euch zu E.U.R und wieder zurück, wenn Sie genug von dieser Architektur hätten. Was ziemlich schnell passieren könnte.

               Ein weiteres Monument ist um fünfzig Jahre älter als E.U.R und es ist eines der Wahrzeichen Roms „Monumento Nazionale Vittorio Emmanuelle II.“. Es wurde in den Jahren 1885 – 1911 von Architekten Giuseppe Sacconi gebaut und er wertete damit das Zentrum Roms für immer und ewig ab. Außer einer großen Reiterstatue des ersten italienischen Königs, der zu seinem Glück die Fertigstellung dieses Monuments nicht erlebte (er starb im Jahr 1878) gibt es hier auch das „Grab des unbekannten Soldaten“ mit ewiger Flamme und einen „Heimatsaltar“.  Die Römer konnten sich mit diesem Ungeheuer nie abfinden (im Gegenteil zu Franzosen, die sich nach anfänglichen Protesten mit ihrem Eifelturm doch anfreunden konnten oder Österreichern, die nach heftigen Hasstiraden letztendlich ihre Wiener Oper lieben und dort jedes Jahr sogar tanzen.) Die Römer nennen dieses Riesengebäude in Anspielung auf seine Form bis heute „Die Schreibmaschine“.

Das ist genau das, was ich an den Italienern liebe. Sie können sich über sich selbst lustig machen und ihr Humor gegen sich selbst kann auch sehr giftig sein, trotzdem hören sie nicht auf, auf ihr Land, ihre Kultur, Geschichte und Küche stolz zu sein. Es ist ihnen gleichgültig, dass erzählt wird, dass die zwei kürzesten Bücher der Welt das britische Kochbuch und das Buch der italienischen Heldentaten sind. Egal wie viele Kriege die Italiener verloren haben, immer konnten sie nach der Niederlage etwas für sich gewinnen. Die Österreicher werden ihnen niemals Südtirol und schon überhaupt nicht Triest verzeihen, sie können aber nichts mehr ändern. Zwar einigermaßen ironisch, aber trotzdem pompös, das ist das Monument Vittorio Emmanuelle, die Verherrlichung der italienischen Staatlichkeit.    

               Zum Glück hat Rom solche Denkmäler nicht im Überfluss. Wir können gleich um einige Jahrhunderte tiefer eintauchen und beginnen das barocke Rom zu bewundern. Weil Barock, der hier sein Ursprung erlebte, gibt Rom sein dominantes Gesicht. Am Beginn dieser Epoche stand Gian Lorenzo Bernini, der Vater dieses Baustils.           

               Bernini kam nach Rom als achtjähriger Bub mit seinem Vater, den Papst Paul V. Borghese als Baumeister anstellte. Der Papst, der den Anfang des Dreißigjährigen Krieges mitgestaltete und am 3.Dezember 1620 eine feierliche Messe zur Ehre des Sieges der katholischen Waffen am Weißen Berg bei Prag persönlich zelebrierte. Bernini begann für ihn im Jahr 1618 zu arbeiten und bis zum Tod im Jahr 1680 schuf er in Rom eine Reihe Werke, die der heutigen Stadt ihren Charakter verleihen. Die Borghesen prägen das Stadtbild von Rom bis heute dank ihrer Villa auf dem Berg oberhalb der Spanischen Treppe. Das Grundstück ergatterte der Neffe des Papstes Paul V. Scipionne Scafarelli und die Borghesen blieben hier. Es handelt sich um eine Villa mit einem riesigen Park und einer Gallerie von Statuen, wahrscheinlich der schönsten in Rom – unter anderen gibt es hier auch die Statue der schönen Schwester Napoleons, Pauline, die ein Mitglied der Familie Borghese  Camillo geheiratet hat. Pauline ließ sich nackt als Göttin Venus darstellen. In ihrer Zeit war es ein riesiger Skandal, meiner Meinung nach musste sich Pauline für ihr Aussehen sicher nicht schämen.  

Bernini schuf den Baldachin über das Grab des heiligen Petrus im Dom im Vatikan und den gigantischen Säulengang, der den Platz vor der Kirche des heiligen Petrus umrahmt. Als ich mich das erste Mal zu diesem Platz näherte, verstand ich nicht, wie durch das Mitte Roms eine Autobahn laufen könnte. Es gab hier keine, allerdings könnten die Säulen von Bernini locker eine Autobahn tragen, sie rahmen einen der größten und schönsten Plätze Europas ein Auch der Vorraum des Pantheons ist ein Werk von Bernini und natürlich auch die legendäre Fontäne der vier Flüsse auf der „Piazza Navona“.

Bernini arbeitete insgesamt für acht Päpste, am Ende erschwerte ihm das Leben der Neid seiner Kollegen. Er wurde in der Kirche Maria Maggiore begraben. Sein Grab ist einfach und es ist schwer zu finden, nur sein Name auf einer der Stufen, die zur Apsis führen, erinnert an den Platz seiner Ruhestätte. Große Meister brauchen keine großen Grabmäler, ihr Werk spricht ausreichend für sie. Barock, dieser repräsentative Baustil, siegte in Rom dank Bernini.

Der Höhepunkt der barocken Kunst sind weitere bekannte Denkmäler, wie die Spanische Treppe, gebaut für französisches Geld vom König Ludwig XV. Zum Glück wurde das ursprüngliche Projekt, in dem über der Treppe eine riesige Reiterstatue dieses Königs stehen sollte, nicht vollendet (der Papst war dagegen). Heute steht oberhalb der Treppe die französische „Kirche der Heiligen Dreifaltigkeit“.

               Nicht weit von hier gibt es die „Fontana di Trevi“.

Dieses wunderbare Wasserspiel machte vor allem der Film „Dolce Vita“ von Federico Fellini mit Anita Eckberg und Marcello Mastroiani aus dem Jahr 1959 berühmt. Das nächtliche Bad von Anita Eckberg machte das Werk berühmter als alles andere, seitdem ist die Fontäne ein Pflichtprogramm für jeden Besucher Roms und dementsprechend  schaut es dort auch aus. Sollten Sie die mutige Idee haben, in den Nachmittagstunden die Fontäne zu besuchen, bereiten Sie sich auf unglaubliche Menschenmengen, die alle sich unbedingt vor dem Werk der Architekten Nicola Salvi und Giuseppe Pannini, das aus Anlass des Papstes Klement XII. gebaut wurde, ein Photo machen wollen. Von Gruppen, einzelne Personen, Selfie, alles was nur möglich ist und natürlich gibt es hier eine unglaubliche Menge Rosenverkäufer, die euch nicht in Ruhe lassen. In einem Moment habe ich gehofft, sie wären endlich weg – es begann nämlich zu regnen. Die Freude dauerte nur ein paar Augenblicke, dann waren sie wieder zurück, zwar ohne Rosen, dafür aber mit Regenschirmen. Einen Unternehmergeist kann man ihnen nicht abstreiten. Wenn man nur ein bisschen Privatsphäre hier erleben möchte, hier oder auf der Spanische Treppe, gibt es nur eine verlässliche Methode – man muss früh aufstehen. Was in Rom nicht unbedingt bedeutet, um sechs in der Früh wach zu sein. Die Römer sind keine Frühaufsteher. Es reicht, zur Spanischen Treppe um acht Uhr morgens zu kommen, dann hat man ein Photo nur für sich allein.

               Nur ein paar Minuten Spaziergang weiter gibt es Fontäne der Tritonen auf der „Piazza Barberini“, wieder ein Werk des genialen Bernini, diesmal für den Papst Urban VIII. gebaut.

Kommen wir aber noch eine architektonische Schicht tiefer – zum Manierismus. Der Gründer dieses Stils, der die klassische Renaissance verließ und eine neue Maß der Kunst vorgab, war kein anderer als ein weiteres Genie, der (unter anderem) auch in Rom lebte und arbeitete – Michelangelo Buonarotti.  Seine Werke, ähnlich wie die von Bernini, sind ebenso im ganz Rom verstreut, ein der berühmtesten ist natürlich die Pieta in der Kirche des heiligen Petrus. Es ist sein erstes großes Werk, mit dem sich der damals noch junge Künstler den Platz an der Sonne verschaffte. Durch Führung des Schicksals war eines der letzten Werke des bereits mehr als siebzigjährigen Künstlers die Kuppel der Kirche. Gerade die riesigen Kosten, die mit dem Bau des gigantischen Doms über das Grab des heiligen Petrus, mit dem Julius II. begann, die durch einen unverschämten europaweiten Sündenerlassverkauf finanziert wurden, waren der Grund, warum Martin Luther im Jahr 1517 seine Revolte startete. Michelangelo ist aber an vielen anderen Stellen in Rom durch seine Werke anwesend. Natürlich ist das die legendäre Sixtinische Kapelle, also ihre Decke und die Frontseite – die Seitenwände sind mit Fresken anderer Autoren, nämlich der größten Künstler der Renaissance wie Sandro Boticelli, Perugino, Roselllino und weiteren geschmückt. Das Fresko der Schöpfung des Adams ist allerdings ein der berühmtesten Motiven und neben dem David in Florenz wahrscheinlich das bekannteste Werk Michelangelos. Das Jüngste Gericht an der Frontseite der Kapelle malte Michelangelo zwanzig Jahre später – der Gott gönnte ihm für seine Arbeit genug Zeit. Michelangelo beteiligte sich auf entscheidende Weise auch am Bau des wunderschönen „Palazzo Farnesse“, in der Kirche „San Pietro in Vinculi“ im Stadtviertel Subura findet man seinen berühmten Moses, in der Kirche „Santa Maria Minerva“ dann seinen „Auferstehenden Christus“.  Ein echtes Schmankerl ist dann die Kirche „Santa Maria degli Angeli e dei Martiri“ auf der „Piazza della Republica“.

Der damals bereits fünfundachtzigjährige Künstler entschied sich für eine absolut geniale Lösung, als er aus der Ruine der ehemaligen Terme Kaisers Diokletianus eine Kirche bauen sollte. Er entschied sich die hohen Säle des Tepidariums (90 Meter lang, 27 Meter breit und 30 Meter hoch) zu nutzen und baute die Kirche in der Form eines griechischen Kreuzes (Die Arme des griechischen Kreuzes sind im Unterschied zum lateinischen gleich lang), was der Kirche eine fabelhafte Symmetrie verleiht. Von außen geht es um ein unauffälliges Gebäude – Die Fassade bilden die römischen Ruinen – im Inneren gibt es aber ein unbeschreiblich schönes Erlebnis. Johannes Paul II. schenkte der Kirche die „Milleniumsorgel“, bereits vor ihm ließ  Papst Klement XI. in den Boden der Kirche den so genanntes „Meridian“ einbauen, der zu genauer Zeitmessung dienen sollte.

Ich habe Michelangelo immer bewundert. Er war keiner der Künstler, die einen bereits existierenden Kunststill zur Perfektion bringen, wie z.B. Leonardo da Vinci, sondern einer, der neue Räume eröffnete. So erkennt man ein wahres Genie. Michelangelo hatte den Mut, die schroffen obwohl schönen Linien der Renaissance zu verlassen und sich auf einen neuen unerforschten Weg zu begeben. Der dann weiter in Richtung Barock und zu weiterer Entwicklung der menschlichen Schöpfung führte.

Der Artikel jetzt fortzusetzen wäre beinahe eine Sünde. Schließen wir die erste römische Etappe mit Michelangelo, in die nächste Schicht, nämlich in die Stadt der allmächtigen Päpste in der Zeit der Renaissance und Mittelalters, tauchen wir das nächste Mal ein.

Genua

Die Stadt Genua ist heutzutage dadurch bekannt, dass hier Autobahnbrücken abstürzen. Als wir diese Brücke im Jahr 2006 passierten, stürzte sie noch nicht, sie zeigte nicht einmal eine Absicht, es zu tun. Trotzdem ist es möglicherweise eine bessere Idee Genua mit dem Zug zu besuchen, besonders, wenn man auf der Ligurischen Riviera wohnt, oder der „Riviera dei Fiori“ also der „Riviera der Blumen“, wie sie die Italiener schmeichelhaft nennen. Es ist sicher eine bessere Idee, als in der Stadt zu übernachten, die dank ihres Hafens, in dem große Schiffe und Tanker anlegen, reich geworden ist. In diesem Punkt hat Genua heutzutage seinen ehemaligen erbitterten Gegner Venedig weit überwunden, da Venedig zu einer touristischen Attraktion degradiert worden ist und langsam auf den Meeresboden sinkt. Genua bleibt eine bedeutende Stadt, sie ist letztendlich neben Turin, Mailand und Rom die vierte italienische Stadt, die sich zwei Klubs in der ersten italienischen Fußballiga  – Serie A -zu haben, leisten kann. Venedig hat hier keinen.

Der Westbahnhof von Genua „Statione Principe“ ist ziemlich zentral gelegen und ein guter Ausgangpunkt für den Besuch der Altstadt. Sollten Sie von Osten kommen, steigen Sie in „Statione Brignoni“ aus und Sie würden gleich von der Haupteinkaufstrasse der Stadt „Via XX.Settembre“ begrüßt. Hätten Sie eine kaufsüchtige Gattin mit, dann war es das auch schon mit dem Stadtbesuch.

               Es gab Zeiten, als Genua noch berühmter und reicher als heute war, die Stadt gehörte zu den ersten Mittelmeergroßmächten und führte einen erbitterten Kampf um diese Stellung mit seinen Konkurrenten, mit Arabern, Türken, aber vor allem mit seinen italienischen Gegnern Pisa und Venedig. Warum wissen wir über Venedig viel mehr als über Genua? Das hat seinen Grund in den ewigen innenpolitischen Streitereien zwischen den genuesischen Adelsfamilien um die Macht in der Stadt, was letztendlich zum Verlust der Unabhängigkeit führte. Genua konnte – mit Ausnahme der Eroberung von Korsika (die dann die Stadt im Jahre 1755 an Frankreich verkaufte) und des Nordteils von Sardinien, kein solches Imperium aufbauen, wie sein Gegner an der Adria. Seine kaufmännischen Stützpunkte lagen eher auf der Schwarzmeerküste, besonders auf der Krim, obwohl im vierzehnten Jahrhundert es Genua doch noch geschafft hat, einige Insel im Ägäischen Meer bei der heutigen türkischen Küste wie Lesbos oder Chios unter seine Kontrolle zu bringen.

               Die genuesischen Häfen auf der Krim wurden zum Schicksal für ganzes Europa. Im Jahr 1346 entschlossen sich die heimischen Tataren, die reiche genuesische Niederlassung in Kaffa zu erobern. Als die Genueser nicht bereit waren, zu kapitulieren, begannen die Belagerer mit merkwürdigen schwarzen Hauttumoren bedeckte Leichen über die Stadtmauer zu schleudern. Die Genueser haben bei diesem Anblick Angst bekommen, verließen die Stadt auf ihren Schiffen, segelten aber nicht nach Hause, sondern nach Marseille. Pasteurella pestis, also das Bakterium der Pest, transportierten sie bereits mit. Die Folge war die schlimmste Epidemie, die je Europa erlebt hat.

               Wegen seiner Kolonien am Schwarzen Meer musste Genua gute Beziehungen mit dem Byzantinischen Reich pflegen, da dieses Reich die Meeresengen Bosporus und Dardanellen kontrolliert hat. Genua erhielt vom Kaiser den Stadtteil Pera und es waren 700 genuesische Kämpfer, die unter der Führung des Condottieres Giovanni Giustiniani im Jahr 1453 heldenhaft monatelang Konstantinopel in seinem letzten Kampf gegen hundertausende Türken verteidigten.

               In dieser Zeit hatte allerdings Genua seine erste Hochblüte bereits hinter sich. Genua schaffte es zwar, seinen ersten Konkurrenten Pisa in der Schlacht bei Meloria im Jahr 1284 zu vernichten, verlor aber danach selbst den Kampf gegen Venedig in der Schlacht bei Chioggia im Jahr 1380. Danach wechselte in Genua die Herrschaft der Viscontis aus Mailand mit den französischen Königen, bis im Jahr 1528 Andrea Doria die Stadt befreite und zu einem neuen Höhepunkt der Konjunktur brachte. Weil es in der ersten Hälfte des sechzehnten Jahrhundert geschah und in dieser Zeit die Renaissance gerade ihren Höhepunkt erreichte, erklärt diese Tatsache die Menge der architektonischen Juwelen in der Stadt, die gerade aus dieser Epoche stammen. Wie zum Beispiel die atemberaubende Kirche „Santissima Anunciata“, die die Familie Lomellini bauen ließ. Selbstverständlich finden wir in der Stadt auch ältere Bauten, wie zum Beispiel die Stadttore, die ein Teil der Stadtbefestigung waren und zu Verteidigung gegen Kaiser Friedrich Barbarossa im zwölften Jahrhundert gebaut worden sind, wie die „Porta dei Vaca“ oder die „Porta Soprana“, deren hohe Türme gleich neben dem Geburtshaus des berühmtesten Genueser Christoph Kolumbus in den Himmel ragen. Oder das ganze Privatstadtviertel der Familie Doria um den Platz „San Matteo“ (in der Kapelle San Matteo ist der berühmteste genuesischer Herrscher Andrea Doria begraben) wo noch der gotische Stil überwiegt.

               Andrea Doria war eine imposante Persönlichkeit der europäischen Geschichte, es zahlt sich aus, bei ihm länger zu verbleiben, bis wir unsere Reise zu weiteren genuesischen Sehenswürdigkeiten fortsetzen. 

Er wurde im Jahr 1466 geboren, in für Genua schwierigen Zeiten. Seit 1484 wütete nämlich Krieg zwischen Frankreich und Spanien um die Vorherrschaft in Italien, der vom französischen König Karl VIII. ausgelöst worden war. (Wahrscheinlich aus diesem Grund suchte Christoph Kolumbus seine Bestimmung nicht zu Hause, sondern auf der Pyrenäenhalbinsel). Der Krieg legte in seiner Intensität zu, als die Throne beider Weltmächte junge Herrscher bestiegen, König Franz I. in Frankreich und Kaiser Karl V. in Spanien. Doria stand zuerst auf der kaiserlichen Seite, als Karl V. allerdings im Jahr 1522 Genua eroberte, wechselte er in den französischen Dienst und im Jahr 1524 befreite er Marseille aus der kaiserlichen Belagerung. Danach wechselte er wieder die Seiten und wurde zum kaiserlichen Admiral. Angeblich war der Grund, dass der französische König seine Heldentaten unzureichend honorierte. Wenn jemand seinen Verrat rechtfertigen will, findet er immer ein passendes Argument. Wenn er dann auch siegt, gibt es niemanden, der sein Handeln in Frage stellen würde. Doria siegte. Nur am Rande erlaube ich mir eine Notiz, dass im Jahr 1525 Franz I. bei Pavia die entscheidende Schlacht verlor und selbst in Gefangenschaft geriet. Schon aus diesem einfachen Grund konnte er Doria kaum die von ihm verlangte Belohnung auszahlen. Andrea Doria handelte also offensichtlich pragmatisch und stelle sich an die Seite des Siegers. Das ist immer viel angenehmer, als an der Seite des Verlierers zu beharren. Einen Geschlagenen kann man viel einfacher verraten als einen Sieger, besonders, wenn dieser im Gefängnis sitzt. Im Jahr 1528 übernahm Doria unter dem kaiserlichen Schutz die Macht über seine Geburtsstadt, er schrieb die Verfassung um, beendete innere Streitereien, wurde zum Herrscher auf Lebenszeit, gründete eine Herrschaftsdynastie und führte die Stadt zu einer außergewöhnlichen Blüte. Als sein unbeliebter Neffe Gianettino im Jahr 1547 ermordet wurde, behielt er die Regierung in der Stadt bis 1555, als er sich als beinahe neunzigjähriger von der Regierungsgeschäften zurückzog und die Herrschaft über Genua seinem Großneffen Giovanni (dem Sohn vom ermordeten Gianettino) überließ. Er starb im Jahr 1560 im Alter von 94 Jahren. (Übrigens, der Gründer der venezianischen Macht, der Doge Enrico Dandolo, lebte 98 Jahre lang, verwaltete Venedig bis zu seinem Tod und noch in diesem Alter nahm er am Kreuzzug ins Heilige Land teil) 

               Der Großneffe Giovanni Andrea Doria wurde dann in der legendären Schlacht bei Lepanto im Jahr 1571 berühmt, obwohl auf eine einigermaßen merkwürdige Art. Er führte den rechten Flügel der christlichen Flotte an und ließ sich vom türkischen Piraten Ulugh  Ali aus dem Schlachtfeld ausmanövrieren (für sein ziemlich ungeschicktes Manöver wurde er sogar des Verrates beschuldigt) um letztendlich im Finale der Schlacht doch irgendwie zur Schlacht zu stoßen, gerade im Moment, als sich Ulugh Ali nach der Eroberung des Flaggschiffes der Malteserritter Ansprüche auf den Gesamtsieg machte. Doria fiel den siegreichen Türken in den Rücken und zwang sie zur Flucht. In dieser Schlacht kämpften das erste Mal in der Geschichte die verbitterten Feinde Venedig und Genua Seite an Seite. Also „Seite an Seite“ – Venezianer waren auf dem linken Flügel der Flotte und Genueser auf dem rechten, der Admiral und Kommandant der Armee Juan d´Austria steckte zur Sicherheit zwischen diese zwei Streithahne die ganze spanische Flotte und dazu auch alle Schiffe der Malteser. So konnte er verlässlich verhindern, dass sich seine Verbündeten nicht in die Haare gerieten.    

               Der berühmteste Sohn der Stadt Genua ist aber zweifellos Christoph Kolumbus. In seinem Schatten bleibt nicht nur Andrea Doria, aber auch Niccolo Paganini, der allerdings nicht vergessen wurde. Seine berühmte Geige vom Geigermacher Guarniri aus dem Jahr 1743 wird im Museum im Palast Doria Tursi auf der „Via Garribaldi“ aufbewahrt.    

               Das Geburtshaus von Kolumbus ist eine Halbruine in der Nähe von der „Porta Soprana“.

Um die Wahrheit zu sagen, bin ich von der Authentizität dieses Hauses nicht wirklich überzeugt. Die Genueser suchten offensichtlich irgendein Haus aus dem fünfzehnten Jahrhundert und die sind außerhalb des Privatviertels der Familie Doria eine Mangelware. Und es wäre sehr unglaubwürdig, den kleinen Christoph im Palast der Familie Doria geboren werden zu lassen. Übrigens für die, die Zweifel hätten, gibt es ein zweites ebenso verlässlich authentisches Geburtshaus von Christoph Kolumbus in der Stadt Calvi auf Korsika. Aber authentisch oder nicht, natürlich wird es besucht, übrigens die Staue des großen Seefahrers begrüßt den Stadtbesucher gleich, wenn er den Bahnhof „Statione Principe“ verlässt und nach Kolumbus wurde auch der genuesische Flughafen benannt.

Dann ist es notwendig, in die typischen genuesischen Gässchen unterzutauchen. Sie sind extrem eng und von sehr hohen Häusern umgeben (in Genua gab es einfach immer ziemlich wenige Baugründe).

               Genua lebte und lebt dank seines Hafens. Der große, industrielle, liegt südlich der Altstadt, wir hielten uns natürlich in dem Passagierhafen auf, mit dem Schiff, auf dem Roman Polanski im Jahr 1996 den Film „Die Piraten“ drehte und mit einem großen Aquarium.

Das Aquarium wurde zur Ausstellung EXPO im Jahr 1992 gebaut – natürlich zu Ehre des Fünfhundertjahrejubiläums der Entdeckung Amerikas. Wie sonst? Der Besuch im Aquarium von Genua ist natürlich ein Pflichtprogramm und es ist hier wirklich viel zu sehen. Nicht nur die Seehunde, Haie oder Kröten usw., aber auch die Pinguine, die für uns genau so posierten, wie Skipper, Kowalski, Rico und Private aus dem Film Madagaskar.

               In der gleichen Zeit in den Jahren 1992 – 1994 (Genua war 1992 die Kulturhauptstadt Europas) wurde der verfallene Ankerplatz von Architekten zum heutigen großartigen Schaufenster der Stadt umgebaut.

               Der Kai des Hafens ist heute eine breite Promenade, die von Luxushäusern und Palmen umrahmt ist. Sie wäre noch schöner, wenn jemand nicht die Idee gehabt hätte, gerade  hier eine überirdische vierspurige Straße zu führen, aber wie wir bereits wissen, haben die Genueser mit Autobahnen ein kleines Problem. Diese Straße verunstaltet auch den Blick auf das schönste Gebäude auf dem Kai, den legendären „Palazzo San Giorgio“.

Es ist ein atemberaubendes Gebäude, bedeckt von Fresken und war der Sitz der „Banca San Giorgio“, des mächtigsten genuesischen Geldhauses, heute ist es logischerweise der Sitz der italienischen Nationalbank. Gerade in diesem Haus, das in damaligen Zeiten auch als Gefängnis diente, schrieb Marco Polo sein berühmtes Buch „Million“, als er hier nicht ganz freiwillig als Kriegsgefangener nach der venezianischer Niederlage in der Schlacht bei Curzola die Jahre 1298 – 1299 verbringen musste.

               Nur ein Stück weiter rechts (aus dem Blick von der Hafenseite) führt eine Straße bergauf in die Altstadt. Als erstes begrüßt den Besucher die Kathedrale San Lorenzo aus schwarzem und weißem Marmor.

Die Ähnlichkeit mit den Bauten auf der „Piazza dei Miraculi“ in Pisa ist nicht zufällig. Erstens hat sich der sogenannte pisanische romanische Stil über das ganze Tyrrhenische Meergebiet verbreitet, zweitens stammt der Marmor aus den gleichen Steinbrüchen in Carrara an der Grenze zwischen Toskana und Ligurien und dieser wertvolle Stein war einer der vielen Gründe, warum die Genueser für die Pisaner keine Liebe empfinden konnten, bis Pisa nach dem Jahr 1284 das politische Schlachtfeld räumen und die Machstellung Genua überlassen musste. Die Kathedrale hat nur einen Turm, er wurde zwischen den Jahren 1552 – 1557 gebaut. Ich habe keine Ahnung, warum Andrea Doria den Nordturm nicht fertig bauen ließ, wahrscheinlich investierte er das Geld irgendwo anders. Oder hat sein Architekt gekündigt – dazu kommen wir noch. Die Kathedrale ist auch innen sehr reich geschmückt, der größte Schatz wird in der Renaissancekapelle des heiligen Johannes des Täufers aufbewahrt, beide diese Schatzstücke stammen aus dem ersten Kreuzzug, an dem genuesische Matrosen aktiv teilgenommen haben. In der Schatzkammer der Kathedrale findet man eine Schale aus grünem Glas (Sacro catino), erbeutet in Caesarea im Jahr 1101, von der Genueser glauben, es wäre der heilige Gral und in der Kapelle wird dann die Asche des heiligen Johannes des Täufers beherbergt, die nach Genua bereits im Jahr 1098 gebracht worden ist. Die Entscheidung, welche von diesen heiligen Reliquien die Kirche auf wundervolle Weise gerettet hat, als die Kathedrale im Jahr 1941 von einer britischen Fliegerbombe getroffen wurde, die aber nicht explodierte, überlasse ich dem Leser. Die Bombe kann man übrigens auch heute noch in der Kirche bestaunen.

               Nur ein paar Schritte von San Lorenzo, grundsätzlich noch auf dem gleichen Platz (obwohl er mittelweile den Namen auf „Piazza Giacomo Matteoti“ geändert hat) befindet sich der „Palazzo ducale“, ein riesiger Dogenpalast im klassizistischen Stil und die Kirche „Chieza de Gesu“ mit zwei Bildern von Rubens. Nur ein kleiner Stück weiter gibt es das wahre Zentrum von Genua, den großartigen Platz „Piazza dei Ferrari“ mit einer riesigen Fontäne und wunderschönen Häusern im Stil von Neobarock und Klassizismus inklusiv der Oper von Genua „Teatro Carlo Felice“.

Vor ihm haben wir neben der üblichen Reiterstatue von Guiseppe Garribaldi, die in keiner italienischen Stadt fehlen darf, auch einen Eingang ins „Metro“ von Genua gefunden. Genua hat tatsächlich eine U-Bahn obwohl nur mit  einer Linie und acht Stationen, sie wurde im Jahr 1990 in Betrieb genommen. Sie war dringend nötig, Genua zieht sich nämlich entlang der Küste in der Gesamtlänge von 35 Kilometer hin. Wir traten nicht ein und gingen in die „Galleria Mazzini“, einer gläsernen Einkaufpassage, sehr ähnlich der „Passage Vittorio Emanuelle“ in Mailand oder „Umberto I.“ in Turin. Es gäbe die Zeit für einen Kaffee während die Gattin die Schaufenster der Geschäfte bewundern dürfte. Leider mag es meine Frau nicht wirklich, die Schaufenster zu bestaunen, also die Zeit für den Kaffee blieb relativ kurz. Es war notwendig weiter zu gehen.

               Was Genua zu Genua macht, sind seine prächtigen Paläste, der Beweis für den Wohlstand der Stadt im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert. Dann wurde die Stadt zuerst von Ludwig XIV. und dann von Österreichern in die Defensive gedrängt, die Österreicher nahmen Genua sogar im Jahr 1746 ein. Die schönsten Paläste reihen sich einer neben dem anderen gerade in der Straße, die den Namen des berühmtesten italienischen Rebellen Giuseppe Garribaldi trägt. Die Paläste verdanken ihr monumentales Aussehen dem Architekten Galeazzo Alessi und seinen Schülern – übrigens handelt sich bei Alessi um den Architekten, der an der Kathedrale San Lorenzo den einzigen Turm baute. Dann kümmerte er sich offensichtlich nur mehr um seine privaten lukrativen Aufträge und deshalb blieb der zweite Kirchenturm unvollendet. Hier steht der bereits erwähnte „Palazzo Tursi“ oder der „Palazzo Podestá“. Nur ein paar Schritte weiter gibt es den „Palazzo Spinola“, in dem die Nationalgallerie untergebracht ist.                       

    Den schönsten Palast haben wir auf der Rückkehr zum Bahnhof entdeckt. „Palazzo Reale“ steht beinahe direkt am Kai auf der „Via Balbi“, hinter ihm fanden wir einen wunderschönen kleinen Park mit Mosaikboden, Blumen, Palmen und einem Blick zum Hafen – natürlich verstellt durch die vierspurige Autobahn, die direkt um den Hafen verläuft und leider noch nicht abstürzte. In der Zeit, als im „Palazzo Reale“ Savoyische Könige verweilten, gab es dieses Ungeheuer noch nicht.                 

  Aber Achtung, ich hätte fast etwas vergessen. Die Stadt zieht vom Hafen in die Berge, da bereits in den Straßen von Genua die Alpen beginnen. Also bevor man Genua verlässt, bitte nicht vergessen, zu „Largo Zecca“ zu laufen (es ist vom „Palazzo Reale“ nicht weit) und dann mit der Seilbahn zur obersten Station zu fahren. Von hier gibt es der schönste Blick auf die Stadt, die einmal so berühmt war und für italienische Verhältnisse auch heute immer noch ausreichend reich ist.     

Volterra

                Das toskanische Volterra ist ein verstecktes Nest in den toskanischen Bergen. Es ist so versteckt, dass mein erster Versuch im Jahr 2000, die Stadt mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen, scheiterte. Zwischen San Gimignano, wo ich war, gab es nach Volterra keine Eisenbahn und keine Busverbindung und  ein Taxi hätte man in Col Val d´Elsa bestellen müssen, wo es nur einen Taxibetreiber gab und dieser kein Auto frei hatte. Das Problem war, dass ich damals mit meinem damaligen Chef unterwegs war, der zwar ein Auto für unseren Toskanabesuch bestellt hat, den Führerschein aber zu Hause vergaß und ich hatte auch keinen mit. Also musste ich nach Volterra fünf Jahre später mit eigenem Auto fahren.

Wahrscheinlich dank seiner Lage war es die letzte etruskische Stadt, die die römische Herrschaft akzeptieren musste. Und es ist darauf gehörig stolz. Volterra, das sind Etrusker ohne Ende, ob schon in den Museen oder in den Souvenirshops.

               Übrigens der Letzte, der in der Sprache der Etrusker lesen uns schreiben konnte, war angeblich Kaiser Claudius, also seit dieser Zeit sind beinahe zwei tausend Jahre vergangen. So lange ist schon die Sprache des einmal so mächtigen Volkes vergessen. Böse Zungen – besonders der Schriftsteller Robert Graves – unterstellen Claudius, dass seine Hauptmotivation, die Kaiserkrone, nach der er niemals strebte, nach dem Tod seines Neffen Caligula anzunehmen, die Tatsache war, dass zu seinen wissenschaftlichen Vorträgen über die etruskische Kultur niemand kam (möglicherweise auch deshalb, weil er stotterte). Als er Kaiser geworden ist, mussten die Höflinge diese Vorträge besuchen, egal wie sie sich dabei gelangweilten. Nur zu lachen über den stotternden Kaiser war verboten.

               Aber zurück zu Volterra. Seine Lage auf dem Gipfel eines der toskanischen Hügel verleiht ihm ein monumentales Aussehen, nicht umsonst wird Volterra für eine der schönsten toskanischen Städte gehalten – und hier gibt es eine wirklich starke Konkurrenz.

Zu einer Festung wurde es im vierten Jahrhundert vor Christus ausgebaut, als Etrusken bei dem Blick darauf, wie eine ihre Stadt nach der anderen von Römern eingenommen wurde, in der Panik ihre Stadt mit einem sieben Kilometer langen Mauerring umgaben. Und diese Mauer gab den Römern zu schaffen. Im Jahr 79 vor Christus gelang es dem Diktator Sulla endlich nach einer zweijährigen Belagerung die Stadt einzunehmen und der römischen Verwaltung als ein „Municipium“ zu unterstellen. Von der etruskischen Befestigung der Stadt blieb nur ein Tor erhalten – „Porta all´Arco“, alles andere ging in den darauffolgenden Jahrhunderten zugrunde. Bereits im Laufe der ersten hundert Jahre unter der römischen Herrschaft vergaßen die Etrusker sogar ihre Sprache. So blieb es auch, bis der Tourismus im zwanzigsten Jahrhundert die Erinnerung an diese alte imposante Kultur wieder erwachen ließ. Gescheit ließ sich Volterra ein Monopol auf die etruskische Kultur patentieren. Die Stadt kann sich bei ihrem Gelehrten Mario Guarnacci (er lebte in den Jahren 1701 – 1785) bedanken, da er in Volterra mit den Ausgrabungen begann und seine Funde ein Interesse an der alten aber schon seit ewiger Zeit vergessenen Kultur weckten. Das Museum der etruskischen Kultur trägt seinen Namen „Museo Etrusco Guarnacci“

               Bei der Anfahrt zur Stadt fährt man an einer Menge von Manufakturen für die Bearbeitung von Alabaster vorbei. Volterra ist das italienische Zentrum dieser Kunst – oder eher des Handwerkes und in der Stadt darf natürlich ein Alabastermuseum nicht fehlen. Man findet es im Gebäude der Pinakothek, aber auch im Rathaus kann man Gefäße aus Alabaster in  verschiedenen Farben bewundern, von schneeweiß bis rosarot oder beinahe rot.

               Die wichtigsten Gebäude des Stadtzentrums stammen aus dem dreizehnten Jahrhundert, also aus der Blütezeit des mittelalterlichen Volterra, als die Stadt eine prosperierende selbständige Kommune war, bis sie im Jahr 1361 unter Kontrolle des mächtigen Nachbarn Florenz geraten ist.

               Es bleibt für mich ein Rätsel, warum das alljährige Stadtfest, das jeden dritten und vierten Sonntag im August veranstaltet wird, eine Beziehung zum Jahr 1398 hat („Giornata di Festa nell´Anno Domini 1398“). Trotz allen meinen Recherchen konnte ich nicht erfahren, was so Wichtiges in diesem Jahr passieret ist, das die Bürger von Volterra jedes Jahr so intensiv feiern. Sollte das jemand von meinen Lesern wissen, bitte ich um eine Benachrichtigung.

Wir hatten Glück, dass wir gerade an einem solchen Sonntag die Stadt besuchten ohne zu ahnen, was auf uns wartete. Es war sehr vorteilhaft, dass wir Frühaufsteher sind und außerdem meine Frau immer nach dem Abschluss der täglichen Kulturreise noch baden wollte. Also verließen wir unseren Stützpunkt in Marina di Cecina so früh, dass wir erstens keine Probleme bei der Parkplatzsuche hatten und zweitens wir uns in die Stadt einschleichen konnten, noch bevor die Einheimischen die Straßensperren und Kassen bei Stadteingängen einbauen konnten, um danach die Gebühr für den Eintritt in die Stadt zu kassieren. Die logische Folge war, dass wir ohne eine Eintrittskarte die Stadt nicht mehr verlassen und wieder zurückkehren durften, aber es gab keinen Grund zur Klage, es war genug, was wir sehen und bewundern konnten. Umzüge von Männern und Frauen in rot-weiß mit Trommeln und Pfeifen, den Tanz mit Fahnen, die Delegationen der befreundeten Städte wie Prato in den Kostümen mit Bannern und Wappen und mit Armbrüsten und Lanzen. Auf dem Platz vor dem Rathaus gab es dann auch Duelle (die so wage ausgetragen wurden, dass es ein Gefühl hinterlassen hat, dass die Kämpfe ihre Waffen das erste Mal im Leben in der Hand hatten – nicht vergleichbar mit dem traditionellen und im Mitteleuropa etablierten historischen Fechten), Bauchtänzerinnen und zum Schluss eine Schlacht mit gerollten Socken, an der alle Anwesenden teilgenommen haben.

Überall in den Straßen gab es natürlich Vorführungen des mittelalterlichen Handwerkes, aber auch ein Karussell für die Kinder, das von einem Esel getrieben wurde. In den Straßen gab es mit Tüchern abgedeckte Tavernen, für jede Zunft eine, und man aß, wie anders – mit Löffeln aus Holz oder mit den Händen. Zum Essen wurde neben einem Brei aus gekochtem Gemüse auch Schweinsbraten auf Rosmarin serviert mit einem sodbrennengefährlichen Hauswein. Für Euro konnte man dort nichts kaufen, zuerst musste man die europäische Währung in den Wechselstuben für lokale „Il grosso Volterrano“ umtauschen, die Verkäufer akzeptierten ausschließlich diese Währung. (Die man allerdings bis zu zwei Wochen nach dem Fest wieder für Euro umtauschen konnte).

Trotz des ganzen Aufruhrs in den Straßen konnten wir auch die Stadt mit ihren Sehenswürdigkeiten kennenlernen. Der „Palazzo dei Priori“ auf dem Hauptplatz „Piazza dei Priori“ ist ein gigantisches Gebäude aus dem dreizehnten Jahrhundert – angeblich das älteste Rathaus in der Toskana (eine italienische Stadt kann ohne ihres „piú“ einfach nicht existieren).

Es diente als Vorbild dem „Palazzo vecchio“ in Florenz. Zum „Palazzo dei Priori“ führt der kürzeste Weg von dem berühmtesten und ältesten Tor von Volterra „Porta all´Arco“, an dem sich allerdings sein Alter schon deutlich bemerkbar machte.

Im Konferenzsaal des Rathauses, wo heute die gewählten Vertreter der Stadtverwaltung ihre Sitzungen abhalten, ist die Frontwand mit einem wunderschönen Fresko „Kreuzigung Christi“ von Pietro Francesco Florentino bemalt. Kreuzgewölbe mit sehr breiten Bögen aus Marmor und einem fast filigranen Schmuck, sowie auch die Stadtfahnen in einer Ecke des Saales verleihen dem Raum einen würdenvollen Eindruck. Aus einem kleinen Vorraum gibt es dann einen wunderschönen Blick auf den Platz aus der Vogelperspektive. Die gegenüber liegende Seite des Platzes wird vom „Palazzo Pretorio“ mit einem riesigen Turm mit Schweinskopf dominiert. Nach dem Schweinskopf erhielt der Turm seinen Namen „Torre del Porcelino“ (Schweinsturm).

               Die „Catedrale Santa Maria Assunta“ auf der „Piazza San Giovanni“ ist nur ein paar Schritte entfernt. Die Kathedrale wirkt auf den Besucher nicht mehr so imposant, offensichtlich waren die Bürger von Volterra beim Bau der Kirche schon wesentlich knapper bei Kassa. Die Fassade ist aus Backsteinen gebaut worden, nur der Eingang erhielt einen Marmorrahmen und der Glockenturm aus den Backsteinen ist von der Fassade der Kathedrale ziemlich entfernt, als ob er mit der Kirche keinen gemeinsamen Komplex bilden möchte. Das Innere der Kirche ist reicher als das Äußere, die Schiffe sind voneinander durch Säulen mit engen romanischen Bögen getrennt, die Mauern sind durch Streifen aus weißem und rotem Marmor geschmückt. Die Decke im Stil der Renaissance ist vergoldet und die Kanzel ist ein von vier Löwen getragenes gotisches Werk. Über dem Altar glänzt ein prächtiger Baldachin aus Alabaster.  Das Baptisterium steht der Kathedrale gegenüber, hat die klassische Form eines Sechseckes, mit Marmor ist allerdings nur die Frontseite bedeckt, offensichtlich schafften es die Bürger von Volterra mit dem Einzug der Pest und dann der florentinischen Truppen nicht mehr, den Bau zu vollenden. Auch das Innere ist einfach, die Wände sind ohne Schmuck und in der Mitte befindet sich ein Taufbecken aus Marmor.

               Zum etruskischen Museum muss man aus dem Stadtzentrum bergaufwärts an der Kirche des heiligen Augustinus vorbei gehen. Diese Kirche hat eine Barockfassade und ein romanisches Inneres, in ihrer Nähe befindet sich das Foltermuseum und das Museum der sakralen Kunst. Wie sich diese zwei Dinge vertragen, ist schwer zu sagen, es gab allerdings Zeiten in der Menschheitsgeschichte, in denen sie sich sehr nah lagen.  

               Das Alabastermuseum darf in Volterra natürlich nicht fehlen, im Erdgeschoss gibt es Werke aus diesem Material von modernen Künstlern, in den Obergeschoßen gibt es dann ältere Gegenstände und eine nachgemachte Werkstatt für Alabasterbearbeitung.

               Endlich erreichen wir das Ziel, des wegen wir nach Volterra gefahren sind, also das Etruskische Museum Guarnacci. Man wird von einer Sammlung von mehr als sechshundert Urnen begrüßt. Auf den ersten Blick schauen sie alle gleich aus, geschmückt sind sie mit Bildern der Kampfszenen und auf dem Deckel mit einer liegenden Figur. Das berühmteste Grabmal ist eine Terrakotta eines Ehepaares, auf der sich die Eheleutedie in die Augen schauen. Wegen der Urnen und Grabmäler fuhren wir aber nach Volterra nicht. Das einzigartige an der etruskischen Kunst ist die Erzeugung der etruskischen Bronzefiguren. Etrusker hatten ihren eigenen figuralen Stil. Entweder waren sie wirklich so schlank oder war die Schlankheit das Schönheitsideal oder hatten ihre in die Höhe gezogenen, beinahe fadenförmigen, Figuren eine symbolische oder rituale Bedeutung. Das berühmteste Exponat ist eine Votivfigur aus Bronze, so genannte „Ombra della Sera“ also „Abendschatten“. Natürlich wurde sie im Souvenirgeschäft angeboten und selbstverständlich kauften wir sie. Ob sie Glück bringen oder uns wieder nach Volterra locken sollte, wissen wir nicht, Aber, grundsätzlich – warum nicht?  

Auf dem höchsten Punkt einige hundert Meter hinter dem Etruskischen Museum ragt zum Himmel ein runder Turm der „Fortezza Medicea“, also der Medicäerfestung. Die Festung schaut imposant aus, ist aber nicht für die Öffentlichkeit geöffnet. Zu einem Eintrittsticket für die Festung kann nur ein Verbrechen werden, weil sie als Gefängnis dient.      

Wenn man auf der „Via di Castello“ zum Stadtzentrum absteigt, führt dieser Weg auf die „Acropoli etrusca“ mit einer römischen Zisterne. Die ehemalige Akropolis der Stadt wird heutzutage stolz „Parco archeologico“ genannt, alles Interessante wurde aber bereits ausgegraben und befindet sich im Museum, Neben einigen verfallenen etruskischen Gräbern gibt es hier nur mehr einen Spielplatz für Kinder.

               Wenn man noch immer von der Stadt nicht genug hätte, kann man auf die Nordseite gehen, wo man unter den Stadtmauern Reste von einem ehemaligen römischen Theater und einer Therme finden kann. Der schönste Blick auf die Ruinen bietet sich von der Stadtmauer aus, am bestens vom Park „Parco publico il Bastione“, wo es möglich ist, sich nach einem anstrengenden Tag zu erholen, bevor man die Stadt verlässt.

In unserem Fall in Richtung Marina di Cecina, damit meine Frau noch baden konnte.  

               Wer nicht baden möchte und ein bisschen Adrenalin mag, dann sollte er noch zur so genannten „Balze“, also zu Steilabhängen, nahe der Stadt fahren. Bei Felsenabstürzen wurden hier bereits etruskische, römische sowie auch mittelalterliche Siedlungen begraben, das nächste wird die Camaldoleser-Abtei sein, die aus diesem Grund bereits verlassen wurde.

Liparische (Äolische) Inseln

Die Lipariinseln gehören irgendwie untrennbar zu Sizilien und ein Urlaub auf Sizilien ohne einen Besuch dieser Inselgruppe ist irgendwie unvollständig. Weil meine Gattin an einer starken Kinetose leidet, war klar, dass sie mich bei diesem Ausflug nicht begleiten würde. Es ist mir aber gelungen, meinen Sohn zu überreden, der die Gene seiner Mutter zwar auch geerbt hatte, allerdings in wenig ausgeprägtem Ausmaß und so konnte ich ihn zwar in grüner Farbe aber ohne Erbrechen zurück auf das Festland zurückzubringen. Eine Jause während der Fahrt lehnte er aber strikt ab.

               Liparische Inseln kann man entweder von Messina oder von Milazzo aus besuchen. Wir wählten die zweite Variante, um dem üblichen Verkehrschaos in Messina auszuweichen. Es war eine gute Entscheidung, den Hafen von Milazzo erreicht man problemlos. Auch der Kauf eines Tickets für ein Schnellboot im Touristenbüro im Hafen war kein Problem und bald danach durften wir aufbrechen. Milazzo liegt auf einer langen Halbinsel im Norden Siziliens, über die Stadt ragt, wie über viele anderen sizilianischen und italienischen Städte, eine massive Festung aus der Zeit Friedrichs II., der sein ganzes Königsreich zu einer uneinnehmbaren Festung umgebaut hat. Die Festung von Milazzo spielte dabei eine bedeutende Rolle. 

               Lipari war einmal eine sehr reiche Inselgruppe. Der Grund des Reichtums bereits in der Steinzeit war die Fundstelle von Obsidian, der in der Steinzeit dank seiner Härte und Spaltbarkeit eine entscheidende Rolle spielte und auch das wichtigste Zahlungsmittel war. Die, die die Serie „Game of Throns“ gesehen haben, kennen diesen Stein unter dem Namen „Drachenglas“. Es handelt sich um einen Vulkanstein und die reichen Funde dieses Materials können nur eines bedeuten, nämlich den vulkanischen Ursprung der Insel. Den kann man nicht abstreiten. Die Liparische Inseln gehören als Gipfel der  Vulkane, die über den Meeresspiegel ragen, zu einer tektonischen Spalte, die im Süden mit dem Ätna beginnt und zweihundert Kilometer nördlicher mit dem gleich bedrohlichen Vesuv endet. Von den sieben Vulkanen, also den Liparischen Inseln, sind noch zwei aktiv – Vulcano und Stromboli.

               Vulcano ist normalerweise der erste Halt bei einem Tagesausflug, es liegt nämlich dem Festland am nächsten.

Der eindringliche Gestank von Schwefel und der Rauch, der aus dem Krater aufsteigt, bezeugen, dass der Vulkan noch immer aktiv ist, der letzte vernichtende Ausbruch ereignete sich im Jahr 1890. Schiffe legen im „Porto Levante“ an, das Baden ist an einem schwarzen Strand an der anderen Seite der Insel möglich, was kein Problem darstellt – beide Inselseiten sind nur durch eine Landesenge von wenigen hundert Meter getrennt. Die Halbinsel Vulcanello auf dem nördlichen Ausläufer der Insel erschien nämlich im Jahr 183 vor Christi (damals als eine neue Insel) und im Laufe der Jahrhunderte bildete sich aus der Vulkanasche zwischen ihr und dem Vulcano eine Landesenge, die immer breiter wurde. So gibt es hier heutzutage sogar (kurze) Straßen mit einigen Häusern. Ein Aufstieg zu „Fossa Vucano“ entspricht lediglich 391 Höhemetern, also einer leichten Wanderung, natürlich, wenn man nicht in der Mittagshitze aufbricht. Man könnte sogar zum Kraterboden absteigen, allerdings muss man nicht alles haben.             

               Interessanter ist ein Bad in den Thermalquellen mit Schwefelschlamm. Es ist faszinierend, dass der Boden des Sees wirklich heiß, sogar glühend ist, als ob der Vulkan direkt unter euren Füßen wäre. Ein ganz gutes Gefühl ist das nicht – sollte der Boden aufbrechen, wird man in ein paar Sekunden totgekocht. Die Wassertemperatur beträgt 34 Grad Celsius, also gerade noch angenehme Temperatur, der Schwefelgeruch gibt aber dem Erlebnis eine andere Dimension als in österreichischen Thermen. Leider nahm mein geliebter Sohn auf den Ausflug seine neue (und ziemlich teure) Badehose mit, die gerade für die Gelegenheit unseres Siziliensurlaubs gekauft worden war. Sie war modern, einfach „cool“, das Problem bestand darin, dass man den Schwefelgeruch trotz vielfachen Waschens nie mehr rausgekriegt hat. Das hatte wiederholte unverhältnismäßig lange Vorträge meiner Frau zu Folge, wie das aussieht, wenn man (frau) zwei Männer allein auf einen Ausflug ohne weibliche Aussicht gehen lässt. Silberner Schmuck wird schwarz, der goldene glanzlos. Das habe ich nicht gelesen, sondern erlebt, weil ich vergessen habe, meine Ringe (Ehering und ein silbernen Ring zur silbernen Hochzeit), abzulegen. Hätte ich den Reiseführer sorgfältig gelesen, hätte ich das gewusst und ich konnte mir den Schock ersparen, als ich aus dem Bad gekommen bin. Die gute Nachricht ist, dass das Silber und das Gold nach einer bestimmten Zeit wieder das ursprüngliche Aussehen zurückgewinnen, man braucht aber relativ viel Geduld.

               Die größte Insel der Inselgruppe ist Lipari. Wenn die Bewohnerzahlen auf den anderen Inseln nur Hunderte betragen,  gibt es auf Lipari eine echte Stadt mit ungefähr 12 000 Einwohnern. Seit 2000 sind die Insel Naturerbe UNESCO, was zu Folge hatte, dass der Großteil der Insel Lipari zum Naturpark wurde und weder Obsidian, noch Bimsstein (poröser Stein vulkanischer Herkunft, den alte Römer beim Baden verwendeten, bis in den Zeiten des Kaisers Augustus Seife erfunden worden ist, die der konservative Kaiser gleich mit Luxussteuer belegte und so die Geschäfte der Liparibewohner weiter auf dem laufendem halten konnte) dürfen auf der Insel abgebaut werden.     

               Lipari war reich. Der Reichtum wurde ihm zu Verhängnis. Im Jahr 1544 wurde die Insel vom berühmten Pirat Khair an-Din (Hayredin), genannt Barbarossa, überfallen (bitte nicht mit dem gleichnamigen Kaiser der Stauferdynastie verwechseln). Er eroberte die Insel, die Stadt hat er dem Boden gleichgemacht, die Männer wurden massakriert und die Frauen und Kinder in die Sklaverei verschleppt. Die massive Festung, die über die Stadt emporragt, ist also das Werk der Spanier, die danach die Stadt erneuerten und befestigten.

               Hayredin war eine imposante Persönlichkeit der ersten Hälfte des sechszehnten Jahrhunderts. Er wurde auf der Insel Lesbos in einfachen Verhältnissen in die Familie eines Töpfers geboren. Das Handwerk seines Vaters war ihm zu langweilig und so begab er sich mit seinem Bruder auf Reisen. Es gelang ihm aus dem Nichts eine große Piratenflotte aufzubauen und im Jahr 1516 eroberte und besetzte er die Stadt Alger, was sogar die Hohe Pforte in Istanbul akzeptieren musste, als er sich ihr formal unterstellte. Seit dem Jahr 1533 war Hayredin der Oberkommandant der osmanischen Seemacht mit einer Hauptaufgabe – plündern, plündern und noch einmal plündern. Was er mit großer Begeisterung auch tat. Er eroberte und plünderte viele italienische und dalmatische Städte, nur vor Kotor im Jahr 1539 hat er sich die Zähne ausgebissen, weil die Stadtmauer für ihn uneinnehmbar blieb.  Er brandschatzte an der gesamten italienischen Südküste und im Jahr 1534 eroberte er Tunis. Tunis als eine Basis für eine Piratenflotte konnte aber Kaiser Karl V. nicht tolerieren. Mit Hilfe des Johannitenordens, der nach seiner Vertreibung aus Rhodos seit 1530 auf Malta seinen neuen Wohnsitz fand und des Sklavenaufstandes in der Stadt wurde die Stadt im Jahr 1536 von Karl eingenommen (zu Ehre dieses Sieges wurde in Palermo die „Porta nuova“ gebaut) Hayredin gelang es aber zu fliehen und sein Leben zu retten. Dank dieser kaiserlichen Schlampigkeit konnte er also neun Jahre später Lipari erobern und plündern. Er starb letztendlich als ein reicher und angesehener Mann in Istanbul im Jahr 1546. Die osmanische Dominanz zum See brachen die Christen erst in der Schlacht bei Lepanto im Jahr 1571, also fünfundzwanzig Jahre nach dem Tod von Hayredin Barbarossa.             

               Das neue Kastell auf dem Kap über den Hafen, die Spanier auf den Ruinen der von Barbarossa zerstörten Festung gebaut haben, ist ein imposantes Gebäude, es befindet sich hier das „Museo archeologico eoliano“. Das Museum hat drei Abteilungen, die erste stellt die ältesten Funde von Lipari bis in die römische Zeit aus, in der zweiten Abteilung gibt es die Funde aus der antiken Zeit inklusiv einer Sammlung der Miniaturen der griechischen Theatermasken und in der dritten gibt es Funde aus den anderen Liparischen Inseln. Auch die barocke Kirche „Chieza San Barolo“ stammt aus der Zeit nach dem Wüten Barbarossas, weil die ursprüngliche normannische Kirche dabei unterging. Das Plündern hat nur der Kreuzweg des ehemaligen Klosters mit massiven Steinsäulen in dorischem Stil überstanden. Auf der Akropolis wird fleißig weiter gegraben, aber auch gebaut. Ich konnte nicht abschätzen, aus welchem Jahrhundert dann die neuen Gebäuden sein werden, wenn sie einmal fertig gebaut werden sollten. Sollte Ihnen aber der Reiseführer einflüstern wollen, dass sie aus dem dreizehnten oder fünfzehnten Jahrhudert wären, glauben Sie ihm nicht. Barbarossa hat seine Arbeit immer ordentlich gemacht.

               Die dritte große Insel am Horizont ist Salina. Ihre Form ist so auffällig, dass sie sogar schon in Odyssee ihren Platz fand. Damals hieß die Insel Didyme, also „die Zwillinge“, weil sie von zwei Kratern gebildet wird, die durch ein Tal getrennt sind. Homer schrieb von zwei Sirenen, die durch ihren Gesang die Schiffe vom Schiffbruch an der steinigen Küste der Insel warnen sollten – es handelte sich wahrscheinlich tatsächlich um Pfeifen der Winde, die zwischen den Bergen durch das enge Tal getrieben worden sind. Salina ist durch Anbau von Kapern berühmt, denen unter anderem auch eine heilende und eine potenzsteigende Wirkung nachgesagt wird. Dank der Tatsache, dass sie keine schönen Strände hat, wird die Insel von der Touristenindustrie gemieden wie auch die zwei kleinen und entlegenen Inselchen Filicudi und Alicudi.             

               Was diese drei Inseln erspart geblieben ist, traf voll die kleinste der Liparischen Inseln Panarea.

Diese Insel ist natürlich ein Pflichtstopp auch bei eintägigen Ausflügen, weil es das liparische Monaco oder Porto Cervo ist. Im Sommer gehen hier zahlreiche Luxusjachten der Millionäre vor Anker, die Insel ist das teuerste Pflaster in der Inselgruppe. Nicht umsonst wird Panarea „Die Insel mit der gestohlenen Seele“ genannt. Auf der abgewandten Seite des hohen Felsen, der über das Städtchen emporragt, können die Jachtbesitzer im kristallklaren Wassern baden, für sie kann der Aufenthalt auf der Insel einen bestimmten Zauber haben. Für einen Normalsterblichen ist sie eher langweilig.        

               Für Stromboli sollte man unbedingt einen ganzen Tag – genauer gesagt eine Nacht – reservieren. Der Vulkan auf Stromboli ist noch immer aktiv und die Eruptionen wiederholen sich regelmäßig in ungefähr zwanzigminutigen Intervallen. Natürlich kann man die fließende Lava auch vom Schiff aus beobachten, das die westliche beinahe senkrechte Seite der Insel umfährt. Ein unvergessliches Erlebnis ist aber der Aufstieg zum Krater, von wo aus man die Eruptionen beobachten kann.

Es handelt sich um eine Bergwanderung mit über neunhundert Höhemetern und einen Reiseführer zu nehmen ist eine per Gesetz vorgeschriebene Pflicht. Die ganze Ausrüstung, inklusiv der Taschenlampe und Schuhen, ist nicht notwendig auf Stromboli mitzunehmen, alles kann man leihen, allerding bei Schuhen wäre ich vorsichtig. In geliehenem Schuhwerk beinahe tausend Höhemeter zu bezwingen kann Blasen zu Folge haben – Ihre Füße könnten in Gefahr geraten. Die Vulkanausbrüche, bei welchen die Lava nach einer imposanten lauten Voranmeldung in die Höhe bis zu vierzig Meter hochgeschleudert wird, ist allerdings ein Erlebnis, das man nicht vergisst. Baden kann man auf Stromboli auch, der Strand ist logischerweise ganz schwarz, aber sauber. Im winzigkleinen Städtchen mit engen steilen Gässchen findet man dafür außer Hotels, Souvenirgeschäfte und Restaurants gar nichts.

               Wenn wir Stromboli verlassen haben, können wir auch Sizilien verlassen. Wir schauen das nächste Mal anderswo hin.