Am 8. September 1943 schlug die Sternstunde der neapolitanischen  Camorra. An diesem Tag kam sie zur Macht, die sie bis heute behält. In Kampanien bildet diese kriminelle „Familie“ parallele Strukturen zu den staatlichen und wenn man keinen Arbeitsplatz im staatlichen Dienst bekommt, ist man gezwungen, zu einem „Paten“ zu gehen und bei ihm um eine Arbeit zu bitten. Camorra besitzt oder kontrolliert 70% des Privatsektors in Kampanien. Ihr märchenhafter Aufstieg begann an diesem Tag, dem 8.September 1943, als Alliierten in der Bucht von Salerno landeten.

Die Zeiten waren damals sehr unruhig. Als es Alliierten gelang, im Juli 1943 auf Sizilien zu landen und die dortigen italienische und deutsche Truppen zu besiegen, rief König Vittorio Emanuelle  III. Mussolini vom Posten des Premierministers ab und ließ ihn internieren. Zuerst auf der Insel Ponzo in der Inselgruppe La Maddalena bei Sardinien und dann im einem Luxushotel Campo Imperatore im Gebirge Gran Sasso nahe l´Aquilla. Am 3.September schloss er dann Waffenstillstand mit den Alliierten. Die Deutschen aber, die die strategische Bedeutung Italiens gut erkannten, waren nicht bereit, dieses Land aufzugeben und marschierten in Italien ein, um dort die Macht zu übernehmen. Am 12.September wurde Mussolini von einem Kommando unter der Führung des Obersten Skorzeny befreit und nach Deutschland ausgeflogen.

Die Zeit drängte, die Alliierten brauchten dringend eine schnelle Landung auf dem italienischen Festland und wollten dabei keine großen Verluste hinnehmen. Sie traten in Verhandlung mit Mafiachef Lucy Luciano, der seit 1936 in einem Gefängnis in den USA saß. Er vermittelte einen Kontakt zu der kampanischen Mafia – Camorra – und diese bereitete alles für eine erfolgreiche Landung in der Bucht von Salerno vor. Als Belohnung für ihre Dienste übernahm sie danach die Verwaltung der internationalen Hilfe inklusiv des Marschallplans. Und mit diesem Geld legte sie den Grundstein ihrer Machtstellung in der Region. Die amerikanische Regierung sowie auch Lucy Luciano selbst haben diese Verhandlungen immer dementiert, es ist aber eine Tatsache, dass Luciano, der im Jahre 1936 zu 30 – 50 Jahre Haft verurteil worden war, im Jahr 1946 freigelassen und des Landes verwiesen wurde – direkt nach Kampanien. Ich glaube nicht, dass die Amerikaner in der Mathematik so schwach waren.

Die Stadt Salerno, der Zentralpunkt der Bucht mit einem großen Hafen und mit Industrie, wurde aber trotzdem am 8.September 1943 stark beschädigt und konnte sich von dieser Zerstörung nie mehr wirklich erholen. Also wenn man nach Salerno kommt, wird man von breiten Straßen mit hohen Wohnhäusern aus der Nachkriegszeit begrüßt, die bereits Anstrich und sogar Ziegel auf den Balkonen verlieren. Ein echtes architektonisches Juwel ist diese Stadt sicher nicht. Trotzdem ist sie eines Besuches wert. Sie hat nämlich eine ruhmreiche Geschichte hinter sich.

Im Jahre 1076 nahmen Soldaten des normannischen Herzogs Robert Guiscard die Stadt ein und vertrieben den letzten langobardischen Herrscher. An diese Zeit erinnert die größte Sehenswürdigkeit der Stadt, der Duomo San Matto. Das imposante Gebäude im normannisch-arabischen Stil ließ Robert Guiscard im Jahr 1080 bauen. Der Bau ist nur durch die Fassade aus dem 19.Jahrhundert entstellt, sonst ist er aber sicherlich eines Besuchs wert. Das riesige Atrium vor der Kirche ist von 28 Marmorsäulen aus Paestum umrahmt, die Bögen zwischen den Säulen sind schmal, es ist die typische Symbiose des romanischen und arabischen Stils, die sich Normannen aneigneten und benutzten. Auf Sizilien kann man sie an vielen Orten sehen. Die Bronzetür der Kirche stammt aus Konstantinopel, wie es in dieser Gegend öfter vorkommt und in der Kirche sind zwei beinahe filigranartige Kanzel aus dem 12.Jahrhundert am schönsten.

In der Kirche gibt es Gebeine von zwei Heiligen. Über den ersten muss man nicht streiten. Die Überreste des heiligen Evangelisten Matthäus sind in der barocken Krypta aufbewahrt. Laut einer Legende wurden sie von Äthiopien, wo er den Märtyrertod starb, im neunten Jahrhundert nach Paestum überführt und so wurde er zum Patron der Region Kampanien. Von dort wurden seine Gebeine nach Salerno transportiert, als sich die Bewohner von Paestum unter ständigen arabischen Angriffen entschlossen haben, die Stadt zu verlassen. Über die Echtheit der Gebeine dürfen wir natürlich streiten, Normannen hielten aber an dem Heiligen fest.  Die Krypta ist mit Stukatur und vielen Gemälden geschmückt und hier finden Hochzeiten statt – das Ehegelöbnis beim Grab des heiligen Evangelisten hat natürlich einen besonderen Reiz.

Das Grab des zweiten Heiligen befindet sich in einer Kapelle rechts vom Hauptaltar. Sein Bild gibt es hier auch in der Mosaikform, sogar mit seinem Namen.

Ich gebe zu, dass ich mit diesem Heiligen nicht gerade kleine Probleme habe. Es handelt sich um Gregor VII, den Papst, der den Investiturstreit ausgelöst und Europa damit für lange Jahrhunderte in einen blutigen Krieg zwischen der weltlichen und der geistlichen Macht verstrickt hat. Seine Heiligsprechung kann ich also nur als eine reine politische Tat  verstehen. Gregor VII., mit eigenem Namen Hildebrand von Soana, wurde  am 22. April 1073 vom römischen Volk zum Papst ausgerufen. Die Kardinäle wurden zur Wahl gar nicht zugelassen, wenn sie überleben wollten, mussten sie die Wahl zähneknirschend akzeptieren. Hildebrand  zögerte, die päpstliche Tiara auf diese Art zu empfangen, aber das Volk schleppte ihn in die Kirche San Pietro in Vincoli und setzte ihn auf den Thron.  Und die Geschichte nahm ihren Lauf. Bereits im Jahr 1074 rief der Papst eine Versammlung zusammen und richtete dem jungen deutschen König Heinrich IV. klar aus, dass er sich für den Herrn über alle Kirchenmänner auf der ganzen Welt halte und nur er allein über ihre Ernennung entscheiden dürfe. Er forderte alle Bischöfe, die sich ihre Ämter mit Geld gekauft hatten (der König war der größte Empfänger dieses Geldes) auf ihre Ämter unter der Androhung des kirchlichen Bannes  zu verzichten. Es begann der Kampf um die Herrschaft über unsere bekannte Welt, der so genannte Investiturstreit. Das Ziel des Papstes war einen universalen kirchlichen römischen Staat zu gründen, in dem die einzelnen Länder nur kirchliche Lehnen darstellen sollten. Im Jahr 1076 exkommunizierte er den König und zwang ihn zum demütigenden Weg nach Canossa. Dort ließ er ihn vom 25. bis 27. Januar 1077 drei Tage lang in Schnee und Frost barfuß vor der Burg stehen. Es spricht für eine hervorragende körperliche Verfassung des Königs, dass er die drei Tage ohne größeren gesundheitlichen Schaden überstanden hat. (er war letztendlich nur 28 Jahre alt und offensichtlich pumperlgesund). Danach beugte er sich dem Papst, versprach seine Vormacht zu akzeptieren und seine Exkommunikation wurde vom Papst aufgehoben. Der König kehrte nach Deutschland zurück, machte mit denen, die den Papst unterstützt hatten, kurzen Prozess und festigte seine Macht.  Der Papst bereute seine „Großmütigkeit“, im Jahr 1080 exkommunizierte er den König das zweite Mal, diesmal aber ohne Erfolg. Der Schreck dieser Maßnahme verblasste bei der Wiederholung. Der Kaiser marschierte mit seinen Truppen in Rom ein und ignorierte den Papst, der sich in der Engelsburg versteckte. Gregor suchte verzweifelt nach Verbündeten und wurde in Robert Guiscard, der eigentlich ebenso wie der Kaiser seit 1074 mit einem kirchlichen Bann belegt war, fündig. Jetzt wurden die Plündereien des Normannen im Kirchenstaat vergessen, der Bann feierlich aufgehoben und Robert Guiscard wurde vom Papst mit allen Gebieten, die er erobert hatte, als päpstlichem Lehen belohnt. Robert Guiscard hatte aber genug eigene Sorgen als der König am 21.April 1082 feierlich durch das Tor San Giovanni in Rom einzog. Der König erklärte den Papst für abgesetzt, ließ im Lateran seinen eigenen Papst Klement III. weihen und der hat ihn im Gegenzug zum Kaiser gekrönt. Nur dann erschien Robert Guiscard mit seinen Truppen vor der Stadt. Der Kaiser konnte sich dieser Armee nicht stellen, er verließ die Stadt still am 21.Mai. Normannen zogen am 27.Mai in Rom ein und begannen die Stadt zu plündern. Römer, die Widerstand leisteten, wurden erbarmungslos ermordet. In der Stadt entstanden Brände, von Rom blieb nur ein Drittel unzerstört. Nach so einem Massaker, das auf  Einladung des Papstes stattgefunden hat, durfte Gregor VII. nicht einmal daran denken, in Rom zu bleiben. Er ging mit den Normannen nach Salerno und starb dort am 25. Mai 1085 in der Verbannung. Er war ein gebrochener Mann, der seinen Machtkampf verloren hat. Er fand aber würdige Nachfolger wie Innozenz III oder Innozenz IV, die in der Mitte des dreizehnten Jahrhundert die kaiserliche Macht gebrochen haben. Der Beschützer des Papstes und Plünderer von Rom Robert Guiscard überlebte Gregor VII. nur um knappe zwei Monate.

Im Jahr 1606 wurde Gregor VII, den seine Zeitgenossen „der heilige Satan“ oder „Höllenbrand“ nannten, vom Papst Paul V. heilig gesprochen. Wenn man bedenkt, wie vielen unschuldigen Menschen seine Politik das Leben kostete, habe ich mit seiner Heiligsprechung wirklich  große Probleme. Sein Grab besuchte ich trotzdem.

Salerno ist aus noch einem Grund berühmt. Hier gab es die erste medizinische Schule in Europa. Seit neuntem Jahrhundert wirkte hier die „Scuola medica salertiana“, hier überlebte die griechische Medizin und wurde weiter entwickelt. Die Schule war so berühmt, dass bei der Gründung der Universität von Neapel der Gründer, Kaiser Friedrich II., die medizinische Fakultät weiterhin disloziert in Salerno ließ. Ein kleines Museum (Museo virtuale) ist in einer kleinen, weiß gestrichenen Kirche des heiligen Gregor untergebracht. Außer des Videos über die Geschichte der Medizin bietet es nicht zu viel, aber für Liebhaber der medizinischen Geschichte ist sicher interessant. Auf die Öffnungszeiten kann man sich nicht ganz verlassen. Wir kamen in der Zeit, in der das Museum laut Reiseführer offen sein sollte, war es aber nicht. Montags ist das Museum, egal was der Reiseführer schreibt, – geschlossen.

Viel mehr gibt es in Salerno nicht zu sehen. Natürlich gibt es hier einen Hafen, von wo aus man nach Amalfi, Possitano oder Capri fahren kann, einen großen Park und eine mit Palmen und Bäumen umrahmte Promenade am Meeresufer und eine Burg. Obwohl Castello Arechi nicht gerade leicht erreichbar ist. Sie steht auf einem Hügel hoch über der Stadt, aus meiner Sicht Ende August viel zu hoch über der Stadt, man muss sogar auf einem Wege die Autobahn durch eine Unterführung durchqueren, man hat die Autobahn dann unter sich. Im Castello gibt es ein Museum zur Stadtgeschichte und einen wunderschönen Blick auf die Stadt und die Bucht von Salerno.

Wir wählten Salerno, eigentlich das Hotel Olimpico in seiner Nähe (Pontacaiano-Faiano) als  Ausgangspunkt fürs Kennenlernen Kampaniens und wie bereuten diese Entscheidung nicht.  Das Hotel selbst war lieb, mit einem eigenen gepflegten Strand nur über der Straße und mit einem reichen Frühstückbuffet mit viel Obst. Sein alter Besitzer grüßte abends die Gäste im  Restaurant, angezogen in einem perfekt passenden Anzug mit einer Fliege, um morgens in einer Papiermütze Waffeln zu  braten. In die Stadt führte uns ein Hotelangestellter, den wir „Speedy“ nannten. Er schaffte es auf der Straße mit Geschwindigkeitsbegrenzung von siebzig Kilometern mit hundertzwanzig in die Kurve zu fahren und dabei mit seiner Freundin zu telefonieren – sein Handy natürlich am Ohr haltend. Meine Frau, die wegen ihrer Kinetose auf dem Vordersitz sitzen wollte, mochte ihn für seine Fahrstil nicht wirklich. Ich versuchte mit ihm mit meinem gebrochenen Italienisch zu kommunizieren, was zu Folge hatte, dass er mich am dritten Tag erstaunt anschaute und sagte: „Hören Sie zu, sie sprechen mit mir Italienisch?“ „Ja, schon den dritten Tag,“  bejahte ich. Er wurde still, für eine Weile wirkte er depressiv und verlangsamte (in der Stadt) auf neunzig Stundenkilometer. Er bewunderte wahrscheinlich alle die drei Tage sein eigenes Talent Englisch zu verstehen oder das, was er für Englisch hielt und die Erkenntnis, dass es die ganze Zeit seine Muttersprache war, traf ihn direkt ins Herz.

Es war von dort überallhin nah. Nach Pompei, nach Herculaneum, Amalfi, Vesuv. Nach Neapel fuhren wir mit dem Zug aus Salerno und sogar Benevent war nicht zu weit entfernt.

Ein sehr schöner Teil des Landes ist Cilento. Costiera Cilentana ist am südlichen Ufer der Bucht von Salerno, Amalfitana am nördlichen. Cilentana beginnt in der Stadt Agrópoli, deren Altstadt hoch über das Meer emporragt. Wir stellten das Auto in der Neustadt ab und dann glich der Aufstieg auf breiten Stiegen zur Altstadt einer Bergwanderung. Die Belohnung war ein unglaublich fantastischer Blick über die ganze Bucht von Salerno. Die Kirche in der Altstadt ist der Jungfrau Maria von Konstantinopel gewidmet, der Beschützerin der Matrosen. Wir aßen in einem kleinen Restaurant auf einer Terrasse hoch über dem Meer. Als Vorspeise gab es natürlich eine Mozzarella buffalla, weil ohne sie in Kampanien gar nichts geht. Auf dieses Lokalprodukt sind die Einheimischen besonders stolz. Dann bestellte ich frittierte Fische aus dem Fang des Tages. Ich muss dazu sagen, der Fang des Tages war eindeutig miserabel. Meine Frau lachte, dass der Wirt wahrscheinlich die Fische seinem Sohn aus seinem Aquarium fischen musste und suchte die ganze Zeit den verzweifelt weinenden Buben. Es gab keinen solchen. Auf der Spitze der Stadt gibt es die mit einer Brücke mit der Stadt verbundene Festung Castello Aragonese mit dem unglaublichen Ausblick, wenn euch die ganze Welt wortwörtlich zu Füßen liegt.

Noch bevor man Cilentana einfährt, muss man Paestum besuchen, eine der größten Ausgrabungsstätten in Italien. Die Stadt wurde einmal von Griechen aus Sybaris gegründet, die die Stadt zu Ehre des Gottes Poseidon Poseidonia nannten. Als die Stadt im Jahre 273 v.CH von Römern erobert wurde, umbenannten sie die Stadt zu Paestum.    Die Stadt ist mit einer beinahe fünf Kilometer langen und fünf Meter dicken Mauer umgeben, trotzdem war diese Mauer nicht stark genug, um die Stadt vor den Einfällen der Arabern zu schützen, deshalb gaben die Bewohner die Stadt im neunten Jahrhundert auf. Sie wurde im Jahre 1752 neu entdeckt und heute gibt es hier Ausgrabungen auf einem riesigen Gebiet, obwohl nur ein kleiner Teil der Stadt bisher freigelegt wurde. Besonders der repräsentative Teil mit Tempeln von Poseidon, Apollo, Hera oder Athena. Sie werden alle von monumentalen dorischen Säulen getragen, manche haben sie sogar noch die Cella, also den inneren Teil des Tempels. Man sieht auch ein großes Forum sowie auch das Gymnasium.  Eine Kuriosität ist der Tempel der Göttin Fortuna, also der Glücksgöttin, vor dem sich ein Schwimmbecken befindet. Jedes Jahr mussten alle Frauen der Stadt im fertilen Alter ein Bad in diesem Becken nehmen, um fruchtbar zu bleiben. Ob dort nur die Verheirateten baden mussten oder auch die Unverheirateten, erfuhr ich nicht. Das Amphitheater wird schonungslos durch eine Straße „Via Magna Grecia“ in zwei Teile getrennt, die im Jahre 1829 König Franz I. von Neapel bauen ließ, um eine Verbindung mit dem bis dahin verkehrsmäßig vollkommend abgeschnittenen Kalabrien zu schaffen. Er wurde offensichtlich durch gute Absichten getrieben, heute könnte man angesichts des Ergebnisses vom Schlag getroffen werden. Im Museum von Paestum gibt es eine Menge an Gräbern mit Bildern auf dem Verputz auf der Innenseite der Grabsteine. Auf den Mauern der Gräber gibt es am häufigsten Bilder von Gastmählern, für besonders kampfsüchtige Tote gibt es aber auch Bilder von Schlachten oder Jagd. Das berühmteste ist das Bild des Tauchers, der ins Wasser springt. Ob es sich dabei wirklich um einen Sprung ins Wasser oder um einen symbolischen Sprung  in die Ewigkeit handelt, hat noch niemand beantworten können.

Dann fuhren wir weiter auf den Serpentinen der Cilentata. Wir erreichten die Ruinen der Stadt Elea/Velia (35 km von Agrópoli entfernt), wo einmal die Philosophen Xenophanes, Parmenides und Zenon tätig waren, nicht. Es war notwendig, baden zu gehen. Tief unter der Straße sahen wir ein Städtchen mit einem langen sauberen Schotterstrand und wir entschlossen uns, dort eine Pause zu machen. Dieses Städtchen oder eher ein Dörfchen hieß Pioppi. Der Strand war sehr schön. Als wir uns im Meer erfrischt hatten, brachen wir zu einer Stadtbesichtigung auf. Und wir fanden zu unserem  Erstaunen eine große Luxusvilla, in der sich das „Museum der Mediterraner Kost“ befand. Es war geschlossen, trotzdem ließ mich diese Entdeckung nicht in Ruhe und ich habe nachgeforscht. Ich wollte mehr wissen. Ich fand eine wunderschöne Geschichte.

In Boston in den USA lebte und wirkte ein berühmter Physiologe Ancel Keys. Er beschäftigte sich mit der Auswirkung der Diät auf kardiovaskuläre Erkrankungen. Im Jahr 1950 veröffentlichte er ein Buch von 1400 Seiten „The Biology of Human Starvation“, das als Bibel für die gesunde Ernährung galt. Als er mit siebzig Jahren in die Pension ging, machte er einen Urlaub in Italien und machte im Jahr 1975 in Pioppi halt – und wahrscheinlich das erste Mali im Leben hat er köstlich gegessen. In Folge dieses Erlebnisses verwarf er alle seine Theorien und begann die italienische Küche zu studieren. Er stellte fest, dass sie nicht nur gut, sondern sogar gesund sei. Sein Buch „How to eat well and stay well the Mediterranean way“ (1975) über die mediterrane Kost wurde zu einem Bestseller – natürlich auch deshalb, da es ein so berühmter Experte schrieb und der Mythos der „Mediterraner Küche“ war geboren. Und lebt bis heute. Weil Ancel Keys 101 Jahre alt wurde (nur ein Jahr vor seinem Tod verließ er seine Villa in Pioppi, wo er 28 Jahre gelebt hatte, und kehrte in die USA zurück), galt die gesunde Wirkung der mediterranen Diät auf den menschlichen Organismus als bewiesen.

Also, wenn Sie von Paestum nach Velia fahren, vergessen Sie einen Stopp in Pioppi nicht. Es ist winzig klein, lieb und historisch UNGEHEURLICH wichtig. Hier wurde eine Kultur geboren, der wir täglich in unserer eigenen Küche begegnen.

Bei dieser Gelegenheit darf ich eine Bemerkung zu einem nicht wegdenkbaren Teil der mediterranen Diät, nämlich zum Rotwein, nicht auslassen. Auf dem geriatrischen Kongress im Jahr 2012 kam es zu einer Diskussion, ob der Rotwein für alte Menschen von Vorteil sei oder nicht. Über das  Nutzen kam es zu keinem wirklichen Streit, die Frage war nur, wie viel soll oder darf ein alter Mensch davon genießen. Ob ein Achtel oder zwei und ob einmal pro Woche oder einmal pro Tag. Die Diskussion wurde von einem alten italienischen Professor beendet. Er nahm das Mikrofon  in die Hand und bestimmte die Menge des Rotweines fürs Erreichen des hohen Alters mit folgenden Worten: „So viel, wie sozial akzeptabel.“

Also Prosit!“

 

 

 

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