Aachen verdankt seinen Ruhm einer Schwäche eines starken Mannes. Kaiser Karl der Große hatte nämlich für das frühe Mittelalter eine seltsame Vorliebe – er hat nämlich sehr gern gebadet.

            Als er dann einen Ort suchte, von dem er sein ausgedehntes Reich regieren könnte, suchte er ihn natürlich in seiner geographischen Mitte (deshalb ist auch heute die Hauptstadt Europas Brüssel, das von Aachen nicht weit entfernt ist), entscheidend für seine Wahl waren aber warme Quellen, die hier aus dem Boden sprudelten und die bereits in den römischen Zeiten berühmt waren.  Sie wurde laut einer Legende vom römischen Legionär namens Granus Severus entdeckt (der historisch nicht belegt ist), deshalb hieß die Stadt in den römischen Zeiten Aquae Grani.

Die Quellen haben übrigens eine heilende Wirkung, lässt euch nicht durch eine Aufschrift verirren, auf der steht, dass es sich nicht um Trinkwasser handelt. Ich war wirklich erschrocken, als ich diese Aufschrift entdeckte, da ich bereits das Wasser in größeren Mengen gekostet hatte (erstens war ich durstig, zweitens neugierig). Ich stellte mir sofort vor, welche Folgen dieser Genuss für mich haben könnte, wenn das Wasser durch irgendwelche todbringenden Bakterien verscheucht wäre. Meine Sorgen waren umsonst. Die Angabe, dass es sich nicht um Trinkwasser handelt, ist nicht deshalb hier, weil das Wasser verschmutzt oder infiziert wäre, sondern weil es als Medikament registriert ist. Also kein Trinkwasser, dafür ein therapeutisches Produkt. Man kann es also ohne Sorge trinken. Es hat einen intensiven Geschmack, es ist relativ salzig und stinkt nach Schwefel. Es sprudelt auf der Kolonnade im Elisenbrunnen und erhält Natrium, Kalium Phosphat und Schwefel. Seine Temperatur an der Quelle ist 53 Grad Celsius, also man musste das Wasser für den kaiserlichen Bad abkühlen. Was einfacher war, als wenn man es aufwärmen hätte müssen.

            Karl ließ hier Ende des achten Jahrhunderts eine kaiserliche Pfalz bauen und dank seiner rheumatischen Probleme verbrachte er hier die letzten sieben Jahre seines Lebens. Die Pfalz macht noch heute einen imposanten Eindruck, sie wird durch den geräumigen Katchhof gebildet, gerahmt auf dem oberen Rand von dem monumentalen Gebäude des Rathauses und auf dem unteren von dem noch größeren Dom. Beide Gebäuden sind imposant und ergänzen sich hervorragend. Beim Eintritt in den Katchhof stockt dem Besucher der Atem. Zum 1200 Jahre Jubiläum des Todes Karls des Großen (er starb im Jahr 814) wurde ein historisches Zentrum Carlemagne eingerichtet, wo ein Besucher seine Reise durch die Geschichte von Aachen beginnen sollte. Ich begann sie nicht, das Personal war gerade auf einem Betriebsausflug (man schrieb das Jahr 2016 und es war noch vor Corona, das mit solchen, für Touristen unakzeptablen Veranstaltungen einen Schluss machte). Ich musste es also akzeptieren, es blieb mir mehr Zeit, um die Schönheit der Stadt zu bewundern. Es gab nämlich mehr als genug zu sehen auch ohne das Museum des großen Karls.

            Das Rathaus ist auf jeden Fall besuchswert. Es ist ein riesiges gotisches Gebäude, es wurde im Jahr 1349 vollendet und steht an der Stelle des ehemaligen Palastes Karls.

Hier, im ersten Stockwerk, tafelten römische (eigentlich deutsche) Könige nach ihrer feierlichen Krönung. Der Palast verkam aber mit der Zeit, der König, der als der letzte in den alten Räumlichkeiten aß, war Rudolf von Habsburg. Er schaffte es, das ganze feierliche Festmahl in einer Stunde zu verzehren, wobei er die ganze Zeit mit Sorge die Decke beobachtete, die mit einem Einsturz drohte und mit dem Staub aus den lockeren Backsteinen dem König seine Suppe verfeinerte. Die Bürger der Stadt entschieden also das verfallene Gebäude im Jahr 1330 abzureißen (keine weiteren Herrscher nach Rudolf trauten sich dort zu essen) und bauten an seiner Stelle ein neues Rathaus. Den Saal für die feierlichen Gastmähler der frischgekrönten Könige bauten sie aber wieder, es war für die Stadt lebenswichtig, dass diese Tradition wiederbelebt wurde – der Saal befindet sich im ersten Stock und er ist atemberaubend, Mit seiner Größe 45 x 18,5 Meter und mit 100 gotischen Bögen gehörte er zu den größten Europas. An den Wänden gibt es 5 Fresken aus dem Leben Karls des Großen, drei weitere wurden im zweiten Weltkrieg vernichtet. Als erster schmauste in dem neuen Sal der Namensvetter Karls des Großen, Kaiser Karl IV. nach seiner Krönung im Jahr 1349 – diesem Herrscher begegnen wir in Aachen noch mehrmals.

Königssaal im Rathaus

            Aachen war die einzige deutsche Stadt, die von den Alliierten noch im Jahr 1944 eingenommen wurde. Nach schweren sechs Wochen dauernden Kämpfen ist es gelungen, die Stadt am 21. Oktober 1944 einzunehmen. Die Front stabilisierte sich dann hier für eine lange Zeit, das nicht weit entfernte Köln wurde erst Ende März 1945 erobert. Mit der Besetzung von Aachen ist eine Geschichte verbunden, die für mich fast unglaubwürdig klang. Die Amerikaner suchten nach der Einnahme der Stadt eine Person, die sie als den Bürgermeister einsetzen könnten. Sie fanden sie in Franz Oppenhof, einem katholischen Nazigegner. Er nahm die Sache eher diktatorisch als demokratisch in die Hand, er feierte aber mit seinem Zugang unübersehbare Erfolge. Im Winter 1944/1945 ist es ihm gelungen das Krankenhaus wieder in Betrieb zu nehmen, die Wasserversorgung wurde wiederhergestellt und es begann der Verkehr und die Infrastruktur zu funktionieren. Damit hat er sein Todesurteil besiegelt. Wenn ihn die Nazis hinter der Front im Herbst 1944 nur bedrohten und warteten, dass er sich selbst und die neue Besatzungsmacht durch Misserfolge diskreditierten und „das erbitterte Volk“ ihn mitsamt seinen amerikanischen Beschützern vertreiben würde, seine Erfolge hatten eine Entscheidung zu Folge, den „Verräter und Kollaborateur“ physisch zu liquidieren. Am 25. März 1945, also nur sechs Wochen vor dem Kriegsende, wurde Oppenhof von einem Fallschirmjägerkommando SS ermordet, die Himmler mit dieser Aufgabe hinter die Front entsandte.

Im unteren Teil der Pfalz steht der Dom, den Karl der Große erbauen ließ.

Es wird eine Legende erzählt, wonach es die Bürger der Stadt mit dem Bau nicht eilig hatten und die Mittel, die der Kaiser für den Bau zu Verfügung gestellt hatte, zu anderen Zwecken verwendeten. Dann hat der Kaiser unerwartet seinen Besuch der Stadt angekündigt und in der Stadt brach Panik aus. Karl war bekanntlich nicht zimperlich, wenn es um die Bestrafung des Ungehorsams ging. Wenn er böse war, konnte er sehr grausam sein und jetzt mussten die Bürger mit seinem Zorn rechnen. In diesem Moment der Verzweiflung erschien in der Stadt ein Bettler, der die Vollendung der Kirche in einem einzigen Tag versprach. Allerdings mit der Bedingung, dass die erste Seele, die die neue Kirche betritt, ihm gehören würde. Er war der Teufel persönlich. In der Angst vor dem zornigen Kaiser sahen die Bürger keine andere Wahl als diesem Angebot zuzustimmen. Am nächsten Tag war der Dom fertig. Die Bürger von Aachen fanden aber eine Lösung aus dem Schlamassel herauszukommen. Wenn der Teufel damit gerechnet hatte, dass als erster die Kirche der Kaiser persönlich oder zumindest der Erzbischof betreten würde, haben die Bürger eine Wölfin in die Kirche getrieben. Der Teufel warf sich auf sie und als er erkannte, dass er überlistet wurde, lief er mit einem furchtbaren Schrei aus der Kirche heraus. Er schlug die Tür hinter sich so stark zu, dass auf dem Klopfer sein Daumen blieb und die Tür bis heute einen Riss rechts unten hat. Die Wölfin aus Bronze steht dann direkt in der Eintrittshalle der Kirche. Ihre Anwesenheit auf dieser Stelle ist bereits im Jahr 1320 belegt.

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