Cremona ist einfach entzückend. Diese Stadt, am Ufer des Flusses Po, spielte eine bedeutsame  politische Rolle im dreizehnten Jahrhundert. Sie war der Hauptstützpunkt der kaiserlichen Macht in der Poebene  und der Hauptgegner des nahen Mailands im Kampf um die Oberhoheit in der Region.

Aus den heutigen Stadtgrößen (Cremona 70.000 und Mailand 1,3 Millionen Einwohner) ist man gleich im Klaren, wie dieser Kampf ausgegangen ist. Die Stadt war streng ghibellinisch, möglicherweise stehen deshalb auf dem Hauptplatz die kirchlichen (Dom mit Campanile) und die weltlichen (Palazzo comunale und Loggia dei Militi, wo die Stadtgarde angesiedelt war) Gebäude getrennt, auf gegenüber liegenden Straßenseiten.

Kaiser Friedrich II. war sich der Bedeutung der Stadt bewusst und unterstützte sie mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln. Gerade aus diesem  Grund stammen alle wichtigen Gebäude der Stadt aus der Zeit seiner Herrschaft. Nach der Ausrottung der Staufen, im Jahr 1268, hat auch in dieser Stadt die päpstliche Partei (der Guelfen) die Oberhand gewonnen doch das erwies sich als fatal. Nachdem die Viscontis in Mailand die Seiten wechselten und zu treuen Anhängern der kaiserlichen Macht wurden, blieb Cremona, in der Zeit des italienischen Feldzuges von Kaisers Heinrichs VII., auf der päpstlichen Seite und wurde dafür gehörig bestraft. Im Jahr 1322 wurde sie von den mailändischen Truppen eingenommen und verlor für immer ihre Selbständigkeit und Bedeutung.

Noch einmal, zumindest für einen einzigen Tag, stand Cremona im Mittelpunkt  des politischen Lebens, als hier im Jahr 1441 die Hochzeit der Erbin des Herzogtums von Mailand Bianca Maria Visconti mit dem einundvierzigjährigem General Francesco Sforza stattgefunden hat. Der Bräutigam bekam die Stadt Cremona als Mitgift seiner Braut. Bei dieser Hochzeit sollte das erste Mal als Nachtisch „Torrone“ serviert worden sein. Es wird auch heute noch als eine cremonische Spezialität in den Souvenirgeschäften verkauft. Es schmeckt und schaut aus wie der gut bekannte türkische Honig.

Der Dom ist ein imposantes Gebäude mit kleinen Türmen, die an Minarette erinnern. Mit diesem baulichen Artefakt ist man in mehreren Städten am Po konfrontiert. Warum es so ist, habe ich nicht erfahren. In der Kathedrale wird eine umstrittene Reliquie aufbewahrt, nämlich der Dorn aus der Dornkrone Christi. Er wurde der Stadt von Papst Gregor XIV. geschenkt. Es war ein Geschenk an jene Stadt, in der er geboren wurde. Dies war wahrscheinlich das einzige, was er in seinem Pontifikat (das lediglich zehn Monate dauerte), geschaffen hat. In der Krypta liegen Überreste des lokalen Patrons des „Heiligen Omodon“, mit einer Maske auf dem Gesicht. Es handelt sich um einen cremonischen Kaufmann, der sehr wahrscheinlich einen Handel mit Stoffen betrieben hatte (er ist der Schutzpatron der Schneider) und der bereits zwei Jahre nach seinem Tod, im Jahr 1099, von Papst Innozenz III. heiliggesprochen wurde. Den Grund für diese Eile konnte ich nicht entdecken! Wahrscheinlich hat er auf ein großes Besitz verzichtet, hoffen wir, dass er dies für die Armen und nicht für die katholische Kirche getan hatte. Die superschnelle Heiligsprechung spricht aber eher für die zweite Variante.

Im Dom befindet sich ein riesiges Kreuz aus Silber, es ist dies ein Werk mailändischer Goldschmiede, das zu meinem Erstaunen auf einen Sieg der Cremonesen über Mailand erinnert. Weil das Kreuz aber bereits im fünfzehnten Jahrhundert geschaffen worden ist, als Cremona bereits eine Weile mailändisch war, wollten anscheinend die herrschenden Herzöge, ihren Untertanen ein bisschen Selbstachtung geben.

Viel erstaunlicher als der Dom selbst ist aber das Baptisterium, das gleich nebenan steht. Seine einfache romanische Konstruktion, aus dem Jahr 1167, mit einer unglaublich hohen Kuppel ist faszinierend. Die drei Euro Eintrittsgeld zahlen sich wirklich aus. Offensichtlich ging der Stadt während dieses Baus das Geld aus, da mit den Marmorplatten das Baptisterium nur zur Hälfte bedeckt wurde. Trotzdem ist es wunderschön. Das Taufbecken selbst, mit der Statue des Christus  Erlösers, ist aber deutlich jünger. Es stammt aus dem sechzehnten Jahrhundert. Hier ist auch die Statue von Erzengel Gabriel (die ursprünglich auf dem Kuppelgipfel stand) und ein Bild von Johann Paul II. (gemeinsam mit dem cremonischen Bischof  Monsignore Anrico Assi) der selbstverständlich auch einmal hier war. Das überrascht uns aber nicht, denn er war einfach überall.

Wer in einer sehr guten körperlichen Verfassung ist, kann auf die Campanile hinauflaufen. Sie ist mit 112 Meter angeblich die höchste in Italien. Um auf die Aussichtsterrasse zu gelangen muss man 502, immer enger werdende Stufen, einer Wendeltreppe bewältigen. Ungefähr nach einem Drittel der Turmhöhe, gibt es einen Raum in dem man sich mit der Geschichte und Funktion der astronomischen Uhr bekannt machen kann. Sie ist auf dem „Torazzo“ platziert. Die Italiener sind Meister der Übertreibung und  lieben daher das Wort „am meisten/am größten“  (also „piú“), deshalb ist auch der Glockenturm die höchste aus Ziegel gebaute Campanile in Italien und die Uhr, mit 54 Quadratmeter Fläche, natürlich die größte der Welt. Ihre Funktion, deren Beschreibung man in einem Kurzfilm (italienisch mit englischen Untertitel) kennenlernen kann ist faszinierend. Sie ist ununterbrochen, seit Ende des fünfzehnten Jahrhundert im Betrieb, als sie in die Campanile eingebaut worden ist. Von der Kirchturmspitze aus kann man ganze Cremona sehen. Nein, ich übertreibe nicht, man kann sogar die Industriezone fern vom historischen Zentrum, mit dem Fluss Po im Hintergrund, sehen. Cremona ist nämlich wirklich so klein, dafür aber umso lieber.

Cremona nennt man auch die Stadt der Violinen. Einer der bekanntesten Hersteller ist Antonio Stradivari.

Dieser Geigenmacher ist in der gesamten Stadt allanwesend. Ich habe gleich drei seine Statuen in Cremona entdeckt. Eine auf dem nach ihm benannten Platz, die zweite vor dem Haus in dem heutigen Corso Garribaldi lebte und arbeitete und die dritte natürlich vor dem „Museo de Violine“, das Museum der Geigenmacherei. Ich bin zwar nicht durch die gesamte Stadt gegangen, daher könnte ich vielleicht eine versteckte irgendwo übersehen haben. Stradivari wurde 93 Jahre alt, im Museum sind sowohl Geigen ausgestellt die er mit 26, aber auch mit 90 Jahren gefertigt hat. Man findet hier auch den berühmten kleinen „il cremonese“, aus dem Jahr 1715, damals war Stradivari 71 Jahre alt.

Er musste unglaublich gute Augen und sichere Hände in den späten Jahren seines Lebens gehabt haben, die Geigenproduktion ist nämlich eine Millimeterarbeit und ein einziger falscher Schnitt ruiniert das gesamte Produkt. Natürlich sind in der „Sala dei Violini“ auch Geigen anderer Meister ausgestellt. Manche davon sogar älter als die von Stradivari (zB.:  „l´Hammerle“, aus dem Jahr 1658, von Nicolo Amati). Die Geigenproduktion wir dem Besucher in sechs Kurzfilmen vorgestellt. Die Filme beginnen beim Baum, aus dem das Holz gewonnen wird und enden beim Spiel auf dem fertigen Instrument. Auf einer Weltkarte ist es möglich die Entwicklung der Geigenmacherei zu verfolgen. Es beginnt im sechzehnten Jahrhundert, als die Violine entstanden ist und geht bis zum  Jahr 1937. Natürlich wird man hier überall mit Musik begleitet, man kann sich aber auch nur in die Säle setzen und einfach nur zuhören und relaxen. „Museo dei violini“ ist ein echtes Erlebnis.

Cremona war einer der fünf ersten Zentren der Geigenproduktion. Als erste begann damit die Familie Amati, danach haben sich die Familien Stradivari und Guarneri angeschlossen. Nach dem Höhepunkt der Geigenproduktion im siebzehnten Jahrhundert kam ein Niedergang. Am Beginn des zwanzigsten Jahrhundert wurde aber die „Scuola di Liuteria“ (die Schule der Geigenmacherei) gegründet, was Cremona wieder zur italienischen Hauptstadt der Geigenproduktion machte. In Cremona gibt es übrigens auch heute noch eine Reihe an Meistern, deren Werkstätte man besuchen und dem Meister bei seiner Arbeit zuschauen kann. Seit 2009 gibt es den Verein „Friends of Stradivari“, wenn Sie eine Originalgeige von diesem Meister in ihrem Besitz haben oder in Ihrem Museum aufbewahren, können Sie diesem Verein beitreten. Seit 1976 findet in dreijährigen Intervallen ein internationaler Wettbewerb der Geigenmacher statt, der von der „Fondatione Stradivari“ organisiert wird. In der Sammlung „Collezione Permanente“ kann man die siegreichen Geigen dieses Wettbewerbes bewundern.

„Museo civile“ war für uns eher ein „Schlag ins Wasser“. Wer Bilder aus der Barockzeit liebt, wird hier richtig sein. Keinesfalls sollten dieses Museum aber Gitarrenliebhaber auslassen. Es gibt hier eine Gitarrenausstellung, mit Gitarren, Mandolinen und vielen weiteren Saiteninstrumenten (keine Geigen, die sind in einem eigenen, oben beschriebenen Museum untergebracht). Es ist hier die Entwicklung dieser Musikinstrumente beschrieben, das ist aber nur etwas für Spezialisten oder Liebhaber dieser Instrumente.

Interessant konzipiert ist „Museo archeologico“, das in einer alten, halbzerfallenen Kirche (San Lorenzo) untergebracht wurde. Wie ich bereits mehrmals erwähnte, die Italiener reißen nichts ab, es ist ihnen zu viel Arbeit und es entsteht ihnen zu viel Schade. In einer Kirchenruine installierten sie daher lieber ein Museum der Archäologie, wie oben erwähnt.

Cremona ist ein schönes und liebes Städtchen, stolz auf seine Geschichte und Gegenwart, aber ganz unauffällig. Den Aufenthalt hier kann man wirklich auskosten und genießen.

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