Benevent war das südlichste Herzogtum der Langobarden und ist auf seine langobardische Geschichte gehörig stolz. Langobarden erschienen, angeführt von ihrem Häuptling Zotto, im Jahr 571 n.Ch. vor der Stadt. Sie eroberten Benevent und bildeten gemeinsam mit dem Herzogtum Spoleto die so gennannte Langobardia Minor, die von den nördlichen Herzogtümern durch das byzantinische Exarchat von Ravenna, das später zum Kirchenstaat geworden ist, getrennt war. Man trifft in Benevent auf Schritt und Tritt Erinnerungen an diese berühmte Zeit. Hier, weit im Süden, suchten die Söhne der verräterischen Herzogin von Cividalle, Romilda, Romuald und Grimoald Asyl. Der zweite von ihnen hat von hier aus seinen Marsch zur Gewinnung der langobardischen Königskrone begonnen. Allerdings führte die Entfernung von dem Machtzentrum in Pavia die lokalen Fürste zur Annahme, dass sie der militärische Konflikt zwischen ihrem König Desiderius und dem fränkischen König Karl dem Großen nichts angehe und sie überließen im Jahr 772 den eigenen König einfach seinem Schicksal. Was sich rächen sollte. Im Jahr 840 wurde Benevent von Arabern erobert, danach zerfiel das Herzogtum in drei Teile (Benevent, Capua und Salerno), die dann eins nach dem anderen von Normannen eingenommen wurden. Die Landkarte, die die größte Ausdehnung des Herzogtums Benevent (aber auch das Gebiet, das im Altertum der Stamm Samniten beherrscht hatte) darstellt, gibt es auf der Hauptstraße Via Garibaldi mitten in der Stadt. Die Bewohner der Stadt sind also auf ihre Geschichte sehr stolz.

Diese Stadt, tief in Binnenland zwischen den Hügeln gelegen, war nämlich bereits in der vorrömischen Zeit bedeutsam. Sie war die Hauptstadt des Stammes der Samniten und fiel als eine der letzten in Italien an Rom – nach der Niederlage des griechischen Königs Pyrrhus, der von einer Karriere wie der Alexander der Große träumte. Im Jahr 275 v.Ch – fand vor den Toren von Benevent die entscheidende Schlacht, in der römische Legionen unter der Führung des Konsuls Curius Dentatus Pyrrhus besiegt haben, statt.

Bei Benevent wurde noch einmal über das Schicksal von Süditalien entschieden und zwar im Jahr 1266, als sich hier zwei mächtige Armeen gegenüber standen. Auf einer Seite waren das Truppen des sizilianischen Königs Manfred, des unehelichen Sohnes des Kaisers Friedrich II., den er mit der schönen Bianca Lancia hatte. Der Kaiser heiratete seine Geliebte an ihrem Sterbebett (sie wird also offiziell als seine dritte Frau geführt), der Papst hat diese Ehe aber niemals anerkannt und Manfred blieb also für ihn und für den Rest der Welt ein Bastard. Seine Ansprüche auf die sizilianische Königskrone lehnte der Papst in seinem Hass auf die ganze staufische Familie entschieden ab. Der Papst suchte geduldig jemanden, der bereit wäre, den letzten Vertreter dieser verdammten Familie zu verjagen oder zu töten. Und er wurde fündig.

Gegen Manfred standen Truppen des französischen Herzogs Karl von Anjou, der hier im päpstlichen Sold war und als Belohnung die Königskrone erhalten sollte, die noch auf dem Haupt von Manfred saß. Es war 26.Februar 1266, es war kalt und die Arme von Anjou war hungrig und erfroren. Die Kräfte Manfreds waren viel größer, besonders was die Fußsoldaten und sarazenische Bogenschützer betraf. Dazu verfügte Manfred über eine Truppe deutscher Söldnern, die als unbesiegbar galten und von denen Italiener panische Angst hatten. Wohl bemerkt – die Italiener, nicht aber die Franzosen. Im Grunde genommen wäre ausreichend gewesen, sich in den befestigten Städten zu verschanzen und die Armee von Karl von Anjou hätte sich wahrscheinlich selbst aufgelöst. Manfred wollte aber die Plünderung seines Landes vermeiden und dazu verließ er sich auf die zahlenmäßige Überlegenheit seiner Armee. Er stellte sich also den Eindringlingen auf der Brücke über den Fluss Calore vor den Toren von Benevent – und als Heerführer versagte er kläglich. Manfred war ein sehr schöner Mann, ähnlich seiner wunderschönen Mutter Bianca. Er war ein Maecenas der Kunst, er kümmerte sich um den Wirtschaftaufschwung seines Landes, er gründete Städte (eine von ihnen trägt bis heute seinen Namen Manfredonia), in der Kriegsführung kannte er sich aber nicht aus. Also, wenn ich mich schon einmal am Ufer eines Flusses hinter einer Brücke verschanze, hat es keinen Sinn, diese Brücke zu überqueren und den ohnehin verzweifelten Gegner anzugreifen. Dazu noch umgeben von italienischen Baronen, die immer zu einem Verrat bereit waren. Was auch geschehen ist. Im Moment, als die Schacht zugunsten der Franzosen entschieden war, rief sein Berater und Minister, der dem König immer mangelnde Interesse für seine Armee vorgeworfen hatte,  Manfred folgende Worte zu: „Wo sind jetzt deine Sänger und Geiger? Jetzt sollten sie spielen und singen und damit den Feind verjagen!“

Es gelang nicht. Manfred starb in der Schlacht. An der Stelle, wo er seinen Tod fand, steht heute am Ufer des Flusses Calore sein Denkmal „Monumento a Manfredi“. Süditalien ging in die Macht der französischen Familie Anjou über, was man an der ungewöhnlich hohen Zahl gotischer Bauten in dieser Region erkennt – in Monte San Angelo, in Lucera oder in Neapel. Die Italiener selbst haben Gotik als einen fremden französischen Stil großteils ignoriert (Ausnahme Mailand).

Der König von Neapel, Ferdinand, schenkte Benevent Papst Alexander VI. Borgia, der hier ein Herzogtum für seinen Sohn Juan neu gründete. Juan wurde bald danach ermordet, Benevent blieb aber ein Teil des Kirchenstaates.

Benevent ist ein schönes Städtchen mitten von Bergen. Einen Parkplatz hier zu finden war nicht einfach, besonders deshalb, weil es Samstag war und der Platz des Kardinals Pacco, wo sich der Hauptparkplatz der Stadt befindet, als Markt diente, wie es schon in vielen italienischen Städten der Fall ist. Wir fanden letztendlich einen kostenlosen Parkplatz ungefähr 700 Meter vom Stadtzentrum mit seinem gut erhaltenen Mauerring entfernt und ein kleiner Spaziergang schadete nicht. Zu meiner Verwunderung war von den Straßen im Zentrum nur die Hauptstraße Via Garibaldi mit Namen gekennzeichnet, alle anderen Plätzchen und Gässchen hier waren namenslos. Weil aber das Zentrum nicht gerade groß ist, war das für die Orientierung kein echtes Problem, Übrigens weiter im Getümmel der kleinen mittelalterlichen Gässchen fanden wir schon die Namen der langobardischen Herzöge Arechi I. Arechi II. oder des bereits erwähnten Romuald aus Cividale.

Durch Benevent verläuft die Via Appia (über die Brücke Ponte Leproso, die noch viel ursprüngliche römische Bausubstanz hat) und deshalb war diese Stadt auch in den römischen Zeiten bedeutsam. An die erinnert der monumentale Siegesbogen Kaisers Trajan aus dem Jahr 114 n.Ch. am Rande eines schönen Parks. Die kreativen Bürger von Benevent bauten den Bogen in die Stadtbefestigung ein und er diente als Tor „Porta aurea“, also das „Goldene Tor“.

In Benevent befindet sich als eine weitere Erinnerung an die Zeiten des römischen Imperiums ein großes römisches Theater für 20 000 Zuschauer. Es befindet sich mitten in der Stadt, was es ein bisschen schwieriger es zu finden macht. Es wirkt aber trotzdem monumental, obwohl er von Wohnhäusern umgeben ist. Die Sitzreihen sind modern mit neuen Ziegeln umgebaut, damit das Theater auch heute benutzt werden könnte, viel Authentizität kann man aber unter diesen Umständen nicht erwarten.

Eine Erinnerung an die Zeiten der Langobarden ist die Kirche Santa Sofia, neben Brescia die größte frühmittelalterliche Rotunde mit einem Kreisgrundriss und im Inneren mit zwei Säulenreihen. Sie ist in das Weltkulturerbe UNESCO aufgenommen und sie verdient das auch. Der Grundriss mit den Säulen, die die Gewölbe tragen, ließ annehmen, dass es sich hier ursprünglich um einen antiken Tempel handelte – möglicherweise war er der Göttin Juno geweiht. An die Kirche lehnt sich das Benediktinerkloster an. In dem gibt es die größte Attraktion von Benevent, das samnitische Museum „Museo del Sannio“ mit den Exponaten aus der Zeiten der Samniten, Römern und aus dem Mittelalter, als hier Langobarden und Normannen herrschten. Das Kloster selbst mit einem riesigen zweistöckigen Kreuzgang, getragen von eigenartigen Säulen (manche sogar in Knotenform) ist sicher besuchswert. Die Ausstellung ergänzt es dann sehr passend – obwohl hier natürlich ausschließlich italienisch gesprochen wird.

Der Dom von Benevent war etwas enttäuschend. Unter dem Bombenhagel des zweiten Weltkrieges wurde er vollständig vernichtet und in den Fünfzigerjahren neu aufgebaut. Erhalten sind nur die Flügel der Fassade geblieben, das Innere der Kirche ist modern. Auch die Bausubstanz, von außen betrachtet, ist sichtlich neu. Der Krieg hat hier unheilbare Spuren hinterlassen.

Benevent hat noch eine Sehenswürdigkeit. Die Stadt (oder ihre Umgebung) diente als einen Treffpunkt der italienischen Hexen (wie zum Beispiel die Stolzalpe in der Steiermark). Sie ist stolz auf diesen fraglichen Ruhm, wir aßen im Restaurant „Locande dele Streghe“ und ich kapierte endlich, woher das schöne slowakische Wort „Striga“ für eine Hexe stammt.

Ob ich dieses Restaurant mit langobardischen Spezialitäten empfehlen kann, bin ich mir nicht ganz sicher. Das Essen war sehr gut, das Kaninchen einfach köstlich und die Bedienung, an der auch der sieben- oder achtjährige Sohn der Besitzer teilnahm, lieb und schnell. Das Kaninchen auf langobardische Art hat allerdings die erlaubte Höchstgeschwindigkeit in meinen Gedärmen mehrfach überschritten und war bald wieder draußen. Gott weiß warum, vielleicht war das wirklich eine Hexerei. Der Vorteil war, dass man das Essen ohne Angst, zuzunehmen, genießen konnte. Nur, bitte, sollte man das Restaurant nicht zu früh verlassen. Schön warten, bis man von dem Kaninchen wieder verlassen wird.

Trotzdem nahmen wir aus Benevent schöne Erinnerungen mit.

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